Plötzlich ist alles anders. Für den Trauernden beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Ein Abschnitt, den er sich so nicht ausgesucht hat und er wird vor eine große Herausforderung gestellt. Das Umfeld des Trauernden ist nun in einer Situation, in der es oft hilflos vor den Gegebenheiten steht.
Wie soll es weitergehen?
Wie kann ich helfen?
Wie kann ich trösten?
Der Duden erklärt das Wort Trost so: Mittelhochdeutsch, althochdeutsch trōst, zu treu und eigentlich = (innere) Festigkeit. Außerdem verbindet man mit dem Wort „Trost“ auch das Wort „treu, bzw. Treue“.
Dazu fällt mir gerade der Spruch „In guten, wie in schlechten Zeiten“ ein.
Doch oft fehlt das gegenseitige Verständnis und der Satz verliert an Bedeutung. Wahre Freundschaften und wahre Liebe erkennt man oft erst in schlechten Zeiten! Vieles zerbricht, wenn es schwierig wird.
Der Trauernde lebt in einer Art Zwischenwelt, in der in der Regel nur der Schmerz zu ihm durchdringen kann. Das Umfeld versucht zu helfen, scheitert aber oft an den eigenen Ängsten und vielleicht auch an einer anderen Vorstellung, was Trost bedeutet.
Beide Seiten dürfen lernen aufeinander zuzugehen, Verständnis für einander zu entwickeln und begreifen, dass nicht immer alles so ist, wie es scheint.
Ein Trauernder hat einen geliebten Menschen verloren. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es in diesem Fall sehr wichtig ist, dass sich nicht auch noch sein Umfeld plötzlich verändert und Freunde, Bekannte und Nachbarn sich von ihm entfernen. Der Verlust eines geliebten Menschen führt automatisch zu einer Veränderung: Einer Veränderung des Trauernden und mit der Zeit auch seines Umfeldes. Dies ist in der Regel ein natürlicher Prozess, der im Laufe der Zeit entsteht, weil der Trauernde häufig auch seine Persönlichkeit verändert. Andere Ansichten, andere Prioritäten etc. Aber oft ist es so, dass sich das Umfeld schon zu Anfang ganz plötzlich aus den unterschiedlichsten Gründen, oft aus Angst etwas falsch zu machen, oder aber auch wegen des Gedankens, den Schmerz des anderen nicht aushalten zu können, zurückzieht.
Die Frage ist, wie der Trauernde sein zukünftiges Leben in die Hand nehmen wird und genau hier ist es wichtig, dass Sie ihm dabei helfen.
Die Reise durch den Prozess der Trauer ist kräfteraubend, erfordert unendlich viel Geduld und vor allem ganz viel Liebe und Mut.
Wie Sie dem Trauernden helfen können, möchte ich in diesem Ratgeber, soweit es mir möglich ist, näher erläutern.
Trauer ist oft eine lebenslange Aufgabe. Auch, wenn die Zeit dafür sorgt, dass der Schmerz sich irgendwann wandelt, heilen zwar die Wunden, aber Narben bleiben zurück. Es gibt einen Spruch, den ich immer wieder gerne verwende: „Ist über eine Sache erst einmal Gras gewachsen, kommt garantiert eine dumme Kuh und frisst es wieder ab“. Genauso verhält es sich mit der Trauer, denn es gibt immer wieder Situationen im Leben, die daran erinnern, dass ein geliebter Mensch nicht mehr da ist und auch nicht zurückkommen wird. Das kann zu einer Achterbahnfahrt der Gefühle bei dem Trauernden führen. Von jetzt auf gleich kann sich die Gefühlswelt von himmelhoch jauchzend nach zu Tode betrübt verändern. Manchmal wusste ich selbst nicht, was da plötzlich mit mir passierte. Ich sah die Schaukel im Garten und auf einmal kamen die Erinnerungen. Ein Lied löste in mir starke Emotionen aus und eine lange Zeit konnte ich die Freunde meiner Tochter nicht sehen, da ich sofort in Tränen ausgebrochen bin.
