Fabian sah wenig interessiert auf die Bühne und versuchte erfolglos, sein Gähnen zu unterdrücken. Was machte er eigentlich hier? Er sehnte sich nach seinem Sofa, einem guten Glas Wein und seinen Hunden. Nach einer arbeitsreichen Woche wäre genau das nach seinem Geschmack gewesen. Stattdessen hatte er sich von seiner Schwester Susanna hierher verschleppen lassen. Zu einer Karnevalssitzung! Zugegeben, es war nicht einfach nur eine Sitzung, sondern die Galasitzung einer der angesehensten Gesellschaften des Kreises, aber das konnte Fabians Begeisterung für diese Veranstaltung nicht erhöhen. Er war jemand, der mit dieser Art der verordneten Fröhlichkeit überhaupt nichts anfangen konnte und er fragte sich immer noch, wieso er sich von Susanna hatte breitschlagen lassen, an diesem Event teilzunehmen. Aber Susanna war nun mal seine kleine Schwester und es war ihm schon immer schwergefallen, ihr einen Wunsch abzuschlagen. Allerdings bedauerte er dies im Augenblick ungemein, da er sich bei dieser Veranstaltung extrem langweilte. Zudem war es ihm eindeutig zu laut, und das Karnevalsgegröle, was seiner Meinung nach nichts mit Musik zu tun hatte, ging ihm tierisch auf die Nerven. Erschwerend kam hinzu, dass er sich diesen Abend noch nicht einmal schöntrinken konnte, da die Kellnerin sich seit geraumer Zeit nicht mehr hatte blicken lassen.
„Fabi, du könntest wenigstens so tun, als ob du Spaß hättest“, schrie ihm Susanna in diesem Augenblick ins Ohr.
Fabian verzog sein Gesicht zu so etwas wie einem Grinsen. Er hasste es, wenn sie ihn ‚Fabi‘ nannte. „Ich bin hellauf begeistert“, brüllte er zurück. Die herrschende Lautstärke im Saal ließ eine gepflegte Unterhaltung einfach nicht zu.
„Das sieht man“, gab sie vorwurfsvoll zurück, knuffte ihn heftig in die Seite und wandte sich dann wieder der Bühne zu, auf der gerade eine Horde bewegungssüchtiger Mädels einen Showtanz aufführte. Fabian beobachtete seine Schwester eine Weile, die sich den Abend von ihrem miesgelaunten Bruder offensichtlich nicht verderben lassen wollte. Danach wandte er sich auch wieder der Bühne zu. Was war eigentlich so toll an dieser Art von Darbietungen? Fabian hatte zum Tanzen an sich absolut keinen Bezug. Diesem sinnlosen Rumgehüpfe konnte er nichts abgewinnen und so stahl sich – bei aller Liebe zu seiner Schwester, der er diesen Gefallen gern getan hätte - kein weiteres Grinsen auf sein Gesicht. Dies gelang ihm erst, als die Kellnerin auftauchte und er eine weitere Bestellung aufgeben konnte. Die nächste Flasche Wein war geordert und so bestand wenigstens die Hoffnung darauf, dass er seinen Unmut ein wenig betäuben konnte und Susanna den Abend nicht gänzlich verdarb. Diese lauschte gerade beinahe andächtig den Worten des Sitzungspräsidenten.
Als dieser geendet hatte, wandte sie sich breit grinsend an Fabian. „Brüderchen, nun mach dich doch mal ein bisschen locker. Das hier soll Spaß machen, aber du siehst so aus, als stünde dir eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt bevor“, sagte sie.
„Süße, ich glaube fast, ich würde eine solche dem hier vorziehen“, erwiderte Fabian gequält. „Die würde auf jeden Fall nicht so lange dauern“, fügte er hinzu.
„Langweiliger Spießer.“ Susanna legte ihren Arm um Fabians Schulter. „Ich verspreche dir, dass du auch noch auf deine Kosten kommen wirst“, mutmaßte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Falls mich hier irgendwas aus den Socken hauen sollte, hast du ein Abendessen bei deinem Lieblingsitaliener bei mir gut“, konterte Fabian angriffslustig. Er war sicher, dass es zu einer solchen Einladung niemals kommen würde.
„Juhu“, jauchzte Susanna. „Ich freu mich.“
Fabian konnte nun ein Lachen nicht unterdrücken. Seine Schwester war eine fabelhafte junge Frau, die ihn immer wieder überraschte. „Freu dich nicht zu früh“, warnte er sie. „Wenn es nicht hinhaut, bezahlst du.“
„Das ist ausgeschlossen“, erwiderte sie triumphierend. „Und nun bitte ich dich, dich der nächsten Darbietung zu widmen.“
Aufgrund des kleinen Wortgefechts mit seiner Schwester hatte Fabian nicht mitbekommen, dass bereits die nächste Gruppe in den Saal einmarschiert war und sich auf der Bühne aufgestellt hatte. Er wandte sich dieser zu und was er sah, beeindruckte ihn nicht im Geringsten. „Susanna, da stehen einfach nur ein paar Typen in Uniformen. Was soll mich daran vom Hocker hauen?“
„Nur noch ein paar Augenblicke“, beschwor ihn seine Schwester. Kurz darauf setzte die Musik ein …
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„Und du warst doch begeistert!“, wiederholte Susanna zum zigsten Mal. Die Sitzung war beendet und Fabian und sie befanden sich auf dem Heimweg. Eingehakt legten die Geschwister die letzten Meter zu Susannas Wohnung zurück.
„Ich hab schon wieder vergessen, was du meinst“, gab Fabian zurück. Das ständige Nachhaken seiner Schwester ging ihm allmählich auf die Nerven, zumal sie ihn offensichtlich durchschaut hatte. „Was soll mir an dieser Tanzdarbietung mehr gefallen haben als an den anderen?“, fragte er. Die Antwort gab er sich im Geiste selbst. ‚Diese süßen Jungs.‘
„Fabi, Fabi, Fabi, mir kannst du nichts vormachen.“ Susanna sah ihn mitfühlend an. „Du konntest deinen Blick nicht für eine Sekunde abwenden.“
„Spinn nicht rum. So war es gar nicht und falls doch, brachte dies einfach nur meine Fassungslosigkeit darüber zum Ausdruck, dass man sich öffentlich so aufführen kann.“ Fabian versuchte, seiner Schwester den Wind aus den Segeln zu nehmen.
„Klar, deshalb hast du auch beinahe gesabbert“, konterte sie.
Sein Ablenkungsmanöver war offensichtlich vollständig in die Hose gegangen. Das ‚Hab ich gar nicht!‘ sparte Fabian sich. Er war schließlich kein Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann, und er wollte auf keinen Fall wie ein trotziger Bengel klingen. „Denk doch, was du willst, Schwesterchen. Der Vortrag dieser Gruppe hat mich nicht im Mindesten begeistert“, gab er ruhig zurück, ganz so, wie es sich für einen Mann seines Alters gehörte. Dass Susanna ihn nun ganz offen auslachte, nahm er verzeihend zur Kenntnis. Sollte sie doch denken, was sie wollte. Tanzende Kerle machten ihn absolut nicht an. Fabian war zwar schwul, aber dennoch stand er eher auf Fußball und dunkle, gedeckte Farben als auf Tanzen und Pink. Obwohl er fairerweise zugeben musste, dass an diesen Männern nichts pink gewesen war.
„Das ist eine glatte Lüge“, konstatierte Susanna. „Aber egal. Ich hab ein Essen bei dir gut“, fügte sie leichtfertig hinzu. „Ich freu mich schon drauf.“
Fabian lachte und drückte seiner Schwester einen Kuss auf die Wange. „Genaugenommen hast du das nicht, aber ich will ja nicht so sein“, erwiderte er. Dann löste er sich von Susanna. „Tja, da wären wir.“ Sie hatten die Wohnung seiner Schwester erreicht.
„Sind wir wohl“, pflichtete sie ihm bei. „Noch ´nen Kaffee?“ Sie unterdrückte ein Gähnen.
„Es ist spät. Ich will nur noch ins Bett. Nächste Woche hab ich die Praxis wieder voll und ich brauche ein bisschen Schlaf.“ Fabian drückte Susanna an sich, die ihm anschließend ihren Schlüssel gab.
„Schließ auf“, bat sie ihn kichernd. Vor sich hin grinsend, weil seine Schwester doch ein wenig betrunkener war, als er gedacht hatte, öffnete er ihr die Wohnungstür. Susanna trat ein. „Gute Nacht, Brüderchen“, verabschiedete sie sich.
„Schlaf gut, meine Kleine.“ Fabian wartete, bis seine Schwester die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann drehte er sich um und machte sich auf den kurzen Fußweg, der ihn von seinem Zuhause trennte. Der vergangene Abend war merkwürdig gewesen. Tatsächlich hatte er ihn bis zu einem gewissen Zeitpunkt einfach nur gehasst, doch das hatte sich geändert, als diese Tanzgruppe auf die Bühne getreten war und ihn in seinen Bann gezogen hatte. Kein schwuler Mann hätte seinen Blick von der Darbietung abwenden können. Heterosexuelle Frauen offensichtlich jedoch auch nicht, wie die Begeisterung seiner Schwester bewies.
Die Männer, die dort auf der Bühne gestanden hatten, waren eine wahre Augenweide gewesen. Doch Fabian verwahrte sich dagegen, dass er beinahe gesabbert hätte. Mit 32 Jahren sabberte man nicht mehr. Das überließ er den Teenies. Dennoch gestand er sich ein, dass er diesen Jungs noch gerne ein wenig länger zugeschaut hätte. Und den anderen Sitzungsbesuchern erging es anscheinend ähnlich, denn ansonsten hätten sie wohl kaum auf mehreren Zugaben bestanden. Ein Grinsen machte sich auf Fabians Gesicht breit. Susanna hatte vollkommen recht gehabt. Dieses Tanzkorps hatte ihn begeistert. Daher hatte sie die Einladung zum Essen selbstverständlich verdient. Allerdings würde er ihr gegenüber niemals gestehen, wie fasziniert er gewesen war. Er hasste Tanzen! Er hasste Karneval! Und daran würde sich gewiss niemals etwas ändern.
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„In ein, zwei Tagen sollte es ihm wieder besser gehen. Mach dir keine Sorgen, dem Moritz geht es bald wieder gut.“ Tröstend strich Fabian dem etwa zehnjährigen Mädchen übers Haar, das ihn mit Tränen in den Augen dabei beobachtete, wie er ihren Kater untersuchte. „Du musst ihm täglich seine Medizin geben, dann ist er in ein paar Tagen wieder so fit wie eh und je.“
„Versprichst du mir das, Herr Doktor?“, wollte sie wissen.
Fabian lächelte sie beruhigend an. Oh ja, er liebte seinen Beruf sehr, besonders dann, wenn er einem treuen Vierbeiner helfen konnte und den Besitzer damit glücklich machte. „Das verspreche ich dir, Jenny. Der Racker wird wieder. Nächste Woche springt er wieder herum, als wäre nie etwas gewesen.“ Er wandte sich an die Mutter der Kleinen und gab ihr ein paar Instruktionen, was die Verabreichung des Medikaments betraf und sah zufrieden dabei zu, wie die beiden den sich sträubenden Kater in die Transportbox verfrachteten.
„Bitte lassen Sie sich noch einen Termin für eine Kontrolluntersuchung in der nächsten Woche geben“, bemerkte er und verabschiedete sie anschließend. Als die Tür des Behandlungszimmers ins Schloss fiel, atmete Fabian tief durch. Dieser Montag hatte es in sich. Neben den Patienten, für die es Termine gab, waren diverse Notfälle in seiner Praxis angekommen. Dazu gehörte auch Moritz, der bei seinem nächtlichen Herumgestreune wahrscheinlich einem Artgenossen ins Gehege geraten war und dabei erkennbar den Kürzeren gezogen hatte.
Ein Lächeln stahl sich auf Fabians Gesicht. Vor drei Jahren hatte er in seinem kleinen Heimatdorf seine Tierarztpraxis eröffnet und sich rasch einen guten Namen gemacht. Besonders bei den jungen Besitzern der von ihm behandelten Vierbeiner war er sehr beliebt, weil er sich gut in die Ängste und Sorgen der Kinder und Jugendlichen hineinversetzen konnte, die diese um ihre Lieblinge hatten. Er selbst hatte immer Hunde gehabt und sich in seinem Leben bereits von dem ein oder anderen verabschieden müssen. Fabian wusste also ganz genau, was in den Herrchen und Frauchen seiner Patienten vorging, und so war er nicht nur Tierarzt, sondern ab und zu auch Seelsorger. Er sah es als seine Passion an, sich ebenso um die Menschen zu kümmern wie um die Tiere. Oft genug kam es vor, dass er seine Sprechstunde verlängerte, weil ein Notfall hereinkam und genauso oft kümmerte er sich an seinen freien Wochenenden um kranke und verletzte Tiere. Allerdings stieß auch Fabian hin und wieder an seine Grenzen. So wie gerade jetzt. Er war müde und ausgelaugt. Sein Kopf schmerzte, und wenn er daran dachte, was für heute noch auf dem Terminkalender stand, fühlte er sich noch schlechter. Er brauchte dringend einen Kaffee. Das würde eventuell helfen. Fabian begab sich zur Tür und wollte diese öffnen, als ihn das Summen seines Smartphones davon abhielt.
„Ja?“, brummte er, als er das Gespräch angenommen hatte.
Susanna rief - wie immer - zu einem extrem ungünstigen Zeitpunkt an. „Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht“, trällerte sie.
„Viel Arbeit“, gab er zurück.
„Dann will ich auch gar nicht lange stören“, erwiderte sie. „Hast du dir den Link mal angeschaut, den ich dir gestern geschickt habe?“
„Sanna, DESHALB rufst du an?“ Unwillig schüttelte Fabian den Kopf. Er wusste natürlich sofort, welchen Link sie meinte und er hatte ihn sich angeschaut. Sogar mehrmals. Und es gefiel ihm, was er dort gesehen hatte. Aber mehr gab es dazu nicht zu sagen.
„Komm schon, hast du?“, hakte sie nach. „Die sind geil, oder?“
„SUSANNA, ich hab für so einen Unsinn keine Zeit. Das Wartezimmer ist bis zum Bersten voll mit Patienten. Außerdem habe ich Kopfschmerzen und brauche dringend einen Kaffee. Wenn es also nichts Wichtiges gibt, würde ich jetzt gerne weiterarbeiten.“ Fabian schnaufte laut. Er war ziemlich unhöflich, aber das war ihm egal.
„Fabi, du brauchst mehr Abwechslung, und diese Kerle - oder zumindest einer von ihnen - könnte dir mit Sicherheit …“
„SUSANNA, es reicht“, schnauzte er seine Schwester an. „Und Tschüss!“ Fabian drückte das Gespräch weg und warf das Smartphone auf seinen Schreibtisch. Keine Sekunde später tat ihm sein Verhalten leid. Susanna meinte es nur gut, doch irgendwann musste sie akzeptieren, dass er sich um sein Privatleben selbst kümmern konnte. Vor allem, weil seine Vorstellungen von einem erfüllten Leben deutlich andere waren als ihre. Sie bestand darauf, dass er unbedingt einen Partner bräuchte und gab sich keinesfalls damit zufrieden, dass er sein Leben mit seinen beiden Golden Retrievern Caspar und Cleo und seinem Beruf als äußerst erfüllend empfand. „Sanna, Sanna, Sanna“, murmelte Fabian vor sich hin. Heute Abend würde er sich bei ihr entschuldigen, aber jetzt gingen seine Patienten vor. Er öffnete die Tür des Behandlungszimmers, bat seine Assistentin Bettina um einen Kaffee und rief den nächsten Patienten herein.
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„Endlich Feierabend“, seufzte Fabian. Vor zehn Minuten hatte er die Tür zur Praxis abgeschlossen und war auf dem Weg in seine Wohnung, die erfreulicherweise im gleichen Haus lag. Er hatte unglaubliches Glück gehabt, dass er diese Immobilie vor drei Jahren hatte erstehen können, nachdem er sich dazu entschieden hatte, sich selbstständig zu machen. Es vereinfachte sein Leben ungemein, dass er keinen langen Arbeitsweg hatte, der ihm noch mehr Freizeit raubte, als es sein Beruf ohnehin schon tat.
Auch heute erwies es sich wieder als ausgesprochen günstig, denn es war inzwischen bereits nach 19.00 Uhr. Für einen Freitag war es, wie so oft, ziemlich spät geworden und in einer Stunde war er mit Susanna, die seine Entschuldigung am Anfang der Woche angenommen hatte, zum Essen verabredet. Eigentlich war er viel zu erschöpft, um auszugehen, zumal er am Wochenende Notdienst hatte, doch er brachte es nicht über sich, seiner Schwester abzusagen. Also schleppte er sich die Treppe hinauf, betrat seine Wohnung und wurde dort freudig von seinen Hunden begrüßt. Zum Glück war seine Praktikantin am Nachmittag bereits mit den beiden spazieren gegangen, ansonsten hätte er dies auch noch übernehmen müssen.
„Ihr Süßen, ich verspreche euch, dass wir morgen einen richtig tollen Spaziergang machen“, erklärte er seinen Vierbeinern, die ihn erwartungsvoll ansahen. Er nahm sich die Zeit für eine ausgiebige Streicheleinheit für Caspar und Cleo und hoffte, dass sein Bereitschaftsdienst ihn nicht davon abhielt, dieses Versprechen einzuhalten. Als die Hunde sich einigermaßen beruhigt hatten, ging er in die Küche, füllte ihre Näpfe mit Futter auf und sorgte für frisches Wasser. Anschließend machte er sich auf den Weg ins Bad. Wollte er Susanna nicht warten lassen, durfte er keine Zeit mehr verschwenden.
Fabian war gerade aus seinen Sneakers gestiegen, als die Türglocke anschlug. „Verdammt“, fluchte er. „Ich hab keine Zeit.“ Er zog seinen Pullover über den Kopf und beschloss, den Besucher oder späten Patienten zu ignorieren. „Komm morgen früh wieder“, brummte er, doch die Glocke läutete erneut. Wer auch immer an seiner Tür klingelte, war ziemlich penetrant. „Scheiße.“ Fabian konnte sich diesem Lärm nicht entziehen. Außerdem meldete sich sein schlechtes Gewissen. Er war Tierarzt und er konnte niemanden ignorieren, der – das erneute Läuten ließ das vermuten – dringend seine Hilfe brauchte. Also stürmte er im Shirt und auf Socken die Treppe hinunter und öffnete die Tür.
Bevor er etwas sagen konnte, hörte er die tränenerstickte Stimme eines Mannes, der ein undefinierbares Knäuel in den Armen hielt. „Bitte helfen Sie mir, Herr Doktor. Coco wurde angefahren. Sie blutet überall. Ich hab nicht aufgepasst …“ Ein unterdrücktes Schluchzen drang an Fabians Ohren.
„Kommen Sie rein“, forderte er den Mann auf. Im beleuchteten Hausflur konnte er sich ein erstes Bild machen. Den jungen Mann, der vollkommen fertig war und am ganzen Körper zitterte, kannte er nicht. Vorsichtig nahm er ihm das Bündel aus den Armen. „Bitte folgen Sie mir“, forderte er ihn auf, während er sich auf den Weg in einen Behandlungsraum machte. Er schaltete das Licht ein und legte das blutverschmierte Fellknäuel vorsichtig ab.
„Wird sie es schaffen?“ Die Stimme des Mannes klang dünn.
„Ich muss sie mir erst einmal ansehen.“ Fabian wickelte das Bündel vorsichtig aus. Bei seiner Patientin handelte es sich um einen West Highland White Terrier, dessen weißes Fell blutverschmiert war. Die Hündin wimmerte leise. Fabian war schockiert. Ohne das kleine Knäuel einer genaueren Untersuchung zu unterziehen, erkannte er, dass es Coco schlimm erwischt hatte. Routiniert und in dem Versuch, die Hundedame nicht unnötig zu quälen, tastete er sie ab und sah sich die Verletzungen genauer an. „Ich werde Coco röntgen und anschließend wahrscheinlich operieren müssen“, stellte er fest, während er eine Blutung zu stillen versuchte.
Ein Schluchzen hallte durch den Behandlungsraum. „Oh nein“, stieß der junge Mann aus und Fabian sah ihm seine Verzweiflung an.
„Ich tue, was ich kann“, sagte er. „Bleiben Sie bitte noch einen Moment bei ihr. Ich muss meine Assistentin anrufen.“ Fabian verließ den Behandlungsraum, wählte Bettinas Nummer und hoffte, dass sie so spät noch einspringen konnte. Ohne Assistenz wollte er den Eingriff nicht vornehmen, zumal er noch nicht ganz genau wusste, was auf ihn zukommen würde. Die Röntgenuntersuchung würde Aufschluss über das ganze Ausmaß der Verletzungen geben.
„Neumann“, meldete sich seine Sprechstundenhilfe, Assistentin und Freundin Bettina in seine Gedanken hinein.
„Ich bin´s. Ich hab ´nen Notfall reingekriegt. Kannst du mir helfen?“, fragte er knapp.
„Bin in zehn Minuten bei dir“, kam die ebenfalls kurze Antwort. Fabian atmete erleichtert auf. Auf Betty war immer Verlass. Fabian ging durch seine Praxisräume und bereitete die Röntgenuntersuchung und den Operationsraum vor. Dabei fiel ihm auf, dass er immer noch auf Socken unterwegs war - und auch der Grund hierfür. „Ach Mist“, stieß er aus. Er nahm sein Smartphone zur Hand und rief Susanna an. Mit kurzen Worten erklärte er ihr die Situation. Sie versprach, die Reservierung abzusagen und sich morgen bei ihm zu melden. Susanna war sehr verständnisvoll, wenn es um seinen Beruf ging und daher war die Absage für sie kein Problem.
„Herr Doktor.“ Der Verzweiflung, die in diesem Schrei lag, erregte Fabians komplette Aufmerksamkeit. Eilig stürmte er in das Behandlungszimmer zurück, in dem der junge Mann völlig aufgelöst bei seiner Hündin stand. „Sie … Ich glaub … Sie atmet nicht mehr.“ Verheulte braune Augen blickten Fabian bestürzt entgegen.
„Lassen Sie mich mal ran.“ Fabian trat an den Behandlungstisch. Erleichtert stellte er fest, dass Coco noch atmete, jedoch deutlich flacher als vorhin. Das Wimmern hatte aufgehört. Lange konnte er nicht mehr warten.
„Wird sie sterben?“, fragte der junge Mann unglücklich.
Fabian trat zu ihm. „Herr …?“ Ihm fiel auf, dass er den Namen nicht kannte.
„Elias Richter“, stellte der sich nun vor.
„Herr Richter, ich werde Coco jetzt röntgen. Danach entscheide ich, was zu tun ist. Ich kann Ihnen nichts versprechen. Sie ist schwer verletzt und hat viel Blut verloren. Am besten fahren Sie nach Hause. Ich melde mich bei Ihnen, sobald ich …“
„Ich kann meine Süße doch nicht alleine lassen“, begehrte Elias auf.
„Sie können momentan nichts für sie tun“, versuchte Fabian es erneut. Er würde seine Hunde auch nicht alleine lassen. Na ja, blöder Vergleich, denn er konnte seinen Tieren ja selbst helfen, oder eben auch nicht. Und genau das befürchtete er bei Coco. Er schätzte die Chancen für das kleine weiße Knäuel als sehr gering ein. Nur das würde er Herrn Richter im Augenblick ganz bestimmt nicht sagen. Dieser Junge war schon jetzt derart mit den Nerven runter, dass Fabian einen kompletten Zusammenbruch nicht riskieren wollte. „Elias, fahren Sie heim. Bitte. Ich melde mich bei Ihnen“, beschwor Fabian den Hundebesitzer.
„Kann ich nicht wenigstens hier warten, bis Sie mir mehr über Cocos Zustand sagen können?“ Elias sah Fabian hilfesuchend an.
„Okay, nehmen Sie im Wartezimmer Platz, aber es wird dauern“, antwortete der.
„Das ist egal. Dankeschön.“
Fabian nahm Coco auf die Arme und trug sie aus dem Behandlungsraum zum Röntgen. Elias ließ er im Wartebereich zurück, in den gerade Bettina trat. „Gut, dass du hier bist“, begrüßte er sie. „Komm mit, die Uhr tickt.“ Er ließ Bettina gerade noch die Zeit, sich Herrn Richter vorzustellen, dann ging er mit ihr gemeinsam in den Röntgenraum.
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„Scheiße, scheiße, scheiße!“ Fabian sah erschöpft auf Coco. Momentan schlief sie, da die Narkose noch wirkte. „Sie wird es nicht schaffen.“ Wie sollte er das nur ihrem Herrchen beibringen?
„Du hast getan, was du konntest.“ Bettina legte ihm einen Arm um die Schulter.
„Manchmal ist das aber nicht genug“, sagte er resigniert. Fabian hasste es zutiefst, wenn er einem seiner Patienten nicht helfen konnte.
„Noch ist es gar nicht entschieden. Solange sie atmet, besteht auch Hoffnung“, bemerkte Bettina.
„Es ist nett, dass du mir Zuversicht schenken willst, aber du weißt selbst, dass das Tier enorm viel Blut verloren hat.“
„Sie heißt Coco“, erinnerte Bettina ihn sanft.
„Das ist mir bekannt“, blockte Fabian ab. Er versuchte, etwas Distanz zu schaffen, um im Falle eines Falles nicht auch zu trauern, aber er wusste schon jetzt, dass ihm das sowieso nicht gelingen würde. „Ich gehe und erkläre dem aufgelösten Häufchen Elend im Wartezimmer, worauf er sich einstellen sollte.“
„Okay, mach das. Ich räume derweil auf und lege Coco zum Aufwachen …“
„Betty, ich nehme sie nachher mit zu mir nach oben. Ich will in ihrer Nähe sein“, gab Fabian zurück.
Seine Assistentin nickte und begann damit, den OP sauberzumachen. „Ich mach hier eben Ordnung und hau dann gleich ab.“
„Ja, tu das. Danke, Betty und einen schönen Abend noch.“ Fabian machte sich auf den Weg ins Wartezimmer. Elias Richter saß angespannt auf einem der Stühle. Als er ihn erblickte, sprang er auf.
„Wie geht es ihr?“, fragte er ängstlich.
Fabian sah den jungen Mann an. Er brachte es nicht übers Herz, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. „Sie ist operiert und momentan stabil. Coco hatte eine Blutung im Bauchraum, die ich stoppen konnte. Allerdings hat sie viel Blut verloren. Das Blut, welches Sie gesehen haben, stammte von einer Wunde hinter dem Ohr, die ich genäht habe. Diese Verletzung ist nicht weiter dramatisch“, berichtete er.
„Sie wird es doch schaffen?“ Sein Gegenüber sah ihn erwartungsvoll an.
„Wir müssen abwarten“, erwiderte Fabian. ‚Sie wird die Nacht wahrscheinlich nicht überstehen.‘ Nein, das konnte er dem verzweifelten jungen Mann nicht sagen, obwohl es nur fair gewesen wäre, ihm keine Hoffnung zu machen.
„Oh mein Gott, nur weil ich mal wieder telefonieren musste. Ich werde mir niemals verzeihen, wenn sie stirbt“, heulte Elias nun regelrecht auf. „Was kann ich nur tun? Darf ich sie mitnehmen?“
„Herr Richter.“ Fabian bemühte sich, ruhig zu bleiben. Es machte ihn wütend, dass Coco Opfer der Unachtsamkeit ihres Herrchens geworden war. Konnten die Menschen sich heute nicht mal auf das konzentrieren, was wichtig war? Nein, immer mussten sie noch irgendetwas nebenher erledigen. Aber es stand ihm nicht zu, Elias zu verurteilen. Dessen Schuldgefühle waren Strafe genug. „Coco bleibt bei mir. Ich werde sie beobachten und mich umgehend bei Ihnen melden, wenn sich ihr Zustand verändern sollte.“
„Das kann ich nicht annehmen. Sie haben bereits genug getan“, widersprach Elias halbherzig. Er schien am Ende seiner Kräfte.
„Doch, das können Sie.“ Fabian nickte bestätigend. „Und jetzt gehen Sie nach Hause und schlafen ein paar Stunden. Morgen sehen wir weiter.“
„Vielen, vielen Dank.“ Elias wirkte ein wenig beruhigt.
Fabian begleitete ihn zur Haustür. „Gute Nacht, Herr Richter“, verabschiedete er ihn. „Wir sehen uns morgen.“
„Auf Wiedersehen.“ Elias warf ihm einen letzten Blick zu, bevor er sich auf den Weg machte.
Fabian sah ihm einen Augenblick nach. Viel Schlaf würde er in dieser Nacht nicht finden. Wahrscheinlich ginge es Elias ebenso. Er hoffte, dass er Cocos Zustand falsch eingeschätzt hatte und sie doch eine Chance hätte, am Leben zu bleiben. Fabian schloss die Tür. Den Abend hatte er sich anders vorgestellt. Er ging in den OP und kontrollierte Cocos Zustand. Danach nahm er sie vorsichtig hoch und trug sie hinauf in seine Wohnung. Es würde eine unruhige Nacht für ihn werden, das war Fabian bewusst, ebenso wie die Tatsache, dass er, falls das Schlimmste eintreten sollte, ihren Besitzer nicht einmal informieren konnte, da er sich in der Hektik dessen Telefonnummer nicht hatte geben lassen.
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„Das darf doch wohl nicht wahr sein.“ Widerwillig öffnete Fabian die Augen. Ein Blick auf seinen Wecker verriet ihm, dass er gerade mal eine gute Stunde geschlafen hatte. Und nun weckte ihn sein Smartphone in dieser frühen Morgenstunde. „Mein Notdienst fängt doch erst in zwei Stunden an“, murmelte er vor sich hin, während er nach dem Störenfried griff und abnahm. „Krauthausen.“
„Entschuldigung … Äh … Ich meine guten Morgen“, hörte er den Anrufer stammeln. Offensichtlich war dieser auch noch nicht wirklich wach.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte Fabian pflichtbewusst. Im Stillen hoffte er, dass der Mensch am anderen Ende der Leitung sich einfach nur verwählt hatte. Das würde ihm die Chance bieten, sich wenigstens noch einmal für eine Stunde herumzudrehen. Coco hatte ihn beinahe die ganze Nacht wachgehalten. Fabian schaltete die Lampe auf seinem Nachtisch an und warf einen Blick auf das kleine Fellknäuel, welches vor seinem Bett auf einer Decke lag. Die Hündin atmete ruhig.
„Ich wollte nur wissen, wie es Coco geht.“
„Herr Richter?“ Fabian setzte sich ruckartig auf. „Wissen Sie, wie früh es ist?“, fragte er ruppig.
„Äh … Ja“, druckste sein Gesprächspartner herum. Dann hörte Fabian, wie dieser sich räusperte. „Entschuldigung, Herr Doktor, aber ich konnte nicht mehr warten. Sagen Sie mir bitte, wie es meiner Hündin geht.“
Fabian holte tief Luft. Er war nicht sauer wegen des frühen Anrufs. Er konnte Elias sogar verstehen, aber das änderte nichts daran, dass er todmüde und ziemlich mies gelaunt war. „Coco ist soweit okay. Sie hatte eine schwere Nacht, aber momentan schläft sie ruhig“, informierte er Elias kurz angebunden.
„Heißt das, dass sie es schaffen wird?“, hakte dieser nach.
„Ihre Chancen sind auf jeden Fall nicht schlechter geworden.“ Fabian schämte sich für den Ton, den er anschlug.
„Das ist jetzt eine gute Nachricht, oder?“, vernahm er die Frage von Elias.
„Ja, das ist eine gute Nachricht“, bestätigte Fabian.
„Ich … also … Danke, Herr Doktor. Ich freue mich riesig. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin.“
„Hören Sie, Herr Richter, Sie müssen mir nicht danken. Ich mache nur meinen Job. Und über den Berg ist Coco noch nicht.“
„Aber Sie sagten doch gerade …“
„Ich weiß, was ich gesagt habe“, unterbrach Fabian Elias. „Es sieht besser aus als gestern Nacht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ Er vernahm ein Geräusch, welches sich wie ein Schluchzen anhörte. Verdammt, er war auch schon sensibler gewesen. Fabian versuchte, die Situation zu retten. „Ich mach Ihnen einen Vorschlag: Kommen Sie doch einfach so gegen zehn in der Praxis vorbei. Dann können Sie Ihre Süße besuchen. Wahrscheinlich kann ich Ihnen dann schon mehr sagen.“
„Ich werde da sein“, kam es leise durch die Leitung. „Und entschuldigen Sie nochmals, dass ich Sie so früh geweckt habe.“
„Ist schon okay. Gönnen Sie sich jetzt auch noch ein wenig Schlaf.“ Fabian schoss einfach ins Blaue. Er vermutete, dass Elias in der vergangenen Nacht kein Auge zugetan hatte.
„Ich versuche es. Wir sehen uns dann später.“
„Ja, bis später.“ Fabian legte auf. Er rappelte sich hoch und wandte sich Coco zu. Sie schlief immer noch. Fabian stellte erleichtert fest, dass ihre Atmung normal war. In der Nacht hatte sie eine Krise gehabt. Nur durch sein schnelles Eingreifen hatte er das Schlimmste verhindern können. Er hatte sie noch einige Stunden beobachtet und sich irgendwann gegen fünf ins Bett gelegt und war unverzüglich eingeschlafen. Entgeistert betrachtete er nun den Wecker. 6:15 Uhr! Fabian gähnte. Es lohnte sich nicht mehr, sich noch einmal hinzulegen, da sein Wochenenddienst um 7:45 Uhr begann. Also erhob er sich schwerfällig und schleppte sich in Richtung Bad. Eine Dusche musste ihm helfen, wachzuwerden und literweise Kaffee mussten ihm helfen, wachzubleiben.
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„Oh Mann, Bruder, wenn du dich so beschissen fühlst, wie du aussiehst, dann hast du mein tiefstes Mitgefühl.“ Susanna stand vor ihm und sah ihn lächelnd an. „Sie werden alt, Herr Tierarzt“, stellte sie fest.“
„Charmant wie immer“, grummelte Fabian. Seine Schwester sah an diesem Morgen unverschämt frisch und ausgeschlafen aus und schien vor Energie nur so zu sprühen. Als er sie betrachtete, fühlte er sich tatsächlich alt, was allerdings auch daran liegen mochte, dass er zehn Jahre älter war als sie. „Was führt dich denn her?“, wollte er wissen, während Susanna näher auf ihn zutrat und ihm eine Tüte vor die Nase hielt, aus der es verführerisch duftete.
