Ohne die Aufforderung von Frau Prof. Sumaya Farhat-Naser, dass Deutsche und Europäer zum Nahost-Konflikt Stellung beziehen mögen, wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, hierzu etwas zu sagen.
Damals war ich der Meinung, dass einfache, unpolitische und unbeteiligte Menschen nichts zur Lösung des Konflikts beitragen können, außer Mitgefühl zu zeigen.
Aber ihr Aufruf, der fast einem Hilferuf gleichkam, hat in mir nachgewirkt, zumal auch von jüdischer/israelischer Seite ähnliche Appelle an die Weltöffentlichkeit gerichtet worden sind.
Ich empfinde es trotzdem, für mich gesehen, als ziemlich naiv und anmaßend, dass ich mich jetzt zu einem Zustand äußere, der in ähnlicher Form bereits seit Jahrtausenden besteht.
Und einem Rheinländer, der jedem Streit aus dem Wege geht, der auf Versöhnung in jeder Hinsicht eingestellt ist, wird es schwer sein, die richtigen, zutreffenden Argumente anzuführen.
Vielleicht können aber gerade die Worte eines „Narren“ den Leuten Denkanstöße geben, die wirklich etwas bewegen und bewirken werden.
Aber ich fühle mich dabei hilflos und schutzlos wie ein Clown ohne Maske.
Ich möchte den Mächtigen der Welt hinter ihre Masken schauen, die den Menschen ihren Schutz und ihre Sicherheit nehmen, um eigene politische Ziele zu erreichen, und daher ihre Hilfe verweigern.
Es ist mir durchaus bekannt und bewusst wie devisil die Lage der Dinge ist und wie gefährlich jede Äußerung dazu sein kann. Darum betone ich ausdrücklich, dass ich weder Antisemit, Anti-Zionist, judenfeindlich, rassistisch, noch Anti-Araber, Anti-Palästinenser, anti-islamitisch, Anti-Amerikaner etc. bin. Ich bin aber gegen Terrorismus jeder Art, gegen jegliche Gewalt die gegen Kinder und Zivilisten gerichtet ist und Unterdrückung und Elend verursacht.
Ich bin hingegen für Menschlichkeit, Frieden und Freiheit.
Der Nahost-Konflikt ist in jeder Hinsicht ein unerträglicher, unhaltbarer Zustand, mit dem die betroffenen Menschen unmöglich auf Dauer leben können.
Jetzt ist man dabei, diesen Zustand im wahrsten Sinne des Wortes zu „zementieren“.
Meine subjektiven Eindrücke als Außenstehender werden vermutlich keiner Seite gefallen. Sie werden weder bei den Israelis, den Juden in aller Welt, den Christen, in der Islamischen Welt, bei den Palästinensern, den Palästina-Flüchtlingen, den Terroristen, den Arabischen Staaten, den Amerikanern, den Europäern, den Vereinten Nationen und und und Zustimmung finden.
Alle vertreten ihre eigenen unterschiedlichen Interessen.
Auf Hinweise auf die geschichtliche/historische Entwicklung kann ich weitgehend verzichten. Das ist alles bereits gut beschrieben und bekannt. Aber einige Ereignisse muss man doch in Erinnerung rufen und behalten.
Alle können daraus ihre verhärteten Positionen begründen, verteidigen und sich auf sie zurückziehen.
Private Friedensbemühungen von allen Seiten werden ignoriert und blockiert.
Aber die meisten Menschen sind mit dem Geschehen, dem derzeitigen Zustand und dem Handeln der Machthaber nicht einverstanden. Sie sehnen sich nach Frieden, nach Ruhe und einem normalen erträglichen Leben.
Dieser Zustand kann aber nur erreicht werden, wenn man die Gegenseite akzeptiert und ihre berechtigten Bedürfnisse und Wünsche anerkennt.
Es fehlt also das Verständnis füreinander.
Damit wäre eigentlich schon alles gesagt und erklärt, wenn nicht, wie so oft, der „Teufel“ im Detail stecken würde.
Nach dem Tod des Präsidenten der Autonomiebehörde Palästinas, Jassir Arafat am 11.11.2004 meinten diejenigen Recht zu bekommen, die Jassir Arafat beschuldigen, trotz all seiner Verdienste um Palästina, in der letzten Zeit der Schaffung eines autonomen Staates Palästina im Wege zu stehen.
Und Ariel Scharon schien sich in der Geschichte Israels einen Platz als Friedensschaffer und Einiger im Nahost-Konflikt zu sichern. Doch außergewöhnliche himmliche (oder menschliche) Mächte ließen ihn in Koma fallen, aus dem er nicht wieder aufwachte.
Die Bevölkerung Israels ist in ihrer Mehrheit nicht mehr bereit, ein Leben unter der ständigen Bedrohung durch Terroristen zu führen und einen Krieg, der nicht zu beenden ist. Aber die Bevölkerung ist zu unterschiedlich und zu extrem auseinander gelebt, als dass man mit einer einheitlichen Meinung in vernünftige, zukunftsweisende Verhand-lungen mit den (ebenfalls uneinigen, zerstrittenen) Palästinensern gehen könnte. Das Ergebnis kennt die ganze Welt, und verschließt weiterhin die Augen!
In beiden Völkern stehen die Radikalen und Geschäftemacher einem dauerhaften Frieden entgegen. Die ziehen ihre Eigeninteressen und Pfründe dem allgemeinen Wohl vor. Um diesen Bestrebungen zu begegnen ist es unver-meidbar, allen politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Einfluss geltend zu machen.
Aber nicht nur Palästinenser und Israelis stehen sich in Nahost unversöhnlich gegenüber. Man muss heute von einem erweiterten Nahen Osten sprechen, in dem kein Frieden, keine Normalität erwartet werden kann.
Vorbei ist die Zeit, in der man die Menschen ungebildet und dumm halten konnte, indem man ihnen Informationen und Unterricht sowie Lehrmaterialen etc. vorenthalten und sogar verbieten konnte! Ist diese Zeit wirklich so ganz vorbei? Das Beispiel einer jungen Pakistanin zeigt, dass das wohl noch nicht der Fall ist. Die junge Frau, eher ein junges Mädchen wollte nichts anderes als auf eine Schule zu gehen und sich ausbilden zu lassen. Sie wollte das auch für alle anderen jungen Frauen Pakistans erreichen. Was war die Folge: Irregeleitete oder falsch orientierte Extremis- ten schossen die junge Frau in den Kopf. Sie hat mit Hilfe Gottes/Allahs und der englischen Chirurgen überlebt. Jetzt ist sie sogar in der Lage, in England eine Schule zu besuchen. Und sie wird sicherlich ihren Weg gehen, der ihr nun ermöglicht worden ist.
Trotz aller Widerstände und widriger Umstände in weiten Teilen der Welt wird die Jugend Wege und Möglichkeiten finden, sich aus der von den Machthabern gewollten und herbeigeführten Verdummung der Menschheit zu befreien. Das ist die erste und wichtigste Voraussetzung für eine verbesserte Umwelt und ein besseres Leben in der Zukunft. Leider ist man z.Zt. noch unendlich weit davon entfernt, dieses Ziel zu erreichen.
Die neuen Generationen nutzen weltweit die Möglichkeiten, die ihnen Internet, Computer, Notebooks, Handys etc. bieten. Sie erhalten Informationen, an die sie in den Z.T. abgelegenen Gebieten ihrer Heimat sonst nie gelangt wären. Leider werden diese Informationen auch von den Gegnern einer Erneurung und Veränderung genutzt und miss- braucht. Das lässt sich nicht vermeiden. Auch versuchen radikale Machthaber zu verhindern, dass die eigene Bevöl-kerung Zugang zu den Informationen des www erhält.
Trotzdem gelingt es den Menschen, sich über Internet zu Demonstrationen und Protesten in kürzester Frist zu verabreden und zu treffen. Denn wo das Internet etabliert ist, kann Demokratie nicht mehr verhindert werden, selbst von den rigorosesten Regimes nicht. In Nordafrika und den Staaten des Nahen Ostens ist diese Entwicklung nicht mehr zu stoppen.
Es gibt in den meisten arabischen Ländern keinen Rechtsstaat. Hier haben irrationale, religiöse oder nationa-listische Bestrebungen Hochkonjuktur. Überall protestieren die unterdrückten Menschen gegen die ihnen zugemuteten Zwangszustände, wo immer sie auch können.
Aber die Menschen und die Regierungen der betroffenen Staaten und Länder sind leider nicht auf solche spon- tanen Ereignisse vorbereitet. Die Auswüchse sowie die Verläufe und Folgen der Gegenüberstellung von Macht und Protest sind völlig unkontrolliert und z.T. verheerend. - Die Stabilität und Nachhaltigkeit einer neuen Entwicklung im Nahen Osten ist daher in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
Was geschieht momentan in den Ländern, in denen Gewalt und Bürgerkrieg herrschen, und wo eine junge Generation irrationalen Vorstellungen geopfert wird?
Werden diese Opfer eines Tages Früchte tragen und zu einer besseren Zukunft für die "Überlebenden" führen?
Es wäre wunderbar, wenn die Vermutung von einigen Humanmedizinern zutreffen würde, dass es keinen Tod gibt. Der Tod ist nach ihrer Ansicht nichts anderes, als die Befreiung der Seele aus dem Gefängnis des Körpers. Der Dalai Lama sagt: Tod und Wiedergeburt sind wie das Auswechseln des Kleides. Man legt das alte, verbrauchte Kleid ab und zieht ein neues und frisches an.
Was hat das mit dem Sterben junger Menschen zutun?
In der Philosophie wird der Leib z.T. als Körper-Maschine gesehen. Heute spricht man von Hardware. Möge die Seele und der Geist der jungen Menschen weiterleben in die Zukunft! Die Seele und der Geist sind die Software. Sie werden weitergegben, und allen Menschen zugänglich sein bis in alle Ewigkeit. Das Bewusstsein wird sich erweitern, man wird Zusammenhänge erkennen, die im normalen Leben bisher als schwierig oder unverständlich galten. Die Gesetze des Kosmos und des Mikrokosmos, der fremden Kulturen und Lebensweisen lernt man kennen und zu verstehen. Das geschieht auf telepatische Art und Weise, wortlos von Geist zu Geist.
Wenn das so wäre, machte das Opfer der jungen Menschen wieder Sinn; Falls es überhaupt einen Sinn macht, Menschen zu töten.
Aus dem so genannten "Arabischen Frühlung" ist jedenfalls tiefster "Arabischer Winter" geworden. Die Verhältnisse in den einzelnen Staaten und im gesamten Nahen Osten haben sich nicht gebessert, sondern erheblich verschlechtert und eine Stabilisierung ist auch auf lange Sicht nicht zu erwarten. Das Chaos regiert in dieser Region!
Immer schon hat der Orient die Phantasie des Westens beflügelt. Das Spiegelbild der eigenen Sehnsüchte und Ängste. Die Romantiker des 19. Jahrhunderts malten sich den Orient aus als eine verfeinerte Welt, voller Sinnlichkeit, als Harem, als Garten der Lüste. Wer konnte, fuhr nach Ägypten oder wenigstens nach Granada, in die alte Stadt der Mauren, der Araber.
Heute kommen die Bilder in Echtzeit in die Wohnzimmer und Köpfe. Auch mit diesen elektronischen Bildern malt der Westen sich den Orient aus, der jetzt aber kriegerisch, fanatisch und grausam erscheint. Die Bilder zeigen eine Welt im Dauerkonflikt, eine Welt ohne jede Vernunft, eine Welt gegen unsere Welt, einen Anti-Westen. Die Bilder lassen sogar fürchten, ein Krieg stehe bevor, ein Heiliger Krieg, ein Kampf der Kulturen.
Über die Welt des Islam kann es keine einfachen Wahrheiten geben, denn diese Welt ist riesig, voll der verschiedensten Völker und Kulturen. Es sind fast anderthalb Milliarden Menschen, zwischen Marokko und Malaysia, Nigeria und Persien, die außer der Religion nicht viel gemeinsam haben. Über diese riesige und widersprüchliche Vielvölkerwelt von Arabern und Türken, Kurden, Persern und Pakistanis, Haussa und Malaien kann man vieles sagen, aber auch von beinahe allen auch das Gegenteil. Die gesellschaftlichen Ideen, der Einfluss der Religion auf das tägliche Leben, die Rolle der Frauen, alles dies gibt es in widersprüchlicher Vielfalt.
In dieser Islamischen Welt bilden die Araber als Volk nur eine relativ kleine Minderheit.
Aber sind die Araber überhaupt ein Volk, eine Nation? - Bei den Bewohnern der arabischen Halbinsel scheint das klar, dass sie Araber sind. Aber bei Ägyptern, Marokkanern, Sudanesen?
Der Begriff Araber ist kein rassischer Begriff. Es gibt keine arabische Rasse. Es gibt nur die Arabische Welt. Für die meisten Araber ist es ein kulturgeschichtlicher Begriff. - Es ist also kein Volk, und schon gar keine Rasse, aber doch eine kulturelle Gemeinschaft. Ein Araber ist ein Mensch, dessen Muttersprache „Arabisch“ ist. Arabisch ist nicht nur die Sprache des Alltags, der Wissenschaft und der Technik. Es ist die Sprache, in der Gott sich dem Gläubigen Muslim offenbart hat. Viele Völker haben mit dem Islam auch die Sprache übernommen, in der er verbreitet wurde.
Wenn einer sagt, ich spreche arabisch, ich fühle mich als Araber – er muss nicht Moslem sein, es gibt in der Arabischen Welt ungefähr zwölf Millionen Christen - Ein Araber muss nicht unbedingt aus Arabien stammen und muss nicht Muslim sein, er kann Christ sein oder Jude oder Atheist. Er kann auch Bürger eines Nicht-Arabischen Staates sein. Er kann Deutscher, Amerikaner oder Israeli sein.
Historisch betrachtet haben jüdische und muslimische Menschen in der Arabischen Welt meist friedlich zusammen gelebt. Aber im 20. Jahrhundert hat sich alles verändert. Weil in dieser Region das Erdöl so reichlich sprudelte, haben die Großmächte sich eingemischt. Sie haben Könige eingesetzt, Staaten gegründet, Revolutionen angezettelt.
Die Araber ihrerseits haben die westlichen Ideen ausprobiert, Nationalismus, Sozialismus, Kapitalismus. Jetzt wenden sich die Menschen wieder verstärkt der Religion zu, in der Hoff-nung auf einen eigenen Weg.
Und dann ist da noch der Nahost-Konflikt, ungelöst seit Jahrzehnten. Er ist einer von vielen Konflikten. Ihre Wurzeln reichen weit zurück.
November 1914 – Türkische Truppen sind auf dem Weg in den Krieg. - An der Seite von Österreich, Ungarn und Deutschland kämpfen sie im ersten Weltkrieg gegen Briten, Franzosen und Russen. Die Osmanen, wie die türkischen Herrscher auch heißen, können ihr riesiges Reich nicht mehr halten. Ihr Imperium zwischen Mekka und Konstanti-nopel, zwischen Jerusalem und Bagdad zerbricht. Ihr Hauptgegner ist das Britische Imperium.
Für Großbritannien geht es im Land der Araber vor allem um den freien Zugang nach Indien, und um Öl.
Auch die Araber erheben sich gegen die Osmanen und rufen zum Aufstand. Die Zeit ist reif und die Gelegenheit günstig. Feisal, der Sohn des Scherifen von Mekka, ist ihr militärischer und politischer Führer. Und es ist die Stunde des Britischen Offiziers Thomas E. Lawrence, des berühmten Lawrence von Arabien. Lawrence und Feisal führen gemeinsam den Aufstand.