Meine Freundin erzählte mir kürzlich, dass ein einfacher Teppich in ihrer Wohnung plötzlich Erinnerungen in ihr ausgelöst hat, die sie zum Weinen gebracht haben. Sie wollte sich davon trennen, war aber plötzlich nicht mehr in der Lage, diesen Teppich selbst zu entsorgen. Sie stand dort, zur Salzsäure erstarrt, und die Tränen liefen. Dabei war sie sich noch nicht einmal sicher, ob es Freudentränen waren, weil sie sich gerade daran erinnert hatte, wie oft ihr Sohn über diesen Teppich gegangen war, oder aber Tränen der Trauer. Ich denke, es war beides.
Jede helfende Hand in der Trauer bringt dem Betroffenen Zeit, und Zeit hilft, den Schmerz ertragen zu können und trägt dazu bei, dass der Schmerz sich wandelt. Bei jedem unterschiedlich schnell oder langsam.
Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, Aufklärungsarbeit im Umfeld des Trauernden zu leisten, damit die für ihn so schwierige Herausforderung, die das Leben ihm nun stellt, zu einem wieder gefühlten und gewolltem, lebenswertem Leben führen kann.
Ich kann Trauernden nicht den Weg durch die Trauer weisen, denn jeder Weg durch die Trauer ist einzigartig. Ich kann Ihnen nicht den Weg aufzeigen, wie Sie einem Trauernden beistehen können. Es gibt keinen Königsweg, aber was ich tun kann ist, Ihnen von meinen Erfahrungen zu berichten und den Trauernden mein Mitgefühl und mein Verständnis für das Leid, welches sie gerade empfinden, ausdrücken.
In der schwersten Zeit meines bisherigen Lebens stellte ich fest, dass das Thema Trauer bei vielen Menschen in meinem Umfeld große Ängste auslöste. Ich selbst fühlte mich nicht verstanden und das Verhalten meines Umfeldes löste, wenn auch ungewollt und wahrscheinlich auch aus Unwissenheit und Angst, tiefe Verletzungen in mir aus. Das führte dazu, dass ich mich immer mehr zurückzog und ebenfalls aus Angst vor den Reaktionen meiner Mitmenschen niemanden mehr wirklich an mich heranließ. Wahrscheinlich habe ich dadurch auch die Menschen verschreckt und verletzt, die sich wirklich aufrichtig um mich bemüht haben.
Keine Angst vor Tränen! Keine Angst davor, etwas falsch zu machen! Wenn Sie es ehrlich meinen, sich ernsthaft für den Trauernden interessieren, Ihr Herz, Ihre Augen und Ohren öffnen, dann können Sie gar nichts falsch machen. Genau dann sind Sie echt und Sie können den Trauernden so sehen, wie er ist. Denn das ist es, was Trauernde wollen: Sie wollen gesehen werden! Aufrichtig, mit echtem Interesse! Ein Trauernder spürt sofort, wenn Sie sich nicht wirklich für ihn interessieren. Er spürt sofort, wenn Sie mit Ihren Gedanken vielleicht schon woanders sind, wenn Sie in Eile sind und Ihre Frage, die sie ihm gerade gestellt haben, nicht wirklich ernst gemeint, sondern nur aus „Man muss ja fragen, wie es geht“ entstanden ist. Fragen Sie nie nach dem Befinden eines Trauernden, wenn Sie die Antwort nicht wirklich wissen wollen und überlegen Sie sich, ob Sie die Antwort auch aushalten können und wollen.
Wenn Sie einen Indianer vom Stamm der Navajo fragen wie lange Trauer braucht, wird er Ihnen sagen, dass vier Tage reichen, um zu trauern. Ganz anders verhält es sich bei den Angehörigen der Zulu in Südafrika. Hier trauern Witwen ein ganzes Jahr lang und das in schwarzen Kleidern.
In unserer Gesellschaft ist wenig, fast gar kein Platz für Trauer. Schon nach kurzer Zeit soll der Trauernde wieder funktionieren. Als ob das ginge!
Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass Trauer zeitgleich eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit bedeutet und in unserer Gesellschaft gilt das Prinzip des „bitte nicht fühlen“. Wir haben zu funktionieren. Schneller – höher – weiter. Sich mit dem Leid anderer Menschen auseinanderzusetzen, bedeutet zusätzlich zu den eigenen Problemen einen erhöhten
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Licht-Blick, Burga Hencken, Lindenallee 61, Naturheilpraxis, 27612 Loxstedt
Bildmaterialien: Irina Bolgert
Lektorat: Marlies Lüer
Tag der Veröffentlichung: 01.09.2015
ISBN: 978-3-7396-1158-7
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