„Frühstück“, erwiderte sie. „Das brauchst du viel dringender, als ich dachte.“
„Du bist ein Schatz. Geh schon nach oben. Ich komm nach, sobald ich hier unten fertig bin.“ Fabian hatte noch einen Patienten, der mit seinem Frauchen auf ihn wartete. Er sah seiner Schwester nach, die die Stufen zu seiner Wohnung hinaufging. Anschließend betrat er den Behandlungsraum, in dem die kleine Ella mit ihrem Meerschweinchen wartete, das bei einem Gerangel mit seinem Stallgefährten eine Bissverletzung am Ohr erlitten hatte. Fabian beruhigte zunächst das Mädchen, dann desinfizierte er die Wunde des Nagers. Er versicherte Ella, dass sie sich keine Sorgen um ihren Liebling machen bräuchte, schenkte dem Kind einen Lutscher und verabschiedet sich dann. So machte ihm der Notdienst Freude. Seinetwegen konnte es bis zum Ende des Tages so bleiben. Aber die Erfahrung lehrte ihn, dass er auch heute noch mehr brauchen würde, als ein wenig Wasserstoffperoxid und einen Lutscher.
Fabian wusch sich die Hände und ging in seine Wohnung. Der Duft von frischem Kaffee waberte ihm entgegen. Er hörte Musik, die eindeutig aus der Küche kam und Susannas Stimme, die den Song laut mitsang.
„Sanna, geht das auch ein bisschen leiser?“, fragte er, als er eintrat und sich an den Tisch setzte.
„Ginge schon, aber diese Mucke funktioniert nur in laut“, gab sie lachend zurück, als sie ihm Kaffee eingoss. „Trink und iss erst einmal was“, forderte sie ihn auf, drehte dann doch das Radio ein wenig leiser und setzte sich zu ihm. „Viel geschlafen hast du nicht, oder?“, wollte sie wissen, während sie ihn aufmerksam musterte.
„Etwa eine Stunde“, antwortete er, bevor er einen Schluck Kaffee trank. „Der ist gut, Süße“, lobte er seine Schwester. „Sag mal, was verschafft mir denn die Ehre deines frühen Besuchs? Normalerweise pennst du um diese Zeit doch noch.“
„Muss es einen Grund dafür geben, dass ich dich besuche?“ Susanna sah ihren Bruder durchdringend an. „Nein, natürlich nicht. Ich freu mich ja auch, aber ich bin total fertig. Coco hat mich beinahe die ganze Nacht wachgehalten.“
„Coco?“ Susanna kicherte. „Seit wann verbringst du deine Nächte mit Stripperinnen? Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?“
„Albernes Gör“, schimpfte Fabian. „Coco ist der Notfall von gestern Abend.“
„Red dich nicht raus.“ Susanna konnte sich kaum halten vor Lachen, doch dann wurde sie ernst. „So schlimm?“, fragte sie schuldbewusst, als sie in Fabians Gesicht schaute.
„Ja, Sanna, so schlimm. Eine Westie-Hündin, die angefahren wurde. Es ist immer noch nicht raus, ob sie es schaffen wird“, erklärte ihr Bruder.
„Oh shit, sorry, dass ich so unsensibel war“, gab sie kleinlaut zurück. „Wer ist der Besitzer? Kenne ich den?“, wollte sie wissen.
„Ein Herr Richter, und ich glaube nicht, dass du ihn kennst. Er stand gestern vollkommen aufgelöst vor der Tür.“ Fabian warf einen Blick auf die Küchenuhr. „Wenn du noch ein wenig bleibst, kannst du ihn aber kennenlernen. Er kommt in einer halben Stunde hierher.“
„Ist er nett?“, fragte Susanna interessiert.
„Keine Ahnung“, gab Fabian gleichgültig zurück. Er goss sich einen neuen Kaffee ein und biss endlich in das Brötchen, welches er sich während des Gesprächs belegt hatte. „Hmmm, das ist gut“, entkam es ihm hingerissen. „Ich habe gar nicht gewusst, wie hungrig ich bin.“ Genussvoll verspeiste Fabian die erste Hälfte und bestrich gerade die zweite mit Butter, als es klingelte. „Och nee, nicht jetzt.“
Er wollte aufstehen, doch Susanna war schneller. „Ich mach auf“, schlug sie vor. „Wenn es ein Patient ist, verfrachte ich ihn ins Wartezimmer, bis du mit dem Frühstück fertig bist“, bot sie an und eilte aus der Küche.
„Meine heldenhafte Retterin“, bemerkte Fabian liebevoll und entspannte sich. Susanna half hin und wieder in seiner Praxis aus und so konnte er sich darauf verlassen, dass sie einschätzen konnte, ob er sich noch ein paar Minuten Ruhe gönnen durfte. Fabian goss sich einen weiteren Kaffee ein, nahm einen Schluck und lehnte sich anschließend zurück. Was würde er darum geben, sich für ein paar Minuten hinlegen zu können. Er schloss die Augen und gab sich diesem angenehmen Gedanken hin, als die Küchentür aufgerissen wurde.
„Fabi“, rief Susanna.
Erschrocken fuhr Fabian hoch. „So dringend?“ Er sprang auf und stürmte auf seine Schwester zu. „In welchem Behandlungsraum?“, wollte er wissen, während er aus der Küche stürmte und beinahe mit Elias Richter zusammengestoßen wäre. „Was ist hier los?“ Irritiert sah Fabian seine Schwester an. „Warum brüllst du hier so rum, als ginge es um Leben und Tod?“
„Weil du mir verschwiegen hast, dass Elias das Herrchen von Coco ist“, antwortete sie vorwurfsvoll.
Ohne zu verstehen, was Susanna eigentlich von ihm wollte, wandte er sich an den jungen Mann, der vor ihm stand und sich sichtlich unwohl fühlte. „Sollte ich Sie kennen?“, fragte er.
„Auf jeden Fall kenne ich Susanna, Herr Doktor“, erwiderte dieser.
„Lass den Doktor. Fabian ist nur Arzt“, mischte sich Susanna ein. „Und ihr beide leidet wohl unter Demenz. Verdammt, Elias, das da ist mein großer Bruder.“
„Und wer genau sind Sie, Herr Richter?“ Fabian war vollkommen durcheinander. Bei genauem Hinsehen kam ihm dieser Mann vage bekannt vor.
„Wir waren bis vor einigen Jahren Nachbarn“, gab dieser zurück.
„Richter?“ Fabian dachte nach, dann brach er in Gelächter aus, weil er sich erinnerte. „Der kleine Elias“, stieß er aus. „Schwesterchen, warst du nicht mal unsterblich in ihn verliebt?“
„FABI!“ Entsetzt sah Susanna ihren Bruder an, und auch Elias schien der Verlauf des Gesprächs nicht angenehm zu sein, denn er errötete. Fabian nutzte die Verwirrung der beiden aus. „Elias, du bist sicher nicht hier, um über alte Zeiten zu sprechen“, mutmaßte er.
„Ähem … Nein. Wie geht es Coco?“, fragte Elias. „Darf ich sie sehen?“
„Aber natürlich. Komm mit“, forderte Fabian den Hundebesitzer auf. „Susanna macht sicher noch frischen Kaffee. Dann könnt ihr beide nachher Kindheitserinnerungen austauschen. Meine Küche ist eure Küche.“ Fabian lachte in sich hinein. Susanna hätte ihn mit ihren Blicken getötet, wenn es ihr möglich gewesen wäre. Er wusste, dass er ein bisschen gemein zu ihr war, doch da musste sie jetzt durch. Fabian war sicher, dass Elias und sie sich später bestimmt gut unterhalten würden. „Na, nun komm schon mit. Deine Süße wartet“, forderte er Elias nun erneut auf und führte ihn zu seiner Hündin.
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Fabian betrachtete Elias, als der sich Coco widmete, die er aus seinem Schlafzimmer in einen Behandlungsraum gebracht hatte. Dabei stellte er fest, dass der niedliche Bengel, an den er sich nun wieder ganz genau erinnerte, zu einem durchaus attraktiven Mann herangewachsen war. Liebevoll redete Elias auf seine Hündin ein, die ihn mit ihren braunen Augen anschaute. Elias wandte sich Fabian zu. „Sagen Sie mir bitte die Wahrheit“, bat er. „Wird Coco wieder gesund?“
„Das wird sie, Elias. Jetzt bin ich mir sicher“, antwortete Fabian.
„Gestern nicht, oder?“, hakte Elias nach.
„Nein, gestern stand es auf Messers Schneide“, gestand Fabian.
„Dann haben Sie mich belogen“, warf Elias ihm vor.
„Genaugenommen habe ich das“, gab Fabian zu. „Aber sei mal ehrlich: Hätte es dir irgendwas gebracht, wenn ich dir jede Hoffnung genommen hätte? Manchmal muss man einfach abwarten, was geschieht.“
„Na ja, irgendwie haben Sie ja recht.“ Elias schaute Fabian in die Augen. „Auf jeden Fall bin ich Ihnen …“
„Jetzt hör endlich mit diesem Sie auf, schließlich kennen wir uns doch schon einige Jahre.“
„Okay“, stimmte Elias zu. „Ich danke dir für das, was du getan hast.“
„Ich habe dir heute Morgen bereits am Telefon gesagt, dass du mir dafür nicht danken brauchst. Das ist mein Job. Und wenn Coco nicht so eine Kämpferin wäre, hätte ich ihr auch mit all meinem Können nicht helfen können“, erklärte Fabian.
„Trotzdem.“ Elias reichte ihm die Hand. „Vielen, vielen Dank. Ich bin total erleichtert.“
„Das kann ich mir vorstellen“, gab Fabian zurück. „Und nun geh zu Susanna. Ihr habt euch bestimmt noch einiges zu erzählen.“
„Eigentlich habe ich gar keine Zeit.“
„Quatsch, für ´nen Kaffee reicht es bestimmt. In der Zeit wechsle ich den Verband und dann kannst du deine Coco mitnehmen.“ Fabian ließ den Widerspruch nicht zu. Er wusste, dass es seine Schwester sehr freuen würde, noch ein wenig Zeit mit Elias verbringen zu können.
„Verschwinde, ich bin gleich bei euch.“ Er warf Elias raus und kümmerte sich um die Hündin. „So, Süße, jetzt kannst du mit deinem Herrchen nach Hause“, raunte er ihr zu. Coco leckte ihm die Hand. Fabian nahm sie hoch und machte sich mit ihr auf den Weg in die Küche. Schon vom Flur aus hörte er das muntere Gebrabbel seiner kleinen Schwester. Sie schien ganz in ihrem Element. Fabian stieß die Tür mit einem Fuß auf. „Na, ihr beiden. Stör ich?“, fragte er provozierend.
„Spinner. Komm rein. Elias hat mir erzählt, was er in den letzten Jahren so gemacht hat“, sprudelte es aus Susanna heraus.
„Aha.“ Fabian legte Elias seine Hündin in die Arme und setzte sich.
„Ja, stell dir vor, Elias studiert Biotechnologie. Er hat aber gerade ein Urlaubssemester, weil seine Oma gestürzt ist, nun im Krankenhaus liegt und er sich um ihr Haus und Coco kümmert und außerdem …“
„Susanna, ich glaube, das interessiert deinen Bruder nicht“, unterbrach Elias den Wortschwall.
„Warum sollte mich das nicht interessieren?“ Fabian lehnte sich zurück und entledigte sich seiner Schuhe. „So wie es aussieht, habe ich gerade nichts Besonderes vor. Und ich bin brennend an deiner Lebensgeschichte interessiert“, neckte er die beiden jungen Leute, die er grinsend ansah. Elias war, wenn er sich recht erinnerte, gut zwei Jahre älter als seine Schwester. Bereits als Kinder hatten die beiden miteinander gespielt und waren später in der Gemeinde bei den Messdienern aktiv gewesen. Als Susanna so etwa zehn Jahre alt war, hatte sie sich unsterblich in Elias verliebt. Sie war todtraurig gewesen, als Elias etwas später mit seinen Eltern aus dem kleinen Ort fortgezogen war. Damals hatte sie geschworen, sich nie wieder zu verlieben. „Weißt du eigentlich, dass du meiner Schwester damals zu ihrem ersten Liebeskummer verholfen hast?“, fragte er Elias, der sich intensiv mit Coco beschäftigte.
„Ehrlich?“ Etwas verdattert sah Elias auf.
„Mein Bruder übertreibt maßlos“, brummte Susanna missmutig.
Fabian lachte auf. „Übertreiben? Nee, Kleine. Du warst tagelang am Boden zerstört.“
„Das tut mir leid“, warf Elias ein. „Ich habe das nicht gewusst, Sanna. Aber selbst wenn, hätte das nichts genutzt. Du warst mein Kumpel. Ansonsten fand ich Mädchen doof.“ Ein schelmisches Grinsen stand in seinem Gesicht.
„Tja, das macht wohl jeder Junge durch“, spottete sie. „Bei manchen Kerlen dauert es ein Leben lang.“ Vernichtend sah sie ihren Bruder an. Anschließend wandte sie sich ihrem Jugendfreund wieder zu. „Und wie sieht es bei dir aus? Hast du eine Freundin?“, fragte sie unverhohlen.
„Nein“, erwiderte Elias. „Ich hab dir doch erzählt, was ich momentan alles um die Ohren habe. Da habe ich gar keine Zeit zu.“
„Du hast also ein Urlaubssemester und bist jetzt vorübergehend wieder hier?“ Fabian hatte sich inzwischen einen neuen Kaffee eingegossen und nippte daran. Interessiert hatte er Susanna und Elias beobachtet. War seine kleine Schwester immer noch in den Kerl verknallt? Hübsch war er ja, das musste Fabian ihm zugestehen. Die braunen, leicht gewellten Haare trug er ein wenig länger, als Fabian es für gewöhnlich an Männern attraktiv fand, doch bei Elias störte es ihn nicht. Er fand es sogar irgendwie niedlich und er wusste, dass Susanna total darauf abfuhr. „Und Coco ist gar nicht dein Hund, sondern der von deiner Oma?“
„Du hast es erfasst“, gab Elias zurück. „Ich weiß gar nicht, was ich ihr hätte sagen sollen, wenn …“ Er schluckte schwer.
„Mach dir keine Gedanken mehr darüber. Coco wird gesund. Das hoffe ich übrigens auch sehr für deine Großmutter.“ Fabian kannte die alte Dame und wunderte sich kurz darüber, dass sie nie mit ihrer Hündin bei ihm in der Sprechstunde gewesen war.
„Danke dir“, erwiderte Elias lächelnd.
‚Ist der süß!‘ Fabian hasste sich für diesen Gedanken und versuchte, ihn abzuschütteln. Das war jedoch gar nicht so einfach, da Elias sich nun wieder Coco widmete. Sein Blick klebte förmlich an der Hundedame, als er sie streichelte. Er sah entspannt und glücklich aus. Und süß!
„Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll, Fabian“, stieß er aus und sah Cocos Retter dankbar an.
„Mir wird schon was einfallen“, erwiderte er. „Zunächst reicht es mir schon, wenn du meine Rechnung bezahlst und nächste Woche noch einmal mit Coco zu mir kommst.“ Fabian grinste breit.
„Oh shit, da war ja noch was.“ Elias lachte befreit auf. „Ich hoffe, du akzeptierst Ratenzahlung.“
„Gewöhnlich kassiere ich in einer Summe und bar“, antwortete Fabian. „Aber falls es da ein Problem gibt, kannst du deine Schulden gerne abarbeiten.“
„Bruder, wie bist du denn drauf?“, stieß Susanna tadelnd aus. Ihre Verblüffung war ihr anzumerken. Auch Elias schaute Fabian so überrascht an, dass dieser lachen musste.
„Was?“, fragte er gedehnt. „Wäre doch auch eine Möglichkeit, falls du ein wenig klamm bist, Elias.“ Er warf dem jungen Mann einen fragenden Blick zu, dann schüttelte er den Kopf. „Keine Sorge, im Notfall akzeptiere ich auch Ratenzahlung.“
„Na, Gott sei Dank“, entwich es Elias erleichtert. „Was bin ich dir schuldig?“
„Das klären wir, wenn deine kleine Maus wieder komplett genesen ist“, erwiderte Fabian.
„Das ist eine Ansage“, freute sich Elias. „Und nun muss ich los.“
„Schon?“, wollte Susanna wissen. „Wir haben doch noch so viel zu bequatschen“, maulte sie nicht ohne Enttäuschung.
„Na gut, für einen Kaffee reicht die Zeit wohl noch“, lenkte Elias ein. Fabian bemerkte das Strahlen auf dem Gesicht seiner Schwester. Er sah seine Vermutung von vorhin bestätigt. Susanna hing offensichtlich immer noch an dem besten Freund ihrer Kinderzeit, obwohl sie sich ewig nicht gesehen hatten. Die erste Liebe ist eben etwas ganz besonderes.
„Dann mach ich jetzt mal eine Runde mit Cleo und Caspar. Die beiden sind bestimmt schon ganz scharf drauf“, bemerkte Fabian. „Ich nehme mein Smartphone mit. Susanna, bist du so lieb und hältst die Stellung, bis ich wieder da bin?“
„Klar doch“, bestätigte die.
Fabian stand auf. „Elias, es war schön, dich mal wieder zu sehen. Pass auf, dass Coco möglichst ruhig bleibt. Am Dienstag will ich sie dann noch einmal sehen. Und falls etwas sein sollte, ruf einfach an.“ Fabian reichte ihm die Hand, die dieser ergriff. Wow, dieser Händedruck hatte was. Ein Schauer durchlief Fabian, als er in Elias´ braune Augen sah.„Alles klar, und nochmals vielen, vielen Dank“, sagte er.
„Wir sehen uns dann Dienstag“, brachte Fabian gerade so heraus. Es wurde wirklich Zeit, zu gehen. „Tschüss, Elias. Bis später, Susanna.“ Fabian ging zur Tür.
„Sag mal, hast du nicht was vergessen?“, drang die Stimme seiner Schwester an sein Ohr.
„Nee, ich hab alles“, gab er zurück, doch dann sah er seine Füße. „Shit“, brummte er, als er das Gelächter von Elias und Susanna vernahm.
„Dein Bruder scheint nicht so auf Schuhe zu stehen“, bemerkte Elias. „Gestern hat er mir auch auf Socken geöffnet“, erklärte er Susanna.
„Das hast du bemerkt?“ Fabian wunderte sich darüber, da er darauf gewettet hätte, dass solche Nebensächlichkeiten am gestrigen Abend spurlos an Elias vorbeigegangen waren. Anscheinend hatte er sich da geirrt.
„Als du mich ins Wartezimmer verbannt hast, hab ich es gesehen“, gestand Elias.
„Fabi läuft gern auf Socken oder barfuß“, gab Susanna, sehr zu Fabians Missfallen, ihren Senf dazu.
„Na und?“, brummte Fabian, bückte sich nach seinen Schuhen und verließ dann ohne weitere Worte die Küche. Er befreite seine Retriever aus seinem Wohnzimmer, in die sie von Susanna verbannt worden waren. Cleo und Caspar begrüßten ihn schwanzwedelnd. Nach einer Knuddelrunde mit seinen beiden Lieblingen stieg Fabian in seine Schuhe, schnappte sich die Leinen und stiefelte, gefolgt von seinen Hunden, die Treppe hinab. Er freute sich auf den Spaziergang. Er musste den Kopf frei kriegen, in dem sich gerade alles um Elias drehte.
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„He, meine Süße, ich bin so froh, dass es dir wieder besser geht.“ Elias legte Coco vorsichtig in ihr Körbchen. Seine Erleichterung kannte keine Grenzen, denn er liebte die Hündin heiß und innig, obwohl er nur ihr Dogsitter war. Er hätte es sich nie verziehen, wenn seine Unaufmerksamkeit vom Abend vorher sie das Leben gekostet hätte.
Es war nämlich wie immer gewesen. Elias war einmal mehr in Zeitnot, hatte während des kurzen Spaziergangs telefonisch Termine abgesprochen und darüber nachgedacht, ob er seine Schritte für die anstehenden Auftritte auch wirklich drauf hatte. Irgendwann war Coco ihm dann ausgebüchst. Elias fragte sich immer noch, wie sie es geschafft hatte, sich von ihrem Halsband zu befreien. Aber das war müßig. Fakt war nämlich, dass lautes Gehupe und quietschende Reifen ihn aus seinen Gedanken aufgeschreckt hatten.
Noch bevor er hinsah, wusste Elias, dass etwas Fürchterliches geschehen war. Eilig lief er zu dem inzwischen zum Stehen gekommenen Fahrzeug. Coco lag ein Stückchen davon entfernt und bewegte sich nicht. Selbst jetzt, und obwohl er inzwischen sicher sein konnte, dass die Hündin wieder gesund werden würde, verursachte ihm die Erinnerung an diese Situation immer noch mächtige Magenschmerzen. Hätte dieser Unfall nicht in unmittelbarer Nähe der Praxis von Fabian stattgefunden und hätte der Fahrer des Wagens Coco und ihn nicht unverzüglich bis zu dieser gefahren, wäre jede Hilfe für das Tier zu spät gekommen.
„Ach Süße“, seufzte Elias. Er hockte neben dem Körbchen auf dem Boden und ließ die Hündin nicht aus den Augen. Dabei schweiften seine Gedanken ab.
Fabian! Was für ein Mann! Elias grinste. Früher hatte er unglaubliche Angst vor dem großen Bruder seiner besten Freundin gehabt. Er erinnerte sich daran, dass dieser Susanna hin und wieder abgeholt hatte, wenn sie in ihrer Funktion als Messdiener unterwegs gewesen waren. Susanna hatte ihren Stolz darauf, dass sie einen Bruder hatte, der sie mit dem Auto abholen kam, nie verleugnen können und sie hatte es geliebt, ihren Freund und Nachbarn Elias ebenfalls in den Genuss dieses Fahrdienstes kommen zu lassen.
Elias hatte damals nie viel mit Fabian gesprochen, da dieser meist schlechtgelaunt und immer unnahbar gewirkt hatte. Wahrscheinlich hatte er es gehasst, seine kleine Schwester abholen zu müssen. Das war Elias heute klar. Interessiert hatte er sich für Fabian zu dieser Zeit nicht. Er war noch ein Kind und Fabian bereits ein erwachsener Mann. Es lagen acht Jahre zwischen ihnen beiden. Damals war Fabian für Elias nur Susannas etwas unheimlicher Bruder gewesen.
Doch seit dem heutigen Morgen lagen die Dinge komplett anders. Dieser Mann war der absolute Hammer. Schon gestern Abend war ihm aufgefallen, dass er es mit einem sehr sympathischen Menschen und kompetenten Tierarzt zu tun hatte. Doch beim gemeinsamen Kaffeetrinken am Vormittag hatte er festgestellt, dass Fabian absolut sein Typ war. Groß! Blond! Blauäugig! Und dazu war dieser Traumtyp -falls er Susannas Andeutung nicht vollkommen missverstanden hatte - auch noch schwul. Das war beinahe wie ein Sechser im Lotto.
„Coco, Coco, Coco“, murmelte Elias. „Wenn es irgendetwas Gutes an diesem Unfall gibt, dann ist es Fabian“, schwärmte er dem schlafenden Fellknäuel vor. Elias erhob sich vom Boden. Coco ging es soweit gut und er brauchte erst einmal eine Dusche. Anschließend würde er einen Kameraden - oder besser sofort den Kapitän - vom Tanzkorps anrufen, um sich für die Auftritte des Wochenendes zu entschuldigen. Es gab Wichtigeres als das Tanzen. Diese Erkenntnis traf ihn unerwartet, hatte er doch das ganze letzte Jahr darauf hingearbeitet, dass man ihn in diese Gruppe aufnahm. „Nächste Woche bin ich wieder dabei“, dachte Elias, während er ins Bad ging.
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„Wie stellst du dir das vor?“, schallte Michaels Stimme durch die Leitung. Elias´ Absage schien ihn absolut nicht zu amüsieren. „Unser Terminkalender für das Wochenende ist rappelvoll. Wir brauchen jeden Mann.“
Dieser Tatsache war sich Elias durchaus bewusst, doch das änderte nichts daran, dass er standhaft bleiben wollte, um sich um Coco zu kümmern. Die immer noch geschwächte Hündin brauchte ihn. Außerdem könnte er das tanzfreie Wochenende dazu nutzen, seine Großmutter endlich in der Reha zu besuchen. „Micha, nur heute und morgen“, bettelte Elias. Er fasste die Geschehnisse der vergangenen Stunden für seinen Kapitän zusammen und hoffte inständig auf dessen Entgegenkommen. „Ich kann Coco nicht die ganze Zeit alleine lassen. Bitte, Micha“, flehte Elias so herzerweichend, dass sogar die Westie-Dame, die auf seinem Schoß lag, träge den Kopf hob.
Elias wusste, dass sein Ansinnen zu einem ungünstigen Zeitpunkt kam. Einige der wichtigsten Auftritte der Session standen an diesem Wochenende an und alle Mitglieder des Korps hatten hart trainiert. Elias hatte bis zum Umfallen gekämpft, um sich endlich in der Stammformation zu etablieren. Vor einigen Wochen hatte er sein Ziel erreicht und so war es für ihn nicht leicht, diese kurze Auszeit zu erbitten. Elias konnte sich vorstellen, wie unvorbereitet seine Bitte Michael, den Kapitän und Choreografen des Korps, getroffen haben musste. Auf jeden Fall war dessen Schweigen kein gutes Zeichen. „Bist du noch dran?“, fragte er zaghaft, als er die Stille am anderen Ende der Leitung nicht mehr ertragen konnte. Ganz tief in seinem Innern bangte er um seinen Stammplatz. Michael war ein großartiger Kerl, der für seine Jungs alles tat, was in seiner Macht stand. Er hatte für all ihre kleinen und großen Probleme ein offenes Ohr und für vieles Verständnis. Einzig Unzuverlässigkeit tolerierte er gar nicht.
„Ja, ich bin noch da“, hörte Elias nun Michaels Stimme.
„Und, was ist?“ Elias´ Herz pochte heftig.
„Die heutigen Auftritte kannst du canceln, aber morgen bist du dabei. Du kannst die Jungs nicht hängenlassen“, antwortete Michael.
„Aber …“, setzte Elias an, doch er wurde unterbrochen, noch bevor er seinen Einwand formulieren konnte.
„Junge, ich verstehe, dass das für dich eine beschissene Situation ist, aber ich bitte dich darum, es am Sonntag irgendwie möglich zu machen.“
„Sonst bin ich wohl raus“, sagte Elias bitter. Ein ganzes Jahr hartes Training und eiserne Disziplin für Nichts. An die Schmerzen wollte Elias gar nicht denken. An die Knieverletzung, die seinen Traum beinahe hätte platzen lassen. Und nun war all das umsonst gewesen. Elias verbot es sich, zu weinen. Dann musste es eben so sein.
„Spinnst du?“, empörte sich Michael. „Für was für ein Arschloch hältst du mich?“
„Es klang vorhin so“, entschuldigte Elias sich. „Und ich könnte es auch verstehen.“ Das stimmte zwar nicht ganz, schließlich fehlte immer mal einer der Tänzer, aber Elias wollte Michael nicht noch mehr verärgern. „Und für ein Arschloch halte ich dich nicht, aber du bist der Kapitän der Truppe und hast die Verantwortung dafür, dass alles läuft. Es ist doch selbstverständlich, dass das Team im Vordergrund steht und nicht eine einzelne Person.“
„Nun mach mal halblang, Elias. Es ist alles okay. Heute kriegen wir das ohne dich hin, auch wenn es natürlich einige spontane Änderungen in der Choreografie erfordert. Morgen aber brauchen wir dich. Ist das klar? Kriegst du das hin?“ Michael klang deutlich versöhnlicher als noch vor einigen Minuten.
„Das schaffe ich“, antwortete Elias erleichtert. Verstohlen blickte er auf Coco, die ruhig schlief, und beinahe hätte sein schlechtes Gewissen ihr gegenüber gesiegt, doch eben nur beinahe. Es nutzte nichts: Er musste einen Ausweg finden, da er seinen Kapitän nicht enttäuschen wollte. „Ich bin morgen da. Um 12:00 Uhr ist Treffpunkt, oder?“
„Genau“, bestätigte Michael. „Bis dann, Elias. Und alles Gute für Coco.“
„Danke dir. Bis morgen.“ Elias legte auf. Das war ja gerade so noch einmal gut gegangen. Er hatte tatsächlich für einen Augenblick gedacht, Michael würde ihn ohne mit der Wimper zu zucken rauswerfen. Das hätte er nur schwer verkraften können, da er leidenschaftlich gern tanzte. Und in diesem Korps machte es gleich doppelten Spaß, schließlich tickten die Jungs dort wie er. „Danke, Micha“, murmelte Elias vor sich hin.
Jetzt musste er nur noch eine Lösung für Coco finden, denn alleine lassen konnte er sie nicht. Die Nachbarin, die sich ansonsten um sie kümmerte, konnte er nicht mit einem schwerverletzten Hund belasten, da Frau Ganser bereits sehr betagt war. Sie kümmerte sich zwar mit viel Freude um Coco, fütterte sie und ging mit ihr spazieren, aber es würde sie mit Sicherheit zu sehr aufregen, wenn sie die doch arg lädiert aussehende Hundedame zu Gesicht bekäme. Die Lösung seines Problems konnte Elias also nicht bei der Nachbarin finden und eigentlich wollte er das auch gar nicht. Denn er hatte eine Idee, deren Umsetzung er jedoch noch herauszögerte.
„Coco, du magst doch bestimmt noch mal gerne zu dem netten Tierarzt“, sprach er das Fellknäuel an. Er bekam ein leises Wimmern zu Antwort.
„Ich denke, das bedeutet ja.“ Elias sah sich bestätigt, doch schüttelte er den Kopf über sich selbst. Mit Tieren zu reden war eine Sache, aber deren Reaktion dann auch noch so zu interpretieren, wie man es gerne hätte, war absolut irre. Aber er musste Fabian einfach wiedersehen und momentan lieferte ihm die verletzte Coco den perfekten Vorwand dafür.
Normalerweise benötigte Elias solche Hintertürchen nicht, wenn er sich für einen Mann interessierte. Gefiel ihm jemand, so ging er offensiv auf das Objekt seiner Begierde zu und ließ keinen Zweifel an seinen Absichten. Bei Fabian verhielt sich das jedoch anders. Erstens war er der Bruder seiner ehemals besten Freundin und zweitens hatte Elias immer noch ein wenig Angst vor diesem Mann. Gefühle der Kindheit ließen sich nicht so einfach abstellen. Auch wenn diese unbegründete Angst von damals inzwischen in Respekt umgeschlagen war. Fabian hatte ihn schlicht und ergreifend durch sein umsichtiges und professionelles Verhalten beeindruckt, welches er am gestrigen Abend gezeigt hatte.
„Och Mensch“, murmelte Elias, als ihm einfiel, dass er eine ziemlich gute Alternative zu Fabian hätte, zumindest in Bezug auf die Unterbringung von Coco. Susanna würde ihm seine Bitte mit Sicherheit nicht abschlagen. Er hatte sich nach dem Abgang ihres Bruders am Vormittag noch eine ganze Weile mit ihr unterhalten. Beide hatten gemerkt, wie sehr sie ihre gemeinsame Kindheit immer noch miteinander verband. Allerdings befürchtete Elias, dass Fabian nicht übertrieben hatte, als er das Geheimnis von Susannas Liebeskummer preisgegeben hatte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie immer noch ein wenig verliebt in ihn war.
Damit konnte er allerdings gar nicht umgehen, denn heute fand er Frauen zwar nicht mehr doof, aber anfangen konnte er mit ihnen absolut gar nichts. Bloß wie sollte er Susanna begreiflich machen, dass sein Interesse einzig ihrem Bruder galt? „Das wird sich finden“, machte er sich gedanklich Mut. Anschließend bettete er Coco, in eine Decke gewickelt, von seinem Schoß auf das Sofa um und griff nach dem Telefon. „Jetzt oder nie“, dachte er und wählte Fabians Nummer.
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Fabian hatte sich gerade von Susanna verabschiedet, die vor Ort die Stellung gehalten hatte, bis er von seinem Spaziergang zurückgekehrt war und die Hunde versorgt hatte. Die Praxis war leer und von einem neuen Notfall noch nichts in Sicht. Fabian schnaufte durch. Er sah die Chance, sich ein wenig hinlegen zu können. Also ging er ins Wohnzimmer und machte es sich auf der Couch gemütlich. Kaum lag er lang, als auch schon Cleo und Caspar in den Raum getrottet kamen, um es sich vor dem Sofa gemütlich zu machen. Fabian grinste vor sich hin. Das war genau das, was er sich unter einem entspannten Nachmittag vorstellte. Sein Sofa, seine Hunde, seine Ruhe!
Er schloss die Augen. „Schlafen“, dachte er und in seinem Körper machte sich eine wohlige Schwere breit. Er war kurz davor, einzuschlafen, als sich ein Gesicht in seine Gedanken schlich. Elias! Verdammt, dieser Typ geisterte immer noch in seinen Gehirnwindungen herum. Fabian öffnete die Augen. Seit Jahren hatte ihm kein Mann mehr so gefallen wie dieser Bengel. Dabei konnte er nicht einmal benennen, was es war, was Elias so besonders machte. Aber vielleicht war gar nicht Elias etwas Besonderes, sondern eher seine eigene Situation.
Fabian überlegte, wann er seine letzte Affäre gehabt hatte. Er musste schon weit in die Vergangenheit zurückblicken, und wenn er ehrlich war, erinnerte er sich kaum an den Namen des Mannes, der für kurze Zeit an seiner Seite gewesen war. Letztendlich zeigte ihm das, dass er offensichtlich keinen Partner in seinem Leben benötigte. Eine Beziehung vermisste er nicht und auch Sex hatte für ihn keinen großen Stellenwert. Klar, war es nett, hin und wieder mit einem Kerl ins Bett zu gehen, aber große Wichtigkeit hatte das für Fabian nie gehabt. Aber jetzt dachte er an Elias und fand ihn süß.