Sie brauchten die Unterstützung der Briten, aber die Briten brauchten auch die Unterstützung der Araber, um gegen die Türken mit möglichst wenig Verlust den Krieg zu gewinnen.
Feisal führt im Juni 1916 die Araber im Namen des Islam in den Djihad, den Kampf gegen die Türken. Es ist nicht nur ein Kampf der Beduinenstämme. Unter den Aufständischen sind auch Teile der Arabischen Elite, die bis dahin als Beamte und Offiziere des Osmanischen Reiches gedient haben. Ihre Ideen sind europäisch geprägt und vom europäischen Nationalismus beeinflusst. Ihr Ziel ist die Unabhängigkeit Arabiens.
Unter der Arabisch-Britischen Waffenbrüderschaft bricht die Herrschaft der Türken zusammen. Legendär ist die Einnahme von Akaba, als die Hafenstadt von der unzugänglichen Wüste aus erobert wird.
Im Oktober 1918 ziehen die siegreichen Waffenbrüder in Damaskus ein. Zuvor wurden bereits Bagdad und Jerusalem erobert. Das Osmanische Reich existiert nicht mehr. Jetzt pochen die Araber auf ihre Rechte. Doch davon wollen ihre Britischen Kampfgefährten nichts mehr wissen.
Die Araber fühlten sich verraten, weil dieses Versprechen, das damals die Briten gegeben hatten, nämlich, dass die Araber frei würden, wenn sie mitkämpften, nicht eingehalten wurde. - Und das zu Recht, denn noch vor dem Aufstand hatten Briten und Franzosen in einem Geheimabkommen das Land der Araber unter sich aufgeteilt.
Auf der Versailler Konferenz sitzen die Araber nicht mit am Tisch der Sieger des Ersten Weltkrieges. Die Arabische Sache findet bei der Siegerkonferenz wenig Gehör. - Den Arabern kann man nicht einfach die eroberten Gebiete überlassen, die die westlichen Kolonialmächte als „Heiliges Gut der Zivilisation“ betrachten. In den Augen des „Weißen Mannes“ ist der Araber noch nicht reif für einen eigenen Staat.
In dem Augenblick als der Krieg vorbei war und die Länder unabhängig wurden, waren sie nicht in der Lage sich selbst zu regieren, und deshalb wurden die Mandate im Auftrag des Völkerbundes vergeben. - Briten und Franzosen teilen sich die Kriegsbeute. Der Irak, Transjordanien und Palästina unterstehen den Briten. Syrien und der Libanon geraten unter Französisches Mandat. Im Auftrag des Völkerbundes sollen die neuen Länder allmählich zur Unab- hängigkeit befähigt werden. Doch auch das Mandat des Völkerbundes ist nichts anderes als Kolonialismus.
Die Herrschaft der Franzosen ist hart und unerbittlich, die der Briten nicht weniger. Im Irak wird Feisal, der Führer des Aufstandes, König. Sein Bruder erhält Transjordanien. - Immer wieder erheben sich die Araber gegen die neue Fremdherrschaft, wie 1925 in Syrien.
Mekka in der 1920er Jahren. Die Herrscher-Familie der Saudis vertreibt die Familie Feisals aus den Heiligen Stätten. Auch die Religion kann die zersplitterten Araber nicht einigen. Der Traum von einem geeinten Arabien, einem Panarabischen Staat ist vorerst ausgeträumt. - Viele Araber, besonders die Mächtigen und Reichen arrangieren sich mit der neuen Herrschaft. Man wartet auf bessere Zeiten oder bessere Gelegenheiten - man lebt!
Es gab keine einheitliche Arabische Bewegung, wie im Osmanischen Reich, sondern die Bewegungen haben sich in den einzelnen Staaten entwickelt. Und mühsam, sehr mühsam ist in den 1930er Jahren, vor allem in den 1940er Jahren und in den 1950er Jahren die aktive Bewegung wieder hergestellt worden.
Der kleine künftige Irakische König Feisal II an der Hand der Britischen Mandatsmacht. Ohne das Einverständnis der westlichen Mächte, haben die Araber nichts zu sagen. Auch nicht im Irak, der seit 1930 formal unabhängig ist. Nur einmal noch erheben sich 1941 Irakische Offiziere gegen die Briten. Sie holen sich sogar die Nazis ins Land, mit deren Hilfe sie die Engländer vertreiben wollen. Ein Britischer Militäreinsatz verjagt die Deutschen und beendet den Arabischen Aufstand.
Auch im Zweiten Weltkrieg stehen viele Araber wieder an der Seite der Briten. Doch, anders als zuvor bringt dieser Krieg ihnen endlich die ersehnte Unabhängigkeit, zumindest formal. - 1946 gibt Frankreich Syrien und Libanon die volle Souveränität. England entlässt Jordanien in die Unabhängigkeit. Die Welt blickt jetzt auf ein Land: Palästina.
Im Dezember 1917 marschieren die Briten in Jerusalem ein. Doch beim Triumphzug durch die Heilige Stadt ist die Waffenbrüderschaft bereits getrübt. Wieder haben die Briten, hinter dem Rücken der Araber die Nachkriegsordnung geplant. Außenminister Balfour verspricht den Juden, sich für eine „Nationale Heimstätte“ für das Jüdische Volk in Palästina einzusetzen. Diese Balfour-Erklärung wird zum festen Bestandteil des Mandatsvertrags für Palästina. Zum zweiten Mal fühlen sich die Araber betrogen und verraten. - Es war ein Verrat in dem Sinne, dass die Balfour-Deklaration sagte, die Juden sollten eine Heimstätte erhalten. Aber sie sprach nicht von einem unabhängigen Staat. - Vermutlich, durch diese Erklärung und die ihnen wohlgesonnene Haltung der Britischen Mandatsträger forcieren die Juden die Einwanderung und den Landkauf in Palästina.
Es war deutlich, es ging nicht um Siedlungen oder um Einwanderungen, es ging um die Schaffung eines Staates. Und dieser Staat kann nur auf Kosten der Ureinwohner, also der Palästinenser sein. - Den Arabern bleibt nur der Widerstand, der von den Briten brutal unterdrückt wird, wie im großen Arabischen Aufstand von 1936 bis 1939. Die Araber stecken in einem Dilemma: Akzeptieren sie das Britische Mandat, akzeptieren sie gleichzeitig die Balfour-Erklärung. Bekämpfen sie die Mandats-Macht, sind sie von jeglicher politischer Mitbestimmung ausgeschlossen.
Grundsätzlich, meinen die Araber, waren die Briten für die Einwanderung. Sie haben sich dafür eingesetzt. Nur, wenn da revoltiert wurde, dann haben sie versucht einwenig abzuschwächen. Und da fühlen sich die Araber auch betrogen. Sie meinen, das ist auch eine Verschwörung gewesen zwischen der zionistischen Bewegung und dem Britischen Mandat.
99 Prozent der Briten waren parteiisch auf der Seite der Araber, da gibt es keinen Zweifel. Sie taten ihnen leid, weil sie aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Das ist eine Legende, denn gegen die Araber gehen die Briten weitaus härter vor als gegen den Jüdischen Widerstand. Wie Kolonialherren, sieht man auf die Einheimischen hochnäsig herab.
Als immer mehr europäische Juden vor den Nazis nach Palästina fliehen, fühlen sich die Araber abermals benutzt. Die Rettung der Juden soll nicht zu ihren Lasten gehen. Die Araber setzten die Briten unter Druck, die Einwanderung zu beschränken, mit Erfolg. Jetzt gerät auch die Mandatsmacht ins Visier der zionistischen Kämpfer. - Palästina versinkt im Terror. Die Briten geraten zwischen die Fronten, verlieren den Überblick und ziehen sich zurück.
Der Arabische und der Jüdische Terror waren total verschieden. Es gab kaum Arabische Anschläge. Die Araber wurden von den Briten unterstützt. Die Araber wollten nicht, dass die Briten das Land verlassen. Als sie sich zurückzogen, kamen sie zum Abschied in den Hafen. - Die Juden waren völlig anders. Sie wollten, dass die Briten abzogen.
Im November 1947 wurde das Land auf Beschluss der UNO geteilt, unter Jubel der Jüdischen Siedler. Die Araber lehnen die UNO-Beschlüsse ab. Ein halbes Jahr später ruft Ben Gurion den Staat Israel aus.
Die Gründung eines Nicht-Islamischen, Nicht-Arabischen Staates im Herzen Arabiens wird als eine starke Kränkung, eine Beleidigung und Missachtung betrachtet. - Der Kampf um Palästina wird jetzt eine Gesamt-Arabische Sache. Truppen aus Ägypten, Syrien, Jordanien, Libanon und dem Irak, unterstützt von Saudischen und Jemenitischen Soldaten rücken gegen Israel vor. Die Niederlage ist verheerend. Uneins und schlecht ausgerüstet verlieren die Araber den Kampf um Palästina.
Unter ihnen ist ein junger Ägypter als Offizier: Gamal abd el-Nasser, der sich wie viele, Hoffnung auf einen großen Arabischen Sieg gemacht hatte. - Sie hatten also keine wirkungsvollen Waffen, und da hat Nasser und einige seiner Kollegen gesagt, unser Kampf muss zuerst in Kairo beginnen und nicht in Palästina.
Nach der Niederlage im Arabisch-Israelischen Krieg ist die Arabische Welt zerstritten. Weil König Abdallah von Jordanien die Arabischen Teile Palästinas annektiert hat, wird er 1951 von einem Palästinenser in Jerusalem ermordet.
Für Arabische Nationalisten war die Situation Ende der 1940er Jahre sehr unbefriedigend. Obwohl Länder, wie der Irak und Ägypten formell unabhängig waren, sah man sie immer noch unter Kontrolle der Briten.
Anfang der 1950er Jahre geraten die europäischen Kolonialmächte und ihre Arabischen Statthalter immer mehr unter Druck. In Ägypten ist König Faruk 1952 der erste der gestürzt wird. Die nationalistische Bewegung der „Freien Offiziere“ unter General Nagib übernimmt die Macht. Doch bald wird er von dem charismatischen Offizier Gamal abd el-Nasser verdrängt. Nasser tritt für die Arabische Einheit und soziale Reformen ein, den Arabischen Sozialismus.
Das Selbstbewusstsein der Araber war erschüttert. Und es war sehr wesentlich, als Nasser kam, dass er dieses Selbstbewusstsein wieder wachrufen wollte. Es gab z.B. eine Parole, die er damals zum Ausdruck brachte: Bruder, erhebe deinen Kopf, denn die Zeit des Kolonialismus ist vorüber.
Das Erbe des Kolonialismus: Anfang der 1950er Jahre lebten die meisten Ägypter immer noch in Armut. Groß- grundbesitzer herrschen wie Feudalherren. Die Kleinbauern bewirtschaften ihre Felder wie vor 2000 Jahren. Nasser erklärt der Armut den Kampf und fordert die Kontrolle über Ägyptens Ressourcen.
Der Westen hat zuerst versucht, mit Nasser zu verhandeln. Aber 1955 wandte er sich gegen ihn, weil Nasser begonnen hatte, Waffen von der Sowjetunion zu kaufen, um Israel angreifen zu können.
Als Antwort auf die Zurückziehung des westlichen Hilfsangebotes zur Finanzierung des Staudammes von Assuan wurde der Suezkanal von Präsident Nasser verstaatlicht. Damit verlor die Britisch-französische Suezkanal-Gesellschaft ihre Besitzrechte. Die Maßnahmen führten zu einer ernsten Krise.
Israel sieht in der Krise eine günstige Gelegenheit, Ägypten anzugreifen und Nasser zu stürzen. Im Oktober 1956 überrennen israelische Truppen die ägyptische Armee, und rücken über den Sinai bis zum Suezkanal vor. Nach geheimen Absprachen mit Israel greifen britische und französische Truppen in den Konflikt ein. Sie wollen den Kanal wieder unter Kontrolle bringen. Doch auf Druck Washingtons und Moskaus müssen sie sich zurückziehen.
Nasser ist der moralische Sieger der Suezkrise. Vom Volk gefeiert, wird er zum Führer der Arabischen Welt. Mit ihm scheint die Arabische Einheit durchaus möglich zu sein. - 1958 verbinden sich Ägypten und Syrien, unter Nasser zur Vereinigten Arabischen Republik. In Syrien ist die Bath-Partei die treibende Kraft des Arabischen Sozialismus. Sie entwickelt sich bald zur Konkurrenz für Nasser. 1961 bricht die Republik wieder auseinander.
Ein anderer Rivale Nassers regiert im Irak: Abu el Karim Kasim. Nachdem er König Feisal gestürzt hat, sieht er sich selbst als Führer der Araber. Doch Nasser bleibt Symbol und Führer des Arabischen Nationalismus. Über Radio Kairo entfalten Nassers Ideen überall in der Arabischen Welt ihre Sprengkraft.
Und das auch in Algerien. Seit 1954 kämpft hier die Nationale Befreiungsbewegung gegen die Kolonialherrschaft der Franzosen. Die französische Armee beantwortete den Freiheitskampf der Algerier mit einem Vernichtungs-Feldzug, vor allem gegen Zivilisten. 300000 Tote und grausame Folter können den Sieg der Algerier nicht verhindern. 1962 wird Algerien unabhängig.
Im Jemen unterstützt Nasser einen Putsch gegen den herrschenden Iman. Nassers Mann ist der Offizier al Salal, der von ägyptischem Militär unterstützt wird. Der Iman wird von den Saudis unterstützt. Araber kämpfen gegen Araber, sogar mit Giftgas.
In Ägypten treibt Nasser Wohnungsbau und Industrialisierung voran. Doch er baut nicht nur den Sozialstaat aus, sondern auch den Kult um die eigene Person. Er lässt weder religiöse noch weltliche Opposition zu. Dass er bei Mammut-Projekten, wie den Bau des Assuan-Staudamms auf die Hilfe des Ostblocks setzt, macht ihn im Westen verdächtig. Doch Nassers Arabischer Sozialismus versteht sich als Mittelweg zwischen Kommunismus und Kapitalismus.
Im Westen hatte man Angst, dass Großbritannien und die USA von ihren Feinden überflügelt werden könnten. Und zwar in einem Teil der Welt, der strategisch enorm wichtig für den Westen war.
Der Konflikt der Arabischen Welt mit Israel spitzt sich 1967 aufs Neue zu. Nasser baut eine Drohkulisse auf, und hofft, so eine Lösung des Problems herbeizuführen. Er pokert hoch, und die Welt hält den Atem an.
Am 5. Juni 1967 greifen die Israelis an. Sie zerstören binnen weniger Stunden die gesamte ägyptische Luftwaffe. Nach sechs Tagen ist der Krieg vorbei, und die Araber sind vernichtend geschlagen.
Für die arabische Seele war die Niederlage von 1967 ein Rückfall in die Zeit des Kolonialismus. Der Sechs-Tage-Krieg ist ein Wendepunkt. Er bringt die Niederlage für den Arabischen Nationalismus und die Besetzung der noch Arabischen Teile Palästinas.
Nach der Krise von 1967 gab es zwei Strömungen: Eine konservative, die sagte, weil wir den Sozialismus übernommen und zu eng mit der Sowjet-Union zusammengearbeitet haben, sind wir gescheitert. Wir müssen zu den Arabischen Wurzeln und zum Islam zurückkehren. - Und es gab eine radikale Kritik, die sagt, wir dürfen uns nicht auf reguläre Truppen verlassen, wir müssen den Guerilla-Krieg unterstützen.
