Auf den Grundstücken meiner Nachbarn blühte und gedieh alles in ordentlich angelegten Rabatten, während bei mir nur Unkraut wucherte und ich stellenweise eine Machete hätte gebrauchen müssen, um zu meinem Gartenzaun zu gelangen. Meine Beete bestanden aus hässlichem, teils stacheligem Gestrüpp, mein Haus war vor lauter Efeu kaum noch zu sehen und mein Rasen war übersät mit Maulwurfshügeln.
Eines Tages fasste ich den Entschluss, aus diesem kleinen Urwald etwas zu erschaffen, das wenigstens halbwegs nach einem Garten aussah. Zuerst müssten die vielen Unkräuter verschwinden, so viel war mal sicher. Doch dabei tauchte eine berechtigte Frage auf: Woran erkannte man Unkräuter? Berechtigt war die Frage deshalb, weil ich nicht gerade das besaß, was man einen grünen Daumen nannte.
Ich nahm mir vor, folgendermaßen vorzugehen: Alles, was bis August nicht blühte, war Unkraut und würde ohne Gnade am Schopfe gepackt und aus der Erde gezogen.
Das Problem bei diesem Plan war nur, dass wir erst Juni hatten und ich somit noch zwei Monate hätte ausharren müssen, um herauszufinden, welches Grünzeug im August blühte. Doch so lange wollte ich nicht warten, um mit meinem Gartenbauprojekt zu beginnen.
Die Rettung nahte in Gestalt meines floristisch begabten Nachbarn Rainer Neugier. Gerade hatte er in ameisenähnlichem Eifer seinen Rasen gemäht. Das tat er mindestens fünfmal die Woche. Jetzt überquerte er die Straße und kam auf mich zu.
»Tag, Maria«, brummte er, die Hände in zufällig vorüberschlendernder Manier in seinen Hosentaschen vergraben. »Was machst ’n da?«
»Ich versuche herauszufinden, welche Pflanzen in meinem Garten Unkraut darstellen.«
»Oh«, stieß er hervor und blies die Backen auf. Er kratzte sich am Stoppelbart und ließ seinen Blick von links nach rechts über mein Grundstück schweifen. »Frag lieber, welche Pflanzen kein Unkraut darstellen.«
Mir schwante Böses. »Okaaayyy«, erwiderte ich zögerlich. »Und welche wären das?«
»Der Apfelbaum, der Fliederbusch und die Sonnenblume.«
»Alles andere ist Unkraut?!«
Er nickte. »Wenn Pflanzen sich so epidemieartig ausbreiten, wie in deinem – hähäm – Garten, dann sind es ganz bestimmt Unkräuter. Und dein Rasen – ’tschuldigung! – sieht auch nich’ beneidenswert aus.«
»Ich weiß«, nörgelte ich. »Aber dieser Maulwurf lässt sich einfach nicht vertreiben. Ich habe ihn mindestens zehnmal eingefangen und im Wald ausgesetzt, aber er kam jedes Mal zurück. Ich habe schon überlegt, ob ich ihn Bumerang taufe.«
»Ja, Maulwürfe können ein echtes Problem sein.« Er nickte wissend. »Wir haben so was in der Firma.«
»Einen Maulwurf?«
»M-hm. Jedes Mal, bevor wir ein neues Produkt rausbringen, kommt uns unser größter Konkurrent zuvor. Irgendwer gibt Informationen an ihn weiter.«
»Oh, Mann! Habt ihr schon einen Verdacht?«
»Nee, aber ich hoffe, dass der Schuldige bald gefunden wird. Mein
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Cover: Canva
Tag der Veröffentlichung: 26.06.2019
ISBN: 978-3-7487-0832-2
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