Das nerventötende Geräusch meines Weckers riss mich aus dem Schlaf. Ich tastete blind nach ihm und stellte ihn schlaftrunken ab. Ergeben stand ich auf und suchte den Lichtschalter.
Helles Licht durchflutete mein Zimmer, das mir nach einem Monat immer noch fremd vorkam. Ich vermisste mein altes Zimmer und vor allem mein altes Leben in Ascona. Da mein Vater nach Uster versetzt wurde, mussten wir hierher in diese abgasverseuchte Stadt ziehen. Es war der Horror, ich fand mich hier überhaupt nicht zurecht. Alles war mir fremd und die Stadt viel zu gross. Und das Schlimmste war, dass ich meine Freunde in Ascona verlassen musste. Hier in dieser riesigen Stadt kannte ich doch niemanden und ich war nicht so ein extrovertierter Mensch. Das bedeutete, ich hatte es schwer neue Leute kennenzulernen. Kam dazu, dass heute mein erster Tag in der neuen Schule war und ich solche Panik davor hatte.
Am liebsten hätte ich mich wieder unter meiner Bettdecke verkrochen, doch da rief mich meine Mutter schon zum Frühstück.
Verdammt! Ich war noch nicht einmal angezogen. Ich zog meine blaue Lieblings Jeans aus der Schublade und schlüpfte hastig hinein, sie lagen wie immer eng an meinen langen Beinen an. Dann wühlte ich in meinem Schrank nach einem Oberteil, es sollte warm werden, also entschied ich mich für ein hellblaues Shirt, das eine Schulter freiliess und zu meinen Augen passte. Jetzt nur noch schnell schminken. Geübt trug ich Kayal und Wimperntusche auf und sah dann kritisch in den Spiegel.
Ich zuckte mit den Schultern, es war überhaupt nicht perfekt, aber das Mädchen im Spiegel sah mir wenigsten ein wenig ähnlich. Ich band meine langen Haare zu einem Knoten im Nacken zusammen und rannte dann die Treppe hinunter.
Der verführerische Duft von Rühreiern kitzelte mich in der Nase, als ich in die Küche kam. Meine Mutter stand am Herd und brat die Eier auf beiden Seiten, genauso wie ich es liebte.
Ich setzte mich an den grossen Weisseichentisch und trank schon mal meinen Orangensaft aus. Meine Mutter brachte mir die Eier und ich verschlang sie hungrig. Nach dem Essen putzte ich noch schnell meine Zähne und ergriff dann meine Jeansjacke, denn am Morgen war es noch frisch. "Melanie, mein Schatz, einen guten Start in der Schule." Mit diesen Worten drückte meine Mutter mir einen Kuss auf die Wange.
Ich nickte nur betäubt und schon fiel die Eingangstür hinter mir zu. Ich raffte mich auf, ich würde das schon überleben. Müde steckte ich mir die Kopfhörer in die Ohren und liess mein Lieblingslied "The Reason" in Endlosschleife laufen. Ja ich weiss, ich bin altmodisch, aber dieses Lied erinnerte mich immer an mein altes Zuhause. Angenehm kühle Sommerluft umstrich mein Gesicht und ich wurde langsam munter.
Der ankommende Bus, unterbrach meine Gedanken und ich rannte so schnell wie ich konnte los. Völlig ausser Atem stieg ich in den überfüllten Bus ein und liess mich auf den letzten freien Platz fallen. Also man merke sich; wenn man den Bus nicht verpassen möchte, sollte man früher aus dem Haus. Am Uster Bahnhof stieg ich aus und meine Kinnlade klappte herunter.
Diese Hektik sowie dieses Treiben hier am Morgen kam mir völlig fremd vor. So hatte ich es mir nicht einmal in meinen schlimmsten Albträumen ausgemalt.
Ich war hier völlig verloren, inmitten einer hektischen Menge Menschen, die auf den Zug oder Bus mussten. Nun ja, umsteigen auf einen anderen Bus musste ich auch. 812 oder 830; wenn ich mich nicht täuschte, konnte ich beide nehmen. Nun denn, ich würde einfach den Bus nehmen, welchen ich als erstes sah.
Ich schlängelte mich durch die treibende Menge und wurde immer wieder mal hier und da herum geschubst.
Lieber Gott, wie sollte ich das jemals nur überleben. Da! Ich sah den Bus 812, er würde um punkt 8:00 abfahren. Ich schaute auf meine Armbanduhr und bemerkte mit Schrecken, dass es schon 7:59 war. Ich sprintete den letzten Teil und stieg vorne ein. Im Vergleich zu diesem Bus, war der letzte geradezu noch leer gewesen. Dieser hier war so vollgestopft, dass man kaum noch atmen konnte. Neugierig schaute ich mich um.
Die meisten Fahrgäste waren in meinem Alter und gingen wohl auch in gleiche Schule wie ich. Ich stellte mit einiger Erleichterung fest, dass sich auch nicht alle kannten, denn nur einzelne unterhielten sich.
Das Vibrieren meines Handys zeigte mir an, dass ich ein SMS bekommen hatte. Ich fischte es aus meiner Hosentasche und fing dabei neidische Blicke ein. Sie galten nicht mir, sondern meinem nuem iPhone5. Mein Dad hatte es mir als Trost geschenkt, weil wir umziehen mussten.
Aber lieber hätte ich jetzt kein iPhone5 und würde gemütlich mit meinen alten Freundinnen in die Schule schlendern, als hier in diesem überfüllten Bus stehen.
Ich seufzte und öffnete die Nachricht. Sofort hob sich meine Laune, denn sie kam von meiner besten Freundin Lucy.
"Hey Süsse, wir vermissen dich alle sehr und hoffen, dass du dich in dieser grossen Stadt ein bisschen eingelebt hast. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder einmal. Küsschen Lucy."
Ich tippte die ersten paar Worte ein, liess es aber dann bleiben. In diesem Bus wurde man so durchgerüttelt, dass es einem unmöglich machte eine SMS zu schreiben. Ich liess mein Handy wieder in die Tasche gleiten und da hielt auch schon der Bus bei der Haltestelle, an der ich aussteigen musste.
Alle drängten zum Ausgang und ich wurde von allen Seiten herum geschubst und angerempelt, bis ich endlich auch draussen war. Okay! Eines stellte ich klar, ich würde nie mehr am Montagmorgen mit diesem Bus fahren. Es war ja sicher nicht sehr weit, vom Bahnhof hier hinauf zu der Berufswahlschule zu laufen. In Zukunft werde ich einfach zu Fuss gehen. Ich schulterte meine Schultasche und lief die Treppe hinauf zu meinem neuen Schulzimmer. Ich holte einmal tief Luft und betrat dann das Zimmer.
Neugierige Augenpaare richteten sich sofort auf mich und alle Gespräche verstummten. Genau vor dem hatte ich am meisten Angst.
Ich senkte den Kopf und huschte zu dem Platz, der mir am nächsten war. Ich liess mich auf den Stuhl fallen und atmete erleichtert aus. Erst jetzt bemerkte ich das Mädchen neben mir. Sie sah genau so verloren aus wie ich. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und sprach sie an:
"Hallo mein Name ist Melanie, aber alle nennen mich Mel. Und wer bist du?"
Sie schaute mich schüchtern aber sehr freundlich an. Ich fand, dass sie noch recht hübsch war. Sie hatte weiche braune Augen, die mich fröhlich anstrahlten und lange hellbraune Haare, die ihr feines Gesicht umrahmten.
"Ich heisse Serena.", antwortete sie.
"Freut mich dich kennenzulernen. Ich kenne hier sonst niemanden.", sagte ich.
Serena nickte mit dem Kopf. "Geht mir genauso. Kommst du denn nicht von Uster?"
"Nein ich komme eigentlich von Ascona, aber da mein Vater hierher nach Uster versetzt wurde, sind wir umgezogen.", erzählte ich.
"Oh, da hat man es sicher nicht leicht. Ich wohne seit meiner Geburt in Uster, aber kenne hier fast keine Leute, weil Uster ja recht gross ist." Sie lächelte mich an.
"Recht gross? Im Vergleich zu Ascona ist Uster riesig. Und du kennst auch niemanden von deiner alten Klasse?", fragte ich weiter.
"Doch, dieser dort ganz hinten. Er heisst Marc. Er ging früher mit mir in die Klasse. Aber ich gebe dir einen guten Tipp: Halte dich von ihm fern, er ist einfach ein riesiges Arschloch. Ich war 3 Jahre mit ihm in derselben Klasse und es war der Horror. Er ist respektlos zu den Lehrer und mobbt andere Schuler, weil sie nicht so "beliebt" sind wie er.", regte sich Serena auf.
Ich schaute nach hinten und mein Blick fiel auf einen grossen Jungen, der einen arroganten Blick aufgesetzt hatte. Er hatte dunkelbraune Locken und fast schwarze Augen. Dieser Junge sah recht bedrohlich aus und nach seinem Style her zu schliessen war er Italiener.
"Okay ist gut. Ich werde es mir merken.", lachte ich.
Da betrat auch schon der Lehrer das Klassenzimmer und unterbrach unser Gespräch. Wir setzten uns aufrecht hin und widmeten ihm unsere ganze Aufmerksamkeit.
"Guten Morgen zusammen. Mein Name ist Herr Schmidt und ich werde für das nächste Jahr euer Klassenlehrer sein. Wenn also irgendetwas ist, oder ihr Probleme habt, könnt ihr zu mir kommen."
"Zu dem würde ich ganz sicher nicht gehen, wenn ich Probleme hätte. So wie der aussieht, wie ein Biber.", wisperte Marc seinem Kumpel zu und sie brachen in schallendes Gelächter aus.
Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen, Herr Schmidt hatte schon etwas von einem Biber. Serena warf mir einen Blick zu, der bedeuten sollte:
"Habe ich es dir nicht gesagt?".
Herr Schmidt, der die Bemerkung nicht gehört hatte, fuhr fort. "Also nun wisst ihr wer ich bin, aber ich habe keine Ahnung wer ihr seid. Jeder von euch stellt sich nun mit dem Namen, Wohnort und Hobby vor. Wir fangen in den vordersten Reihe an."
"Hallo mein Name ist Robin, ich wohne in Dübendorf und mein Hobby ist Fussballspielen." So ging es weiter bis wir bei Marc ankamen.
"Joaa, mein Name ist Marc, ich wohne in Uster und in meiner Freizeit spiele ich Fussball und reisse gerne schöne Frauen auf." Die ganze Klasse lachte, nur ich und Serena sahen uns an und verdrehten die Augen.
Da kam auch schon ich an die Reihe. Ich räusperte mich und sagte.
"Hallo mein Name ist Melanie und ich wohne seit kurzem hier in Uster und als Hobby reite ich." Einige lachten laut auf, weil sie es falsch verstanden und Marc wieherte mir zu. Ich wurde natürlich sofort rot und senkte beschämt den Kopf.
"So jetzt ist aber genug.", warnte ihn Herr Schmidt und nickte Serena zu, damit sie fortfahren konnte. "Hallo ich heisse Serena, wohne auch in Uster und lese viel in meiner Freizeit."
"Oh nein, nicht schon wieder. Warum bin ich immer mit diesem Mauerblümchen in der Klasse.", jammerte Marc und Louis neben ihm lachte fies.
"Haben sich die Herren dort hinten wieder beruhigt?", fragte Herr Schmidt. Marc nickte und sagte unhöflich.
"Bitte fahren Sie fort."
"Danke.", sagte Herr Schmidt sarkastisch. "Nach der ersten Pause lernt ihr die Parallelklasse kennen, mit der wir auch das Klassenlager verbringen werden. Heute werden wir die Arbeitsgruppen einteilen und alles besprechen."
Serena und ich sahen und erwartungsvoll an, hoffentlich kamen wir in dieselbe Arbeitsgruppe.
Das Klingeln beendete die Stunde und alle strömten aus dem Klassenzimmer. Ich nahm mein Pausenbrot aus der Tasche und biss hungrig hinein.
"Scheisse! Ich habe mein Brot vergessen.", fluchte Serena.
Ich teilte meins in der Mitte und gab ihr grosszügig die eine Hälfte. Dankbar lächelte sie mich an und wir schlenderten kauend in die Mensa.
Einige sassen an den Tischen, andere wärmten sich draussen an der Sonne. Wir beschlossen auch nach draussen zu gehen und den warmen Morgen zu geniessen.
"Wie findest du Herr Schmidt so?", fragte mich Serena. Ich schluckte den Rest meines Brotes herunter und antwortete:
"Nicht schlecht. Aber er redet ein bisschen langsam und vor allem zu viel."
Sie gab mir lachend Recht.
"Bei der Vorstellungsrunde habe ich gehört, dass du auch viel liest.", lenkte ich das Gespräch auf Bücher.
"Ja das stimmt, ich liebe es zu lesen. Du auch?", schwärmte sie.
"Ja vor allem finde ich Twilight und Maya und Domenico gut. Und du?"
"Ja Twilight ist gut, aber mit Maya und Domenico kann ich überhaupt nichts anfangen. Hast du schon Percy Jackson gelesen?"
Ich schüttelte den Kopf. "Das musst du unbedingt lesen, ich kann es dir sonst heute Nachmittag mitbringen.", bot sie mir an. "
Ja, das wäre toll, ich würde es gerne lesen.", nahm ich das Angebot dankbar an. "Freust du dich auch schon auf das Klassenlager?", fragte ich sie.
"Naja, es geht, ich hoffe einfach nicht, dass ich mit Marc in einer Gruppe bin."
"Ach, das wird schon schiefgehen.", beruhigte ich sie. "Ich hoffe die Parallelklasse hat besser aussehende Jungs als unsere Klasse.", sagte ich und sie nickte zustimmend. Da läutete es auch schon wieder zur Stunde und wir begaben uns ins Schulzimmer.
Herr Schmidt betrat mit einer Frau mittleren Alters das Zimmer und hinter ihnen kam unsere Parallelklasse herein. Serena und ich beugten uns erwartungsvoll vor und nahmen die Jungs ins Visier.
Einer fiel mir sofort auf; er hatte hellbraune Haare, die unter einer weissen Mütze verborgen waren und schokoladenbraune Augen.
Mein Herz setzte einen Herzschlag aus und schlug dann schnell weiter. Ich verfolgte ihn mit meinen Augen, bis er sich in der Nähe von uns auf einem Stuhl niederliess.
Dann wurden die Arbeitsgruppen eingeteilt und ich war mit Serena zusammen. Glücklich lächelten wir uns an. Wir mussten am Freitag in der Küche helfen, mit zwei anderen zusammen aus der Parallelklasse.
"Bin ich Aschenputtel oder was?", fragte einer aus der Parallelklasse, als er erfuhr, dass er den Boden wischen musste. Alle lachten und da passierte es.
Mein Blick und der des Jungen blieben ineinander hängen und sie verschmolzen miteinander. Ich sah immer noch eine Spur des Lächelns auf seinen Lippen. Mein Herz beschleunigte sich und ich konnte meine Augen nicht mehr von ihm abwenden. Ihm ging es anscheinend genauso, denn unsere Blicke fanden immer wieder zueinander.
"So fühlte sich also Liebe auf den ersten Blick an", schoss es mir durch den Kopf.
Als wir alles besprochen hatten, ging die Parallelklasse wieder zurück in ihr Zimmer und meine Augen folgten IHM, bis er aus der Tür trat.
"Und findest du jemanden süss?", fragte Serena mich. Ich nickte nur mit dem Kopf, da ich von diesem Erlebnis noch ganz benommen war. "Welcher…", setzte sie an, doch Herr Schmidt warf uns einen strengen Blick zu und sie verstummte schlagartig.
"Das Klassenlager fängt am Mittwoch an. Bitte seien Sie am Morgen pünktlich um 8:00 Uhr beim Kiosk.", teilte er uns mit.
Dann läutete es auch schon zum Mittag und wir rannten zur Bushaltestelle, damit wir den Bus nicht verpassten. Ich war so froh, hatte ich Serena kennengelernt, sonst hätte ich mich hier überhaupt nicht zurechtgefunden.
Als wir im heissen Bus sassen, fragte sie mich: "Wo wohnst du eigentlich?"
"In einem Haus in der Nähe des Sees. Warum?", antwortete ich.
"Dann musst du also auch auf den Bus 816?"
Ich nickte und fragte erleichtert: "Du auch?".
"Ja, ich muss einfach eine Station früher aussteigen wie du."
"Das macht nichts, ich bin einfach so froh, dass ich mit jemanden auf den Bus gehen kann. Ich kenn mich hier überhaupt nicht aus."
Serena lachte. "Ach, das wird schon; in ein paar Wochen gehörst du richtig zu Uster dazu."
Fröhlich stimmte ich in ihr Lachen ein.
"Na, wie war es?", begrüsste mich meine Mum, als ich nach Hause kam.
"Klasse!", sagte ich begeistert und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Das freut mich.", erwiderte meine Mum ein wenig überrascht.
"Ich habe sogar eine Freundin gefunden. Sie heisst Serena und wohnt auch in Uster, ganz in der Nähe von uns. Wir können zusammen in die Schule fahren.", fuhr ich fröhlich fort.
"Das ist echt toll. Na siehst du, ich habe dir ja gesagt du wirst schnell neue Freunde finden." Sie klang optimistisch.
Erst jetzt, als sie es erwähnte, vermisste ich plötzlich ganz schrecklich meine alten Freundinnen.
"Mama, kann ich schnell Lucy anrufen?", fragte ich sie.
"Ja klar, aber telefoniere nicht zu lange, denn du musst in einer halben Stunde schon wieder los."
Ich nickte und wählte ihre Nummer, die ich auswendig kannte. Es läutete und läutete, doch sie nahm einfach nicht ab. Als sich ihre Mailbox meldete, gab ich auf und legte deprimiert auf. Schade, ich hätte ihr so viel zu Erzählen gehabt.
Frustriert lief ich die Treppe wieder hinunter und setzte mich an den Tisch. Meine Mutter stellte mir einen Teller voller Spargeln vor die Nase und meine Laune sank noch tiefer. Ich hasste Spargeln und das wusste meine Mutter ganz genau.
Lustlos stocherte ich in meinem Essen herum und wartete sehnsüchtig darauf, dass sie fertig gegessen hatte und ich vom Tisch durfte. Als sie fertig war, starrte sie träumerisch aus dem Fenster. "Mama, kann ich gehen?", fragte ich sie.
"Mmh?", machte sie und ich wiederholte meine Frage.
"Ach so, ja natürlich. Viel Spass bei der Arbeit."
Sie summte vor sich hin, während sie die Pfanne abwusch. Ich runzelte verwirrt die Stirn. Was war nur mit ihr los?
Sie kochte Spargeln für mich, obwohl sie wusste, dass ich diese verabscheute. Dann dachte sie, ich ginge schon zur Arbeit. Und als letztes wusch sie fröhlich ab, obwohl sie sich sonst immer über den Abwasch beschwerte. Ich verstand die Welt nicht mehr.
Mit einem Kopfschütteln schloss ich die Haustür hinter mir und spannte meinen Regenschirm auf, da es regnete. Ich lief durch den Regen zur Bushaltestelle und war erleichtert im Trockenen zu sein.
Bei der nächsten Station stieg wie angekündigt Serena ein und setzte sich pitschnass neben mich. "Hast du keinen Schirm?", fragte ich sie amüsiert.
"Nein.", sagte sie, während sie ihre Haare auswindete und eine kleine Pfütze sich vor ihren Füssen bildete. "Ich habe keinen gefunden."
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen und sie schaute mich beleidigt an.
"Na warte!", rief sie, nahm meinen tropfnassen Schirm und schüttelte diesen über meinen Kopf aus. "Hey! Das ist ungerecht.", rief ich, während sie mich auslachte.
"Jetzt sind wir quitt.", sagte sie und ich schüttelte meine feuchten Haare. Am Bahnhof angekommen mussten wir uns beeilen, damit wir den Anschlussbus nicht verpassten.
Der Nachmittag verging wie im Fluge und da war die Schule auch schon wieder aus und Serena und ich verabschiedeten uns voneinander.
"Tschau.", sagte sie und gab mir ein Küsschen auf die Wange. "Ich muss noch zum Arzt, aber wir sehen uns ja morgen wieder." Mit diesen Worten rannte sie durch den Regen auf ein Auto zu.
Ich winkte noch zum Abschied, dann drehte ich mich um und setzte mich auf eine Bank am Bahnhof. Der Bus kam erst in 10 Minuten und ich nahm seufzend mein Handy raus, um mir die Zeit zu vertreiben.
Mist! Ich hatte 5 Anrufe in Abwesenheit, alle von meiner besten Freundin Lucy.
Ich drückte hastig die Rückruftaste und wartete sehnsüchtig, bis sie abnahm.
"Mel", meldete sich ihre Stimme. Sofort hob sich meine Laune. "Süsse, wir vermissen dich so.", sprach sie weiter.
"Ich euch auch.", sagte ich traurig.
"Ich komme dich bald mal besuchen, Süsse.", versprach sie mir.
"Ja das hoffe ich.", antwortete ich.
"Hast du denn schon Freunde gefunden?", fragte sie mich.
"Ja.", sagte ich. "Sie heisst Serena und wohnt ganz in der Nähe von mir. Sie ist sehr nett und wir verstehen uns recht gut."
"Das freut mich für dich. Hey du, ich muss jetzt auflegen, meine Mum ruft mich.", entschuldigte sie sich.
"Kein Problem. Hab dich lieb.", verabschiedete ich mich.
"Ich dich auch. Küsschen." Mit diesen Worten legte sie auf. Ich schaute umher und hing meinen Gedanken nach.
Plötzlich sah ich den Jungen von der Parallelklasse wieder und mein Herz beschleunigte sich. Er rannte auf einen Bus zu, der gerade seinen Motor startete.
"Halt, warten Sie.", rief er und ruderte mit den Armen.
Der Busfahrer sah dies und öffnete nochmals die Türe.
"Vielen Dank.", keuchte er und da fuhr der Bus auch schon los.
"Aha Gossau", dachte ich, als mein Blick auf die Anzeigetafel fiel. Da fuhr auch schon mein Bus vor und ich stieg, noch ganz in Gedanken bei dem Jungen ein.
Ich liess mich auf einem Sitz nieder und verlor mich in den Tagträumen.
Dieser Junge wollte mir einfach nicht mehr aus den Kopf gehen. Sein intensiver Blick, mit dem er mich angesehen hatte und seine perfekt geformten Lippen die mich angelächelt hatten, tauchten immer wieder in meinen Gedanken auf und liessen mich an nichts anderes mehr denken.
Zu Hause angekommen liess ich mich seufzend auf mein Bett fallen, verschränkte meine Arme hinter dem Kopf und dachte an IHN.
Meine Mutter, die in mein Zimmer hineinplatzte, holte mich wieder in die Wirklichkeit zurück.
"Mel, ich habe eine gute Nachricht für dich.", sagte meine Mum und zwinkerte mir verschwörerisch zu.
Ich schaute sie erwartungsvoll an und sie holte tief Luft. "
Mum, jetzt mach es nicht so spannend.", lachte ich.
"Also gut. Diamond ist angekommen."
Ich stiess einen Freudschrei aus. Diamond war meine wunderschöne Schimmelstute und ich musste sie leider noch in meinem alten Reitstall lassen, bis der neue hier einen Platz frei hatte.
Ich zog schnell meine Reithose und Reitstiefel an und schnappte mir meinen Helm vom Regal.
Die Wohnungstür fiel krachend hinter mir zu und ich sprang die Stufen hinunter zu meinem Fahrrad.
Heftig trat ich in die Pedale und ausser Atem kam ich am neuen Reiterhof an.
Ich schmiss das Fahrrad ins Gras und rannte in Richtung der Stallungen. Ich kannte mich hier schon ein bisschen aus, da ich mit meinen Eltern schon mal hier war um Diamond anzumelden. Ich konnte es kaum erwarten sie wiederzusehen, ich hatte sie schrecklich vermisst.
Im Rennen band ich meine Haare im Nacken zusammen und achtete deshalb nicht wo ich hinlief.
Plötzlich prallte ich gegen einen Wiederstand und schaute überrascht auf.
Wunderschöne grüne Augen blitzten mich schelmisch an.
"Hey Kleines, nicht so stürmisch", lachte der Besitzer dieser strahlenden Augen.
"Tut mir leid!", erwiderte ich. "Ich habe nur mein Pferd seit einer längerer Weile nicht mehr gesehen und kann es deshalb kaum erwarten sie zu begrüssen." Mist! Ich klang wie ein kleines Mädchen, das zu viele Pferdezeitschriften liest.
"Geht mir genauso, wenn ich Spindle eine Zeit lang nicht sehe.", grinste er mich an. "Ich bin übrigens Nick und hier der Stallbursche. Ich kann dir zeigen wo dein Pferd untergebracht ist. Wie heisst denn dein Pferd?"
"Hey Nick. Ich heisse Melanie aber alle nennen mich Mel.", stellte ich mich vor. "Sie heisst Diamond.", nannte ich ihm noch den Namen meines Pferdes.
"Ach, dir gehört diese edle Araberstute.", staunte Nick.
"Ja genau, aber sie benimmt sich nicht immer so edel, wie sie aussieht.", lachte ich.
Er stimmte in mein Lachen ein. "Ja das habe ich gemerkt. Als ich sie heute Morgen auf die Koppel brachte, hat sie sich sofort im Schlamm gewälzt. Ich schätze, du hast jede Menge Arbeit vor dir."
"Ja, das bin ich mir von ihr schon gewohnt." Ich grinste ihn an und er lächelte süss zurück.
"Na, dann zeige ich dir mal die Koppel.", sagte er und gab mir ein Zeichen, dass ich ihm folgen sollte.
Zusammen schlenderten wir Richtung Wald und immer mehr wurden die Umrisse der Koppel sichtbar.
Schon von Weiten sah ich meine verdreckte Schimmelstute friedlich auf der Weide grasen. Nick hatte nicht übertrieben. Sie war so verdreckt, dass man fast nicht mehr sah, dass sie ein Schimmel war.
Ich seufzte laut beim Anblick meines Pferdes; ich hatte wirklich eine Menge Arbeit vor mir. Aber die Freude, dass ich sie nach so langer Zeit endlich wieder sah, nahm Überhand und ich öffnete freudig das Gatter.
"Diamond", rief ich mein Pferd. Sie hob den Kopf und schaute sich suchend nach ihrer Besitzerin um. Als sie mich gefunden hatte, wieherte sie freudig und trabte auf mich zu. Bei mir angekommen, legte sie zutraulich ihren Kopf auf meine Schulter und schmiegte sich an mich.
"Süsse, ich habe dich so vermisst.", flüsterte ich und schlang meine Arme um ihren Hals. Diamond schnaubte zufrieden und ich sog ihren vertrauten Pferdegeruch ein.
Für viele hört sich das jetzt befremdlich an, aber ich liebte ihren Geruch. Wenn ich ihn roch und mich in ihr weiches Fell kuschelte, fühlte ich mich geborgen und volkommen glücklich.
"Man sieht, dass ihr zusammengehört.", vernahm ich Nicks Stimme und ich löste mich wiederwillig aus ihren Fell.
"Danke.", sagte ich und strahlte ihn freudig an.
Zum ersten Mal sah ich ihn richtig an. Er sah irgendwie noch recht süss aus, mit seinen dunkelbraunen Haaren und den strahlend grünen Augen. Aber er war nichts im Vergleich zu dem fremden Jungen in meiner Parallelklasse.
Ein Rotfuchs, der auf Nick zugetrabt kam, unterbrach meine Gedanken. "Na Spindle, alter Junge.", begrüsste er ihn.
"Ist das dein Pferd?", fragte ich ihn neugierig.
"Ja." Er nickte und klopfte Spindle auf die Schulter.
"Warum heisst er Spindle?", fragte ich interessiert.
"Ich habe ihn bekommen, als er noch ein Fohlen war und da hatte er so dünne, lange Beine. Also habe ich ihn Spindleberry genannt, die Abkürzung ist Spindle.", erklärte er mir lächelnd.
Eine Zeit lang war es still und wir widmeten uns ganz unseren Pferden.
"Wollen wir nachher zusammen ausreiten?", fragte Nick mich schliesslich.
Ich nickte. "Können wir. Ich muss vorher aber noch Diamond putzen und dies kann ein bisschen dauern."
"Ok; sonst putze ich schnell Spindle und helfe dir dann mit Diamond.", bot er mir an und ich nahm das Angebot dankbar an.
Wir halfterten unsere Pferde auf und liefen zurück zu den Stallungen.
Dort angekommen, banden wir unsere Pferde auf dem Putzplatz an und gingen in die Sattelkammer, um die Putzkisten zu holen. Ich griff nach meiner und machte mich dann wieder auf den Weg nach draussen.
"Na Hübsche, dann machen wir uns mal an die Arbeit.", sagte ich zu ihr und sie schnaubte zustimmend. Ich nahm den Striegel und fing an ihr dreckiges Fell zu bürsten. Dies war der Nachteil, wenn man einen Schimmel hatte. Man sieht den Dreck viel mehr und länger.
Nachdem ich den grössten Teil des Dreckes ausgebürstet hatte, nahm ich den Wasserschlauch und spritzte sie damit sauber. Anschliessend rubbelte ich sie mit einem Tuch trocken. Ich war erstaunt über mich selbst.
Ich hatte gerade einmal fünfzehn Minuten gebraucht und sie war blitzblank. Das musste wohl an meiner Freude liegen, endlich wieder mit ihr vereint zu sein.
Beschwingt lief ich in die Sattelkammer und hievte meinen Sattel vom Bock runter. Nachdem ich Diamond gesattelt und gezäumt hatte, sah ich zu Nick hinüber, der auch gerade fertig geworden war. "Ich bin fertig.", rief ich ihm stolz zu.
Er sah mich ganz erstaunt an und kam zu mir rüber. "Alles richtig.", sagte er anerkennend.
"Dann kann es ja losgehen."
Ich gurtete nach und schwang mich dann in den Sattel. Ich gab meiner Stute die Hilfe zum Anlaufen und sie schritt zügig voran. Wir steuerten ein Waldstück an und ich es genoss es endlich wieder zu reiten.
"Galopp?", fragte Nick mich schliesslich, nachdem wir 20 Minuten gemütlich nebeneinander im Schritt her geritten sind.
"Klar. Wetten wir, ich bin schneller?", sagte ich frech.
"Niemals!", grinste er mich selbstsicher an.
"Na dann. Achtung, Fertig, Los."
Bei Los, gab ich Diamond, die vor Aufregung schon tänzelte, die Hilfe zum Angaloppieren und sie stob davon. Ich lachte glücklich, als der Wind meine langen Haare zerzauste und ich beugte mich vor, damit sie noch schneller werden konnte. Sie tat mir den Gefallen und überholte Spindle. Ich grinste Nick noch triumphierend zu, dann grub ich meine Fersen in ihre Flanken und wir liessen die Beiden hinter uns.