Guerilla-Gruppen wie die PLO und die Fatach übernehmen den Kampf für die Sache der Palästinenser.
Seit 1948 warten wir auf die Hilfe der Vereinten Nationen, aber nichts ist geschehen, erklärt damals Jassir Arafat. Es gibt noch immer mehr Flüchtlinge. - Hunderttausende leben Ende der 1960er Jahre in Flüchtlingslagern im West-Jordanland, in Jordanien und im Libanon. Manche schon seit ihrer Geburt.
Gamal abd el-Nasser kann ihnen nicht mehr helfen. 1970 stirbt er unerwartet. Mit ihm werden die Hoffnungen vieler Araber zugrabe getragen; Millionen Menschen trauern um ihn. Die Arabischen Staatschefs kondolieren.
Wer wird die Arabische Welt in Zukunft führen?
Im Sommer 1970 kommt es in Jordanien zu Aufständen gegen die Regierung, die im Kampf gegen Israel als zu gemäßigt gilt. Die Situation eskaliert, als palästinensische Widerstandskämpfer westliche Zivilflugzeuge nach Jordanien entführen, und sie, nachdem die Passagiere freigelassen worden sind, in die Luft sprengen. Jordaniens König Hussein lässt den Aufstand niederschlagen. Beim Angriff auf die Palästinenserviertel von Amman kommen über zehntausend Menschen ums Leben. Wieder töten Araber andere Araber. Mit dem sogenannten „Schwarzen September“ stirbt auch der Panarabische Traum.
Zwei Jahre später sind die Olympischen Spiele 1972 in München. Mitglieder der Palästinensichen Terrorgruppe „Schwarzer September“, benannt nach dem Massaker von Jordanien, dringen in das Olympische Dorf ein. Sie nehmen Israelische Sportler als Geiseln, um Inhaftierte Widerstandskämpfer freizupressen. Der Palästinensische Terror hat Europa erreicht. Die westliche Welt ist schockiert.
In Ägypten ist nach Nassers Tod Anwar as-Sadat Präsident geworden. Am 6. Oktober 1973, einem der höchsten Jüdischen Feiertage, dem Jom Kippur beginnt er am Suezkanal einen neuen Krieg gegen Israel. - Er wollte Israel nicht besiegen und besetzen. Er wollte zeigen, dass die Arabische Welt sich erheben, und Israel Paroli bieten kann. Und am Ende errang er tatsächlich einen politischen Sieg, keinen militärischen. Besiegt wurden die Israelis nicht.
Weil der Westen in diesem Krieg Israel unterstützt hat, greifen die Arabischen Staaten zur wirksamsten Waffe die sie besitzen. Sie stoppen ihre Öllieferungen, und zeigen dem Westen seine Abhängigkeit von der Arabischen Welt. - Die Folge sind z.B. autofreie Sonntage in Deutschland. Das Land verwandelte sich in eine Fußgängerzone. Die Industriekrise trifft auf die eine oder andere Weise alle Industrieländer der westlichen Welt.
In der Arabischen Welt verlieren in den 1970er Jahren die Regierungen zunehmen das Vertrauen ihrer Bevölkerung. Die meisten Araber sind von den importierten Ideen, von Kapitalismus und Sozialismus enttäuscht. Viele suchen neue Orientierung im Glauben. Der Islam, als Arabische Religion wird immer mehr politisch instrumentalisiert. Von der westlichen Lebensweise profitieren nur die Eliten. Reichtum und Wohlstand ist für die Massen kaum zu erreichen.
Während für die Mehrheit der Araber Religion Privatsache ist, fordern immer mehr radikale Gruppen den Islamischen Staat. Das Gemeinwesen, das der Prophet Mohammed im 7. Jahrhundert in Medina gegründet hat, gilt ihnen als Inbegriff einer gerechten Welt. Der Koran, Gotteswort sei der Wegweiser zu einer Welt ohne Ausbeutung und Fremdbestimmung. - Man hat also gesagt, der Islam ist die Lösung für alles: Für die ökologischen Probleme, für die kulturellen Probleme und die Identität, für die Entwicklung, für alles, was mit dem Leben zu tun hat.
Islamismus, radikaler Islam oder Islamischer Fundamentalismus sind Begriffe für ein Phänomen, das für die westliche Welt nur schwer zu verstehen ist. Viele Islamistische Gruppierungen konzentrieren sich zunächst auf Sozialarbeit. Sie richten Islamische Krankenhäuser und Schulen ein. In ihrer Radikalität sind die einzelnen Gruppen sehr unterschiedlich. Nur wenige von ihnen fordern einen strengen Islamischen Gottesstaat.
Die Arabischen Regime reagierten unterschiedlich. Aber nirgendwo kamen die Islamisten an die Macht. Man hat sich ihnen zum Teil angenähert, wie etwa in Ägypten, um die soziale Anziehungskraft der Islamistischen Bewegung zu unterlaufen.
Dem Westen macht diese Entwicklung Angst. Bis heute tut er sich schwer, zwischen Islam als Religion und Islamismus als politischer Ideologie zu unterscheiden.
Man will eine Islamische Gesellschaft im Sinne von Werten und kulturellem Erbe. Und es war die Schwierigkeit immer vorhanden: Islam ja, aber diesen extremistischen, militanten Islam nein.
Im November 1977 ist die Arabische Welt geschockt. Der Ägyptische Präsident Sadat besucht als erster Arabischer Führer sein Nachbarland Israel, den Erzfeind der Araber. Sadats Besuch und sein Auftritt in der Knesset, dem Parlament in Jerusalem, gilt vielen Arabern als Verrat.
Nach dem Ägyptisch-Israelischen Friedensvertrag von 1979 wird Ägypten sogar aus der Arabischen Liga aus- geschlossen. Für die Islamisten wird Sadat zum Feindbild.
Zur selben Zeit im Iran, einem Nicht-Arabischen Land. Nach monatelangen Unruhen stürzt das Volk den Schah. In der Arabischen Welt hat die Tatsache, dass ein Islamisches Volk sein Schicksal selbst in die Hand nimmt, Signalwirkung. Im Februar 1979 kehrt der geistliche Führer Ayatollah Khomeini aus seinem Exil nach Iran zurück und beginnt, einen Islamischen Staat zu errichten.
Man wurde sehr schnell nüchtern. Vor allem die Intellektuellen haben eingesehen, hier ist keine neue Bewegung, hier ist keine neue Welt; Die Islamische Utopie nach Khomeini ist nicht anders als die, die wir seit vielen, vielen Jahren kennen.
Ägyptens Präsident Sadat hat die Islamisten zu Beginn seiner Amtszeit sogar unterstützt. Nun fällt er ihnen selbst zum Opfer. Bei einer Militärparade im Oktober 1981 eröffnen mehrere Terroristen das Feuer auf den Präsidenten. Durch den Frieden mit Israel hatte er in ihren Augen die Arabische Sache verraten. Sadat ist sofort tot. Der Westen fühlt sich in vielen Vorurteilen gegenüber den Arabern bestätigt.
Es heißt immer: Ihr Muslime. Bei dieser Gewalttätigung kamen die alten Argumente wieder alle, die man kennt seit dem 12. Jahrhundert. Islam ist eine aggressive, militante Religion von Natur aus usw. Und die Leute waren in der Annahme, es ist eine Frage von Wochen und Ägypten und alle anderen Länder werden ein zweiter Iran.
Die Attentäter Sadats werden zum Tode verurteilt. Auch in anderen Arabischen Ländern gehen die Regierungen hart gegen Islamitische Gruppen vor. Dennoch kommt es in den Folgejahren immer wieder zu Anschlägen.
In den 1980er Jahren schließen sich viele Arabische Islamisten dem Afghanischen Widerstand an. Finanziert von Saudi Arabien und den USA kämpfen sie gegen die Sowjetische Besatzung. Hier sind die Islamisten Verbündete des Westens, bis zum Ende des „Kalten Krieges“.
Wir haben jetzt die Gelegenheit, sagt der Amerikanische Präsident, eine völlig neue internationale Ordnung zu errichten.
Im August 1990 hat Saddam Hussein Kuwait annektiert. - „Ich sah, wie die Irakischen Soldaten die Babys aus den Brutkästen rissen und auf den kalten Boden warfen“, sagt Naira, angeblich eine Kuwaitische Krankenschwester, vor dem Amerikanischen Senat. Die Geschichte ist frei erfunden, aber perfekt inszeniert. Nichts ist so grausam wie Kindermord - Der Kongress weint. Und so ist der Krieg gegen den Irak bald beschlossene Sache. Es geht aber nicht um Babys, sondern um Erdöl.
Seit der ersten Ölkrise 1973 liegen die Pläne zur Neu-Ordnung des Nahen Ostens bereit. Jetzt ist der politische Wille da, sie umzusetzen. Saddam wird von seinen „alten Freunden“ geschlagen, aber noch nicht vernichtet. Die Neu-Ordnung wird verschoben.
In Afghanistan werden die Islamistischen Guerillakämpfer jahrelang vom Westen wie Freiheitshelden gefeiert. Im September 1996 ziehen die Taliban siegreich in Kabul ein, um ihren Islamischen Gottesstaat zu errichten, mit Duldung des Westens. In Kabul bricht jede Form von Normalität zusammen, alles, was man Zivilisation nennen könnte.
Die Normalität schafft es nie bis in die Nachrichtensendungen, aber es gibt sie, auch in der Arabischen Welt. Das eigentliche Leben der Menschen jenseits der großen Konflikte. Etwas hat sich verändert: Der Westen hat begonnen, seine eigene Lebensform als universell verbindlich durchzusetzen. Und so wird der Islam, wenn er sich dem widersetzt, zur Herausforderung und zur Antithese. Der einzelne Mensch in Kairo oder Algier hat bei alledem wenig mitzureden.
1991 gibt es in Algerien einen der seltenen Fälle wirklich freier Wahlen in der Arabischen Welt. Die Staatspartei hat alle anderen Parteien zugelassen, auch die FIS, die Islamische Heilsfront, die als fundamentalistisch gilt. Doch, als sich ein überwältigender Sieg der FIS abzeichnet, werden die Wahlen gestoppt, und die Islamisten um ihren Erfolg gebracht. Es ist der Weg in einen langen und grausamen Bürgerkrieg.
Und doch gibt es immer wieder Momente großer Hoffnung. 1994 wird der Friedens-Nobelpreis an Rabin, Perez und Arafat verliehen.
Dann, ein Jahr später der Mord an Rabin, begangen von einem Jüdischen Fundamentalisten, der den Friedens-prozess unerträglich findet.
Es gibt Unversöhnliche auf beiden Seiten, wechselseitige Provokation. Sharons Besuch auf dem Tempelberg vor der Al-Aksa-Moschee löst im September 2000 die „Zweite Intifada“ aus. Eine endlose Spirale von Aktionen und Reaktionen. Auf allen Seiten setzen sich die Hardliner durch, und mit ihnen die Gewalt, die immer wieder zurückkehrt, wenn die Hoffnung verbraucht ist.
Das Verbrechen vom 11. September 2001 wird von vielen Amerikanern pauschal als Attacke eines feindseligen Islam empfunden.
Vermutlich lehnt die Mehrheit der Muslime den Westen aber nicht ab. Es gibt aber Minderheiten, die antiwestlich orientiert sind. Aber die Mehrheit der Muslime würde sehr gern westlich leben, und sehr viel vom Westen übernehmen.
Die Maßlosigkeit des Verbrechens führt zu einer maßlosen Reaktion: Einem Krieg für die immer währende Freiheit. Durch die Welt wird eine neue Grenzlinie gezogen: Gut und Böse werden neu definiert. Denn das Böse ist jetzt das absolut Böse. Und es hat ein Gesicht: Osama Bin Laden, den Muslim, den Araber. Und Saddam Hussein, ein anderer Araber, der den Westen angeblich mit Massenvernichtung bedroht.
Alles gerät durcheinander und wird irgendwie eins. Bin Laden und Saddam, Al Qaida und die Geheimwaffen, die Taliban und die Terroristen. Ein diffuses Arabisch-Muslimisches Feindbild, das seinen Zweck aber vollkommen erfüllt, und die GIs nach Bagdad begleitet, als Boten einer besseren, demokratischen Welt.
Die Araber werden aber nie akzeptieren, dass man ihnen sagt, wie sie Demokraten werden sollen, und wie sie „Westlich“ werden sollen. Man kann nicht die europäische, westliche Zivilisation als ein komplettes Paket übernehmen. Man muss den Arabern die Freiheit geben, differenziert zu wählen. Sie wollen die Freiheit wählen, die sie bejahen und auch wünschen.
Gibt es einen Kampf der Kulturen, und hat er sogar schon begonnen? Und wenn ja, wer hat ihn dann erklärt? Die Araber oder der Westen?
ISRAEL
ist ein Staat in Vorderasien, der im Mai 1948 als jüdischer Staat, nach Beendigung des britischen Mandats über Palästina, gegründet wurde.
Wenige Stunden nach der Verlesung der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel wurde Israel von den USA de facto (tatsächlich) und von der UdSSR de jure (von Rechts wegen) anerkannt.
Aber die Staatsgründung stieß auf den Widerstand der Arabischen Staaten. Die Armeen Ägyptens, Trans-jordaniens, Syriens, Iraks und Libanons marschierten in der Nacht vom 14. zum 15.5.1948 in Palästina ein, um die Proklamation des jüdischen Staates rückgängig zu machen. In diesem Krieg ging es für Israel um die Existenz und um den Erhalt von Unabhängigkeit und Souveränität.
Am 28.5.1948 wurde die Israelische Verteidigungsarmee geschaffen, deren Oberkommando alle bewaffneten Kräfte unterstanden.
Durch finanzielle Unterstützung aus den USA und anderen Ländern und umfangreiche Waffenlieferungen aus der Tschechoslowakei ging Israel im Juli 1948 zur Gegenoffensive über.
Der Kampf um das Überleben des jüdischen Staates war immer wieder von heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen begleitet.
Im Januar 1949 endete der Unabhängigkeitskrieg mit dem militärischen Sieg Israels.
Unter UNO-Vermittlung kamen Waffenstillstandsverträge mit Ägypten, Libanon, Jordanien und Syrien zustande. Der Irak zog seine Truppen ohne vertragliche Regelung ab.
Die Waffenstillstandslinien, die zu den Staatsgrenzen Israels werden sollten, vergrößerten das israelische Territorium von 14100 qkm auf 20700 qkm.
Aber die Entstehung eines arabisch-palästinensischen Staates wurde durch die israelische Besetzung arabischer Gebiete, die jordanische Annexion des Westjordangebietes und Ost-Jerusalems sowie die Unterstellung des Gazastreifens unter ägyptische Verwaltung verhindert und fast unmöglich gemacht.
Hinzu kommt, dass das Problem der arabischen Palästinaflüchtlinge Friedensvereinbarungen erschweren. - Im Dezember 1947 hatte der Exodus der Palästinenser mit dem Weggang eines großen Teils der in den Städten angesiedelten begüterten Oberschicht begonnen, dem die Bewohner ganzer Stadtvierteln und vieler Dörfer folgten. Durch die Offensive der Haganah und die gegen die arabische Bevölkerung gerichteten Terrorakte von Etzel und Lechi im April und Mai 1948 wurde eine zweite Fluchtwelle ausgelöst. Aber die meisten Menschen flohen aufgrund der unmittelbaren Kriegshandlungen, bei denen arabische Einheiten bei ihrem Vormarsch oder beim Rückzug Ortschaften evakuierten. Israelische Einheiten hingegen zerstörten Dörfer, die sie nach ihrer Eroberung nicht besetzt halten konnten. - Es ist umstritten, inwieweit arabische Politiker die Palästinenser zur Flucht aufgefordert haben.