Wann hatte er eigentlich angefangen, solch einen Schwachsinn zu denken? Süß? Gings noch? Zum ersten Mal hatte er dies in Bezug auf Männer an diesem vermaledeiten Samstag auf dieser Sitzung gedacht. Diese Hupfdohlen auf der Bühne hatte er süß gefunden. Und nun Elias! Was war nur mit ihm los? Litt er plötzlich unter Sexentzug, oder brauchte er einen Partner? Oder wurde er schlicht und ergreifend nur alt?
„Mensch, Hundewelpen und Katzenbabys sind süß. Selbst Babys können durchaus süß sein. Erwachsene Männer sind es aber definitiv nicht. Krieg dich wieder ein, Alter“, maßregelte er sich. Doch auch das nutzte nichts. Elias war in seinem Kopf. Aber das durfte nicht sein, denn Susanna stand immer noch auf diesen hübschen Burschen, der ihr bereits einmal – wenn auch unbeabsichtigt - das Herz gebrochen hatte. Fabian konnte es nicht zulassen, dass das noch einmal geschah.
Erschwerend hinzu kam natürlich noch, dass er schwul war und Elias nicht. Genaugenommen konnte es also nicht sein, dass er seiner Schwester einen Typen wegnahm … „Fuck, das bringt doch alles nichts“, stieß er genervt aus. „Ich dreh noch durch.“ Dieses Grübeln ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Plötzlich wünschte er sich, dass es klingeln würde und er Ablenkung bekam, aber wenn man etwas herbeisehnte, passierte es für gewöhnlich nicht.
Da Fabian sich aber nicht weiter mit seinen Gedanken beschäftigen wollte, stand er auf, balancierte über seine Hunde hinweg aus dem Wohnzimmer und ging in die Praxis. Da gab es immer was zu tun. Kaum war er dort angelangt, läutete es. „Perfektes Timing“, freute er sich und eilte zur Tür, um diese zu öffnen.
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Fabian reinigte die Behandlungsfläche und desinfizierte sie anschließend. Der Notfall, der ihn kurzfristig beansprucht hatte, war ein junger Boxerrüde mit Verdauungsbeschwerden, der absolut nichts von ihm hielt und sich mit allem, was ihm zur Verfügung stand, gegen eine Untersuchung wehrte. Doch sowas konnte Fabian nicht entmutigen. Dafür war er bereits zu lange im Geschäft und am Ende unterlag der jeweilige Patient immer. So wie in diesem Fall, auch wenn Fabian nun durchgeschwitzt war und ein Kratzer seinen linken Handrücken zierte.
„Grelliges Kerlchen“, dachte er grinsend. „Du machst deinem Herrchen bestimmt viel Freude.“ Inzwischen war Fabian fertig mit den Aufräumarbeiten im Behandlungsraum. Gerade dachte er darüber nach, was er nun tun sollte, als das Telefon klingelte.
„Krauthausen“, meldete er sich.
„Hallo, Herr Doktor.“
Fabians Herz geriet aus dem Takt, da er die Stimme sofort erkannte. „Elias, ist was mit Coco?“, fragte er und sein Puls raste nicht nur aus Sorge um die kleine Hundedame.
„Nein, sorry, ich wollte dich nicht erschrecken. Coco geht es gut“, erwiderte Elias. „Aber ich brauche dennoch deine Hilfe.“
„Lass hören“, forderte Fabian ihn, ohne nachzudenken, auf. „Was kann ich für dich tun?“
„Also, ich habe morgen ein paar wichtige Termine und muss schon am Vormittag aus dem Haus und komme erst spät …“
„Bring sie mir“, unterbrach Fabian wie aus der Pistole geschossen. Was war eigentlich mit ihm los?
„Ehrlich?“ Fabian entging nicht, dass Elias erleichtert durchschnaufte, bevor er weiter redete. „Das ist kein Problem für dich? Ich meine, ich kenn dich eigentlich nicht und überfalle dich einfach so. Du kannst auch ablehnen, ich würde das …“
„Elias, bring sie mir vorbei. Das ist okay“, fiel Fabian ihm ins Wort. „Ich habe morgen nichts vor, und ehe du die Kleine allein lässt, bringe sie mir.“ Was konnte so wichtig sein an einem Sonntag, dass man sich nicht um sein verletztes Tier kümmern konnte?
„Du bist der Größte“, stieß Elias am anderen Ende der Leitung aus. Seine Erleichterung war unverkennbar. „Ist so gegen halb elf okay?“
Natürlich war halb elf in Ordnung. Fabian hätte dies nur bestätigen müssen, doch sagte er etwas ganz anderes. „Hast du Lust, etwas früher zu kommen? Dann könnten wir noch gemeinsam frühstücken.“ Fabian fragte sich, wem diese Worte entschlüpft waren? Es konnte nicht sein, dass er Elias gerade tatsächlich zum Frühstück eingeladen hatte.
„Oh … Klar … Super“, stammelte dieser in seine Gedanken hinein. „Wann soll ich da sein?“
„Halb zehn. Und bring Brötchen mit“, entwich es Fabian, den das Gefühl beschlich, dass sich seine Zunge verselbständigt hatte.
„Mach ich glatt“, kam die Erwiderung von Elias, der ungemein fröhlich klang. „Besondere Wünsche?“
„Nein, nur Brötchen.“ Fabian musste das Gespräch beenden, denn er wollte nicht, dass sein Gesprächspartner erkannte, wie aufgeregt er war. „Ich muss Schluss machen. Entschuldige, aber ich hab zu arbeiten.“
„Sicher. Bis morgen dann“, entgegnete Elias.
„Bis morgen“, verabschiedete Fabian sich kurz angebunden und war bereits im Auflegen begriffen.
„Ich freu mich“, hallte es jedoch noch durch die Leitung.
Diese Äußerung brachte Fabian um den Rest seiner Fassung. Er drückte das Gespräch weg. Verdammt, was war das gerade? Sein Herz raste immer noch. Wieso freute dieser Kerl sich auf ein gemeinsames Frühstück? Wusste er gar nicht, was er ihm damit antat? Allein der Gedanke daran, mit Elias für einige Zeit allein zu sein, verunsicherte ihn zutiefst. Er war ein schwuler Mann, der sich in einen Hetero-Kerl verguckt hatte, der zudem noch von seiner Schwester begehrt wurde. Okay, Letzteres war eher eine Vermutung, aber das war auch egal. Irgendwie musste Fabian aus dieser vertrackten Situation wieder heraus kommen.
Vielleicht sollte er Susanna ebenfalls zum Frühstück einladen. Doch diesen Gedanken verwarf er gleich wieder, denn sich ansehen zu müssen, wie die beiden vor seinen Augen herumflirten, würde seine Kräfte übersteigen. Fabian musste da jetzt durch, das wusste er. Außerdem war es nur ein Frühstück, welches nicht ewig dauern würde, da sein Gast anschließend Termine hatte.
Es ärgerte Fabian, dass er sich überhaupt fragte, was Elias an einem Sonntag beschäftigte. Der Junge ging ihn gar nichts an und doch beherrschte er seine Gedanken. Einerseits gefiel ihm das, andererseits aber machte es ihm Angst. Er wollte sich nicht verlieben und schon gar nicht in jemanden, bei dem er absolut keine Chancen hatte.
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Seit dem Telefonat mit Fabian war Elias wie aufgedreht. Dieser Traumtyp hatte ihn zum Frühstück eingeladen. Einfach so! Er konnte sein Glück immer noch nicht fassen und so wuselte er wie ein Eichhörnchen auf Speed durch die Gegend. Er versuchte, seine Vorfreude und Nervosität in den Griff zu bekommen. Zunächst gelang es ihm, seine Energie in eine Richtung zu bündeln, die der Sauberkeit seiner Wohnung sehr zugutekam. Anschließend suchte er sein Heil in einer anstrengenden Übungseinheit auf seinem Ergometer, der Dehnübungen und Tanzschrittwiederholungen folgten. Nach einem ausgiebigen Bad bereitete Elias sich etwas zu essen zu. Während er dies auf dem Sofa sitzend verspeiste und dabei hin und wieder einen Blick auf die zu seinen Füßen liegende Coco warf, drifteten seine Gedanken ab und egal, wohin er sie auch zu lenken versuchte, irgendwann landeten sie unweigerlich wieder bei dem Tierarzt seines Vertrauens. Fabian! Oh Mann, dieser Kerl war heiß. Elias verstand selbst nicht so recht, warum er so auf ihn abfuhr, schließlich befanden sich in seinem Tanzkorps einige der heißesten Typen, die er jemals kennengelernt hatte. Doch sie alle ließen ihn vollkommen kalt. Fabian hingegen … Elias seufzte.
Auf den ersten Blick hatte er sich nicht in ihn verguckt. Das wäre kaum möglich gewesen, in Anbetracht der Situation, in der sie aufeinander getroffen waren. An diesem Abend galt Elias´ komplette Aufmerksamkeit Coco. Doch am nächsten Morgen hatte sich das Blatt gewendet. Nicht plötzlich, sondern eher ganz allmählich. Die Stunden, die Fabian, Susanna und er am Vormittag miteinander verbracht hatten, entwickelten sich zu purem Genuss für Elias, nachdem seine anfängliche Befangenheit abgeklungen war. Fabian entpuppte sich als ein absolut liebenswürdiger Mann, der seinen Job professionell, jedoch ein wenig distanziert ausführte, sich aber in seiner Freizeit vollkommen entspannt und unkompliziert gab. Und dieser Mann faszinierte Elias. Seine blauen Augen hatten es ihm angetan, ebenso wie die kleinen Lachfältchen, die sich um diese zeigten, wenn er sein freches und spitzbübisches Grinsen aufsetzte. Wie mussten diese Augen erst aussehen, wenn Fabian sich zu intensiven Gefühlen hinreißen ließ? Elias bekam eine Gänsehaut, wenn er es sich vorstellte. Und wenn er seinen Gedanken noch ein wenig mehr Freiraum ließ und sich ausmalte, dass ein sehnsuchtsvoller Blick Fabians ihm gelten könnte, dann stellten sich nicht nur die feinen Härchen an seinen Unterarmen auf.
„Fuck“, knurrte Elias, als er den nächsten Bissen seiner Mahlzeit vertilgen wollte und feststellen musste, dass sein Essen inzwischen kalt war. Er schob den Teller von sich. Essen wurde im Allgemeinen ohnehin überschätzt. Er wandte sich Coco zu, die sich in den vergangenen Stunden erstaunlich gut erholt hatte. Sie sah ihn an und Elias schmolz dahin. Er nahm sie auf seinen Schoß und streichelte sie liebevoll. Für ein paar Augenblicke war Fabian vergessen.
„Na, Hunger, Süße?“, fragte er die Hundedame. Er erhob sich vom Sofa und ging mit Coco auf dem Arm in die Küche. Dort öffnete er umständlich eine Futterdose und begann, den kleinen Vierbeiner häppchenweise zu füttern. Begeistert stellte Elias fest, dass Coco ganz gierig nach ihrem Futter zu sein schien.
„Na, übertreib mal nicht gleich“, wies er sie sanft zurecht, während sie ihm nach dem letzten Happen genüsslich die Finger ableckte. Elias lachte befreit auf. Coco hatte es geschafft. Er war nun absolut sicher. Warum hatte Fabian eigentlich bezüglich ihrer Genesung so schwarzgesehen? Elias entschloss sich, ihn morgen danach zu fragen. Dann hatte er zumindest schon mal ein Gesprächsthema, wenn sich die Unterhaltung über das Wetter und die große Weltpolitik - oder was auch immer - erschöpft haben sollte.
Elias legte Coco in ihr Körbchen und räumte das Geschirr weg. Er schaltete den Fernseher ein. Ruhe, sich einfach hinzusetzen und eine Sendung oder einen Film zu schauen, trat nicht ein. Und Elias gab sich geschlagen. Er wehrte sich nicht mehr gegen seine Gedanken, die natürlich wieder bei Fabian waren. Als dieser sich am Vormittag nach seinen Schuhen gebückt hatte, war Elias ein Anblick gewährt worden, der ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Dieses Hinterteil war eine glatte Zehn. Fuck, was tat dieser Mann dafür, um an so einen Arsch zu kommen? Ihm fielen auf Anhieb mehrere seiner Mitstreiter im Tanzkorps ein, die trotz jahrelangen Trainings nicht über so eine prachtvolle Rückansicht verfügen. „Nein, Elias, du bist nicht oberflächlich“, brummte er unzufrieden. Es war nicht fair, solch einen tollen Mann, wie Fabian, auf seinen Hintern zu reduzieren, doch dieser beherrschte momentan einfach seine Gedanken. Elias war gerade bereit dazu, sich seinen nicht ganz unerotischen Gedanken hinzugeben, als sein Smartphone läutete.
„Gott sei Dank“, stöhnte er, als er abnahm.
„Hey, Alter, na, was läuft?“, brüllte ihn jemand an.
„Juan“, säuselte Elias in die Leitung, als er die Stimme seines Tanzpartners erkannt hatte. „Bei mir läuft nichts. Viel eher sollte ich fragen, was bei dir beziehungsweise bei euch läuft?“
„Du hast zwei geile Auftritte verpasst, mein Junge. Das Publikum ging ab wie ein Zäpfchen“, erklärte Juan beschwingt. Die Geräuschkulisse im Hintergrund war nicht zu überhören.
„Musst du mich so quälen?“ Elias spürte seine Enttäuschung. Erst jetzt merkte er, wie gerne er dabei gewesen wäre.
„Sorry, aber es war so geil“, wiederholte Juan.
„Dann braucht ihr mich ja gar nicht mehr“, konstatierte Elias enttäuscht.
„Blödmann. Klar brauchen wir dich. Ich soll dich von den Jungs grüßen.“ Einen Moment lang war es beinahe gespenstisch ruhig, dann wurde es richtig laut. Alle riefen durcheinander und Elias erkannte, dass die Jungs offensichtlich mit ihm kommunizieren wollten.
„Was geht denn da ab?“, fragte er lachend.
„Wir vermissen dich.“ Elias erkannte, dass das nicht mehr Juan war, sondern Bjarne. „Die anderen lassen dich auch grüßen und wünschen Coco alles Gute.“
„Ihr seid verrückt“, gab Elias zurück. Er war ehrlich gerührt, dass seine Kollegen ihn vermissten. So lange war er noch gar nicht fester Bestandteil des Korps und dennoch schien er bereits etabliert. „Coco geht es gut und ich bin morgen wieder dabei“, erklärte er.
„Dann setz dich in dein Auto, Hase, und fahr los“, forderte Juan ihn nun auf. „Wir sind auf dem Weg in so ein Kaff in der Nähe von Aachen. Das schaffst du.“
„Heute nicht, Cielito“, erwiderte Elias. Es fiel ihm nicht leicht, seinem Freund diese Absage zu erteilen.
„Schade. Du weißt, dass nur du mich zu Bestleistungen anspornen kannst“, entgegnete Juan und legte es darauf an, Elias ein schlechtes Gewissen einzureden, denn er klang entsetzlich enttäuscht.
„Damit kommst du nicht durch, Juan.“ Elias lachte. Die Jungs waren ohne Ausnahme großartig, doch Juan stach für Elias aus dieser Gruppe noch heraus. Der durchtrainierte, kleine Halbspanier, der über jede Menge Talent verfügte, hatte sich seiner angenommen, seit er die ersten Male mittrainiert hatte. Es hatte sich eine innige Freundschaft zwischen ihnen beiden entwickelt. Wohlwollend dachte Elias an Juan, der ihm mehr als einmal dabei geholfen hatte, seine Selbstzweifel bezüglich der Tanzerei zu zerstören. Es freute ihn, dass er an ihn dachte und sich die Mühe machte, ihn an so einem stressigen Auftrittsabend anzurufen.
„Eli, was muss ich tun, damit du es dir anders überlegst?“, säuselte Juan nun in die Leitung.
„Lass es. Es geht nicht. Morgen bin ich wieder dabei.“
„Boah, bist du stur“, knurrte Juan nun. „Aber okay. Dann müssen die Damen eben ohne dich auskommen.“
„Oh shit, ich verpasse tatsächlich eine Damensitzung.“ Elias musste lachen. Diese Veranstaltungen waren immer etwas Besonderes. Die Mädels jubelten ihnen zu und es gab kaum eines, welches sich ihrer Vorstellung entziehen konnte. Es machte großen Spaß, für sie zu tanzen.
„Das tust du“, bestätigte Juan vorwurfsvoll. „Es wird dir noch leidtun.“
„Tut es jetzt schon“, gab Elias zu. „Aber es geht nun mal nicht.“
„Ist schon okay, mein Hase. Wir sehen uns morgen. Dann erwarte ich dich in Topform.“
„Versprochen. Wir werden die Hallen morgen zusammen rocken“, erwiderte Elias. Er freute sich riesig auf den kommenden Tag. „Bis dann. Hau rein, Cielito.“
„Mach ich.“ Elias schmunzelte, als er erkannte, dass das Gespräch beendet wurde. Juan war niemand, der sich lange an Floskeln aufhielt. Wenn er nichts mehr zu sagen hatte, beendete er eine Unterhaltung - einfach so. Doch Elias war ihm deswegen nicht böse. Das war typisch für ihn, ebenso wie die Eigenart, die Menschen um ihn herum mit Spitz- oder Kosenamen zu belegen. Als Juan ihn zum ersten Mal ‚Hase‘ genannt hatte, war ihm beinahe die Kinnlade heruntergefallen. Elias selbst mochte Kosenamen nicht. Auch waren ihm Abkürzungen seines Namens zuwider, doch er hatte es aufgegeben, Juan darauf hinzuweisen.
Daher hatte er eine Suchmaschine befragt und sich einen Kosenamen für Juan ausgesucht. Er fand es zwar unglaublich bescheuert, wenn sich erwachsene Männer so ansprachen, aber mit Juan funktionierte das. Anderen Männern würde er so etwas niemals gestatten. Außer vielleicht Fabian … Elias grinste vor sich hin. Natürlich Fabian! Wer auch sonst? Elias überlegte, was er mit dem verbleibenden Abend noch anfangen sollte. Er beschloss, noch einmal mit Coco in den Garten zu gehen und sich dann ins Bett zu legen. Es konnte nicht schaden, wenn er morgen früh ausgeschlafen und fit wäre.
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Fabian kontrollierte erneut den gedeckten Tisch. Butter, Kaffeemilch, Aufschnitt, diverse Marmeladen, Honig, gekochte Eier und Käse waren darauf verteilt. „Orangensaft“, murmelte er und holte eine Flasche aus dem Kühlschrank, deren Inhalt er auf zwei Gläser verteilte. Der Kaffee lief bereits durch. Fabian war nervös. Obwohl er nach seinem Notdienst hundemüde gewesen war, hatte er in der Nacht kaum geschlafen. Er war sogar noch einmal aufgestanden und hatte eine Runde mit seinen Hunden gedreht, als er gegen zwei Uhr immer noch nicht eingeschlafen war. Nur mit Mühe hatte er davon absehen können, am Grundstück von Elias´ Großmutter vorbeizugehen. Er war schließlich kein Stalker. Allerdings attestierte Fabian sich selbst eine komplette emotionale Verwirrtheit. Er war überfordert und wusste nicht, wie er damit umgehen sollte, dass Elias ihm den Schlaf raubte. Doch er musste lernen, damit klar zukommen, zumal dieser Mann gleich bei ihm zum Frühstück auftauchen würde.
Noch einmal prüfte Fabian, ob er auch nichts vergessen hatte. Erst als er eine feuchte Nase an seiner Hand spürte, wandte er sich ab. Cleo stupste ihn um Aufmerksamkeit heischend an.
„Ach, Mäuschen, was passiert nur mit mir?“, fragte er, während er seine Hündin gedankenverloren streichelte. Mit einem Schmunzeln nahm er zur Kenntnis, dass Caspar sich zu ihnen gesellte, um sich ebenfalls ein paar Streicheleinheiten abzuholen. „Bei euch beiden weiß ich wenigstens, woran ich bin“, klagte Fabian seinen Vierbeinern sein Leid. Nach einer ausgiebigen Knuddelrunde füllte er ihre Futternäpfe und beobachtete die beiden anschließend zufrieden beim Fressen. Als es klingelte, fuhr er erschrocken zusammen.
Mit einem letzten prüfenden Blick über den Tisch verließ Fabian die Küche und stürzte die Treppe hinunter. Kurz vor der Haustüre kam er zum Stehen und mahnte sich zur Ruhe. Einen tiefen Atemzug später öffnete er die Tür. Er schaute einem grinsenden Elias ins Gesicht.
„Guten Morgen, Fabian. Ich hoffe, ich bin nicht zu früh dran.“
„Absolut nicht“, brachte Fabian heraus. Er wollte seinen Gast gerade hereinbitten, als ihm Cleo und Caspar einen Strich durch die Rechnung machten. Sie stürmten auf Elias zu und umrundeten und beschnüffelten ihn neugierig. „Wow, das nenne ich mal eine Begrüßung“, stieß dieser überrascht aus.
Fabian wäre am liebsten im Erdboden versunken. Er ärgerte sich darüber, dass er versäumt hatte, seine Hunde vorübergehend ins Wohnzimmer zu sperren. „Sorry“, murmelte er kleinlaut, während er sich vergeblich bemühte, seinen Vierbeinern Einhalt zu gebieten. Was sollte Elias nur von ihm denken? Ein Tierarzt, der seine Tiere nicht im Griff hatte, ging gar nicht. Und so sah Fabian weiterhin ziemlich hilflos zu, wie Cleo und Caspar seinen Gast und besonders das, was er auf seinen Armen hielt, begutachteten.
„Nimm mir mal bitte Coco ab, damit ich deine Hunde standesgemäß begrüßen kann“, bat Elias nun. Er wollte dem überraschten Fabian das kleine Fellknäuel in die Arme legen, hielt aber inne. „Wer hat dich denn da erwischt?“, fragte er, während er Fabians Handrücken betrachtete.
„Was?“ Fabian sah Elias etwas verdattert an, wusste er doch nicht, was dieser meinte.
„Der riesige Kratzer da auf deiner Hand“, erklärte Elias.
Amüsiert besah Fabian seine Verletzung, die er längst vergessen hatte. „Och, nur ein Patient, der mich so gar nicht mochte“, erwiderte er grinsend.
„Dein Beruf ist ganz schön gefährlich“, stellte Elias fest. Er strich mit seinem Finger über den Kratzer.
Fabian schmolz bei der Berührung dahin, seine Knie zitterten leicht. „Na, so schlimm ist es auch nicht. Ein bisschen Risiko muss sein“, sagte er so lässig wie möglich. „Und nun gib mir Coco, sonst drehen meine beiden Racker noch vollständig durch“, forderte er Elias auf, der ihm die Hündin nun endlich in die Arme drückte.
Anschließend hockte sich Elias hin und stellte den Rucksack ab, den er bei sich trug. „Beim nächsten Mal bring ich euch was Feines mit, meine Hübschen“, flüsterte er den Hunden sanft zu, während er sie kraulte. „Mit den beiden hast du aber auch alle Hände voll zu tun“, konstatierte Elias anerkennend, als er seine Schmuseeinheit beendete und sich wieder hinstellte. „Die sind echt toll.“ Er nahm Fabian Coco ab und fragte: „Darf ich jetzt reinkommen?“
„Klar doch. Entschuldige diesen Überfall.“ Mit einer Handbewegung bat er seinen Gast hinein. „Du kennst ja den Weg. Geh schon nach oben, ich lass die beiden Rabauken nur noch eben in den Garten.“ Er nahm die Hunde bei den Halsbändern. „Guten Morgen, übrigens. Ich freu mich, dass du hier bist“, bemerkte er, während er die Hunde den Flur entlang führte.
„Ich mich auch“, hörte er Elias, der sich bereits auf der Treppe befand, erwidern.
„Mach es dir bequem und bedien dich ruhig schon mal“, rief Fabian ihm hinterher. Er beeilte sich, die sich sträubenden Vierbeiner zur Hintertür hinauszulassen. Als ihm das gelungen war, sprintete er die Treppe hinauf. Ein wenig außer Atem erreichte er die Küche.
Elias hatte bereits am Tisch Platz genommen. Coco lag zu seinen Füßen. Fabian sah sie sich kurz an. „Deine Kleine ist ein Phänomen“, stellte er fest. „Ich untersuche sie nachher noch einmal gründlich, aber sie macht einen hervorragenden Eindruck.“
„Nur weil du ihr geholfen hast“, sagte Elias.
Fabian zuckte mit den Schultern. „Das ist mein Job.“ Er holte die Kaffeekanne aus der Maschine. „Sorry nochmal für den Überfall meiner Hunde. Sie sind manchmal ziemlich übermütig.“
„Quatsch, die sind genial. Wunderschöne Tiere“, schwärmte Elias.
„Na ja, Benehmen müsste ich ihnen allerdings noch beibringen“, erwiderte Fabian grinsend. Er nahm Platz. „Kaffee?“ Fragend sah er seinen Gast an.
„Sehr gerne.“ Fabian füllte die Tassen. Danach nahm er sich einen Augenblick Zeit, Elias genauer anzuschauen. Die Gelegenheit war günstig, da Coco dessen Aufmerksamkeit auf sich zog. Elias sah umwerfend aus. Jung, ausgeschlafen und unternehmungslustig. Am liebsten hätte Fabian nie aufgehört diesen jungen Mann anzuschauen, doch er rief sich selbst zur Ordnung. Susanna hatte ihm seinerzeit auf der Sitzung vorgeworfen, dass er beinahe gesabbert hätte. Damals war das nicht der Fall gewesen, doch heute war er kurz davor. „Oh, du hast die Brötchen schon ausgepackt!“, stellte er fest, nahm den Brotkorb und bediente sich. „Guten Hunger“, wünschte er Elias, der sich nun ebenfalls ein Brötchen nahm.
„Ja, dir auch. Danke für die Einladung.“
Eine Weile genossen sie schweigend das Frühstück. Fabian beobachtete Elias dabei, wie er hin und wieder ein Stückchen Schinken an Coco verfütterte. „Hunde bekommen nichts vom Tisch“, sagte er schulmeisterlich.
„Das musst du meiner Oma und Coco aber sehr, sehr schonend beibringen.“ Elias lachte.
Fabian schmolz dahin … „Das gehört zum Einmaleins der Hundeerziehung“, konterte er.
„Hört, hört, der Fachmann spricht“, witzelte Elias. „Ich wette, du bist diesbezüglich mit deinen beiden Lieblingen absolut konsequent.“
„Bin ich“, bestätigte Fabian und fing dabei einen zweifelnden Blick von Elias auf, der ihn zum Lachen brachte. „Bin ich so durchschaubar?“, wollte er wissen.
„Könnte sein.“ Elias versteckte sich hinter seiner Kaffeetasse, aus der er einen Schluck nahm. Als er sie absetzte, sah er Fabian an. „Du bist auf jeden Fall ein toller Tierarzt und ein netter Mensch“, sagte er. „Und ich denke, du kannst deinen Lieblingen nichts abschlagen, wenn sie dir tief in die Augen schauen.“
Fabian spürte, dass er errötete. „Danke für die Blumen“, brachte er heraus. Elias hatte recht, denn er war diesbezüglich in Sachen Hundeerziehung wenig konsequent. Außerdem wusste er, dass er Elias ebenfalls nie etwas abschlagen könnte, wenn er ihm in die Augen schauen und eine Bitte äußern würde, aber das sollte er wohl jetzt nicht aussprechen. „Und ich gestehe, dass meine Hunde mich in dieser Hinsicht voll im Griff haben. Schuldig im Sinne der Anklage.“
„Das hab ich mir gedacht.“ Elias grinste spitzbübisch.
„Verrat mich nicht. Wie steh ich denn als Tierarzt da, wenn ich mich nicht an meine eigenen Regeln halte?“
„Dein Geheimnis ist bei mir sicher“, versprach Elias.
„Na Gott sei Dank“, seufzte Fabian erleichtert und wischte sich den imaginären Angstschweiß von der Stirn, was Elias nicht entging.
„Jetzt habe ich Sie in der Hand, werter Herr Doktor Krauthausen“, drohte dieser lachend.
„Ich weiß“, entwich es Fabian kläglich. ‚Wenn du wüsstest, wie sehr.‘ Es wurde Zeit, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, wollte Fabian vermeiden, dass Elias erkannte, wie es um ihn stand. „Sag mal, wann willst du Coco wieder abholen?“, fragte er deshalb.
„Ähem … Es könnte ausgesprochen spät werden“, gestand Elias und Fabian erkannte, dass ihm diese Tatsache offensichtlich peinlich war.
„Wie spät?“, hakte er nach.
„Wahrscheinlich nach Mitternacht“, gab Elias zu.
„Was in aller Welt machst du an einem Sonntag, was dich so in Anspruch nimmt?“, entwich es Fabian.
Elias sah ihn entgeistert an. „Ich …“, begann er.
„Entschuldige, das geht mich gar nichts an.“ Fabian bedauerte sein unsensibles Vorpreschen.
„Das stimmt natürlich“, erwiderte Elias. Er hatte sein Grinsen bereits wiedergefunden. „Aber ich sage es dir trotzdem, denn wenn ich dir Coco aufs Auge drücke, dann steht dir zu, zu wissen, was ich so treibe.“
„Jetzt bin ich aber gespannt.“ Fabian versteckte seine Neugier nicht.
„Ich bin in einem Karnevalsverein …“
„Nein, das darf doch wohl nicht wahr sein“, platzte es aus Fabian heraus.
„So schlimm?“ Elias´ Grinsen verstärkte sich. Zu Fabians Erleichterung schien sein Gast nicht gekränkt.
„Na ja, … sorry …, aber ich kann mit diesem Kram so gar nichts anfangen“, gestand er.
„Das ist sehr schade. Es macht großen Spaß. Mir auf jeden Fall.“
„Dann solltest du dich mit Susanna zusammentun. Sie ist auch ganz scharf darauf“, erklärte Fabian. „Sie hat es sogar geschafft, mich letzte Woche auf eine Sitzung mitzuschleppen.“
„Oh“, stieß Elias aus. „Wie ich sehen kann, hast du es überlebt“, spottete er.
„Gerade mal so“, konterte Fabian und lachte. „So schlimm war es dann doch nicht“, lenkte er ein. „Der Wein war okay.“
„Da bin ich ja beruhigt.“ Elias wirkte total entspannt. „Passt du trotzdem auf Coco auf? Ich meine, es ist ja schon ziemlich dreist von mir, dich zu bitten.“
„Genaugenommen habe ich dir angeboten, die Kleine zu sitten“, erinnerte Fabian.
„Das ist natürlich richtig“, erwiderte Elias. „Und wie könnte ich dein großzügiges Angebot ausschlagen?“
„Kannst du nicht“, parierte Fabian. „Ich kümmere mich um Coco und du holst sie ab, wenn es dir passt.“
„Morgen früh?“, fragte Elias, schüchtern lächelnd.
‚Alles, was du willst.‘ „Wenn du wieder Brötchen mitbringst.“
„Musst du nicht arbeiten?“, wollte Elias wissen.
„Sicher.“ Fabian verfluchte sich, dass er das vergessen hatte. Ein gemeinsames Frühstück war nicht drin. „Dann komm doch einfach am Abend. Wir könnten dann zusammen …“
„Geht klar“, unterbrach Elias ihn zustimmend. „Du bist mein Held“, fügte er an und jagte damit Fabian einen wohligen Schauer durch den Körper. „Und ich werde es irgendwann wieder gutmachen, was du für Coco und mich getan hast“, versprach er.
„Bezahl einfach nur meine Rechnung“, murmelte Fabian.
„Bla, bla, bla! Sorry Fabian, damit ist es schon lange nicht mehr getan“, begehrte Elias auf.
„Spinn nicht rum“, bremste Fabian ihn. „Ich mache nur meinen Job.“ So allmählich kam er sich vor, wie eine Schallplatte, die einen Sprung hatte. Wie oft hatte er diesen Satz in den letzten anderthalb Tagen bereits zum Besten gegeben?
„Bla, bla, bla“, witzelte Elias erneut. „Vielleicht schenke ich dir einfach mal Karten für unsere nächste Veranstaltung“, drohte er.
„ZAHL EINFACH MEINE RECHNUNG!“, forderte Fabian energisch. Die beiden Männer sahen sich einen Moment lang an, dann prusteten sie los vor Lachen. Elias beruhigte sich als Erster.
„Ein bisschen bescheuert benehmen wir uns schon, oder?“, fragte er.
„Aber nur ein bisschen“, bestätigte Fabian.
Elias warf einen Blick auf die Küchenuhr. „Du, ich muss leider los“, bemerkte er mit Bedauern.
„Ja, sieht so aus.“ Fabian hatte nicht mitgekriegt, wie schnell die Zeit vergangen war. Wie sollte er auch? Schließlich war dieses Frühstück vergleichbar mit einer Achterbahnfahrt. Elias raubte ihm seinen letzten Rest Verstand. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte ihn in seine Arme gezogen.
„Du, ich melde mich später mal, okay?“, bot Elias an, während er aufstand. „Und wenn was sein sollte, bin ich ruckzuck bei euch.“
„Mach dir nur keine Sorgen. Coco geht es gut und ich bin schon groß“, entgegnete Fabian. Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht.
„Das sehe ich“, gab Elias schmunzelnd zurück.
„Tja, dann solltest du dich wohl allmählich auf den Weg machen.“ Fabian stand ebenfalls auf. „Findest du selbst raus?“, fragte er überflüssigerweise.
„Ich bin auch schon groß.“ Elias grinste breit, während er Fabian die Hand reichte. „Wir sehen uns dann morgen.“
„Das tun wir.“ Fabians Magen rebellierte, oder waren es die sprichwörtlichen Schmetterlinge, die in seinem Bauch Loopings drehten? Er war sich nicht sicher.
„Bis morgen“, flötete Elias, der sich noch einmal zu Coco herunterbeugte, sie kurz kraulte und dann die Küche verließ. Fabian sah ihm nach und erst, als er hörte, dass die Haustüre ins Schloss fiel, wagte er es, sich zu bewegen. War er eigentlich total bescheuert? Wie konnte er diesen braungelockten Wirbelwind erneut einladen?
„Du hast absolut einen an der Klatsche“, brummte er jammernd vor sich hin. Er machte Ordnung in der Küche und ging dann mit Coco in die Praxis. Dort untersuchte er sie ausgiebig und stellte zufrieden fest, dass es der Hündin erstaunlich gut ging. Am Abend des Unfalls hatte er also zu schwarzgesehen, was ihre Chancen betraf. Es freute ihn ungemein, dass er falsch gelegen hatte.
