Wenn ich in seine Augen sehe
ist es ein Blitz der mich trifft.
Das leuchtende Licht
der Liebe, mich anspricht
Mir sagt wie es steht
und wohin er führt der Weg
Doch jetzt ist das Licht verschwunden
und zurück bleiben unheilbare Wunden.
Es ist Nacht.
In Kyritz sind die meisten Menschen schon am Schlafen. Das Wetter spielt verrückt und es schüttet schon seit einer Woche, doch das macht Lil nichts aus. Sie kauert auf dem Boden und zeichnet. Eine Fähigkeit, die sie gut beherrscht.
Ein Strich nach dem anderen. In ihrer Hand bewegt sich der Stift schon wie von selbst, da sie dieses Motiv sehr oft gezeichnet hat. Die Augen groß und braun. Der Mund mit schmalen Lippen, doch sehr geschwungen. Die Nase markant und hohe Wangenknochen. Man kann im Bild sehr deutlich erkennnen, dass es sich um einen starken, muskulösen und liebevollen Mann handelt. Aber trotzdem fehlt dem Bild etwas, was man nicht farbig, geschweige denn schwarz-weiß zeichnen kann. Der Glanz und der Wille.
Nachdem sie die Zeichnung beendet, geht sie nach draußen. In der Wohnung bleibt es still, lediglich das ticken der Küchenuhr ist zu hören. Als sie wiederkommt, ist sie müde und wirft sich noch mit ihrer Kleidung aufs Bett.
Die Sonnenstrahlen glitzern durch die Gardine und ich öffne meine Augen. Gestern war ein anstrengender Tag, doch heute kann ich mich ausruhen. Ich gehe zum Kühlschrank und schnappe mir meinen Früchtejoguhrt. Ich wollte gerade anfangen zu essen, da klingelt mein Handy schon. Ich schaue kurz drauf und >>Sjard<< leuchtet auf. Ich schalte es aus und pfeffere es auf mein Bett. Heute hab ich einfach keine Lust auf lange Gespräche über die Arbeit. Ich mache mich schnell fertig und gehe raus, denn heute ist endlich mal wieder ein schöner Tag. Ich gehe durch die verlassenen Gassen um am Ende auf eine Sackgasse zu stoßen. Ich gehe hindurch und befinde mich auf den Einkaufsstraßen. Dort ist jeder so wie ich, aber trotzdem bin ich anders. Ich kaufe mir einen Hut und ein wenig Brot. Während des Bummelns fällt mir die Stille, die in der Luft hängt, richtig auf. Ich probiere sie zu vergessen und setze mir demonstrativ meine Kopfhörer auf. Den Hut ein wenig ins Gesicht gezogen - perfekt.
Lil geht in ein Café und setzt sich dort an einen Tisch mit Blick zum Fernseher. Sie hat seit Tagen Zuhause keinen richtig guten Satellitenempfang gehabt, wegen des schlechten Wetters. Sie schaut den Zeichentrickserien zu, um mehr Inspiration für ihre nächste Karikatur zu bekommen.
Draußen auf dem Platz spielt sich aber das eigentliche Geschehen ab. Ein Mann wie aus dem Bilderbuch, rennt auf Passanten zu, und schaut ihnen erwartungsvoll ins Gesicht. Er probiert jemanden unter der Menge ausfindig zu machen. Jemand, der gerade in diesem Moment in einem Café mit Blick auf einen Fernseher sitzt. Der Mann wühlt weiter die Passanten auf, wobei sein Handeln den einer Wühlmaus sehr gleicht. Er probiert die Passanten, die er schon abgecheckt hat zu einer Seite zu bringen und die neuen zu der anderen. Dies gelingt ihm aber nicht und dies verärgert ihn sehr.