Die Zahl der in den Zeltlagern der Nachbarstaaten zu Versorgenden stieg täglich an. Das UNO-Hilfswerk für Paläs- tina registrierte bis Oktober 1948 bereits über 650000 Flüchtlinge.
In Israel lebt eine buntgemischte Bevölkerung. - Staatstragendes Volk sind die Juden, die sich in Vatiqim (die vor der Staatsgründung eingewandert sind), Olim (die nach der Staatsgründung eingewandert sind) und Sabra (die im Land geboren sind) gliedern. Araber, vor allem Palästinenser stellen ca. 18% der Bevölkerung. Von den 40000 Beduinen sind nur noch wenige reine Nomaden.
Die jüdischen Einwanderer kamen seit 1882 zunächst vorwiegend aus Mittel- und Osteuropa (Aschkenasim). Später kamen sie aus islamischen Ländern von Nordafrika bis Irak (Sephardim) und gegen Ende der 1950er-Jahre aus Osteuropa. Ein besonders hoher Einwandereranteil kam seit 1970 aus der UdSSR. Dieser hat sich seit 1989/1990 noch sprunghaft verstärkt. - Bis zum ersten Weltkrieg kamen ca. 50000 bis 70000 Juden, 1919 bis 1948 weitere 500000, 1949 240000 Zionisten. Zwischen 1990 und 1995 wanderten jährlich etwa 117000 Menschen ein.
Für die Neueinwanderer wurden sogenannte Entwicklungsstädte gegründet.
Juden sind ein Volk, Israel ist ein Staat. - Jeder Jude hat das Recht nach Israel einzuwandern und sofort Staats-bürger zu werden. - Das Judentum unterscheidet ausschließlich zwischen Juden und Nichtjuden.
Das Bevölkerungswachstum beträgt jährlich 2,4%. Juden machen 80% der Bevölkerung aus. Die Mehrheit sieht in der jüdischen Religion und im jüdischen Charakter des Staates Israel die wichtigsten Elemente der eigenen Identität.
Die größte religiöse Minderheit bilden mit knapp 15% die Muslime. Rund 3,2% der Bevölkerung sind Christen (überwiegend Griechisch-Orthodoxe und Katholiken). Etwa 1,7% sind Drusen.
Man kann leicht erkennen, dass es sich bei Israel um einen Vielvölkerstaat handelt, auch wenn sich Juden auf der ganzen Welt als ein Volk verstehen. Aber die sprachlichen, kulturellen und religiösen Unterschiede sind gravierend.
Um nur einige Beispiele zu nennen: Der Chassidismus stand bereits im 17. und 18. Jahrhundert in scharfem Gegensatz zur rabbinischen Konzeption. Er wurde aber von vielen Juden begeistert aufgenommen und erfasste weite Teile Osteuropas. Er hat sich bis heute erhalten. Aber was die meisten Europäer heute als das ursprüngliche Judentum wahrnehmen ist in Wirklichkeit eine Entwicklung des 18. Jahrhunderts. Vor allem der Kaftan, die Kleidung hat nichts mit einer jüdischen Kleidung zu tun. Es ist die Kleidung der Juden in Osteuropa im 18. Jahrhundert.
Die Orthodoxie (Chassidim) ist eine Reaktion auf die Emanzipation, die durch die Aufklärung (zunächst in Westeuropa) den Juden bessere, freiere Lebensbedingungen gewährte. Viele Juden wandten sich von der Tradition ihrer Väter ab oder entwickelten neue Formen des jüdischen Glaubens. Orthodoxie gab es im Grunde bis in das späte 18., frühe 19. Jahrhundert nicht. Juden definieren sich nicht so.
Durch das Entstehen neuer Strömungen, wie dem Reformjudentum oder dem säkularen Judentum, mussten sich die Frommen einen Namen geben: Orthodoxe. - Weil sich viele Juden bemühten wie Nichtjuden auszusehen, begannen Orthodoxe sich in ihrer Kleidung immer deutlicher darzustellen.
Heute ist die Feindschaft zwischen Mitnagdim und Chassidim größtenteils überwunden. Sie haben jetzt einen gemeinsamen Feind: die säkularen, zionistischen oder reformistischen Juden.
Mit viel Abneigung und Unverständnis stehen sich orthodoxe und säkulare Israelis gegenüber. Sie haben sich so sehr voneinander entfremdet, dass sie in Parallelwelten leben. Nur die gemeinsame Bedrohung von außen hält sie zusammen.
Israelis bringen kaum Sympathie und Verständnis auf für andere Israelis, die nicht ihrer Gruppe angehören. Sie begegnen mit Wut und Abfälligkeit den Kümmernissen von anderen Israelis, weil sie nur ihre eigenen Bedürfnisse sehen und z.T. auch nur kennen. Ein jüdischer Israeli meint dazu: Manchmal scheint es ja, als könnte man das, was Juden in Israel einander antun, andernorts nicht anders als Antisemitismus bezeichnen.
Ende des 19. Jahrhunderts war der Antisemitismus eine Herausforderung, auf die keine jüdische Strömung eine wirkliche Antwort wusste, nicht die Chassidim, nicht die Mitnagdim, nicht die jüdischen Sozialisten, nicht die Reformjuden, nicht die modernen Orthodoxen und auch nicht die assimilierten Juden. Sie alle waren das Ergebnis der Moderne, die im 18. und 19. Jahrhundert begonnen hatte. Alle hatten sich als hochinteressante Entwicklungen des Judentums erwiesen, hatten gezeigt, dass dieser uralte Glaube durchaus die Fähigkeit besaß, sich auf verschiedene Weise zu modernisieren. Juden, die heute in Europa, in den USA oder in Israel leben, sind Produkte dieses modernen Judentums. Auch die Ultra-Orthodoxen, wenngleich denen das gar nicht so recht ist.
Aus der Bedrohung, die sie alle gleichermaßen meinte, entwickelte sich die Idee der Rückkehr in die alte Heimat: Der Zionismus.
Juden sind keine Rasse, denn sie sind keine genetische Einheit. Sie sind weiß, schwarz, sie haben braune, blaue und graue Augen, schwarze, blonde und rote Haare, die glatt oder lockig sein können. Juden sind aber auch nicht nur ein Glaube. Es gibt Juden, die mit dem Glauben gar nichts mehr zu tun haben, die sogar agnostisch oder atheistisch sind. Sie definieren sich trotzdem als Juden.
Im Sinne des europäischen Nationenbegriffs des 19. Jahrhunderts sind Juden aber auch keine Nation.
Man kann also Juden insgesamt begrifflich als Volk bezeichnen. Sie sind eine Gruppe, die sich durch gemeinsamen Glauben, eine gemeinsame Sprache (allerdings nur des Gebets) und eine gemeinsame Geschichte definiert.
Alle Juden gehören zum jüdischen Volk, aber nicht alle Juden gehören zur israelischen Nation. Die Juden Israels, mit israelischem Pass sind eine Nation. Ein deutscher Jude, mit deutschem Pass z.B. gehört nicht zur Nation Israel. Aber ein jüdischer Israeli und ein deutscher Jude sind beide Teil des jüdischen Volkes.
Wenn Juden die höchsten Feiertage Jom Kippur und den Sederabend zu Pessach mit dem Satz beschließen: „Nächstes Jahr in Jerusalem!“ ist die Sehnsucht nach einer Rückkehr in das dann göttliche Jerusalem gemeint.
Für Juden in aller Welt ist die Existenz des Staates Israel ungeheuer wichtig. Sie fühlen sich, und sind in irgendeiner Form mit Israel verbunden, auch wenn sie nicht dort leben wollen. - Angeblich hat sich dieses Gefühl 1967 noch einmal verstärkt, als im Sechstagekrieg die Heiligen Stätten ihres Glaubens wieder in jüdische Hände fielen: Der Tempelberg, die Westmauer des ehemaligen Tempels, die Klagemauer. Die Juden hofften, dass sie nach vielen Jahrtausenden endlich in Frieden leben würden. Aber dazu ist es bis heute nicht gekommen.
Zur Zeit der römischen Besatzung herrschten in Judäa religiöse Unsicherheit, Unterdrückung und Umbruch-bestrebungen. Eine kleine Gruppe militanter Juden, die Zeloten entschieden sich zum Aufstand gegen Rom. Sie beginnen im Jahr 66 ihre Revolte, erobern Jerusalem und vertreiben die Römer aus der Heiligen Stadt. Das alles lassen sich die Römer natürlich nicht gefallen. Sie entsenden Truppen nach Judäa und belagern die Hauptstadt der Juden. - Unter ihrem Feldherrn und späteren Kaiser Titus erobern die Römer im Jahr 70 Jerusalem. Dabei geht der Tempel in Flammen auf und brennt bis auf die Westmauer (die Klagemauer) völlig nieder. - Die Zeloten fliehen nach Massada am Toten Meer, in eine Festung des Herodes. Sie setzen dort ihren Kampf gegen die Römer fort. Den Römern gelang es erst nach mehreren Jahren die Festung zu erobern. - Um nicht als Sklaven in die römische Gefangenschaft zu gehen, entschließen sich die Zeloten in der Nacht vor der endgültigen Niederlage zum kollektiven Selbstmord.
„Massada darf nicht wieder fallen“ ist die Losung der israelischen Armee!
Als Massada 73 fiel, hatte Rom auf der ganzen Linie gesiegt. Einen jüdischen Staat gab es nicht mehr und die Juden wurden aus Judäa vertrieben. Sie fliehen nach Europa, in den vorderen Orient oder nach Afrika. Aber viele kamen als Sklaven nach Rom in Gefangenschaft.
Es kam im Jahr 132 noch einmal zu einem Aufstand der übrig gebliebenen jüdischen Bevölkerung gegen die Römer in Judäa. Auch dieser Aufstand wurde nach zwei Jahren niedergeschlagen. Danach entscheidet sich Kaiser Hadrian dazu, Jerusalem zu einer heidnischen Stadt zu machen. Die Stadt heißt Aelia Capitolina, und Juden wird der Zutritt zu dieser Stadt strengstens untersagt. Auch die Provinz Judäa erhält einen neuen Namen: Palästina!
Die jüdische Geschichte im eigenen Land war damit endgültig vorbei, und es sollte fast 2000 Jahre dauern, bis das jüdische Volk in die alte Heimat zurückkehren konnte. - Der Staat Israel wurde in einem Land gegründet, das seit rund 2000 Jahren Palästina heißt. Die überwiegende Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung sind Araber. Eine Rücksichtnahme auf die Interessen der Araber ist nicht erkennbar, vielleicht auch gar nicht gewollt oder möglich? Das einzige vage Interesse an Palästinensern besteht scheinbar darin, sie als billige Arbeitskräfte zu beschäftigen.
Israelis können nach ihrem Selbstverständnis auf Palästinenser keine Rücksicht nehmen. Aus jüdischer Sicht gilt, dass es kaum einen Staat gibt, der nicht mit Gewalt entstanden ist. Sie argumentieren, dass die USA einst die Ureinwohner ihres Kontinents fast komplett ausgerottet haben. Kein Jude würde die Legitimität der USA anzweifeln, geschweige denn seine demokratischen Prinzipien, selbst wenn sie Defizite aufweisen oder von dem einen oder anderen Präsidenten auch mal mit Füßen getreten werden.
Versteckt oder offen haben israelische Politiker sich zu jeder Zeit eindeutig zu dem Ziel der Vertreibung der Palästinenser und dem Annektieren der palästinensischen Gebiete geäußert. - Der damalige israelische Verteidigungs-minister Moshe Dayan hat 1967 sinngemäß gesagt: Israel könne die gewaltige Zahl von Arabern schon absorbieren, über deren Gebiet es zu dieser Zeit die Herrschaft gewonnen hatte. Wirtschaftlich können wir das. Aber ich glaube, das entspricht nicht unseren Plänen für die Zukunft. Es würde Israel entweder in einen binationalen oder polyarabisch-jüdischen Staat verwandeln, anstatt in einen jüdischen Staat, und wir wollen einen jüdischen Staat haben. Wir können sie absorbieren, aber dann wäre es nicht mehr dasselbe Land. Ich halte es für absolut notwendig, einen rein jüdischen Staat zu erhalten.
Bei der Vielfalt der in Israel lebenden jüdischen Menschen, der israelischen Palästinenser etc. ist es nicht verwunderlich, dass selbst Juden in Israel befürchten, dass ein Zusammenleben hauptsächlich durch die tägliche Bedrohung aufrecht erhalten bleibt. Unter normalen, friedlichen Voraussetzungen wird das infrage gestellt.
Jedoch jetzt, unter der anhaltend gefährdeten Existenz, sind für die Menschen Frieden und Normalität Voraussetzung für ein erstrebenswertes Leben. Doch davon ist man in Israel sternenweit entfernt. Aber alle Friedensbestrebungen und -Bemühungen sind und bleiben eine Illusion.
Juden, die ein friedliches Neben- oder Miteinander anstreben wollen kein Schalom und auf Nimmerwiedersehen. Sie wollen keine hohe, undurchlässige Mauer zwischen Israel und Palästina. Sie glauben, dass es für beide Völker förderlich wäre, möglichst viele und vielfältige Beziehungen zu knüpfen. Sie wünschen sich wirtschaftliche Beziehungen, Handelsbeziehungen, Kulturaustausch, Tourismus und gemeinsame Sportveranstaltungen.
Aber, wenn selbst Kinder ihre Eltern fragen: „Ist der Terroranschlag heute schon vorbei?“, kann man die Angst wahrnehmen, die in Israel herrscht. Und Angst lähmt bekanntlich jede vernünftige Entscheidung und Handlung. Die über Monate und Jahre stattfindenden Selbstmord-Attentate gegen Zivilisten, bei denen Hunderte Israelis getötet oder verletzt wurden, lassen auch die Erwachsenen fragen: Wie lange soll das so weitergehen? Was für ein Frieden ist das?
Die Gewöhnung an die tägliche Nachricht von Terroranschlägen ist mit das Schlimmste, was Israelis zu verkraften haben. Für sie wird der Anblick von Toten und Verletzten zu einem gewohnten Bild. Man gewöhnt sich an die Bilder und Berichte zur Beschreibung der Lage so sehr, dass selbst ihre Gefühle manchmal klischeehaft wirken.
Schutzmaßnahmen machen die Menschen nur noch ängstlicher und unsicherer. - Falls man in Israel seinen Koffer oder die Handtasche irgendwo stehen lässt oder nur eine Minute aus den Augen verliert, um z.B. eine Busfahrkarte zu kaufen, werden die Gepäck-stücke wahrscheinlich ein paar Minuten später von einem Polizeiroboter gesprengt. Täglich werden in Jerusalem wegen verdächtiger Gegenstände Straßen gesperrt.
Ein Israeli, der sein Haus verlässt, muss wegen der Sicherheitskontrollen die doppelte Zeit einplanen. Beim Einchecken in eine El-Al-Maschine ist man Verhören und intimen Fragen ausgesetzt.
Israelis, die bisher den Friedensprozess befürworteten und unterstützten, verlieren den Glauben an eine friedliche Zukunft. Aber ohne Frieden gibt es keine Sicherheit.