"Okay, ich muss zugeben, du hast mich echt geschlagen.", sagte Nick später, als wir wieder auf dem Reiterhof waren. Ich lachte ihn triumphierend an.
"Habe ich es dir nicht gesagt?"
"Na warte!", knurrte er und zielte mit dem Wasserschlauch auf mich.
Gerade noch rechtzeitig ging ich hinter Diamond in Deckung und der eiskalte Strahl traf meine wunderschöne Stute. Diese schnaubte empört und schlug unwillig mit dem Schweif hin und her.
"Ist ja gut, Süsse.", beruhigte ich sie und rieb sie trocken.
Da es schon Abend war, beschloss ich sie in ihre Box zu stellen. Ich führte sie hinein und lege ihr eine leichte Sommerdecke über.
"Wiederholen wir das Wettrennen bald wieder einmal?", rief mir Nick noch zu, ehe ich mich aus Fahrrad schwang.
"Ja klar." Ich grinste ihn an und er erwiderte es.
Dann trat ich fest in die Pedale, da ich zuhause noch Packen musste. Morgen ging es ja schon los in das Klassenlager.
Zuhause angekommen, stopfte ich Schlafanzug, Kleider, Socken, Unterwäsche und mein Necessaire in den kleinen Koffer. Anschliessend legte ich mich ins Bett und schloss müde die Augen. Heute war ein anstrengender und aufregender Tag gewesen. Mit meinen Gedanken bei dem geheimnisvollen Jungen schlief ich ein.
Ich galoppierte mit Diamond am Strand entlang. Wellen rauschten im Hintergrund und ich stiess einen kleinen Freudeschrei aus.
Plötzlich galoppierte der geheimnisvolle Junge auf einem Rappen neben mir her und gab mir ein Zeichen, dass ich anhalten sollte. Ich parierte meine Stute durch und sprang aufgeregt von ihrem Rücken. Was wollte er von mir?
Er streckte die Hand aus und ich ergriff sie. Sie fühlte sich warm und trocken an. Mit seiner anderen Hand strich er mir eine Haarsträhne aus der Stirn und sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. Plötzlich hörte ich eine schrille Stimme schreien. Ich schaute erschrocken auf und sah Serena auf mich zu rennen, wild mit dem Armen rudernd.
Ich blinzelte und öffnete langsam meine Augen. Das Bild vom Strand verblasste langsam und nahm die Umrisse meines Zimmers an. Und Serena, die geschrien hatte, stellte sich als meinen Wecker heraus. Ich stellte den nervigen Ton ab und stand auf.
Müde schlurfte ich ins Badezimmer und stellte mich unter die kalte Dusche. Endlich spürte ich meine Lebensgeister erwachen und seifte mich gründlich mit Dusch-Gel ein.
Ich zog mich an, schminkte mich schnell und schleppte dann meinen Koffer die Treppe hinunter. Ich ass ein Müsli zum Frühstück und trank wie immer einen starken Kaffee. Dann putze ich noch schnell meine Zähne und da musste ich auch schon wieder aus dem Haus.
Ich schloss die Haustür ab und zog meinen Rollkoffer hinter mir her. Heute kam ich pünktlich auf den Bus und liess mich auf einen freien Platz fallen. An der nächsten Station stieg Serena mit einem riesen Ding von Koffer ein.
"Hast du denn nicht gelesen, dass wir nur ein kleines Gepäckstück mitnehmen dürfen?", fragte ich sie lachend.
"Wo stand das?", antwortete sie und runzelte verwirrt mit der Stirn.
"Auf dem Zettel, den wir von Herr Schmidt bekommen haben.", erinnerte ich sie.
"Scheisse!", fluchte sie und schlug sich mit der Hand auf die Stirn. "Den habe ich irgendwo zuhause in meinem Zimmer liegen."
"Du weisst schon, dass auf diesem Blatt alle Infos und die Packliste stehen?", fragte ich sie amüsiert. Sie schaute mich mit einem Killerblick an und ich musste mir ein Lachen verkneifen.
Am Bahnhof angekommen schleppten wir unsere Koffer zum Treffpunkt, bei dem sich schon einige Leute tummelten. Wir steuerten Herr Schmidt an und er begrüsste uns herzlich. Ein Mann Mitte 40 nahm unser Gepäck und verstaute es in einem Kleinbus.
Als sich alle versammelt hatten, marschierten wir zum Bus, der uns nach Oetwil bringen sollte. Serena und ich stiegen ein und sicherten uns die letzten zwei Plätze. Der Bus fuhr mit einem Ruck los und wir wurden richtig durchgeschüttelt.
Nach einer fünfzehnminütigen holprigen Fahrt kamen wir endlich in Oetwil an. Und nun war Wandern angesagt.
Die Lehrer hatten beschlossen, dass wir eine Stunde bis zum Lagerhaus liefen. Serena und ich stöhnten wie die meisten anderen vor Empörung auf.
Ergeben liefen wir los und zu meinem Glück waren wir direkt hinter dem geheimnisvollen Jungen. Ich versuchte seine Aufmerksamkeit zu erregen und es klappte sogar ein wenig. Manchmal sah er nach hinten direkt in meine Augen.
Meine Knie wurden weich und ich stolperte. Serena konnte mich gerade noch rechtzeitig auffangen. Der fremde Junge schmunzelte amüsiert und schaute dann wieder nach vorne.
Die Stunde zog sich dahin und nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir endlich beim Lagerhaus an. Unsere Koffer standen schon bereit am Eingang und nach einer kurzen Ansprache von Herr Schmidt und Frau Loser, stürzten sich alle darauf. Ich schnappte mir meinen sandfarbenen Koffer und wartete auf Serena. Als sie sich ausser Atem zu mir durchgekämpft hatte, drängten wir uns Richtung Eingangstür. Wir liefen den Gang entlang in den Mädchentrakt und beim hintersten Zimmer blieben wir stehen.
Quietschend öffneten wir die Tür und traten in das kühle Zimmer. Serena und ich entschieden uns die obere Etage für uns zu beanspruchen und schleppten unsere Koffer die Leiter hoch.
Schnell packten wir unsere Sachen in die Regale, da wir uns in fünfzehn Minuten im grossen Saal versammeln mussten.
Als alles fertig ausgepackt war, beeilten wir uns in den Saal zu gehen. Die meisten sassen schon an den Tischen und wir setzten uns an einen freien Tisch.
Mein Blick schweifte durch die Menge und blieb bei dem geheimnisvollen Jungen hängen.
Dieser hatte sich, wie die meisten umgezogen und trug nun eine kurze gelbe Hose und ein weisses T-Shirt, welches seinen Body sehr gut zur Geltung brachte.
Ich musste mich beherrschen, dass ich ihn nicht wie ein Teenie-Star anstarrte und wendete mit grösster Mühe meinen Blick von ihm ab. Doch ich wurde immer wieder, wie magnetisch von ihm angezogen.
Manchmal trafen sich unsere Blicke und mein Herz beschleunigte sich.
"Also dann könnt ihr loslegen.", vernahm ich Her Schmidts Stimme und ich blinzelte verwirrt.
"Was müssen wir tun?", fragte ich Serena.
"Sag mal. Hörst du manchmal überhaupt zu?", antwortete sie lachend.
"Nun ja, ich war abgelenkt.", gab ich verlegen zu und das Blut schoss mir in die Wangen.
"Ah. Ich verstehe.", grinste sie und reckte den Kopf ob sie meinen "Traumboy", wie sie ihn nannte, entdeckte.
Ich hatte ihr natürlich gleich am ersten Tag von meinem Erlebnis mit dem Jungen, dessen Name ich leider nicht kannte, erzählt. Serena fand noch keinen Jungen so richtig toll, aber das sollte sich noch ändern.
Wir standen wie alle anderen auf und ich öffnete die Schiebetür, die zur Terrasse hinausführte. Serena und ich traten in den warmen Sommernachmittag hinaus und ich suchte mit meinem Blick natürlich sofort nach dem geheimnisvollen Jungen, um relativ nah bei ihm zu sitzen. Verdammt! Die Parallelklasse hatte einen anderen Raum zur Verfügung als wir.
Frustriert steuerte ich einen freien Platz an und liess mich darauf nieder. Serena tat es mir gleich und wir fingen an am Dossier zu arbeiten, welches in 2 Wochen fertig sein sollte.
Wir wollten uns gerade für die Gruppenarbeit zwei Partner suchen, als Lilly und Nina, unsere Zimmergenossinnen auf uns zukamen.
Ich schaute sie beide zum ersten Mal genauer an und musste zugeben, dass sie noch recht hübsch waren. Lilly hatte kurze blonde Haare und himmelblaue Augen. Nina war das prompte Gegenteil von ihr, aber auch sehr hübsch. Sie hatte lange braune Haare, die ihr fast bis zur Taille gingen und haselnussbraune Augen.
"Habt ihr die Gruppenarbeit schon gemacht?", frage uns Nina und wir schüttelten die Köpfe.
"Ihr kommt gerade rechtzeitig. Wir wollten uns auch gerade Partner suchen.", sagte Serena neben mir und ich nickte zustimmend.
Nina und Lilly setzten sich gegenüber von uns und wir fingen an, wie beschrieben eine Brücke aus Zeitungspapier zu bauen.
Die Zeit verging wie im Fluge und da trat auch schon Herr Schmidt auf die Terrasse und sagte, dass uns der frühe Abend noch zur Selbstverfügung stehe.
"Seid einfach pünktlich um 18:30 zum Abendessen wieder hier." Und mit diesen Worten liess er uns gehen.
Lilly, Nina, Serena und ich beschlossen das Lagerhaus ein bisschen auszukundschaften.
Lilly zeigte aufgeregt auf eine Treppe, die in den Keller führte und wir alle nickten zustimmend. Wir stiegen die Stufen hinab und kühle Luft umfing uns.
Plötzlich hörten wir Stimmen und ein Pingpong Geräusch. Neugierig folgten wir den Stimmen, sie führten uns in einen kleinen Raum, der mit verschieden Graffiti vollgesprayt war.
Die vier Jungs, die Pingpong spielten entdeckten uns erst jetzt.
"Tut mir leid, wir wollten euch nicht stören.", sagte ich in die peinliche Stille hinein.
"Aber ihr stört doch nicht.", sagte ein grosser Junge mit einem schmierigen Grinsen im Gesicht. Okay, den mochte ich schon mal nicht. Er war mir zu unheimlich.
Ich sah mich um und sah, dass es meinen Freundinnen auch so erging. Sogar zwei von den Jungs verzogen angeekelt das Gesicht, so als ob sie sich in seiner Gegenwart nicht wohl fühlten.
"Können wir vielleicht mitspielen?", fragte Serena neben mir und ihr Blick war auf einen Jungen in der Mitte gerichtet. Es war einen von denen, der sein Gesicht verzogen hatte und er kam mir noch sympathisch herüber.
Er hatte verwuschelte braune Haare und braune Augen, die uns anfunkelten.
"Na klar, wir haben noch Plätze frei.", sagte der Junge freundlich und lächelte meine Freundin süss an.
"Ich heisse übrigens Jonas und das hier sind Martin, Tom und Luca.", stellte er sich und seine Freunde vor.
Ich musterte die Jungs ein bisschen genauer.
Martin war der mit dem ekligen Grinsen und seine Augen standen sehr eng zusammen, dass es schon fast bedrohlich aussah. Als seine Augen mich fanden, zuckte ich zusammen und wandte schnell meinen Blick ab.
Neben Martin stand Tom. Der sah auch nicht allzu freundlich aus, aber einiges sympathischer als Martin. Ich musste schmunzeln, denn Tom hatte etwas von einem Chinesen. Als er mich ansah, zog er seine Augenbrauen zusammen, so als ob er stark überlegte.
Mein Blick wanderte weiter zu den freundlicheren Jungs, wie ich auf den ersten Blick feststellte. Neben Jonas stand Luca und er war nach Jonas der Zweitbestaussehende. Er hatte dunkle Haare und tiefblaue Augen.
Aber natürlich kam er nicht an den meinen fremden Jungen heran. Schade eigentlich, dass er nicht hier war.
Nun gesagt getan, nach dieser kurzen Vorstellungsrunde, fingen wir endlich an zu spielen.
Wir waren so in das Pingpongspiel vertieft, dass wir beinahe die Zeit vergassen. Ich sah auf die Uhr und bekam einen grossen Schrecken.
"Leute, es ist schon 18:35. Wir hätten vor fünf Minuten im grossen Saal sein sollen."
Schnell versorgten wir die Schläger und rannten die Treppe hinauf.
Ausser Atem kamen wir im Saal an, Herr Schmidt beendete gerade seine Ansprache. Wir schlichen leise auf die freien Plätze, um ja nicht bemerkt zu werden.
Natürlich klappte es überhaupt nicht und alle starrten uns an.
Mir schoss das Blut in die Wangen und ich liess meine Haare ins Gesicht fallen. Es hatte nur noch 6 freie Plätze am Tisch und so setzten sich Martin und Tom zu Marc und Lous.
Nein! Bitte, hoffentlich hatten die Jungs nicht mit Marc zu tun, flehte ich. Ich sah Serena und wusste, dass sie genau dasselbe dachte. Wir verdrehten die Augen und stellten uns hinten an der Reihe an.
Luca und Jona folgten uns.
"Findet ihr Marc auch so Scheisse?", fragte Jonas Serena.
"Gott sei Dank. Wir sind nicht die Einzigen, die so denken.", grinste sie.
"Wer ist Marc.", fragte Lilly mich.
"Der ganz dort vorne, der so laut lacht.", antwortete ich.
"Ja der sieht auch nicht so sympathisch aus. Ein richtiges Arschloch!", mischte sich nun Nina ein.
"Ja, das hat mir Serena auch erzählt. Nicht wahr?", fragte ich an meine Freundin gewandt. Doch diese war in ein lebhaftes Gespräch mit Jonas vertieft.
"Lassen wir die beiden.", sagte Luca und zwinkerte Lilly zu. Diese errötete und lächelte ihn schüchtern an. Er grinste zurück und hielt ihr galant einen Teller hin.
"Bin ich die Einzige die sich Forever Alone fühlt.", fragte ich Nina amüsiert.
"Ja ich denke schon, da scheint sich bei beiden etwas anzubahnen.", lachte sie fröhlich und ich stimmte in ihr Lachen ein.
"Und du? Hast du einen Freund?", frage ich sie neugierig.
"Ja.", sie nickte. "Aber ich sehe ihn nicht sehr oft, da er in England wohnt. Aber wir sehen uns dort meisten bei Familientreffen. Er ist mein Cousin zweiten Grades."
Plappernd und mit vollen Tellern schlenderten wir wieder an unseren Platz zurück.
Nach dem Essen hatten wir nochmals Zeit für uns bis um 22:00 Uhr. Dann war Nachtruhe angesagt. Tom und Martin kamen nicht mehr zu uns hinüber, sie waren wohl lieber bei Marc "dem Coolen". Aber das war uns sechs egal, denn keiner mochte die Beiden besonders. Wir gingen alle zusammen nach draussen und setzten ins kühle Gras.
Wir unterhielten uns und lernten uns näher kennen. Alle verstanden sich prima und vor allem zwischen Jonas und Serena funkte es heftig. Jonas schielte immer wieder aus den Augenwinkeln zu Serena hinüber und diese lächelte recht glücklich. Ich schmunzelte amüsiert.
Auch zwischen Luca und Lilly war die Chemie gut. Sie schienen die Welt um sich herum völlig zu vergessen und hatten die Köpfe zusammengesteckt. Man hörte hin und wieder ein leises Kichern von Lilly und ein Lachen von Serena. Nina und ich sahen uns mit einem "Na, dann sind wir wohl abgeschrieben" Blick an und legten uns nebeneinander ins Gras.
Ich sah zu den Sternen hoch und fragte mich, was wohl der Junge machte und ob er auch an mich dachte. Wohl eher nicht. Aber Träumen durfte man ja.
"So alle in Betten. Es ist 22:00 Uhr." Herr Schmidts Stimme riss mich aus meinem Halbschlaf und ich richtete mich verschlafen auf.
Die anderen lagen auch auf dem Boden und dösten vor sich hin. Serena und Jonas lagen nebeneinander und es sah so süss aus, denn ihre Hände berührten sich fast und doch nicht ganz. Schnell holte ich mein Handy heraus und schoss ein Foto von den Beiden.
Ich hatte es gerade wieder in der Tasche verstaut, als sich die anderen auch schon aufrichteten und verwirrt blinzelten. Wir verabschiedeten uns von den Jungs und man sah, dass Serena und Jonas der Abschied schwerfiel.
Müde gingen wir in unser Zimmer. Wir hatten Glück, denn wir waren nur zu viert in diesem Zimmer. Wir sassen noch zu den anderen aufs Bett und quatschten noch ein bisschen über die Jungs.
"Also ich bin froh, dass Martin und Tom sich Marc und Louis angehängt haben. Die waren mir überhaupt nicht sympathisch.", sagte ich und die anderen nickten zustimmend.
"Nun. Wer von den Jungs findet ihr am süssesten?", warf Nina in die Runde.
"Jonas!", sagte Serena bestimmt und gleichzeitig mit ihr Lilly: "Luca."
Ich und Nina sahen uns an und lachten schallend los.
"Meint ihr Jonas mag mich auch?", fragte Serena zögernd. Ich verdrehte die Augen. Wahrscheinlich würde ein Blinder merken, dass sich die Beiden mochten, nur sie selber würden es immer wieder hinterfragen.
"Ich denke er mag dich.", antwortete ich.
"Ja, so wie er dich angesehen hatte.", bestätigte Lilly. "Ich wünschte jemand würde mich auch mal so ansehen.", fuhr sie seufzend fort.
Serena lief rot an, während Nina und ich gleichzeitig die Augen verdrehten.
"Lilly. Hör zu. Ich kenne jemanden, der dich heute genauso angesehen hatte. Und zwar Luca!"
Lilly drehte sich zu Nina, die gesprochen hatte.
"Meinst du echt?", fragte sie zweifelnd.
"JA!", riefen alle drei und Lilly schoss das Blut ins Gesicht.
Wir beschlossen schlafen zu gehen, da wir morgen früh raus mussten. Serena und ich kletterten die Leiter hoch und warfen uns müde aufs Bett. "Gute Nacht.", tönte es von unten herauf. "Gute Nacht.", murmelte Serena. Ich schloss die Augen und schlief sofort ein.
"Mel, wach auf. Wir müssen zum Frühstück.", vernahm ich Serenas Stimme am nächsten Morgen. Müde blinzelte ich in die Sonne, die zum Fenster hereinschien und richtete mich verwirrt auf. Wo war ich hier?
Ach, jetzt fiel es mir wieder ein. Wir waren ja im Klassenlager.
Ich stand auf und zog meine schwarzen Hotpants und ein rotes Trägershirt an.
Wir stiegen die Leiter hinab und untern warteten schon Lilly und Nina auf uns.
"Seid ihr bereit das Frühstück zu rocken.", empfing uns Nina.
"Nina, wir gehen nur zum Frühstück nicht zu einer fetten Party oder so.", sagte Serena und klopfte ihr auf die Schulter. Nina liess gespielte traurig den Kopf hängen und wir brachen in schallendes Gelächter aus.
Gemütlich schlenderten wir in den grossen Saal und liessen uns an den Tischen nieder. Ich reckte meinen Kopf um den Jungen zu entdecken, doch er war noch nicht hier und ich liess enttäuscht den Kopf hängen.
Serena, die wusste an was ich dachte tätschelte mir den Arm.
"Er kommt schon noch.", sagte sie aufmuntert und ein kleines Lächeln stahl sich auf meinen Mund.
Jonas und Luca die auf unseren Tisch zukamen unterbrachen unsere Gedanken.
"Ist hier noch frei?", fragte Jonas schelmisch.
Serena nickte und deutete auf zwei freie Stühle. "Wir haben extra Plätze für ein freigehalten."
"Das ist sehr nett und aufmerksam von euch.", bedankte sich Luca bei uns, aber seine Augen ruhten auf Lilly.
Nina und ich warfen uns bedeutungsvolle Blicke zu.
Herr Schmidt betrat den Raum und klatschte in die Hände. "Bitte alle zuhören!"
Das Gerede verebbte langsam, nur Marc und Louis redeten weiter, als hätten sie nichts gehört. Martin und Tom starrten sie bewundernd an.
Serena tat so, als müsste sie sich übergeben und ich musste mir ein Kichern verkneifen, es sah einfach zu komisch aus.
"Ähem.", räusperte sich Herr Schmidt. "Wenn sich die Herren dort hinten beruhigt haben, könnte ich anfangen."
Marc und Louis richteten sich auf und ein Wunder geschah: Sie hielten die Klappe.
"Also nach dem Frühstück bis zum Mittagessen haben sie Zeit am Dossier zu arbeiten. Ich wünsche euch allen einen guten Appetit."
Auf dieses Stichwort wurden Stühle nach hinten geschoben und alle strömten zu der Essenstheke. "Warten wir lieber bis alle geholt haben, sonst begeben wir uns direkt in die Höhle des Löwen.", sagte Jonas und Serena kicherte.
Ich wollte gerade etwas sagen, doch da kam der geheimnisvolle Junge herein und die Worte blieben mir im Hals stecken. Ich schloss meinen Mund, damit ich nicht ganz so blöd aussah und folgte ihm mit meinen Augen.
Heute hatte er lachsfarbene Shorts an, die im bis zu den Knien gingen und ein schwarzes Shirt.
Sein Blick suchte die Menge ab und blieb schliesslich bei mir hängen. Unsere Blicke verschmolzen miteinander und ich hatte das berauschende Gefühl, dass wir alleine im Raum waren.
"Mel, wir gehen Essen holen. Kommst du nicht mit?"
Lillys Stimme riss mich aus meiner Trance. Ich nickte immer noch benommen und stand schliesslich auf. Mit wackeligen Beinen ging ich zur Theke und nahm mir ein Brot und schmierte eine grosse Portion Honig darauf.
Nach dem Frühstück traten wir alle fünf nach draussen in den warmen Sommermorgen.
Wir liessen an einem freien Tisch nieder und fingen an am Dossier zu arbeiten.
Ich habe für heute den Aufsatz ausgewählt: "Wer bin ich?". Voller Vorfreude nahm ich den Stift in die Hand und fing an zu schreiben. Ich liebte es Aufsätze oder Geschichten zu schreiben.
Ca. 2 Stunden später war ich fertig und hatte, wie es die Aufgabe besagte 2 Seiten fertig.
Ich schaute auf und sah, dass meine Freunde noch ganz vertieft in ihre Arbeit waren.
Mein Blick fiel auf Serena und Jonas, der gegenüber von ihr sass und ich musste schmunzeln. Es sah einfach zu süss aus wie er immer wieder den Kopf hob und sie ansah und sie war so in ihre Arbeit vertieft, so dass sie es gar nicht merkte, wie er sie anstarrte.
Plötzlich drehte er den Kopf und sah mich an. Als er realisierte, dass ich ihn beobachtet hatte wurde er rot und widmete sich wieder seiner Arbeit.
"Jaja Serena", dachte ich. "Der mag dich wirklich sehr".
Ich lächelte vor mich hin und wünschte mir, dass mich der fremde Junge auch mal so ansehen würde.
Als hätte er gespürt, dass ich an in gedacht hatte, kam er zur Tür raus und lief schnurstracks auf Marc zu.
"Nein! Bitte nicht! Bitte lass ich nichts mit ihm zu tun haben", flehte ich innerlich. Doch ich wurde nicht erhört.
"Ehy Cloude.", begrüsste Marc ihn. Ach so hiess er!
"Hey Marc. Hast du den blöden Test im Dossier schon gemacht.", fragte Cloude ihn.
"Nein Mann. Das Dossier ist doch eh voll der Scheiss.", sagte Marc und ich verdrehte die Augen. Cloude nickte Marc noch schnell zu und verschwand dann wieder im Lagerhaus, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Ich seufzte und Serenas weiche braune Augen fanden meine.
"Was ist?", fragte sie stumm.
"Nachher.", mimte ich mit den Lippen.
Sie verstand und widmete sich wieder ihrem Aufsatz.
Als wir eine kurze Pause hatten nahm Serena meinen Arm und zog mich mit sich.
"Was war vorher los?", fragte sie mich. "Du hast so traurig ausgesehen."
"Nun ja…", druckste ich herum.
"Sag schon. Was hast du?", dränge sie mich.
"Okay ,okay. Es ist nur so deprimierend dich und Lilly so flirtend zu sehen, bitte verstehe mich nicht falsch. Ich freue mich für euch, aber ich wünschte Cloude würde sich auch so für mich interessieren, wie Jonas für dich."
"Cloude?", fragte Serena verwirrt.
"Ja so heisst der Junge aus der Parallelklasse. Ich habe seinen Namen mitbekommen, als er sich mit Marc unterhaltet hatte.", sagte ich kleinlaut.
"Er hat mit Marc geredet!", schrie sie mich an. "Du weisst er und seine "Freunde" sind alles Idioten. Nein sag bitte nicht, dass du dich in einen verknallt hast, der etwas mit Marc zu tun hat."
"Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nichts für ihn empfinde.", gab ich leise zu.
"Nein, nein, nein!"
Serena lief besorgt im Kreis hin und her. "Du darfst diese Gefühle nicht haben, hörst du? Ich habe ihn mir mal angesehen und Mel ich sage dir jetzt was ich von ihm halte. Er wird dich nur verletzen und dich traurig machen bitte glaub mir, ich kenne solche Typen wie ihn!", redete sie auf mich ein.
"Sag mal, spinnst du? Du kannst hier doch nicht einfach sagen, dass er mich verletzen wird. Du kennst ihn doch überhaupt nicht? Nicht alle haben halt den gleichen Charakter wie dein, ach so perfekter Jonas.", schrie ich sie an.
"Gut mach doch was du willst. Aber wenn du dann weinend bei mir anrufst, weil er dich nur verarscht hat. Dann will ich nur dass du dich daran erinnerst, dass ich es dir gesagt habe.", erwiderte sie schroff und schritt beleidigt davon.
Bevor sie nach draussen verschwand drehte sie sich nochmals um und sagte kalt. "Ach und du kennst ihn ja auch nicht, du nimmst ihn in Schutz obwohl du nichts über ihn weisst."
Mit diesen Worten verschwand sie und liess mich allein.
Verdammt! Was hatte ich getan? Ich hatte mich mit meiner Freundin gestritten wegen eines Jungen den ich, wie Serena schon sagte, nicht einmal kannte. Ich liess mich im leeren Saal auf einen Stuhl fallen und stütze den Kopf in die Hände.
Ich müsste mich sofort bei ihr entschuldigen, aber ich hatte immer schon Mühe zuzugeben, dass ich falsch lag.
"Mel raff dich auf! Du schaffst das.", sagte ich mir selber und ich stand seufzend auf.
Ich lief nach draussen auf die Terrasse, doch ich fand Serena nirgends. Meine Augen suchten die Umgebung ab und blieben an einem blauen Punkt hängen. Genau diese Farbe hatte Serenas T-Shirt. Was machte sie ganz alleine unter einem Busch versteckt?
Ich rannte zu ihr hin und fand sie weinend vor.
"Was ist passiert?", fragte ich sie geschockt.
"Es tut mir so leid, was ich zu dir gesagt habe.", schluchzte sie und warf sich mir in die Arme.
Ich streichelte ihr beruhigend übers Haar.
"Nein. Mir tut es leid. Ich wollte nicht so grob zu dir sein.", entschuldigte ich mich.
"Kein Problem, ich war auch nicht gerade nett." Ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. "Aber Süsse. Was ist der echte Grund, dass du weinst? Das kann doch nicht nur an unserem Streit liegen.", fragte ich sie.
"Es liegt an Jonas.", sagte sie und fing schon wieder an zu schluchzten.
"Was hat er denn gemacht?", fragte ich wütend.
"Er wollte ja mit den anderen Jungs an den Pool gehen und er hat mich gefragt, ob ich mitkommen will."
"Ja, ist doch super.", freute ich mich für sie.
"Nein eben nicht.", sagte sie und ich runzelte verwirrt die Stirn. "Gerade als wir losgehen wollten, schob sich Mandy zwischen uns und sie hatte einen Bikini an, der mehr offenbarte als er verdeckte. Dann nahm sie seine Hand und sagte, ob er ihr den Rücken eincremte und er grinste nur seinen Freunden zu und folgte ihr, wie ein kleiner Hund.", erzählte sie und eine Träne rollte ihr über die schon feuchte Wange.
"Diese kleine Schlampe.", regte ich mich über Mandy auf.
Mandy war auch in unserer Klasse und eine richtige Bilderbuchtussi. Sie hatte mehr Arsch und Busen, als Hirn und fühlte sich immer extrem geil.
"Und das Schlimmste ist; Jonas ist ihr noch gefolgt.", sagte Serena und man merkte, wie sehr sie dies verletzt hatte.
Ich tätschelte ihr mitfühlend auf den Arm. Ich wollte gerade sagen, dass Jonas ein Arschloch sei und er es nicht verdiente ihm nachzuweinen, als es plötzlich raschelte.
Die Blätter des Busches in dem wir sassen wurden beiseitegeschoben und Jonas besorgtes Gesicht blickte uns entgegen.
Bei Serena, die sich wieder einigermassen beruhigt hatte, begannen wieder die Tränen zu fliessen. "Serena was ist los?", fragte Jonas mitfühlend.
"Geh weg!", schluchzte sie und lief weinend davon.
"Gut gemacht.", sagte ich sarkastisch zu ihm und folgte meiner besten Freundin.
Ich fand Serena in unserem Zimmer vor. Sie lag auf dem Bett und starrte traurig an die Decke. Es brach mir fast das Herz sie so zu sehen.
Als ich eintrat, drehte sie den Kopf zu mir und sah mich an. In ihren Augen funkelten Tränen.
"Muss Liebe immer so kompliziert sein?", fragte sie mich leise.
Ich lachte bitter auf. "Wenn sie nicht kompliziert wäre, wäre es nicht die Liebe."
Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln und sofort war ich bei ihr.
"Hey Süsse, das wird schon wieder. Wenn du ihm nichts bedeuten würdest, wäre er dir nicht gefolgt.", versuchte ich sie aufzumuntern.
"Meinst du wirklich?", fragte Serena und ihre Augen begannen zu strahlen.
"Ja klar.", sagte ich überzeugt. "Und ausserdem habe ich gesehen, wie er dich angeschaut hat."
Sie würde zwar leicht rot, aber lächelte wieder glücklich vor sich hin.