„So, kleine Maus, jetzt werde ich dich mal mit meinen Hunden bekannt machen und dann machen wir vier uns einen gemütlichen Sonntag.“ Fabian nahm Coco auf die Arme und ging mit ihr in den Garten, wo Cleo und Caspar sie freudig begrüßten.
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„Hase, wo bist du mit deinen Gedanken?“ Elias sah zu Juan, der neben ihm im Bus saß und ihn offensichtlich angesprochen hatte. „Machst du dir Sorgen um Coco?“, fragte er.
„Nein, ihr geht es prima“, erwiderte Elias.
„Aber irgendwas hast du doch?“, hakte Juan besorgt nach.
„Es ist nichts, Cielito.“ Elias nahm Juans Hand, um ihn zu beruhigen und drückte sie fest, um ihm zu versichern, dass alles okay war.
Doch sein Freund ließ nicht locker. „Hase, was hast du? Du hast eben beim Auftritt ein paar Mal den Einsatz verpasst und mich einmal beinahe getreten. Sowas ist dir noch nie passiert. Also spuck schon aus: Was bedrückt dich?“
„Ich habe mich verliebt“, stieß Elias aus, und zwar so laut, dass nicht nur Juan es mitbekam.
„HASE??“
Elias vernahm Gelächter und bemerkte das Erstaunen in seiner Umgebung. „Ja, Jungs, ich hab mich verliebt“, wiederholte Elias überzeugt. Er wurde rot, weil ihn inzwischen mindestens acht seiner Kameraden mit großen Augen ansahen.
„Du hast dich verliebt? Oh fuck, was hast du für einen Gott getroffen, dass dir das passiert ist?“, wollte Jochen wissen, der auf dem Platz auf der anderen Seite des Gangs neben ihm saß. „Von uns hat dich nie jemand auch nur annähernd interessiert und das, obwohl jeder einzelne von uns nicht allzu weit von einem Adonis entfernt ist.“ Schallendes Gelächter machte sich im Bus breit.
„Selbstverliebte Blödmänner“, zischte Elias leicht angesäuert.
„Hase, damit musst du jetzt leben“, mahnte ihn Juan. „Du warst nicht sonderlich diskret.
„Du hast recht.“ Elias lachte nun selbst. „Ja, Leute, ich hab mich verliebt. Er ist großartig.“ Einen Moment lang dachte er an die sanfte Berührung des Handrückens von Fabian. In ihm hatten sämtlichen Nerven vibriert. Doch lange konnte er sich seinen Gedanken nicht hingeben, denn lautes Stimmengewirr holte ihn in die Wirklichkeit zurück.
„Woher kennst du ihn?“, „Wer ist er?“, „Warum stellst du ihn uns nicht vor?“, „Wie heißt er?“, „Hat er einen Zwillingsbruder?“ Unzählige Fragen strömten auf Elias ein. Alle redeten durcheinander.
„Boah, ihr seid ja schlimmer als eine Horde pubertierender Mädchen“, stieß er bemüht missbilligend aus.
„He, nun sag schon. Wir wollen wissen, was für ein Kerl dich so beeindruckt, dass du grinst wie ein Honigkuchenpferd“, hakte Juan nach.
„Also, er heißt Fabian und er ist Cocos Tierarzt“, gestand Elias.
„Ein Tierarzt? Oh hört, hört, unser Elias strebt nach Höherem.“ Schallendes Gelächter hallte durch den Bus.
„Ihr seid albern“, beschwerte Elias sich halbherzig.
„Das stimmt nicht“, konterte Thomas, der in der Reihe hinter ihm saß und sich inzwischen zu ihm vorgebeugt hatte. „Wir sind nur besorgt. Schließlich können wir unseren Newbie nicht in sein Verderben rennen lassen. Es besteht ja immerhin die Möglichkeit, dass dieser Tierarzt dich zu seinem Lustsklaven machen will.“
„Er weiß nicht einmal, dass ich mich in ihn verguckt habe“, gestand Elias kleinlaut.
„Oh fuck, er ist hetero“, mutmaßte Jochen und verzog angewidert das Gesicht.
„Nein, das ist er nicht. Er ist nur sehr zurückhaltend.“ Elias wusste nicht, ob er wütend oder amüsiert sein sollte. Die Neugier der Jungs ging ihm schon etwas auf die Nerven, aber er war ja selbst schuld, dass nun wirklich jeder über sein Gefühlsleben informiert war. Allerdings war es auch irgendwie süß, dass sie sich so für ihn interessierten.
„Dann hilf ihm mal auf die Sprünge, Hase“, riet Juan.
„Ich kann doch nicht mit der Tür ins Haus fallen“, verteidigte Elias sich.
„Oh nein, das ist so gar nicht deine Art.“ Von wem diese spöttische Bemerkung kam, konnte Elias nicht zuordnen. Irgendjemand aus dem hinteren Teil des Busses hatte sich nun auch in die Unterhaltung eingemischt.
„Leute, nun mal ganz ruhig“, mahnte Juan. „So verschrecken wir unseren Hasen nur.“ Er sah Elias mitfühlend an. „Du musst uns nichts erzählen“, bemerkte er verständnisvoll, doch Elias wusste, dass dieses Verständnis nur geheuchelt war. Er sah Juan förmlich an, dass ihm jede Menge Fragen auf der Seele brannten.
„Jungs, es gibt nicht viel zu erzählen. Ich hab Fabian am Freitagabend kennengelernt.“ In der Kurzfassung setzte Elias die neugierige Meute über die Geschehnisse in Kenntnis. „Und nun denke ich immer nur an ihn und weiß nicht, was ich tun soll“, beendete er seinen Vortrag.
„Du hast tatsächlich Schiss, ihm zu sagen, was du empfindest beziehungsweise was du von ihm willst?“, hakte Thomas ungläubig nach.
„Ja“, gab Elias freimütig zu. „Das Problem ist nämlich, dass ich gar nicht so genau weiß, was ich von ihm will.“
„Vögeln“, mutmaßte Juan lauthals und erntete einen vernichtenden Blick von Elias.
„Nein“, widersprach der entschieden. Juan sah ihn an. Sein Blick sprach Bände. Elias fühlte sich ertappt. „Na klar … doch … schon“, stotterte er. „Aber Fabian ist viel zu schade für ein Verhältnis. Ich glaube, es ist irgendwie kompliziert.“
„Vielleicht machst du es dir einfach nur schwer.“ Juan legte den Arm um Elias´ Schulter. Er wollte gerade noch etwas sagen, als der Bus stoppte.
„Wir sind da, Jungs“, freute sich Jochen.
„Schade eigentlich, ich hätte noch gern ein bisschen was von Elias gehört“, brummte Thomas enttäuscht.
„Jetzt konzentriert ihr euch alle auf unseren Auftritt“, brüllte Michael durch den Bus. „Um Elias´ Liebesleben könnt ihr euch später weiter kümmern.“
Elias errötete abermals. Er hatte durch seine große Klappe natürlich jeden auf sich aufmerksam gemacht, auch seinen Kapitän. Aber jetzt war es zu spät, sich Gedanken zu machen. Er reihte sich in die Schlange aus mehr oder weniger nervösen Tänzern ein, die nun den Bus auf dem Weg zum nächsten Auftritt verließen.
Als er sich an Michael vorbeischleichen wollte, der bereits vor dem Bus wartete, nahm der ihn zur Seite. „Elias, ich hab das da eben mitbekommen. Hat dieser Mann etwas damit zu tun, dass deine Leistung heute dermaßen unterirdisch war und dass du gestern ausgesetzt hast?“
„Ich bekenne, dass ich absolut unkonzentriert war, weil ich an ihn gedacht habe. Aber mit gestern hat er nichts zu tun. Ich konnte Coco einfach nicht alleine lassen. Fabian ist vielmehr dafür verantwortlich, dass ich heute dabei bin, weil er auf meine Süße aufpasst“, erklärte Elias seinem Kapitän.
„Okay, dann scheint er ja ein durchaus guter Kerl zu sein.“ Michael sah sein Gegenüber ernst an. „Krieg das klar mit ihm, denn ich kann es nicht dulden, dass deine Gedanken während eines Auftrittes abschweifen. Dafür hast du – und auch die anderen Jungs - zu hart gearbeitet.“
„Micha, es wird nicht mehr vorkommen“, versprach Elias.
„Super!“, freute sich Michael. „Und nun hau ab und mach dich warm. Wir rocken das Festzelt.“
Erleichtert eilte Elias hinter seinen Kameraden her in den Umkleideraum. Er würde beweisen, was in ihm steckte. Solche Patzer, wie beim letzten Auftritt, würde er sich nicht mehr erlauben. Als er begann, sich mit Juan aufzuwärmen, verdrängte er Fabian vorübergehend aus seinen Gedanken, denn so leid es ihm auch tat, auf der Bühne hatte dieser Traumkerl nichts verloren.
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Erschöpft und immer noch ein wenig schnaufend saß Elias auf einer Bank im Umkleideraum. Es war laut um ihn herum. Es wurde gelacht und unglaublich viel geredet, ja beinahe gebrüllt. Der Auftritt war ein voller Erfolg gewesen und daher herrschte nun diese gelöste und erleichterte Stimmung.
„Hase, du warst der Hit“, sprudelte es aus Juan heraus, der sich neben Elias auf die Bank fallenließ. „Kein Vergleich zum vorherigen Auftritt. Verdammt, wie machst du das nur?“
„Wie mache ich was?“, fragte Elias zurück und grinste dabei frech. Er wusste, dass er gut gewesen war, aber es schmeichelte ihm doch ungemein, das auch von anderen zu hören. Auch wenn es nur Juan war, der es aussprach und der mit Sicherheit in Bezug auf ihn nicht unbedingt der objektivste Zeitgenosse war.
„Ach, egal.“ Mit Erstaunen nahm Elias es hin, als Juan ihm einen fetten Schmatzer auf die Wange gab. „Hase, das war die beste Leistung von dir, seitdem du dabei bist. Damit hätte ich nach den Patzern von heute Nachmittag nicht gerechnet. Du hast mich total überrascht.“
„Nicht nur dich, Juan.“ Elias registrierte, dass sich Michael zu ihnen gesellt hatte.
„Danke euch, aber so wild war es doch gar nicht“, erwiderte Elias bescheiden. Innerlich jubelte er. Er freute sich über die Anerkennung.
„Doch, du warst klasse“, bestätigten nun auch Thomas und Bjarne, die gerade an ihnen vorbei schlenderten und ihnen mit ihren Wasserflaschen zuprosteten.
„Jetzt hört aber auf, sonst werde ich noch größenwahnsinnig.“ Elias lachte befreit auf.
„So, und nun hoffe ich, dass wir beim letzten Auftritt für heute noch einen draufsetzen können, damit wir die zwei anstehenden freien Tage ausgiebig genießen können“, schloss Michael. „Macht hinne, Jungs. Der Zeitplan ist knapp.“ Mit diesen Worten verließ Michael den Umkleideraum.
Elias und seine Kameraden packten ihre Sachen zusammen und folgten ihrem Kapitän in bester Stimmung.
„Warum fragst du deinen Angebeteten nicht einfach mal, ob er mitkommt?“, fragte Juan seinen Kumpel unvermittelt.
„Er mag Karneval nicht.“ Der Gedanke an Fabians Ablehnung gegenüber der fünften Jahreszeit trübte Elias´ Stimmung ein wenig. Sein Herz hing an der Tanzerei und es bekümmerte ihn, dass sein heißer Tierarzt wohl kaum Verständnis für seine Leidenschaft aufbringen würde.
„Hase, Karneval hassen ist eine Sache“, warf Juan ein.
„Wie meinst du das?“ Elias blieb abrupt stehen. „Na ja, Karneval ist eigentlich auch nie so mein Ding gewesen, aber dieses Korps hier ist absolut meins. Ich liebe die Tanzerei. Ich liebe die Kameradschaft. Und ich liebe es, wenn die Zuschauer uns zujubeln“, erklärte Juan.
„Aber Fasteloovend ist nicht deins“, bemerkte Elias spöttisch.
„Inzwischen ist es ganz meins, Hase. Aber egal, denn was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass es nicht zwingend notwendig ist, dass dein Fabian …“
„Er ist nicht mein Fabian“, empörte sich Elias.
Juan ließ sich jedoch nicht beirren. „ … dass DEIN Fabian Karneval mag, denn wenn er dich mag, wird er über kurz oder lang auch das mögen, was du über alles liebst.“
„Du bist ein wahrer Philosoph, Cielito.“ Spontan umarmte Elias seinen Freund. „So wie du es sagst, klingt alles ganz einfach.“
„Hase, es ist einfach. Und das weißt du auch. DU bist derjenige, der es sich in Bezug auf Fabian erschwert. Sei du selbst, dann wird das auch was.“ Juan küsste Elias auf die Wange und entzog sich dann der Umarmung. „Und nun los. Der Bus wartet nicht. Und die Sitzungsbesucher in wo auch immer ebenfalls nur sehr ungern.“
Juan griff Elias´ Hand und zog ihn mit sich. Elias ließ es geschehen, während er über den Vortrag seines Tanzpartners nachdachte. Konnte es wirklich so einfach sein? Er schüttelte den Kopf, da er daran mächtige Zweifel hatte. Obwohl … In Elias keimte eine Idee auf. Vielleicht war es tatsächlich gar nicht so kompliziert, wie er es sich vorstellte. Bei dem, was gerade in seinem Kopf Gestalt annahm, musste er lächeln.
„Boah, Juan, du bist genial“, rief er seinem Freund zu, der ihn mit verständnislosem Gesichtsausdruck ansah.
„Wenn du meinst, Hase“, sagte er grinsend, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. „Du kannst mir ja später erklären, wie du darauf gekommen bist. Und warum erst jetzt.“
„Mach ich“, erwiderte Elias. Als sie den Bus erreicht hatten und einstiegen, war er bereits sicher, dass er eine Möglichkeit gefunden hatte, Fabian von sich zu überzeugen.
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Fabian saß an seinem Schreibtisch. Eine Tasse dampfender Kaffee stand vor ihm. Bettina hatte sie ihm eben hereingebracht und er hatte sich noch ein paar Minuten ausgebeten, bis sie den ersten Patienten hereinbringen sollte. Die Nacht war wieder einmal unruhig gewesen. Und das hatte nicht daran gelegen, dass er Coco gestattet hatte, am Fußende seines Bettes zu schlafen.
„Chef, können wir allmählich loslegen?“ Bettina stand in der Tür und betrachtete ihn aufmerksam. „Das Wartezimmer füllt sich zusehends. Außerdem hat Herr Schmitz seinen Tim bereits hergebracht.“
„Fuck, die Kastration“, stieß Fabian aus.
Bettina grinste ihn an. „Das magst du gar nicht!?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
„Ich hasse es“, gestand Fabian. „Es fällt mir jedes Mal schwer, einem Rüden … na ja … also … du weißt schon“, stotterte er herum. Kastration war ein Thema, welches er nicht unbedingt mit Bettina erörtern wollte.
„… die Eier abzuschneiden“, vollendete diese vollkommen ungerührt den Satz ihres Brötchengebers.
„Boah, Betty, das tut mir auch weh.“ Unwillkürlich schüttelte Fabian sich.
„Ich habe zwar schon des Öfteren gehört, dass sich Hundebesitzer schwer damit tun, ihre Rüden kastrieren zu lassen, weil sie diesen Akt irgendwie auf sich beziehen, aber du bist Tierarzt, mein Freund, du solltest da eigentlich drüber stehen“, dozierte Bettina grinsend.
„Ich bin aber in erster Linie ein Mann“, stellte Fabian klar. Seine Assistentin hatte recht. Es ging ihm immer nahe, bei einem Rüden diesen Eingriff vorzunehmen. Bei Tim, dem zweijährigen Schäferhund der Familie Schmitz, war das nicht anders. Der Tierarzt Krauthausen sah die Notwendigkeit dieser Operation, doch der Mann Fabian sträubte sich dagegen.
„Das stimmt natürlich, dennoch solltest du allmählich loslegen“, bemerkte Bettina drängend.
„Ich komm sofort.“ Fabian erhob sich und folgte seiner Assistentin. Auf dem Weg zum Operationsraum begrüßte er seine zweite Sprechstundenhilfe, die sich ebenfalls bereits eingefunden hatte. Anja übernahm an drei Tagen in der Woche den Empfang und hielt Bettina und ihm den Rücken frei, wenn Operationen anstanden.
„Du hast alles im Griff?“, fragte er sie.
„Klar doch“, antwortete diese und widmete sich gleich darauf dem Telefon, welches in diesem Moment klingelte.
„Na dann“, seufzte Fabian, als er im OP ankam. „Armer Kerl, ab morgen ist alles anders für dich“, dachte er, als er den Schäferhund zu Gesicht bekam, den Bettina gerade hereinführte.
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„Puh, war das ein Vormittag.“ Fabian entledigte sich seiner Schuhe und streckte seine Beine aus. Er hatte sich in seine Küche zurückgezogen und gönnte sich einen Kaffee und ein belegtes Brot zu Mittag. Ganz allmählich wurde er nervös. Der Feierabend kam immer näher und so auch das nächste Treffen mit Elias. Der hatte ihn gestern am frühen Abend angerufen, um sich nach Cocos Befinden zu erkundigen. Es war aufgrund der lauten Hintergrundgeräusche beinahe unmöglich gewesen, ein vernünftiges Gespräch zu führen.
Elias hatte sich für den Lärmpegel entschuldigt und ihm zu verstehen gegeben, dass er auf dem Weg zur nächsten Veranstaltung im Bus, der sich irgendwo zwischen Köln und Düren befand, saß. Offensichtlich war die Stimmung dort hervorragend, und tief in Fabian nagte so etwas wie Eifersucht, dass da Menschen waren, mit denen Elias sich amüsierte und er nicht dabei war.
„Du bist ein wirklich blöder Hund“, schalt Fabian sich nun, als er sich an dieses vage Gefühl erinnerte. Er hatte absolut keinen Grund, eifersüchtig zu sein. Elias war ein ungebundener junger Mann, der tun und lassen konnte, was immer ihm gefiel. ‚Aber es wäre schön, wenn er es mit mir tun würde.‘ Fabian sprang auf. Wie ein Tiger im viel zu kleinen Käfig zog er seine Runden durch die Küche. „Ich sag dieses Essen ab“, stieß er aus. „Ich kann das nicht.“
„Was kannst du nicht?“ Bettina steckte ihren Kopf herein.
„Ach nichts.“ Fabian schnappte sich seine Kaffeetasse und schüttete den Rest des Heißgetränks in die Spüle. Anschließend verstaute er das benutzte Geschirr in der Spülmaschine und hoffte, dass Betty inzwischen verschwinden würde. Doch diesen Gefallen tat sie ihm nicht. Wie festgemauert stand sie unter dem Türsturz und beobachtete ihn.
„Fabian, was ist los?“, fragte sie besorgt. „Geht es dir nicht gut?“
„Mir geht es prima“, brummte er.
„Das seh ich. Nun sag schon, was los ist“, beharrte Bettina weiter. „Hat es etwas damit zu tun, dass ich heute Morgen beinahe über ein kleines weißes Fellknäuel gestolpert wäre?“, mutmaßte sie.
„Wie kommst du denn auf so einen Quatsch?“ Fabian fühlte sich ertappt. Verfügten Frauen wirklich über ein Radar für gefühlsmäßige Verwirrungen?
„Na ja, ich kombiniere nur. Am Freitagabend hast du Coco das Leben gerettet. Ihr Herrchen ist ein hübscher junger Mann.“
„Nein, Coco gehört seiner Oma“, protestierte Fabian.
„Soso, das weißt du also schon. Ergo: Du hast ihn … Wie war gleich sein Name?“, bohrte Bettina weiter.
„Elias“, sprudelte es aus Fabian heraus.
„Du hast Elias also etwas näher kennengelernt. Du bist ein schwuler Mann und er ist …“
„Betty, du machst mir Angst.“ Fabian rang sich ein Lächeln ab. „Setz dich. Ich muss dir was erzählen. Ich werde noch verrückt, wenn ich mit niemandem darüber reden kann.“
„Na also“, jubelte Bettina, als sie Platz nahm.
Fabian tat es ihr gleich und berichtete ihr, was sich am Wochenende zugetragen hatte. „Tja, und nun bin ich mit meinem Latein am Ende und weiß nicht, was ich tun soll“, gestand er abschließend. Bettina schüttelte den Kopf und grinste breit. Fabian fühlte sich nicht ernst genommen. „Was amüsiert dich daran jetzt so ungemein?“, knurrte er.
„Alles!“, erwiderte Bettina. „Du bist bis über beide Ohren in diesen hübschen Burschen verliebt und anstatt es einfach geschehen zu lassen und es zu genießen, zermarterst du dir dein Hirn und bläst Trübsal“, erklärte sie. „Fabian, Liebe findet nicht im Kopf statt, sondern da.“ Sie stupste ihm mit dem Zeigefinger an die linke Seite des Oberkörpers. „Du weißt, was sich da befindet?“, fragte sie milde lächelnd.
„ICH BIN ARZT“, echauffierte Fabian sich. „Natürlich weiß ich, was da ist.“
„Und was?“, bohrte Bettina weiter.
Fabian weigerte sich, zu antworten, da er sich gerade mächtig unverstanden vorkam. Betty machte sich über ihn lustig und das gefiel ihm gar nicht.
„Ich habe keine Zeit für so einen Unsinn“, beschwerte er sich. „Verdammt, Bettina, ich habe gedacht, du hättest ein bisschen Verständnis für meine Situation.“
„Fabian, nun komm mal wieder runter. Ich verstehe dich absolut. Du kommst mit deinen Gefühlen nicht klar. Das ist bitter und zieht dich runter“, erwiderte sie nun ernst.
„Danke, dass du mir das wenigstens zugestehst“, sagte Fabian nicht ohne einen ironischen Unterton.
„Gerne. Ich verstehe auch, dass du dir den ein oder anderen Gedanken machst, aber bevor du das tust, solltest du erst einmal eine ganz wichtige Sache in Erfahrung bringen“, fuhr Bettina unbeirrt fort.
„Was meinst du?“ Fabian konnte seiner Assistentin nicht folgen.
„Frag ihn, ob er schwul ist“, riet sie ihm. „Denn falls er es ist, brauchst du dir wegen Susanna nicht mehr so viele Gedanken zu machen, da sie dann eh raus aus der Sache ist.“
„Das kann ich meiner kleinen Schwester nicht antun“, zischte Fabian. „Wenn sie Elias noch mag …“
„Mein Freund“, unterbrach Bettina ihn ruppig. „WENN Elias schwul ist, brauchst du wegen Susanna kein schlechtes Gewissen zu haben. Das sollte selbst in dein liebesumwölktes Hirn hineingehen.“
„Und wenn Elias nicht schwul ist, kann ich ihn mir sowieso abschminken und das Thema ist erledigt“, schlussfolgerte Fabian. Er lachte los. „Boah, Bettina, ich bin ein furchtbarer Trottel.“
„Da widerspreche ich nicht.“ Bettina fiel in das Lachen ihres Chefs ein. „Ein Teil deines Hirns hat seinen Dienst offensichtlich wieder aufgenommen.“
„Ich würde da jetzt aber nicht drauf wetten.“ Fabian sah seine Assistentin an. „Betty, was mach ich, wenn Elias schwul ist?“, fragte er. Er fühlte eine unbestimmte Angst in sich aufsteigen. Sein Lachen war verschwunden.
„Das fragst du mich jetzt nicht ernsthaft?“ Bettina verdrehte die Augen.
„Doch, das tue ich. Ich hab keinen Plan davon, wie ich vorgehen soll. Betty, ich glaub nicht mal, dass ich ihn fragen kann, wie er drauf ist“, gestand Fabian genervt.
„Junge, Junge, bist du unselbstständig“, spottete Bettina. „Er kommt doch heute Abend zu dir zum Essen, oder?“
„Ja“, entkam es Fabian gequält.
„Okay, dann warte ich, bis er kommt und frage ihn.“
Fabian sprang auf. „DAS wirst du NICHT tun“, brüllte er aufgebracht.
„Warum denn nicht?“ Als Fabian Bettina ins Gesicht sah, bemerkte er, dass sie ihre ernste Miene kaum aufrechterhalten konnte.
„Du hältst mich zum Narren“, stellte er fest und beruhigte sich wieder.
„Tu ich. Und nein, ich werde Elias nicht fragen. Aber du solltest es möglichst schnell herausfinden, denn dann kannst du entscheiden, ob und wie du ihm zeigen willst, was du fühlst. Alles andere ist im Augenblick zweitrangig.“
„Und wenn er mich nicht mag?“ Fabian wusste, dass er jetzt ziemlich jämmerlich und nach Selbstmitleid klang.
„Dann wirst du damit klarkommen, mein Lieber. So ist das Leben eben.“ Bettina stand auf. „Aber, wenn er dich mag, dann schnapp ihn dir und denk nicht weiter über alle Eventualitäten nach.“
„Ach, Betty.“ Fabian hatte sich ebenfalls erhoben. Er nahm seine Assistentin in die Arme. „Das klingt so einfach.“
„Na ja, einfach ist es nicht unbedingt, aber man muss es auch nicht komplizierter machen, als es ist“, gestand Bettina Fabian zu. „Und weißt du was? Ich glaube, Elias ist ein richtiger Schnuckel. Ich drück dir fest die Daumen, dass er an deinem Ufer fischt.“
„Und Susanna?“ Fabians Gewissen meldete sich erneut.
„Kriegt ihn, wenn er hetero ist. So einfach ist das“, prustete Bettina heraus und brachte damit auch Fabian wieder zum Lachen. Die beiden drückten sich noch einmal fest, dann lösten sie ihre Umarmung.
„Danke, Betty.“ Fabian küsste seine Assistentin auf die Wange. „Und nun los. Die Nachmittagssprechstunde beginnt gleich.“
Mit deutlich besserer Laune, als am Vormittag, machte Fabian sich in Bettinas Begleitung auf den Weg in seine Praxis. Vielleicht dachte er tatsächlich zu viel nach. Vielleicht sollte er die Dinge auf sich zukommen lassen. Und vielleicht war Elias ja hetero, dann wäre sein Problem gelöst. Doch dieser Gedanke erfreute Fabian gar nicht. Er wollte „das Problem“ nicht loswerden. Er wollte Elias. „Lieber Gott, lass ihn schwul sein“, murmelte er vor sich hin, bevor er das Wartezimmer seiner Praxis betrat und den nächsten Patienten aufrief, um diesen direkt mit in den Behandlungsraum zu nehmen.
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Eigentlich war Fabian so ganz und gar kein Katzenmensch. Natürlich gehörten sie zu seinen Patienten, aber er konnte mit ihnen nicht viel anfangen. Die einzige Ausnahme war ein rot getigerter Kater namens Charlie. Der saß im Augenblick vollkommen entspannt und wohlig schnurrend auf dem Behandlungstisch und genoss Fabians Streicheleinheiten.
„Deinem Kater geht es hervorragend“, sagte er zufrieden und lächelte dabei die Besitzerin an, mit der er zu Grundschulzeiten eine Klasse besucht hatte.
„Da bin ich aber froh. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil er seit gestern ein wenig humpelt“, äußerte diese ihre Bedenken.
„Es ist alles okay, Steffi. Der Racker hat sich nur ein wenig gezerrt. Ich gebe dir gleich ein leichtes Schmerzmittel für ihn. Das verabreichst du ihm drei Tage lang“, beruhigte Fabian seine ehemalige Klassenkameradin.
„Danke dir. Du bist der Beste“, erwiderte sie glücklich. „Du weißt, wie sehr ich an ihm hänge.“
„Er ist aber auch ein Prachtexemplar. Und dazu der einzige Kater, der hier auf meinem Tisch nicht einen Riesenaufstand macht, wenn ich ihn untersuchen will.“ Fabian schmeichelte sich noch mit ein paar Leckerlis ein, dann setzte er Charlie, der sich das widerstandslos gefallen ließ, in die Transportbox.
„Wie machst du das nur immer? Wenn ich ihn da hineinsetzen will, macht er Terror ohne Ende“, bemerkte Steffi.
„Tja, meine Liebe, das ist so ein Männerding“, erwiderte Fabian schmunzelnd.
„Spinner.“ Steffi nahm die Transportbox. „Wir sehen uns“, verabschiedete sie sich, während sie zur Tür ging und den Raum anschließend verließ.
Fabian machte sich daran, den Behandlungstisch zu reinigen. Der Feierabend kündigte sich an, denn nur noch ein Patient wartete. Mit einem tiefen Seufzer nahm Fabian dies zur Kenntnis, als er hörte, dass die Tür geöffnet wurde. „Noch einen Moment bitte“, forderte er den Eintretenden auf, ohne von seinem Tun aufzublicken. „Ich rufe Sie dann herein.“
„Hallo, Herr Doktor.“
Fabian war wie erstarrt, als er die Stimme hörte, die ihn bis in seine schlaflosen Nächte verfolgte. Mit Mühe gelang es ihm, aufzusehen. Noch mehr Mühe kostete ihn das Lächeln, das er in seine Miene zwang. „Was machst du denn hier?“, fragte er.
„Dich hoffentlich nicht zu sehr von der Arbeit abhalten. Deine Assistentin hat mir gestattet, hier kurz reinzuschneien, bevor du dieses knurrende Etwas aus deinem Wartezimmer in Empfang nimmst“, plauderte Elias los. „Ich hoffe, das ist okay?!“
„Na klar“, brachte Fabian hervor. Er war fasziniert von Elias, der unglaublich gut aussah und ihn in diesem Moment schlicht und ergreifend aus den Socken haute. Mit ihm hatte er nicht gerechnet und Fabian war sich nicht sicher, ob er sich über den unerwarteten Überfall freuen oder ärgern sollte. ‚Freu dich, du Idiot.‘ „Was kann ich denn für dich tun? Ich dachte, du wolltest nachher zum Abendessen auflaufen?“
„Genau darum geht es.“ Elias trat ein paar Schritte in den Raum. „Ich möchte dich zu mir einladen. Du hast den ganzen Tag gearbeitet. Ich dagegen habe ausgeschlafen und mich vom Wochenende erholen können. Daher dachte ich, dass es nur fair wäre, wenn ich dich bekoche. Komm schon, sag ja.“
Fabian wollte aufbegehren, doch der Blick, den er von Elias auffing, ließ ihn verstummen. Er stand nur da. „Herr Doktor, Sie brauchen keine Sorge zu haben. Ich kann kochen“, durchbrach Elias die entstandene Stille. Er legte Fabian seine Hand auf die Schulter. „Bitte“, sagte er leise. Fabian konnte sich nicht bewegen. Er schaffte es gerade noch so, zu atmen. Elias war ihm viel zu nah und diese Berührung traf ihn wie ein Blitz.
„Ähem … Ich muss aber noch ein bisschen arbeiten“, brachte er mühsam heraus.
„Ich werte das jetzt als ja“, stieß Elias erfreut aus. Er ließ von Fabians Schulter ab, was dieser ebenso begrüßte wie bedauerte, und machte sich auf den Weg zur Tür. Kurz bevor er diese erreicht hatte, drehte er sich noch einmal herum. „Ich nehme Coco schon mit und erwarte dich dann. Was meinst du? So etwa in einer guten Stunde? Wo ich wohne, weißt du ja. Und bringe deine Hunde mit. Vielleicht drehen wir noch ´ne Runde nach dem Essen“, sprudelte es förmlich aus Elias heraus.
Bevor Fabian etwas erwidern konnte – Elias´ Wortschwall überforderte ihn -, hatte dieser auf dem Absatz kehrtgemacht, öffnete die Tür und ging hinaus. Fabian sah ihm nach. Gerade als er aus seiner Starre erwachte und er Elias folgen wollte, ging die Tür erneut auf und ein aufgeregter Hund zog seinen Besitzer förmlich in den Behandlungsraum.
„Bandit“, stieß Fabian aus. „Und der Herr Breuer. Was kann ich für Sie tun?“, erkundigte er sich eifrig. Er war schließlich in erster Linie Tierarzt und erst in zweiter ein liebeskranker Volltrottel, daher ging das Befinden des quirligen Australian Shepherds in dieser Minute vor. Um Elias und dessen Einladung zum Abendessen konnte er sich später Gedanken machen.
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In der Küche duftete es inzwischen verführerisch, wie Elias fand. Zwar hatte er mit der Aussage, dass er kochen konnte, etwas übertrieben, aber für eine deftige Käselauchsuppe reichte es allemal. Die siedete auf kleiner Flamme, während Elias den Tisch deckte. Seitdem er Fabian zu diesem Abendessen überrumpelt hatte, schwebte er - mehr oder weniger. Er summte vor sich hin und wenn er nicht gerade schwebte, tänzelte er durch den Raum. Coco, die in ihrem Körbchen lag, hatte ihn bereits mehrmals leicht verstört angeschaut, doch Elias hatte sie mit der Gabe diverser Leckerlis versöhnen können.
Sein bisheriger Tag war nicht ganz so ruhig verlaufen, wie er es Fabian hatte glauben machen. Lediglich länger geschlafen hatte er an diesem Morgen, nachdem er erst nach ein Uhr in der Nacht ins Bett gefallen war. Doch seitdem er auf den Beinen war, hatte er einige von den Dingen erledigt, die er zur Umsetzung seines Plans, Fabian von sich zu überzeugen, unbedingt benötigte. Dieses Abendessen war nur der Auftakt. Er durfte nicht mit der Tür ins Haus fallen. Das hatte Elias zwar bereits geahnt, aber die Reaktion von Fabian auf sein unerwartetes Auftauchen war ihm Bestätigung genug.
„Überfordere ihn nicht, sonst macht er sofort dicht und nimmt die Beine in die Hand und rennt“, ermahnte sich Elias, während er die Servietten neben den Tellern drapierte. Verträumt betrachtete er den gedeckten Tisch, als er sich an die Wirkung seiner Berührung bei Fabian erinnerte. Wenn er da nichts überinterpretierte, hatte diese seinem Lieblingstierarzt durchaus zugesagt. Abneigung und Desinteresse sahen in Elias´ Augen durchaus anders aus, aber es bestand dennoch die Möglichkeit, dass er sich irrte. Vielleicht war Fabian zu höflich gewesen, seine Hand einfach abzuschütteln. Vielleicht wertete er seine Geste als rein kameradschaftlich und maß ihr keinerlei weitere Bedeutung zu. Vielleicht dachte er sich aber auch gar nichts dabei. „Nee, das ganz bestimmt nicht“, murmelte Elias vor sich hin. „Er fühlt etwas. Und das wird er nicht ewig vor mir verstecken können. Zunächst muss ich rausfinden, wie genau er tickt und dann …“
Ein breites Grinsen legte sich auf Elias´ Gesicht, denn sein Plan erschien ihm als sehr ausgereift und raffiniert. Die erste Variante, die darin bestand, Fabian zu gestehen, dass er sich in ihn verliebt hatte, hatte er schnell verworfen, denn es bestand die Gefahr, dass sein Angebeteter dies missverstehen könnte. Obwohl - realistisch betrachtet - gab es an einem solchen Geständnis nicht viel misszuverstehen. Doch Elias scheute diesen direkten Schritt. Wahrscheinlich lag dies in seiner Angst begründet, abgewiesen zu werden.
