"Prosa, Lyrik" Gehört hatte ich diese Worte schon. Wo sollte ich sie einordnen? Auf einer Speisekarte, in Automagazinen, Jagd und Angelbüchern oder in Comics?
Ich hatte mir über den Einfluss der Literatur auf meine Person bisher keine Gedanken gemacht. In meiner bisherigen Erfahrung mit der Literatur, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von Literatur sprechen konnte, bin diesen Worten nie begegnet.
Jemand hatte mich beeinflusst. Der Übeltäter war meine Frau. Fragen Sie mich bitte nicht wie lange wir verheiratet sind, wann wir geheiratet haben, wann sie Geburtstag hat. Nach dem Geburtstag seiner Frau sollte ein wahrer Gentleman nicht fragen. Bei uns wird jeden Tag Geburtstag und Hochzeitstag gefeiert. Das hat nur Vorteile. A: Datum merken. Unwichtig. B: Ist besser als nur einmal im Jahr.
Meine Frau wurde durch ihre Familie schon früh mit dem Schriftstellervirus infiziert. Sie hat in der Zwischenzeit viel veröffentlicht und ich denke, sie ist in der Szene etabliert.
Zurück zu mir. Ich ging in meinen wohlverdienten Ruhestand, mitunter auch Rente genannt. Auf die Frage: "Gehst du in Pension?" , antwortete ich: "Nein ich fange ein neues Leben an".
Was fange ich mit meinem neuen Leben an? Diese Frage sollte sich meiner Ansicht nach jeder stellen. Die Antwort ist relativ einfach: "Jacht chartern, Weltreise machen, Partys feiern, Traumauto kaufen und und und". Ha, ha, ha, springst du höher als deine Decke, schlägst du dir den Kopf an, eine Beule ist dir sicher.
Wenn du einen armen Vater hast, kannst du nichts dafür. Wenn du einen armen Schwiegervater hast, bist du selbst schuld.
Das mit dem Schwiegervater hat nicht geklappt. Deshalb sind meine geträumten Träume nur Träume. Ein Leben aber ohne Hoffnungen ist öde und langweilig.
Ruhestand real: Haus renovieren, Garten auf Vordermann bringen, Keller aufräumen und und und.
Wichtig ist auch das Körpergewicht. Ich habe bemerkt dass mir mein Konfirmationsanzug nicht mehr passt. Hochzeitsanzug spannt, auch nicht auffallend. Aber dass sich der Smoking, den ich vor drei Jahren zur Hochzeit der Tochter habe machen lassen, nicht mehr vorschriftsmäßig schließen lässt, macht mir Sorgen.
Sorgen machen mir auch die beiden Worte,"Prosa und Lyrik". Ich habe Zeit, ich möchte schreiben, dachte ich mir.
Information an meine Frau: „Ich werde meine erste Geschichte schreiben!“ Antwort von meiner Frau: „Nicht so einfach wie du dir das denkst, auch beim Schreiben gibt es gewisse Regeln die eingehalten werden müssen.“ "Regeln, einhalten", da waren sie wieder meine zwei Probleme: "Prosa, Lyrik". Schreiben, Aufschreiben, Abschreiben Beschreiben, Unterschreiben, Vorschreiben. Vorschreiben hat nur indirekt etwas mit Schreiben zu tun aber Vorschriften haben etwas mit Vorschreiben gemein. Resultat: Auch in der Literatur gibt es Vorschriften. Also muss ich mich mit den verschiedenen Arten des Schreibens vertraut machen. Meine Frau hatte eine Einladung zu einer Literaturnacht bekommen. „ Ich werde dich begleiten,“ sagte ich zu ihr, aus reiner Menschenliebe. Gesagt Getan.
An der Lesebühne angekommen: Der Eintritt betrug pro Person zehn Euro! Davon stand nichts in der Einladung, aber wir hatten einen Sitzplatz. Ungeduldig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her und wartete auf den Beginn der Rezitation.
„ Als ersten Autor stelle ich ihnen nun Herrn Sowieso aus Sowieso vor. Sein Thema:" Eisenbahnstreik".