"Komm! Gehen wir wieder zu den anderen.", beschloss ich und ich zog sie vom Bett.
Wieder bei den anderen angekommen, setzten wir uns zu Lilly, Nina Luca und Jonas. Jonas lächelte Serena schüchtern zu, doch diese ignorierte ihn und zeigte ihm die kalte Schulter.
Er liess enttäuscht den Kopf hängen und kritzelte gedankenverloren auf seinen Notizblatt herum.
Ich nahm meinen Aufsatz hervor und begann ich nochmals zu überarbeiten. Jonas schielte immer wieder aus den Augenwinkeln zu Serena hinüber, doch sie würdigte ihn keines Blickes mehr.
Das Piepsen meines Handys zeigte an, dass ich eine SMS erhalten hatte.
Sie kam von Serena und ich öffnete die Nachricht:
"Ich kann das nicht. Er wirkt so traurig.", las ich.
"Doch halte durch. Er muss bereuen was er getan hat.", antwortete ich.
"Ja schon. Aber es tut mir so weh ihn einfach zu ignorieren."
"Ich weiss Süsse. Aber ich denke er wird sich bald bei dir entschuldigen. Wenn ich ihn so ansehe, denke ich nicht, dass er noch lange durchhält."
" Danke J Hab dich lieb <3
Da trat auch schon Her Schmidt auf die Terrasse und verkündete, dass es Mittagessen gibt.
Sofort stürmten alle zu der Theke und dieses Mal waren wir mitten im Getümmel.
Als wir endlich an der Theke ankamen, schnappte ich mir einen Teller und trat ans Buffet.
Salat? Soll das ein schlechter Witz sein? Das ist doch kein vernünftiges Mittagessen.
Seufzend schaufelte ich mir verschieden Salate auf den Teller und setzte mich zu meiner Clique.
"Das ist doch kein Mittagessen!", beklagte sich Serena neben mir.
"Ja, das dachte ich auch.", sagte ich und lächelte sie amüsiert an.
"Serena? Kann ich mal schnell mit dir sprechen.", fragte Jonas zaghaft.
"Tut mir leid. Ich bin gerade beschäftigt mit Essen.", erwiderte Serena so kalt wie möglich, doch ihre Stimme zitterte ein wenig.
"Bitte?!" Er blieb hartnäckig.
"Nun geh schon!", flüsterte ich ihr zu und stupste sie an.
Sie stand auf und fing nervös an mit ihren langen Haaren an zu spielen. Jonas lief Richtung Wald und Serena folgte ihm.
Ich nahm seufzend meine Gabel in die Hand und stocherte lustlos in meinem Essen herum.
"Das Essen ist widerlich.", sagte Lilly angeekelt.
"Na komm. So Schlimm ist es nun auch wieder nicht.", lächelte Luca amüsiert und nahm ihr sanft die Gabel aus der Hand. Er häufte ein bisschen Maissalat darauf und steuerte Lillys Mund an.
"So, Mund auf.", sagte er und sie liess sich von ihm füttern. Ich musste lächeln, denn es sah einfach zu süss aus.
Ich wollte gerade mein Teller zurück bringen, als mein Blick auf Serena und Jonas fiel, die wieder von ihrem "Gespräch" zurück kamen. Beide hatten einen hochroten Kopf und meine fragenden Augen trafen Serenas.
"Was ist passeirt?", fragte ich sie stumm.
Doch sie wich meinem Blick aus und liess sich neben mir auf ihren Stuhl nieder.
Ich nahm mein Handy heraus und tippte ihr eilig eine Nachricht:
"Was ist da gerade passiert? Was habe ich verpasst? Ich will ALLES wissen!
Keine 10 Sekunden später piepste es.
"Nachher!", stand da nur und ich nickte ihr einverstanden zu.
Nach dem Mittagessen hatten wir noch eine Stunde zur freien Verfügung. Serena und ich liefen in unser Zimmer und liessen uns auf ihr Bett plumpsen.
"Also, was ist nun passiert?", fragte ich ganz aufgeregt.
"Nun ja, wir sind in den Wald gegangen und dann hat er mir gesagt, dass es ihm Leid tut, das er mich beim Pool einfach so alleine gelassen hatte. Und er möchte nicht, dass es nun komisch zwischen uns ist, denn er mag mich sehr.", erzählte sie.
"OMG! Das ist ja toll, und er hat sogar zugegeben, dass er dich mag.", freute ich mich für sie.
"Ja, es war so romantisch.", schwärmte sie.
"Ich glaube ihr seid auf dem guten Weg.", sagte ich überzeugt und sie lächelte glücklich.
"Komm gehen wir zu den anderen.", schlug ich vor und Serena war einverstanden.
Wir schlenderten wieder in den Speisesaal, aber da waren unsere Freunde nicht mehr. Also beschlossen wir nach draussen zu gehen und sie dort zu suchen.
Wir fanden alle am Rand vom Pool und setzten uns zu ihnen. Jonas winkte Serena zu sich und deutete auf einen freien Platz neben ihm. Sie setzte sich lächelnd neben ihn und schon bald waren sie in ein lebhaftes Gespräch vertieft. Auch Lilly und Luca sassen eng beieinander und redeten leise miteinander.
Ich wandte mich Nina zu, doch sie telefonierte gerade. Nachdem zu schliessen, dass sie Englisch redete war ihr Freund am anderen Ende.
Ich sass hier also ganz alleine am Pool und fühlte mich Forever Alone. Ich seufzte tief und beschloss dann die warme Sonne zu geniessen. Schliesslich liess ich mich rückwärts in Gras gleiten und genoss das Gefühl warmer Sonnerstrahlen auf meinem Gesicht.
Ein lauter Gong liess mich hochschrecken und ich richtete mich verwirrt auf. Was war das denn? Mein Blick fiel auf Herr Schmidt, der das Zeichen gab, dass es nun Zeit sei weiterzuarbeiten.
Wir schlenderten alle ziemlich demotiviert zu den Tischen und liessen uns an unserem Stammplatz nieder.
Ich wählte irgendeine Aufgabe aus dem Dossier und fing an zu arbeiten. Als ich fertig war rief ich nach Herr Schmidt und fragte ihn nach der Auswertung.
"Die musst du bei Frau Loser abholen.", gab er mir Auskunft und erklärte mir den Weg zum Arbeitszimmer der Parallelklasse. Mit wackeligen Beinen stand ich auf und lief in die angegebene Richtung.
Ich trat durch die offene Tür und schaute mich neugierig um. Die meisten sassen in Gruppen zusammen und unterhielten sich.
Zuvorderst am Tisch sass Frau Loser und war in irgendeine Broschüre vertieft. Ich trat zögernd an ihren Tisch näher und wollte sie gerade nach der Broschüre fragen, als Cloude aufstand und direkt auf mich zukam.
Als er vor mir stand, lächelte er mich süss an.
"Das kann noch lange dauern, sie ist recht vertieft, wenn sie ihre Zeitschrift liest.", teilte er mir freundlich mit und lächelte mich süss an.
"Danke, dann gehe ich wohl lieber.", sagte ich und wandte mich langsam dem Ausgang zu.
"Warte!", Er hielt mich am Arm fest und sah mir tief in die Augen. "Was braucht du denn?", fragte er.
"Ähm… Die Auswertung vom Test im Dossier.", stotterte ich.
Seine Hand, die auf meinem Arm lag, brachte mich völlig aus dem Konzept.
"Ach, das ist kein Problem. Ich habe es gerade fertig korrigiert, du kannst es also haben.", sagte er gelassen.
"Danke.", fiel mir nur ein und viel zu früh liess er meinen Arm wieder los.
Er lief zu seinem Platz und holte die Auswertung.
"Hier." Er hielt sie mir entgegen und ich griff danach. Unsere Hände berührten sich kurz und es fühlte sich an, als ob ein Stromstoss durch meinen ganzen Körper jagen würde.
Schnell zog ich meine Hand zurück und drehte mich um, damit er nicht sah wie rot ich wurde.
Mit hochrotem Kopf lief ich wieder zurück zu den andern und liess mich immer noch benommen auf meinen Stuhl fallen.
Träumerisch starrte ich aus dem Fenster und verlor mich in einem Tagtraum:
Ich stellte mir vor, wie er mich zärtlich ansah und dann mit seinem Gesicht immer näher an meines kam. Ich schloss meine Augen und…
"Mel, alles in Ordnung?", riss mich Ninas Stimme aus meinen wundervollen Gedanken. Auch Serena schaute auf und sah mich neugierig an.
"Jaja, alles in bester Ordnung.", sagte ich gut gelaunt und summte fröhlich vor mich hin, während ich mich wieder meiner Arbeit zuwandte. Nina und Serena sahen sich nur schulterzucken an und arbeiten dann weiter.
Doch nach einer Weile nahm Serena ihr Handy hervor und tippte eilig eine Nachricht ein. Keine 10 Sekunden später piepste mein Handy. Ich öffnete die Nachricht und las sie:
"Hey warum bist du so gut gelaunt?"
"Später.", antwortete ich.
"Ok.", schrieb sie zurück.
Als wir fertig gearbeitet hatten und Herr Schmidt uns entlassen hatte, war Serena sofort an meiner Seite.
"Warum strahlst du so?", fragte sie mich neugierig.
"Ich habe mit Cloude gesprochen", sagte ich überglücklich.
"Und was ist passiert?", wollte sie wissen und so erzählte ich ihr alles.
"Er hat dich am Arm festgehalten.", fragte sie aufgeregt und ich nickte nur.
"Oh wie süss.", quiekte sie und ich musste lachen.
"Das ist unser letzter Abend hier.", sagte eine Stimme hinter uns. Wir drehten uns erschrocken um und sahen ihn haselnussbraune Augen. Nina und Lilly standen hinter uns mit Pingpongschläger in der Hand.
"Wir dachten, wenn es unser letzter Abend ist, können wir noch ein bisschen Spass haben, oder?", fragte Nina grinsend.
Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen und wir beschlossen auch die Jungs einzuladen. Serena meldete sich freiwillig um Jonas und Luca Bescheid zu sagen. Nina und ich grinsten uns verschwörerisch zu.
Lilly, Nina und ich schlenderten schon einmal zum Pingpong Tisch und spielten uns ein.
Nach fünf Minuten kam Serena angelaufen, mit hochrotem Kopf und hinter ihr Jonas und Luca. Jonas hatte einen genauso roten Kopf wie Serena und Luca sah so aus, als müsste er sich ein Lachen verkneifen.
"Was ist los?", fragte ich Serena flüsternd, als sie sich neben mich stellte.
"Später!", wisperte sie genauso leise zurück.
Auch wenn ich tierisch neugierig war, nickte ich nur und konzentrierte mich wieder auf das Spiel.
Wir spielten Rundlauf und vergassen völlig die Zeit. Als ich auf die Uhr blickte erschrak ich, heute war ein Lagerfeuer und wir hätten schon vor zwanzig Minuten dort sein sollen.
Hoffentlich gab es noch Essen.
"Leute, wir müssen zum Lagerfeuer.", rief ich meinen Freunden zu und schnell machten wir uns auf den Weg.
Wir hatten Glück, als wir ankamen gab es noch reichlich Essen. Wir stellten uns an und warteten, während unsere Teller mit Würsten und Salaten beladen wurden.
Wir setzten uns alle zusammen nahe ans Feuer und mein Blick schweifte über die Menge.
Meine Augen suchten nach Cloude, den ich aber auf Anhieb so nicht entdecken konnte, es war zu dunkel.
Schulterzuckend widmete ich mich wieder meinem Essen zu. Ich wollte mir gerade die Gabel an den Mund führen, als mich Lilly anstiess und flüsterte:
"Da kommt dein Angebeteter."
Lilly und Nina wussten natürlich auch schon, dass ich auf Cloude stand.
Ich liess sofort meine Gabel wieder sinken und hob den Kopf. Und da kam er, das Feuer reflektierte in seinen Augen seine noch feuchten Haare glänzten in der Abendsonne.
Er sah einfach verboten gut aus. Ich musste leer schlucken, als seine Augen meine trafen und wieder hatte ich das seltsame Gefühl, dass ich immer hatte, wenn ich in seinen Augen versank. Das Gefühl ganz alleine mit ihm zu sein und ihm alles zu erzählen können.
Er lief an mir vorbei und setzte sich neben Mandy. Nein, ausgerechnet Mandy. Er vertiefte sich mit ihr in ein lebhaftes Gespräch und würdigte mich keines Blickes mehr.
Enttäuscht drehte ich mich wieder zu meiner Clique um und versuchte den Kloss, der sich in meinem Hals gesammelt hatte, hinunter zu schlucken.
Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich wischte sie verstohlen fort.
Warum musste ich immer nur so emotional sein? Ich hasste dies, irgendwie musste ich mich einmal abhärten.
Als meine Tränen wieder so halbwegs versiegt waren, drehte ich mich wieder zu meinen Freunden.
"Serena gehen wir ein Stück?", fragte ich meine beste Freundin und sie nickte einverstanden. Wir schlenderten Richtung Wald und genossen die letzten Strahlen der warmen Abendsonne.
"Wolltest du mir nicht etwas erzählen?", erinnerte ich sie. Sie schaute mich verständnislos an. "Als du heute Abend an den Pingpongtisch gekommen bist, warst du so rot.", half ich ihr auf die Sprünge. "Ach das.", sagte sie und lief bei der Erinnerung nochmals rot an. "Ich wollte ja Jonas und Luca holen gehen. Luca habe ich auf dem Gang getroffen und als er hörte, dass Lilly auf dabei sei, lief er schnell zu euch. Ich machte mich also auf die Suche nach Jonas, ich öffnete die Zimmertür und da stand er. Nur in Boxershorts und schaute mich geschockt an. Ich knallte natürlich sofort die Tür wieder zu und wartete draussen…"
Weiter kam sie nicht, denn ein Lachanfall schüttelte mein ganzer Körper durch.
"Und hat er ein Sixpack?", fragte ich immer noch kichernd.
Serena nickte und stimmte in mein Lachen ein.
Immer noch lachend kamen wir bei den anderen an. "Was ist so lustig?", fragte Nina uns, doch bei dieser Frage mussten wir noch mehr lachen.
"Okay, schön dass wir auch daran teilhaben dürfen", sagte Luca.
Mein Blick fiel auf sein T-Shirt und ich konnte mich kaum noch halten vor Lachen. Auf seinem T-Shirt, war ein Sixpack abgebildet, ich stupste Serena, die sich wieder so halbwegs beruhigt hatte an.
Als ihr Blick auf das Shirt fiel, war es um sie geschehen. Sie lag wortwörtlich am Boden vor Lachen. Tränen rannen aus ihren Augen und als ich sie so sah, musste ich nur noch mehr lachen.
Jonas beugte sich halb besorgt und halb amüsiert über sie und fragte: "Ist alles in Ordnung."
"Alles in bester Ordnung", antwortete sie noch kichernd. Er nahm ihre Hand und half ihr auf. Ich vermied es Serena anzusehen, denn ich wusste ich würde sonst wieder anfangen zu lachen.
Wir setzten uns alle wieder ans Feuer. Ich genoss die Wärme auf meiner Haut und schloss meine Augen.
Als ich sie wieder öffnete fiel mein Blick auf Lilly und Luca. Lilly war eingeschlafen und ihr Kopf war auf seine Schulter gerutscht. Er sass ganz still da, als wollte er sie nicht aufwecken, oder sie stören.
Ich musste schmunzeln, es sah einfach zu süss aus. Mein Blick schweifte weiter durch die Menge und plötzlich sah ich Cloude wieder. Er sass alleine auf der Wiese und beobachtete die Sterne. Ich überlegte gerade, ob ich mich zu ihm setzen sollte, als ich aus den Augenwinkeln Mandy erkannte die freudig auf ihn zu lief.
Schon halb stehend liess ich mich wieder auf meinem Platz sinken und beobachte mit nagender Eifersucht die Beiden weiter.
Mandy setzte sich neben ihm und lachte ihn fröhlich an. Er lächelte zurück und sie lehnte sich an seine Schulter. Sanft legte er den Arm um sie und küsste sie zärtlich.
Das war einfach zu viel für mich.
Blind vor Tränen stolperte ich zum Haupthaus. Leider kreuzte mein Weg genau die Wiese auf der die Beiden sassen. Den Kopf abgewandt, lief ich schnell vorbei.
"Mel?", hörte ich plötzlich Serena hinter mir und Cloude und Mandy schauten überrascht auf. Ich beschleunigte hastig meine Schritte.
Eine Hand hielt mich auf. Ich drehte mich wiederwillig um und Serenas Taschenlampe beleuchtete mein verweintes Gesicht.
"Was ist los, Süsse", fragte sie mich geschockt.
Sie nahm mich in die Arme und wiegte mich sanft hin und her. Ich vergrub mein Gesicht in ihren Haaren, da es mir immer so peinlich war von anderen zu weinen.
Plötzlich spürte ich einen sanften Druck an meiner Schulter. Ich blickte überrascht auf und sah direkt in wunderschöne haselnussbraune Augen, die mich intensiv anstrahlten.
"Kann ich irgendwie helfen.", fragte Cloude mich und ich schüttelte nur stumm den Kopf.
"Schatz, komm gehen wir zurück.", kam Mandys nörgelnde Stimme von hinten.
Wir drehten uns alle um und Cloude trat vor Mandy. "Hör mal zu Mandy, ich habe dich nur geküsst, weil ich musste. Das heisst nicht, dass ich irgendwas für dich empfinde oder dass wir zusammen sind. Verstanden?!", sagte er grob.
Mandy brach in unechten Tränen aus und schlug mit ihren kleinen Fäusten auf ihn ein. Serena, die das Ganze bisher stumm beobachtet hatte, trat vor und schüttelte Mandy.
"Hör zu, er will nichts von dir und damit basta! Und jetzt verzieh dich, du störst."
Mandy stampfte wütend mit dem Fuss auf und ging dann fluchend davon.
"Danke, die hat echt genervt.", sagte Cloude zu Serena, aber er sah mich an.
Serena, die langsam kapierte, dass ich wohl die Beiden beim Küssen gesehen hatte und ich darum wegerannt bin, stellte sich wutschnaubend vor in hin und fragte hasserfüllt.
"Wieso hast du sie denn geküsst?"
Cloude sah sie überrascht an. "Ich musste. Wir haben Wahrheit oder Tat gespielt und ich musste Mandy küssen."
Er verzog das Gesicht. "Und da ich nicht wollte, dass alle zusahen, bin ich mit ihr hierher gegangen. Aber sie hat es wohl falsch verstanden." Er verdrehte die Augen.
"Oh, wenn das so ist…Komm Mel wir gehen.", sagte Serena, deren das Ganze sehr peinlich war. Ich musste schmunzeln ergriff aber ihre Hand und liess mich von ihr mitziehen.
Während dem Gehen, wischte ich mir noch die letzten Tränen weg und musste fast über mich selber lachen.
"Er hatte sie nur geküsst, weil er musste. Und es hat ihm nicht Spass gemacht.", sangen meine Gedanken in Endlosschleife. Ich war ja so glücklich, ich könnte Luftsprünge machen.
Serena wollte mir gerade eine Predigt halten, auf jeden Fall sah so ihr Gesichtsausdruck aus, als uns jemand unterbrach.
"Hey, wartet mal.", hörten wir eine Stimme hinter uns schreien. Diese Stimme würde ich unter Tausenden wiedererkennen.
Ich drehte mich um und sah Cloude auf mich zu rennen. Mit klopfendem Herzen wartete ich, bis er bei mir war. Als er vor mir stand, dachte ich, ich falle jetzt denn in Ohnmacht, so gut sah er aus. "Melanie?", sprach er mich schüchtern an.
Ich nickte nur, unfähig ein Wort zu sagen, aber meine Gedanken schrien: "Er kennt meinen Namen."
"Ich glaube das hast du verloren.", sagte er und hielt mir mein Armband hin.
Ich räusperte mich: "Ähm… ja danke."
Verlegen griff ich nach meinem Armband und als er es mir gab, berührten sich unsere Finger nur ganz leicht, doch war es so, als würde ein ganzer Stromstoss durch meinen Körper jagen.
"Gern geschehen", antwortete er und mit diesen Worten drehte er sich um und ging davon.
Ich starrte ihm noch nach, bis er in der Dunkelheit verschwunden ist.
Ich betrachtete mein Armand und spielte erstmals eine Zeit damit, bis ich es mir dann überstreifte.
Ich beschloss nicht mehr zu den anderen zurückzugehen, sondern in mein Zimmer zu gehen.
"Ich brauche Zeit für mich.", erklärte ich Serena und die nickte verständnisvoll. Ich schlenderte durch den leeren Gang Richtung meines Zimmers.
Knarrend öffnete sich die Türe und ich kletterte die Leiter hinauf. Müde liess ich mich auf mein Bett fallen. Ich verschränkte die Arme hinter meinen Kopf und dachte nach.
Ich war richtig aufgewühlt; zuerst sehe ich, wie Cloude und Mandy miteinander rumknutschen, zwar nicht freiwillig wie er gesagt hat. Und dann rennt er mir nach und bringt mir mein Armband. Ich seufzte tief.
Warum mussten Jungs nur so kompliziert sein?
Als ich wieder die Augen aufschlug, war es Tag und das helle Sonnenlicht, das durch die grossen Fenster hereinschien, blendete mich.
Ich richtete mich verschlafen auf und sah mich verwundert um. Das Zimmer war leer und die Betten schön gemacht. Ich stand auf und stieg die Treppe hinunter. Mein Koffer stand sauber gepackt vor der Tür.
Ich schaute in die Schränke, und richtig. Die ganzen Sachen waren eigepackt worden, blieb nur noch die Frage von wem.
Ich stand auf, die Welt nicht mehr verstehend, die anderen würden mich doch nicht einfach alleine lassen?
Ich packte meinen Koffer und schleppte ihn zur Tür hinaus. Auch der Gang lag ganz still und verlassen da.
Plötzlich hörte ich plappernde Stimmen aus dem grossen Saal und ich tapste immer noch barfuss und auf die Stimmen zu.
Schüchtern blickte ich um die Ecke und tatsächlich, alle sassen fröhlich an den Tischen und frühstückten. Erleichtert schritt ich auf meine Clique zu, die wie üblich an unserem Stammtisch sass.
Als ich ganz durch den Türbogen trat, verebbten alle Gespräche und der ganze Saal starrte mich stumm an.
Was war denn los? Standen meine Haar ab oder so? Zum Vergewissern schaute ich an mich runter und da wüsste ich warum mich alle anstarrten.
Ich trug noch meine Boxershorts in denen ich schlief und ein weisses Trägershirt bei dem man mein türkisfarbener BH durchschimmern sah.
Blut schoss mir in Sekundenschnelle in die Wangen und ich machte auf Absatz kehrt und stürmte davon. Ich rannte in Eilzugstempo den Gang entlang und konnte nur über mich selber den Kopf schütteln. Wie konnte mir das nur passieren? Ich werde monatelang Gesprächsthema Nummer 1 sein.
Plötzlich stiess ich gegen einen Wiederstand. Da ich erst gerade aufgestanden war verlor ich auch prompt das Gleichgewicht und stürzte direkt auf meinen Allerwertesten.
Ich wollte gerade wieder aufstehen, aber mein Gegenüber hatte wohl auch nicht so ein gutes Gleichgewicht und landete auf mir.
Ein muskulöser Körper presste sich an mich und ich schaute erschrocken auf. Meine Augen verschmolzen mit einem warmen Haselnussbraun. Diese Augen würde ich unter Tausenden wiedererkennen.
"Cloude...?", fragte ich stotternd.
"Melanie?", fragte er genauso verwirrt zurück.
Er sah an mir herunter und zum zweiten Mal an diesem Tag lief ich purpurrot an.
"Warum bist du im Schlafanzug?", fragte er mich und auch bei ihm stahl sich eine leichte Röte auf die Wangen.
Dies machte es mir natürlich nicht gerade besser meiner Verlegenheit Herr zu werden.
"Das ist der neue Fashion –Tipp, noch nie gehört?"
Er schüttelte nur den Kopf. Seine verwirrte Miene brachte mich zum Lachen.
"Nein, natürlich nicht. Ich habe nur vergessen, dass ich ihn anhabe und bin so in den Speisesaal gegangen."
Cloude schmunzelte amüsiert und ich lief, wenn das überhaupt möglich war noch röter an.
"Dann lass ich dich mal.", sagte er mit einem süssen Lächeln auf den Lippen.
Ich konnte nicht anders, als seine perfekt geformten Lippen anzustarren und ich wünschte mir so sehr, dass er mich küssen würde.
Sein Gesicht kam zaghaft näher und unsere Nasenspitzen waren nur noch Millimeter voneinander entfernt.
Mein Herz klopfte wie verrückt und mein Atem bescheinigte sich automatisch.
Doch plötzlich schepperte es hinter und wir zuckten erschrocken auseinander. Jemand fluchte, aber es klang von weit her, trotzdem die Romantik war wie weggeblasen.
Cloude stütze sich auf und reichte mir seine Hand.
Ich ergriff sie zitternd und hoffte innerlich, dass er es nicht merkte. Nachdem er mir aufgeholfen hatte, sahen wir uns noch ein letztes Mal tief in die Augen. Dann drehte ich mich um und steuerte unser Zimmer an.
Ich stiess die Tür auf und tatsächlich lagen ein paar meiner engen schwarzen Jeans und ein neongelbes T-Shirt neben meinem Bett. Ich hatte es heute Morgen einfach nicht bemerkt, da ich noch zu müde war um solche Sachen wahrzunehmen.
Ich schnappte mir die Kleider und zog sie schnell an. Danach kam das Schwierigste, ich musste wieder in den grossen Saal. Ich schlurfte langsam in die Richtung der plappernden Stimmen, bedacht so lange wie möglich zu brauchen.
Doch dann war es nicht mehr zu vermeiden und ich stand im Türrahmen. Nach einem tiefen Luftholen betrat ich den Saal.
Wie befürchtet verstummten alle schlagartig und starrten mich an, die meisten konnten sich ein Lachen nicht verkneifen.
Anstatt den Kopf zu senken, hielt ich ihn gerade und schritt auf meinen Stammplatz zu. Das beeindrucke die meisten und sie fingen an zu tuscheln.
Aber das war mir egal, sollten sie doch denken was sie wollen. Mir war nur wichtig, was meine Freunde von mir hielten.
Als ich mich an meinem Platz niederlies, starrten mich diese mit offenen Mündern an.
Ich nahm mir so gelassen wie möglich ein kleines Brötchen aus dem Korb und blickte die anderen dann wiederwillig an. Wie würden sie wohl reagieren?
Kaum sah ich sie an bestürmten sie mich mit Fragen.
"Wo warst du?"
"Warum bist du erst so spät gekommen?"
"Warum bist du in Boxershorts in den Speisesaal gekommen?"
Frage nach Frage wurde auf mich abgeschossen.
"Leute, Leute.", rief ich mit erhobenen Händen.
Alle sahen mich gespannt an.
Und dann erklärte ich ihnen alles. Dass ich erst spät aufgewacht bin und warum ich ihn Boxershorts in den Speisesaal rein kam. Ausser das mit Cloude liess ich aus, denn die Jungs wussten dies ja noch nicht.
Als ich geendet hatte brachen alle in schallendes Gelächter aus. Ich schob schmollend die Unterlippe vor und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
Dies brachte meine Freunde noch mehr zum Lachen und ich konnte auch nicht mehr lange beleidigt sein und setzte bald auch in das fröhliche Lachen ein.
Nach dem Morgenessen hiess es für Serena und mich abwaschen. Wir mühten uns sicher eine Stunde damit ab, das Geschirr in die riesige Maschine einzuräumen, dann wieder auszuräumen und abzutrocknen. Das getrocknete Geschirr räumten wir dann in die Schränke ein.
Im Hintergrund lief das Radio und in diesem Moment lief mein eines meines Lieblingslieder "Wings". Ich summte leise und wiegte mich im Takt der Musik.
Serena kicherte als sie mich sah und tanzte dann aber auch mit. Und da wir alleine waren sangen wir lauthals mit.
Plötzlich hörten wir ein verlegenes Räuspern. Erschrocken stoppten wir und drehten uns um. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Vor uns stand Cloude mit einem verlegenen Lächeln im Gesicht.
"Ich gehe dann mal, ich muss noch... ich muss einfach noch irgendetwas nachsehen.", sagte Serena und mit diesen Worten verschwand sie durch die Tür.
"Serena...Warte.", rief ich noch, aber sie war schon weg.
Ich drehte mich wieder zu Cloude um und strich mir verlegen eine meiner langen Haarsträhne hinters Ohr.
Cloude räusperte sich: "Ähm… Ich wollte dich fragen, ob du auch mit dem Bus fährst."
"Nein warum?", antwortete ich verwirrt.
"Also du wanderst?", fragte er nach.
"Ja leider.", gab ich niedergeschlagen zur Antwort. "Wieso? Du nicht?"
"Nein ich kann mit dem Bus fahren, da ich in Gossau wohne. Wo wohnst du denn?", fragte er weiter.
"In Uster.", sagte ich.
"Ja ich glaube da musst du schon wandern, aber die andern sich schon los."
"Was?", rief ich panisch aus. "Wann denn?"
"Vor einer halben Stunde. Ich würde jetzt mal Herr Schmidt fragen was du nun tun sollst.", riet er mir.
"Ja danke.", sagte ich und wollte gerade los spurten, als Cloude nach meinem Arm griff und mich zurückhielt.
"Warte…", sagte er nur.
Ich drehte mich wieder um und sah ihn an. Als ich ihn seine warmen braunen Augen blickte, stockte mir der Atem.
Er sah so gequält aus, als ob er Schmerzen hätte. Langsam streckte ich die Hand aus, liess sie aber im nächsten Moment wieder sinken und drehte mich verlegen um.
"Danke vielmals, dass du mir Bescheid gegeben hast.", sagte ich und lief los.
Diesmal liess er mich ziehen und hielt mich auch nicht mehr zurück.
Völlig ausser Atem kam ich bei Herr Schmidt an. Dieser sah mich ganz verwundert an und sagte. "Nanu, Melanie. Was machen Sie denn noch hier?"
Im 10. Schuljahr wird man mit Sie angesprochen und ich hasste es jetzt schon.
"Cloude hat mir Bescheid gesagt, dass die anderen schon gegangen sind und riet mir, Sie aufzusuchen.", erklärte ich ihm mein Anliegen.
"Wo ist denn Serena?", fragte er und ich stockte.
Stimmt wo war sie?
"Ähmm...Sie ist auf der Toilette.", liess ich mir eine Ausrede einfallen.
"Okay, sagen Sie ihr, wenn Sie Sie sehen, dass ich Euch fahre, ich möchte nicht dass ihr euch noch verlauft."