„Dann wird es halt ein bisschen umständlicher“, grummelte Elias. Doch das war ihm egal, denn er wollte Fabian unbedingt, und zwar mit Haut und Haaren. So sehr hatte es ihn noch nie nach einem Menschen verlangt. Darum war es auch okay, wenn es ein wenig länger dauern würde, ihn zu erobern.
Elias zwang sich ins Hier und Jetzt zurück. Ein letzter prüfender Blick über den Tisch zeigte ihm, dass alles zu seiner Zufriedenheit vorbereitet war. Auf Kerzen hatte er bewusst verzichtet. Man sollte es schließlich nicht übertreiben. Es handelte sich nur um ein Essen und nicht um ein Date. Alles war fertig, nun fehlte nur noch sein Gast. Doch wann genau der eintrudeln würde, entzog sich Elias´ Kenntnis. Wer weiß, was dieser nicht wirklich friedlich wirkende Hund dem Tierarzt noch alles abverlangt hatte. Nicht ganz ohne Eigennutz hoffte Elias sogar, dass Fabian eine kleine Verletzung davongetragen haben könnte … Einen neuen Kratzer vielleicht, den er dann versorgen könnte.
Doch alle Spekulationen waren hinfällig, ebenso wie Gedanken über die Zukunft. Zunächst galt es, den heutigen Abend zu managen. Danach würde sich zeigen, ob sein Plan sich tatsächlich umsetzen ließe. Aber dafür müsste Fabian erst einmal bei Elias erscheinen. Der wurde allmählich nervös. Sie hatten zwar keine konkrete Zeit für das Treffen ausgemacht und Fabian hatte mit Sicherheit selbst nach dem letzten Patienten noch einiges in der Praxis zu tun, aber so langsam dürfte er eintreffen. Nicht, dass Fabian es sich noch im letzten Augenblick anders überlegt hatte. Elias wollte diese Möglichkeit gar nicht in Betracht ziehen, denn dann war sein Plan gescheitert, bevor er eigentlich begonnen hatte.
„Der kommt schon“, murmelte er vor sich hin. „Schließlich muss er ja essen.“ Dieser Gedanke war ein schwacher Trost, doch irgendwie musste Elias seine aufkommenden Zweifel bekämpfen. Um Zeit zu überbrücken, rührte er noch einmal in der Suppe, schaltete die Platten auf die niedrigste Temperatur und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo er sich mit ein wenig Fernsehgucken die Wartezeit vertreiben wollte.
Das Läuten der Türglocke vereitelte seinen Plan jedoch. Elias machte auf dem Absatz kehrt und eilte zur Haustür, die er regelrecht aufriss. Er erblickte Fabian, der ob der stürmischen Aktion überrascht wirkte und Mühe hatte, seine erschrockenen Hunde in Zaum zu halten, die offensichtlich ihr Heil in der Flucht suchen wollten.
„Oh … sorry“, stotterte Elias und trug dabei ein entschuldigendes Grinsen auf dem Gesicht. Das hoffte er zumindest, befürchtete jedoch, dass er momentan selten dämlich aus der Wäsche guckte. „Ich wollte euch nicht erschrecken.“
„Irgendwie laufen unsere Begrüßungen immer ein bisschen chaotisch ab“, stellte Fabian fest. Zu Elias´ Freude wirkte er nicht pikiert, sondern eher belustigt. „Guten Abend“, begrüßte Fabian ihn, als er es geschafft hatte, Cleo und Caspar zu beruhigen. Die Retriever standen nun schwanzwedelnd neben ihm und schienen darauf zu warten, dass Elias sie gebührend begrüßen würde.
„Hallo, Fabian“, entkam es dem nun. Er streichelte die Hunde ausgiebig. „Lass uns hineingehen“, bat er seinen Gast. „Du kannst die beiden Rabauken ruhig ableinen“, ergänzte er, als er erkannte, dass Fabian sich unsicher umsah, nachdem er eingetreten war.
„Sicher? Du weißt, dass sie recht ungestüm sein können. Nicht, dass …“
Elias ergriff die Initiative, noch bevor Fabian seinen Satz beenden konnte. Er hakte die Halsbänder aus. „Und nun deine Jacke, bitte“, forderte er seinen Gast auf.
„Du bist schuld, wenn …“, begann Fabian.
„Blablabla“, wiegelte Elias den Einwand ab. Es ärgerte ihn, dass ihm nichts Besseres einfiel. Spontan ergriff er die Hand seines Lieblingstierarztes und zog ihn mit sich in die Küche.
„Oh Mann, das riecht richtig lecker“, stieß der aus und sah sich im Raum um. „Super gemütlich hier“, ergänzte er lächelnd.
„Danke schön, es freut mich, dass es dir gefällt. Such dir einen Platz aus. Ich hoffe, du hast Hunger und magst Eintopf … äh … Suppe“, plapperte Elias drauflos, während er sich dem Herd zuwandte. Allerdings kam er nicht dazu, sich der Suppe zu widmen, denn er drehte sich erschreckt herum, als er Fabians Stimme laut durch den Raum schallen hörte.
„Cleo! Caspar! Lasst das!“
Das Bild, welches sich Elias bot, verursachte ihm einen Lachanfall. Er konnte einfach nicht aufhören, denn die beiden Goldies hatten Cocos Futternapf entdeckt und stritten darum, wem die dort drin verbliebene Leckerei zustand. Coco beobachtete das wilde Spektakel aus sicherer Entfernung. Fabian war nicht so schlau. Er versuchte, Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Sein Gesicht war hochrot und es schien ihm gar nicht recht zu sein, was seine Hunde gerade veranstalteten.
Cleo und Caspar aber ließen sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen, und in der allgemeinen Verwirrung holte einer der beiden Fabian von den Beinen. Er landete unsanft mitten in der Küche auf seinem anbetungswürdigen Hinterteil.
„Das ist nicht witzig“, zischte er und warf Elias, der Tränen lachte, einen bitterbösen Blick zu.
„Doch, das ist es“, gab der zurück. Er streckte Fabian die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. „Na, komm schon. Sei nicht sauer. Ihr drei seid wirklich zu drollig.“
„Elias, das ist nicht drollig“, widersprach Fabian energisch. Ihm schien jedweder Humor abhandengekommen. „Es ist vielmehr vollkommen daneben. Es tut mir leid“, entschuldigte er sich zerknirscht.
„Was tut dir leid? Dass du auf deinem Arsch gelandet bist oder dass deine Hunde dem Geruch des Futters nicht widerstehen konnten?“, hakte Elias nach und freute sich darüber, dass Fabian nun endlich nach seiner Hand griff und sich aufhelfen ließ. Ein Schauer ging durch seinen Körper, als er die warme, trockene Hand in seiner spürte. Es wäre ein Leichtes gewesen, den großen, muskulösen Mann an sich heranzuziehen und ihn zu umarmen, doch Elias verkniff sich eine derartige Geste. Stattdessen ließ er Fabian die Möglichkeit, sicheren Stand zu finden und sich zu beruhigen. „Alles klar mit dir? Ich mein, du hast dich doch nicht verletzt, oder?“, fragte er besorgt.
„Na ja, maximal meine Ehre ist ein wenig angeknackst“, antwortete Fabian, der einen vernichtenden Blick auf seine Hunde warf, die sich inzwischen beruhigt hatten. Der Kampf um das Futter war beendet. Caspar erwies sich als respektvoller Verlierer und räumte das Schlachtfeld.
„He, so schlimm war das doch nicht. Eher witzig“, sagte Elias großmütig und immer noch amüsiert. „Sei nicht so streng mit den beiden. Sind auch nur Hunde“, fügte er schmunzelnd hinzu.
„Jaaaa“, knurrte Fabian. „Unerzogene und verfressene Viecher.“
„Nun lass mal stecken. Ich finde Cleo und Caspar toll. Es ist niemandem etwas passiert. Das Mobiliar ist auch noch ganz“, fasste Elias zusammen. „Na ja, und an dir ist auch noch alles heil. Was soll es also?“
„Wenn man das so sieht, hast du wohl recht.“ Auf Fabians Gesicht stahl sich – sehr zu Elias´ Freude – ein erstes Lächeln. Elias schmolz beinahe dahin. Diesem Gesichtsausdruck konnte er sich nicht entziehen.
„Habe ich. Und nun setz dich endlich. Ich bin hungrig.“ Elias wandte sich um, ging zum Herd und holte die Suppe, die er im Topf auf einen Untersetzer auf den Tisch stellte. „Was kann ich dir zu trinken anbieten?“, wollte er wissen.
„Ein Bier wäre toll“, bat Fabian sich aus.
Elias nahm zwei Flaschen aus dem Kühlschrank. „Brauchst du ein Glas?“
„Warum sollte man eine Flüssigkeit denn von einem Glasgefäß in ein anderes schütten?“, antwortete er schmunzelnd mit einer Gegenfrage.
„Prima“, freute Elias sich. Auch er war so eingestellt, was Flaschenbier betraf. Er öffnete die Flaschen, reichte eine seinem Gast und prostete ihm zu. Auf den Spruch mit dem schlechten Sex und dem ganzen Unsinn, wenn man sich beim Anstoßen nicht in die Augen schaute, verzichtete er. „Guten Hunger, Fabian. Ich hoffe, es schmeckt dir“, sagte er einfach und blickte in das inzwischen entspannte Gesicht seines Gegenübers, der ihn angrinste.
„Danke für die Einladung. Und wenn es nur halb so gut schmeckt, wie es riecht, dann hast du bei mir gewonnen“, erwiderte Fabian.
Elias´ Herz hüpfte. Wenn er die Mauern um Fabian mit einer heißen Suppe zum Bröckeln bringen könnte, wäre das schon mal ein guter Anfang.
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Fabian spazierte bei herrlichem Wetter, wenn auch eisigen Temperaturen, durch das seiner Praxis nahegelegene Feld. Caspar und Cleo tollten über die gefrorenen Äcker und schienen jede Menge Spaß zu haben. Ab und zu vergewisserte Fabian sich, dass sie keinen groben Unfug anstellten, doch meistens waren seine Gedanken bei Elias.
Der Abend bei ihm war schlicht und ergreifend himmlisch gewesen. Nach dem holprigen Start hatte sich, bei der wirklich hervorragenden Suppe, die sein Gastgeber zubereitet hatte, ein gemütliches und unterhaltsames Beisammensein entwickelt. Elias war sehr redselig und auskunftsfreudig gewesen. Inzwischen war Fabian über die wichtigsten Eckdaten des Lebens seines Auserwählten informiert.
Beispielsweise war er im Bilde darüber, dass Elias nach dem Abitur zunächst ein Jahr lang um die Welt gereist war. Seine Großmutter hatte das gesponsert. Daher hatte Elias im September des letzten Jahres, als seine Oma gestürzt war, keine Sekunde gezögert, vorübergehend in ihr Haus zu ziehen und sich um Coco zu kümmern. Eigentlich lebte Elias aber in Köln und offensichtlich hing sein Herz in besonderer Weise an dieser Stadt. Daran ließen Elias´ Erzählungen über seine Aktivitäten keinen Zweifel.
Das allerdings konnte Fabian absolut nicht nachvollziehen. Ihm waren große Städte zuwider. Dort leben zu müssen, kam für ihn einer Horrorvorstellung nahe. Die Aussicht, dass Elias irgendwann wieder verschwinden würde, gefiel Fabian absolut nicht. Doch um ihn ging es nicht, sondern um den quirligen und lebenslustigen Elias. Der hatte, obwohl er kurz vor seinem Studienabschluss stand, ein Urlaubssemester eingereicht, weil er sich um seine Großmutter kümmern musste, so wie er behauptete, doch Fabian spürte, dass mehr dahinter steckte. Aber dieses Geheimnis – falls es denn eines gab – hatte Elias sich nicht entlocken lassen. Vielleicht gab es ein trauriges Kapitel im Leben des so fröhlichen jungen Mannes, als der sich Elias inzwischen entpuppt hatte, über das er nicht zu reden bereit war. Alles in allem aber war Fabian vollkommen begeistert davon, wie unterhaltsam und witzig der hübsche Kerl mit den braunen Locken war.
Ein unbewusstes Seufzen entwich Fabian, als er an Elias dachte. Und ein weiteres, diesmal ziemlich bewusstes, schickte er gleich hinterher, weil er immer noch im Unklaren darüber war, ob Elias nun hetero- oder homosexuell war. Es hatte sich einfach nicht ergeben, dieses Thema zu erörtern, was Fabian mehr bedauerte, als er zuzugeben gewillt war. Zwar hatten sie über Susanna und deren Schwärmerei geredet und Elias hatte sich sehr geschmeichelt gezeigt, doch über dieses - etwas oberflächliche - Gespräch war es nicht hinausgegangen. Es war wohl auch nicht zu erwarten, dass Elias mit seinen sexuellen Neigungen hausieren ging. Er selbst hätte sich vor ihm mit Sicherheit nicht geoutet, aber das hatte sich ohnehin erledigt. Für solche Dinge gab es schließlich Susanna, die in ihrem jugendlichen Leichtsinn manchmal etwas zu viel ausplauderte.
„Schwesterchen, Elias ist meiner. Sorry, Süße“, murmelte Fabian gedankenverloren. Doch sofort meldete sich sein Gewissen wieder. Er müsste unbedingt mit Susanna reden. Seit dem Wochenende hatte er sie nicht mehr gesprochen. Es interessierte ihn brennend, ob und was sie in Bezug auf Elias zu unternehmen gedachte.
Ohne weiter darüber nachzudenken, zückte er sein Smartphone und tippte mit klammen Fingern die Nummer seiner Schwester ein. Beinahe sofort vernahm er ihre Stimme.
„He, Sanna, ich wollte nur mal fragen, wann wir unser Essen nachholen?“, fiel er mit der Tür ins Haus.
„Fabi“, schallte es durch die Leitung. „Das ist aber nett, dass du dich an mich erinnerst“, neckte Susanna.
„Viel zu tun“, brummte Fabian und bereute schon beinahe, dass er sich zu diesem Anruf hatte hinreißen lassen.
„Ja, ja, ich weiß, wie beschäftigt du bist. Jeder Vierbeiner ist wichtiger als ich“, beschwerte sie sich.
„Das ist nicht wahr“, rief Fabian empört aus.
„Doch, ist es. Aber um so mehr freue ich mich, deine Stimme zu hören. Und am Donnerstag könnte ich“, plapperte Susanna munter drauflos. Offensichtlich war sie ihrem Bruder nicht ernsthaft böse.
„So um acht?“, wollte Fabian wissen.
„Ja klar, das passt. Aber nun muss ich Schluss machen. Ich bin grad auf dem Sprung“, erklärte Susanna.
„Ein Date?“ Fabian horchte auf. Unruhe machte sich in ihm breit.
„Ja, sowas ähnliches“, gestand seine Schwester. „Wir sehen uns übermorgen. Tschüssi, Brüderchen.“
Ehe Fabian etwas erwidern konnte, war das Gespräch beendet. Warum er so ein ungutes Gefühl im Bauch hatte, konnte Fabian nicht sagen. Fakt war, dass Susanna seit Ewigkeiten kein Date mehr gehabt hatte. Was also steckte hinter dieser Verabredung? In Fabians Magen grummelte es. Susanna war doch nicht etwa mit Elias …?
Nein, das durfte nicht sein. ‚Bitte, bitte nicht!‘ Fabian wusste nicht, was er gerade fühlte. Noch weniger konnte er sagen, warum er so sicher war, dass Susanna mit Elias verabredet war. Traurig rief er seine Hunde zu sich und machte sich auf den Heimweg. Kurzfristig hatte er tatsächlich ein wenig Hoffnung gehabt, dass Elias so tickte wie er. Aber so trügerisch konnte Hoffnung eben sein. Desillusioniert und enttäuscht trottete Fabian hinter Cleo und Caspar her, die er an den Leinen hielt und die ihn förmlich nach Hause schleppten.
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Der vergangene Arbeitstag war einer von diesen gewesen, die Fabian am meisten hasste. Bereits seinem ersten Patienten hatte er nicht mehr helfen können. Obwohl das immer wieder einmal passierte und es zum täglichen Arbeitsalltag gehörte, einen treuen Vierbeiner von seinen Qualen erlösen zu müssen, war Fabian nach all den Jahren, die er seinen Beruf nun schon ausübte, immer noch nicht immun gegen diese Art Trauer, die auch er verspürte, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gab. Dass es ihm an diesem Morgen jedoch besonders nahe ging, schob er auf seine persönliche Situation.
Von Elias hatte er seit ihrem gemeinsamen Abendessen nichts mehr gehört und auch Susanna hatte sich rar gemacht. Sie hatte sich nur kurz gemeldet, um ihm mitzuteilen, dass sie direkt zum Restaurant kommen würde, er sie also nicht abholen müsste.
In Fabian wuchs, jetzt wo er sich auf der Fahrt zu seiner Verabredung mit seiner Schwester befand, die Überzeugung, dass Elias und sie eine Affäre begonnen hatten. Wenn er sich vorstellte, wie die beiden verliebt herum turtelten, überfiel ihn Wut und Trauer. Eine solche Stimmung war mit Sicherheit nicht die beste Voraussetzung für ein harmonisches und entspanntes Abendessen mit Susanna. Mit Grauen sah er diesem Abend entgegen. Das konnte ja was werden.
Natürlich gönnte er seiner Schwester eine Beziehung zu einem netten Mann, da sie in der Vergangenheit immer wieder an die falschen Kerle geraten war. Doch warum musste es ausgerechnet Elias sein, der süßeste - da war es wieder, dieses vollkommen überbeanspruchte Adjektiv - Typ, den er jemals kennengelernt hatte?
Während Fabian seinen Wagen parkte und dabei bewusst darauf achtete, dass er noch ein paar Schritte bis zum Restaurant laufen musste, schimpfte er sich selbst einen albernen Narren. Wenn Elias und Susanna tatsächlich was miteinander angefangen hatten, war er sowieso aus dem Rennen. Warum, zum Teufel, hatte er Elias nicht einfach gefragt? Und warum sagte sein Instinkt ihm nicht, wie sein Traummann tickte? Fabian stellte den Motor ab und stieg aus. Es war müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Langsam und mit einem miesen Gefühl im Bauch ging er auf das Restaurant zu. Egal, wie das Essen mit Susanna verlaufen würde, Fabian war sicher, dass er am Ende dieses Abends einen Schwager in spe hätte, aber die Aussicht auf einen Partner verpufft wäre.
„Hallo Brüderchen!“
Fabian schreckte aus seinen Grübeleien auf. Er hatte den Eingang beinahe erreicht, als seine Schwester zu ihm auflief und ihn mit einem Kuss auf die Wange und einer Umarmung begrüßte.
„Süße“, brummte er überrascht, „wo kommst du denn plötzlich her?“ Er fand diese Frage vollkommen legitim, da sie ihm bisher nicht erklärt hatte, warum sie direkt zum Restaurant gekommen war. Es ging ihn zwar genau genommen nichts an, aber er war neugierig zu erfahren, wie sie den bisherigen Tag verbracht hatte.
„Ich war an der Uni und hatte danach noch ein paar Kleinigkeiten in Köln zu erledigen“, erwiderte sie, während sie sich bei ihrem Bruder einhakte. „Und jetzt habe ich mächtig Hunger und jede Menge Neuigkeiten für dich.“
Fabian bekam weiche Knie. Ob er die Neuigkeiten erfahren wollte, wagte er zu bezweifeln. „Dann lass uns mal reingehen. Ich bin schon gespannt auf deine Stories“, sagte er tapfer und lächelte Susanna an. Sie war seine kleine Schwester und er sollte sich für sie freuen. Doch es fiel ihm so verdammt schwer.
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Susanna plapperte und plapperte, seitdem sie ihren ersten Hunger mit dem köstlichen Bruschetta gestillt hatte, die sie sich als Vorspeise ausgesucht hatten. Inzwischen stand die Hauptspeise auf dem Tisch und Fabian stocherte lustlos in seinen Lachsravioli herum, die er eigentlich sehr liebte, die seinen Appetit aber heute nur wenig anregten. Er lauschte dem Redeschwall seiner Schwester und wartete darauf, dass sie endlich zur Sache kam. Bisher hatte sie ausschließlich von ihrem Seminar berichtet, einem Paar Schuhe, welches sie unbedingt haben musste und dem Kaffeetrinken mit einer Freundin.
Fabian hatte einige Male genickt und eine kurze Rückfrage eingeworfen, aber über das, was ihn brennend interessierte, war noch kein Wort gefallen. Fabian beschloss, nicht länger zu warten. Während Susanna ihren Redeschwall unterbrach, weil sie ein Stück ihrer Pizza in ihrem Mund verschwinden ließ, ergriff er seine Chance.
„Du, sag mal, wie war denn eigentlich dein Date am Dienstag?“, fragte er so beiläufig wie möglich.
Seine Schwester sah ihn erstaunt an, während sie kaute. Sie wirkte irritiert. „Mein Date?“ Susanna zog ihre Nase kraus. „Was meinst du?“, hakte sie nach.
„Als wir telefonierten, hast du mich ziemlich eilig abgebügelt“, erinnerte Fabian sie. „Muss ja sehr wichtig gewesen sein, was du da vorhattest.“
„Hmmm … Ach ja“, gab Susanna zu. „Ich hatte aber kein Date. Ich habe mich lediglich mit Elias …“
Als der Name seines Traummannes fiel, schaltete Fabian kurzzeitig ab. Das, was seine Schwester noch sagte, nahm er nicht wahr. Stattdessen spielten seine Gedanken verrückt. Er hatte doch gewusst, dass da was zwischen den beiden lief. Verflixt und zugenäht, warum konnte er denn nicht auch mal Glück haben? Warum war Elias nicht einfach schwul?
„Brüderchen, hörst du mir eigentlich noch zu?“ Wie durch Watte drangen Susannas Worte in seinen Geist.
„Klar doch, du hattest ein Date mit deinem Jugendfreund“, brachte Fabian hervor.
„Kein Date, Blödmann“, spottete Susanna. „Wir waren nur was trinken.“
„Und dabei habt ihr Kindheitserinnerungen aufgefrischt?!“, entkam es Fabian schnippisch.
„Ja, das haben wir.“
„Und, war es schön?“, fragte Fabian, obwohl er es eigentlich gar nicht wissen wollte.
„Es war sehr lustig“, gab Susanna zurück. Sie schaute ihren Bruder nachdenklich an. „Fabi, hast du ein Problem damit, dass ich Elias treffe?“
„WARUM sollte ich ein Problem damit haben?“, fragte er angriffslustig. „Er ist schließlich dein Sandkastenfreund.“
„Und ein unglaublich hübscher Mann. Könnte glatt deine Kragenweite sein.“
Das hatte gesessen. Fabian verfluchte Susanna für diesen Ausspruch. Warum stach sie ihm nicht gleich ein Messer ins Herz? „Ich habe keinerlei Interesse an Elias, welches über Cocos Gesundheitszustand hinausgeht.“
„Dann ist es ja gut.“ Susanna widmete sich wieder ihrer Pizza.
Fabian sah sie fassungslos an. So unsensibel kannte er seine Schwester gar nicht. Raffte sie wirklich nicht, was mit ihm los war? „Sanna, sorry, dass ich so heftig reagiert habe“, murmelte er verlegen, da selbst er sein Verhalten absolut kindisch fand. Woher auch sollte sie wissen, was in ihm vorging?! Schließlich war er niemand, der mit seinen Gefühlen hausieren ging.
„Fabi, ich wollte dich nicht ärgern“, entschuldigte Susanna sich.
„Das weiß ich“, gestand Fabian ihr zu. „Na ja, und ich sollte mich auch nicht wundern, dass ihr beide euch trefft, schließlich verbindet euch eine ganze Menge.“
„Ich freue mich wirklich, dass Elias zurückgekehrt ist“, erklärte Susanna. „Es tut gut, ihn nach all den Jahren wiederzusehen. Und es macht Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. Er hat viel erlebt.“
„Ja, das stimmt. Sein Leben war nicht langweilig.“ Fabian erinnerte sich an seine Unterhaltung mit Elias. „Einzig seine Liebe zu diesem Karnevalsverein kann ich so gar nicht nachvollziehen.“
Susanna lachte auf. „Hört, hört. Du hast dir doch ein bisschen was von dem gemerkt, worüber ihr gesprochen habt.“
‚Alles!‘ „Woher weißt du, …“
„Brüderchen, Elias hat mir von eurem Abendessen erzählt. Ich find´s toll, dass du dich darauf eingelassen hast“, unterbrach Susanna Fabian.
„Ich war nur höflich.“ ‚Ich bin ein absoluter Volltrottel. Warum gestehe ich Susanna nicht, was ich empfinde?‘
„Ja, so bist du halt. Immer höflich und unverbindlich“, erwiderte sie und verbarg ihren Spott dabei nicht.
„Das war nicht nett“, beschwerte Fabian sich.
„Ich weiß, Fabi, aber wie willst du denn …“
„Sanna, bitte lass uns das Thema wechseln. Es geht nicht um mich.“ Fabian fragte sich zum wiederholten Male, warum er erneut den Schwanz einkniff. Eine rationale Erklärung gab es dafür nicht.
„Okay, gleich“, stimmte sie zu. „Nur noch eins: Elias hat uns für Samstag zu einer Sitzung …“
„Oh mein Gott“, stieß Fabian entsetzt aus. „Nicht auch das noch!“
„… eingeladen. Er würde sich sehr freuen, wenn wir hinkämen. Ich denke, es ist seine Art, dir für deinen Einsatz und deine Fürsorge für Coco zu danken“, fuhr Susanna fort, ohne auf den Einwand ihres Bruders zu reagieren.
„Wo findet das statt?“
„In Köln.“
„Bleibt mir denn gar nichts erspart?“, beschwerte sich Fabian entgeistert. Hatte Elias nicht mitbekommen, dass ihm Karneval nicht zusagte?
„Nun hab dich mal nicht so. Elias will dich nicht quälen, sondern dir eine Freude machen“, stellte Susanna klar.
„Das ist nett“, entgegnete Fabian ironisch. „Bitte, Sanna, geh alleine hin. Ich hasse das.“
„Geht nicht. Ich habe bereits für dich zugesagt.“
„DU HAST WAS GETAN?“ Fabian musste sich bremsen, nicht aufzuspringen.
„Vertrau mir, es wird toll. Am Samstag fahren wir nach Köln, machen uns einen schönen Tag und genießen am Abend die Veranstaltung“, sagte Susanna unbeeindruckt und verleibte sich den letzten Bissen ihrer Pizza ein.
„Und am besten schenke ich dir auch noch die Schuhe, in die du dich unsterblich verliebt hast“, resümierte Fabian humorlos.
„Wenn du das unbedingt willst, werde ich dich ganz bestimmt nicht davon abhalten.“ Susanna zeigte ihr Lächeln, welches jedweden Widerspruch seit jeher im Keim erstickte.
„Du weißt, dass ich dich hasse!?“
„Das ist nicht neu“, feixte Susanna. „Und nun, wo wir das geklärt haben, wäre ich dir sehr verbunden, wenn du mir noch ein Tiramisu und einen Espresso spendieren würdest.“ Sie stand unvermittelt auf. „Ich muss mal eben“, verkündete sie und schritt schnurstracks auf die Toiletten zu.
Verzweifelt seinen Kopf schüttelnd sah Fabian ihr nach. Nicht nur, dass er immer noch nicht wusste, was zwischen Elias und seiner Schwester lief, nun hatte er auch noch das Problem, ganz schnell eine Ausrede zu erfinden, warum er am Samstag die Einladung nicht annehmen konnte. Es war unbedingt notwendig, dass ihm ganz schnell etwas sehr Plausibles einfiele, denn ansonsten käme er aus dieser Nummer nicht mehr raus.
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Der letzte Patient vor der Mittagspause hatte sich gerade verabschiedet. Fabian musste sich eingestehen, dass er heute nicht immer ganz bei der Sache gewesen war, denn den ganzen Vormittag hatte er mit sich gerungen, ob er Elias anrufen sollte oder nicht. Es wäre wahrscheinlich anständiger, ihm zu erklären, warum er die Einladung ausschlug, als Susanna vorzuschicken. Außerdem war ein ganz kleiner Teil von ihm schon ein wenig neugierig darauf, worin Elias´ Aufgabe in einem karnevalistischen Verein bestand. Irgendwie hoffte Fabian, dass sein Angebeteter nicht in lächerlichen Strumpfhosen auf der Bühne herumtanzte. Büttenredner wäre so gerade noch okay … Aber ansonsten? Fabian schüttelte sich bei den Bildern, die sich vor seinem inneren Auge abspielten. Was brachte solch einen tollen Kerl wie Elias nur dazu, sich einem solchen Unfug zu verschreiben?
Fabian griff nach seinem Smartphone. Es nutzte alles nichts. Er hatte sich entschieden. Sich Elias´ Part bei einer solchen Veranstaltung anzusehen, kam nicht infrage. Hingehen war also keine Option. Er wählte Elias´ Nummer und lauschte nervös dem Rufton. Als die Mailbox ansprang, war Fabian für einen Moment versucht, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und seine Absage einfach aufs Band zu sprechen. Doch im letzten Augenblick besann er sich anders. Er war kein Feigling und es war Elias gegenüber nicht fair, ihn so zu behandeln, schließlich war es eine durchaus gut gemeinte Geste von ihm gewesen, diese Einladung überhaupt auszusprechen. Fabian legte auf und nahm sich vor, einen weiteren Anruf zu einem späteren Zeitpunkt zu tätigen. Jetzt würde er sich erst einmal eine Pause gönnen, etwas essen und sich um seine Hunde kümmern. Als er gerade den Behandlungsraum verlassen wollte, öffnete sich die Tür.
„Hallo, Doc.“ Elias trat ein. Er grinste und trat an Fabian heran. „Darf ich dich kurz stören?“
„Mit dir hatte ich gar nicht gerechnet“, entkam es diesem. Sein Herz schlug bis zum Hals beim Anblick seines unerwarteten Besuchers. „Ich wollte gerade raufgehen. Hast du Lust auf einen Kaffee?“, fragte er.
„Oh ja, sehr gerne“, erwiderte Elias. „Ich habe heute noch einen langen Tag vor mir, da kann ich jedes Mittel zum Aufputschen gebrauchen.“
„Na dann los.“ Fabian wies Elias den Weg, obwohl das nicht notwendig gewesen wäre, und gemeinsam verließen sie den Behandlungsraum. Wohlbedacht lies Fabian seinem Gast den Vortritt, so konnte er, während sie die Treppe hinaufgingen, einen Blick auf Elias´ Hinteransicht werfen. Das, was er sah, gefiel Fabian sehr, und es kam eine Sehnsucht in ihm auf, die er sehr lange in dieser Intensität nicht mehr verspürt hatte.
„Geh schon mal in die Küche“, forderte er Elias auf. „Ich muss noch schnell mal ins Bad.“ Er brauchte einen kurzen Augenblick für sich, ehe er seinem Traummann gegenübertreten konnte. Im Bad angekommen, reinigte Fabian seine Hände und kühlte sich ein wenig herunter. Elias erregte ihn, das konnte er nicht leugnen. Nur bräuchte der das nicht unbedingt erkennen. Nachdem Fabian sich noch einen Schwall kaltes Wasser über sein Gesicht laufen ließ, sah er sich einigermaßen in der Lage dazu, seinem Gast gegenüber zu treten. Entschlossen durchquerte er den Flur und ging in die Küche. Was er dort sah, ließ ihn erschauern. Elias saß mitten im Raum auf dem Boden. Cleo und Caspar belagerten ihn und nahmen die Leckerlis, die er an sie verteilte, schwanzwedelnd entgegen. Die Situation wirkte so natürlich - so als gehöre Elias in diese Küche und zu seinen Hunden.
„Da hast du ja Freunde fürs Leben gefunden“, kommentierte Fabian die Szene und erntete von Elias ein Lächeln dafür, welches ihm durch Mark und Bein ging. „Die beiden Halunken wirst du nun nie wieder los.“
„Das ist der Plan“, gab Elias zurück. Er streichelte die Goldies noch einmal und versuchte dann, aufzustehen. Das erwies sich als nicht einfach, da Cleo und Caspar offensichtlich nicht auf ihren neuen Kameraden verzichten wollten. „He, meine Süßen, ich bleib ja hier“, beruhigte Elias sie und schaffte es schließlich, auf die Füße zu kommen. „Krieg ich jetzt den versprochenen Kaffee?“, fragte er Fabian, während er sich auf einen der Küchenstühle setzte und gleich wieder von den beiden Goldies in ihre Mitte genommen wurde, die sich rechts und links von ihm platzierten.
„Sicher doch“, bejahte der und warf die Maschine an. „Milch? Zucker?“, erkundigte er sich, obwohl er noch ganz genau wusste, dass Elias seinen Kaffee mit viel Milch zu trinken pflegte.
„Nur Milch, aber viel davon“, antwortete Elias. „Kann ich irgendwie helfen?“
„Danke, aber das kriege ich gerade noch so hin.“ Fabian nahm zwei Tassen vom Wandboard und brachte sie zum Tisch. „Hast du Hunger?“, fragte er beiläufig.
„Ich hab schon gegessen“, gab Elias zurück. „Und deshalb bin ich ja auch gar nicht hier.“
Fabian stellte Milch auf den Tisch, legte Löffel dazu und nahm dann Platz. „Und warum bist du dann eigentlich hier?“, fragte er geradeheraus. „Und wo ist Coco?“
„Die Süße habe ich bei der Nachbarin meiner Oma gelassen. Frau Ganser passt hin und wieder auf sie auf und inzwischen ist sie schon wieder sehr fit“, erklärte Elias. Als er Fabians fragenden Gesichtsausdruck sah, ergänzte er: „Coco ist wieder fit.“
„Das ist schön“, bemerkte Fabian grinsend und stand auf, um den Kaffee zu holen, der inzwischen fertig war. Er goss ein und setzte sich wieder hin. „Aber warum du hier aufgetaucht bist, hast du mir immer noch nicht gesagt“, stichelte er und gestattete es sich, Elias neugierig anzusehen.