Das Café ist eine gute Wahl gewesen und ich werde es mir merken. Ich winke dem Kellner und gehe. Draußen auf dem Platz scheint es ein wenig lauter geworden zu sein, als es vorher war. Da vorher fast vollkommene Stille herrschte, ist dies nicht sehr schwer. Ich gehe durch die Einkaufsstraßen und bleibe hier und da stehen. Ich hole mein kleines Skizzenbuch aus der Tasche und hinterlasse eine Notiz mit einer schnellen Skizze bei einem Geschäft. Ich sehe es schon vor mir. Der Schnitt und das perfekte Stoffmuster. Das wird der nächte Schrei!
Jeder Tag hat auch ein Ende und so geht Lil wieder durch die Passagen zurück, durch die Sackgasse und nach Hause. Angekommen, legt sie sich kurz hin, um festzustellen das sie noch nicht müde ist. So kauert sie sich wieder auf den Boden um zu zeichnen. Sie zeichnet mehrere Figuren aus dem Cartoon und wird müde.
Als sie in der Nacht durch ein poltern aufwacht, ist sie immernoch auf dem Boden und in ihrer einen Hand der Stift und in der anderen ein Bild. Sie erschrickt, denn sie musste ein Bild im Schlaf gezeichnet haben. Sie reißt es vom Block und wirft es in den Papierkorb.
Ich liege im Bett und schaue auf mein Handy. Es ist schwarz. Mir fällt auf, dass ich es gestern ausgeschaltet hatte. Ich schalte es an, in der Hoffnung das ich vielleicht doch nicht verschlafen habe. Aber mein Gefühl hat mich nicht getäuscht und ich sprinte ins Bad, ziehe mich an und schnappe mir meine Sachen. Ich steige ins Auto und merke, dass ich noch tanken muss. Ich fahre schnell tanken und bin sogar nur 40 Minuten zu spät bei der Arbeit.
Auf dem Parkplatz spielen sich oft merkwürdige Ereignisse ab. Heute lag ein flimmern in der Luft, welches 2 Autos ineinander rasen lassen hat. Lil ist nur ein paar Minuten später gekommen. Der Notarzt war schon weg und der Schutt auf eine naheliegende Autorecyclinganlage gebracht. Sie kam an und sah nur den Mercedes von Nudo eintreffen.
Ich mag die Arbeit. Sie ist zwar stressig, aber hier kann ich ihn jeden Tag sehen. Er ist anders. Aber anders sein heißt, dass man so ist wie ich. Er hat mich heute am Parkplatz abgefangen. Ich bin so froh das ich ihn habe. Jeder würde sich freiwillig auf einen von uns beiden einlassen, vor allem die von der Arbeit. Er hat diese Anziehungskraft, von der manche meinen, dass ich sie auch habe. Ich weiß nicht ob er es weiß, aber wenn ich Zeit mit ihm verbringe, kommt immer dieses Hoch-Gefühl. Die meisten kennen das vom rauchen, aber ich nur von ihm.
"Wie war dein freier Tag", fragt er mich und umarmt mich ein drittes oder viertes mal. "Ganz nett...War bummeln." Er legt seine rechte Hand an meine Taille und wir gehen zum arbeiten. In meiner Arbeit gibt es beides. Also normale und andere. Die meisten normalen werden zu anderen, so wie ich anders wurde, aber bei manchen handelt es sich um ein Missverständnis oder Fehlercode - 293.
Lil steht in ihrem Büro und starrt auf einen Monitor. Es sieht aus, als würde das alles sein, aber so ist es nicht. Sie sieht und verarbeitet. Manchmal blinkt der Bildschirm und sie konzentriert sich neu. Nedo kommt rein, nimmt ihre Hand und küsst sie sanft auf die Stirn. Sie hört auf sich zu konzentrieren und fängt an zu lächeln. Sie legt ihre Hand in seinen Nacken und zieht ihn sanft zu sich herunter. Er legt seine Lippen auf ihre und küsst sie kurz.