"Ja, mache ich. Vielen Dank.", bedankte ich mich bei unserem Lehrer.
"Keine Ursache, ihr könnt ja nichts dafür.", sagte er schmunzelnd. "Ach, und wir treffen uns dann in fünfzehn Minuten auf dem Parkplatz.", teilte er mir noch mit, bevor zur Tür raus war.
Also machte ich mich auf die Suche nach Serena, was sich nicht gerade so einfach gestaltete wie ich gedacht hatte. Ich lief im ganzen leeren Haus herum und obwohl es leer war getraute ich mich nicht ihren Namen zu rufen.
Als ich schon fast das ganze Lagerhaus durchsucht hatte, fiel mir noch der Keller ein. Langsam tastete ich mich in die Dunkelheit hinab und ich verfluchte mich, dass ich nicht an die Taschenlampe oben beim Eingang gedacht hatte.
Ich war gerade bei der untersten Stufe angekommen, als von weit her Schritte ertönten. Erschrocken zuckte ich zusammen und versteinerte auf der Stelle.
Als die Schritte nicht mehr zu hören waren, tastete ich mich weiter vor und meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit.
Plötzlich sah ich vor mir einen menschlichen Schatten und ein grelles Licht blendete meine Augen. Panisch kreischte ich los und wollte wegrennen, aber ein starker Griff an meinem Arm hinderte mich daran. Ich schlug um mich und schrie weiter, bis sich eine Hand auf meinen Mund presste und meinen Schrei erstickte.
Mein Herz fiel in einen noch panischeren Rhythmus und in meiner Angst biss ich zu.
Der Griff lockerte sich ein wenig und ich hörte eine männliche Stimme einen verbissenen Fluch ausstossen.
Ich wollte gerade meine Chance nutzen und wegrennen, als sich wieder eine Hand auf meinen Arm legte und mich eine besänftigte Stimme beruhigte.
"Hey, hey. Ganz ruhig, ich bin es ja nur."
"Cloude?", fragte ich immer noch am ganzen Körper zitternd.
"Ja.", antwortete seine Stimme und er leuchtete sich mit der Taschenlampe ins Gesicht. "Siehst du... Hey du zitterst ja richtig."
Immer noch schlotternd nickte ich und zu meiner Verlegenheit traten mir Tränen in die Augen.
"Oh nein... Habe ich dir so Angst eingejagt?", fragte er besorgt?
Ich nickte wieder während mir die Tränen über die Wangen liefen und dort eine warme und feuchte Spur hinterliessen.
"Hey nicht weinen, es ist ja alles gut.", sagte Cloude und trat auf mich zu. Unschlüssig blieb er stehen. Ich wollte mich gerade wegdrehen, damit ich mir nicht noch mehr Blösse geben konnte, als er nach vorne trat und mich umarmte.
Zärtlich schmiegten sich seine Arme um mich und ich legte vorsichtig meinen Kopf an seine Schulter, während meine Tränen sein Shirt benetzten. Er streichelte mir sanft durchs Haar und murmelte mir immer wieder beruhigende Worte zu.
Langsam verebbten meine Tränen und auch sein Griff lockerte sich ein wenig. Vorsichtig machte ich mich los. Unserer Blicke trafen aufeinander und verschmolzen miteinander.
Langsam beugte er sich vor und strich mir eine gelockerte Haarsträhne hinters Ohr. Seine Berührung floss durch mich wie flüssiger Honig.
Unsere Gesichter waren sich nun so nah, dass ich die braun-grünen Sprenkel in seinen Augen erkennen konnte.
Er starrte unschlüssig auf meine Lippen und beugte sich zögernd zu mir nach vorne.
„Ich...“, begann er. Ich starrte ihn erwartungsvoll an. Er klappte schon seinen Mund auf, als er jäh unterbrochen wurde.
„Melanie, bist du hier unten?“, fragte Serenas Stimme vom Anfang der Treppe. Cloude und ich zuckten auseinander.
„Jaha.“, rief ich zurück, warf noch einen letzten Blick zurück und stieg dann die Treppe empor. Oben erwartete mich schon eine ungeduldige Serena.
„Wo warst du denn so lange? Wir müssen in 5 Minuten auf dem Parkplatz sein wo uns Herr Schmidt erwartet.“
„Von wo weisst du das denn?“, fragte ich sie verblüfft.
„Ach, ich habe ihn vorher noch schnell gesehen und dann hat er mir dies mitgetei…“, sie unterbrach sofort als sie Cloude mit knallroten Kopf an uns vorbeihuschen sah.
„Was hast du mit ihm im Keller gemacht…?“, bestürmte sie mich, kaum er ausser Hörweite war.
„Ja… ähm… also….“, stotterte ich.
„Sag schon!“, drängte sie mich und so erzählte ich ihr auf dem Weg nach draussen das ganze Geschehen.
„Ihr zwei werdet bestimm noch ein Paar.“, meinte sie als ich geendet hatte.
„Meinst du?“, fragte ich sie hoffnungsvoll.
„Auf jeden Fall.“, bestätigte sie mir.
Warmer Wind, der unsere Haare umspielte empfing uns, als wir auf den Parkplatz hinaus traten. Herr Schmidt wartete, der Motor schon gestartet.
Wir stiegen ins Auto ein und kaum hatten wir die Autotür zugezogen stiegen fuhr unser Lehrer auch schon los.
Serena und ich verhielten uns auf der ganzen Fahrt relativ still, da wir nicht unbedingt ein Gespräch mit Herr Schmidt anfangen wollten. Doch dieser wollte ein Gespräch mit uns anfangen, es war zwar nur höflich gemeint aber wir fühlten uns ziemlich unwohl, wie immer wenn einem ein Lehrer ausfragt.
Nach 30 Minuten waren wir zum Glück endlich in Uster angekommen und wir konnten aussteigen.
„Das war ja mal oberpeinlich.“, sagte Serena zu mir, als Herr Schmidt wieder abgefahren ist.
Ich stimmte ihr nickend und augenverdrehend zu.
Wir wollten gerade Richtung Bushaltestelle schlendern, als uns jemand auf die Schulter tippte. Wir drehten uns um und vor uns stand Jonas mit einem verlegenen Lächeln im Gesicht.
Serena’s Augen fingen sofort an zu leuchten und sie stich sich unauffällig das Haar glatt, das von der Autofahrt ganz zerzaust war.
„Ähm… Ich wollte euch… also eigentlich dich Serena fragen, ob du noch Lust hast etwas mit mir trinken zu gehen…also du kannst auch mitkommen Mel, wenn du das willst.“, brachte er stotternd heraus.
Meine Freunde hatten automatisch meinen Spitznamen übernommen und sprachen mich meistens nur noch mit diesem an.
Ich musste schmunzeln, wie nervös Jonas klang.
„Tut mir leid, ich möchte nach Hause und mit Diamond ein bisschen Springreiten üben, sie ist schon völlig aus der Übung. Aber ich wünsche euch viel Spass.“, sagte ich und zwinkerte Serena unauffällig zu.
Sie wurde rot und ich gab ihr zum Abschied ein Küsschen auf die Wange. Dabei flüsterte ich ihr ins Ohr:
„Wir telefonieren noch.“ Mit diesen Worten sprintete ich zur Haltestelle und erwischte ganz knapp noch meinen Bus.
Zu Hause angekommen, warf ich meine Schulsachen auf mein Bett, holte meine Reitsachen aus dem Schrank und zog mich schnell um.
Ich rannte die Treppe hinunter und traf meine Mutter an, die ganz verträumt am Küchentisch sass.
„Mum, ich gehe zu Diamond.“, informierte ich sie und flitzte an ihr vorbei.
„Ja ist in Ordnung.“, rief sie mir noch nach, bevor die Tür hinter mir zufiel.
Ich schnappte mir mein Fahrrad und trat heftig in die Pedale. Ausser Atem kam ich auf dem Reiterhof an.
Ich schloss mein Fahrrad ab und schlenderte gemütlich über den Hof. Die letzten warmen Sonnenstrahlen verfingen sich in meinem Haar und ich lächelte glücklich.
Tief atmete ich den Pferdegeruch ein und fühlte mich ganz wie Zuhause.
„Hey Mel.“ Nick kam winkend auf mich zu.
„Hey Nick.“, begrüsste ich ihn, als er vor mir stand.
„Lange nicht mehr gesehen.“
„Ja ich war im Klassenlager und konnte Diamond leider nicht besuchen kommen. Wie geht es dir?“
„Ihr geht es gut, ich habe sie behandelt als wäre sie mein eigenes Pferd.“ Er grinste mich an.
„Das ist lieb von dir.“, sagte ich und strich ihm dankend über den Arm.
„Kein Problem, ich habe es gerne getan.“, sagte er und eine leichte Röte zog sich über seine Wangen. Eine peinliche Stille trat ein.
„Was machst du heute mit Diamond?“, brach Nick schliesslich das Schweigen.
„Ich werde heute mal wieder mit ihr springen. Willst du zuschauen?“, bot ich an.
„Gerne.“ Er lächelte mich süss an.
Bei diesem Lächeln bekam ich weiche Knie, es warf einem einfach aus der Bahn.
Doch dann tauchte Cloude‘s Gesicht vor mir auf und das Gefühl verschwand so schnell wie es gekommen war.
Ich klatschte in die Hände. „Dann lass uns loslegen.“
Nick, immer noch lächelnd, folgte mir.
Ich betrat die spärlich beleuchtete Sattelkammer und hievte den Sattel meines Pferdes vom Hocker. Bei Diamond angekommen, liess ich sie zuerst den Sattel beschnuppern und legte ihn schliesslich auf ihren Rücken.
Dann zäumte ich auf und führte sie schliesslich zum Springplatz. Dank Nick war meine Stute schon sauber geputzt.
Ich stellte die Steigbügel auf meine Beinlänge ein und sass auf.
Schnalzend trieb ich sie an und wärmte sie zuerst ein paar Runden im Schritt ein. Ich ritt viele Kreise damit sie sich beugen kann, dies ist nämlich sehr wichtig für die Springarbeit.
Nun trieb ich sie zum Trab an und schliesslich zu einem schönen gleichmässigen Galopp.
Nun fixierte ich die dreifache Sprungkombination vor mir, aus den Augenwinkeln sah ich, dass Nick sich auf dem Zaun setzte.
Ich ritt mit Diamond einen Halbkreis im Galopp und steuerte dann den Sprung ab. Ich versammelte sie vor dem Hindernis und sie setzte leichtfüssig ab. Sie flog elegant darüber und schnaubte vor Freude.
Ich fixierte schon den nächsten Sprung und verlängerte ihre Galoppschritte, so dass sie genau richtig absprang. Und schon sprangen wir über das zweite Hindernis und auch den dritten Sprung meisterten wir.
Ich klopfte ihr lobend den Hals und drehte mich grinsend um als Nick applaudierte. Ich ritt zu ihm hin und grinste ihn frech an.
„Hast wohl nicht gedacht, dass wir beide so was drauf haben?“
„Nein, das hätte ich jetzt wirklich nicht erwartet.“, lachte er. „Hast du mal Springstunden genommen?“
„Ja auf dem alten Hof, habe ich mich ausschliesslich aufs Springreiten konzentriert.“, antwortete ich ihm.
„Das sieht man.“, meinte er bewundert.
„Und du? Springst du mit Spindle auch?“, fragte ich ihn neugierig.
Er nickte schelmisch. „Wollen wir ein Wettspringen machen?“
Diese Herausforderung nahm ich gerne an.
Ich wartete auf dem Springplatz, unterdessen bereitete Nick seinen Spindle vor. Nach 5 Minuten tauchte er wieder auf und sass auf.
Wir ritten Richtung Wald, dort soll es laut Nick, ein grosser Naturspringplatz haben. Ich ritt neben ihn, unter dem beeindruckenden grünen Blätterdach her.
„Und? Wie war es im Klassenlager?“, brach Nick schliesslich das Schweigen.
„Cool.“, antwortete ich überrascht, weil er sich dies gemerkt hatte.
„Was habt ihr so gemacht?“, fragte er weiter?
„Wir mussten ein ganzes Dossier bearbeiten.“, seufzte ich.
Nick öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, doch da teilte sich der Wald und wir ritten in eine Lichtung hinein.
Mir fiel die Kinnlade herunter. Diese Lichtung war einfach nur wunderschön. Durch die Blätter schien die Sonne warm und hell auf die Lichtung und warf Lichtstrahlen auf die Wiese. Auf der Wiese hatte es wunderschöne Blumen in allen Farben und das Gras war knietief und die Halme wiegten im leichten Sommerwind.
Und mitten auf der Wiese war ein richtiges Springparadies von Naturhindernissen. Hier ein Baumstamm und da eine dreifache Sprungkombination nur aus Holz zusammengebastelt.
„Und wie findest du es?“, unterbrach Nick meine Gedanken.
„Es ist Wahnsinn, und die Lichtung einfach nur wunderschön.“, hauchte ich immer noch bewundernd.
„Freut mich, dass es dir gefällt. Es hat echt Mühe gekostet, dies hier aufzustellen.“
„Das hast du alles alleine gemacht?“, fragte ich ihn erstaunt. Er nickte nur.
„Also fangen wir an?“, fragte er mich schelmisch.
„Wenn du bereit bist zu verlieren.“, grinste ich zurück. Mit diesen Worten grub ich die Fersen in die Flanken meiner Stute. Sie wieherte freudig und galoppierte los.
„He!“, hörte ich Nicks Stimme hinter mir, bevor sie der Wind forttrug.
Ich lehnte mich nach vorne und treib Diamond noch mehr an. Schon tauchte der erste Sprung, einen Baumstamm, vor uns auf und wir flogen elegant darüber.
Ich fixierte das nächste Hindernis und hörte wie Nick auch schon das erste übersprungen hatte und wie er mir nachsetzte.
„Hilfe, der ist schnell.“, schoss es mir durch den Kopf und da passierte der Fehler.
Ich gab die Zügel einen kurzen Moment frei und Diamond, die man einrahmen musste und sie unterstützen musste kam damit nicht klar. Und für diesen kurzen Moment fühlte sie sich alleine, sie schnaubte erschrocken und stolperte.
Ich nahm die Zügel sofort wieder auf und konzentrierte mich ganz auf mein Pferd. Ich tätschelte ihr beruhigend den Hals und flüsterte ihr zu, dass ich hier war.
Sie schnaubte, diesmal aber wieder zutraulich und rieb ihren Kopf zärtlich an mein Bein.
Ich nahm die Zügel wieder kurz und konzentrierte mich auf den Sprung. Ich stellte fest, dass durch den kurzen Patzer von Diamond die Distanz nicht mehr stimmte. Ich gab ihr ein kurzes Signal und sie verlängerte ihre Galoppsprünge, so dass sie perfekt vor dem Sprung absetzen konnte.
Keine Sekunde später flog Nick mit Spindle über das Hindernis und war auf gleicher Höhe mit mir. Er drehte den Kopf zu mir und grinste mich triumphierend an, grub seine Fersen ins Spindles Flanken und die beiden stoben vorwärts.
Ich schätze die Distanz zum letzten Sprung ab. Zuerst eine enge Kurve und dann ca. 20 Meter bis zum Ziel.
Ich überlegte; wenn wir die Kurve so eng wie möglich nehmen würden und einen Riesenspurt einlegen würden, hätten wir die Chance als Sieger aus diesem Rennen herauszugehen.
„Schaffen wir das, meine Süsse?“, flüsterte ich meiner Stute zu. Diese spielte interessiert mit den Ohren und schnaubte danach zustimmend.
Ich lachte freudig auf.
„Na dann los.“, rief ich ihr zu und liess die Zügel ein wenig länger. Sie stob vorwärts und Meter um Meter kamen wir Nick und Spindle näher. Ich schnalzte mit der Zunge und sie lief zur Hochform auf. Ich war mit Nick nun auf der gleichen Höhe. Dieser lachte nun nicht mehr sondern hatte einen verbissenen Gesichtsausdruck aufgesetzt.
Und nun kamen wir zur Kurve. Ich liess Diamond die Wahl, wie sie diese nehmen wollte und unterstütze sie einfach dabei. Sie wusste was sie tat, und ich wollte sie zu nichts zwingen.
Sie bremste ab, drehte sich auf der Hinterhand und wir schlitterten einen kurzen Augenblick, dann fing sie sich wieder auf und wir waren auf der Zielgeraden, Nick direkt hinter uns.
Ich feuerte sie an und sie verdoppelte ihr Tempo, sprang im perfekten Moment ab und wir flogen einen kurzen Moment durch die Luft und setzen wieder am Boden ab.
Ich verlangsamte unser Tempo und tätschele meiner Stute lobend den Hals. Sie schnaubte zufrieden und schaute mich durch ihre langen Wimpern schelmisch an.
Keine Sekunde später setzte auch Nick mit Spindle über den Sprung und parierte ihn schliesslich neben mir durch.
Ich grinste ihn frech an und sagte: „Ich habe dir doch gesagt, dass wir dich schlagen.“
Er grinste zurück und antwortete: „Ich habe dir aber nicht geglaubt, bis jetzt.“
„Ich und Diamond sind halt unschlagbar.“
„Unschlagbar nicht gerade. Ich wette wir schlagen euch beim nächsten Mal.“, wettete Nick.
„Das werden wir ja sehen.“, nahm ich die Herausforderung an. „Wollen wir noch ein wenig auf der Lichtung bleiben?“, schlug ich vor und Nick nickte begeistert.
„Dies ist sowieso mein Lieblingsort.“, sagte er leise und ein dunkler Schatten zog sich über sein Gesicht.
Ich blickte neugierig zu ihm, die Frage lag mir auf der Zunge. Er bemerkte meinen Blick und der Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht und machte dem süssen Lächeln Platz, dass ich so an ihm liebte.
Wir stiegen ab und liessen unsere Pferde grasen. Diamond sprang übermütig auf der Lichtung umher und Spindle setzte ihr hinterher.
Nick und ich setzten uns ins knietiefe Gras und zogen unsere Helme ab. Seine wuscheligen braunen Haare waren noch mehr verwuschelt als sonst.
Ich konnte nicht anders und lachte los.
„Was?“, fragte er verwundert und seine grünen Augen blitzen mich schelmisch an.
„Warte.“, sagte ich und streckte meine Hand aus.
Ich fuhr durch seine Haare und war überrascht wie seidig diese waren.
„Jetzt ist es besser.“, sagte ich und lächelte ihn an.
Er sah mich an und grinste auch.
„Deine Haare sind auch ganz zerzaust.“
Wie ich vorher streckte er seine Hand aus und richtete mein Haar. Er nahm eine lange Haarsträhne in seine Finger und fuhr leicht hindurch. Die Sonne schien darauf und die Strähne fing goldig an zu glänzen.
„Du hast so schönes Haar.“, meinte er bewundert.
„Danke.“, sagte ich verlegen und eine leichte Röte schlich sich meine Wangen hinauf.
Ich liess mich rückwärts ins weiche Gras gleiten und genoss die warme Frühlingssonne auf meiner Haut.
Ich schloss meine Augen und hörte den Wind, der durch den Wald rauschte und die vielen Vögeln singen.
Plötzlich hörte ich ein Schnauben und dann landete ein Gewicht auf mir. Ich öffnete erschrocken meine Augen und sah in die von Nick, der genauso erschrocken schaute wie ich.
„Tut mir leid.“, stotterte er. „Spindle hat mich geschubst.“
Er stützte sich mit beiden Händen neben mir ab und sein muskulöser Körper schmiegte sich eng an meinen.
Mein Herz fing schneller an zu schlagen und ich wunderte mich warum. Solche Gefühle hatte ich sonst nur bei Cloude.
Cloudes Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf, verschwamm aber sofort wieder, als ich in die wunderschönen grünen Augen von Nick blickte.
„Schon okay. Du kannst ja nicht dafür.“, gab ich atemlos zurück.
Seine Augen verschmolzen mit den meinen und mein Atem beschleunigte sich automatisch. Ich war völlig verwirrt über meine Reaktion.
Nick fing vorsichtig an mein Gesicht zu streicheln, er erkundete mit seinen Finger meine Wangen und fuhr schliesslich sanft die Kontur meiner Lippen nach.
Ich schauderte leicht, da ich von meinen Gefühlen so übernahmt wurde.
Ein jähes Wiehern ertönte und wir zuckten erschrocken zusammen.
„Ähm…ja…“, stotterte Nick und richtete auf. Er fuhr sich verlegen durch seine Haare und half mir schliesslich auf.
Ich schaute mich nach Diamond um, die gewiehert hatte und sah dass Spindle wie ein Fohlen um sie herum hüpfte. Ihr war das ein bisschen zu viel geworden und hatte eine Warnung ausgesandt.
„Wollen wir zurückreiten?“, brach ich die peinliche Stille zwischen Nick und ich.
Dieser nickte nur.
Und so sassen wieder auf unsere Pferde und ritten zum Hof.
Dort angekommen sattelten wir in peinlicher Stille die Pferde ab und versorgten sie schliesslich im Stall.
„Ähm…Ja, dann komm gut nach Hause.“, sagte Nick zum Abschied und fuhr sich wie auf der Lichtung verlegen durch seine Haare.
Ich wusste nicht warum ich dies tat, aber er sah irgendwie so traurig und verloren aus, da konnte ich nicht anders.
Ich trat einen Schritt auf ihn zu und schlang meine Arme um seinen Hals. Überrascht erwiderte er meine Umarmung. Vorsichtig legte er seine Hände auf meine Hüften und drückte mich sanft an sich.
So verharrten wir eine Weile lang, bis wir uns schliesslich wieder voneinander lösten.
„Morgen wiederholen wir das Wettspringen.“, sagte ich grinsend, bevor ich mich umdrehte und zu meinem Fahrrad lief.
„Darauf kannst du wetten.“, rief Nick mir lachend nach.
Voller Vorfreude auf den nächsten Tag, stieg ich auf mein Rad und fuhr nach Hause.
„Nanu? Was machst du denn schon wieder hier?“, fragte meine Mutter mich überrascht, als ich zur Tür herein kam.
„Ich war fast 3 Stunden lang weg.“, stellte ich mit einem Blick auf die Uhr fest.
„Echt?“, fragte meine Mutter.
„Ja Mum.“, antwortete ich. „Was ist denn mit dir los? Schon letztens hast du dich so komisch benommen.“
„Komm doch mal mit in die Küche, Schätzchen.“, bat mich meine Mutter.
Verwirrt und ein bisschen neugierig folgte ich ihr in die Küche. Dort sass mein Vater und blickte strahlend zu uns auf.
„Bitte setz dich doch.“, forderte mein Vater mich auf.
Ich setzte mich auf einen Stuhl und schaute erwartungsvoll in die Runde.
„Melanie, dein Vater und ich müssen dir etwas sagen.“, fing meine Mutter an. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch und verkündete: „Du bekommst ein Geschwisterchen.“
„Echt?“, fragte ich strahlend und mein Vater nickte zustimmend. „Das ist ja toll.“
Ich sprang freudig auf und umarmte meine Eltern.
Ich hatte mir schon länger ein kleines Geschwisterchen gewünscht und da meine Mutter sehr jung mit mir schwanger wurde hatte ich diesen Wunsch nie aufgegeben.
Meine Mutter war 17 Jahre alt, als sie unerwartet mit mir schwanger wurde. Ihre Eltern waren für eine Abtreibung, doch meine Mutter weigerte sich und lief stattdessen von Zuhause weg. Sie und mein Vater, der dort gerade mal 19 Jahre alt war, brannten durch. Sie nahmen sich eine kleine Wohnung in Ascona, in der ich nach 9 Monaten zur Welt kam. So wurden wir eine kleine glückliche Familie.
Mein Vater suchte sich dort ein Job und wurde immer erfolgreicher und so konnten meine Eltern kurze Zeit darauf ein Haus kaufen.
Meine Eltern wünschten sich auch ein zweites Kind, aber es klappte nie. Bis jetzt. Das waren super Neuigkeiten, ich freute mich so für sie.
Ich tanzte singen in mein Zimmer hinauf, ich freute mich so auf mein kleines Geschwisterchen. In meinem Zimmer angekommen, liess ich mich auf mein Bett plumpsen und nahm das eingerahmte Foto von Diamond und mir auf einem Springturnier in die Hände.
Ich dachte zurück an diesen Tag. Dort hatten wir zum ersten Mal bei einem Turnier mitgemacht und prompt den zweiten Platz belegt.
Auch heute hatten wir es Nick und Spindle gezeigt. Wir waren einfach ein perfektes Team.
Nick. Meine Gedanken konzentrierten sich auf ihn. Ich strich über meine Lippen und konnte seine leichte Berührung immer noch darauf spüren.
„Ob er mich geküsst hätte?“, schoss es mir durch den Kopf, doch ich schüttelte diesen energisch wieder. Was war nur los mit mir?
Anderseits hat es sich so gut angefühlt als wir uns umarmt haben, als ob wir uns schon seit Ewigkeiten kennen würden.
„Aber was ist mit Cloude?“, fragte eine Stimme in meinem Kopf.
Ja stimmt Cloude, er war einfach perfekt. Seine Stimme, sein Körper, sein Charakter und sein wunderschön geschwungen Lippen. Ich liebte alles an ihm.
Anderseits war Nick ein super Kolleg mit dem man eine Menge Spass haben kann, er ist sehr einfühlsam und sein Lächeln haut einem immer wieder aus der Bahn.
„Schluss jetzt!“, sagte ich laut zu mir. Ich musste mich irgendwie ablenken, sonst wurde ich nur noch verwirrter.
Ich schaltete meinen Computer an und loggte mich bei meinem Facebook-Account ein. Ich hatte eine neue Freundschaftsanfrage, ich klickte darauf und mein Herz fing schneller an zu schlagen.
Sie war von Cloude.
Mit zitternden Händen bestätigte ich sie. Ich wartete, doch es kam keine Nachricht.
Mit immer noch klopfendem Herzen fuhr ich meinen Computer herunter und legte mich aufs Bett.
Das Klingeln meines Handys weckte mich aus meinem Halbschlaf.
Einen Blick aufs Display genügte und ich war hellwach. Es war Serena. Bestimmt wollte sie mit mir über ihr Date heute reden.
Aufgeregt nahm ich ab.
Serena?“, meldete ich mich.
„OMG, Mel. Du wirst es nicht glauben, was heute passiert ist.“, quasselte sie los.
„Was ist denn passiert?“, fragte ich aufgeregt.
„Ich war ja heute mit Jonas im Kaffee. Und wir sassen an einem Tisch und haben ganz normal geredet, und stellt dir vor er hat mich sogar eingeladen.“, quickte sie. „Auf jeden Fall, haben wir über alles Mögliche geredet. Die Schule, unsere Freunde, unsere Hobbys. Und wir haben uns super verstanden. Und dann fing es langsam an zu dunkeln und wir verabschiedeten wir uns voneinander. Und dann hat er mir tief in die Augen geschaut und mich GEKÜSST.“, schrei sie in den Hörer.
„Was? Dein voller Ernst?“, rief ich aus.
„Jaha.“, sang sie fröhlich. „Aber das Beste kommt noch. Nach diesem wunderschönen Kuss, den ich natürlich erwidert habe, hat er mir ganz ernst gesagt, dass er sich in mich verliebt hat.“
„Oh wie romantisch“, quickte ich. „Und seid ihr jetzt zusammen?“
„Schätze ja.“, antwortete sie und ich hörte wie sie durch das Telefon hindurch lächelte.
„Oh mein Gott! Ich freue mich so für euch. Aber wie wollt ihr denn das in der Schule machen? Zeigt ihr dass ihr zusammen seit?“, fragte ich sie.
„Hm.“, machte sie. „Ich weiss nicht, ich lasse es wohl einfach mal darauf ankommen.“
„Ja das finde ich eine gute Idee. Schau morgen einfach mal wie er sich verhaltet.“, riet ich ihr.
„Ja das mache ich.“, sagte sie immer noch ganz aufgeregt. „Du ich muss Schluss machen. Meine Mum ruft mich zum Essen. Bis morgen in der Schule.“, verabschiedete Serena sich.
Mit einem Schmunzeln legte ich auf. Ich gönnte meiner Freundin echt dieses Glück.
„Ob ich dieses wohl auch bald erleben würde?“, fragte ich mich und meine Gedanken wanderten zu Cloude.
Ich fuhr meinen Computer wieder hoch in der Hoffnung, dass er nun doch geschrieben hatte. Mit zitternden Fingern loggte ich mich wieder in meinen Account ein und keine Sekunde später machte es „Ping“.
Enttäuscht stellte ich fest, dass ich keine Nachricht sondern nur eine Freundschaftsanfrage hatte. Ich öffnete diese, sie war von einem Nick Baker. Ich klickte auf sein Profil und erkannte ihn. Es war Nick vom Reitstall.
Auf seinem Profibild stand er lachend in der Sonne und neben ihm Spindle der ihn neckisch anstupste. Seine dunklen Haare glänzten in der Sonne und seine grünen Augen leuchteten.
Ich ertappte mich dabei, wie ich lächelnd auf sein Bild starrte.
Ich schüttelte den Kopf. Was war im Moment nur mit mir los?
Immer noch lächelnd und mit einem wohligen Gefühl in meinem Bauch bestätigte ich die Anfrage.
Ich legte mich auf mein Bett und dachte nach. Warum hatte ich für zwei Jungs, fast die gleichen Gefühle?
Ich fing bei Cloude an. Er sieht einfach super gut aus und ist sehr nett und sozial. Ehrlich gesagt musste ich zugeben, dass ich noch gar nicht so viel mit ihm geredet hatte.
Aber immer wenn wir aufeinandertreffen, ist es ein Feuerwerk der Gefühle.
Bei Nick ist es anders. Er ist ein guter Zuhörer und immer sehr verständnisvoll. Wir waren von Anfang an auf einer Wellenlänge. Er sieht sehr gut aus mit seinen dunklen Haaren und es ist immer so süss wenn er verlegen durch diese fuhr. Sein Lächeln haute mich immer wieder um und seine wunderschönen grünen Augen, brachten mein Herz zum Schmelzen.
Wenn wir uns berührten, war es nicht so wie bei Cloude. Die Gefühle kamen viel langsamer und sanfter. Doch seine Berührungen liessen mich immer wieder schaudern und geborgen fühlen.
„Ach du Scheisse!“, entfuhr es mir, als es mir die Augen öffnete. Ich befürchtete, dass ich ihn beide verliebt war. Was für ein Dilemma!
Erschöpft schlief ich ein.
„Mel. Melanie! Du musst aufstehen.“, vernahm ich die Stimme meiner Mutter am nächsten Morgen.
„Ja, ich komme.“, nuschelte ich.