Unter den Regierungen von Rabin und Perez kam es auch zu Massenmorden an unschuldigen Israelis durch palästinensische Selbstmord-Attentäter. Zu dieser Zeit schien es zumindest klar zu sein, dass echter Friede Schritt für Schritt die Anzahl und die Macht derer, die das unterstützen, erheblich beschneiden würde.
Jetzt scheint es unmöglich zu sein, noch über irgendeine Hoffnung der Palästinenser zu reden. Die große Mehrheit der Israelis kann einfach die tiefe Verzweiflung der Palästinenser und ihre Erniedrigung durch die israelische Staatsführung nicht nachempfinden. - Jedoch, unter diesen Voraussetzungen wird das Leben der Israelis genauso unerträglich bleiben wie das der Palästinenser.
Aus all der negativen Erfahrung der letzten dreißig Jahre und den letzten hundert Jahren haben die beiden Völker scheinbar nichts gelernt. Israel beruft sich auf die Gewalt und den Terror, der von den Selbstmordanschlägen ausgeht. Auf der anderen Seite setzt Israel weiterhin seine gesamte politische, wirtschaftliche und militärische Gewalt dafür ein, die Palästinenser in den besetzten Gebieten niederzumachen. Jeder Hoffnungsschimmer wird im Keim erdrückt. Der Palästinenserpräsident ist nicht bereit, auf die eigenen Optionen von Härte und Gewalt zu verzichten. Er scheint weder den Terror noch die Anhänger der Hamas entschieden zu bekämpfen.
Man könnte also meinen, dass in dieser Atmosphäre, in einer derart ungezähmten Region nur Gewalt zu politischem Fortschritt führen kann. Doch Gewalt rechtfertigt weitere Gewalt und bringt keinen Frieden.
Die heute dominierenden Generationen sind in diesen chaotischen Zustand hineingeboren worden. Sie kennen andere Lebensumstände meist nicht aus eigener Erfahrung. Kinder sehen die vorherrschenden Zustände als das normale Leben an. Trotzdem kann man unterstellen, dass die meisten Menschen beider Völker den Frieden wollen und anstreben. Vielleicht sind aber noch nicht alle reif dafür.
Für die Mehrheit der Israelis und der Palästinenser verlaufen die Grenzen, die überwunden oder vereinbart werden müssen, nicht zwischen den beiden Völkern, sondern zwischen den Gemäßigten und den Radikalen beider Völker.
Aber angeblich geben achtzig Prozent der Palästinenser an, die Terroranschläge gegen die Israelis zu unter-stützen. Damit würden die Palästinenser alles Nötige tun, um sicherzustellen, dass sie niemals einen eigenen Staat haben werden.
Die israelische Regierung wird damit in die Enge getrieben. Sie ist gefangen in ihrer aggressiven, mechanischen, eindimensionalen Weise und kündigt daher unverzüglich verschärfte Reaktionen an. Die Armee besetzt nach jedem Anschlag verschiedene Gebiete im Geltungsbereich der Autonomiebehörde. Sie will verharren, bis der Terror ein Ende hat.
Der Terror wird aber kein Ende haben, solange es kein politisches Übereinkommen gibt, das den Palästinensern einen unabhängigen Staat zusichert.
Damit scheint es klar zu sein, dass die israelische Regierung den Beschluss gefasst hat, wieder alle Gebiete der Autonomiebehörde zu besetzen, um die Fortsetzung des Terrors zu garantieren.
Die Hamas hingegen fürchtet Reformen, die der Palästinenserpräsident durchführen müsste, um die terroristische Aktivität der Hamas einzuschränken. Ebenso wirken sich die Annäherungsbemühungen Ägyptens, Jordaniens und Saudi-Arabiens an die Positionen der USA und Israels hinsichtlich der Notwendigkeit der Terrorbekämpfung auf die Hamas-Aktivitäten aus. Um diese relativ gemäßigten arabischen Staaten zur Rückkehr zu ihren früheren extremen Positionen zu zwingen, hat die Hamas das Ziel, Israel zu einem Angriff auf die Autonomie-Behörde und eventuell sogar zu einer neuen Besatzung zu verleiten.
Die israelische Regierung weiß genau über die Reaktionen und Aktionen der Hamas Bescheid wie die Hamas über die der Israelis. Beide Seiten scheinen sich dieses „üblen Spiels“ je nach Bedarf zu bedienen.
Angeblich glaubt die israelische Regierung nicht, auf der palästinensischen Seite einen echten Verhandlungspartner zu haben, weil es in ihr Kräfte gibt, die sich jedem Kompromiss widersetzen.
Doch die israelische Regierung scheint hilflos, konfus und verzweifelt zu sein. - Israel ist so konfus, dass ein hoher Minister den Vorschlag machte, anstatt dass Israel sich mit Schutzmauern und Zäunen umgibt, die palästinensischen Städte und Dörfer zu umzäumen und voneinander zu isolieren. - Israel ist so verzweifelt, dass die Idee der Vertreibung der Palästinenser aus den Gebieten der Autonomiebehörde und die Abschiebung von einer Million Palästinensern mit israelischer Staatsbürgerschaft immer mehr Unterstützung findet, sowohl am Kabinettstisch als auch in der öffentlichen Meinung. Das besagen auch Plakate mit der Aufschrift: Transfer - der einzige Weg zum Frieden.
Die Mauer wurde zum Schutz Israels gebaut, wenn auch weitgehend auf palästinensischem Gebiet.
Aber die Kräfte in Israel, die eine Entspannungs- und Friedenspolitik betreiben wollen, wachsen von Tag zu Tag. Das Militär setzt immer deutlichere Signale, dass es sich missbraucht fühlt, in der Art, Zug um Zug Gewalt mit Gegengewalt zu beantworten. Und es wächst die Bereitschaft und die Einsicht in den politischen Kreisen in Israel, dass ein Friedensprozess nicht immer wieder von einem einzelnen Bombenattentäter unterbrochen werden kann. So bedenklich und so schlimm das für die israelische Bevölkerung ist, Opfer solcher Attentate zu werden, sie kann den Frieden nur erreichen, wenn sie zwei, drei, vier solcher Attentate ohne Reaktion empfängt. Das ist natürlich auch eine Zumutung für die israelische Bevölkerung.
EIN MÄRCHEN UNSERER ZEIT
In einem ungenannten Land war alles außer Rand und Band. Die Politiker sind sich nicht einig, peinlich. Der Regierungschef will die Justiz eintmachten, per Gesetz. Dagegen protestiert ein großer Teil der Bevölkerung. Die Unruhen sind unerträglich.
Was macht man, um die Macht zu behalten? Mit ein paar Raketen aus dem Gegenüber, wie immer provoziert, kann man diesmal die Stimmung nicht kippen. Doch man weiß seit Monaten, dass eine Aktion von Rebellen bevorsteht. Langfristig wurden die Vorbereitungen und das Training der Rebellen in Granznähe beobachtet. Aber darüber wurde nie etwas berichtet oder veröffentlicht.
Wo waren das Militär und der Geheimdienst? Wie auf Kommando kommt der Angriff zum rechten Zeitpunkt. Jetzt kann man wieder zurückschlagen, ohne Rücksicht auf Verluste, auch der eigenen. Selbst Geiselnahmen durch die Rebellen werden hingenommen.
Es geht um die Machterhaltung der Regierung und des Regierungschefs.
Alles was jetzt geschieht ist langfristig geplant. Wegen angeblicher Rücksichtnahme schickt man die Zivlbevölkerung im Nachbarland in den Süden - "in Sicherheit". Mit Drohnen, Bomben, Raketen und Truppen wird fast alles zerstört. "Man will ja die Rebellen endgültig vernichten". Danach greift man den sogenannten, für die Zivilbevölkerung "sicheren Süden" an. Die Menschen sollen sich auch hier in Sicherheit bringen. Aber wohin? Ist das nicht Vertreibung?
Kann man in Jerusalem auch ganz normal leben, seiner Arbeit nachgehen, sein Kind in die Schule schicken?
Zeruya Shalev meint, dass sie ihren Sohn zu sehr liebt; Dass sie ihn zu sehr beschützen will, ihn nicht loslassen kann. - Jeden Morgen um ¼ vor 8 bringt sie ihn zur Schule, zu Fuß. Busse scheiden in Jerusalem aus, und im Auto kommt man den Bussen zu nahe. - Zeruya Shalev berichtet: Nach einem Terroranschlag bellen immer die Hunde. Die Explosion war so laut, wie auf meinem Balkon. Ich zitterte am ganzen Körper. Jemand sagte, das war im Café Moment, in meinem Stamm-Café, gleich um die Ecke. Ich trug nur einen Pyjama, und ging auf die Straße, in die Richtung. Aber dann musste ich umkehren, ich konnte es mir einfach nicht ansehen.
Zeruya Shalev ist eine der berühmtesten Autorinnen Israels. Ihre Romane „Liebesleben“ und „Mann und Frau“ waren auch in Deutschland Bestseller. Zeruya lebt mit ihrem Mann, ihrem Sohn und der älteren Tochter im Zentrum von Jerusalem, nahe des Regierungspalastes. Es ist ein schönes, ruhiges Viertel. Aber auch das Viertel, in dem die meisten Terroranschläge verübt wurden. Das Café Moment wurde inzwischen wieder aufgebaut.
Wie kann man einem Kind das alles erklären? Ihr Sohn war erst 6 Jahre alt. - Das ist sehr schwierig, sagt Zeruya Shalev. Ich möchte ja, dass er sich sicher fühlt. Manchmal habe ich tatsächlich probiert, ihm nicht die Wahrheit zu sagen. z.B. als der Vater seiner Freundin bei einem Anschlag getötet wurde. Ich wollte es vor ihm verheimlichen, aber dann hat er es in der Schule gehört. Da habe ich realisiert, es ist sinnlos. Du kannst ihn nicht täuschen.
Sie selbst wuchs ohne Gefahr auf, draußen auf dem Land, eng mit ihrem Bruder. Die Mutter Malerin, der Vater Lehrer und Literatur-Kritiker. Sie spricht von einer einsamen Kindheit. Isoliert von der Welt, schon als Kind gezwungen sich gegen Langeweile Geschichten auszudenken. Abends las der Vater den Kindern aus der Bibel vor.
Zeruya Shalev berichtet: In unserer Familie war das Judentum wichtig, obwohl wir nicht religiös waren, überhaupt nicht. - Nach Jerusalem kam sie, weil sie zum Militär musste. Dann blieb sie, und studierte Bibel-Wissenschaften. Und geschrieben hat sie immer, schon als Sechsjährige Gedichte. - Meine Gedichte waren immer sehr traurig, sagt sie, auch als ich ganz klein war. Ich weiß noch, dass meine Mutter immer weinte, wenn sie sie las. Und sie sagte, das ist so traurig, warum bist du so traurig. Ich möchte, dass du fröhlich bist. Mich haben eben immer schon Tragödien fasziniert.
Die Wege der Liebe beschreibt sie in ihren Romanen, auch die Abgründe der Sexualität. Es sind beunruhigende Innenansichten. - Sie selbst ist zum dritten Mal verheiratet. Die verschiedenen Ehemänner waren eben ihre Methode, sich selbst und die Welt kennen zu lernen. Ein Offizier, ein kanadischer Wissenschaftler und jetzt ein Mann, der auch ein erfolgreicher Schriftsteller ist. Ihre ältere Tochter ist nicht von ihm. - Verheiratet sein war wichtig für mich, meint Zeruya Shalev, aber jetzt nicht mehr.
Es gibt Freunde, die ihr vorwerfen, dass sie in Jerusalem bleibt. Dann hat sie schlaflose Nächte. Schuldgefühle spielen auch in ihren Romanen eine Rolle. Dann fragt sie sich, ob sie nicht wegziehen sollen, irgendwo hin. Sie könnten genau so gut in London leben.
Was bedeutet ihr Jerusalem? Ist es ein Heiliger Ort, ein trauriger Ort, ein Ort wie jeder andere? - Es ist ein sehr besonderer Ort, meint Zeruya Shalev. Ich spüre diese Mischung aus Leid, Religiosität, diese spirituelle Atmosphäre. Das inspiriert mich irgendwie. Alles ist angespannt in dieser Stadt.
Unlängst, sagt sie, kam die Warnung, dass der nächste Anschlag einer Schule gelten könnte. Soll sie ihren Sohn von seinen Freunden wegnehmen und in eine andere Schule stecken, in einem „sicheren“ Stadtteil? Und wenn dann dort etwas passiert, irgendwas, was dann? - Was bestimmt über unser Leben? Das Schicksal, der Zufall, Gott? - Jedenfalls musste ziemlich viel passieren, dass der Mann und die Frau miteinander Brot backen.
David ist ein Automechaniker, in Israel geboren, hat lange im Ausland gearbeitet, in London, Norwegen und Dänemark. Er machte schließlich in Jerusalem eine Auto-Werkstatt auf. Eines Nachts testete er mit seinem palästi-nensischen Freund, später als sonst einen alten Volvo.
Katharina ist geboren in München, machte ihr Abitur in Köln; Ihre Eltern sind Ärzte. Sie interessierte sich plötzlich für Glaubensfragen und zieht nach Jerusalem, um Antworten zu finden. Eines Nachts geht sie später als sonst nach Hause. - Sie erklärt: Ich ging täglich da vorbei, wenn ich von der Klavierstunde kam.
Ihr Mann berichtet: Nahim sagte zu mir, die können wir da nicht so alleine gehen lassen; Da kann alles Mögliche passieren. Also, hielt ich an, und nahm sie mit. So hat es angefangen.
Heute heißt Katharina Avigail. Sie gibt Männern nicht die Hand und verhüllt ihre Haare sowie ihren Körper. David ist kein Automechaniker mehr, sondern Landwirt. Er gibt Frauen nicht die Hand, und legt täglich Gebetsriemen an. Sechs Kinder haben die beiden, und sie leben streng nach den Gesetzen der Thora, der fünf Bücher Moses.
Ich empfinde es nicht als Bruch mit meinem vorherigen Leben, sagt sie. Ich denke, die Wege Gottes mit einem Menschen sind nicht glatt. - Wir haben einen Schöpfer, sagt David, und dieser Schöpfer hat ein Buch geschrieben. Das ist wie beim Auto; Du kriegst ein Buch, eine Betriebsanleitung, welches Öl, welches Benzin . . . Diese Vorlagen musst du befolgen.
Mit Nahim treffe ich mich immer noch. Aber wir ziehen es vor, nicht über das zu sprechen, was Israel, wie die ganz Welt weiß, in den letzten zwei Jahren angetan wurde.
Wenn ich einen von den arabischen Arbeitern hier treffe, die auf der Straße stehen, erklärt seine Frau, nehme ich ihn immer mit. Und immer auf dem Weg sprechen wir über Schalom, wie bringen wir den Frieden. Und wir sind uns immer einer Meinung auf dem Weg.
Die Wege der Liebe. Auf dem Hügel, 15 Kilometer von Jerusalem, werden alle Fragen mit der Liebe zu Gott beantwortet. - Sind Avigail und David glücklicher als Menschen, die ohne Gebrauchsanleitung leben? Sind sie freier oder Gefangene? - Zwischen Tel Aviv und Jerusalem liegen Welten, auch wenn die Städte nur eine halbe Stunde voneinander entfernt sind. Eingefleischten Tel Avivern geht der Streit um alte Tempel auf die Nerven. Sie blicken lieber in die Zukunft, am liebsten aus Hochhäusern. Design, Internet, Börse, Nachtklubs, das sind hier die Themen.