"Was ist los", frage ich. Seine Antwort ist sein Blick. Er ist sehr wachsam und sieht die anderen Mitarbeiter neidisch zu uns herüber schauen. Er mag das nicht, was gut verstehen kann. Er geht langsam in Richtung Tür und lässt meine Hand los. Die Spannung aus der Luft lässt nach. Aber ich will das nicht. "He!", ruf ich ihm hinterher. Ich folge ihm und merke die Blicke, die ich damit auf mich ziehe. Das ist mir im Moment aber so ziemlich egal. Kurz bevor ich Nedo eingeholt habe, dreht er sich um und nimmt mich auf seine Arme. Ich spüre, wie sich die Muskeln anspannen. Dann trägt er mich zu seinem Büro. Da er schon länger als ich hier arbeitet, ist sein Büro dem entsprechend größer und ausgerüsteter. Er küsst mich auf meine Stirn, dann auf die Schläfe, Wange und mein Kinn. Ich probiere meine Lippen auf seine zu legen, aber er kann gut ausweichen. Ich murmle "Jetzt" und dann sind wir fort. Wir haben unsere Augen geschlossen. Wir versinken im Kuss. Er ist innig und voller Leidenschaft. Niemand stört uns. Ich spüre seine seidigen Lippen und bekomme Lust auf mehr. Ich weiß, dass wir indirekt bei der Arbeit sind, aber wir sind ja nicht dort. Er setzt mich ab und ich lasse es nicht zu und drücke mein Becken näher an seines. Ich spüre die Bestätigung.
Lil und Nedo hören Schritte, schnell aber bestimmt. Sie tauschen einen Blick und denken gleichzeitig "Fehlercode - 293". Sie müssen es nicht aussprechen, denn es ist so offensichtlich. Sie sind zurück und bei der Arbeit. "Jemand sucht nach dir, Lil" , sagt der Mitarbeiter, Fabio. Die Art, wie er sie anschaut gefällt Nedo nicht und küsst sie prompt noch einmal schnell auf den Mund. Der Kuss kam so schnell, dass Fabio gar nicht richtig weiß wie er darauf reagieren soll. Lil hingegen fand das süß und wollte wieder mehr. "Wir müssen jetzt wirklich los. Er will nicht warten", sagt Fabio. Als Nedo er hörte er hellhörig. Aber Lil beruhigt ihn und geht mit ihm mit.
Ich geh also gerade hinter Fabio her, um....mich mit wem zu treffen?! "Du.. Fabio wer sucht denn nach mir?" "Ja. Das darf ich nicht sagen", sagte er und kneift die Augen sichtlich zusammen. Ich kann seinen Schweiß und seine Angst riechen und spüren. Ich frage mich wieso er es mir nicht verraten will und wer auf mich wartet. Wir gehen zum hinteren Teil der Büroanlage. Und dort steht er.
Sein Blick ist starr, ein wenig wütend und - ein klein wenig - amüsiert. Ich finde dies abstoßend. Er hat einen gut trainierten Körper und seine hellbraunen Haare sehen auch nicht schlecht aus. Er trägt ein enges T-Shirt wo sich seine Muskeln deutlich abzeichnen. Das doofe ist nur, dass ich ihn nicht mag aber trotzdem anziehend finde.
"Na Schätzchen, lange nicht gesehen", sagt er frech. Lil wendet ihren Blick ab. Sie spürt das er sie anstarrt und eine Antwort erwartet, aber er wird keine bekommen. Er wirkt sichtlich verärgert. Fabio weiß auch nicht mehr was er hier zu suchen hat und geht. "Sodele. Da waren's nur noch zwei", kommt laut, mit presenter Stimme von Sjard. "Ich muss mit dir reden!" Lil zeigt keine Reaktion. "Es geht um dich und dein anders sein." Lil's Herz schlägt kurz einmal schneller, denn sie ist gespannt was jetzt kommt. Sjard hat ihre Aufmerksamkeit nun voll und ganz und nutzt dies. "Ich hab gehört du was im Schatten shoppen. Das find ich schön." Er macht eine Kunstpause und mit einem Lächeln im Geischt fährt er fort. "Hast du mir etwas mitgebracht?" Lil hasst ihn jetzt entgültig. "Schon klar..Natürlich nicht." Er nähert sich Lil langsam und bedacht. "Du nutzt deine Fähigkeiten nicht. Du nutzt lediglich die Macht, dort shoppen zu gehen. Du verschwendest es." Er ist schon fast direkt vor Lil. Mit süßlicher Stimme folgt: "Aber ich würde nie zulassen, dass es dir jemand nimmt. Denn dann hätten wir ja nichts mehr Gemeinsam."