Müde stand ich auf und nahm als erstes eine kalte Dusche, so dass ich ein bisschen wacher wurde. Ich stand wahllos vor meinen Schrank und entschied mich schliesslich für ein Paar rote Hotpants und ein schwarzes Trägershirt mit Pailletten.
Rasch schminkte ich mich dezent und stampfte frisch und fröhlich die Treppe hinunter. Meine Mutter war auch schon auf und stand pfeifend am Herd.
Ich liess mich auf den Stuhl plumpsen und meine Mutter servierte mir noch warme Pfannkuchen. Ach, der Morgen fing herrlich an.
Ich verdrückte drei Pfannkuchen und kippte meinen Orangensaft hinunter. Eilig schnappte ich mir meine Schultasche und gab meiner Mutter einen flüchtigen Abschiedskuss auf die Wange.
„Tschüss, bis heute Abend“, rief ich und dann fiel auch schon die Wohnungstür hinter mir zu.
Mit guter Laune schlenderte ich zum Bus und stieg ein. An der nächsten Station stieg Serena dazu und ich begrüsste sie natürlich mit einem schelmischen Grinsen, wovon sie rot wurde.
„Ich bin ja gespannt, wie Jonas dich begrüssen wird.“, fing ich das Gespräch an.
„Ja meinst du ich nicht? Ich lag deswegen schon die ganze Nacht wach.“, erwiderte sie nervös.
Ich konnte nicht anders und prustete los, nach einem kurzen Augenblick stimmte Serena ein.
„Mach mal halblang, es wird schon schiefgehen.“, beruhigte ich sie schliesslich.
„Jaja…“, sagte sie und lächelte mich an. „Und wie läuft es eigentlich mit Cloude?“, fragte sie mich.
Ich seufzte. Dieses Thema wollte ich eigentlich vermeiden. Serena merkte, dass etwas los ist und quengelte nur noch mehr.
„Okay, okay.“ Ich hob ergeben die Hände. „Ich erzähle ja schon. Also es ist so, ich bin mir nicht sicher, für wen ich mehr empfinde. Ich glaube ich bin in Nick und Cloude verliebt.“, teilte ich ihr die Erkenntnis mit, die mich gestern getroffen hatte.
„Was?!“, rief Serena aus und starrte mich mit offenem Mund auf. „Und was willst du nun dagegen unternehmen?“
„Ich weiss es nicht. Ich habe gestern eine Liste erstellt, die hat aber nicht sehr viel geholfen.“, gab ich verlegen zu.
„Du hast ernsthaft eine Liste der beiden Jungs erstellt, um herauszufinden, welcher du mehr magst?“, kicherte Serena los.
„Schön dass ich dich unterhalte, aber ich war verzweifelt.“, brummte ich beleidigt.
Serena konnte sich nicht mehr halten und prustete los und ich sass mit leidender Miene neben ihr.
Sie grinste immer noch als wir in das Klassenzimmer kamen und ich stupste sie mit meinem Ellenbogen an.
„Jetzt reicht es aber.“, raunte ich ihr zu und endlich hörte sie auf zu lachen.
Dafür erblickte sie Jonas und wurde sofort wieder knallrot. Gespannt verfolgte ich mit den Augen, was nun geschah.
Jonas erblickte Serena und strahlte sie glücklich an. Sie wurde noch röter und strich sich verlegen die Haare hinters Ohr, erwiderte aber schüchtern sein Lächeln.
Jonas stand auf und kam auf uns zu. Vor Serena blieb er unschlüssig stehen.
„Hi.“, hauchte sie.
„Hey.“, sagte auch er beugte sich langsam vor und drückte meiner Freundin einen sanften Kuss auf die Wange.
Totenstille in der Klasse, man hätte ein Blatt fallen hören können, bis eine spöttische Stimme die Stille unterbrach.
„Na sieh einer an, das Mauerblümchen hat einen Freund gefunden.“, hörte man Marcs Stimme laut sagen.
Ich blickte nervös zu Serena und sah dass dieser Tränen in die Augen traten und sah schon eine mittelgrosse Katastrophe auf uns zukommen.
Da passierte etwas, das ich selbst nicht von mir erwartet habe.
„Halt einfach mal deine Klappe, als immer gross auszuposaunen! Du bist kein Deut besser, du musst zu jedem und allem dein Kommentar dazugeben, aber ob es andere verletzt ist dir völlig egal. Fang zuerst mal bei dir selbst an zu kritisieren, bevor du andere fertig machst!“, schrie ich Marc an.
Augenblicklich, als ich realisierte was ich getan habe, verstummte ich und wartete seine Reaktion ab.
Und da passierte etwas, was niemand erwartet hatte; Marc war still. Zum ersten Mal fiel ihm kein Spruch ein.
Stolz reckte ich meinen Kopf und schritt davon. Auch der Rest der Klasse verteilte sich wieder auf ihre Plätze und da kam auch schon Herr Schmidt herein und der Unterricht begann.
„Hey, das war super von dir!“, kam Serena nach dem Unterricht und fiel mir um den Hals.
Ich erwiderte ihre Umarmung und grinste.
„Das musste ihm einfach mal jemand sagen, aber ich hätte das nie von mir erwartet.“
„Ich fand es total mutig von dir.“, grinste sie zurück.
Ich hörte augenblicklich auf zu grinsen als Cloude das Klassenzimmer betrat und wartete atemlos meine Reaktion ab. Diese kam wie immer.
Mein Herz und mein Atem beschleunigten sich und als ich ihn seine Augen blickte spürte ich die Wärme angenehm durch meinen Körper rieseln.
Serena stand auf und ging zu Herr Schmidt, da sie eine Frage hatte.
Auch Marc stand auf und die beiden trafen aufeinander und kreuzten ihre Blicke wie Schwerter. Marc zog die Augenbrauen zusammen und feuerte einen hasserfüllten Blick auf meine beste Freundin ab. Nachdem er mit seinem Macho-Gehabe fertig war schlenderte lässig zu Cloude und flüsterte ihm grinsend etwas ins Ohr. Dieser sah aus als hätte ihn der Tod selber berührt und starrte angewidert auf Marc. Man sah von weitem, dass Cloude Marc verabscheute.
Als Cloude nicht auf seine Witze einging, drehte sich Marc beleidigt um und stolzierte davon. Als Serena und ich das sahen mussten wir uns beherrschen nicht loszulachen.
Cloude verliess das Klassenzimmer wieder, warf mir aber vorher noch einen glühenden Blick zu, der mich völlig aus der Bahn warf. Mein Herz setzte einen Schlag aus und schlug dann rasend schnell weiter.
Ich brauchte eine Minute um meinen Körper auf Normalzustand herunterzufahren.
10 Minuten später klingelte es endlich zum Mittag und da heute Nachmittag die Stunden ausfielen, weil die Lehrerin krank war, beschloss ich mich mit Diamond zu beschäftigen.
Doch vorher assen wir noch mit unserer Clique in der Mensa zu Mittag. Nina und Lilly erwarteten uns schon als Serena, Luca, Jonas und ich auf den Tisch zusteuerten.
Ich fragte mich wie sie reagierten, wenn sie das mit Jonas und Serena erfuhren.
An unserem Stammtisch angekommen setzten wir uns und Jonas hielt Serena galant den Stuhl hin. Lilly und Nina tauschten einen verheissungsvollen Blick.
Die anderen holten sich Essen, doch Nina, Lilly und ich blieben am Tisch, da wir heute etwas zu Essen mitgenommen haben.
„Was läuft da eigentlich zwischen Serena und Jonas.“, fragte Lilly neugierig und Nina lehnte sich interessiert vor.
„Fragt sie doch nachher selber.“, grinste ich geheimnisvoll.
„Mel, du bist so eine Spielverderberin.“, schmollte Nina.
Ich lachte nur.
Als Serena und Jonas wieder an unserem Tisch sassen, tauschten Nina und Lilly einen Blick.
„Also…“, fing Lilly an.
„Was läuft da zwischen euch?“, beendete Nina den Satz.
Serena und Jonas wurden beide rot und schliesslich legte Jonas den Arm um seine Freundin, räusperte sich und verkündete stolz.
„Wir sind zusammen.“
Nina und Lilly sprangen auf und fielen ihrer Freundin um den Hals.
„Wir freuen uns so für euch“, riefen sie.
Nach dem Essen fuhr ich nicht wie üblich mit Serena nach Hause, denn sie und Jonas nutzten den freien Nachmittag um etwas zusammen zu unternehmen.
Zu Haus angekommen packte ich meine Reitsachen und radelte voller Vorfreude zum Hof.
Beinahe überfuhr ich Nick, der mit zwei Eimern frischen Wasser aus dem Stall kam.
„Hey!“, rief er erschrocken.
„Tut mir leid Nick.“ Ich schenkte ihm ein entschuldigtes Lächeln.
Da erkannte er mich.
„Hey Mel.“ Er strahlte mich an.
Er stellte die zwei Eimer auf den Boden und zog mich vorsichtig an sich. Ich legte meine Arme um seinen Hals und schmiegte mich einen kurzen Moment an ihn, bevor er mich wieder losliess.
„Wie geht es dir so?“, fragte er und fuhr sich verlegen durch seine Haare.
„Gut und dir?“, antwortete ich.
„Auch.“, sagte er lächelnd. „Bereit für unser zweites Wettspringen?“
„Aber na klar.“, grinste ich frech. „Aber wie wäre es diesmal mit einem Wettreiten?“, schlug ich vor.
Nick stimmte begeistert zu. „Machen wir die Pferde bereit.“
Wir schlenderten nebeneinander zur Weide und unsere Arme berührten sich ab und zu ganz zufällig.
Sofort spürte ich, wie sich ein angenehmes Kribbeln in meinem Körper ausbreitete.
Auf der Weide angekommen halfterten wir unsere Pferde auf und angenehmes Hufgeklapper begleitete uns auf dem Rückweg.
Wir putzten und sattelten die Pferde in Rekordtempo und dann konnte es auch schon losgehen.
Wir ritten nebeneinander her bis ich schliesslich das Schweigen brach.
„Und, wie war es in der Schule?“, fragte ich Nick.
„Normal.“, antwortete er und lachte.
„Das bedeutet wohl langweilig.“ Ich stimmte ihn sein fröhliches Lachen ein.
„Also bereit?“, fragte mich Nick und ich nickte begeistert.
„Los!“, rief ich grub Diamond die Fersen in die Flanken.
Meine Stute schnaubte erfreut und galoppierte los.
„Hey, das war nicht fair!“, rief Nick und ich hörte wie er Spindle anspornte.
Ich hörte Spindle, der im Jagdgalopp näher kam und ich flüsterte meiner Stute das Zauberwort zu.
Das Zauberwort ist ein Wort, das früher die Indianer brauchten um ihre Pferde anzuspornen. Jedes Pferd wurde von seinem Reiter auf so ein Wort trainiert. Und nur wer das Zauberwort kennt, hat das Pferd vollkommen unter Kontrolle. Das habe ich alles im alten Stall gelernt, als wir eine Indianerwoche als Projekt hatten. Und dort habe ich auch mit Hilfe von einem alten und weisen Indianer meiner Stute beigebracht auf das Zauberwort zu hören.
Diamond, die das Zauberwort sofort erkannte spielte mit den Ohren und verdoppelte ihr Tempo.
„Huch!“, hörte ich den überraschten Ausruf von Nick.
Ich grinste fröhlich in mich hinein als wir in atemberaubenden Tempo auf die Ziellinie zu galoppierten.
Nach dem Ziel parierte ich meine Stute durch und diese fing genüsslich an zu grasen. Wir waren ohne nachzudenken auf unserer Lichtung gelandet.
Nick traf nun auch im Ziel ein und schaute mich erstaunt an.
„Wie hast du denn das geschafft?“, fragte er.
Ich grinste ihn an. „Mit Zauberei!“
Er lächelte zurück. „Ja klar!“
Bei diesem Lächeln, welches einem den Atem raubte, zerfloss mein Herz wie flüssiger Honig und meine Knie glichen einem Pudding. Ich musste mich hinsetzten.
Nick beugte sich über mich und seine wunderschönen grünen Augen strahlten mich besorgt an.
„Hey Mel! Ist alles in Ordnung?“, fragte er mich und sein süsser Atem strich über mein Gesicht.
Das Atmen fiel mir schwer und meine Brust hob und senkte sich unregelmässig. Gleichzeitig beschleunigte sich mein Herzschlag und ich starrte auf seine wunderschönen geschwungenen Lippen.
„Ja.“, keuchte ich. „Alles in Ordnung“
„Bist du dir sicher?“
„Nein.“ Vernebelt von seinem Duft, schüttelte ich den Kopf.
„Was ist denn los?“ Nun war Nick richtig besorgt.
„Es dreht sich alles.“, gestand ich und klammerte mich an seiner Hand fest.
Beruhigend strich er mit seinem Daumen über meinen Handrücken, was mich nicht im Geringsten beruhigte. Es bewirkte eher das Gegenteil und mein Atem kam noch schneller und flacher. Ich war wie in einer Trance und konnte ihn nur mit grossen Augen anstarren.
„Du musst dich hinlegen.“, riet er und legte mich ins weiche Gras.
Da ich immer noch seine Hand umklammert hielt, zog ich ihn automatisch mit mir.
Nun lag er auf mir, beide Hände neben meinem Gesicht abgestützt, damit er das Gleichgewicht nicht verlor. Auch er atmete schneller und eine leichte Röte zog sich über seine Wangen.
„Ich…“ Nick stockte.
„Ja?“, fragte ich erwartungsvoll.
„Nichts…“, er schüttelte den Kopf und richtete sich auf.
Ich blieb noch eine kurze Zeit liegen, bis sich mein Atem und vor allem mein Herz wieder beruhigt hatten. Ich war selber erstaunt über meine Reaktion, so etwas kannte ich von mir gar nicht.
Nachdem ich wieder einigermassen einen klaren Kopf hatte, richtete ich mich auf und schaute mich um. Mein Blick fiel auf Nick, der mir Spindle mit kreisförmigen Bewegungen massierte.
Ich stellte mich leise neben ihn und beobachtete seine Bewegungen. Einen kurzen Blick seinerseits sagte mir, dass er mich registriert hat.
„Was machst du da?“, fragte ich ihn neugierig.
„Das ist T-Touch, eine spezielle Massage zur Beruhigung der Pferde.“
„Kannst du mir das beibringen?“, frage ich, während ich fasziniert beobachtete wie Spindle den Kopf und die Ohren hängen liess.
„Klar.“ Er lächelte mich süss an. „Siehst du wie Spindle den Kopf und die Ohren hängen lässt? Das ist das Zeichen, dass er vollkommen entspannt ist.“
Ich nickte beeindruckt. Gebannt sah ich Nick von der Seite an und beobachtete sein markantes Gesichtsprofil. Er war sehr hübsch und auch bei seinem Charakter konnte man überhaupt nichts aussetzen. Er hatte ein riesengrosses Herz und wenn man sah, wie er mit Spindle umging, zauberte das einem automatisch ein Lächeln auf die Lippen.
„Er ist wirklich ein Reiter zum Verlieben“, schoss es mir durch den Kopf.
„Wollen wir langsam zurückreiten?“, schlug Nick vor, als er seine Massage für Spindle beendet hatte.
„Klar, es wird langsam dunkel“, stimmte ich ihm zu.
Wir bestiegen unsere Pferde und ritten in die Dämmerung herein. Das Zwitschern der Vögel war verklungen und man hörte nur die Stille des Waldes, die hin und wieder durch eine Eule unterbrochen wurde.
Das Rascheln der Blätter über unseren Köpfen machte uns darauf aufmerksam, dass bald ein Sturm ausbrach.
„Wir sollten ein bisschen schneller Reiten.“, schlug Nick vor. Sein Blick haftete auf den düsteren Wolken, die über uns hingen.
„Einverstanden.“, sagte ich und grub meine Fersen in die Flanken meiner Stute, sodass sie in einen gleichmässigen Galopp fiel.
Wir kamen bei Dunkelheit auf dem beleuchteten Hof an. Zum Glück regnete es noch nicht.
Müde stieg ich von Diamond ab und brachte sie in ihre Box. Ich streute noch neues Stroh hinein und füllte dann den Futter- und Wassertrog auf.
Gierig stürzte sich meine Stute auf das Futter und kaute genüsslich.
Lächelnd trat ich aus der Box heraus und stand wieder vor Nick, der mich süss anlächelte. Sein Blick wanderte zu meinen Lippen. Mein Herz beschleunigte sich wieder und mein Atem kam schneller.
Sachte strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
Plötzlich ertönten Schritte im Stallgang und wir sprangen erschrocken auseinander.
„Nanu, ihr seid noch hier?“, fragte Mrs. Counter, die Besitzerin des Hofes, uns.
„Ähm… Ja, wir waren noch auf einem Ausritt.“, erklärte ihr Nick.
Ihr prüfender Blick streifte mich und eine leichte Röte zog sich über meine Wange.
„Hattet ihr Spass?“, fragte sie und wir nickten beide. „Nun gut, dann ab mit euch.“
„Auf Wiedersehen Mrs. Counter.“, verabschiedete ich mich und wir verliessen den Stall.
Ich schlenderte neben Nick zu meinem Fahrrad. Ab und zu berührten sich unsere Hände wie zufällig.
„Nun… Bis später.“, sagte ich verlegen als wir bei meinem Fahrrad ankamen.
„Klar.“ Auch Nick lächelte verlegen dann küsste er mich sanft auf die Stirn.
Erstaunt von seiner Zuneigung sah ich ihn an. Doch er hatte sich schon umgedreht und schlenderte durch die dunkle Nacht davon.
„Hallo Mum. Ich bin Zuhause.“, rief ich, als die Haustür hinter mir zufiel.
„Hallo mein Schatz.“, ertönte es von der Küche her.
Ich trat in den besagten Raum und sah meine Mutter, zufrieden lächelnd, auf einem Stuhl sitzen. Sie schaute verträumt nach draussen. Ihre Hand lag auf ihrem Bauch, bei dem sich schon eine kleine Wölbung abzeichnete.
Ich grinste in mich hinein und gab ihr einen Kuss auf das Haar. Sie schaute lächelnd zu mir hoch.
„War es schön mit Diamond?“, fragte sie mich.
„Wunderschön!“, bestätigte ich und dachte an Nick und unsere Küsse.
Ich wärmte mir Nudelreste von gestern zum Abendessen auf und setzte mich zu meiner Mutter an den Tisch. Gierig verschlang ich mein Essen, ich hatte einen Bärenhunger.
„Ich bin dann mal in meinem Zimmer.“, sagte ich zu meiner Mutter.
„Ach ja, du hast Besucht.“, teilte sie mir noch mit.
„Was?“ Ich blieb angewurzelt stehen. Wer besucht mich denn so spät noch?
„Geh hoch.“, sagte meine Mutter und lächelte mich geheimnisvoll an.
Nun blickte ich überhaupt nicht mehr durch. Egal. Ich zuckte mit den Schultern und stieg die Treppe hinauf zu meinem Zimmer.
Vor der Zimmertür blieb ich stehen, atmete tief durch und trat in mein Zimmer.
Ich blickte ungläubig auf die zierliche Person, die dort stand und kreischte los.
„Lucy!“, schrie ich und fiel meiner besten Freundin aus Ascona um den Hals. Ihr vertrauter Duft nach Vanille und Zimt begrüsste mich und ich fühlte mich sofort geborgen.
„Mel.“, flüsterte sie und sah mich mit Tränen in ihren braunen Augen an.
„Ich hoffe du weinst vor Freude.“, sagte ich gespielt empört zu ihr.
„Aber natürlich warum denn sonst?“, fragte sie mich lächelnd und wisch sich ihre Tränen der Freude weg.
„Ich freue mich so dich zu sehen.“, sagte ich und umarmte sie ein zweites Mal.
„Und ich mich erst. Ich habe dich so vermisst.“, erwiderte sie und band sich ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz.
„Ja ich dich auch. Komm erzähl! Was gibt es Neues in Ascona und was steht was geht?“, fragte ich sie und setzte mich auf mein Bett.
Ich klopfte einladend neben mich und sie liess sich auf mein Bett plumpsen.
„Ja mir geht es gut, und in Ascona ist es sehr langweilig ohne dich.“, beantwortete sie meine Frage. „Wir vermissen dich!“
„Oh… Ich vermisse euch auch.“, sagte ich und merkte wie mir auch langsam die Tränen in die Augen stiegen.
Lucy wischte mir sachte die einzelne Träne, die sich aus meinem Auge gestohlen hatte, von der Wange und strich mir übers Haar.
„Shht… Jetzt bin ich ja hier, jetzt wird alles gut.“, tröstete sie mich und ich musste lachen.
„Und wie geht es dir?“, fragte ich sie.
„Mir geht es super, in der Schule läuft es gut und stell dir vor, ich habe mit Shadow das Springturnier in Ascona gewonnen.“, schwärmte sie mir vor.
„Echt? Das ist ja klasse. Ich gratuliere dir ganz herzlich.“, freute ich mich mit ihr.
Lucy hatte, wie ich, auch ein Pferd. Es war rabenschwarz und trug den Namen Shadow, der sehr gut zu ihm passte.
Wir haben Diamond und Shadow im gleichen Stall zusammen gekauft und haben sehr viele wunderschöne Ausritte genossen.
Lucy hatte am Anfang ein paar Probleme mit Shadow, da er sehr gerne seinen eigenen Kopf durchsetzte. Doch sie hatte gelernt, ihm zu zeigen wer der Boss ist und seit dem waren sie ein unzertrennlicher und vor allem ein unschlagbares Team.
„Und wie ist es bei dir in der neuen Schule?“, unterbrach Lucy meine Gedanken.
„Ich habe mich gut eingelebt und auch schon ein paar neue Freunde gefunden, mit denen ich mich wirklich gut verstehe.“, antwortete ich ihr.
„Das freut mich. Es stimmt, dass du in das 10. Schuljahr in Uster gehst oder?“ Sie schaute mich mit einem unergründlichen Blick an.
„Ja, wieso?“, fragte ich.
„Dann kennst du vielleicht meinen Cousin, der geht nämlich auch ins 10. Schuljahr. Also ich hoffe dass du ihn nicht kennst, aber die Beschreibung hat exakt auf dich zugetroffen.“
„Von was sprichst du?“, fragte ich sie verwirrt.
„Ich hasse es dir sagen zu müssen, aber mein Cousin und mein Bruder haben vor einer Woche telefoniert und du kennst ja meinen Bruder, wie er über Frauen redet. Auf jeden Fall ist sein Cousin da nicht anders. Für sie beide gibt es nur das Eine. Ich finde das so kindisch, sie haben sogar einen Code daraus gemacht, genannt AFA. Das heisst für sie: Anmachen, Flachlegen, Abhauen.
Und vor einer Woche habe ich ihr Telefongespräch mit angehört und da habe ich erfahren, dass mein Cousin auch ins 10. Schuljahr in Uster geht. Und ich habe mitgehört, wie sie über ein Mädchen gesprochen haben, an welchem mein Cousin AWA ausprobieren möchte, wenn es sogar nicht schon im Gang ist. Und die Beschreibung hat haargenau auf dich zugetroffen.
„Wie heisst denn dein Cousin?“, fragte ich mit klopfendem Herzen, obwohl ich die Antwort längt kannte.
„Cloude.“
„So ein Arschloch.“, rief ich aus und anhand meiner Reaktion konnte Lucy sehen, dass AFA schon im vollen Gange war.
„Dieser Idiot!“, stimme auch sie ein, nachdem sie geschockt meine Reaktion beobachtet hatte.
Ich spürte wie mein Herz brach und machte mich auf das Schlimmste gefasst. Und das Schlimmste kam. Meine Beine trugen mich nicht mehr und ich brach auf dem Boden zusammen, Tränen schossen sekundenschnell in meine Augen und laute, verzweifelte Schluchzer brachen aus mir hervor.
„Shhh… Süsse es ist ja alles gut. Bitte wein doch nicht.“, versuchte mich meine beste Freundin zu beruhigend.
Sanft nahm sie mich in den Arm, wiegte mich wie ein Baby hin und her und strich mir tröstend übers Haar. „Er ist es nicht wert, dass du irgendeine Träne für ihn verschwendest.“
Ihre Nähe beruhigte mich etwas, doch die Tränen liefen immer noch in kleinen Bächen meine Wangen hinunter.
Sachte strich Lucy mir diese weg.
„Es tut so weh.“, schluchzte ich. „Ich habe mich völlig blamiert. Ich dachte er mag mich auch und ich habe mich wie der grösste Vollidiot benommen. Er macht sich insgeheim bestimmt lustig über mich und erzählt all seinen Kollegen, wie leicht ich doch zu haben bin.“
„Das stimmt nicht.“, wiedersprach sie mir. „Du bist ganz und gar nicht leicht zu haben. Du bist stark, selbstbewusst und der wundervollste Mensch, der ich jemals getroffen habe.“
„Ich habe mich trotzdem total blamiert.“, beharrte ich.
„Das kannst du doch gar nicht wissen.“
„Doch!“, sagte ich trotzig.
„Wo ist denn die alte Mel hin?“, fragte Lucy und schaute sich suchend in meinem Zimmer um.
„Wie meinst du das?“, frage ich während meine Tränen langsam versiegten.
„Die Mel, die ich kenne gibt nicht einfach so auf. Und auch wenn sie mal am Boden ist, sie steht wieder auf, lächelt und kämpft weiter.“
„Du hast Recht.“, sagte ich und wischte mir noch die letzte Träne von der Wange. „Ich gebe nie auf!“
„Da ist ja die Mel die ich kenne!“, sagte Lucy freudig und fiel mir um den Hals.
Lucy und ich hatten gestern Abend noch lange geredet. Ich habe ihr auch von Nick erzählt und sie sagte, ich solle lieber ihn nehmen als ihr Cousin.
Die Zeit verging schnell und bald kam auch schon Lucys Vater um sie abzuholen. Wir umarmten uns lange zum Abschied und versprachen, dass wir uns bald wieder sehen werden.
Das lange Gespräch mit meiner besten Freundin und das Weinen, hatten zur Folge, dass ich in der Schule todmüde war und kaum meine Augen offen halten konnte.
„Wer kann mir sagen, was passiert wenn man diese zwei Moleküle mischt? Melanie?“, ertönte die Stimme meines Lehrers.
„Was?“, erschrocken und gleichzeitig müde blickte ich auf, was mir einige Lacher von der Klasse einsteckte.
„Wasser. H2O“, räusperte mir Serena zu. Ich blicke sie dankbar an.
„Wenn man diese zwei Moleküle miteinander verbindet ergibt das Wasser, auch H2O genannt.“, erklärte ich.
„Sehr gut.“, lobte mich Herr Schmidt und ich lachte leise in mich hinein.
Herr Schmidt war ein sehr netter Lehrer, aber er kriegte überhaupt nichts mit über. Die Schüler, die immer Spässe in der Klasse machten und immer unruhig waren, ermahnte er immer.
Doch Serena und ich gehörten zu den „braven“ Schüler und daher glaubte er uns immer, auch wenn es nicht stimmte.
„So, nun habt ihr noch zehn Minuten Zeit, um dieses Arbeitsblatt fertig auszufüllen und nach dem Mittag kommt die Parallelklasse und wir machen eine Gruppenarbeit im Thema Bewerbungsgespräch zusammen.
Ich lehnte mich zufrieden zurück, das Blatt hatte ich schon in der Stunde gelöst. Serena tat es mir gleich und schielte dabei unauffällig zu Jonas hinüber. Dieser bemerkte ihren Blick und warf ihr schüchtern eine Kusshand zu.
Meine Freundin lief rot an, lächelte ihn aber noch an bevor sie sich abwendete.
„Ihr seid echt süss zusammen.“, flüstere ich ihr zu und sie grinste mich glücklich an.
„Danke.“
Da klingelte auch schon die Pausenglocke und wir packten rasch unsere Sachen zusammen, damit wir noch einen guten Platz in der Mensa ergattern konnten.
„Hallo.“, begrüsste ich Lilly und Nina, die schon an unserem Stammplatz sassen.
Sie schauten von ihrem Essen hoch und lächelten uns an. Ich stellte mein Tablett neben das von Lilly und setzte mich.
„Wo ist denn Luca?“, frage ich sie.
„Er ist heute krank.“, nuschelte sie mit vollem Mund.
„Wie läuft es eigentlich bei euch?“, wollte Serena wissen.
„Sie sind beide zu schüchtern.“, kommentierte Nina die Frage.
„Nina! Das stimmt nicht.“, protestierte Lilly.
„Oh doch.“, sagte Nina an uns gewandt. „In der Klasse werfen sie sich immer schüchterne Blicke zu, aber keiner getraut denn anderen anzusprechen. Ich glaube das Highlight war vor zwei Tagen, als Luca Lilly nach einem Stift gefragt hat.“
Serena und ich kicherten laut los und Lilly schmollte beleidigt.
Die beiden waren schon extrem schüchtern, aber nach meiner Meinung werden die eines Tages auch noch zueinanderfinden.
„Und wie läuft es mit deinem Freund?“, fragte ich nun Nina neugierig.
„Ach… Wir haben uns getrennt. Es funktionierte einfach nicht mehr.“, winkte sie lässig ab.
„Wie? Und das macht dir gar nichts aus?“, stellte Serena die Frage.
„Nein, er hat mich nur eingeengt und wollte alles bestimmen, das ist mir dann zu viel geworden und ich habe vor ein paar Tagen Schluss gemacht.“
„Das heisst du bist wieder Single.“, grinste ich sie an.
„Ja und es gefällt mir.“, sagte sie mit einen Blick auf einen Jungen der recht gut aussah.
Wir alle lachten los. Kaum wieder Single schon der Nächste im Visier.
„Was gibt es denn hier zu lachen?“, frage Jonas und setzte sich neben seine Freundin.
„Ach, nur Mädelsgequatsche.“, winkte ich ab.
„Na wenn das so ist, lasst euch nicht stören.“, grinste er frech. Er wusste genau, dass wir jetzt wo er hier sass nicht mehr darüber redeten.
„Hey wir müssen los.“, sagte ich kurze Zeit später mit einen erschrockenen Blick auf meine Armbanduhr. „In zwei Minuten fängt die Stunde an.“
Schnell packten wir unsere Sachen zusammen und flitzten gerade rechtzeitig mit dem Gong in das Klassenzimmer.
Natürlich sassen alle schon im Klassenzimmer und schauten uns belustigt an, als wir hereinkamen.
„Schön, dass ihrs auch noch rechtzeitig geschafft habt.“, begrüsste uns Herr Schmidt. „Leider sind nur noch einzelne Plätze frei. Serena setz dich doch neben Marc. Jonas und Lilly an das hinterste Pult. Nina neben Martina und Mel du kannst dich neben Cloude setzen.“
Ich warf Serena einen mitleidigen Blick zu. Ich wusste sie hasste es neben Marc sitzen zu müssen.