Aber plötzlich redet man doch von Religion, vom sogenannten dritten Tempel. Dort, sagt man, gibt es gar keinen Streit, und alle beten dieselben Götter an.
Dass sich die Israelis im Sport nicht besonders hervortun, ist allgemein bekannt. Nicht eine olympische Goldmedaille haben sie bis jetzt gewonnen. Für richtige Patrioten aber ist diese Tatsache schon eine kleine Wunde. Und immer, immer wird dann auf Makabi Tel Aviv verwiesen, das Top-Team, die Gewinner der European Champions Liga.
Woher kommen die Spieler? – Orlando, Florida – Split, Kroatien – Texas – Baltimore, Maryland – Chicago.
Ich lebe seit 20 Jahren in Israel, sagt Pinni Gershon. Früher war ich Spieler, jetzt bin ich Trainer. Das Team ist ein Echo der Gesellschaft. Makabi ist in den Herzen und Köpfen aller Menschen hier, und repräsentiert den positiven und glücklichen Teil der Kultur. Das ist eine wichtige Rolle, und es ist ein gutes Gefühl, dass wir für mehr stehen als für Dribbeln und Körbewerfen. Man sagt ja, wer nach Israel geht, muss entweder verrückt sein oder verliebt? Das Zweite, aber meine Frau war natürlich verrückt. Vorher wusste ich gar nicht wie das hier ist. Es ist ein großartiges Land, mit großartigen Menschen. Ganz anders als man es aus dem Fernsehen kennt. Die Leute sind sehr freundlich und hilfsbereit.
Ein Spieler meint: Als die Gelegenheit kam, in Israel zu spielen und hier Gott zu dienen, das war das Beste, was mir passieren konnte. Es gibt keinen besseren Platz auf der Welt; Ich hatte großes Glück.
Pinni Gershon, der Coach sagt: Es ist wie überall auf der Welt. Wir bekommen viel Geld, damit man uns für Niederlagen verantwortlich machen kann. - Im Allerheiligsten zu sein, beim Training der Götter, ist also wirklich etwas Besonderes.
Bringt die Wüste zum blühen, sagte Israels Staatsgründer David Ben Gurion. In der Negev liegt die Zukunft Israels.
Der Geo-Wissenschaftler Dr. Adar war schon als Junge von einem Thema fasziniert: Wasser. Dr. Adar berichtet: Ich war 14 als das nationale Bewässerungssystem in Betrieb genommen wurde. Mein Vater besichtigte mit mir die Zentrale. Wir fuhren mit einem Jeep durch die Tunnel, und ich sah die riesigen Rohre und Pumpen. Für mich war das ein großes Abenteuer.
Dattelpalmenfelder, Obstbaumplantagen, Seerosenteiche und sogar Fischzuchtanlagen entstanden in der Wüste. In den Kibbuzim werden Kosmetika hergestellt, und Lebensmittel. Es gibt riesige Kühlanlagen. Weinreben wachsen in der größten Hitze. - Die Wissenschaftler des Blaustein-Institutes sind weltbekannt, auf dem Gebiet der Bewässe-rungstechnologien, der Konzepte für Wasser-Management und neuer Recycling-Methoden. - Der Leiter erklärt: In diesen Treibhäusern finden sie keine Tomaten, sie finden Fische. Und das Wasser wird recycled und für Olivenbäume verwendet. Pflanzen sie keine Tomaten, züchten sie Garnelen.
Professor Vonshak, Chef des Institutes organisiert internationale Kongresse zu diesen Themen. Sie betreffen ja nicht nur Israel. Die Ausdehnung der Wüsten ist ein weltweites Problem. - Dr. Adar sagt: Wir konsumieren mehr als wir haben. Und es geht nicht nur darum, das vorhandene Wasser aufzuteilen. Wir müssen auch garantieren, dass die Qualität des Wassers erhalten bleibt, für die Zukunft.
Wasser; Mit Gott müssen die Spezialisten in der Wüste darüber nicht mehr verhandeln, aber mit den Nachbarn. - Dr. Adar erklärt: Wir haben gute professionelle und persönliche Beziehungen zu unseren palästinensischen Kollegen, trotz alldem was passiert. - Wissenschaft kann eine Brücke sein zwischen den Menschen, sagt Professor Vonshak, und helfen, Frieden zu stiften in dieser Region.
Die sechs Millionen Einwohner Israels kommen aus allen Ländern der Erde; Australien, Indien, Deutschland, Russland, Amerika; Menschen aus hundert Nationen bilden die einzige demokratische Gesellschaft des Nahen Ostens. Kein Wunder, dass die berühmte Knesset zu den lebhaftesten Parlamenten der Welt zählt. Hier wird geschrieen, geweint, geprügelt.
Ein Lokal am Meer in Tel Aviv heißt eigentlich Olympia, aber am Freitagnachmittag nennen es alle Knesset, weil dann das halbe Parlament dort sitzt, bevor man sich in den Sabbat verabschiedet. Manche sagen, die wirkliche Politik wird hier gemacht.
Am Abend des 4. November 1995 wurden die erhofften Friedensaussichten wieder infrage gestellt. Minister-präsident Itzhak Rabin wurde auf der großen Friedenskundgebung erschossen, von einem religiösen Studenten, im Namen Gottes also.
Und Shimon Perez, der Außenminister, der Architekt des Osloer Friedensabkommens stand daneben. Was damals passierte traf das Herz Israels.
Shimon Perez ist inzwischen über 80 Jahre alt, weise und voller Erinnerungen. Er erklärt: Wenn Menschen von Erinnern sprechen, meinen sie oft vergessen, weil man sich lieber an schöne Dinge erinnert und die unschönen Dinge dabei vergisst. Aber die Vorstellungskraft ist genauso wichtig, wie die Fähigkeit sich zu erinnern, weil wir uns eine bessere Welt vorstellen können, ohne die Fehler der Vergangenheit. Wer sich nur an das Schlechte der Vergangenheit erinnert, ohne das Gefühl für eine bessere Zukunft zu entwickeln, wird sich nicht bewegen.
Nach einem langen Weg als Politiker, mit großen Erfolgen und großen Enttäuschungen. Wie schafft er es, so optimistisch zu bleiben und nicht zynisch zu werden?
Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass man nichts erreichen kann, ohne Rückschläge und Enttäuschungen hinnehmen zu müssen. Sie sind Teil des Prozesses, sie überraschen mich nicht. Ich erwarte nicht, dass Dinge glatt laufen, leicht. Deshalb gebe ich nicht auf, wenn ich an etwas glaube. Manchmal denkt man fünf Minuten vor dem Erfolg, dass man gescheitert ist. Wer gewinnen will, darf nicht aufgeben. Wer aufgibt, gewinnt nicht. - Mein Mentor war Staatsgründer David Ben Gurion, und ich habe von ihm gelernt, wann man das Wort „ich“ benutzt und wann das Wort „wir“. Bei einem Erfolg sagt man „wir“, bei einer Niederlage „ich“.
Shimon Perez war in jedem Regierungsamt. Und er hat immer wieder betont, dass es zum Frieden keine Alternative gibt. - Er kam mit seinen Eltern aus Polen und hieß damals Persky. Sein geliebter Großvater hat ihn sehr geprägt. Er blieb zurück und starb im KZ. - Experten, sagt der Friedensnobelpreisträger, sind immer Experten der Vergangenheit. Er wollte immer Experte für die Zukunft sein.
Shimon Perez sagt: Es ist nicht so, dass ich keine Sünden begehe, ich sündige. Aber ich bin davon überzeugt, dass es weise ist, immer die Moralfrage zu stellen. Ich kann sündigen, ich kann Fehler machen. Aber einen Fehler sollte ich nie machen, den Weg der Moral außer Acht zu lassen, selbst wenn ich mich nicht dafür entscheide. - Über 80 Jahre alt ist Shimon Perez jetzt, und immer noch nicht müde, dafür zu kämpfen was er für richtig hält, einen Weg zum Frieden. Vielfach wurde er deshalb ausgezeichnet, bewundert, aber auch beschimpft, bedroht, sogar belächelt.
Man kann aufgrund von zwei Extremen scheitern, meint Shimon Perez, weil man zu misstrauisch ist oder weil man zu naiv ist. Ich scheitere lieber, weil ich zu naiv bin.
Der 4. November 1995 ist ein sehr wichtiges Datum für Israel. Aviv Gevven berichtet: - Itzhak Rabin hatte mich eingeladen, auf der großen Friedensdemonstration zu singen. Ich betrat die Bühne und sagte, dieses Lied ist für all diejenigen, die für den Frieden in Israel gekämpft haben und dabei gestorben sind. Ich weiß bis heute nicht, warum ich im letzten Moment meinen Plan änderte und, anstatt eines fröhlichen, dieses traurige Lied sang, „Cry for you“. Danach umarmte ich Itzhak, bedankte mich und sagte noch, sie sind ein sehr mutiger Mensch, ich bewundere sie.
Dann gingen wir alle hinunter zum Parkplatz, wo sein Wagen und meine standen. Itzhak war nur sieben Meter von mir entfernt, als ich die drei Schüsse hörte. Ein Soldat warf mich auf den Boden und schrie, nicht bewegen. Ich dachte zuerst, ein Feuerwerk, doch dann sah ich ihn sterben.
Der Mörder war nur durch die Absperrung gekommen, weil er gesagt hatte, er sei mein Fahrer. Sie haben den Traum von Israel getötet. Bevor Rabin starb, herrschte eine ganz andere Stimmung. Wir dachten wirklich, alles würde anders werden.
Aviv Gevven ist wie seine musikalischen Vorbilder, extrovertiert, ungeduldig, hoch sensibel und provozierend. Er will sich freimachen von Konventionen, Mauern einreißen, und in eine neue Zukunft aufbrechen. - Und er hat den Wehrdienst verweigert. Das ist ein Skandal in Israel. Für viele der jungen Generation ist er ein Idol. - Er sagt: Ich denke wirklich, dass mit meinen Songs eine neue Generation herangewachsen ist. Das ist sehr wichtig. Ich sehe mich selbst als vergiftetes Blumenkind, wie ein Blumenkind der 1960er Jahre. Aber ich habe Gift in mir. Leben bedeutet für mich Musik, Essen und Sex. 90% Musik, 8% Essen, 2% Sex ungefähr, aber das ändert sich mal ein bisschen. - Jerusalem ist eine Stadt voller Gewalt. An der Klagemauer klebt Blut. Ich glaube nicht an Steine oder ein Stück Land. Ich glaube an die Menschen. Es ist doch eine Kehrtwende in der Evolution, wenn Steine wichtiger sind als die jetzt lebenden Menschen.
Man muss die Meinung von Aviv Gevven nicht teilen, um zu wissen, einer wie er macht Mut, Hoffnung.
Die Götter werden uns die Antwort schuldig bleiben, auf die Frage, wie es in Israel weitergeht. Ist der Blick in Gesichter, ein Blick in die Zukunft? - Stimmen: Bei Rabin dachten wir, die Dinge würden sich ändern, schnell. – Beim letzten Waffenstillstand waren wir so glücklich. – Unser größtes Problem ist, dass die Israelis untereinander keinen Frieden finden. – Es gibt große Meinungsverschiedenheiten unter uns. – Israel ist heute ein verletztes Land. – Die besetzten Gebiete sind wie Krebs in Israels Körper. – Eines Tages wachen alle auf, und sehen wie dumm das alles ist. – Ohne die Politiker wäre alles gut. – Vielleicht, wenn wir weniger Generäle haben und mehr Zivilisten? – Wir müssen weg vom Wettlauf um Waffen, hin zum Wettlauf um Bildung und Erziehung. – Nur ein neues Verständnis wird die Veränderung bringen. – Wir müssen die Palästinenser als Nachbarn akzeptieren, und umgekehrt. – Sie bauen diese dumme Mauer zwischen uns. Sie sollten sie rund bauen wie ein Stadion, und dann alle Radikalen einsperren. Gebt ihnen Waffen, Munition und Essen soviel sie wollen. Und wir schauen zu, wie im alten Rom. – Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass wir mehr Frauen haben, statt Männer dort oben. – Wir verdienen junge Regierungen, beide Seiten. – Und wir haben wirklich viele Talente hier. – Israel ist wundervoll, hat großes Potential. Ich hoffe, dass niemand das Land kaputt macht. – Wir müssen in dieser Region zusammenleben, mit derselben Menge an Wasser, Luft und Problemen. – Israel ist ein sehr junger Staat. Gebt uns noch ein paar Jahre, dann werden wir sehen. – Israel ist ein Spiegel. Was hier passieren wird, wird auch weltweit passieren. – Manchmal finden die Menschen einen Schlüssel, und damit können sie etwas öffnen, was im Moment noch total verschlossen ist. Mit dem richtigen Schlüssel braucht man keine zehn Jahre, um etwas herauszufinden. Du öffnest einfach eine Tür, das macht Hoffnung.
Wie erleben es die (z.Zt. wenigen) Touristen, die Israel besuchen? - Z.B. abends auf den Straßen von Israel: Das große Sicherheitsbedürfnis im Land ist überall sichtbar. Es verfolgt den Reisenden auf Schritt und Tritt. Vor allem in den Touristen-Metropolen wie der Hauptstadt Jerusalem, der Heiligen Stadt. Hier leben in der Altstadt Menschen verschiedener Religionen auf engstem Raum miteinander. Judentum, Islam und Christentum, sie sind alle eng verwurzelt mit Jerusalem. Die Stadt ist ein Wallfahrtsort für Touristen aus der ganzen Welt. Im modernen Jerusalem gibt es Banken und Hotels. Die Stadt wächst wie alle Großstädte unaufhörlich weiter. Mittlerweile leben hier 660000 Menschen. Und es wird gebaut, mit staatlich verordneter Überwachung.
Die Altstadt mit ihrem mittelalterlich orientalischen Charme gehört zum Welt-Kulturerbe. Hier konzentrieren sich die ethnischen, religiösen und historischen Kontraste. Man besucht die reich ausgestattete Grabeskirche. Sie ist Besuchermagnet, denn jeder fühlt sich seinem Glauben nahe. Zu ihr kommen tausende Touristen. Gleich an ihrem Ausgang begegnen den Touristen ganz irdische Bilder. Das Gotteshaus der Christen steht mitten im Arabischen Viertel Jerusalems. Und wo Touristen sind, da gibt es auch Händler, die ein bisschen Geld verdienen wollen. Egal welche Religion; Hier spielen Konflikte keine Rolle. - Der Sohn eines Arabers verkauft T-Shirts mit der Aufschrift: „I like Israel“. In der Via Dolle Rosa, durch die einst Jesus das Kreuz zum Hügel Golgatha trug, herrscht großer Andrang. Und dieses Gedränge will jeder, der die Gasse besucht, erleben. Pilger durchqueren sie. Die Via Dolle Rosa ist eine belebte und beliebte Geschäftsstraße. - Im Altstadtkern zieht es die Touristen zum Allerheiligsten der Jüdischen Bevölkerung: Zur Klagemauer am Tempelberg. Hier beginnen die Strenggläubigen mit ihrem Morgengebet. Sie verstecken auf kleine Zettel geschriebene Wünsche in den Fugen des Mauerwerkes, in der Hoffnung, dass sie von ihrem Schöpfer erhört werden. - Freitags am Abend beginnt für die Juden die Heilige Sabbatruhe. Dann wird es ruhig über der Stadt. Jüdische Geschäfte und Restaurants sind dann geschlossen.