Endlich, jetzt konnte ich bestimmt etwas Lernen. Herr Sowieso begann mit seiner Rezitation: „ Ja, Ja, Ja, GDL. Hm, Hm, Hm, Ramelow. Ja, Ja, Ja, Weselsky. Hm, Hm, Hm, Deutsche Bahn und und und.“ Das dauerte 15 Minuten.
„ Als nächsten Leser stelle ich ihnen Herrn Tralala aus Tralala vor. Sein Thema: ????????. Herr Tralala begann mit seiner Rezitation:
„Ich fuhr auf der Autobahn nach Osten der Liter Diesel kostete noch 50 Cent. An der Grenze angekommen wurde ich kontrolliert. Meinen Ausweis musste ich vorzeigen. Alles in Ordnung Sie können weiterfahren. Ich fuhr nun Richtung Dresden und und und." Was hatte ich gelernt?
Am nächsten Tag setzte ich mich an den PC und wollte schreiben. Nach einer halben Stunde war der Bildschirm immer noch leer.
Ich musste zugeben, ich hatte auf der Lesebühne doch etwas gelernt.
Es ist einfach über das Werk anderer Kritik zu üben. Kritik sollte nur jemand ausüben, der versucht hat, das zu tun worüber er Kritik üben will. Ich hatte ein schlechtes Gewissen.
Aber ich durfte nicht verzagen, positives Denken war angesagt.
Wenn ich eine Idee habe muss ich sie schnell zu Papier bringen bevor jemand Anderer den selben Einfall hat, und mir zuvor kommt.
Das ist der Druck dem ich momentan ausgesetzt bin. Die Idee jedoch, ist so schnell weg, wie sie gekommen ist.
Ich gehe im Wald, laufe, um die grauen Zellen zu aktivieren. Dabei kommt mir der Gedanke: "Wenn dir ein Ast auf den Kopf fällt dann bist du einen anderen Druck ausgesetzt". Ich habe wieder eine Idee.
Panik. Hoffentlich vergesse ich diese nicht, ich habe nichts zum schreiben dabei. Zurück am PC, da waren sie wieder meine zwei Probleme. " Prosa, Lyrik“. Meine Frau kommt in mein Zimmer. Sie sieht auf den Bildschirm, der immer noch leer ist. „ Du bist ja noch nicht weit gekommen mit deiner Geschichte,“ sagte sie.
„ Ich weiß, Prosa oder Lyrik ist einfach nicht mein Ding,“ sagte ich.
„ Es gibt einen Schreibstil der heißt Drabble, probier es doch einfach damit,“ meinte meine Frau.
Ich machte mich schlau,. Ein Drabble ist eine pointierte Geschichte, die aus exakt 100 Wörtern besteht. Dabei wird die Überschrift nicht mitgezählt.
Neue Vorschriften. Endlich kam mir der erlösende Gedanke. Ich schrieb einfach das, worüber ich mir die ganze Zeit Gedanken gemacht hatte. Das Ganze nenne ich den "Böhmischen Schreibstil". Ich werde berühmt und reich, ich charter mir eine Jacht, mache eine Weltreise, den ganzen Tag nur Partys, Traumauto kaufen und und und…. Das sind schon wieder nur Träume.
„ Hilfst du mir bitte beim Fenster putzen?“ Ruft meine Frau. Die Realität hat mich wieder, keine Zeit mehr für Träume. Prosa und Lyrik sind jetzt nicht mehr meine Probleme, meine neuen Probleme sind nun anders gelagert. Wo ist die Leiter, wo der Putzeimer? Das wahre Leben hat mich gnadenlos in den Griff bekommen. Meine Gedankensprünge sind jäh unterbrochen.
Ich hoffe dass meine kleine Geschichte den Einen oder Anderen auch zu Gedankensprüngen anregen wird.
Ich verbleibe mit vorzüglicher Hochachtung: euer Buchstabensuppenkoch
Tag der Veröffentlichung: 07.03.2016
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