Er schaut mir direkt in die Augen. Er will, dass ich meine Fähigkeiten des Schattens sofort nutze, damit ich ihm beweisen kann, dass ich meine Kräfte nicht verlieren möchte. Aber es würde ihm zeigen, dass wir Verbunden sind. Ich stecke also in einem Dilemma. Ich mache nun das, was ich immer in solchen Situationen mache. Ich fange an mich auf einen Punkt zu konzentrieren und schalte alles in mir aus. Sjard wirkt sehr verwirrt, was meine Taktikt bestätigt. "Was machst du?", fragt er verwirrt.
Ich gehe aus meinem Körper, leise und bedacht. Sjard merkt es nicht. Ich probiere Schatten zu finden, die mich bergen können, doch es sind nicht viele in Sicht. Ich schwebe über verschiedene Schatten in andere Zimmer und bleibe unbemerkt, doch ich merke, wie jemand meinen Körper berührt. Ich spüre es innerlich, was ein komisches Gefühl ist, da man körperliche Schmerzen normalerweise außen spürt. Ich fliehe zurück in meinen Körper und ich wünsche mir ich hätte es nicht getan. Ich bin in meinem Körper und wer anderes auch. Ich spüre seine Zunge und schmecke seinen wiederlichen Speichel. Ich rieche seinen Körper, Afterschave mit Rauch. Ich traue mich nicht, meine Augen zu öffnen. Doch ich tue es. Ich blicke direkt in seine grauen, halb toten Augen.
Lil reißt sich in sekundenschnelle von Sjard los. Sie kratzt ihn und faucht. Sie will weinen, aber kein Zeichen der Schwäche zeigen. Es ist zu viel für sie und sie rennt. Sie rennt, ohne ihre Fähigkeiten zu nutzen. Sjard lacht und leckt sich die Lippen. Er genießt den Augenblick der Freude und des Ruhms solange er noch kann.
Ich flüchte aus dem hinteren Teil des Bürogebäudes, zurück zu Nedo. Ich sehe die Wut in seinen Augen, als er mich weinend sieht. Ich kann meine Tränen einfach nicht zurückhalten. Er nimmt mich wieder in sein Büro, wo der Bildschirm abgeschaltet ist, und wir uns auf dem Ledersessel gemütlich machen. Er hält mich fest. Ich weine in sein Shirt, aber es macht ihm nichts aus. Mit der Zeit wird er hibbelig und steht auf. Da ich in seinen Armen liege, legt er mich vorsichtig auf den Sessel und gibt mir einen Kuss. "Ich gehe jetzt zu Sjard und regele das!" Mit eisernen Schritten geht er fort. Ich habe keine Lust alleine, auf dem Sofa gerollt, zu weinen. Ich stehe auf, gehe aus dem Büro und halte ausschau nach meinem besten Freund.
Nedo rennt durch die Büroabschnitte. Er weiß, das Sjard sie verletzt hat. Aber er weiß nicht wie. Als er ankommt, sitzt Sjard auf seinem schwarzen Drehstuhl in seinem Büro. Es ist ähnlich aufgebaut, wie sein eigenes. Ein Bildschirm rechts an der Wand, ein Sessel gegenüber. Neben an, am Fenster, eine große Topfpflanze und in der Mitte ein kleiner hölzener Tisch und ein Bürostuhl. Aber es gibt einen Unterschied zwischen den Büro's. Abgesehen von der Lage, Größe und Einrichtung. In diesem Büro hier fehlt das Leben.
Tag der Veröffentlichung: 27.05.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meine ersten Kapitel.
Aber alles hat einen Anfang. :)