Verlässt man das geschichtsträchtige Jerusalem, erreicht man nach einer kurzen Autofahrt südwärts die größte Wüste des Landes: Die Wüste Negev. Sie ist ein Ort der Weite und der Stille. Die Wüste Negev umfasst rund 13000 qkm, und prägt damit den kompletten Süden des Landes. Und, sie ist eine der wenigen Steinwüsten unserer Erde. In dieser scheinbar lebensfeindlichen Landschaft sind die Beduinen zuhause. Ihr Nomadendasein haben sie weitgehend aufgegeben. Nur noch wenige durchqueren die Wüste mit ihren Kamelen. An manchen Stellen, an denen ein ehemaliger Fluss seinen Lauf hatte, wächst noch einwenig Grün. Hier, in den Oasen finden Tiere Nahrung, sind die Menschen sesshaft geworden und bewirtschaften das bisschen fruchtbare Land. Dank ausgeklügelter Bewäs-serungssysteme ist der Anbau von Datteln und anderem Obst möglich.
Ganz im Osten wird aus der Wüste das Salzland. Hier mündet der Jordan ins Tote Meer, rund 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Salzkrusten überziehen die Ufer; Pflanzen und Tiere sieht man nicht. Doch entgegen seinem Namen, ist das Meer nicht wirklich tot. Allerdings gibt es hier nur ein paar Mikro-Organismen. Jährlich werden Tausende Tonnen Salz gewonnen und weltweit exportiert. Und das nicht nur als Speisesalz, sondern auch für die Kosmetik und Pharmazie. Salz aus dem Toten Meer hilft bei Hautproblemen, bei Atemwegserkrankungen und bei Verdauungsstörungen. - Schwimmen ist für das, was die Touristen im Toten Meer veranstalten, ein viel zu aktiver Ausdruck. Der Salzgehalt von 33 Prozent macht es ohnehin kaum möglich. Hier kann man sich einfach einmal treiben lassen.
In Israel einzureisen ist heute kein Problem mehr. Es war bis vor einigen Jahren für die Älteren, die erwachsen während des „Dritten Reiches“ waren, mit speziellen Kontrollen verbunden. Sie mussten nachweisen, dass sie keine Nazis waren. Für alle Jüngeren und Nachgeborenen ist das nicht mehr erforderlich. Man reist vollkommen unkompliziert in Israel ein, hat aber eher Probleme bei der Ausreise. Die Befragungen sind sehr deutlich und gründlich, denn man hat Angst, dass man ins Touristengepäck Sprengstoff geschmuggelt hat oder Sonstiges. Israelis haben eine ganz eigene Technik der Befragung, die manchmal auch lange dauern kann. Dieser Prozedur muss man sich unterziehen, aber dann fliegt man wieder gut weg.
Eines der größten Hindernisse für einen Frieden und sogar für Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinenser bilden die Siedler, die bewusst und gezielt in den besetzten Gebieten im West-Jordanland und ehemals auch im Gaza-Streifen angesiedelt worden sind. Als angebliche oder vielleicht tatsächliche Vorposten gegen die vorhandene oder auch nicht vorhandene Bedrohung Israels dienten sie zu Okkupation und ständigen Vorwand für die Anwesenheit des israelischen Militärs.
In den 1970er Jahren, als sich fast die ganze Welt darüber einig war, dass Israel die 1967 besetzten Gebiete wieder räumen müsse, waren die Israelis dabei, in den entsprechenden Gebieten gegenüber dem Völkerrecht neue Tatsachen zu schaffen. Sie betrieben eine aggressive Siedlungspolitik, um die eingesessenen Palästinenser zu vertreiben. Zugunsten von Neusiedlern nahmen sie Palästinensern ihr Eigentum und ihre Existenzgrundlagen. Damit machten sie die Betroffenen zu Bürgern zweiter Klasse, wie schon vor 1967 die in Israel lebenden Palästinenser.
Arik Sharon unterstützte in dieser Zeit schon als Landwirtschaftsminister (1977-81) sowie als Minister für Wohnungs- und Bauwesen (1990-92) die Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten und blieb auch danach maß- geblich verantwortlich für den Siedlungsbau.
Die Behinderung der arabischen Bevölkerung durch Straßenkontrollen und andere Maßnahmen, bedingt durch ein eigenes Straßennetz für die Israelis und ihre Siedler, hat dauerhaft zur Verhärtung der Situation geführt.
Warum auch immer die Siedler ausgerechnet hier bleiben und lieber ein Leben unter Bedrohung fortführen wollen, das sie in einer anderen Region friedlich und regulär haben könnten bleibt für Außenstehende ein Rätsel.
Ultraorthodoxe Juden beten und tanzen seit Stunden am Grab von Rachel, einer der biblischen Mütter Israels. Mit der Krone der Schöpfung im Arm, der Thora, den fünf Büchern Mose, der hebräischen Bibel, danken sie dem Gott Israels, dass er sein Volk in das Land Israel geführt hat. Judäa und Samaria, das biblische Israel ist heute Palästinenserland. Fast auf jedem Hügel befindet sich eine jüdische Siedlung.
Nächtelang studieren viele der frommen Siedler die Heiligen Schriften. Sie wollen eins werden mit der Geschichte, der Religion und dem Land.
Ein Siedler erklärt: Hier sind ja schon unsere Erzväter umhergezogen. Abraham war hier, mit seinem Sohn Isaak. Natürlich ist für mich von zentraler Bedeutung, hier an diesem Ort zu leben, wo unsere Vorfahren und unsere Propheten wandelten.
Arik Sharon hatte den, mit Vorbehalt anzusehenden Vorschlag gemacht, die Siedlungen im Gaza-Streifen zu schließen, dafür aber die Siedlungen im West-Jordanland zu sanktionieren.
Dieser Vorschlag fand aber weder in Israel noch in der westlichen Welt Zustimmung. Die Palästinenser können natürlich auch nicht auf ihre Landrechte im West-Jordanland verzichten, auch dann nicht, wenn der Frieden und ein eigenständiger Staat Palästina davon abhängig gemacht würde.
Igal Ezrati muss nicht wie jeder andere Israeli bis zu seinem 45. Lebensjahr der Armee als Reservist zur Verfügung stehen. Igal Ezrati wurde für untauglich erklärt. Als Kriegsdienst-Verweigerer musste er während der Intifada, dem palästinensischen Aufstand Ende der 80er Jahre mehrfach ins Militärgefängnis. Heute schreibt und inszeniert er Theaterstücke für eine Jüdisch-Arabische Politbühne in Jaffa.
Igal Ezrati berichtet: Am Vortag des Libanon-Krieges nahm ich an einer Demonstration gegen eben diesen Krieg teil. Als ich nach Hause kam, steckte schon der Einberufungsbefehl im Briefkasten. Das war ein ziemlicher Schock. Man hat gerade gegen einen Krieg demonstriert, und nun soll man in genau diesen Krieg ziehen. Ich fuhr noch in dieser Nacht los. Am frühen Morgen war ich schon bei meiner Einheit im Libanon, im östlichen Sektor, mit Panzern und schwerem Schützengerät. - Ich saß auf meinem Panzer, war verwirrt und unentschlossen. Allmählich begriff ich, dass ich dabei war, einen Fehler zu machen.
Bei den Einheiten herrschte die Einstellung, dass man möglichst schnell vorpreschen musste, bevor es zu einem Waffenstillstand kommt. Es entstand eine Art Wettrennen, wobei jeder versuchte, soweit wie möglich ins Land vorzustoßen. Bei solch unkoordinierten Truppenbewegungen kann man sehr leicht den Überblick verlieren. Man weiß dann nicht, wo die eigenen Verbände stehen. - Eines Nachts gab es Alarm. Es hieß, zwei syrische Panzer seien direkt vor unserer Stellung gesichtet worden. Wir hatten einen sehr religiösen Offizier, der als erster losstürmte, und im Nu beide Panzer vernichtete. Kaum war er fertig, bekamen wir den Befehl, das Feuer einzustellen. Es waren israelische Panzer, die er abgeschossen hatte. Von den Mannschaften konnte niemand mehr gerettet werden.
Dies war kein Einzelfall; Die Stimmung war explosiv und vieles lief schief. Man wollte vorpreschen, eine günstige Position erreichen. In unserer Brigade gab es einige Dutzend Gefallene; Die meisten von Israelis getötet.
Ich hatte das Gefühl, mich selbst zu belügen. Für eine Sache, die man für falsch hält, soll man töten oder sein eigenes Leben opfern. Diese Erkenntnis ist sehr frustrierend. Man hofft nur noch, das Ganze heil zu überstehen; Man hofft, dass man niemanden tötet oder sonst irgendwas tut, das man sein Leben lang bereut.
Mit Beginn der Intifada 1988 wurde ich als Reservist zur Westbank einberufen, und musste Militäreinrichtungen bewachen. Später sollte ich jüdische Siedlungen schützen. Es war vollkommen absurd, dafür Reservisten einzusetzen. Meiner Überzeugung nach, hatten wir dort nichts zu suchen. Es war eine klassische Gefühlsfalle. Du wusstest genau, wenn du die Grenze überschritten hast, bist du in der Westbank, in Ramalla. Von diesem Augenblick an fühlte ich mich wie ein potentieller Mörder. Wenn man dort ist, in Uniform und mit einem Gewehr in der Hand, dann ist man ein potentieller Mörder. Jedes Kind konnte einen Stein nach mir werfen. Ich hätte es dann verfolgen oder mich verteidigen müssen. Um diesem Dilemma zu entgehen, ist die einzig richtige Entscheidung, gefühlsmäßig wie politisch, die Wehrdienstverweigerung. Politisch gesehen, stärkt man den Protest, wenn man den Dienst an der Waffe verweigert, und auch bereit ist, dafür ins Gefängnis zu gehen. D.h. jenseits der moralischen Dimension, gibt es einen politischen Aspekt, und der ist wichtig, denn der beeinflusst die Öffentlichkeit.
Die Menschen, die mit mir im Gefängnis saßen, waren wegen Fahnenflucht verurteilt, bzw. weil sie ihrem Einberufungsbefehl nicht nachgekommen waren. Es waren Anhänger der „Extremen Rechten“, z.T. Angehörige der Bewegung von Rabbi Kahan. Sie fühlten sich vom Staat diskriminiert und lehnten ihn ab. Heute würde ich sie als „Wehrdienstverweigerer der anderen Art“ bezeichnen.
Als sie hörten, dass ich den Dienst in den besetzten Gebieten aus Gewissensgründen verweigerte, gerieten sie außer sich vor Wut. Ich wurde bedroht und beschimpft. Ich wurde zum Paria, zum Unberührbaren, und bekam Dinge zu hören wie, du bist ein Verräter, dich und die Araber machen wir fertig, Tod den Arabern u.s.w. - Wie man so was übersteht? Ich kannte das schon von früher. Und da ich nun mehr Lebenserfahrung hatte, und auch den Libanon durchgemacht hatte, konnte mich nichts mehr daran hindern, meiner Überzeugung treu zu bleiben.
Einer der ersten Kriegsdienstverweigerer war Gadi Algazi. Nachdem er sich geweigert hatte, in den besetzten Gebieten zu dienen, wurde er zur Zielscheibe einer systematischen Kampagne der Armee, und siebenmal in Folge inhaftiert. Er gab nie klein bei, und wurde schließlich zum Symbol für alle anderen Kriegsdienstverweigerer.
Unsere Gegner waren oft die „Linken“. Kommandeure mit einer „Linken“ Überzeugung waren meist viel strenger. Zum Schluss hatte ich einen Kommandeur, der eher „Rechts“ eingestellt war. Er sagte, es sind deine Ideen, und ich respektiere sie. Das war ein viel sachlicherer Umgang. Viele Leute des linken Lagers fürchten, wir würden den gesell-schaftlichen Konsens aufkündigen. Sie wollten das nicht, und daraus entstand ein großer Konflikt.
Wir sagten, wir verweigern den Wehrdienst, wir brechen das Gesetz, und sind bereit dafür zu zahlen. Die Anhänger der „Linken“ setzten uns unter Druck. Sie argumentierten, wir müssten Dienst tun, um schlimmeres wie Folter und Übergriffe auf die Palästinenser zu verhindern. Die Devise der „Linken“ lautete, ohne unsere Anwesenheit überlassen wir das Feld den „Rechten“, und das kann unabsehbare Folgen haben. Dies war die Philosophie der „Linken“ und der Bewegung Shalom Ashad.
Wir haben nein gesagt, wir wollten nicht in die besetzten Gebiete gehen. Wenn man erst dort ist, kann man die Zusammenarbeit kaum vermeiden. Es gibt keine netten Besatzer. Dieser Krieg ist ein ungerechter Krieg. Ich will mich nicht irgendwann vor einem internationalen Gericht verantworten müssen. Was im Libanon und in den besetzten Gebieten geschieht, ist ein Kriegsverbrechen.
Wenn man in den besetzten Gebieten ist, und Menschen unterdrückt und vertreibt, obwohl man der Meinung ist, dass man dort nichts zu suchen hat, befindet man sich in einer schizophrenen Situation. Ein Offizier, der eine politische Partei wählt, die für einen palästinensischen Staat eintritt, muss sich doch fragen, was habe ich hier in Ramallah zu suchen.
Wir sind ein Volk von Leuten, die töten und dann darüber weinen und sich beklagen. Aber in dem Augenblick, wo das Wort Sicherheit ertönt, stehen alle wieder stramm, und töten und machen furchtbare Sachen. Doch weil wir weinen, sind wir quasi auch legitimiert zum Töten. Wir sagen dann, wir sind Menschen mit moralischen Werten; Wir glauben an den verantwortungsvollen Gebrauch der Waffe. So machen es die „Linken“ oder die Anhänger von Shalom Ashav, die aus dem Krieg zurückkommen und sagen, wir haben Dinge getan und wir bereuen es. Ich habe Aussagen von Menschen gelesen, die schreckliche Dinge getan haben. Aber nachdem sie alles zugegeben und bereut hatten, war für sie die Welt wieder in Ordnung. Sollte das Militär sie morgen einberufen, würden sie wieder genauso schießen und töten. Als ob die Tatsache, dass wir weinen und bereuen, uns die Legitimation zum Töten gibt.
Gadi Algazi erklärt: Warum ich den Kriegsdienst an der Waffe verweigert habe? Mir wurde schon mit 16 klar, dass ich keinen Militärdienst in den besetzten Gebieten leisten würde. Ich hatte von anderen Wehrdienstverweigerern gehört, und nahm Ende der 70er Jahre selbst an Solidaritätskundgebungen teil. Ich sammelte auch Informations-material. - Eine Begebenheit aus dieser Zeit ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Einige Soldaten haben Tränengas-Granaten in die Klassen einer Schule in Jela geworfen. Die Kinder waren so verängstigt, dass sie aus den Fenstern sprangen.
Später sprachen wir mit den Soldaten. Einer von ihnen, ein sympathischer Kerl aus einem Kibbuz, hatte Gewissensbisse und erzählte, er hätte die Kinder eingesammelt, wie Küken mit gebrochenen Gliedmaßen. Auf die Frage, warum er den Befehl nicht verweigert hatte, erzählte er, sie wären alle ziemlich aufgeregt herumgerannt, und schließlich hätte er die Granate geworfen, ohne sich etwas dabei zu denken.
Mir war klar, dass ich so etwas nicht mitmachen würde. Ich würde keine Tränengas-Granaten auf Menschen werfen.
Palästinensischer Widerstand und palästinensisches Leid waren vor der Intifada kein Thema in der israelischen Gesellschaft. Damals war es in Israel verboten über Folter in den besetzten Gebieten zu schreiben. Damals wollte niemand wissen, dass Hunderte von Menschen in Internierungslagern festgehalten wurden.