„Ach ja …“ Elias wirkte ein wenig verlegen. Er gab Milch zu seinem Kaffee und rührte intensiv um, ohne den Eindruck zu machen, jemals wieder etwas zu sagen.
„Sprich oder kack Buchstaben, dann kann ich es lesen“, forderte Fabian ihn daher wenig charmant auf. Warum er gerade jetzt seinen verstorbenen Großvater zitieren musste, der diesen Spruch immer auf Lager gehabt hatte, wenn jemand zu lange mit einer Antwort auf sich warten ließ, entzog sich seiner Kenntnis.
Elias sah verblüfft – oder vielleicht sogar ein bisschen schockiert – auf. „Was ist denn das für ein Spruch?“, wollte er wissen, bevor sich seine Miene veränderte und er zu lachen begann.
„Mein Opa hat das früher immer gesagt“, erklärte Fabian und stimmte in Elias´ Lachen ein.
„Aha …“ Elias nahm einen Schluck Kaffee. „Also, ich bin hier, um dir zu sagen, wie sehr ich mich darüber freue, dass du meine Einladung angenommen hast.“
„Ähem …“ Diese verfluchte Einladung war also der Grund für den Besuch. „Eigentlich wollte ich dich eben anrufen, um dir …“
„… abzusagen“, vervollständigte Elias den Satz.
Fabian errötete, weil er definitiv ertappt worden war. „Woher weißt du das?“
„Susanna hat mich vorgewarnt. Sie meinte, dass du versuchen würdest, dich irgendwie herauszureden. Und sie meinte, ich könne das nur verhindern, wenn ich dich noch einmal persönlich aufsuchen würde, denn dann fiele es dir schwerer, mir einen Korb zu geben.“
„Hinterhältiges Biest“, zischte Fabian.
„Ist sie nicht. Sie ist eine ganz liebe Freundin“, nahm Elias Susanna in Schutz. „Bitte, Fabian, sag nicht ab. Ich weiß, dass Karneval nicht dein Ding ist.“
„Warum legst du denn so viel Wert darauf, dass ich mir das anschaue?“ Diese Frage brannte Fabian auf der Seele, als er in die braunen Augen seines Gegenübers schaute.
„Du hast alles für Coco getan und mir …“, begann Elias. Verlegen schaute er dann in seine Tasse.
Fabian kribbelte es in den Fingern. In diesem Moment hätte er am liebsten alle Vorbehalte über Bord geworfen und einfach nach Elias´ Hand gegriffen. Wehmütig erinnerte er sich an den warmen, festen Händedruck, der seinem Gast zu eigen war. Warum tat er es nicht einfach? Mehr als eine Abfuhr konnte er sich schließlich nicht einhandeln. „Elias, was ist los?“, fragte er stattdessen und ließ seine Finger da, wo sie sich gerade befanden.
„Sorry … Ich … Ach Mensch!“ Elias sprang so hektisch auf, dass Cleo und Caspar erschrocken hochfuhren.
„Was ist?“, hakte Fabian nach, dem das Verhalten von Elias Rätsel aufgab.
„Bitte lass mich nicht abblitzen. Komm morgen Abend nach Köln und sieh es dir an. Bitte“, flehte der förmlich.
„Okay, wenn es dir so wichtig ist, mach ich das.“ Mit einem Mal hatte Fabian alle Ausreden vergessen. Niemand würde ihn daran hindern, in die ihm zwar verhasste, aber plötzlich so verlockend erscheinende Stadt am Rhein zu fahren.
„Klasse. Ich freu mich. Alles andere zum Ablauf des morgigen Tages wird Susanna dir erläutern.“
„Äh, ich dachte, wir gehen auf eine Sitzung“, bemerkte Fabian. Er war ziemlich verwirrt.
„Ist im Prinzip auch so, aber es handelt sich um eine Kostümsitzung“, gestand Elias.
„Auch das noch.“ Für einen Moment geriet Fabians Entschluss ins Wanken. „Kostümzwang?“, fragte er.
„Ja natürlich. Aber alles ist geklärt. Susanna hat sich schon um eure Kostüme gekümmert“, erklärte Elias. „Und nun muss ich los. Tschüss, Fabian. Bis morgen.“
Ehe Fabian noch etwas sagen konnte, hatte sein Gast die Flucht ergriffen. „Was war das denn jetzt?“, fragte er sich. Er wusste, dass er alleine keine Antwort auf diese Frage finden würde. Susanna konnte mit Sicherheit Licht ins Dunkle bringen. Offensichtlich hatten Elias und sie da einiges geplant, wovor Fabian sich insgeheim etwas fürchtete. Kostümsitzung? Elias´ merkwürdiges Verhalten? Fabian widmete sich nun endlich seinem Kaffee. Grübeln brachte nichts. Er musste wohl oder übel abwarten, was das Wochenende bringen würde.
Doch irgendetwas sagte ihm, dass Susanna und Elias tatsächlich nur Freunde waren. Diese unerwartete Gewissheit zauberte ein Lächeln in Fabians Gesicht. Verdammt, er konnte es kaum mehr erwarten, Elias in Aktion zu erleben. Selbst wenn er dabei Strumpfhosen tragen würde, wäre ihm das total egal …
Fabian fuhr von seinem Stuhl auf. Erneut schreckten seine Hunde, die es sich nun neben ihm gemütlich gemacht hatten, hoch. „Verdammt, ich glaube das nicht“, stieß Fabian aus. Er eilte ins Wohnzimmer, fuhr seinen Laptop hoch. Ungeduldig trommelte er mit seinen Fingern auf den Tisch, weil ihm diese Aktion viel zu lange dauerte. Als es endlich soweit war, suchte Fabian nach dem Link, den Susanna ihm hatte zukommen lassen. Er klickte ihn an und schaute …
„Na wartet, ihr beiden. Wenn ihr glaubt, ihr könntet mich austricksen, dann müsst ihr früher aufstehen.“ Fabian starrte auf den Bildschirm und sabberte. Zumindest beinahe. Inmitten der Jungs, die ihn auf der Sitzung begeistert hatten, war Elias in voller Aktion zu sehen. Fabian konnte den Blick nicht abwenden. Wieder und wieder rief er den Clip auf. Zeitgleich befragte er eine Suchmaschine nach Hintergrundinformationen über dieses Tanzkorps.
„Er ist schwul! Er ist schwul!“, jubelte Fabian. Jetzt war ihm selbst nach Tanzen, doch er ließ es sein, weil er sich keine Verletzung ob seines nicht vorhandenen Talents zuziehen wollte. „Und er ist meiner!“, beschwor er die Zukunft. Woher er diese Sicherheit nahm, war ihm nicht klar. Fakt war nur, dass er Elias nicht durch seine Finger würde schlüpfen lassen.
„Allerdings …“ Fabian grinste vor sich hin. Ein klein wenig würde er Elias – und auch Susanna – zappeln lassen. Ungeduldig und voller Tatendrang rieb er sich die Hände. „Das wird ein denkwürdiger Abend“, murmelte er. Nach einem weiteren Durchlauf des Clips schaltete Fabian den Laptop aus. Fröhlich pfeifend verließ er anschließend seine Wohnung, um mit der Nachmittagssprechstunde zu beginnen. Das Leben konnte so schön sein.
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Samstag! Normalerweise gönnte Elias es sich, an diesem Tage auszuschlafen. Heute jedoch war er dazu nicht in der Lage, obwohl er erst gegen 3.00 Uhr in der Früh ins Bett gekommen war. Irgendetwas – wahrscheinlich der Gedanke an den kommenden Tag – ließ ihn um 7:00 Uhr erwachen, und jeder Versuch, wieder einzuschlafen, scheiterte kläglich. Demzufolge stand er auf, duschte und machte sich einen Kaffee, den er mit Genuss trank. Anschließend beschäftigte er sich mit Coco, die sich sehr über seine Zuwendungen zu freuen schien. Er streichelte sie, spielte und teilte sogar sein Leberwurstbrot brüderlich mit ihr. Der Gedanke an Fabians Missbilligung ob dieser Aktion zauberte ein Lächeln in sein Gesicht. Zu gerne hätte er sein Frühstück mit seinem Traummann geteilt … Doch so weit war es leider noch nicht, falls es denn überhaupt jemals dazu kommen sollte.
„Lieber Gott, mach, dass diese Aktion heute nicht nach hinten losgeht“, flehte er kaum hörbar zu einer unsichtbaren Macht, an die er immer noch glaubte. Das Messdienertum seiner Kindheit hatte Spuren hinterlassen, auch wenn er sich selbst nicht als einen wahrhaft Gläubigen bezeichnen konnte. Doch hin und wieder sandte er bis heute kleine Stoßgebete zum Himmel. Und in diesem Moment hoffte er sehr, dass dort im unendlichen Universum jemand hockte, der ihm wohlgesonnen war und ihn bei der Erfüllung seines Wunsches unterstützte. Doch daneben war er realistisch genug, zu wissen, dass er schon selbst die Initiative ergreifen musste, da nichts einfach so vom Himmel fiel. Schon gar nicht die Liebe dieses Mannes, die er sich so sehr wünschte.
„Coco, was hältst du davon, wenn wir uns mal nach draußen wagen?“, fragte Elias seine Hundedame, die sich in den letzten Tagen prächtig erholt hatte. Wären die geschorenen Stellen ihres Fells nicht gewesen, hätte man ihr nicht angesehen, dass sie lebensgefährlich verletzt worden war.
Ihr unentwegtes Schwanzwedeln deutete Elias als Zustimmung. Er zog sich winterfest an – draußen herrschten seit einigen Tagen ungewöhnlich niedrige Temperaturen -, leinte Coco an und verließ das Haus. An diesem Morgen hatte die Westi-Dame seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Sein Smartphone steckte in seiner Jackentasche und war auf lautlos gestellt. Anrufen wollte er ohnehin niemanden und Gefahr, dass sich um diese Zeit jemand bei ihm meldete, bestand nicht.
Also ging Elias mit Coco an der Leine durch die menschenleeren Straßen des Dorfes. Hin und wieder brauste ein Auto an ihm vorbei, aber ansonsten schliefen die Einwohner des Ortes anscheinend noch. Elias bemerkte zu seiner Überraschung, dass ihm diese Ruhe ganz gut gefiel, denn sein Leben in den letzten Monaten war hektisch gewesen. Es war es noch, doch die ständigen Auftritte mit dem Tanzkorps, die ihn momentan sehr beanspruchten, würden nach Aschermittwoch vorbei sein. Natürlich ging das Training weiter. Nach der Session war eben vor der Session, und eine neue Choreografie wartete darauf, erarbeitet zu werden. Doch alles in allem würden die nächsten Monate etwas ruhiger sein. Elias war sich bewusst darüber, dass er dann wieder in sein Studium einsteigen sollte, um es zum Abschluss zu bringen. Außerdem stand noch die Entscheidung an, ob seine Großmutter nach ihrer Reha zurück in ihr Haus ziehen oder ob sie in eine Pflegeeinrichtung übersiedeln würde. Auf jeden Fall hatte Elias vor, in seine Wohnung nach Köln zurückzuziehen, sobald der Verbleib seiner Oma endgültig geklärt wäre.
„Will ich das wirklich noch?“, fragte er sich leise, als er daran dachte. In den letzten Jahren war die quirlige Stadt am Rhein seine Heimat gewesen. Er hatte sich dort sehr wohl gefühlt, weil er so leben konnte, wie es ihm gefiel, ohne dass jemand daran Anstoß genommen hätte. Was aber würde passieren, wenn Fabian ihn tatsächlich erhörte und aus ihnen ein Paar würde? Könnten sie hier in diesem Dorf leben oder wäre es besser, fortzuziehen? Käme das für Fabian überhaupt infrage?
„Blödmann! Zuerst musst du ihn kriegen. Der Rest klärt sich dann“, entwich es Elias laut und deutlich. Als ihm das bewusst wurde, sah er sich beschämt um. Gott sei Dank konnte er keinen Menschen ausmachen, der sein Selbstgespräch mitbekommen hatte. Das beruhigte ihn sehr, denn einen Ruf als verschrobener Eigenbrötler wollte er sich auf keinen Fall einhandeln. Denn falls er sich dafür entscheiden sollte, hier in diesem Ort weiterhin zu leben, reichte wahrscheinlich schon die Tatsache, dass er homosexuell war, aus, um ihm einen zwielichtigen Ruf zu bescheren. Obwohl Fabian hier offensichtlich großes Ansehen genoss …
„Elias, du bist ein blöder Spinner“, schallt er sich. Dieses Grübeln über ungelegte Eier und seine absolut unklare Zukunft brachte überhaupt nichts. Er musste es einfach auf sich zukommen lassen.
Elias beschloss also, sich allmählich auf den Rückweg zu machen, jedoch nicht, ohne noch eben zur Bäckerei zu gehen, um sich ein Croissant für ein zweites Frühstück zu kaufen. Der vor ihm liegende Tag würde mit Sicherheit sehr lang und wahrscheinlich eben so anstrengend werden. Da dürften ein paar zusätzliche Kalorien nicht schaden. Als er in die Straße einbog, wo sich der Bäcker befand, stieß er beinahe mit jemandem zusammen, den er so gar nicht erwartet hatte.
„Oh …“, brummte er.
„Selber oh“, kam es freundlich zurück. „Schon so früh auf den Beinen?“
„Konnte nicht schlafen“, murmelte Elias. Die unerwartete Begegnung mit Fabian verstörte ihn ein wenig.
„Nervös wegen heute Abend?“, fragte der lächelnd.
„Ich? Nein! Wieso?“ Elias versuchte, den Gesichtsausdruck seines Gegenübers zu deuten. Freute der Tierarzt sich tatsächlich, ihn zu treffen?
„Natürlich du“, erwiderte Fabian. Er beugte sich zu Coco hinab, die ihn freudig bellend begrüßte. „Na, kleine Maus. Dir geht es ja richtig gut.“ Er verabreichte ihr ein paar Streicheleinheiten und betrachtete sie aufmerksam. „Junge, Junge, die Süße hat sich ja beinah komplett erholt. Sie ist ein Phänomen“, bemerkte er, als er sich wieder aufrichtete.
„Ja, das ist sie wohl“, gab Elias zurück und kam sich dabei selten blöd vor. Warum zitterte er? Die Kälte war auf jeden Fall nicht allein schuld daran. „Wann können die Fäden raus?“
„Wahrscheinlich kommenden Mittwoch“, antwortete Fabian. Seine Augen waren auf Elias gerichtet. „Aber nun sag: Was treibt dich um diese Zeit - und vor allem bei diesen Temperaturen - vor die Tür?“
„Ich habe Hunger.“ Elias errötete. Es war nicht die Frage und auch nicht seine Antwort, die das verursachten, sondern der Blick, mit dem Fabian ihn bedachte. Auf diese Art und Weise hatte der ihn noch nie angesehen.
„He, das trifft sich gut. Sollen wir uns beim Bäcker einen Kaffee und ein Brötchen gönnen?“, fragte Fabian daraufhin.
„Ein Croissant“, antwortete Elias. Was war das denn jetzt? Lud Fabian ihn tatsächlich gerade ein? Verdammt, was war mit diesem Kerl nur los? Bisher hatte Elias immer den Eindruck gehabt, dass Fabian bewusst eine gewisse Distanz aufrechterhielt. Jetzt allerdings kam es ihm beinahe so vor, als flirte der Mann seiner Träume mit ihm.
„Von mir aus auch das“, gestand Fabian ihm zu. „Und nun komm schon. Du siehst total verfroren aus.“
„Du lädst mich tatsächlich zum Frühstück ein?“
„Das wäre nicht das erste Mal“, feixte Fabian. „Aber du darfst gerne selbst bezahlen, wenn es dir lieber ist“, fügte er an.
„Sag mal, wie bist du denn heute drauf?“, entkam es Elias.
„Zuvorkommend und freundlich. So wie eigentlich immer“, erklärte Fabian recht nüchtern. Dann zwinkerte er Elias zu. „In Anbetracht des heutigen Abends kann ich es nicht riskieren, dass du erfrierst oder verhungerst. Ich bin total gespannt und freu mich riesig auf die Sitzung. Ich kann es gar nicht mehr erwarten, zu erfahren, welche Rolle du bei diesem Karnevalsgedönse innehast.“
Elias hatte Mühe, sein Erstaunen zu verbergen. Fabian wirkte viel lockerer als noch am Tag zuvor. Was war nur passiert? „Du bist tatsächlich gespannt?“, fragte er kleinlaut.
„Sicher. Aber nun komm. Ich muss was essen.“ Fabian griff nach Elias´ Hand.
„Was machst du da?“ Elias war versucht, seine Hand zurückzuziehen, ließ es aber bleiben, weil es sich so unglaublich gut anfühlte, von Fabian berührt zu werden.
„Stört es dich?“
„Nein.“
„Was beklagst du dich dann?“
„Tue ich doch nicht“, stieß Elias aus und es klang für ihn selbst nicht überzeugend.
„Dann lass uns endlich Kaffeetrinken gehen.“ Fabian setzte sich in Bewegung. Elias tat es ihm gleich. Er ging neben ihm her und es fühlte sich so an, als wäre es das Natürlichste der Welt, die Hand dieses Mannes zu halten.
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„Boah, Cielito, er hat tatsächlich meine Hand gehalten und er kommt heute Abend zur Sitzung.“ Bevor Elias die Autotür geschlossen und sich angeschnallt hatte, war Juan, der für heute zum Fahrdienst verdonnert worden war, bereits über die wichtigsten Geschehnisse des Vormittages informiert worden.
„Dir auch einen guten Tag“, bemerkte dieser mit einem Schmunzeln auf den Lippen.
„Oh ja, ´tschuldigung.“ Elias legte den Gurt an. „Aber ich komme grad nicht klar.“
„Was du nicht sagst.“ Juan fädelte sich in den Verkehr ein. „Glücklicherweise haben wir jetzt fast eine Stunde Zeit, um dich wieder in die Spur zu bekommen. Also spucke es aus: Was ist passiert?“
Elias schilderte seinem Freund die Geschehnisse der vergangenen 24 Stunden. Er ließ nichts aus und beschönigte auch sein Verhalten nicht, schließlich hatte er Fabian förmlich angebettelt, ihm keinen Korb zu geben.
„Hase, du bist ein wahrer Held“, stieß Juan lachend aus, als Elias seinen Vortrag beendet hatte. „Hast du ihm irgendwann vermittelt – bewusst oder unbewusst -, dass du auf Jungs stehst?“, hakte er nach.
„Nein, hab ich nicht, sonst hätte ich es dir gesagt“, erwiderte Elias mürrisch.
„Na ja, dann geh ich mal davon aus, dass er es irgendwie herausbekommen oder dass es irgendjemand ausgeplaudert hat“, mutmaßte Juan.
„Susanna hat es ihm nicht gesagt. Dessen bin ich sicher.“ Elias entsann sich des Versprechens, das er seiner Freundin abgenommen hatte, als er ihr seine Homosexualität und sein Interesse an Fabian bei ihrem Treffen gestanden hatte.
„Sicher? Meinst du nicht, dass sie vielleicht doch enttäuscht war, dass du nicht auf sie stehst, und sie dir eins auswischen wollte?“, mutmaßte Juan.
„Cielito, sie war so cool, als wir geredet haben. Irgendwie war sie auch nicht wirklich überrascht. Ich denke, sie hat es die ganze Zeit geahnt. Und sie freut sich riesig für ihren Bruder.“
„Und dann habt ihr Verrückten diesen unglaublich bescheuerten Plan ausgeheckt …“ Kopfschüttelnd kommentierte Juan das Vorhaben seines Freundes.
„Bescheuert finde ich den nicht“, nuschelte Elias.
„Nicht?“
„Na ja …“ Juans Einwand brachte Elias´ Überzeugung, dass sein Plan perfekt war, ins Wanken. „Er ist schon ein wenig irre und blödsinnig umständlich“, gab er zu.
„Fabian, ich bin schwul und finde dich klasse“,schlug Juan daraufhin vor und brach in Gelächter aus. „WAS, mein allerbester Hase, wäre daran so falsch gewesen?“
„Alles!“, empörte sich Elias. Auslachen brauchte Juan ihn nun wirklich nicht. Er bedachte ihn mit einem finsteren Blick, der jedoch vollkommen an seinem Tanzkollegen abprallte.
„Nichts wäre daran falsch gewesen, mein Hase“, stellte dieser klar.
„Du kennst Fabian nicht. Er ist eher zurückhaltend und besonnen“, entschuldigte Elias sein Verhalten gegenüber seinem Traummann.
„Offensichtlich hat sich dann aber über Nacht etwas verändert, sonst hätte er dich wohl kaum gepackt und in die Bäckerei verschleppt“, resümierte Juan. „Das klingt eher danach, als wäre dein Fabian ziemlich spontan.“
„Dieses Verhalten passt absolut nicht zu ihm“, murmelte Elias nachdenklich. Juan hatte natürlich recht, denn Zurückhaltung sah anders aus, und gerade deshalb war Fabians Benehmen am Morgen extrem merkwürdig gewesen. Nicht, dass es Elias nicht gefallen hätte, aber erklären konnte er es sich nicht. Hatte Susanna sein Geheimnis unbeabsichtigt doch ausgeplaudert? Nein, das war seiner Freundin mit Sicherheit nicht passiert. Auf Susanna konnte er sich verlassen. Allerdings musste es einen Grund für Fabians Verhalten geben.
„Analysiere ihn einfach später, Hase. Warte mal ab, was heute noch geschieht. Wahrscheinlich klärt sich dann alles auf“, riet Juan ihm.
„Ich glaube, ich werde bekloppt bis dahin“, mutmaßte Elias.
„Seitdem dieser Typ in dein Leben getreten ist, bist du eh nicht mehr weit davon entfernt, mein Schatz“, brachte Juan heraus.
„Du bist ein wahrer Freund“, stellte Elias fest.
„Der beste!“, bestätigte Juan.
Elias gab sich geschlagen und seufzte tief. „Ich glaube, du liegst gar nicht so falsch“, gab er zu. „Fabian macht mich wahnsinnig. Ich kann immer nur an ihn denken. Cielito, ich will ihn. Ich habe mich tatsächlich in diesen Mann verliebt.“
„Das ist ein guter Anfang, Hase. Ich bin sicher, dass er dich erhören wird und ihr euch heute Abend in die Arme fallen werdet“, orakelte Juan munter drauf los. „Mist ist eigentlich dabei nur, dass du einigen Leuten damit das Herz brechen wirst.“
„Bitte?“ Elias glaubte, sich verhört zu haben.
„Komm schon, hast du nie bemerkt, dass es da ein bis zwei Herren in unserer ach so brüderlichen Korpsmitte gibt, die ganz verschossen in dich sind?“
„Ehrlich?“ Fassungslos starrte Elias seinen Freund an.
„Ich lüge dich nicht an, Hase“, stellte Juan klar.
„Wer?“ Elias konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wen sein Tanzpartner meinen konnte. Aufgefallen war ihm diesbezüglich nie etwas.
„Hase, das werde ich dir nicht sagen. Und spätestens seit deinem Outing neulich im Bus, wissen die ja auch, dass sie chancenlos bei dir sind.“
„Shit, Cielito, warum hast du mir das nie gesagt?“, erkundigte Elias sich.
„Ich bin kein Kuppler und ihr seid alle alt genug, um solche Dinge selbst zu regeln“, stellte Juan klar.
„Stimmt“, erwiderte Elias knapp. Es wurmte ihn, dass er nie im Entferntesten daran gedacht hatte, dass jemand Interesse an ihm haben könnte. Noch mehr ärgerte ihn aber, dass Juan sich nichts über die besagten Personen entlocken ließ. Seine Neugier machte ihn rasend. „Bitte, sag es mir trotzdem“, flehte er.
„Nix da. Das ist jetzt sowieso Geschichte“, erklärte Juan mit Nachdruck. „Außerdem sind wir fast da und es wird Zeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.“ Juan setzte den Blinker und bog kurz danach auf den Parkplatz der Veranstaltungsstätte ein.
„Ich werde es versuchen“, erwiderte Elias.
„Wenn du patzt, wird Fabian keine Freude an dir haben. Dafür sorge ich dann persönlich“, drohte Juan lachend. „Und nun mach deinen Kopf frei. Ein glanzvoller Abend steht uns bevor.
„Jupp“, entgegnete Elias lahm. Überzeugt war er allerdings nicht davon. Er war nervös, und nicht nur der Gedanke an Fabian spukte durch seinen Kopf, denn so ganz vorbehaltlos konnte er sich den Jungs des Korps nun nicht mehr nähern. Einer - oder gar mehrere - seiner Kollegen hatten sich schließlich Hoffnungen gemacht und es belastete Elias, dass jemand seinetwegen unglücklich sein könnte.
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Allein für den Gesichtsausdruck von Elias bei ihrem unerwarteten Treffen in der Früh hatte sich das Aufstehen gelohnt. Der hatte irgendwo zwischen schockiert und freudig gelegen, und Fabian musste immer wieder grinsen, wenn er daran dachte. Dass er sich später sogar noch erdreistet hatte, die Hand des Mannes zu greifen, den er mehr und mehr begehrte, hatte diesen komplett umgehauen. Und auch das gefiel Fabian sehr. „Ich habe dich durchschaut, mein Süßer!“, sinnierte er, und er hätte sich seinen Gedanken noch gerne etwas hingegeben, doch Susanna machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
„Erde an Fabian.“
„Ist was?“, fragte er überrascht und sah seine Schwester an, die ihm gegenübersaß. Sie hatten nach einer ausgiebigen Shoppingrunde in Köln, auf Fabians Wunsch hin, eine kleine Pause in einem Café eingelegt.
„Nein, eigentlich nicht. Mich interessiert nur, wo du dich gedanklich gerade rumtreibst.“
„Ich sehne mich nach meinem Sofa“, erwiderte Fabian und deutete ein Gähnen an. „Und nach Cleo und Caspar.“
„Die sind bei Betty gut aufgehoben und dein Sofa läuft dir nicht weg“, gab Susanna etwas schnippisch zurück. „Mensch, Bruder, du bist doch kein alter Mann.“
„Susanna Luise Krauthausen“, begann Fabian und genoss für einen Moment den entsetzten Gesichtsausdruck seiner Schwester, bevor er weitersprach, „ich bin ein alter Mann. Drei Stunden Powershopping bringen mich an meine Grenzen.“
„Ach ja?“ Susanna gab sich kämpferisch. „Und du glaubst, da haben die 533 Stufen, die du mich den Turm vom Dom hinaufgejagt hast, nichts mit zu tun?“
Fabian grinste vor sich hin. Er hatte sich förmlich daran ergötzt, seine Schwester zu dieser Aktion zu nötigen, da er wusste, wie sehr sie solche Aktivitäten hasste. Zähneknirschend hatte Susanna die Herausforderung jedoch angenommen, da als Belohnung dafür die Schuhe winkten, in die sie sich unsterblich verliebt hatte. „Das denke ich nicht, meine Liebe, aber das ist egal. Ich bin müde und will heim“, verkündete er und versuchte, dabei mürrisch zu klingen.
„Nichts da, mein Lieber“, wiegelte Susanna ab. „Der beste Teil des Tages steht schließlich noch bevor.“
„Du weißt, wie ich darüber denke“, knurrte er. „Geh doch alleine hin. Kein Mensch merkt, wenn ich nicht dabei bin.“
„Du hast es Elias versprochen“, empörte Susanna sich.
Fabian fragte sich, ob Elias und seine Schwester in ständigem Kontakt standen? Hatte er ihr von seinem Besuch in der Praxis oder gar von dem Treffen am Morgen berichtet? „Ich habe gar nichts versprochen“, gab er zurück. „Du hast mich überrumpelt.“
„FABIAN, sei doch nicht so.“ Susanna zog eine Schnute. „Ich bin sicher …“
„Lass nur. Ich gehe ja mit“, gab er seiner Schwester – scheinbar – nach. Natürlich hatte er niemals beabsichtigt, sie alleine zu dieser Sitzung gehen zu lassen. Aber das musste sie ja nicht wissen.
„Na, Gott sei Dank.“
„Freu dich nicht zu früh“, warf Fabian drohend ein. „Ich weiß ja noch nicht, was du für Kostüme organisiert hast.“ In seinen wildesten Fantasien sah er sich als Römer in Sandalen und Tunika durch Köln streifen. Oder als Tarzan. Oder Rumpelstilzchen. „Und außerdem interessiert es mich brennend, wo die Fetzen sind und wir uns umziehen sollen? In deiner Handtasche hast du sie ja kaum versteckt.“ Außer, wenn meine schlimmsten Befürchtungen wahr werden, und Susanna und ich als Adam und Eva auflaufen werden.
„Also …“ Susanna ließ sich Zeit. „Die Kostüme sind bei Elias in der Wohnung. Er hat mir einen Schlüssel anvertraut. Wir können uns dort stylen und von da aus ist es auch nicht weit bis zum Saal.“
„Ihr beiden überlasst aber auch gar nichts dem Zufall“, nörgelte Fabian. Die Neuigkeiten seiner Schwester machten ihn tierisch nervös. Er würde tatsächlich die Wohnung von Elias betreten. Fuck, das war extrem aufregend.
Susanna murmelte etwas, das sich entfernt nach „Dich muss man ja auch zu deinem Glück zwingen!“ anhörte. Fabian tat so, als habe er es nicht verstanden. Er nahm das Gespräch wieder auf. „Ich hoffe doch, ich blamiere mich nicht mit dem Kostüm, welches du für mich vorgesehen hast“, brummte er.
„Habe ich dich jemals in Verlegenheit gebracht?“, fragte Susanna.
„Niemals.“ Fabian lachte auf. „Mal ganz abgesehen davon, dass du Mama und Papa damals gesteckt hast, dass ich einen Jungen geküsst habe …“
„Damals war ich sechs Jahre alt“, rechtfertigte Susanna sich.
„Und ich sechzehn, und ich wäre beinahe vor Scham gestorben.“ Fabian erinnerte sich noch genau an diesen Moment. Ebenso an die Reaktion seiner Eltern. Er hatte befürchtet, dass sie kein Verständnis für ihn haben würden, doch diese Angst hatte sich als unbegründet herausgestellt. Seine Eltern erwiesen sich als außerordentlich tolerant. Als er seinen ersten festen Freund hatte, durfte dieser sogar im Hause Krauthausen übernachten.
„Nimmst du mir das immer noch übel?“, erkundigte sich Susanna reumütig.
„Nein, Blödsinn. Irgendwann wäre es eh herausgekommen. Und so war es gar nicht so schlecht.“ Fabian grinste seine Schwester an. „Komm schon, das sind alte Kamellen. Jetzt interessiert es mich brennend, auf welche Art und Weise du mich heute bloßstellen wirst.“
„Weißt du eigentlich, dass du ein richtiger Stinkstiefel sein kannst?“ Susanna schaute ihren Bruder strafend an. „Ich weiß gar nicht, was Eli…“ Sie stockte abrupt. „Shit“, stieß sie aus. „Zahl bitte, wir müssen los, sonst kommen wir noch zu spät“, wechselte sie schnell das Thema.
Wieder enthob sich Fabian eines Kommentars, doch innerlich brodelte es in ihm. Er wusste genau, was Susanna in ihrem Eifer beinah hinausposaunt hätte. Elias mochte ihn! Dieser Tag wurde von Minute zu Minute besser. Fabian zahlte die Zeche und folgte Susanna, die bereits fluchtartig das Café verlassen hatte. Er ließ sich Zeit, denn er wollte seiner Schwester die Möglichkeit geben, Elias von den neusten Entwicklungen zu berichten. Fabian war inzwischen sicher, dass die beiden regelmäßig in Verbindung miteinander standen. Er sah seinen Verdacht bestätigt, als er registrierte, wie sie ihr Smartphone unauffällig in ihrer Handtasche verschwinden ließ, kurz bevor er sie erreichte. Zu gerne hätte er gewusst, was die beiden Verschwörer gerade wieder ausgeheckt hatten. Aber er würde es mit Sicherheit bald erfahren. Fabian musste sich beherrschen, nicht breit zu grinsen, als er seine Schwester unterhakte.
„Wo geht es lang?“, fragte er stattdessen mürrisch, obwohl er seine immer besser werdende Laune nur mühsam unterdrücken konnte. Dieser Abend war dazu bestimmt, denkwürdig zu werden. Und das Beste daran war, dass er die Zügel in der Hand hatte. „Et weed verzällt se han ne Scheff jesinn. Dat kütt vun Zündorf in de Stadt erinn …“
„FABIAN!“, stieß Susanna aus.
„Was?“, fragte der. „Das ist doch ein Karnevalslied, oder?“ Fabian hätte sich vor Lachen kugeln können, als er den entsetzten Gesichtsausdruck seiner Schwester bemerkte.
„Ja, natürlich“, bestätigte diese.
Fabian sah Susanna an, dass sie noch etwas sagen wollte, ließ das jedoch nicht zu. „Sag mal, gehen wir noch irgendwann mal los, oder was? Ansonsten fahr ich nämlich gleich doch noch heim.“
„Unterstehe dich!“ Susanna schüttelte den Arm ihres Bruders ab und ging energisch voran. Fabian folgte ihr. Als nächstes Etappenziel stand also Elias´ Wohnung auf dem Plan. Dort würde er sich ausgiebig umschauen …
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Fasziniert stand Fabian vor dem großen Spiegel in Elias´ Schlafzimmer. Er erkannte sich in dem dunkelblauen dreiteiligen Anzug, dem weißen Hemd und der passenden Krawatte beinahe nicht wieder. Das Motto dieser Sitzung waren die 20er Jahre und sein Kostüm war stilecht, soweit er das beurteilen konnte. Und es passte wie angegossen. Sogar die Schuhe waren ausgesprochen bequem. Erstaunlicherweise gefiel Fabian sein Outfit, obwohl er Anzüge ansonsten verpönte. Er fragte sich gerade, wie viel Einfluss Elias bei der Auswahl dieser Kleidungsstücke gehabt hatte, als Susanna das Zimmer betrat.
„Du siehst wunderbar aus“, stieß sie aus und musterte ihn unverhohlen. „So was solltest du öfter tragen“, ergänzte sie.