„Muss diese dumme Kuh auch wirklich neben mir sitzen?“, ertönte nun auch prompt von Marc.
„Marc, sei still. So redet man nicht mit Mitschülern.“, rügte ihn unsere Lehrer. „Das gibt einen Eintrag ins Klassenbuch.“, fügte er noch hinzu.
Marc schien das nicht viel auszumachen und er verdrehte nur die Augen.
Langsam bewegte ich mich auf meinen zugewiesenen Platz neben Cloude zu. Serena zwinkerte mir noch vieldeutig zu.
Ich schaute sie verwirrt an, doch da fiel mir ein, dass sie das mit Cloude gar noch nicht wusste. Das musste ich ihr später unbedingt erzählen.
Als ich Cloude dort sitzen sah und seine funkelnden Augen mich anstrahlten, fiel mir der gestrige Abend mit Lucy wieder ein und Tränen sammelten sich in meinen Augen.
Doch das war lächerlich, ich musste jetzt stark sein und in einfach so gut wie es ging ignorieren. Also straffte ich die Schultern, setzte meinen kältesten Blick auf und setzte mich neben ihn.
„Hey.“, sagte er fröhlich und lächelte mich an.
„Hey.“, erwiderte ich kühl und streifte ihn mit einem kurzen Blick.
„So nun werdet ihr mit eurem zugewiesenem Partner ein Bewerbungsgespräch führen.“, gab uns Herr Schmidt den Auftrag.
„Möchtest du der Bewerber oder der Lehrmeister sein?“, fragte mich Cloude.
„Mir ist es egal.“, antwortete ich resigniert. Ich war stolz auf mich, wie gut ich das hinbekam.
„Ähm… Gut, dann bin ich der Lehrmeister.“, entschied Cloude mit einer kleiner Spur Unsicherheit in seiner Stimme.
Ich nickte nur gleichgültig.
Er fing mir an Fragen zu stellen, die ich zwar ausführlich und mit einer warme Stimme beantwortete, aber sobald er mir eine persönliche Frage stellte oder eine Bemerkung machte, die nichts mit dem Thema zu tun hatte, zeigte ich ihm die kalte Schulter.
Die zwei Stunden gingen schnell vorbei und schon bald klingelte es.
Ich ging an meinen Platz und packte meine Sachen zusammen. Ich wollte gerade aus der Tür treten, als mich eine Hand zurückhielt. Verwirrt blickte ich auf und sah ihn zwei verunsicherte haselnussbraune Augen.
„Können wir reden?“, fragte Cloude und ich nickte.
Ich starrte auf seine Hand, die auf meinen Arm lag und er liess mich sofort los. Froh darüber, folgte ich ihm auf den leeren Pausenplatz hinaus.
Die meisten Schüler waren schon wieder in der Stunde oder auf dem Weg nach Hause.
„Was ist eigentlich los?“, fragte Cloude mich und sah mich eindringlich an.
„Nichts…“, sagte ich abwehrend.
„Ach komm… Fang nicht wieder damit an. Am Anfang hatten wir es richtig gut und verstanden uns super und jetzt bist du total abweisend.“
„Ja, weil ich nicht gerne wie jedes anderes Mädchen auf deiner sogenannter Liste behandelt werden möchte.“ Meine blauen Augen blitzen ihn wütend an.
„Wie kommst du denn darauf?“, fragte er unschuldig aber ich sah hinter seine Fassade.
„Du weisst genau was ich meine. Ich möchte mit dir und deinem blöden AFA-Code nichts mehr zu tun haben.“, gab ich ihm klar zu verstehen.
„Woher weisst du davon?“
„Das ist nicht von Belang.“, sagte ich. „Lass mich in Zukunft einfach in Ruhe.“
„Wenn es das ist was du möchtest.“ Klang er etwa niedergeschlagen? „Das letzte was ich wollte, war dich zu verletzen.“
„Tja… Genau das hast du aber getan. Kein Mädchen würde sich das gefallen lassen wenn sie es herausfindet. Ich denke du solltest einmal dringend deine Lebensmoral überdenken, denn so kommst du nirgendwohin und machst dir auch keine Freunde.“, hielt ich ihm meine Abschlusspredigt, dann drehte ich mich auf dem Absatz um und rauschte davon.
Es war richtig eine Erlösung ihm mal die Meinung sagen zu können, ein Teil von meinem Schmerz hatte sich damit verflüchtigt. Ich wusste nur nicht, wie ich ihn ganz vergessen sollte, wenn ich ihn fast jeden Tag in der Schule sah. Aber um dieses Problem konnte ich mich auch später kümmern.
Wenigstens hatte ich nun mal den ersten Schritt getan.
Mit einem befreitem Gefühl wartete ich auf meinen Bus. Als dieser aber nach fünf Minuten Verspätung immer noch nicht kam, beschloss ich an den Bahnhof zu laufen.
Ich wollte mich gerade in Bewegung setzen, als es neben mir hupte. Neugierig blickte ich auf und sah ein weisses Auto vor mir stehen.
Die Türe ging gierend auf und Nick trat lächelnd heraus.
„Hey! Sollen wir dich mitnehmen?“, fragte er.
„Hey Nick.“ Ich freute mich ihn zu sehen. „Ja gerne, wenn es keine Umstände macht.“
„Steig ein.“ Er hielt mir einladend die Hintertür auf und ich liess mich in den weichen Sitz fallen.
„Hallo.“, zwei grüne Augen, die den Augen von Nick nicht unähnlich waren, blitzten mich vergnügt durch den Rückspiegel an. „Ich bin Nicks Vater.“, stellte der Mann sich vor.
„Freut mich Sie kennenzulernen. Ich bin Melanie.“
„Bitte nenn mich doch Mason.“, bat er mich und lächelte mich an.
Wenn er lächelte stahlen sich die gleichen Grübchen, wie bei Nick in seine Wangen.
Nick liess sich auf den Beifahrersitz gleiten und drehte sich so um, dass er mich ansehen konnte.
„Ist er für dich in Ordnung, wenn wir direkt zum Reitstall fahren?“, fragte er mich.
„Klar.“, antwortete ich und lehnte mich entspannt zurück.
Das Brummen des Motors erfüllte meine Ohren und ich grinste vor mich hin. Das klang genauso wie unser altes Auto.
Mit einem Ruck führ das Auto los.
„Tut mir leid.“ Nicks Vater lächelte mich entschuldigend an. „Das Auto ist schon recht alt.“
„Ach macht doch nicht, wir hatten auch so ein Auto. Ich bin es mir also gewöhnt.“, sagte ich.
„Hast du deine Reitsachen schon im Stall?“, fragte mich Nick nach einer kurzen Schweigepause.
„Oh nein.“ Ich schlug mir gegen die Stirn. „Die sind zu Hause.“, ärgerte ich mich über mich selbst.
„Wo wohnst du denn?“, fragte mich Mason und ich gab ihm meine Adresse an.
„Das liegt ja direkt auf dem Weg, dann laden wir dich schnell aus, du holst deine Sachen und dann fahren wir weiter.“
„Danke viel mal, das ist sehr freundlich.“, bedankte ich mich bei ihm.
„Keine Ursache.“, erwiderte er. „Da wären wir auch schon.“
Ich hantierte am Türhebel, doch die Tür wollte einfach nicht aufspringen.
„Warte ich helfe dir.“, bot Nick an, der meine vergeblichen Bemühungen mit einem Schmunzeln beobachtete hatte.
Er stieg aus und zog von aussen die Tür auf.
„Sie klemmt manchmal.“ Galant hielt er mir die Hand hin.
Ich ergriff diese und ein warmer Schauer lief mir den Rücken hinunter.
Dann liess er mich wieder los und ich stieg die Treppe zu unserer Haustür hinauf. Ich kramte den Schlüssel aus meiner Schultasche hervor und drehte ihn zweimal im Schloss. Wenn meine Eltern nicht da waren, schlossen die immer zweimal ab.
Ich trat in die kühle Wohnung und schnappte mir meine Reitsachen. Die Schultasche schmiss ich einfach in die Ecke. Ab dem wir meine Mutter keine Freude haben, wenn sie nach Hause kommt, aber das war mir egal.
Ich hüpfte die Treppe wieder hinunter und stieg wieder ins Auto ein.
„Und wie war die Schule?“, fragte Nick mich als wir kaum losgefahren sind.
„Der heutige Tag verging sehr schnell und meine Klasse hatte einer ihren ruhigen Momente.“, erzählte ich. „Und bei dir?“
Nick ging auf ein Privatgymnasium in Zürich, bei welchem er ein Stipendium bekommen hatte.
„War ganz okay, wir hatten nicht viel zu tun und die letzten zwei Stunden fielen aus.“ Er grinste mich an.
„Ja das würde ich au toll finden.“, grinste ich zurück.
Der Rest der Fahrt verbrachten wir im Schweigen, bis uns Mason darauf aufmerksam machte, dass wir angekommen sind.
„Aussteigen, oder wollt ihr wieder zurückfahren?“ Er grinste uns schelmisch an.
„Nein!“, sagten Nick und ich gleichzeitig und stiegen lachend aus dem Auto.
„Und was wollen wir heute machen?“, fragte er mich, nachdem wir uns wieder beruhigt hatten.
„Wir könnten doch auch auf den Platz und ein bisschen Dressur üben?“, schlug ich vor.
Nick sah nicht sehr begeistert aus.
„Ich hasse Dressur.“, erklärt er. „Und Spindle auch.“
„Ach komm!“, ich schlug ihn leicht gegen die Schulter. „So schlimm ist es nicht und manchmal muss das auch sein.“
„Von mir aus.“, brummte er nachgebend und ich grinste in mich hinein.
„Na, meine Süsse wie geht es dir?“, fragte ich meine Stute die mich schnaubend begrüsste.
Ich schob den Riegel ihrer Box beiseite und trat neben sie. Sie schnaubte nochmals freudig und rieb ihren Kopf zutraulich an meiner Schulter.
Lächelnd streichelte ich die empfindliche Stelle zwischen ihren Augen. Langsam senkte sie den Kopf und schloss entspannt die Augen.
Nicks T-Touch Massage half ihr wirklich.
„Bist du fertig?“, ertönte Nicks Stimme vom hinteren Teil des Stallganges.
Erschrocken linste ich über die Boxentür und sah am Ende des Ganges Nick mit Spindle stehen. Spindle war schon gesattelt und gezäumt.
„Noch ein paar Minuten.“, rief ich zurück.
Ich hatte vollkommen die Zeit vergessen als ich mir Diamond geschmust habe. Schnell striegelte ich meine Stute einmal durch und entfernte ein paar Strohhalme aus ihrer Mähne.
Dann sattelte ich sie auf und zog den Sattelgurt so eng wie möglich an. Dann schob ich ihr das Gebissstück in den Mund und schloss den Kehlriemen.
„Ich bin fertig.“, sagte ich an Nick gewandt während ich Diamond aus ihrer Box führte.
„Wurde auch langsam Zeit.“, grinste er mich schelmisch an und ich grinste süffisant zurück.
Wir führten die Pferde auf den Übungsplatz, ich gurtete noch schnell nach, und dann stiegen wir auf.
Zuerst wärmten wir die Pferde im Schritt und danach im Trab auf. Dann fingen wir mit den Lektionen an, jeder übte für sich selber auf einer Hälfte des Platzes.
Nach einer korrekten Lektion Schenkelweichen, schielte ich zu Nick rüber. Was ich dort sah, liess mich erschrocken aufschreien.
Nick hatte nicht übertrieben, dass Spindle Dressur hasste. Sein Pferd hielt den Kopf hoch und rollte ängstlich mit den Augen. So hatte Nick Mühe die Zügel zu fassen und ihm blieb nichts anderes übrig, als warnend die Peitsche zu erheben.
Da er jetzt nur noch die Zügel in einer Hand hielt, nutzte Spindle die Möglichkeit und riss sich los.
Er stieg fast senkrecht in die Luft und schlug dann hart mit seinen Hufen wieder auf dem Boden auf. Kaum hatten seine Hufe den Boden berührt, stieg er noch ein zweites Mal in die Luft.
Nick konnte sich nicht mehr halten, er verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Regungslos blieb er liegen.
Dies passierte alles binnen Sekunden.
Spindle der sich wieder einigermassen beruhigt hatte, schritt zu ihm hin und schnupperte vorsichtig an Nicks Kopf und stupste diesen sanft an.
Ich liess mich mit zittrigen Beinen von Diamond gleiten, band ihre Zügel um einen Pfosten und rannte zu Nick. Als ich sah, dass sich seine Brust noch unregelmässig hob und senkte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Wenigstens atmete er noch.
„Nick.“ Ich liess mich vorsichtig neben ihm nieder.
Stöhnend richtete er sich auf und verzog das Gesicht schmerzerfüllt.
„Mein Arm.“, ächzte er.
Mein Blick wanderte zum besagten Körperteil und als ich dieses erblickte wurde mir fast übel. Der Arm war merkwürdig verdreht und an einer geröteten Stelle ragte der Knochen aus dem Fleisch.
„Bleib einfach so! Ich hole Hilfe.“, informierte ich ihn und rannte so schnell wie möglich zum Haus der Besitzerin des Reiterhofs.
Völlig ausser Atem klingelte ich Sturm.
„Nanu. Melanie, wieso so aufgeregt?“, frage mich Mrs. Counter als sie die Tür öffnete.
„Nick ist vom Pferd gestürzt und hat sich sehr schwer am Arm verletzt.“
„Ach du meine Güte!“, rief sie aus und rannte mit mir zurück zum Reitplatz.
Dort angekommen redete sie beruhigend auf Nick ein, der immer blasser im Gesicht wurde. Dann half sie ihm auf und achtete dabei, dass sie seinen Arm so gut wie möglich schonte.
„Mel, rufst du bitte den Notarzt an?“, bat Mrs. Counter mich und hielt mir ihr Mobiltelefon hin. Ich nahm es und wählte die Nummer vom Notarzt.
Dieser meldete sich und ich erklärte ihm die Situation. Er versprach sofort zu kommen und auch ein Krankenwagen vorbei zu schicken. Ich nannte ihm die Adresse und er legte auf.
„Sie schicken einen Krankenwagen und der Notarzt kommt auch.“, informierte ich die Besitzerin und gab ihr das Mobiltelefon zurück.
„Danke.“
Nach ein paar Minuten traf der Notarzt ein und wenige Sekunden später auch schon der Krankenwagen.
Der Arzt sah sich Nicks Arm an, nickte wissend und verfrachtete ihn in den Krankenwagen.
Ich drängelte mich zwischen den Sanitäter durch zu Nick.
„Hey.“, sagte ich mitleidig als ich bei ihm ankam. „Das wir schon wieder.“
„Ja das schon, es tut momentan nur sehr weh.“, antwortete er und umfasste mit der gesunden Hand die meine. Beruhigend streichelte ich mit dem Daumen über seinen Handrücken.
„Es tut mir leid aber du müsst nun raus, wir fahren ab.“, erklärte mir der Sanitäter.
Ich nickte und stieg aus dem Wagen. Dieser startete den Motor und fuhr ab.
Besorgt blickte ich denn immer kleiner werdenden Lichtern nach.
Besorgt stand ich nun alleine auf dem Parkplatz und wusste nicht wohin mit mir. Ich machte mir sehr grosse Sorgen um Nick und wollte so schnell wie möglich zu ihm.
„Melanie, kannst du Spindle und Diamond versorgen und füttern?“ Die Frage meiner Reitlehrerin erlöste mich aus meiner Starre.
„Ja, mach ich.“, antwortete ich ihr.
„Und danach gehst du am besten nach Hause.“, riet sie mir.
Ich nickte nur und setzte mich in Bewegung. Ich näherte mich langsam Spindle und er sah mich mit grossen verwirrten Augen an.
„Na komm.“, lockte ich ihn und hielt ihm eine Möhre vor die Nase.
Spindle schritt nun breitwillig auf mich zu und biss genüsslich in die Möhre. Langsam streifte ich ihm sein Halfter über.
„So, das ist ein feiner Junge.“, lobte ich ihn und gab ihm noch der Rest der Möhre zu füttern.
Spindle trottete mir mit gesenktem Kopf hinterher, so als wüsste er dass er eine Dummheit gemacht hat.
„Ist ja gut, du hast nichts falsch gemacht.“, sagte ich zärtlich zu ihm und streichelte die empfindliche Stelle zwischen seinen Augen.
Er schloss entspannt die Augen und rieb zutraulich seinen Kopf an meinen Ärmel.
Wir wurden durch das jähe Wiehern meiner Stute unterbrochen. Sie schien gar keine Freude daran zu haben, dass ich mit Spindle kuschelte und nicht mit ihr.
Ich lief mit Spindle zu ihr hin und band sie los. Ich wollte ihr lobend den Hals klopfen, doch sie drehte sich beleidigt weg.
Dies entlockte mir ein lautes Lachen.
„Was ist so lustig?“, fragte eine bekannte Stimme hinter mir und ich drehte mich verwundert um.
Was ich dort grinsend am Zaun lehnen sah, glich einer zweiten Katastrophe an diesem Tag.
„Was machst du hier?“, fragte ich Cloude abweisend und auch ein wenig neugierig.
„Das ist ja mal eine nette Begrüssung.“ Immer noch grinsend sah er mich an.
„Ich habe zu tun.“, sagte ich und machte ihm damit deutlich, dass ich nicht mit ihm reden möchte.
„Das sehe ich, aber du kannst mich ja trotzdem noch freundlich begrüssen.“ Süffisant lächelte er mich an.
„Welchen Teil von lass mich in Ruhe hast du nicht verstanden?“, herrschte ich ihn an. Langsam verlor ich die Beherrschung.
„Ganz ruhig Kratzbürste.“, Er hob unschuldig die Hände. „Ich bin nur hier um meine Tante zu besuchen.“
„Mrs. Counter ist deine Tante?“, fragte ich verblüfft. Das überraschte mich, die beiden hatten überhaupt keine Ähnlichkeit weder äusserlich noch charakterlich.
„Sie ist so gesehen meine Halbtante, sie ist die Halbschwester meiner Mutter.“, erklärte er mir.
„Ach so.“, sagte ich und untersuchte gelangweilt die Hufe meiner Stute. So fiel ich perfekt wieder in meine resignierte Rolle.
„Weisst du wo sie ist?“, wollte er von mir wissen.
„Sie ist im Haus. Aber sie hat zu tun, erst gerade ist ein Reiter verunfallt.“, informierte ich ihn.
„Das tut mir leid.“, er wirkte ehrlich betroffen. „Kennst du ihn?“
„ Ja, er ist ein guter Freund von mir.“, sagte ich mit einem Kloss im Hals, weil die Sorge und Angst um Nick sich wieder in meinem Magen breit machte.
„Ich hoffe es geht ihm bald besser.“
„Ja das hoffe ich auch.“, sagte ich und schenkte ihm ein kleines Lächeln.
Ich wollte mich gerade umdrehen und die Pferde versorgen als er mich am Arm zurückhielt.
Zu meiner Überraschung passierte gar nichts. Ich spürte kein Kribbeln im Bauch, bekam auch keine weichen Knie und mein Herz fing auch nicht an wie wild zu pochen.
Meine sonstige Reaktion auf ihn blieb aus und ich deutete dies als ein sehr gutes Zeichen.
„Du, können wir reden?“, fragte er mich schüchtern und die ganze coole Fassade bröckelte langsam von ihm ab.
„Klar, ich muss nebenbei einfach die Pferde versorgen“
Ich ging mit den Pferden voraus und brachte zuerst Spindle in seine Box und dann Diamond.
„Also, über was willst du reden?“, fragte ich Cloude während ich den Sattel von Spindle Rücken hievte.
„Ich wollte mich noch bei dir entschuldigen.“, fing er an während er auf dem Weg zur Sattelkammer neben mir herlief.
Dort angekommen legte ich den Sattel auf den Bock und deckte ihn zu, damit er keinen Staub abbekam.
Um noch keine Antwort geben zu müssen griff ich nach einem Apfel und machte mich auf dem Weg zurück zu Spindle. Cloude trottete mit gesenktem Kopf neben mir her.
„Entschuldig angenommen.“, sagte ich schliesslich als wir bei Spindle angekommen sind und ich ihm den Apfel verfütterte.
Ich klopfte ihm noch einmal auf den Hals und verliess dann seine Box. Nun war Diamond an der Reihe, ich sattelte sie ab, versorgte den Sattel und verfütterte ihr anschliessend noch einen Apfel.
Cloude begleite mich stumm.
Schliesslich als ich die Boxentür meiner Stute schloss machte er den Mund auf.
„Ich wollte dich nie verletzten und ich wollte mich einfach nochmals entschuldigen bevor ich weg gehe.“
„Du gehst weg?“, fragte ich wie vor den Kopf gestossen.
„Ja ich habe ein Sportstipendium auf einer Skispringschule in Alaska bekommen. Ich reise dieses Wochenende noch ab.“ Betreten sah er mich an.
„In diesem Fall, wünsche ich dir alles Gute und viel Spass in Alaska.“, wünschte ich ihm.
„Danke.“, sagte er und trat langsam auf mich zu.
Cloude legte seine Arme um mich und zog mich vorsichtig an sich. Auch hier blieb meine Reaktion aus. Ich spürte keine zitternde Knie oder keine klopfendes Herz und ich fühlte mich auch nicht mehr geborgen in seinen Armen, es war eher unangenehm.
Als er mich losliess und umdrehte passierte etwas in mir. Tief in mir löste sich etwas und gab mich frei. Die ganzen Gefühle, die ich geglaubt hatte für ihn zu haben, lösten sich einfach auf und was blieb war ein starkes und unbeschreibliches Gefühl.
Ich war keine Gefangene mehr seines Spiels, ich war meine eigene Spielfigur. Ich war frei.
Mit diesem unbeschreiblichem Gefühl lief ich zum Abstellplatz und suchte mein Fahrrad. Aber ich fand dieses nirgends.
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, Mason hatte mich und Nick ja hergefahren, das hiess ich musste den Bus nehmen.
Immer noch gut gelaunt lief ich zu der Bushaltestelle, die ungefähr fünf Minuten vom Stall entfernt lag.
Ich kam gerade rechtzeitig und erwischte der Bus noch bevor er abfuhr. Ich fuhr sechs Stationen und stieg dann bei meiner Haltestelle aus.
Beschwingt lief ich die kurze Strecke nach Hause. Dort angekommen wollte ich gerade die Haustür aufstossen als diese von Innen aufgezogen wurde.
Meine Mutter kam heraus und hielt überrascht inne als sie mich sah.
„Nanu Melanie, bist du so früh schon zu Hause?“, fragte sie mich.
„Ja. Im Stall gab es einen Unfall.“, informiere ich meine Mum.
„Ach du liebe Güte.“ Sie runzelte besorgt die Stirn.
„Wohin gehst du?“, frage ich sie.
„Ins Krankenhaus, ich habe einen Untersuch beim Frauenarzt.“, sagte sie und legte zärtlich die Hand auf ihren Bauch, der schon eine kleine Wölbung aufzeigte.
Ich betrachtete sie lächelnd, sie sah richtig glücklich aus.
Plötzlich hatte ich eine Idee.
„Darf ich mitkommen?“, fragte ich meine Mum aufgeregt.
„Von mir aus.“, antwortete sie überrascht.
„Ich ziehe mich schnell um.“, sagte ich und düste in die Wohnung.
Ich stiess meine Zimmertür auf und schmiss meine Reitstiefel in die Ecke. Mum würde wieder schimpfen, wenn sie das sieht aber ich hatte jetzt keine Zeit.
Ich schlüpfte aus meinen Reithosen und streifte mit das T-Shirt vom Kopf.
Ich öffnete meinen Schrank und entschied mich für meine schwarzen Jeans und das rote Top, das eine Schulter frei liess.
Ich kämmte mir noch schnell meine langen Haare durch und dann sprintete ich die Treppe hinunter zu meiner Mutter, die schon ungeduldig auf mich wartete.
„Mum, können wir noch schnell beim Reitstall vorbei schauen?“, fragte ich meine Mum als mir die zweite geniale Idee an diesem Tag durch den Kopf schoss.
„Melanie. Muss das sein? Ich komme noch zu spät zu meinem Termin.“, erwiderte meine Mutter genervt.
„Bitte Mum. Es ist wirklich wichtig.“, quengelte ich und schliesslich gab sie seufzend nach und fuhr auf den Hof.
„Du hast zehn Minuten Zeit, nachher fahre ich ab.“, informierte sie mich.
„Ist klar.“ Mit diesen Worten sprang ich aus dem Auto.
Ich hatte die Idee, wenn meine Mum schon ins Krankenhaus fährt, konnte ich ja Nick besuchen und ihn ein bisschen aufmuntern. Und ich wollte ihm noch ein Foto von Spindle vorbeibringen, das würde ihm sicher gefallen.
Ich lief zu Spindelberrys Box, doch diese war leer.
„Wo sind denn die Pferde?“, fragte ich Mrs. Counter, die gerade aus der Futterkammer kam.
„Auf der Weide.“, informierte sie mich und ich sprintete los.
Zu meiner Erleichterung waren Spindle und Diamond direkt beim Eingang.
Ich sprang über den Zaun und lockte die beiden mit Schnalzen und Pfeifen zu mir heran. Beide Pferde kamen freudig auf mich zugetrabt ich lobte sie lächelnd.
Ich holte mein Smartphone heraus und blickte mich suchend nach einem geeigneten Fotographen um.
Als ein Spaziergänger mit seinem Hund vorbeikam, fragte ich ob er nicht schnell ein Foto von mir und den zwei Pferden schiessen könnte.
Dieser nickte und ich übergab ihm mein Handy. Ich trat zu den beiden Pferden und positionierte mich so, dass Spindleberrys Kopf auf meiner einen und Diamonds Kopf auf meiner anderen Schulter lag.
„Und lächeln!“, sagte der Spaziergänger und blickte lächelnd in die Kamera.
„Hier bitteschön.“, sagte er und übergab mir das Hady.
„Vielen Dank.“, sagte ich und rannte zum Auto meiner Mutter.
Völlig ausser Atem liess ich mich auf den Begleitersitz fallen und schaute auf die Uhr.
„Neun Minuten.“, sagte ich und grinste meine Mutter triumphierend an.
Sie schnaubte nur und fuhr los. Den Rest der Fahrt schwiegen wir, doch es war kein unangenehmes Schweigen, jeder war einfach nur in seinen eigenen Gedanken versunken.
„Wir sind da.“, informierte mich meine Mum und ich schaute aus dem Fenster. Das Krankenhaus war von einer roten Ziegelfarbe und sah nicht sehr einladend aus aber welches Krankenhaus tat das schon.
Ich stieg aus dem Auto und merkte, dass ein leichter Nieselregen eingesetzt hatte. Zügig, damit wir nicht nass wurden, liefen wir zum Eingang.
Meine Mutter steuerte sofort die Geburtsabteilung an. Ich hielt sie am Ärmel fest.
„Mum, ich gehe Nick besuch ist das in Ordnung für dich?“, fragte ich sie.
„Ist das dein Freund, der gestürzt ist?“ Sie klang mitleidig.
„Ja, das ist der.“, antwortete ich.
„Klar mein Schatz, kein Problem. Wir treffen uns wieder in einer Stunde hier beim Eingang.“
„Danke bis später.“, sagte ich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
Ich lief zum Empfang und stellte mich vor.
„Hallo, ich bin Melanie Parker. Ich bin eine Freundin von Nick Baker. Kann ich zu ihm?“, fragte ich die Empfangsdame freundlich.
„Einen kleinen Moment.“, bat sie.
Während sie etwas in den Computer tippte wartete ich und starrte die bunte Wand hinter ihr an. Sie war mit Zeichnungen von kleinen Kindern übersäht auf den allen ein Dankeschön oder einen lieben Gruss stand.
Ich lächelte, es war sicher schöne für die Kinder wenn sie endlich nach einer Krankheit oder einem Unfall wieder nach Hause dürfen.
„Nick Baker liegt im Zimmer 201.“, gab mit die Frau Auskunft. „Sie können direkt mit dem Lift in den zweiten Stock fahren.“
„Vielen Dank für die Auskunft.“, bedankte ich mich und lief zum Fahrstuhl.
Ungeduldig drückte ich den Knopf bis sich die Türe endlich öffnete. Ich drückte im Fahrstuhl die Nummer zwei und ich fuhr mit einem kleinen Ruck nach oben.
Die Tür öffnete sich und als erstes schlug mir der typische Krankenhausduft entgegen. Ich verzog das Gesicht, ich hasste diesen Geruch.
Nach zwei bis drei Atemzüge hatte ich mich daran gewöhnt und ich trat aus dem Fahrstuhl. Auf dem ganzen Stock liefen beschäftigte Krankenschwestern hin und her. Alle mintgrün gekleidet ganz typisch für das Krankenhaus.
Nick Zimmer lag ganz hinten im Gang. Ich blieb vor der Tür stehen und klopfte zögernd.
„Herein!“, erklang die Stimme von Nick und ich drückte die Türklinke hinunter.
„Hallo.“, lächelnd trat ich in das Zimmer und sah Nick mit einem Verband um den Arm im Bett liegen.
„Mel?“, fragte er und schaute mich verwirrt an.
„Ich dachte ich komme dich besuchen.“, erklärte ich ihm und mein Lächeln verschwand langsam. „Ist es gerade ungünstig?“
„Aber nein. Ich freue mich, dass du gekommen bist.“, sagte er und ein Strahlen ging über sein Gesicht.
Ich trat an sein Bett und schaute mich unschlüssig nach einem Stuhl um, doch es gab keinen.
„Setz dich einfach auf die Bettkante.“, schlug Nick mir lächelnd vor.
Ich befolgte seinen Rat und setzte mich auf die weiche Decke.
Nick sah nicht schlecht aus. Er hatte eine graue Trainerhose und ein schwarzes Shirt an. Seine Haare waren noch ein bisschen verschwitzt aber das sah süss aus.
„Wie geht es dir?“, fragte ich ihn.
„Mein Arm ist gebrochen. Die Ärzte haben mich vor kurzem eine halbe Stunde lang operiert und ich fühle mich noch ein bisschen benommen von der Narkose.“, gestand er.
„Das ist verständlich.“
„Am Anfang dachte ich du seist eine Halluzination, die die Medikamente hervorriefen.“, lachte er los.
Ich stimmte ihn sein fröhliches Lachen ein.
„Aber hast du keine Schmerzen?“, fragte ich.
„Nein, ich habe Schmerzmittel bekommen.“
„Und wo ist dein Vater?“, fragte ich weiter.