„Blödsinn“, brummte Fabian. Er wollte vermeiden, dass seine Schwester auf die Idee kommen könnte, dass er sich ausgesprochen wohlfühlte. Nicht nur seine Kleidung war der Grund dafür, nein, auch seine kurze Inspektion der Wohnung seines Angebeteten hatte seine Laune erheblich verbessert, da er für sich festgestellt hatte, dass ihm dessen Einrichtungsstil sehr zusagte.
„Mein Gott, Fabi. Du bist ein echter Stimmungstöter. Das kann ja ein langer Abend werden“, stöhnte sie theatralisch.
„Darf ich dich daran erinnern, dass ich zu all diesem hier genötigt wurde?“, fragte er knurrig.
„Ich hab gewusst, dass das eine blöde Idee ist“, murmelte Susanna.
„Bitte?“ Fabian zog eine Augenbraue hoch und betrachtete seine Schwester streng. Ihr enttäuschter Gesichtsausdruck brachte ihn beinahe dazu, seine Maskerade aufzugeben.
„Ach nix.“ Ein bemühtes Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Bitte, großer Bruder, versuch doch ein bisschen Spaß zu haben. Bitte, bitte“, bettelte sie. „Du siehst so toll aus.“
Fabian trat auf seine Schwester zu, nahm sie in den Arm und küsste sie auf die Stirn. „Ich werde mein Bestes tun. Aber ich hab was gut bei dir. In Ordnung?“
„Was denn?“
„Das sehen wir dann“, antwortete Fabian grinsend. Erst jetzt nahm er sich die Zeit, seine Schwester zu betrachten. Sie trug ein cremefarbenes Kleid und ebensolche Schuhe. Die Accessoires wie Handschuhe, Schmuck und Hut waren perfekt darauf abgestimmt. Eine schwarzfarbige Perücke und passendes Make-up rundeten ihren Look ab.„Übrigens siehst du zauberhaft aus“, bemerkte er anerkennend. „Elias wird begeistert sein.“
„Das glaub ich auch.“ Susannas Lächeln war nun schon wieder viel entspannter.
„Dann sollten wir allmählich mal los. Sonst fangen die noch ohne uns an.“ Fabian machte sich auf, das Schlafzimmer zu verlassen. Es war so schwierig, den Miesepeter zu geben, wenn man innerlich vor lauter freudiger Erwartung kaum noch wusste, wohin mit seiner Energie. Ja, Elias würde begeistert sein, aber nicht in erster Linie wegen Susanna, sondern seinetwegen. Diese Gewissheit verursachte eine beschwingte Vorfreude auf diesen Abend, die er noch niemals gefühlt hatte. Gerade wollte er seine Jacke von der Garderobe nehmen, als Susanna ihn zurückhielt.
„Da fehlt noch was“, flötete sie und setzte ihm einen Hut auf den Kopf. „Wow, irgendwie wie Indiana Jones, nur jünger“, lachte sie.
Fabian schaute in den Spiegel. „Einen Fedora? Wow, so einen hab ich mir schon immer gewünscht“, platzte es aus ihm heraus.
„Jetzt ist es perfekt“, konstatierte Susanna und reichte ihm seine Jacke. Nachdem er sie angezogen hatte, half er seiner Schwester in den Mantel.
„Na dann mal los. Ich hoffe, es wird einigermaßen erträglich.“ Fabian sah das missbilligende Aufblitzen in Susannas Augen. „Wenn du wüsstest“, dachte er. Sagen tat er nichts mehr. Stattdessen summte er den Karnevalssong von vorhin erneut, was seiner Schwester ein entsetztes Schnauben entlockte. „Das wird großartig“, beglückwünschte Fabian sich gedanklich. Den beiden Kindsköpfen würde er es zeigen.
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Elias starrte mit gemischten Gefühlen auf sein Smartphone. Die Nachricht von Susanna, die er eben erhalten hatte, erfreute ihn einerseits, denn jetzt konnte er endlich sicher sein, dass Fabian sich nicht doch noch drücken würde. Andererseits klang 'Er ist irgendwie merkwürdig drauf' nicht wirklich beruhigend. Wobei Fabian natürlich bereits am Morgen ein seltsames Benehmen an den Tag gelegt hatte.
„Ach, scheiß drauf. Wenn er erst einmal hier ist, treibe ich ihm die Flausen schon aus“, erklärte er gerade seinem Handy, als er eine Berührung auf seiner Schulter spürte.
„Führst du jetzt schon Selbstgespräche?“, hörte er die vertraute Stimme von Juan. „Junge, Junge, allmählich mache ich mir Sorgen“, fügte dieser breit grinsend hinzu.
„Quatsch. Nein, alles gut. Fabian ist mit Susanna auf dem Weg hierher.“
„Na dann kannste ja entspannen und den Dingen ihren Lauf lassen“, schlug Juan vor. „Lass uns noch einmal die Hebefigur aus der zweiten Choreografie durchgehen, bevor wir uns umziehen“, bat er.
Ob er in der Lage dazu sein würde, sich zu entspannen, bezweifelte Elias. Jedoch begann er mit ein paar Dehnübungen, um Juans Bitte zu erfüllen. Konzentration auf die bevorstehenden Auftritte würde ihn zumindest beschäftigen, solange er Fabian noch nicht begrüßt hatte und sich persönlich ein Bild über dessen merkwürdige Stimmung machen konnte.
„Sag mal, an welchen Tisch hast du deinen Schnuckel eigentlich verfrachtet?“, wollte Juan wissen, der inzwischen auch dabei war, sich warm zu machen.
„Tisch zwei, Platz sieben und acht“, gab Elias gepresst zurück. Die Figur, die er gerade ausprobierte, machte deutliches Sprechen fast unmöglich.
„Nicht kleckern, sondern klotzen.“ Juan lachte. „Wem hast du diese Karten denn aus dem Kreuz geleiert?“
„Sag ich nicht.“ Elias musste sich ein triumphierendes Lächeln verkneifen. Es war tatsächlich nicht leicht gewesen, an diese Karten zu gelangen, da Tisch zwei einer der besten im ganzen Saal war. Von dort aus konnte man die Bühne perfekt überblicken.
„Dann sag es eben nicht“, maulte Juan. „Mir doch egal.“ Er wandte sich von Elias ab.
„Schmoll nicht, Cielito. Ich hab einfach Dusel gehabt. Ein Paar hatte angefragt, ob die Karten wieder in den Verkauf gehen könnten, da sie ein familiärer Zwischenfall am Besuch der Veranstaltung hindert. Na ja, und just in dem Augenblick war ich auf der Geschäftsstelle.“
„Glückspilz! Von diesen Plätzen kann er dir beinahe in die Augen schauen.“
„Inzwischen bin ich gar nicht mehr so happy darüber. Ich habe totalen Schiss ...“, begann Elias.
„Den solltest du auch haben. Denn wenn du patzt, wird dein Tierarzt nur noch deine Einzelteile einsammeln können“, feixte Juan.
„Hahaha, sehr witzig.“ Elias war momentan nicht sehr empfänglich für die Albernheiten seines Freundes. Er war schlicht und ergreifend nervös.
„Ja, ist es“, kommentierte Juan. „Aber nun komm, lass uns noch ein bisschen proben. Kann nicht schaden.“ Er nahm seine Position ein und forderte Elias auf, in die Figur einzusteigen. „Übrigens bin ich sehr gespannt auf deinen Helden.“
„Finger weg“, warnte Elias. Dann griff er nach den Händen seines Tanzpartners. „Fabian gehört mir.“
„Wir werden sehen, mein Hase“, antwortete Juan, während er die ersten Schritte begann.
Elias erkannte sofort, welche Stelle sein Freund probieren wollte. Bevor er loslegte, sagte er: „Gucken darfst du, aber alles andere ist tabu. Sonst wird irgendjemand deine Einzelteile einsammeln müssen.“
„Ist ja schon gut.“ Juan lachte. „Und nun komm. Ich bin bereit.“
Das ließ Elias sich nicht zweimal sagen. Konzentriert legte er los. Mit Juan war selbst die komplizierteste Figur ein Kinderspiel.
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Fabian bemühte sich, einen grimmigen oder zumindest gelangweilten Gesichtsausdruck zur Schau zu stellen, obwohl er sich eigentlich sehr gut amüsierte. Und das, obwohl er Elias bisher noch nicht gesehen hatte. Zunächst war er ein wenig enttäuscht darüber, doch inzwischen war ihm klar, dass seine quirlige Hupfdohle bei einer Veranstaltung wie dieser vermutlich vollkommen eingespannt war. Also lehnte sich Fabian entspannt zurück, auch wenn dies für Außenstehende ob seiner sparsamen Mimik eher nicht so aussah, und genoss die Sitzung, die inzwischen seit einer guten halben Stunde im Gange war. Er betrachtete die Besucher, die ausnahmslos im 20er Jahre Stil gekleidet waren. Ein paar schnuckelige Kerle waren ihm dabei durchaus nicht entgangen. Schauen durfte er schließlich. Doch sein Interesse galt natürlich nur Elias. Er stellte sich seit geraumer Zeit vor, wie dieser in solcher Kleidung aussehen würde und kam zu dem Schluss, dass er sich nachher sehr beherrschen müsste, nicht tatsächlich zu sabbern. Ein Lächeln stahl sich in sein Gesicht, welches jedoch sofort verschwand, als er den verstohlenen Blick seiner Schwester bemerkte, die ihn gefühlt alle dreißig Sekunden prüfend ansah. Sie sollte auf keinen Fall merken, dass ihm dieser Abend überaus gefiel, und offiziell würde er niemals – auch wenn ihm Folter angedroht werden sollte – zugeben, wie großartig er sich im Augenblick fühlte. „Ja, ja, meine Kleine, wenn du deinen großen Bruder verarschen willst, musst du früher aufstehen“, dachte er, während er demonstrativ die Hand vor den Mund hielt und ungeniert gähnte.
„Fabi, bitte ...“, ließ sie sich vernehmen.
Das Flehen in ihrem Blick hätte ihn beinahe davon abgehalten, sein nicht ganz faires Spiel weiterzutreiben. Aber eben nur beinahe. Stattdessen stand er auf. „Ich geh mal auf die Toilette“, gab er ihr zu verstehen.
„Nicht jetzt“, sagte sie aufgebracht.
„Aber ganz sicher jetzt. Wie habt ihr mich nur zu einem solchen Schwachsinn überreden können, Schwesterchen? Das ist doch vergeudete Lebenszeit“, blaffte er sie an.
Susanna öffnete den Mund, doch ihre Erwiderung wartete er nicht ab. Fabian verließ seinen Platz und drängte sich durch die Reihen hindurch in Richtung Ausgang. Allerdings fühlte er sich gerade nicht wie ein Held. Susanna hatte ausgesehen, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. „Oh shit, das war dann doch ein bisschen drüber“, dachte er zerknirscht. Aber nun gab es kein Zurück mehr. Er wollte seinen Plan durchziehen, und wenn alles so lief, wie gewünscht, würde er später zu Kreuze kriechen und sich in aller Form bei seiner Schwester entschuldigen.
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„Wo warst du?“ Entsetzt und vielleicht auch ein wenig enttäuscht blickte Susanna Fabian an. Sie schien kurz davor zu sein, die Fassung zu verlieren.
„Auf der Toilette. Anschließend habe ich mir an der Bar noch einen Whiskey gegönnt“, gab er zurück, auch wenn dies eine glatte Lüge war. „Und wenn ich Rauchen würde, hätte ich das auch noch gemacht“, fügte er hinzu. In Wahrheit hatte er den Saal jedoch nie verlassen, sondern sich nur ein nettes Plätzchen gesucht, von dem er die Bühne einsehen, aber er von seiner Schwester nicht ausgemacht werden konnte.
„Fabian, dir ist echt nicht mehr zu helfen“, zickte Susanna ihn erbost an. Sie wandte sich ab und gab ihrem Bruder damit zu verstehen, dass sie ihm nichts mehr zu sagen hatte.
Dennoch fragte er sie, nachdem er wieder Platz genommen hatte: „Hab ich was verpasst?“ Die Antwort war ein wütendes Schnauben, was ihn zum Lachen brachte. Das konnte er sich erlauben, da Susanna ihm demonstrativ den Rücken zugedreht hatte. Er wusste, dass er nichts verpasst hatte. Den Auftritt des Tanzkorps hatte er konzentriert verfolgt. Elias hatte er dabei keinen Augenblick aus den Augen gelassen. Er hätte es auch gar nicht gekonnt, so sehr faszinierte ihn die Darbietung seines Angebeteten. Wie hatte er Tanzen jemals doof finden können? Elias war die reinste Augenweide. Und das Beste daran war, dass er ihn später noch einmal auf der Bühne sehen würde. Und bis dahin musste sein Plan aufgehen. Zumindest hatte er es schon geschafft, dass Susanna ihn zum Teufel wünschte. Und er konnte nur hoffen, dass sie Elias von ihrem Unmut berichten würde, denn ansonsten müsste er improvisieren, und dieser Gedanke behagte ihm gar nicht. Er wollte sich gerade dem Programmpunkt auf der Bühne zuwenden, als Susanna aufsprang.
„Jetzt muss ich mal“, bemerkte sie schnippisch.
Fabian machte keine Anstalten, das zu kommentieren, sondern machte ihr den Weg frei. Zufrieden sah er, dass sie ihr Smartphone zückte. Offensichtlich hatte er die Situation richtig eingeschätzt. Er hätte Haus und Hof darauf verwettet, dass Susanna sich mit Elias in Verbindung setzen würde.
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„Das ist doch alles nicht wahr.“ Elias rubbelte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Anschließend hängte er sich das Handtuch um den Hals und war versucht, auf irgendetwas einzuschlagen. „Komisch drauf. Dass ich nicht lache. Der Kerl hat es wohl nicht nötig, meine Einladung anzunehmen“, polterte er ungehemmt los, da er sich alleine in der Umkleide wähnte. Doch das war ein Irrtum, denn Juan stand mit einem Mal hinter ihm.
„Hase, drehst du jetzt komplett durch?“, wollte er wissen. „Den leeren Platz an Tisch zwei habe ich auch bemerkt, aber das heißt doch nichts. Vielleicht musste dein Hübscher nur mal auf die ...“
„Mein Gott, Juan. Kapier es endlich: Der Typ hat mich verarscht.“ Elias war am Boden zerstört. Fabian hatte sich offensichtlich im letzten Moment anders entschieden. Aus der Traum. Kein Happy End. Und als wäre dies nicht schon schlimm genug, traf Elias noch eine weitere Sache bis ins Mark. Susanna hat es nicht für nötig befunden, ihn über den Sinneswandel ihres Bruders zu informieren.
„Juan, diese Familie ist für mich gestorben“, stieß er aus, und erklärte seinem Freund, warum er sich doppelt verraten vorkam. „Sie hätte mir wenigstens Bescheid sagen können“, bemerkte er traurig.
„Vielleicht hat diese junge Dame ein klein wenig Verstand und wollte dir schlicht und ergreifend den Auftritt nicht versauen“, mutmaßte Juan. „Ich bin ihr auf jeden Fall sehr dankbar dafür.“
„Hä???“, stieß Elias aus und beglückwünschte sich zu seiner Redegewandtheit.
„So wie ich dich kenne, hättest du den Auftritt verpatzt und dem einen oder anderen Kollegen blaue Flecken und/oder Prellungen verpasst.“ Breit grinsend nahm Juan seinen Freund in die Arme. „Süßer, warum auch immer dein Fabian vorhin nicht auffindbar war, wirst du bestimmt bald wissen.“
„Will ich das überhaupt noch?“ Elias hasste sich für diesen Ausspruch, in dem so viel Selbstmitleid mitschwang, dass es schon peinlich war. Aber es tat gerade verdammt weh, dass der Plan so nach hinten losgegangen war und er seinen Traummann nicht bekommen würde. „Ach, Cielito, manchmal ist alles so doof.“
„Ja klar, aber manchmal auch nicht. Es ist doch noch ...“
„Sie können da nicht rein.“ Eine laute Stimme unterbrach Juans Ansprache.
„Doch, kann ich.“
Elias und Juan schauten sich an. „Was ist denn da draußen los?“, fragten sie zeitgleich und kurz darauf wurde die Tür aufgerissen.
„Susanna?!“
„Gott sei Dank bist du hier“, entkam es der Angesprochenen. „Ich hab dich überall ...“
„Sie haben hier nichts zu suchen“, bemerkte Michael, der hinter Susanna in den Raum getreten war.
„Ist schon gut, Micha“, warf Elias ein. „Ich kenne die junge Dame. Ich kümmere mich um sie.“
„Okay“, gab Elias´ Kapitän zurück. Kopfschüttelnd sah er Susanna an. „Immer diese Groupies. Du weißt schon, dass es sich hier um schwule Männer handelt, Schneckchen?“
„Erstens bin ich kein Groupie und schon gar kein Schneckchen, und zweitens weiß ich das sehr wohl. Und genau das ist das Problem“, giftete Susanna zurück. Michael sah sie verständnislos an, schüttelte den Kopf und verließ dann den Raum. Offensichtlich war sein Interesse an dieser Situation erlahmt.
Elias stand einfach nur da und beobachtete den Auftritt seiner Freundin, die in ihrem Kostüm faszinierend aussah, verwirrt, aber nicht ohne Interesse. Was steckte hinter dieser Aktion?
„Du musst Susanna sein“, hörte er Juan in diesem Moment sagen. „Ich freue mich, dich kennenzulernen. Der Hase hat schon viel von dir erzählt.“ Er streckte der jungen Frau die Hand entgegen, die diese perplex ergriff und schüttelte.
„Und wer bist du?“, wollte Susanna wissen.
„Das ist Juan, mein bester Freund“, warf Elias erklärend ein.
„Aha, nun ja, das ist ja nett“, stammelte sie ein wenig. Irgendwie schien Juans Begrüßung sie aus dem Konzept gebracht zu haben,
„Ebenfalls hocherfreut.“ Juan verneigte sich leicht vor Susanna. „Hübsche Damen sind hier immer willkommen“, witzelte er. „Obwohl mein niedlicher Tanzpartner sich wahrscheinlich ein wenig mehr über den Besuch deines großen Bruders gefreut hätte.“
„JUAN!“, stieß Elias aus. „Was fällt dir ein?“
„Ich sag nur die Wahrheit“, erklärte Juan. „Wem willst du hier was vormachen?“
„Mit dem bin ich fertig.“ Elias sah Susanna an.
„Wieso das denn?“, fragte diese irritiert.
„Dem Arsch bin ich doch sowieso egal, ansonsten wäre er doch wenigstens hierhergekommen und hätte sich die Sitzung angeschaut. Und mit dir bin ich auch fertig, weil du mich nicht darüber informiert hast, dass er gekniffen hat“, sprudelte es aus Elias heraus. Seine Wut war wieder da.
„Sag mal, bist du besoffen, oder was?“ Susanna trat auf Elias zu. „Fabian ist hier. Ich bin hier.“
„Fabian ist hier?“ Ungläubig starrte Elias seine Freundin an. Sein Herz raste.
„Klar, ist er hier. Und ein Arsch ist er auch. Er verdirbt mir den ganzen Abend. DU musst da was gegen tun, sonst erlebt er den morgigen Tag nicht“, prophezeite sie.
„Aber ich hab ihn nicht gesehen“, warf Elias lahm ein. „Ich dachte, ...“
„Ja, du sagtest bereits, was du dachtest, doch da hast du falsch gelegen“, fauchte Susanna. „Und jetzt geh raus und rede mit der Spaßbremse, bevor dieser Abend vollkommen ruiniert ist.“
„Aber ...“
„Still jetzt, ihr beiden. Die Quatscherei nervt und führt zu nichts. Euer bescheuerter Plan scheint offensichtlich nicht zu funktionieren“, schaltete Juan sich ein.
„Aber ...“ Diesmal wollte Susanna sich zu Wort melden, aber auch sie hatte keine Chance. Der kleine Halbspanier war schneller.
„Ruhe jetzt!“ Juan machte unmissverständlich klar, dass er nun das Ruder übernehmen würde. „Schluss mit dieser Kinderkacke. Es wird Zeit für klare Worte. Susanna, du wartest draußen. Elias kommt gleich nach.“
„Aber ...“ ertönten Elias und Susanna unisono und starrten zunächst einander und dann Juan an.
„RAUS!“ Juan deutete auf die Tür und Susanna fügte sich nun seinen Anweisungen.
„Das war ziemlich unhöflich“, konstatierte Elias.
„Ich kann noch unhöflicher und das wirst du zu spüren kriegen, wenn du dich nicht sofort in dein nächstes Outfit schmeißt, um dann endlich deinen scharfen Tierarzt zu begrüßen und ihm reinen Wein einzuschenken.“
„ABER ...“
„ZIEH DICH UM!“ Juan verschränkte die Arme vor der Brust und tippte ungeduldig mit dem rechten Fuß auf den Boden. Dabei warf er seinem Freund einen Blick zu, der diesen nicht nur verstummen ließ, sondern auch jede Spur von Widerstand in ihm brach. Er würde sich umziehen und anschließend Fabian aufsuchen müssen, denn Juan würde ihn nicht vom Haken lassen. Also ging er zu seinem Spind. Inzwischen war ihm alles egal.
„Wie lange dauert das denn noch?“, erklang es aus Richtung Garderobentür.
„Fuck“, fluchte Elias. Susanna wartete ja auch. Er gab sich geschlagen, denn auch sie kannte mit Sicherheit keine Gnade. Also begann er damit, sich umzuziehen. Kurze Zeit später hatte er sich in einen perfekten 20er Jahre Gentleman verwandelt. Er trug einen hellen Anzug mit passender Weste und Hemd. Sein Haar hatte er zurückgegelt. Elias wusste, dass es nun an der Zeit war, Farbe zu bekennen. Wenn er nicht endlich zu seinen Gefühlen zu Fabian stehen würde, dann …
„Hase, du siehst fantastisch aus.“ Die bewundernden Worte Juans, der des Wartens offensichtlich überdrüssig war und sich ihm unbemerkt genähert hatte, rissen Elias aus seinen Gedanken. Einen Kuss auf die Wange und eine Umarmung konnte der sich nicht verkneifen, bevor er seinen Freund zur Tür drängte. „Nun mach dich schnell vom Acker, bevor deine hübsche Freundin noch beginnt, hier mächtig Randale zu machen.“
„Danke, Cielito.“ Er wollte noch etwas sagen, doch da flog die Tür auf und es fehlte nicht viel und Elias hätte Bekanntschaft mit dem Blatt gemacht.
„Elias, um ...“ Susanna erstarrte. Sie ließ ihren Blick über ihren Freund schweifen. Einen Moment lang bangte Elias um sie, doch dann fand sie ihre Sprache wieder. „Oh Mann, du siehst umwerfend aus. Fabian kriegt ´nen Herzinfarkt, wenn er dich zu Gesicht bekommt.“
„Erzähl keinen Scheiß“, flehte Juan. „Sonst traut sich der Hase gar nicht mehr.“
„Der Hase traut sich nicht. ER WIRD GENÖTIGT!“, stellte Elias klar.
„Mein Gott, du bist wirklich kaum zu retten.“ Juan gab seinem Freund einen weiteren Schubs. „Nun mach hinne und werde glücklich“, forderte er ihn auf.
Susanna sah diese Äußerung ihrerseits offensichtlich als Startschuss. Sie griff nach Elias´ Hand und dieser ließ sich nun endlich von ihr mitziehen.
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Fabian rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Die gerade stattfindende Darbietung begeisterte ihn nur mäßig. Sie konnte ihn kaum von seinen inzwischen wenig triumphalen Gedanken abhalten. Susanna war schon ewig fort und auch von Elias gab es keine Spur. Sein dämlicher Plan war voll in die Hose gegangen. Er hatte es definitiv zu weit getrieben. Susanna war eben kurz davor gewesen, loszuheulen. Wahrscheinlich redete sie gerade auf Elias ein, sich lieber einen Schnuckel aus dem Korps zu angeln, als auch nur noch eine weitere Sekunde Energie darauf zu verwenden, Fabian von sich zu überzeugen.
„Du Riesenarsch.“ Fabian hielt es nicht mehr auf seinem Platz. Er sprang auf und drängte sich durch die Sitzreihen. Er brauchte dringend frische Luft. Wie albern war er eigentlich, sich auf dieses Spiel der beiden Grünschäbel einzulassen? Sein vom süßen Elias benebeltes Gehirn hatte wohl alle vernünftigen Funktionen eingestellt. Anstatt Tacheles zu reden, hatte er sich auf diese dämliche Scharade eingelassen. Eine Aktion, der er nicht gewachsen war und die ihn wahrscheinlich Elias kosten würde. „Vollidiot! Hornochse! Blödmann!“, brabbelte er vor sich hin, während er auf den Saalausgang zusteuerte. Ein mühsames Unterfangen, da er sich förmlich durch Menschengruppen hindurchschlängeln musste.
„Aber ein ausgesprochen ansehnlicher“, drang es nun an sein Ohr und irgendjemand hielt ihn auf, indem er ihn ziemlich unsanft am Arm packte. Fabian blickte in tiefbraune Augen, als er sich herumdrehte, um zu sehen, wer ihn da angrapschte. Der Kerl war hübsch, aber ihm völlig unbekannt. Dass ihn jetzt noch jemand plump anmachte, brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Dem Typen würde er was erzählen.
„Lass mich sofort los, du Hampelmann“, polterte Fabian los. „Was bildest du dir ein?“
„Geht das auch ein bisschen freundlicher?“, erkundigte sich der Fremde, ohne jedoch Anstalten zu machen, ihn loszulassen. Er grinste frech.
„Warum sollte ich freundlich zu dir sein? Ich hab nicht darum gebeten, dass du mich antouchst.“ Fabian war etwas perplex ob des Verhaltens des Mannes.
„Schade eigentlich“, gab dieser zurück.
„LASS MICH LOS!“, zischte Fabian.
„Tu ich nicht und du wirst mir noch dankbar deswegen sein.“
„Geht es noch? Was bildest du dir ein?“ Fabian versuchte, sich der Umklammerung des Mannes zu entziehen. Entweder war dieser Typ total besoffen oder absolut durchgeknallt. Oder beides. Aber egal, was es auch war. Offensichtlich hatte der Kerl genügend Selbstvertrauen, sich als den Heilsbringer für jeden schwulen Mann zu halten. „Verschwinde endlich.“
„Boah, bist du ein Nervenbündel“, gab der kleine Kerl zurück und ließ Fabian endlich los. Der wollte sich zum Gehen wenden, doch er stellte fest, dass sein Gegenüber ihn intensiv betrachtete. Dies verunsicherte Fabian ein wenig, doch es weckte auch seine Neugier. Daher entschied er sich zum Bleiben.
„Kann ich noch irgendetwas für dich tun?“, fragte er. Momentan war er sich nicht sicher, ob der Typ versuchte, ihn anzubaggern.
„Nein … Ja“, erwiderte der Kerl. Dann sog er tief Luft ein.
„Wenn du nicht weißt, was du willst, dann verschwinde endlich. Und nur damit dir das klar ist: Du bist nicht mein Typ.“
„Na Gott sei Dank“, entwich es dem jungen Mann. Er setzte ein breites Grinsen auf. „Und nur damit dir das klar ist: Du bist auch nicht mein Typ. Und du bist genauso durchgeknallt wie Elias. Ihr beide verdient euch.“
„Na dann ist ja alles gut“, polterte Fabian los. Dann schlug der Blitz der Erkenntnis ein. „ELIAS?!?!?“ Er stand da und schaute sein Gegenüber an. Wenn sein Hirn funktioniert hätte, hätte er sich vermutlich gefragt, ob er genauso blöd aussah, wie er sich gerade fühlte.
„Oh Mann, du bist ein Schnellmerker“, konstatierte der Unbekannte und wirkte erleichtert. „Ich bin übrigens Juan und im Auftrag der beiden durchgeknallten Personen unterwegs, die sich für Bonnie und Clyde halten und dich einfangen wollen.“
„Elias und Susanna?“ Fabian schnappte nach Luft. Was passierte hier gerade?
„Genau die“, bestätigte Juan. „Wie hältst du es mit den Chaoten eigentlich aus?“
„Keine Ahnung“, gab Fabian zurück. „Wo sind sie denn? Und wie hast du mich gefunden? Und was ist hier eigentlich los?“
„Komm einfach mal mit. Dann erzähl ich dir das Wichtigste.“ Juan nahm Fabians Hand. „Darf ich?“, fragte er vorsichtig.
„Klar.“ Fabian war zu durcheinander, um irgendetwas gegen Juan zu unternehmen. Also folgte er ihm, bis sie eine Ecke im Vorraum erreicht hatten, wo es etwas ruhiger war.
Dort angekommen, ließ Juan Fabians Hand los. „Entschuldige den Überfall, aber anders ging es nicht“, bemerkte er kleinlaut.
„Ist ja schon okay“, gab Fabian großmütig zurück. Inzwischen hatte er sich beruhigt und musste zugeben, dass Juan ein ansehnlicher Kerl war. Unter anderen Umständen hätte er sich vermutlich gerne von ihm überfallen lassen. „Wenn du mich noch eben über deine Aktion aufklärst, könnte vielleicht aus diesem Abend doch noch was werden.“
„Das hoffe ich doch sehr, denn der Hase und deine hübsche Schwester ...“
„DER HASE?“, unterbrach Fabian sein Gegenüber ungläubig. Er lachte schallend los.
„Ja, der Hase. Er ist übrigens mein bester Freund und normalerweise ein umgänglicher Zeitgenosse. Momentan allerdings ist er super kompliziert.“ Seufzend verdrehte Juan die Augen. „Also dieser Kerl hat sich unsterblich in dich verliebt und es nicht fertiggebracht, dir das zu gestehen.“ Juan machte eine bedeutungsschwere Pause. „Und habe ich ihn bisher schon für ziemlich bescheuert deswegen gehalten, muss ich dies noch um ein Vielfaches mehr tun.“
„Und was genau soll das bedeuten?“, fragte Fabian neugierig. Es tat so unglaublich gut, zu hören, was Elias für ihn empfand.
„Tja, wenn ich dich so ansehe … Wow! … Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, sich dir nicht zu offenbaren. Ihr hättet echt schon ein paar tolle Stunden in der Kiste haben können, wenn dieser Tünnes nicht so rumgeeiert hätte“, plapperte Juan munter drauflos. „Es muss ja eine körperliche Qual für ihn gewesen sein ...“
„Nicht nur für Elias“, entwich es Fabian. Eigentlich hatte er Juan ob seiner flapsigen Art zurechtweisen wollen. Das konnte er nach seiner verbalen Entgleisung allerdings getrost vergessen.
„Hört, hört!“ Juan grinste breit. „Das klingt ja ganz so, als wärst du nicht abgeneigt.“
„Verdammt, das bin ich ganz und gar nicht“, gestand Fabian einem quasi wildfremden Mann, aber irgendwie fühlte es sich richtig an.
„Okay, dann ist das ja geklärt. Und es freut mich riesig, denn Elias ist vollständig sicher, dass du nicht im Geringsten an ihm interessiert bist, nachdem Susanna eben bei ihm aufgeschlagen ist.“
„Oh shit. Ich fürchte, ich hab es dann doch etwas zu weit getrieben“, räumte Fabian ein. Als er Juans fragenden Blick sah, beichtete er diesem in kurzen Worten sein Verhalten in den vergangenen Stunden.
„Ihr beiden Spinner habt sie echt nicht mehr alle“, stöhnte dieser. „Gott sei Dank bin ich jetzt hier, ansonsten würdet ihr euch noch bis zum Ende aller Tage stumpfsinnige Spielchen liefern.“
„Und was hast du vor?“, erkundigte Fabian sich mit klopfendem Herzen.
„Vertrau mir“, entgegnete der Halbspanier. „Und behalte deinen grummeligen Gesichtsausdruck bei.“
„Was soll das denn heißen?“
„Na ja, was glaubst du, woran ich dich erkannt habe?“
„Hä?“ Seine Eloquenz beeindruckte Fabian zutiefst.
„Elias und Susanna haben mir eine kurze Beschreibung geliefert. Außerdem wusste ich, wo du hättest sitzen sollen. Da warst du aber nicht. Also hab ich kombiniert, dass du versuchen könntest, das Weite zu suchen. und ich nahm die Verfolgung auf. Irgendwann fiel mir ein Fedora ins Auge und ich schöpfte Hoffnung. Dann konnte ich einen Blick auf dein Gesicht erhaschen. Und da war ich sicher, denn wenn jemand auf so einer Sitzung mit so einer Flappe rumläuft, muss das seinen Grund haben.“
„So offensichtlich?“
„Auf jeden Fall“, erwiderte Juan grinsend. „Und nun komm. Gib mir deine Hand. Der Showdown steht unmittelbar bevor.
„Ich hab Schiss“, entkam es Fabian.
„Solltest du auch.“ Zu seinem Erstaunen küsste Juan ihn auf die Wange. „Aber alles wird gut“, orakelte er, bevor er sich erneut in Bewegung setzte und Fabian zum zweiten Mal an diesem Abend mit sich zog.
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„Wo ist er denn nur?“ Verzweifelt ließ Elias seinen Blick schweifen. Von Fabian fehlte jede Spur.
„Keine Panik“, beschwichtigte Susanna ihn. „Vielleicht hat Juan ihn ja gefunden.“
„Wie wahrscheinlich ist das denn? Er kennt ihn doch gar nicht. Wie also soll er ihn in diesem Gewimmel finden?“ Elias seufzte tief. Der Abend entwickelte sich zur reinsten Katastrophe. Vor wenigen Minuten waren sie zu dritt zu Fabians vermeintlichem Platz gestürmt. Dort hatten sie ihn jedoch nicht angetroffen. Nach einer kurzen Beratung hatten sie beschlossen, sich aufzuteilen. Grundsätzlich eine gute Idee, doch Juan allein losziehen zu lassen, war suboptimal. Die Chancen, dass Fabian ausgerechnet dem Halbspanier in die Arme laufen würde, waren verschwindend gering. Wenn Susanna und er ihn nicht bald finden würden ... „Ach scheiße“, entkam es Elias niedergeschlagen.
„Schmeiß jetzt bloß nicht die Flinte ins Korn.“ Susanna lächelte ihn aufmunternd an. „Im Zweifelsfalle suchen wir ihn zu Hause auf und erklären ihm alles.“
„Vergiss es. Er mag mich nicht.“ Elias war den Tränen nahe. Wie sollte er später nur tanzen? Er würde nicht nur von Fabian den Korb seines Lebens bekommen, sondern auch noch im hohen Bogen aus dem Tanzkorps fliegen.
„Nun hör aber auf, zu spinnen“, begehrte Susanna auf. „Er mag dich ganz sicher. Und alles andere wird sich finden.“ Aufmunternd knuffte sie ihm in den Oberarm. Allerdings widersprach ihr Gesichtsausdruck ihrem Verbaloptimismus ganz gehörig.
„Ach, hör doch auf“, brummte Elias. „Ich weiß, du meinst es gut, aber es ist doch alles sinnlos.“ Inzwischen hatten sie sich bis zum Foyer durchgekämpft. Auch hier war von dem Tierarzt seines Vertrauens nichts zu sehen. „Er ist weg. Schluss. Ende. Aus. Hätte ich Idiot doch nur den Mut gehabt, ihm meine Gefühle zu gestehen.“
„Mach dich nicht fertig. Wir haben noch gar nicht überall gesucht.“ Susanna drängte Elias weiter.
„Es ist gut, Sanna. Es hat keinen Zweck mehr. Ich muss allmählich wieder zurück. In einer halben Stunde ist unser nächster Auftritt.“ Elias warf einen letzten verzweifelten Blick in die Menschenmenge. Doch alles, was er sah, hatte nicht im Entferntesten Ähnlichkeit mit Fabian.
„Sag mal, was treibst du denn hier vorne?“
„Jochen?“ Elias blickte seinem Tanzkollegen direkt in die Augen, als er sich umwandte.
„Gut erkannt“, sagte dieser lächelnd. „Suchst du deinen Tanzpartner?“
„Nein …, also ja ...“ Die Frage überraschte Elias.
„Oh ha, da ist aber jemand durch den Wind“, kommentierte Jochen. „Aber falls du ihn suchen solltest, findest du ihn an der Theke. Er ist in Begleitung eines ziemlich heißen Kerls.“
„Juan hat jemanden abgeschleppt?“ Elias war verdutzt.
„Sieht so aus. Und ganz ehrlich: Den Typen hätte ich auch nicht weggeschickt.“
„Elias, das muss Fabian sein. Komm endlich.“ Susanna riss an seinem Arm. „Komm mit.“ Sie setzte sich in Bewegung, schob Jochen zur Seite. „Danke dir. Du hast einen gut bei mir.“
Elias beobachtete abwesend, was gerade passierte. Jochens breites Grinsen, welches er Susanna zuwarf, den fragenden Blick, mit dem er von seinem Korpskollegen gemustert wurde und seine Freundin, die an ihm zerrte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen, wollte er in Zukunft nicht auf seinen linken Arm verzichten müssen.
„Da sind sie“, stieß Susanna erfreut aus.
Tatsächlich erblickte nun auch Elias seinen Freund Juan und dessen heißen Begleiter. Ein großer Pappaufsteller hatte sie bis dahin vor der Entdeckung der beiden Suchenden geschützt. „Und nun?“, fragte er seine Freundin.
„Nichts wie hin“, sagte sie gelassen. Sie veränderte ihre Gangart und schlenderte nun besonnen zu den beiden Männern hinüber. Elias versuchte, es ihr gleich zu tun. Sein Herz pochte bis zum Hals.
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Fabian genoss den Whiskey, den Juan ihm an der Bar spendiert hatte. Tatsächlich beruhigte er sich ein wenig. Was konnte schon passieren? Schlimmstenfalls gingen Elias und er nach diesem Abend auch weiterhin getrennte Wege. Doch daran glaubte er nach den Andeutungen von Juan nicht wirklich.
„Na, geht es einigermaßen?“, erkundigte sich dieser gerade.
„Ich denke schon“, erwiderte Fabian. „Wie geht es denn jetzt weiter?“
„Das hängt davon ab, ob deine Schwester und Elias hier bald aufschlagen. Denn wenn nicht, gibt es ein Problem“, erklärte Juan.
„Welches?“
„Unseren nächsten Auftritt in etwa 30 Minuten.“
„Aha.“ Fabian gönnte sich noch einen Schluck seines hochprozentigen Getränks. Er konnte sich nicht so genau vorstellen, was Juan damit sagen wollte.
„Herr Tierarzt, bei all eurem Liebesdrama gibt es auch noch ein paar Dinge, die auf der Erde passieren. Und wir sind hier auf einer Sitzung und Elias und ich müssen gleich auf die Bühne. Also sollten wir hier zu Potte kommen. Und das schnell. Falls die beiden in den nächsten Minuten nicht aufschlagen, kommst du mit in die Garderobe und klärst das dort mit dem Hasen.“
„NIEMALS!“, begehrte Fabian auf.
„Glück gehabt“, sagte Juan mit einem erfreuten Gesicht. „Da kommen sie.“
„Dann guck ich wohl mal wieder grimmig“, gab Fabian bekannt. Doch er kam nicht dazu. Stattdessen spürte er Juans Hand in seinem Nacken und Juans Lippen an den seinen. „Was soll ...“
„Klappe halten und mitmachen“, nuschelte Juan an seine Lippen und verstärkte den Griff.
Eigentlich wollte Fabian sich zurückziehen und aufbegehren, doch es fühlte sich unglaublich gut an, was Juan da tat. Er machte mit und vergaß für eine Millisekunde, dass das so gar nicht richtig war.
„Du blödes Arschloch!“ Susanna brüllte ihn an.
Fabian löste sich von Juan und betrachtete seine Schwester, deren blanke Wut ihm entgegenschlug. „Es ist nicht so ...“
„Ach nein?“ Es war Elias, der diese Frage stellte.
Fabian wäre am liebsten im Erdboden versunken. Was hatte er sich nur dabei gedacht, sich von Juan küssen zu lassen? Oder genauer gesagt: dessen Kuss auch noch zu erwidern. „Ich kann das alles erklären“, stieß er verzweifelt aus.
„Ach, das ist ja mal was ganz Neues. Knutscht hier vor allen Leuten rum und kann es auch noch erklären.“ Elias Blick traf Fabian mehr als dessen Worte. Wut. Enttäuschung. Hoffnungslosigkeit.
„Es stört dich?“ Fabian hörte seine Worte. Welcher Teufel ritt ihn gerade?
„Kein bisschen. Ich finde es rattenscharf, wenn mein bester Freund mit ´nem heißen Kerl rummacht. Auch wenn er weiß, dass ich mich total in eben diesen Kerl verliebt habe.“ Elias Blick sprach Bände. Juan wäre sofort zu einem Häufchen Asche zerfallen, deutete Fabian den Ausdruck auf Elias´ Gesicht richtig. Und er wäre ihm gleich darauf in diesen Zustand gefolgt.
„Du hast dich in mich verliebt?“ Wieder hörte Fabian die Worte aus seinem Mund schlüpfen.
„Ja, du Blödmann, aber du nimmst ja gar nichts wahr und lässt dir gleich vom Nächstbesten die Zunge in den Hals stecken.“
„He, ein bisschen vorsichtig, Hase. Ich bin mindestens so gut wie du“, beschwerte sich Juan.
„Halt die Klappe. Mit dir bin ich fertig“, fauchte Elias. „Und mit dir auch!“
„Das glaube ich nicht.“ Fabian trat einen Schritt auf Elias zu, legte seine Hand in dessen Nacken und zog ihn auf sich zu. „Genaugenommen fängst du mit mir gerade erst an“, sagte er. Trotz des Widerstandes, den er von seinem Traummann spürte, legte er seine Lippen auf die seinen.
„Lass das“, zischte Elias.
„Niemals“, brummte Fabian zurück. Es war nicht ganz einfach, sich ordentlich zu artikulieren, wenn man versuchte, einen anderen Menschen in einen innigen Kuss zu verwickeln. Erschwerend kam hinzu, dass dieser Mensch sich wehrte. Dennoch gab er nicht nach und hatte schließlich Erfolg. Elias ließ ihn gewähren, wenn er auch nicht wirklich Anstalten machte, den Kuss zu erwidern. Doch eins nach dem anderen. Zunächst musste Fabian etwas richtigstellen. Also ließ er von Elias ab. „Ich habe mich auch in dich verliebt. Ich war nur zu feige, dir das zu sagen, weil ich lange nicht wusste, ob du schwul bist und ich gedacht habe, dass das mit Susanna und dir was geben könnte.“
„Der Herr Tierarzt ist nicht der Hellste“, kommentierte Juan breit grinsend.
„Halt die Klappe“, zischte nun Susanna. Fabian sah sie an und bemerkte, dass sie dem ganzen Spektakel interessiert folgte. „Ich will jetzt endlich wissen, was Sache ist.“
„Diese beiden Trottel sind total ineinander verschossen und es wird endlich Zeit, dass sie das klären.“ Juan dachte nicht daran, den Mund zu halten. „Deshalb verpissen wir beide uns jetzt. Ich erklär dir alles.“
„Was?“ Susanna sah Juan ungläubig an.
„Komm mit, Süße. Ich spendiere dir einen Prosecco und werde dir erzählen, was Sache ist.“
„Ich wüsste auch gerne, was Sache ist“, meldete sich Elias zu Wort.
„Darf ich dir das erklären?“, fragte Fabian leise.
„Das darfst du“, antwortete Juan. „Komm mit Susanna. Die Theke wartet.“ Er nahm sie bei der Hand und entfernte sich.
„Endlich“, seufzte Fabian. Er sah Elias an. Diesen wunderschönen jungen Mann, der noch immer so dreinschaute, als wäre er in etwas hineingeraten, was ihm eine Nummer zu groß war. „Zunächst mal: Juan ist und bleibt dein bester Freund.“
„Ach ja?“
„Ja, denn ich denke, er kennt dich sehr gut und wusste, wie du auf diese Szene reagieren würdest. Offensichtlich wollte er uns beiden einen Gefallen tun und uns so schnell wie möglich zusammenbringen“, mutmaßte Fabian.
„Indem er dich küsst?“
„Klar. Er hat meiner Meinung nach genau diese Reaktion von dir erzwingen wollen ...“
„Dieser hintertriebene kleine Spanier. Na warte!“
„Lass ihn. Ich finde es toll, dass wir endlich miteinander reden. Wie wir dahin gekommen sind, ist mir vollkommen schnuppe“, erwiderte Fabian.
„Irgendwie hast du recht“, gab Elias zu. Allmählich schien die Anspannung von ihm abzufallen. „Du hast dich tatsächlich in mich verliebt?“, fragte er.
„Hab ich.“
„Und du hast nichts gesagt wegen Susanna?“
„Ich wollte ihr nicht wehtun“, gestand Fabian. „Aber dann habe ich herausgefunden, dass du auf Männer stehst.“
„Warum hast du dich nicht spätestens dann offenbart?“
„Weil ich mitbekommen habe, dass Susanna und du irgendetwas ausgeheckt habt. Da wollte ich den Spieß einfach umdrehen.“
Elias sah Fabian erstaunt an. „Du spielst Spiele?“, wollte er wissen.
„Nicht wirklich“, gestand Fabian, „Ich habe es aber trotzdem versucht, doch es war eine ganz blöde Idee.“
„Weil?“
„Weil ich uns so jede Menge Zeit geklaut habe, die wir weitaus besser hätten nutzen können“, erklärte Fabian.
„Für solche Dinge?“ Elias gab ihm einen Kuss. Dann grinste er Fabian an.
„Für solche Dinge“, gab dieser zurück. Erneut griff er seinem Gegenüber in den Nacken. Diesmal spürte er keinen Widerstand, als sich ihre Lippen berührten. Es entwickelte sich ein inniger Kuss zwischen ihnen, der so intensiv war, dass sich bei Fabian ein lange verdrängtes Verlangen einstellte. „Ich will dich, Elias“, entkam es ihm atemlos, als sie sich trennten.
„Ich dich auch, Fabian. Schon seit dem Morgen nach Cocos Unfall.“
„Oh Mann, wir beide sind wirklich Trottel.“ Fabian lachte Elias an. Er legte seine Arme um ihn. „Und wie geht es mit uns weiter?“, fragte er.
„Hmmm … Wie wäre es mit einem weiteren Kuss? So als Anfang“, schlug Elias vor.
„Passt mir gut“, bestätigte Fabian und ließ es sich nicht nehmen, diesen Vorschlag in die Tat umzusetzen.
„Ich störe ja nur ungern, aber wir müssen tanzen.“ Unbemerkt von Fabian war der hübsche Spanier zu ihnen getreten.
Elias löste sich von Fabian. „Och nee“, stieß er aus.
„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, philosophierte Juan. „Ihr könnt später weitermachen. Wenn man so lange umeinander herumschleicht, kommt es auf eine weitere halbe Stunde nicht mehr an.“
„Wo er recht hat.“ Fabian tat sich schwer, sich von Elias zu lösen. Es tat beinahe weh, die Umarmung zu beenden. „Ich werde euch zuschauen und auf dich warten“, stellte er in Aussicht.
„Das hoffe ich doch.“ Elias gab Fabian noch einen Kuss. Dann wandte er sich Juan zu. „Danke dir“, sagte er. „Auch wenn deine Methode etwas abgedreht war.“
„Gern geschehen. Und wenn ich nicht diesen Geistesblitz gehabt hätte ...“
„Ist ja schon gut“, erwiderte Elias großmütig. „Wir reden später nochmal darüber.“
„Immer dieses Gerede.“ Susanna tauchte plötzlich aus der Menschenmenge auf und rollte mit den Augen.
„Stimmt, das bringt einen nicht immer weiter.“ Fabian nahm seine Schwester in den Arm. „Sorry, das war eben ziemlich fies von mir.“
„Egal, was du zu sagen hast, und wenn ich es auch noch so gerne hören würde, ich muss los“, warf Elias ein. „Aber wir haben bestimmt in Zukunft genug Zeit, zu reden.“
„Genau“, bestätigte Fabian. „Jetzt solltest du die Klappe halten und tanzen“, fügte er an.
„Das nenne ich mal eine präzise Ansage“, erwiderte Juan. Er griff nach Elias´ Hand. „Komm Hase, dein Kerl entpuppt sich als ziemlich dominant. Lass uns tanzen gehen.“
„Und schon wieder werde ich genötigt“, beklagte sich Elias, ließ sich aber von seinem Freund mitschleppen, nachdem er Fabian einen weiteren Kuss aufgedrückt hatte.
„Weg sind sie.“
„Aber nicht für lange“, sagte Susanna. „Und ja, dein Verhalten war fies. Ich habe tatsächlich geglaubt, dass du Elias und all das hier vollkommen beschissen findest.“
„Ich entschuldige mich in aller Form.“ Fabian küsste seine Schwester auf die Wange. „Sei mir bitte nicht mehr böse. Ich wollte euch beide nur ein wenig aufziehen.“
„Okay, wir waren auch ein bisschen seltsam drauf“, gab Susanna zu. „Aber ist ja jetzt egal. Im Endeffekt ist unser Plan aufgegangen und ich bin so froh, dass ihr euch gefunden habt.“
„Ich auch. Und nun sollten wir schnellstens auf unsere Plätze. Ich möchte keine Sekunde von dem Auftritt versäumen. Das wäre eine Schande.“
„Dann los.“ Hand in Hand drängten sich die Geschwister durch die Sitzreihen und erreichten ihre Plätze just in dem Moment, als der Einzug des Korps angekündigt wurde.
„Er ist so schön“, entwich es Fabian, als die Tänzer ihre Aufstellung bezogen hatten und er Elias quasi direkt vor der Nase hatte.
„Ist er“, seufzte Susanna.
„Sei nicht neidisch, Schwesterchen. Es liegt nicht an dir“, gab er lächelnd zurück.
„Halte ihn fest und tu ihm nicht weh. Dann ist alles gut“, erklärte sie und Fabian wusste, wie ernst sie das meinte. Außerdem war ihm klar, dass er genau das vorhatte, was Susanna ihm gerade aufgetragen hatte.
„Selbstverständlich, Sanna. Ich hab dich lieb.“
„Ich dich auch, selbst wenn du manchmal ein mächtig blöder Hund bist.“
„Wuff“, entgegnete Fabian und wandte sich wieder der Bühne zu. Die nächsten Minuten klebte sein Blick an Elias. Diesen Mann würde er niemals mehr hergeben.
Epilog
Elias reckte und streckte sich ausgiebig. Allmählich erwachte er und die Geräusche, die an seine Ohren klangen, machten ihn glücklich, denn es waren die Geräusche, die Familie und Angekommensein bedeuteten. Streng genommen handelte es sich bei diesen Lauten nur um unterschiedliche Tonarten des Schnarchens, denn Fabians Schlafzimmer, in dem er seit einigen Monaten so viele Nächte wie möglich verbrachte, war proppenvoll. Neben ihm im Bett lag Fabian, dessen Schnarchen kaum zu vernehmen war. Zu seinen Füßen hatte es sich Coco gemütlich gemacht. Von ihr hörte er ab und zu ein paar fiepende Töne. Wahrscheinlich träumte sie gerade. Deutlich lauter dagegen schnarchten Cleo und Caspar, die sich nicht mehr aus dem Schlafzimmer vertreiben ließen, seitdem Elias dort quasi Stammgast war. Ab und zu brachte das zwar ein paar kleinere Probleme mit sich – vor allem, wenn Fabian und Elias ihre Liebe genießen wollten – aber alles in allem funktionierte ihre Beziehung hervorragend. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht dachte Elias an den Abend zurück, als es endlich zwischen ihnen geklappt hatte. Oh Mann, was war das für eine Achterbahnfahrt der Gefühle gewesen. Aber es hatte sich ja alles geklärt und im Nachhinein hatten Fabian und er sich über ihre eigene Dummheit oft genug lustig gemacht.
Elias drehte sich ein wenig auf die Seite. Nun konnte er Fabian ansehen. Der schlief noch tief und fest. Gestern hatte er noch bis spät in die Nacht gearbeitet. Mehrere Notfälle waren hereingekommen, um die er sich hatte kümmern müssen. „Schlaf noch ein bisschen“, flüsterte Elias ihm zu und streichelte ihm sanft über die verstrubbelten Haare. Einen Kuss sparte er sich, weil er vermeiden wollte, Fabian zu wecken. Der brauchte seinen Schlaf dringend, da sie ein ereignisreiches Wochenende vor sich hatten.
So leise wie möglich schlich Elias aus dem Bett und versuchte, unbemerkt aus dem Schlafzimmer zu verschwinden. Doch dieses Vorhaben scheiterte. Zunächst begann Coco leise zu winseln. Das rief Cleo auf den Plan, die die kleine Hundedame offensichtlich adoptiert hatte und auf jedes Geräusch von ihr reagierte. Und wenn Cleo wach war, dauerte es nicht lange, bis auch Caspar angeschlichen kam, um zu sehen, ob bei seinem Rudel alles okay war. „Ihr Racker, muss das sein?“, fragte Elias mild.
„Lass sie raus und komm wieder ins Bett.“
„Na toll“, dachte Elias, als er Fabians Stimme hörte. Nun war er wach. Das mit dem Ausschlafen lassen hatte ja ganz hervorragend geklappt. „Ich kann auch mit den Dreien eine Runde gehen und Brötchen holen, dann kannst du noch ein bisschen schlafen“, schlug er vor.
„Unterstehe dich. Lass sie in den Garten. Mache die Tür zu und komm wieder ins Bett.“ Fabian hatte sich herumgedreht und grinste Elias an. „Gestern hast du schon geschlafen ...“
„Sorry, es war eine anstrengende Woche“, entschuldigte sich Elias.
„Du musst dich nicht rechtfertigen“, wiegelte Fabian ab. „Tu nur einfach das, was ich gesagt habe.“
„Dominanter Veterinär.“ Elias schnappte sich Coco und verließ lachend das Schlafzimmer. Cleo und Caspar folgten umgehend. Nachdem er die drei Hunde noch mit ein paar Leckerlis bestochen hatte, jagte er sie in den Garten. Das Wetter war traumhaft und so würde es den Vierbeinern nichts ausmachen, sich eine Weile draußen aufzuhalten. Kurz beobachtete Elias die herumtobenden Tiere und eilte dann zurück ins Schlafzimmer. Fast erwartete er, dass Fabian wieder eingeschlafen war, doch da irrte er. Sein Freund saß im Bett.
„So so, ich bin also ein dominanter Veterinär“, bemerkte er, als Elias ans Bett herantrat.
„Bist du. Juan hatte ja so recht“, bestätigte Elias, während er sich auf die Bettkante setzte. „Aber egal. Ich liebe dich mit all deinen Schwächen.“
„Von wegen Schwächen. Komm schon her, du kleine Hupfdohle. Ich werde dir jetzt mal eine Kostprobe meiner Stärken angedeihen lassen“, sagte Fabian. Er zog Elias zu sich und küsste ihn innig. „Ich habe dich so sehr vermisst“, wisperte er, nachdem sich die Liebenden voneinander gelöst hatten.
„Ich dich auch“, gestand Elias. Er genoss es, wie Fabian sich ihm widmete. Er schmiegte sich eng an seinen Freund und schnurrte beinahe, als dieser ihn zu streicheln begann. Fabians Zärtlichkeit überraschte ihn immer wieder aufs Neue. Mit diesem Mann zu schlafen, war jedes Mal ganz unvergleichlich. Vielleicht lag das aber auch einfach daran, dass er keinen seiner bisherigen Partner so sehr geliebt hatte wie Fabian.
„Lias, darf ich dich heute nehmen?“, fragte Fabian ihn nun.
„Musst du das etwa fragen?“, gab Elias zurück. Er streckte sich ein wenig, zog die Schublade des Nachttisches heraus und brachte ein paar Kondome zu tage. Er reichte sie Fabian. „Du darfst alles mit mir tun“, erwiderte er. Er löste sich von Fabian und legte sich auf den Rücken. „Ich warte auf dich. Ich freue mich schon die ganze Woche auf dich. Und ich liebe es, wenn du mich Lias nennst.“ Auch das war neu. Hatte er es früher gehasst, wenn jemand seinen Namen abkürzte, schmolz er heute regelrecht dahin, wenn Fabian ihn so nannte.
„Du bist so unendlich schön. Ich habe ...“
„Halt die Klappe und leg los“, stieß Elias aus.
„Wusste gar nicht, dass eine Hupfdohle auch dominant sein kann“, flachste Fabian. Dann beugte er sich über Elias. „Aber das macht sie verdammt sexy“, fügte er hinzu.
„Und bereit bin ich auch“, erklärte Elias, als er sich Fabian entgegenstreckte, um ihn zu küssen.
„Und ich ...“ Was auch immer Fabian noch zu sagen gedachte, Elias verhinderte jedes weitere Wort, indem er den Mund seines Freundes mit seinen Lippen verschloss. Es war der Augenblick gekommen, sich fallen zu lassen ...
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„Irgendwie ist es schon blöd, dass wir Juan versprochen haben, zum Sommerfest zu kommen“, stellte Elias fest, als er sich das letzte Stück seines Brötchens einverleibte. „Viel schöner wäre es, einfach da weiterzumachen, wo wir vor dem Frühstück aufgehört haben.“
„Genaugenommen habe ich gar nichts versprochen“, stellte Fabian richtig. „Du warst das.“
„Stimmt, aber ich denke, es ...“
„Lias, auch wenn ich unglaublich gerne zurück ins Bett würde, ist es vollkommen okay, den Tag bei diesem Event zu verbringen. Es wird bestimmt lustig.“
„Ernsthaft?“ Es rührte Elias immer wieder, dass Fabian sich in Bezug auf seine Tanzerei und alles, was damit zusammenhing, sehr verändert hatte. Sein Freund unterstützte ihn, motzte nie herum, wenn er deshalb auf ihn verzichten musste und schaute gerne zu.
„Ernsthaft. Deine Freunde sind sehr unterhaltsam, eure Veranstaltungen lustig und selbst die Musik ist nicht ganz so schlimm, wie ich immer angenommen hab“, brachte Fabian bestimmt heraus.
„Lügner“. Elias lachte.
„Ich meine das ehrlich“, beschwerte sich Fabian.
„FABI!“
„Okay, die Musik ist immer noch nicht mein Ding“, gab er zu. „Aber ansonsten gefällt es mir, dich nach Köln zu begleiten. Und der Gedanke an die Nacht in deiner Wohnung ist auch nicht zu verachten.“
„Zumal es ja so ziemlich die letzte gemeinsame Nacht für uns dort sein wird“, fügte Elias hinzu und wurde ein wenig wehmütig. Nach den Ereignissen der vergangenen Monate hatte er sich dazu entschlossen, seine Bleibe zu kündigen. Es gab mehrere Gründe dafür. Erstens war seine Großmutter nach der Reha wieder soweit hergestellt, dass sie die Rückkehr in ihr Häuschen einem Heimplatz vorgezogen hatte. Ein Pflegedienst half ihr bei der täglichen Hygiene. Elias, Fabian und auch Susanna unterstützten die alte Dame, so gut sie konnten und im Gegenzug kümmerte sich Oma Martha gerne um die Hunde, wenn ihr Enkel sie darum bat.
„Komm mal her zu mir“, unterbrach Fabian Elias´ Gedanken. Dieser tat, wie ihm geheißen. Fabian zog ihn auf seinen Schoß, was er sich gerne gefallen ließ. „Tut es dir leid, dass du die Wohnung aufgibst?“, fragte sein Freund.
„Ein bisschen weh tut es schon“, gab Elias zu. „Ich habe dort eine tolle Zeit verbracht. Und wir beide hatten dort zum ersten Mal Sex.“
„Ja, das war toll.“ Fabian legte seine Arme um Elias. „Und ich werde es niemals vergessen. Aber ich freue mich riesig darauf, dich demnächst nicht nur am Wochenende bei mir zu haben. Ich weiß, dass ich sehr egoistisch bin und dir mit der Pendelei zur Uni und zum Training einiges zumute ...“
„Uni ist bald Geschichte“, warf Elias ein. Seitdem er sein Studium wieder aufgenommen hatte, lief es prima und seinem baldigen Abschluss stand nichts im Wege. Wie sich seine berufliche Zukunft entwickeln würde, konnte er nicht sagen. Irgendwann hatte er sogar schon darüber nachgedacht, ob er nicht vielleicht nach seinem Abschluss noch mal von vorne anfangen sollte. Tiermedizin schien ihm durchaus erstrebenswert, seitdem er Fabian so oft wie möglich zur Hand ging. Eine Gemeinschaftspraxis mit Fabian wäre fantastisch. Einzig „Tierarztpraxis Krauthausen und Richter“ klang gewöhnungsbedürftig, aber man könnte sich irgendwann ja auf einen Namen einigen. „Und mir ist die Pendelei egal. Ich freue mich unglaublich darauf, zu dir zu ziehen. Der Rest wird sich finden.“
„Mit Sicherheit“, bestätigte Fabian. Er gab Elias einen innigen Kuss. „Aber jetzt sollten wir mal endlich loslegen, sonst kommen wir heute gar nicht mehr nach Köln.“
„Du hast vollkommen recht.“ Elias stand auf, ungern zwar, aber die Aussicht auf die kommenden Stunden und vor allem die Nacht, erleichterten es ein wenig. „Hunde oder Aufräumen?“, fragte er.
„Hunde“, kam Fabians´ Antwort wie aus der Pistole geschossen. Er war bereits auf den Füßen. „Ich ziehe mir eben was an und dann bin ich auch schon weg.“
Elias sah seinem Freund grinsend nach, der beinahe fluchtartig die Küche verließ. Am Wochenende herrschte immer die gleiche Aufgabenverteilung. Elias kümmerte sich ums Haus und Fabian sozusagen um den Hof. Gassi gehen mit den Hunden gehörte ebenso dazu wie beispielsweise Rasenmähen, Schneeschippen und Müll herausbringen. Fabian erledigte diese Aufgaben zusätzlich auch bei Elias´ Großmutter, was diese ihm hoch anrechnete. „Ja, Oma, dieser Mann ist ein absoluter Glücksfall“, murmelte Elias, während er damit begann, den Tisch abzudecken.
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„Ufff, endlich“, seufzte Elias, als er sich auf dem Beifahrersitz niederließ. „Wir können.“
Fabian startete den Motor. „Was war denn noch?“, wollte er wissen, während er sich in den Verkehr einfädelte.
„Susanna hat mich noch zugelabert und mir das Versprechen abgerungen, sie demnächst einmal ganz groß in Köln auszuführen. Schließlich opfere sie das Wochenende für uns“, antwortete Elias.
„Typisch, Sanna. Zunächst bietet sie sich an und dann fordert sie ...“
„Ist schon okay. Ich ziehe gern mal mit ihr los. Und du kommst mit.“
„Ach nee“, brummte Fabian und klang wenig begeistert.
„Doch!“ Elias konnte nicht vermeiden, zu grinsen, als er das Gesicht seines Freundes betrachtete. „Und Juan nehmen wir auch noch mit.“
„Das wird ein denkwürdiger Abend“, entwich es Fabian ohne rechte Begeisterung.
„Ganz bestimmt“, bestätigte Elias lachend. „Außerdem hat mich Oma noch beiseite genommen.“
„Warum?“
Elias legte seine Hand auf Fabians Oberschenkel und streichelte ihn sanft. „Sie liebt dich heiß und innig und hat mir dringend ans Herz gelegt, immer gut auf dich aufzupassen.“
„Oh ha. Ich mag sie auch sehr“, sagte Fabian und wirkte dabei ein wenig verlegen. „Und es ist toll, dass sie wieder daheim ist. Aber, dass du auf mich aufpassen sollst, amüsiert mich. Wer hier auf wen aufpassen muss, bleibt noch dahingestellt.“
„Wir passen einfach aufeinander auf“, schlug Elias vor. Er würde auf jeden Fall alles dafür tun, dass das, was momentan so wunderbar lief, für immer so bliebe.
„Lias, ich liebe dich und werde immer auf dich aufpassen“, konstatierte Fabian und bedachte Elias mit einem Blick, welcher diesem ein wohliges Kribbeln bescherte.
„Ich liebe dich auch“, gab Elias zurück. Er überließ sich seinen Gedanken. Seine Hand behielt dabei den Platz, den sie vorhin eingenommen hatte. Sein momentanes Glücksgefühl wurde noch dadurch gesteigert, dass Fabian sie zu streicheln begann. Nach einer Weile wandte er sich an seinen Freund: „Damals, als ich gesehen habe, wie du Juan geküsst hast, dachte ich, es wäre alles vorbei.“
„Wie kommst du denn jetzt auf diese alte Geschichte?“, erkundigte sich Fabian erstaunt.
„Keine Ahnung“, gestand Elias. „Ich hab dich nie gefragt, wie es dir gefallen hat.“
„Zuerst wollte ich ihn abwehren, dann war ich für einen kleinen Moment total überrascht und ich fand es ausgesprochen angenehm. Sorry, aber so war es, Lias“, gestand Fabian. „Ich möchte dich diesbezüglich nicht anlügen.“
„Es muss dir nicht leidtun, dass du ihn geküsst hast ...“
„Genaugenomen hat er mich geküsst“, stellte Fabian richtig. „Und die ganze Aktion tut mir nicht leid, schließlich hat das unsere dämlichen Spiele beendet und uns hierher geführt.“
„Stimmt. So gesehen war es eine gute Aktion von Juan. Ich habe mich nie bei ihm bedankt.“ Elias lachte. „Damals hätte ich ihn am liebsten geprügelt.“
„Hab ich gar nicht bemerkt“, spottete Fabian. „Du sahst so wütend und wunderschön aus“, erinnerte er sich.
„Und du so ertappt und noch viel schöner.“
„Ach was, ich bin doch nur Durchschnitt“, wiegelte Fabian ab.
„Was immer du denkst ...“, sinnierte Elias. Fabian hasste Komplimente, aber das würde Elias nicht davon abhalten, ihm immer wieder welche zu machen. „Ach übrigens. Wir sind beinahe da. Du solltest einen Parkplatz suchen.“
„Mach ich.“
Elias hielt ebenfalls nach einer Abstellmöglichkeit für den Wagen Ausschau und nach wenigen Minuten war das Fahrzeug sicher geparkt. Die beiden Männer stiegen aus und gingen Hand in Hand in Richtung Veranstaltungsgelände. Sie waren gerade durch den Eingang, als ihnen Juan entgegenstürmte. Er hatte Jochen im Schlepptau.
„Hallo, ihr beiden“, grüßte Fabian die Jungs.
„Ihr seid spät dran.“ Juan sparte sich die Begrüßung. „Hase, du kommst sofort mit“, befahl er.
„Muss ich?“, fragte Elias ein bisschen gequält. Er freute sich zwar, Juan zu sehen, aber die Nähe zu Jochen behagte ihm nicht so sehr. Schließlich war er es, der sich Hoffnungen auf ihn gemacht hatte und den er enttäuschen musste. Damit konnte er bis heute nicht wirklich gut umgehen.
„Du musst“, forderte nun auch Jochen vehement. Er griff nach seiner Hand. „Und höre bitte auf, mich zu meiden. Es ist alles gut. Das habe ich dir schon hundert Mal gesagt. Dein Fabian ist fantastisch. Ihr beide seid glücklich.“
„Aber du warst doch in mich verliebt“, sagte Elias.
„War ich und ich finde dich immer noch klasse, aber das ist kein Grund für dich, ein schlechtes Gewissen zu haben“, beschwor Jochen seinen Tanzkollegen förmlich.
„Lias, Jochen hat recht. Es ist alles gut“, mischte sich Fabian ein. Er drückte seinen Freund an sich und küsste ihn auf die Stirn.
„Aber ...“, setzte Elias erneut an.
Fabian grinste breit. „Halt die Klappe und geh tanzen“, stieß er aus.
Elias blieb der Mund offen stehen.
„Also doch dominant“, stichelte Juan. Er zwinkerte Fabian zu, der Elias aus seinen Armen entließ. „Jochen! Hase! Lasst uns gehen“, forderte er. Die zwei jungen Männer setzten sich in Bewegung. Elias zögerte noch, doch als er einen leichten Schubs in seinem Rücken spürte, folgte er den Jungs.
Sein Freund blieb zurück und sah ihnen lächelnd nach. Als Elias sich noch einmal umdrehte, konnte er „Ich liebe dich.“ von Fabians Lippen ablesen. „Ich dich auch“, murmelte Elias und strebte mit Jochen und Juan der Bühne zu, auf der er gleich stehen würde. Das Bewusstsein, dass Fabian ihm zusehen würde, beflügelte ihn. Er war unendlich glücklich.
ENDE
Texte: Kay C. Smith
Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 19.10.2018
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Steffi und Daniela, die Quellen meiner Inspiration.
Danke für eure Freundschaft