„Der ist noch bei der Arbeit, das Krankenhaus hat ihn noch nicht erreicht.“
„Und…“, wollte ich zur nächsten Frage ansetzten, als mir Nick seinen Finger auf meine leicht geöffneten Lippen hielt.
Sofort verstummte ich und spürte ein angenehmes Kribbeln in meiner Bauchgegend.
„Bitte Mel. Stell nicht so viele Fragen. Ich fühle mich wie in einem Verhör.“ Er sah mich gespielt anklagend an.
„Tut mir leid, ich habe mir einfach so viele Sorgen um dich gemacht.“, gestand ich verlegen und ich spürte wie meine Wangen sich leicht röteten.
„Das ist sehr süss von dir.“ Auch Nick schien verlegen zu werden.
„Ich habe etwas für dich.“, sagte ich um die aufkommende peinliche Stille zu unterdrücken.
„Was?“, neugierig sah er mich an.
Ich holte mein Handy heraus und hielt ihm das Foto, das ich vorhin gemacht habe, hin.
„Ach ist das süss.“, sagte er während er das Foto betrachtete.
„Ja finde ich auch.“ Ich grinste ihn an. „Und Spindle sieht immer noch schuldbewusst aus, ich musste ihm zwei Äpfel verfüttern und mindestens dreimal sagen, dass es nicht seine Schuld war.“
„Das kann ich mir vorstellen, dass er sich Schuldgefühle macht. Das ist typisch Spindle.“, stöhnte Nick. „Aber es ist wirklich nicht seine Schuld, ich hätte mit ihm einfach nicht Dressur machen sollen.“
„Hat er dann schlechte Erfahrungen damit?“, fragte ich ihn.
„Ja, als ich in den Sommerferien für einen Monat verreiste, habe ich ihn einer Kollegin zur Obhut gegeben. Doch diese ist den ganzen Tag mit ihm nur Dressur geritten und hat auch oft die Sporen und Peitsche eingesetzte, was er natürlich überhaupt nicht toll fand. Seither hasst er Dressur, weil es ihn an die Schmerzen und die Qual erinnert.“
„Das ist ja schrecklich. Wieso hast du mir das denn nicht erzählt“, fragte ich geschockt. „Dann ist es meine Schuld, ich hätte dich nicht überreden dürfen.
„Mel, es ist nicht deine Schuld.“, sagte er und drückte sanft meine Hand. „Ich weiss nicht warum ich es dir nicht erzählt habe, ich denke ich wollte es einfach versuchen. Ich hatte die Hoffnung, dass es sich gebessert hat.“
Bei seiner Berührung setzte ein angenehmes Kribbeln in meinem Bauch ein und mein Herz schlug plötzlich ein paar Takte schneller.
Seine wunderschönen grünen Augen blickten in meine und ich drohte in ihnen zu versinken. Verlegen senkte ich meine Augen, wodurch sich eine Haarsträhne löste und mir über die Schulter fiel.
Nick setzte sich auf, streckte seine Hand aus und strich mir die Haarsträhne wieder hinter mein Ohr.
Seine Hand verweilte in meinem Nacken und er zog mich mit kaum merklichem Druck zu sich heran.
Mein Blick wanderte von seinen perfekt geschwungen Lippen wieder hinauf zu seinen klaren Augen.
Als unsere Gesichter nur noch ein paar Zentimeter voneinander entfernt waren, klopfte es plötzlich an der Tür.
Erschrocken sprangen wir auseinander. Nick liess sich wieder ein sein Kissen zurück gleiten und räusperte sich.
„Herein.“, sagte er.
Die Tür ging auf und eine Krankenschwester trat ins Zimmer.
„Ach, du hast Besucht.“ Sie lächelte mich an.
„Ja, das ist Melanie. Meine… Eine sehr gute Freundin.“, stotterte er verlegen und seine Wangen färbten sich leicht rosa.
„Schön wenn man Besuch hat. Freut mich dich kennenzulernen.“, sagte die Krankenschwester an mich gewandt.
„Gibt es Neuigkeiten betreffend meines Vaters?“, fragte Nick sie.
„Nein tut mir leid. Wir haben ihn noch nicht erreicht.“, gab sie ihm Antwort während sie ihm die Infusion herauszog und auf den kleinen blutenden Stich eine Gaze presste.
„So fertig. Nun musst du noch ein paar Stunden hierbleiben, damit du keine Nebenwirkungen auf die Narkose zeigt und dann darfst du auch bald schon nach Hause.“ Mit diesen Worten verliess sie das Zimmer und wir waren wieder allein.
Ich spürte Nicks Blick auf mir, doch ich wich diesem geschickt aus.
„Kannst du mir noch das Foto schicken“, fragte mich Nick in die peinliche Stille hinein.
„Ja klar, ich brauche sowieso noch deine Nummer, damit wir uns zum Reiten verabreden können.“, sagte ich und kramte mein Handy hervor.
Ich gab es ihm und er tippte seine Nummer hinein. Anschliessend gab er es mir wieder zurück und ich sendete ihm das Bild.
„Danke.“, sagte er und sah mich lächelnd an.
„Gern geschehen.“ Ich lächelte zurück.
„Bist du extra meinetwegen ins Krankenhaus gefahren?“, fragte mich Nick schliesslich.
„Nein, meine Mutter musste sowieso herkommen wegen ihrem Baby und da dachte ich, ich fahre mit und besuche dich.“, antwortete ich ihm.
„Das ist wirklich unglaublich süss von dir, dass du gekommen bist.“ Er richtete sich auf und rückte mir einen sanften Kuss auf die Wange.
„Das war doch…klar… Wenn… meine Mutter… schon fährt.“, stotterte ich verlegen, während sich meine Wangen rot färbten.
Dort wo seine Lippen mich berührt hatten, brannte meine Haut wie Feuer.
„Ich finde das nicht selbstverständlich, dass du gekommen bist.“, beharrte er und seine grünen Augen strahlten mich intensiv an.
Wie ich diese Augen durcheinanderbringen konnten.
Ich war gefangen in seinem intensiven Blick und es war mir unmöglich die Augen abzuwenden. Dazu kam, dass sich das Kribbeln im meinem Bauch immer mehr verstärkte und meine Herz schlug schnell und kraftvoll in meiner Brust.
Es war ein sehr angenehmes Gefühl. Wenn ich ihn seine Augen blickte, fühlte ich mich geborgen und vollkommen verstanden.
„Ach du meine Güte.“, rief ich aus als ich wieder auf die Uhr blickte.
Es war schon über eine Stunde vergangen, seit ich gekommen bin. Wir haben noch lange gequatscht und es war erstaunlich, dass uns die Gesprächsthemen nicht ausgingen.
Aber mit Nick konnte man wirklich über alles reden und dabei wurde es auch nie langweilig.
„Was ist denn los?“ Nick sah mich verwundert an.
„Ich muss los meine Mutter ist wahrscheinlich schon seit einer viertel Stunde am Warten.“, sagte ich schuldbewusst und packte eilig meine Sachen zusammen.
„Na dann würde ich mich jetzt beeilen.“ Er grinste mich schelmisch an, er wüsste genau wie er mich provozieren konnte.
Aber was er konnte, konnte ich schon lange.
„Sei still!“, sagte ich gespielt beleidigt. „Das ist alles nur deine Schuld.“
„Wieso ist es meine Schuld?“, sein Grinsen entglitt ihm.
„Das war nur ein Scherz.“ Ich lachte laut los als ich sein beleidigtes Gesicht sah.
„Das war unfair gespielt.“, meinte er während ich ihn meine Jacke schlüpfte.
„Tut mir leid, du hast es mir einfach zu leicht gemacht.“ Ich grinste ihn an.
Ich schnappte mir meine Handtasche und drückte dem verdutzten Nick einen Kuss auf die Wange.
„Tschüss. Wir schreiben.“ Mit diesen Worten verabschiedete ich mich und zog die Tür hinter mir zu.
Eilig lief ich zum Fahrstuhl und drückte ungeduldig den Knopf. Hoffentlich hatte der Termin meiner Mutter ein bisschen länger gedauert.
Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich und ich drückte den passenden Knopf für das Erdgeschoss. Viel zu langsam fuhr der Lift die zwei Stockwerke herunter.
Endlich öffneten sich die Türen und ich eilte zum Empfang. Auf dem Weg dorthin traf ich meine Mutter, die auch im Stress zu sein schien.
„Mum?“, fragte ich und sie drehte sich zu mir herum.
„Melanie? Bist du auch gerade erst gekommen?“ Sie klang ausser Atem.
Ich bejahte.
„Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht so einen Stress gehabt.“
„Du auch?“, fragte ich sie und wir lachten beide schallend los.
Wir traten aus dem Krankenhaus an die angenehme warme Luft.
Plötzlich hörte ich eine männliche Stimme meinen Namen rufen. Ich drehte mich um und sah Mason, Nicks Vater, auf mich zukommen.
„Hallo Mason.“, begrüsste ich ihn.
„Warst du gerade bei Nick?“, fragte er mich gestresst.
„Ja, ich habe ihn besucht. Ach und das ist übrigens meine Mutter.“, stellte ich die beiden vor.
Meine Mum musterte Mason zuerst ein wenig erschrocken aber als er ihr lächelnd seine Hand anbot und sich vorstellte, verflogen ihre Zweifeln und auch über ihr Gesicht ging ein Lächeln.
„Sie sind also der Vater dieses armen verletzten Jungen. Melanie hat mir schon davon erzählt.“
„Wir können uns doch duzen. Ich bin Mason“
„Ich bin Sally.“ Meine Mutter lächelte Mason freundlich an.
„Ich muss leider weiter zu meinen Sohn aber wir werden uns bestimmt noch sehen.“, verabschiedete sich Mason und eilte zum Empfang.
„Was für ein freundlicher Mann.“, empfand meine Mutter als wir beim Auto angekommen waren.
Ich schnallte mich an und lehnte mich entspannt im Sitz zurück. Meine Mutter stellte das Radio ein und fuhr los. Ich schloss die Augen und hörte verträumt die Musik.
„Wir sind zu Hause“, sanft rüttelte meine Mum mich wach.
„Bin ich eingeschlafen?“, fragte ich verschlafen und rieb mir die Augen.
„Ja.“ Meine Mutter schmunzelte.
Ich unterdrückte ein Gähnen und stieg aus dem Auto. Zuerst streckte ich mich ausgiebig und trottete dann hinter meiner Mutter in die Wohnung.
Mein Vater war schon zu Hause und hatte für uns Lasagne gekocht.
Mit knurrendem Magen setzte ich mich an den Tisch und mein Vater servierte uns die noch heisse Lasagne.
„Wie war es beim Frauenarzt?“, fragte mein Vater neugierig.
„Ganz gut. Unser Baby entwickelt sich prächtig.“, antwortete meine Mutter.
Verliebt sahen sie sich in die Augen.
Ich musste grinsen, meine Eltern benahmen sich wie frisch verliebte Teenager.
Als wir fertig gegessen hatten, zog ich mich in mein Zimmer zurück mit dem Gedanken wieder einmal ein Buch zu lesen.
Ich wählte „Seelen“ aus, dieses Buch hatte ich schon lange nicht mehr gelesen. Ich kuschelte mich unter die Decke und schlug die erste Seite auf.
Doch nach kaum fünf Minuten meldete sich mein Handy mit einer neuen Nachricht.
Seufzend wickelte ich mich aus meiner Decke und holte mein Handy, das auf meinem Schreibtisch lag. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht stellte ich fest, dass die Nachricht von Nick kam.
Ich öffnete diese:
„Hey Mel. Ich bin nun endlich auch zu Hause angekommen und bin immer noch ein wenig müde von den Medikamenten. Sonst geht es mir gut und ich geniesse es so viel fernzusehen wie ich möchte ;)
Ich fand es schön, dass du mich heute besuchen kamst und ich hoffe bis bald wieder!“
Ich kuschelte mich wieder in mein Bett und schrieb ihm zurück:
„Hey Nick. Schön dass es dir besser geht. Fand ich auch, ich komme dich gern in nächster Zeit wieder einmal besuchen ;) Ich liege gerade im Bett und lese ein Buch, also auch ich habe einen gemütlichen Abend ohne Stress. Ich hoffe du wirst bald gesund und bis bald.“
Mit einem wohligen Glücksgefühl im Magen schloss ich die Augen und ein paar Sekunden später war ich eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wurde ich von den Sonnenstrahlen geweckt, die durch den Spalt meiner Vorhänge hinein schienen.
Verschlafen rieb ich mir die Augen und sah auf die Uhr. Es war zehn Uhr morgens, ich hatte ganze elf Stunden geschlafen.
Voller Vorfreude, dass heute Wochenende war, hüpfte ich aus dem Bett. Ich schlüpfte in meine bequemen Trainerhosen und zog mir mein Lieblingspullover über.
Gut gelaunt sprang ich die Treppe hinunter und sah auf Tisch eine Notiz von meinen Eltern liegen auf der es hiess, dass sie einen Tagesausflug machten und erst wieder am Abend zurückkommen werden.
Der Tag wurde immer besser. Pfeifend holte ich eine Pfanne aus dem Schrank und breitete mir ein Rührei vor.
Während es in der Pfanne brutzelte warf ich einen Blick auf mein Handy. Ich hatte einen verpassten Anruf von Lucy und einen von Serena. Ich wählte zuerst Lucys Nummer und nach dem dritten Klingeln meldete sie sich.
„Mel?“, nahm sie ab.
„Hallo Lucy. Du hast mich kürzlich angerufen?“, fragte ich sie.
„Ja. Ich wollte dich fragen, wie es dir so geht mit der ganzen Situation wegen Cloude und dem AFA-Code.“ Ihre Stimme klang mitfühlend.
„Ehrlich gesagt geht es mir gut.“, sagte ich glücklich und erzählte ihr die ganze Geschichte von unserem Gespräch bis hin zu unserer Verabschiedung und was ich dabei gefühlt habe. „Ich habe richtig gemerkt, dass es von mir abfällt.“, erklärte ich ihr aufgeregt.
„Das ist ja genial, dass du über ihn hinweg bist und es ist nur recht, dass er das Sportstipendium gekriegt hat. So hast du Ruhe vor ihm.“, freute Lucy sich für mich.
„Ja das dachte ich auch.“, stimmte ich ihr zu.
„Das sind ja geniale Neuigkeiten, du ich muss jetzt aber leider auch schon wieder Schluss machen, da wir heute mit Shadow an ein Turnier fahren.“, erzählte sie aufgeregt.
„Dann wünsche ich euch viel Glück und ihr packt das schon.“, wünschte ich ihr.
Ich konnte ihre Nervosität verstehen, ich war auch vor jedem Turnier aufgeregt.
„Danke und wir telefonieren bald wieder.“ Mit diesen Worten legte sie auf.
Ich beschloss zuerst zu frühstücken und dann Serena zurück zu rufen.
Gierig schlang ich mein Essen hinunter und spülte mit einem Glas Wasser nach.
Als ich fertig war, wählte ich die Nummer meiner besten Freundin. Sie meldete sich schon nach dem ersten Klingen.
„Mel, gut dass du zurückrufst.“, begrüsste sie mich stürmisch.
„Ist doch klar. Was ist denn los?“, fragte ich sie.
„Ich habe dich gestern nach dem Unterricht gar nicht mehr gesehen, da dachte ich, dass ich dir es nun per Telefon erzähle.“, sagte sie.
„Ja erzähl du einmal deine Geschichte, ich muss dir nachher auch noch etwas wegen Cloude erzählen.“, informierte ich sie.
„Ja also gestern im Unterricht musste ich neben Marc sitzen und mit ihm das Vorstellungsgespräch üben.“ Ich konnte an ihrer Stimme anhören, dass sie die Augen verdrehte. Ich konnte es mir schon fast bildlich vorstellen wie sie mit ihren braunen Augen rollte.
Die Vorstellung liess mich schmunzeln.
„Er hat die ganze Zeit einen blöden Spruch nach dem anderen gerissen“, erzählte sie genervt weiter. „Aber das tut nichts zur Sache. Weil nachdem wir fertig waren und ich meine Sachen zusammenpacken wollte ist mir eingefallen, dass ich noch meinen Stift im Computerzimmer vergessen habe. Marc war natürlich schon weg. Ich wollte also meinen Stift holen, als ich sah dass die Tür zum Computerzimmer nur angelehnt war. Ich schaute durch den Spalt und was sah ich?“, fragte sie mich kichernd.
„Ich weiss nicht was du gesehen hast.“, antwortete ich amüsiert.
„Marc und Mandy wie sie sich KÜSSTEN!“, liess sie die Bombe platzen.
„Was?“, schrie ich in den Hörer.
„Ja, die haben etwas miteinander. Das war Schicksal sag ich dir.“, lachte sie los.
Ich stimmte in ihr Lachen ein. Die beiden passten wirklich zusammen, beide waren egoistisch und nur auf sich selbst fixiert.
„Und was wolltest du mir wegen Cloude erzählen?“, fragte mich Serena als wir uns wieder beruhigt hatten.
Wie vorher Lucy erzählte ich ihr die ganze Geschichte und mein Erfolgserlebnis.
„Das ist ja super.“, wie auch Lucy war Serena aus dem Häuschen. „Du hast sowieso jemand Besseres verdient, den wirst du sicher bald finden.“
„Ja.“ Ich grinste in mich hinein, vielleicht habe ich diesen schon gefunden.
„Also du ich muss Schluss machen, meine Mutter ruft zum Frühstück.“, verabschiedete sich Serena.
„Tschüss bis am Montag.“ Mit diesen Worten legte ich auf.
Ich war mir gerade am überlegen, was ich nun tun wollte als zum dritten Mal an diesem Tag mein Handy klingelte. Es war Nick.
„Aller guten Dinge sind drei.“, murmelte ich erfreut und nahm den Anruf entgegen.
„Hallo Nick.“, sagte ich.
„Hey Mel. Wie geht es dir?“, fragte mich die Stimme von Nick.
„Gut und dir?“, erwiderte ich.
„Auch. Ich bin nicht mehr so benommen von den Medikamenten.“ Ein raues Lachen erklang aus dem Hörer. „Sag mal, hast du heute schon etwas vor?“, fragte er mich und ein nervöser Unterton schlich sich in seine Stimme.
„Nein, ich habe noch nicht geplant.“, antwortete ich. „Wieso?“
„Mein Vater und meine Mutter sind heute an so einem Kurs und ich wollte fragen, ob du vorbeikommen möchtest. Wir könnten Pizza bestellen und Filme schauen.“, schlug Nick vor.
„Ja klar, das hört sich nach einer Menge Spass an. Ich komme gerne.“, sagte ich freudig zu.
„Weisst du wie du zu mir kommst?“, fragte er mich und ich verneinte. „Du nimmst einfach den Bus an den Bahnhof und von dort her die Linie 842 und steigst bei der dritten Haltestelle aus. Dort komme ich dich abholen.“
„Gut, dann mache ich mich auf den Weg und bin einer halben Stunde bei dir.“
„Tschüss. Ich freue mich.“, sagte er.
„Ich mich auch. Bis nachher.“ Ich legte auf.
Voller Vorfreude lief ich eilig die Treppe hinauf, entkleidete mich und stieg unter die warme Dusche. Ich seifte mich mit meinem Douche-Gel ein und der vertraute Geruch nach Kokosnuss umhüllte mich.
Nach gründlichem Abwaschen, stieg ich aus der Dusche und wickelte mir ein Handtuch um meinen Körper.
Ich tapste Barfuss in mein Zimmer und cremte mich noch schnell ein. Nun stand ich vor dem Kleiderschrank mit der schweren Entscheidung, was ich anzog.
Ich entschied mich für meine hellblaue Lieblingsjeans und ein schwarzes Shirt, dass eine meiner Schultern freiliess. Dazu noch eine silberne Kette und das Outfit war perfekt.
Ich schminke mich noch schnell über und dann schnappte ich mir auch schon meine Tasche und verliess das Haus.
Ich schaute auf die Zeit und erschrak, ich hatte noch drei Minuten bis mein Bus fuhr. Fluchend rannte ich los.
Ich erwischte knapp noch den Bus. Ausser Atem liess ich mich auf einen freien Platz gleiten, steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und gab mich entspannt der Musik hin.
Am Bahnhof stieg ich um und ein paar Minuten später erreichte ich auch schon die dritte Station. Ich stieg mir ein paar anderen Leuten aus und der Bus fuhr weiter.
Suchend blickte ich mich um und entdeckte Nick, der beim Wartehäuschen auf mich wartete.
Er sah gut aus. Er trug eine schwarze Jeans und ein grünes T-Shirt, das seine Augen betonte.
„Hey.“, begrüsste er mich grinsend als ich bei ihm angekommen bin.
Er legte vorsichtig die Arme um meine Taille und zog mich sanft an sich. Ich legte meine Arme um seinen Hals und schmiegte mich an ihn.
Als er mich so umarmte, merkte ich wie nahe wir uns waren und wie sehr ich ihm vertraute. Bei ihm konnte ich einfach ich selbst sein und musste mich nicht verstellen.
Ich merkte, dass meine Gefühle für ihn immer intensiver wurden und das verwirrte mich.
Viel zu früh liess er mich wieder los und strahlte mich an.
„Schön, dass du gekommen bist.“, sagte er und wir setzten uns in Bewegung.
„Ist doch klar.“ Ich lächelte ihn an.
Plaudernd liefen wir nebeneinander her bis er schliesslich vor einem gelben Haus stehen blieb. Nick holte einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und schloss die Tür auf.
„So, hier wären wir.“, sagte er und ich trat neugierig ein.
Das Haus war sehr hell und modern eingerichtet aber es erschien nicht kalt sondern gemütlich.
Nick schloss die Tür wieder ab und ich folgte ihm ins Wohnzimmer. Das Erste, was mir auffiel, war das schwarze Ledersofa und der riesige Flachbildfernseher. Staunend blickte ich mich um.
Nick hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht und klopfte einladen neben sich. Schmunzeln liess ich mich auf den von ihm zugewiesen Platz gleiten und kuschelte mich ins Sofa hinein.
„Dieses Sofa ist ja weich.“, stellte ich erstaunt fest.
„Ja, richtig gemütlich.“ Nick lächelte mich an. „Was für einen Film möchtest du schauen?“
„Welche habt ihr denn?“, fragte ich ihn und er stand auf um die Filme zu holen.
„Ich habe ein paar rausgesucht, die dir gefallen könnten.“, rief er mir über die Schulter zu und ging zu einen Stapel mit Filmen.
Diesen Stapel brachte er zu mir und breitete die Filme auf dem Sofa aus. Einer stach mir sofort ins Auge.
„Können wir Atemlos schauen?“, fragte ich ihn aufgeregt.
„Klar ich mag diesen Film und wenn dieser fertig ist, wählen wir den zweiten aus.“, grinste er mich an.
„Oh ja.“ Ich nickte begeistert.
Er schob den Film in den Recorder und die Filmmusik erklang. Nick setzte sich wieder neben mich und ich merke, dass er sich näher zu mir hin gesetzt hatte.
Entspannt lehnte ich mich zurück, so dass sich unsere Schultern leicht berührten.
„Mel.“, hörte ich Nicks zärtliche Stimme neben mir und ich öffnete verwirrt meine Augen.
Ich schaute in seine wunderschönen grünen Augen, die mich intensiv anstrahlten.
Ich merkte, dass ich auf etwas Weichen lag und ein vertrauter Duft umgab mich.
Ich musste wohl eingeschlafen sein und während ich geschlafen habe, ist mein Kopf auf Nicks Schulter gerutscht.
„Entschuldigung.“, sagte ich während ich mich aufrichtete.
„Macht doch nichts. Ich fand dich süss als du geschlafen hast.“, antwortete er und seine Augen leuchteten noch intensiver.
Würde ich nicht schon sitzen, müsste ich es spätestens jetzt tun, denn seine strahlenden Augen verwandelten meine Beine in Pudding.
Ich senkte den Kopf und eine leichte Röte überzog meine Wangen.
Ich spürte wie Nick mein Kinn anhob, so dass ich ihn ansehen musste. Nur diese kleine Berührung verursachte pure Gänsehaut an meinem ganzen Körper.
„Hast du kalt?“, fragte Nick entgeistert als er meine Gänsehaut sah. „Warte ich hole dir eine Decke.“
Ihm entging rein gar nichts.
Er stand vom Sofa aus und lief die Treppe hinauf. Lächelnd blickte ich ihm nach, er war richtig fürsorglich, das mochte ich so an ihm.
„Danke.“, sagte ich als er die Decke über meine Schulter ausbreitete. „Aber eigentlich ist die Decke nicht der Grund warum ich Gänsehaut habe.“, wagte ich mich mutig vor.
„Was ist dann der Grund? Ist dir der Film zu gruselig?“, fragte Nick besorgt und streichelte mir sanft die Wange. „Du musst keine Angst haben. Ich bin ja bei dir.“
„Das ist auch nicht der Grund.“, fing ich an zu stottern und ich senkte verlegen mein Blick.
So schnell wie mein Mut kam, so schnell verzog er sich au wieder.
„Süsse was ist dann der Grund?“ Nicks Stimme zitterte auch ein wenig als er mir einen Kosenamen gab.
„Du.“, flüsterte ich mit klopfendem Herzen.
„Ich?“ Seine Stimme klang hoffnungsvoll und ich wagte es ihn anzuschauen.
Was ich sah, liess mir den Atem stocken.
Nicks Augen strahlten eine Wärme aus, wie ich es noch nie gesehen habe. Sein Mund war leicht geöffneten was ihm einen erstaunten Ausdruck verlieh.
Ich war in den Bann gezogen von ihm und konnte meinen Blick nicht mehr von ihm abwenden. Ihm ging es anscheinend genauso, denn unsere Blicke verschmolzen miteinander.
Andächtig streckte Nick seine Hand aus um meine Wange ein zweites Mal zu berühren. Ein angenehmes Kribbeln machte sich in meiner Bauchgegend breit.
Seine Hand wanderte kraulend zu meinem Nacken und er zog mich langsam zu sich heran während er sich gleichzeitig zu mir beugte.
Sanft berührten sich unsere Lippen und ich spürte wie in meinem Bauch 1000 Schmetterlinge schlüpften.
Harmonisch bewegten sich unsere Lippen miteinander und ich schlang meine Arme um seinen Hals.
Nick fuhr sachte mit seiner Zungenspitze über meine leicht geöffneten Lippen und ich gewährte ihr Einlass. Unsere Zungen berührten sich uns spielten miteinander.
Nicks andere Hand wanderte zu meiner Hüfte und presste meinen Körper engen an den seinen. Auch meine Hände griffen in seine weichen Haare und zogen ihn näher zu mir heran.
Leicht knabberte er an meinen Lippen und ich kicherte. Er zog seinen Kopf zurück und schaute mich verliebt an.
Und da passierte es. Als ich ihn seine Augen blickte hatte ich das Gefühl tief auf den Grund seiner Seele zu blicken.
Er sah mich an, als spürte er dasselbe. Ich konnte förmlich sehen wie der Faden unserer zwei Herzen zueinander fand und sich verknüpfte.
Warmer Honig floss durch mich als ich spürte wie unsere Herzen miteinander verschmolzen.
„Wow.“, hauchte ich überwältigt und auch Nick war sprachlos.
Wir sahen uns nur in die Augen und wussten, dieser Moment brauchte keine Worte.
Nach minutenlangem Schweigen, in dem keiner etwas sagen konnte, weil wir beide so überwältigt waren, kuschelte ich mich an Nick.
Er legte den Arm um mich und fing an mit meinem langen Haar zu spielen.
„Nick?“, fragte ich.
„Ja Süsse?“, antwortete er und hauchte mir einen zarten Kuss auf die Stirn.
„Können wir etwas essen?“
„Hast du Hunger?“, fragte er mich belustigt und zur Antwort fing meine Magen an zu knurren.
Nick lachte los.
„Klar.“, antwortete er. „Auf was hast du Lust?“
„Was habt ihr denn?“
„Komm mit, wir gehen in die Küche.“, forderte er mich auf und zog mich an meinen Händen vom Sofa hoch.
Er brauchte ein bisschen zu viel Schwung und ich knallte mit voller Wucht gegen ihn. Er verlor das Gleichgewicht und flog nach hinten. Unsanft landete ich auf ihm.
Nick umfasste meine Hüfte und unsere Körper pressten sich aneinander. Zärtlich sah er mir in die Augen und kam mit seinem Gesicht immer näher an meines, bis sich unsere Nasenspitzen berührten.
Erwartungsvoll schloss ich meine Augen und einen kurzen Moment später lagen seine weichen Lippen auf den meinen.
Harmonisch bewegten sie sich, als wären sie füreinander geschaffen. Der Kuss fing sanft an, doch als unsere Zungen sich umspielten wurde er immer leidenschaftlicher.
Ohne den Kuss zu unterbrechen, umfing Nick meine Hüfte und drehte uns so, dass er oben mir lag. Sein Körper drängte sich leidenschaftlich an meinen.
Seine Hand glitt unter mein Shirt und berührte meine erhitze Haut. Auch meine Hand zog sein T-Shirt hoch und erkundete seine Bauchmuskeln
Ich hatte schon öfters einen Jungen geküsst, aber noch nie verspürte ich diese Leidenschaft und dieses unbeschreibliche Gefühl der Liebe.
Atemlos lösten wir uns voneinander. Nick stand auf und fuhr sich verlegen durch die zerzausten Haare.
Er hielt mir galant die Hand hin und half mir auf, diesmal mit weniger Schwung.
Lächelnd stand ich vor ihm und nahm den seinen vertrauten Geruch nach Apfel und Eichenholz war.
„Wieso lächelst du?“, fragte mich Nick neugierig und fing automatisch auch an zu lächeln.
„Ich bin glücklich.“, antwortete ich einfach.
Sein Lächeln wurde breiter und er hauchte mir einen sanften Kuss auf meinen Kopf.
„Wollen wir etwas zu Essen machen?“, frage er mich und ich nickte begeistert.
Ich folgte ihm in die moderne Küche. Auch diese war hell und einladend gestaltet, so dass man sich sofort darin wohl fühlte.
Nick öffnete einen weissen Schrank und winkte mich zu sich heran.
„Also wir hätten Spagetti mit Pesto, Curry-Poulet mit Reis oder Chicken Nuggets mit Pommes.“ Er sah mich fragend an. „Auf was hast du Lust?“
„Hmm.“ Ich überlegte. „Curry-Poulet mit Reis.“, entschied ich mich schliesslich.
„Das hätte ich auch gewählt.“ Er grinste mich an.
„Dann passt es ja perfekt.“, sagte ich während er eine Pfanne auf den Herd stellte.
Ich öffnete den Wasserhahn und goss das Wasser für den Reis in die Pfanne, die Nick mir reichte. Er bereitete währenddessen schon das Öl für die das Poulet zu.
Als das das Öl erhitzt war, schob er mit einer Kelle das Fleisch in die Pfanne und ein Brutzeln ertönte in der Küche.
Nach fünf Minuten war das Fleisch schön durchgebraten und ich goss den Rahm in die Pfanne zur Abkühlung und für die Sauce. Dann kam noch das Curry-Gewürz hinein und fertig war das Poulet.
Nun schalteten wir die Herdplatte auf kleine Stufe, damit es noch garen konnte.
Das Wasser für den Reis war nun auch heiss genug und ich gab ihn in die Pfanne. Nun hiess es warten.
Nick schlang von hinten seine Arme um meinen Bauch und wiegte uns beide sanft hin und her. Ich schloss verträumt meine Augen und lehnte mich an seine starke Schulter.
„Süsse?“, vernahm ich seine vertraute Stimme direkt neben meinem Ohr.
„Ja?“, fragte ich zurück und drehte mich in seinen Armen so, dass ich ihn ansehen konnte.
Nick verknotete seine Hände hinter seinem Rücken uns sah mir tief in die Augen. Seine wunderschönen grünen Augen funkelten nur so und ich war wie gebannt.
„Ich weiss nicht ob es ein bisschen zu früh ist, aber ich muss es dir einfach sagen.“
„Was denn?“, fragte ich mit klopfenden Herzen.
„Ich liebe dich mein Engel.“
Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Dieser berühmte Satz hatte noch nie jemand zu mir gesagt und ich war zu Tränen gerührt.
„Ich liebe dich auch.“, sagte ich schlicht und als ich es aussprach spürte ich dass es die Wahrheit war. Das ich diese Wahrheit wie ein Geheimnis tief im hintersten Ecken meines Herzens gehütet hatte.
Als Antwort berührte Nick mit seinen Lippen ganz sanft die meinen. Es war nur ein federleichter Kuss, doch die Schmetterlinge in meinem Magen spielten verrückt.
Ein Piepsen unterbrach die Romantik. Es war der Timer, der uns mitteilte, dass unser Essen fertig war.
Nick holte zwei Teller aus dem Regal und ich fing an ihm den Reis zu schöpfen. Ich machte eine Mulde und platziere darin das Fleisch und die Sauce.
Dasselbe Spiel mit meiner Portion. Der leckere Duft kitzelte mich in meiner Nase und das Wasser lief mir im Mund zusammen.
Wir kuschelten uns eng aneinander aufs Sofa und genossen unser selbergekochtes Essen.
„Ich bin so satt.“, sagte ich und schluckte den letzten Bissen hinunter.
„Nicht nur du.“, grinste mich Nick an.
Ich stellte den Teller auf das kleine Tischchen vor dem Sofa und streckte mich ausgiebig.
Nick gähnte einmal herzhaft und räkelte sich auf dem Sofa zurecht.
„Kommst du zu mir?“, fragte er süss und streckte seine Arme nach mir aus.
„Nichts lieber als das.“, antwortete ich und kuschelte mich in seine ausgebreiteten Arme.
Er stellte den Fernseher wieder ein und wir schauten die Serie „How I Met Your Mother“. Nach einer Weile wurde es Nick langweilig, da er die Serie schon zweimal durchgeschaut hatte und fing an mit meinen langen Haaren zu spielen.
Ich wurde immer müder und müder und als mir schon fast die Augen zufielen, merkte ich wie Nick sich unter mir bewegte.
„Was ist?“, frage ich schläfrig und er lachte leise.
„Süsse hast du mal auf die Uhr geschaut?“, ich möchte dich ja nicht wegschicken aber es ist schon relativ spät.
„Wie viel Uhr ist es?“. Sofort war ich hellwach.
„Acht Uhr.“, antwortete mir Nick schmunzelnd.
Ich sprang erschrocken vom Sofa auf.
„Ich muss los, ich hätte für das Abendessen zu Hause sein müssen.“ Panisch suchte ich mir meine Sachen zusammen und warf mir die Jacke über.
„Ich begleite dich noch nach Hause.“, sagte Nick und stand auch auf.
„Das ist sehr nett.“, sagte ich dankbar und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
Wir verliessen das moderne Haus und er schloss die Tür hinter sich ab. Er hatte ein bisschen Mühe, da sein Arm immer noch eingegipst war.
„Warte ich helfe dir.“, bot ich an und schloss für ihn ab.
„Danke.“ Lächelnd sah er mich an.
Hand in Hand schlenderten wir zu der Bushaltestelle und erwischten den Bus gerade noch rechtzeitig.
Wir liessen uns auf die unbequemen Sitze gleiten und ich war so müde, dass mein Kopf auf seine Schulter sackte.
„Mel, nicht einschlafen.“, ermahnte er mich zärtlich und strich mir über die Wange.
„Ich schlafe nicht.“, nuschelte ich, was ihm ein Lachen entlockte.
„Du bist fies!“, sagte ich und tat so als würde ich schmollen.
Dadurch musste er nur noch mehr lachen und er hatte sich auch noch nicht beruhigt als wir am Bahnhof ankamen.
Der Bus wechselte wie gewohnt auf meine Linie, die zu mir nach Hause fuhr.
„Du musst mich wirklich nicht ganz nach Hause begleiten.“, erklärte ich.
„Doch das mache ich doch gerne.“, widersprach er mir.
Ich lächelte ihn dankbar an.
An der fünften Haltestelle stiegen wir aus und liefen plappernd nebeneinander her.
„Wie lange musst du deinen Arm eigentlich schonen?“, fragte ich Nick neugierig?
„Insgesamt acht Wochen bis alles gut zusammengewachsen und verheilt ist.“, sagte er und man merkte, dass es ihm gegen den Strich ging.
„Acht Wochen?“, fragte ich ungläubig.
„Ja, das heisst acht Wochen ohne Spindle und Reiten.“, betrübt liess er den Kopf hängen.
„Ach du Scheisse…!“, entfuhr es mir.
„Ja es ist wirklich nicht sehr motivierend.“, stimmte mir Nick zu.
„Aber Spindle kannst du ja trotzdem noch sehen, wir können ihn zusammen besuchen.“, schlug ich vor und er nickte begeistert.
„Ich finde es einfach schade, dass wir nun eine Weile nicht mehr zusammen ausreiten können.“, gab er zu bedenken.
„Ja das ist wirklich schade.“, fand auch ich.
Nun standen wir auch schon vor meiner Haustür und ich musste mich von Nick verabschieden.
„Mach es gut Süsse und bis bald.“ Mit diesen Worten küsste Nick mich auf meine leicht geöffneten Lippen.
Lächelnd erwiderte ich denn Kuss und kurze Zeit später lösten wir uns voneinander.
Ich schaute ihm noch nach, wie er langsam davon schlenderte.
Als er ausser Sichtweite war, atmete ich tief durch und machte mich auf eine Strafpredigt von meinen Eltern gefasst. Mit schlechtem Gewissen drückte ich die Türklinke herunter.
Diese sprang aber nicht wie gewohnt auf sondern blieb verschlossen.
Verwirrt runzelte ich die Stirn, meine Eltern sollten doch zu Hause sein. Ich klingelte zweimal, doch im Haus Inneren regte sich nichts.
Mit einem leisen Unbehagen nahm ich mein Handy hervor und wählte die Handynummer meiner Mutter.
Es läutete circa zehn Mal und dann kam die Mailbox. Das wurde ja immer merkwürdiger.
Nun wählte ich die Nummer von meinem Vater, doch dieser ging auch nicht ran.
Hier stand ich nun vor verschlossener Haustür und hatte keine Ahnung wo meine Eltern waren.
Panik machte sich in meiner Magengegend breit und ich fing mir an Sorgen zu machen, ob ihnen wohl etwas passiert sei.
Ich wollte gerade meinem Vater ins Geschäft anrufen, vielleicht war er ja noch bei der Arbeit, als das Display meines Handys schwarz wurde.
„Nein! Nicht das auch noch.“, stöhnte ich und schüttelte mein Handy.
Doch das half nichts, der Akku war und blieb leer.
Verzweifelt liess ich mich an der Haustüre an den Boden gleiten und schlang die Arme um meine Knie.
Mittlerweile war es auch kühl geworden, ich sass ja nur ihm Trägershirt draussen. Ich bekam eine Gänsehaut und fing an zu zittern.
Ich fühlte mich richtig alleingelassen. Ich hatte keine Ahnung wo meine Eltern waren und der Akku meines Handys war leer.
Als mir die Situation bewusst wurde, stiegen mir verzweifelte Tränen in die Augen, die in kleinen Rinnsalen über meine Wange liefen.
Ich war sonst nicht der Typ der weinte, aber ich machte mir einfach zu grosse Sorgen um meine Eltern und bekam Panik.
Da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Meine Mutter hatte mir gestern noch mitgeteilt, dass sie und mein Vater heute an einem wichtigen Seminar eingeladen waren und ich heute Abend allein zu Hause sei.
Ich lachte über meine eigene unbegründete Panik und holte den Schlüssel aus dem gewohnten Versteck.
Dass ich nicht darauf gekommen bin.
Ich schloss die Haustüre auf und drückte den Lichtschalter. Helles und warmes Licht durchflutete den Flur und ich hängte die Jacke an meinen Kleiderhacken.
Ich schnappte mir mein Ladekabel und schloss mein Handy daran an.
Kaum war es eingeschaltet und ich hatte meinen Code eingegeben, vibrierte es auch schon.
Ich sah auf mein Handy und sah dass ich eine neue Nachricht von Nick hatte.
Mit einem wohligen Glücksgefühl im Magen, öffnete ich diese.
„Hey Süsse. Ich fand es heute wunderschön mit dir und ich hoffe, dass wir bald wieder etwas zusammen unternehmen.
Ich liebe dich.
Dein Nick.“
Mein Herz machte Luftsprünge bei dieser süssen Nachricht.
Ich kuschelte mich in mein Bett, deckte mich zu und schrieb ihm zurück.
„Hey Nick. Ich fand es auch einen unvergesslichen Tag und ich freue mich sehr auf ein Wiedersehen.
Lieb dich auch.
Melanie.“
Ich schickte die Nachricht ab, schloss meine Augen und mit einem Lächeln auf den Lippen schlief ich friedlich ein.
Es war Sonntagmorgen und warme Sonnenstrahlen, die mich in meiner Nase kitzelten weckten mich. Ich schlug meine Augen auf und streckte mich einmal ausgiebig.
Noch verschlafen stand ich auf und tapste die Treppe hinunter in unsere Küche.
Meine Eltern sassen am Frühstückstisch und lächelten mir entgegen.
„Na, ist unsere kleine Prinzessin auch schon wach?“, fragte mein Dad liebevoll.
So nannte er mich schon seit ich klein war.
„Ja, aber noch sehr müde.“, sagte ich, was mit einem Gähnen meinerseits unterstrichen wurde.
Ich setzte mich zu meinen Eltern an den reichlich bedeckten Tisch und griff nach einem Brötchen. Dies schnitt ich in zwei Hälften und bestrich die eine Hälfte mit Honig und die andere mit Nutella.
Unser Frühstück verlief schweigend, wie eigentlich jeden Morgen und als ich fertig gegessen hatte, stand ich auf und stellte meinen Teller in die Spülmaschine.
Ich lief die Treppe hinauf in mein Zimmer und überlegte, was ich heute tun sollte. Ich wusste, dass meine Eltern auf eine Wanderung gingen, das machten sie jeden Sonntag wenn schönes Wetter war. Und das war heute unbestreitbar der Fall.
Ich sah aus dem Fenster. Die Sonne strahlte nur so vom kristallklaren Himmel und keine einzige Wolke war zu sehen. Die Bäume färbten sich schon langsam gelb und rot und ich merkte, dass der Herbst nicht mehr weit entfernt lag.
Schliesslich schnappte ich mir mein Handy und schrieb Nick eine SMS.
„Hey Nick.
Meine Eltern sind heute den ganzen Tag weg und ich wollte fragen, ob du heute zu mir kommen möchtest?
Wir können auch schnell bei den Pferden vorbeischauen.
Würde mich freuen.
In Love Melanie.“
Es verstrichen keine fünf Minuten, da vibrierte auch schon mein Handy. Lächeln öffnete ich seine Nachricht.
„Hey Süsse.
Klar komme ich gerne vorbei. Ich mache mich sofort bei dir und bin in 20 Minuten bei dir.
Bis bald mein Engel.“
Mein Herz schlug um ein paar Takte schneller, nachdem ich seine Nachricht durchgelesen hatte.
Die versteckten Kosenamen, freuten mich sehr und ich musste immer wieder an den Abend unseres Kusses zurückdenken.
Ich fragte mich, wie er mich heute wohl begrüsste.
Nervös schaltete ich den Fernseher ein und warte ungeduldig auf sein Ankommen.
Ich bekam noch mit, wie meine Eltern sich von mir verabschiedeten und dann aus der Tür traten.
Das Schloss fiel hinter ihnen zu und der Schlüssel wurde einmal umgedreht.
Dann war es wieder still.
Man hörte nur noch das undeutliche Gemurmel des Fernsehers.
Nach einer gefühlten Ewigkeit klinge es an der Tür.
Ich erwachte aus meiner Trace und sprang mit klopfendem Herzen vom Sofa auf.
Schnell war ich an der Tür und öffnete diese.
Und da stand er. Und als ich ihn sah und in seine wunderschönen grünen Augen blickte, fiel der ganze Stress von mir ab.
Er lächelte mich süss an und breitete seine Arme aus. Ohne einen Moment zu zögern, versank ich in diesen.
„Hey Süsse.“, begrüsste er mich als wir uns wieder voneinander lösten und gab mir einen sanften Kuss auf die Lippen.
Ich lächelte ihn glücklich an.
„Komm doch rein.“, sagte ich und hielt ihm die Türe auf.
Er trat ein und zog seine Schuhe aus. Dann lief er die Treppe hinauf und ich folgte ihm.
Er betrat unser fliederfarbenes eingerichtetes Wohnzimmer und liess sich sogleich auf die weiche Couch gleiten.
„Ich fühl mich schon ganz wie Zuhause.“, sagte er frech und grinste mich an.
Ich lachte laut los und er stimmte ein.
Als ich mich wieder einigermassen beruhigt hatte, setzte ich mich neben Nick aufs Sofa und er legte seinen Arm um mich.
Ich kuschelte mich an ihn und genoss das Gefühl von Geborgenheit, welches ich immer verspürte, wenn ich bei ihm war.
Ich griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
„Und wie geht es deinem Arm?“, fragte ich Nick.
„Schmerzt noch ein wenig, aber sonst relativ gut.“, antwortete er und betrachtete seinen verletzten Arm.
„Das freut mich.“ Ich lächelte ihn an, was er erwiderte.
„Ich wollte dich noch etwas fragen?“, fing Nick an und nestelte nervös an seinem blauen Kapuzenpulli herum.
„Ja?“, fragte ich.
„Wir haben ja eigentlich noch nicht wirklich über unseren Kuss geredet und ich denke, dass du das Gleiche empfindest wie ich, da du mein Ich liebe dich erwidert hast. Und ich wollte dich hiermit offiziell fragen, ob es für dich in Ordnung wären wenn wir es miteinander versuchen würden.“
Ich musste richtig grinsen, denn er stellte die Frage einfach so süss.
„Ja das würde ich gerne.“, gab ich meine Antwort und er bekam auch noch einen Kuss.
Kaum hatten sich unsere Lippen berührt, legte er seine Hand um meinen Nacken und zog mich noch näher zu ihm heran.
Ich erwiderte diesen leidenschaftlichen Kuss und ich knabberte leicht an seiner Unterlippe. Er öffnete leicht den Mund und unsere Zungen trafen sich.
Ich zog mich wieder zurück und blickte ihn amüsiert an. Sein Blick traf meinen und einmal mehr versank ich in diesen faszinierenden grünen Augen.
Langsam beugte Nick sich herab und federleicht berührten seine Lippen meine Stirn.
„Ich liebe dich so sehr mein Engel.“, flüsterte er mit geschlossenen Augen.
„Ich liebe dich auch.“, flüsterte ich glücklich zurück und kuschelte mich tiefer in seine Arme.
Ungefähr eine halbe Stunde später, in der wir über alles Mögliche geredet haben, beschlossen wir die Pferde zu besuchen.
Ich lief in mein Zimmer und zog schnell meine Reitmontour an, wer weiss vielleicht gehe ich noch mit Diamond ausreiten, wenn Nick gegangen ist.
Dann schnappte ich meinen Reithelm und zog Nick aus der Tür.
„Du bist ja richtig stürmisch.“, lachte er.
„Ja ich freue mich auf die Pferde. Mit dir zusammen.“, sagte ich und tippte ihm neckisch auf die Brust.
Unter meinem Finger spürte ich seine durchtrainierten Bauchmuskeln und wie konnte es auch anders sein, mein Herz beschleunigte sich sofort wieder.
Zum Glück kann er dies nicht hören, sonst müsste ich mir noch mehr Sprüche von ihm anhören.
Er schnappte nach meinem Finger und unsere Hände verschränkten sich.
Hand in Hand liefen wir zur Bushaltestelle, da Nick mit seinem Arm nicht Fahrradfahren konnte.
An der Bushaltestelle angekommen setzten wir uns nebeneinander auf die Wartebank und Nick fing an mit meinen Haaren zu spielen, das tat er mittlerweile immer wenn er nichts Besseres zu tun hatte.
Aber ich fand es süss von ihm.
Nach ein paar Minuten des Wartens kam der Bus und wir stiegen ein. Wir ergatterten uns gerade noch die letzten zwei Sitzplätze und lehnten uns entspannt zurück.
Wir fuhren vier Stationen und stiegen dann aus. Angenehme warme Luft strich mir übers Haar und ich reckte mein Gesicht der Sonne zu.
„Gehen wir?“, fragte Nick, der mich lächelnd beobachtet hatte.
„Klar.“, antwortete ich und wir setzten uns in Bewegung.
Unsere Hände fanden sich und sanft streichelte Nick mit seinem Daumen über meinen Handrücken.
Die Vögel begrüssten uns mit einem fröhlichen Gezwitscher als wir durch den dichten Wald liefen.
Nach einigen Minuten lichtete sich der Wald und wir bogen in einen befahrbaren Waldweg ein.
Von hier aus konnte man schon das Gestüt erkennen und die weidenden Pferde davor.
„Vermisst du Spindle sehr?“, unterbrach ich das angenehme Schweigen.
„Ja er fehlt mir.“, antwortete Nick und übte einen leichten Druck auf unsere Hände aus.
„Schau da ist er ja schon.“, rief ich aufgeregt, als wir auf dem Hof ankamen und zog Nick an das Weidentor.
Spindle, der sich neugierig nach meiner Stimme umdrehte, hörte sofort auf zu grasen, als er Nick sah, und galoppierte mit einem freudigen Wiehern auf ihn zu.
Mit einer Vollbremse blieb er vor Nick stehen und legte ihm zutraulich den Kopf auf die Schulter.
Nick schlang seine Arme um den Hals des Pferdes.
„Ich vermisse dich auch.“, murmelte er in Spindels Mähne.
Spindle schnaubte zustimmend, was mir ein leichtes Lächeln auf die Lippen zauberte.
Ich liess die beiden allein und machte mich auf die Suche nach meiner Stute. Ich entdeckte Diamond ungefähr zehn Meter von mir entfernt.
Sie hatte den Kopf gesenkt und die Augen entspannt geschlossen. Wie es aussah, hielt sie gerade ein Schläfchen.
Ich schlich mich leise an sie heran, doch plötzlich rutschte ich auf dem schlammigen Boden aus.
Bevor mein Hinterkopf aufschlug, umfingen mich zwei starke Arme.
„Danke.“, sagte ich verlegen und blicke in vertraute grüne Augen.
„Süsse, du musst aufpassen.“, neckte mich Nick und stellte mich wieder auf die Füsse.
„Tu ich ja.“, sagte ich frech und ging auf sein Necken ein.
„Ja genau, darum hättest du auch fast Bekanntschaft mit dem Boden gemacht.“, lachte Nick, doch plötzlich verzog er schmerzhaft das Gesicht.
„Was ist los?“, fragte ich ihn besorgt.
„Ich glaube das Auffangen hat meinen Arm nicht so gut getan.“, sagte er durch zusammengebissene Zähne.
„Tut mir leid, das wollte ich nicht.“, sagte ich zerknirscht und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Wieder besser?“
„Nein.“, sagte Nick und grinste mich schelmisch an. „Ich möchte schon einen richtigen Kuss.“
Lächelnd schlang ich meine Arme um seinen Hals und legte meine Lippen sanft auf seine.
Seine Hände weilen auf meiner Taille und er zog mich enger an sich.
Bevor ich mich im Kuss verlor, löste ich mich sanft wieder von ihm.
„Ist es jetzt besser?“, fragte ich frech.
„Ja.“, seufzte er und lächelte besonnen.
Ein feines Stupsen an meiner Schulter, kündigte mir an, dass meine Stute mich bemerkt hatte.
Lächelnd drehte ich mich zu ihr um und kraulte die empfindliche Stelle zwischen den Augen.
Entspannt schloss sie die Augen und genoss meine Massage.
Ich fing sie an mit der T-Touch Massage zu massieren, die mir Nick gezeigt hatte.
Nach ein paar Minuten zeigte sich die Wirkung. Meine Stute liess entspannt den Kopf hängen und ich spürte wie ihre Verhärtungen an den Muskeln sich lösten.
„Du machst das schon sehr gut.“, lobte mich Nick und nickte mir anerkennend zu.
„Danke.“, sagte ich leicht lächelnd und freute mich riesig über das Kompliment.
„Du, ich glaube ich gehe langsam wieder nach Hause und Ruhe mich ein bisschen aus. Ich merke die Schmerztabletten machen mich noch sehr müde und ich bin noch nicht so auf den Beinen.“, informierte mich Nick und ich sah seinen erschöpften Gesichtsausdruck.
„Ja klar. Ruhe dich nur aus.“ Ich nickte verständnisvoll. „Soll ich dich noch bis zum Bus begleiten?“
„Danke ist lieb, aber ich lasse dich mal Zeit mit Diamond verbringen.“, zwinkerte Nick mir zu und drückte mir einen Abschiedskuss auf die Lippen.
„Ich liebe dich.“, sagte ich und blickte ihm verträumt in die Augen.
„Ich dich auch meine Engel.“, erwiderte mein Freund und machte sich auf den Weg.
„Warte!“, rief ich Nick nach und er drehte sich neugierig um. „Wann sehen wir uns wieder?“
„Wie wäre es mit morgen nach der Schule? Ich bin sowieso noch zu Hause, weil es mir der Arzt so verschrieben hat. Wir könnten uns einen Film ansehen.“, schlug Nick vor.
„Geht in Ordnung.“, stimmte ich ein und winkte ihm noch zu, bevor er im Wald verschwand.
Das ungeduldige Schnauben meiner Stute liess mich wieder zu ihr umdrehen.
„Na Süsse, bereit für einen Ausritt?“, fragte ich sie und sie wieherte zustimmend.
„Warte, ich komme gleich wieder.“, versprach ich ihr und lief zu den Stallungen. Dort angekommen schnappte ich mir Diamonds Halfter und schlenderte zurück zu den Weiden.
Voller Vorfreude trabte meine Stute auf mich zu und reckte ihr Kopf in das Halfter.
„Na, freust du dich auf den Ausritt?“, fragte ich sie lachend und sie wieherte zustimmend.
Ich lief zurück zu den Stallungen und band sie am Putzplatz an. Beschwingt holte ich das Putzzeug und da sie relativ sauber war, hatte ich sie nach 10 Minuten fertig geputzt.
Dann sattelte und zäumte ich sie noch und schon konnte es losegehen. Ich stieg auf und spürte das vertraute Gefühl des Sattels.
Es war ein warmer Tag und ich beschloss den Waldweg zu nehmen. Diamond schnaubte zufrieden als uns die kühle Luft umspielte und schritt zügig voran.
Nachdem ich sie ein Weilchen im Schritt aufgewärmt habe, nahm ich die Zügel auf und schnalzte mit der Zunge. Meine Stute verstand und fiel in einen gleichmässigen leichten Trab.
Ich genoss das vertraute Auf und Ab während die Vögel ein sanftes Lied pfiffen. Der Wind rauschte in den grünen Blättern über uns und der Wind strich mir sanft durch mein langes Haar.
Ich schloss meine Augen und genoss das Gefühl der Ruhe und Harmonie.
Bald kamen wir an einen kleinen Hügel und meine Stute fiel in einen schnellen Trab. Sie wusste was nun kommt. Ich hielt sie noch ein bisschen zurück, damit sie wieder ruhiger lief, dann gab ich ihr die Zügel und lehnte mich vor.
Schnaubend fiel sie ihn einen kräftigen Galopp und erklomm den Hügel. Oben angekommen verharrten wir eine Weile und ich liess Diamond ein wenig grasen.
Als es anfing dunkler zu werden stieg ich wieder in den Sattel und wir ritten im gemächlichen Schritt nach Hause.
Als der Wald sich lichtete sah ich eine dunkle Silhouette am Zaun lehnen, die sich langsam umdrehte als ich näher ritt. Als ich die Gestalt erkannte, machte mein Herz einen freudigen Hüpfer.
„Was machst du denn hier?“, fragte ich Nick und strahlte ihn an.
„Ich dachte ich komme dich abholen und mache dir somit eine Freude.“ Nick lächelte mich sanft an und gab mir einen federleichten Begrüssungskuss.
„Diese Freude ist dir gelungen.“, bestätigte ich ihm. „Hilfst du mir Diamond zu versorgen?“
Er nickte und zusammen schlenderten wir zu den Stallungen. Mit Nicks Hilfe war Diamond schnell wieder auf der Weide.
Kaum schlossen wir das Gatter trabte sie zu Spindle und stupste ihn zutraulich an. Spindle quickte und rannte meiner Stute nach. Ich lächelte sanft es sah aus als würden sie fangen spielen.
Nick und ich beschlossen noch ein Weilchen den Pferden zuzusehen und so sassen wir aufs Gatter der Weide.
Unsere Pferde waren nun fertig mit Spielen und fingen friedlich an zu grasen. Die letzten Sonnenstrahlen fielen über den Hügel hinter der Weide und fasziniert beobachtete ich das Lichtspiel der untergehenden Sonne.
Nick legte sanft einen Arm und meine Schulter und ich lehnte mich glücklich an ihn. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen und ich war froh, obwohl ich eine bittere Enttäuschung erlebt hatte, doch ein süsses Ende gefunden zu haben.
„Ich liebe dich.“, hauchte Nick mir zärtlich ins Ohr.
„Ich liebe dich auch.“, antworte ich eben so leise.
Wir küssten uns hingebungsvoll während die Sonne langsam hinter dem Hügel versank.
„Aber sei sanft mit ihm!“, warnte meine Mutter und ihre Stimme klang sorgenvoll.
„Keine Angst, Mum.“, beruhigte ich sie. „Ich habe den Babysitter-Kurs gemacht.
Ihre Sorgenfalten glätteten sich langsam und ganz vorsichtig überreichte sie mir das weisse Bündel, in dem mein kleines Brüderchen lag.
Meine Mutter ist gerade vom Spital entlassen worden und heute sollte auch schon die Taufe von dem kleinen Jason stattfinden, doch vorher wollte ich meinen Bruder noch in den Armen halten.
Vorsichtig drückte ich mein Geschwisterchen an mich und als ich in sein schlafendes Gesicht blickte durchströmte mich ein warmes Gefühl von Liebe.
„Ich werde immer gut auf dich Acht geben.“, versprach ich ihm.
Jason gluckste fröhlich im Schlaf, als hätte er mich verstanden. Ich schob seine blonden Härchen aus dem Gesicht und druckte sanft meine Lippen auf seine Stirn.
Als ich ihn voller Stolz und Liebe ansah öffnete er langsam seine Äugelein und mir stockte der Atem. Seine Augen waren von einem unglaublichen Blau wie die meinen. Als hätte man sie aus meinem Gesicht kopiert und in seinem eingesetzt.
Mein Vater trat langsam an mich heran und legte mir seine Hände leicht auf meine Schulter.
„Er hat deine Augen, nicht wahr?“, sagte er lächelnd als er mein Blick sah.
Ich konnte nur nicken, es war überwältigend.
„Mel!“, mahnte meine Mum und riss mich somit aus dem wundervollen Augenblick. „Du musst dich noch umziehen.“
„Ach ja stimmt.“, sagte ich und reichte Jason wieder meiner Mutter, die ihn langsam hin und her wiegte, sodass er wieder einschliff.
Ich spurtete derweilen die Treppe hoch und öffnete mein Kleiderschrank. Für die Taufe hatte ich mir ein türkisfarbenes Sommerkleid gekauft, passend zu meinen Augen.
Die Frisur hatte mir am Morgen schon meine Mutter gemacht nun musste ich nur noch das Kleid anziehen.
Als ich fertig war und mich geschminkt hatte, sah ich in den Spiegel.
Ein 17jähriges Mädchen blickte mich lächelnd an. Ihre Lippen glitzerten in einem zarten rosa und ihre himmelblauen Augen strahlten.
Das Kleid war bis zur Hüfte eng anliegend und fiel dann ihn Rüschen bis ober ihre Knie. Die Haare fielen ihr in weichen Locken über die Schulter und ihre Füsse steckten in schlichten weissen Ballerina.
„Schatz, kommst du?“, rief meine Mutter von unten.
„Ja.“, rief ich zurück und rauschte die Treppe hinunter.
Am Treppenende strahlten mich smaragdgrüne Augen liebevoll an. Nick trug einen schwarzen Anzug und ein weisses Hemd mit einer türkisfarbenen Krawatte, passend zu meinem Kleid.
„Wow!“, hauchte er entzückt als ich unten bei ihm angekommen war und seine Augen strahlten noch intensiver, falls dies überhaupt möglich war. „Du bist wunderschön!“
„Danke.“, flüsterte ich und wurde rot. Obwohl ich mir seine Komplimente gewöhnt war, wurde ich immer noch rot. „Du siehst aber auch sehr gut aus.“
Er lächelte mich sanft an.
„Seid ihr bereit?“, fragte uns meine Mum, die uns lächelnd beobachtet hatte.
„Für dich immer!“, flüsterte Nick in mein Ohr und ich versank einmal mehr ihn seinen wunderschönen Augen.
Tag der Veröffentlichung: 03.06.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch widme ich einer Person, die mich positiv und auch negativ verändert hat.
Aber ich bin dankbar dafür, dass ich dich kennenlernen durfte und diese Zeit mit dir geniessen konnte.
Dank dir bin ich stärker geworden, aber auch misstrauischer.
Trotzdem: Danke C.