Vor dem Libanonkrieg gab es in Israel nur wenige kritische Stimmen. Man passte sich dem allgemeinen Konsens an; Man verließ das Land oder man schwieg. Auf jeden Fall tat man genau das, was einem befohlen wurde.
Ich hatte das Glück, aus einer Familie zu kommen, in der man auch „nein sagen“ durfte. Es waren Menschen, die in der kommunistischen Partei arbeiten, und palästinensische Freunde hatten. Es kam für mich nie infrage, in Ramallah Tränengas-Granaten abzufeuern. Das war keine schwierige Entscheidung. Die eigentliche Entscheidung lag darin, mich öffentlich dazu zu bekennen, und dafür einen hohen Preis zu zahlen.
Für die Armee ist das kein Problem, wie mir die Offiziere bei verschiedenen Gesprächen bestätigten. Uns macht das nichts aus, dich zu verurteilen, hieß es. Die Besatzung wird lange dauern, und die israelische Armee wird es noch lange geben. Aber dein Leben geht an dir vorüber, und du wirst von einem Militärgefängnis ins nächste wandern. In Israel haben schon andere Gefangene wegen Landesverrat für lange Zeit hinter Gittern gesessen. Es hängt nur von dir ab, ob du dein Leben auf diese Weise vergeuden willst.
Klar, dass wir aus Sicht der israelischen „Rechten“ Verräter waren und immer noch sind. Ich habe nichts dagegen einzuwenden. Ich bin ausdrücklich bereit, ein Land zu verraten, dessen Prinzipien und Handlungen gesetzeswidrig sind. Und ich verehre Menschen, wie Modrach Heiwano, die es wagten, ganz methodisch Verrat zu begehen.
Gegendemonstration: Hängt die Verräter! Wir schießen nicht, wir weinen nicht. In die besetzten Gebiete gehen wir nicht! Frieden ja! Besetzung nein!
Arik Sharon und Raphael Eythahn sind Kriegsverbrecher. Sie haben Israel zum Einmarsch in den Libanon veranlasst; Sie sind für den Tod von Tausenden von Zivilisten verantwortlich; Sie haben die Bombardierung von Kindern angeordnet. Beide müssen vor Gericht gestellt werden. Sie tragen die volle Verantwortung, obwohl sie selbst keine Bomben geworfen haben. Es reicht, dass sie es angeordnet haben.
Grundrechte können nicht ohne weiteres vom Staat mit Füßen getreten werden, weder im Namen der politischen Vernunft, noch des Sicherheitsbedürfnisses oder anderer Interessen. In Israel wird im Moment eine Grundsatz-Diskussion über die Schoah und die Lehren, die wir daraus ziehen können geführt.
Ein wesentlicher Teil der israelischen Bevölkerung ist der Ansicht, dass Menschen zu allem fähig sind, und dass es keine Grenzen gibt, für die Gräueltaten, die sie einander antun können. Sie meinen, der Holocaust hätte uns gelehrt, wie notwendig Stärke ist. Das ist eine traurige Illusion. Doch wer in Israel Politik machen will, muss sich damit auseinandersetzen. Es gibt eine andere Lehre aus der Schoah, die mit den Nürnberger Prozessen zusammenhängt. Es wurde klar, dass es Grenzen gibt, für das, was Menschen im Namen ihres Staates tun müssen, und dass es eine Tradition der Verweigerung gibt. Einige Menschen waren eben nicht bereit, der traditionellen europäischen Denkweise, die ihre dunkle Seite hat, zu folgen.
Die Zukunft der Menschen, die im Nahen Osten leben wollen, hängt nicht von der Schärfe des Schwertes ab. Kein Schwert der Welt wird sie retten können. Die Rettung hängt einzig und allein davon ab, ob sie lernen werden, mit anderen Menschen in Frieden zusammenzuleben, sie zu respektieren, und das zu tun, was Menschen in Europa, während der Nazi-Herrschaft nicht zu tun wagten.
Es ist merkwürdig, wenn ein Militärrichter schreibt, dass in Israel das Gesetz über allem steht – diese Juristen! Dabei ist klar, dass das Gesetz nicht über allem steht.
Leute werden angeklagt, und wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt. Denn sie sind nicht nur gegenüber dem Staat zur Treue verpflichtet, sondern auch gegenüber der Menschheit. Es fällt vielen Menschen schwer, zu begreifen, dass die Besetzung ein Kriegsverbrechen ist. Ein Kriegsverbrechen ist für sie, wenn geschlagen wird, Hände und Beine zertrümmert werden. Die Schwierigkeit bestand darin, zu zeigen, dass all diese kleineren Verbrechen, die Haft ohne Gerichtsurteil, die Zerstörung der Weinberge, die Vertreibung der Flüchtlinge, dass all diese Dinge zu einem Ganzen gehören, zur Besetzung. Anfangs war es schwer, diesen Standpunkt begreiflich zu machen.
In der Diskussion über die Wehrdienstverweigerung wurde immer wieder behauptet, die israelische Demokratie würde zusammenbrechen, wenn man Gewissen und Moral über das Gesetz stellte. Das hat sich nicht bewahrheitet, denn die Streitpunkte beschränkten sich auf den Gewissenskonflikt. Auf der einen Seite stehen die Gesetze des Staates, und auf der anderen die Empfindungen und die moralische Auffassung der Menschen. Es geht hier nicht um die Ebene der Verkehrsdelikte, es geht um die systematische Unterdrückung der Menschenrechte. Bei solchen Fragen stoßen staatliche Gesetze an ihre Grenzen, und das Gewissen der Menschen steht über ihnen. Und dieses Gewissen ist nicht an eine Volksgruppe gebunden, sondern der ganzen Menschheit und universellen Prinzipien verpflichtet. - Die jüdische Gesellschaft hat ein Problem mit dem Gewissen, mit der universellen Moral. Sie verkörpert die Tradition einer kleinen Stammesgemeinde, in der die Menschen einander schützen, manchmal auf Kosten allgemeiner Normen. Es ist tragisch, wenn diese Stammesmoral zum gemeinsamen Nenner eines ganzen Staates wird. Ein souveräner und demokratischer Staat, muss die universellen moralischen Grundsätze akzeptieren. Dazu gehört auch das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen.
Yuri Pines kam 1979 mit 15 Jahren aus der Ukraine. Auch er weigerte sich am Libanon-Krieg teilzunehmen und war mehrfach in Militärgefängnissen. Er ist Professor für Chinesische Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. - Yuri Pines berichtet: Ich kam 1979 hierher, mit 15 Jahren. Meine Familie, vor allem meine Mutter, war sehr zionistisch eingestellt. Mein Vater nicht so sehr. Bis ich 14 war, hatte ich davon geträumt, nach Israel auszuwandern. Mit 15 war ich schon viel vorsichtiger und vor allem viel kritischer. Das mochte daran liegen, dass ich das Informationsmaterial der Chuch Agency, das sie in die damalige Sowjet-Union schmuggelten, in die Hände bekommen hatte. Ich musste feststellen, dass die Lügen, die darin verbreitet wurden, genau so schlimm waren wie die Lügen des sowjetischen Regimes.
Als ich nach Israel kam, machte ich eine schlimme Entdeckung. Denn trotz aller Kritik, betrachtete ich das Land als demokratischen Staat. Vor allem hinsichtlich der Gleichberechtigung verschiedener Nationalitäten. In der Sowjet-Union konnten wir nicht glauben, dass Juden andere Völker diskriminierten oder ihnen Schaden zufügten. Juden konnten nicht rassistisch sein. In unseren Augen war dies ein Widerspruch, denn Juden waren Opfer und Benachteiligte; Wie konnten sie da rassistisch sein?
Für mich stand von Anfang an fest, dass ich den Wehrdienst verweigern würde. Aus moralischen Gründen kam es für mich nicht infrage, an der Besetzung teilzunehmen. Und ich wollte meinen Widerstand politisch zum Ausdruck bringen. Außerdem wollte ich das System der Besatzung schwächen. Das war mein Hauptanliegen.
Heute kann ich all meinen Freunden ins Gesicht sehen, ob in der Westbank oder anderswo. Ich kann jedem Palästinenser ins Gesicht sehen, ohne mich schämen zu müssen. Ich brauche keine Erklärungen abzugeben, etwa, dass ich nur Befehle ausgeführt hätte, dass ich nur Kisten herumgeschoben und niemanden verhaftet hätte.
Ich wurde von einem Militärtribunal verurteilt. Vom Sommer 1983 bis Anfang 1984 war ich abwechselnd im Militärgefängnis und im Lager arrestiert. Erst 35 Tage Gefängnis, dann Arrest, dann wieder Gefängnis u.s.w.
Das Verhalten der Armee gegenüber Wehrdienstverweigerern reicht von offener Anfeindung bis zu Unverständnis. Als Einwanderer aus der damaligen Sowjet-Union wurde ich immer wieder gefragt, wozu bist du hierher gekommen? Das bedeutet, warum bist du überhaupt nach Israel gekommen, wenn du den Wehrdienst verweigerst. Hätte ich in Hebron gedient, wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, mich das zu fragen. Nach deren Verständnis folgte daraus, ich bin hierher gekommen, weil ich die Araber liebe. Und das ist das schlimmste Vergehen, das man begehen kann.
In manchen Fällen ist die Wehrdienstverweigerung nicht nur gestattet, sondern zwingend notwendig. Was diese Menschen, nicht nur im Libanon, sondern auch in der Westbank getan haben, und auch noch immer tun, ist ein Verbrechen. - Das ist keine persönliche Gewissensfrage, auch keine Frage der guten Seele. Im übrigen, wer sich bloß als gute Seele betrachtet und nicht allzu schwer an der Last der Verantwortung trägt, der kann ohne weiteres ein Flugzeug besteigen und sich in Länder befördern lassen, deren Wirtschafts- und Sicherheitslage bei weitem besser ist als die israelischen. Wenn jemand ständig Schwierigkeiten mit der Armee hat, sei es als Wehrdienstleistender oder als Reservist, wäre dies nicht als Flucht zu bewerten. Ein Soldat darf nie vergessen, dass er sich letzten Endes dem Urteil der Geschichte beugen muss. Dann wird ihm auch bewusst, dass er eines Tages für seine Taten Rede und Antwort stehen muss. Er darf nicht vergessen, dass der Feind von gestern, heute ein Nachbar, ja, sogar ein Freund sein kann. Wie soll er dann rechtfertigen, was er ihm all die Jahre angetan hat?
Zwischen meinem 7. und meinem 13. Lebensjahr war ich Zionist. Damals hat mich mein Großvater sehr be- einflusst. Ich habe mich aber noch, bevor ich ausgewandert bin, vom Zionismus losgesagt. Und hier in Israel habe ich mich ganz davon getrennt. Ich glaube, dass der Zionismus krank und kaputt ist, wie jede Art von Nationalismus. Es ist ein Verbrechen, Menschen nach ihren Personalausweisen, nach ihrer Volkszugehörigkeit zu definieren. Ganz nach dem Motto: Ein Fremder ist ein Feind, und einen Feind muss man niedermachen. Das ist ein Verbrechen.
Der Zionismus ist eine Folge des Antisemitismus, und genauso ein Verbrechen. Im Grunde hatte das bewirkt, wovon alle Antisemiten immer geträumt haben, die Juden in ihren angestammten Ländern zu entwurzeln und an einen fernen Ort zu bringen. - Hierzulande hat der Zionismus Probleme mit den Palästinensern geschaffen, deren Ende noch nicht abzusehen ist.
Sergio Yahni sagt: Das Gewissen eines Menschen ist keine Angelegenheit des Staates. Es steht weder über, noch unter dem Gesetz. Es ist einfach da, vielleicht neben dem Gesetz. Auf jeden Fall berührt es einen sehr persönlichen Bereich. Und der Staat hat kein Recht, sich da einzumischen. Wenn der Staat dies als problematisch ansieht, dann hat der Staat ein Problem, und somit das politische System.
Die Wehrdienstverweigerung war letzen Endes ein richtiger und positiver Schritt. Sie war aber nicht das, was sie vielleicht gerne gewesen wäre, nämlich das Werk einer verwegenen Gruppe außerordentlich mutiger Menschen, die im Geiste Che Guevaras das Establishment richten. Die Wehrdienstverweigerer waren Soldaten, die lieber ins Gefängnis gingen, als sich mit dem Tod konfrontieren zu lassen. Das war positiv und richtig, aber es hatte keinen Mehrwert. Die Wehrdienstverweigerung hatte zwei Seiten. Die eine ist persönlich, unmittelbar, sehr intim. Man geht mit sich selbst ins Gericht und entscheidet, sich nicht an diesen Verbrechen zu beteiligen.
Auch wenn ich der einzige bin der dagegen ist, auch wenn alle in diesen Krieg ziehen, mache ich nicht mit, weil es ein schmutziger Krieg, ohne jede Berechtigung ist. Auch wenn meine Handlung keine politischen Konsequenzen hat, ist sie trotzdem für mich persönlich wichtig. Möglicherweise hat sie aber doch politische Auswirkungen. Denn der Verbrecher wird nicht gegen das Verbrechen demonstrieren. Wer in den Krieg zieht, wird nicht gegen diesen Krieg demonstrieren.
Der Staat schert sich wenig darum, wenn eine Gruppe von Protestlern eine Massendemonstration auf die Beine stellt, solange die Demonstranten zur Stelle sind, wenn sie ihren Einberufungsbefehl bekommen. Dem Staat ist es egal, wenn Hunderttausende von Demonstranten sich die Kehle wund schreien; Hauptsache, sie gehen dort hin, wo die Armee sie hinschickt.
Und wenn man sie nach Beirut abkommandiert, gehen sie nach Beirut. So war das auch mit den linken Zionisten. Sie waren dagegen, aber letzten Endes waren sie diejenigen, die die Politik Sharons umgesetzt haben.
Demonstration Verein „Frieden jetzt“: Wir wollen nicht noch einen Krieg!
Danach haben sie sich beklagt und Resolutionen verfasst. Es ist verrückt, wie das bei diesen Leuten abläuft. Wirklich, dieses Töten und Weinen ist einfach nicht zu begreifen. Ein Mann begeht ein Verbrechen, danach bereut er und weint, und demonstriert. Auf diese Weise geläutert, fühlt er sich moralisch noch erhabener als vorher. Die rituelle Reinigung versetzt ihn nicht nur in den vorigen Zustand zurück, sondern macht ihn sogar noch zu einem besseren Menschen.
Der Vorwurf an die „Linken“, sie würden sich vor allem um die Araber kümmern, ist nicht aus der Luft gegriffen. In der Tat hat sich die israelische „Linke“, die immer noch sehr elitär ist, von den Problemen unserer Gesellschaft abgenabelt. Sie hat nicht versucht, einen Zusammenhang zwischen der materiellen Not der Bevölkerung und den politischen Fragen herzustellen. Die „Linke“ wurde immer als die Bewegung begriffen, die sich um Fremde kümmert. Obwohl sich zumindest die ehrlichen und fortschrittlichen Anhänger wünschten, es wäre anders. Sie sind aber gescheitert, weil sie nicht in der Lage waren, die Mauer zu sprengen, die die staatliche Ideologie um sie herum errichtet hat. Wenn man sieht, was den Arabern angetan wurde, wenn man erlebt, wie der nichteuropäische Teil der Bevölkerung diskriminiert wird, wie in den Fabriken auf Kosten der dort arbeitenden Araber Profite gemacht werden, ist man sehr befremdet. Man will nichts damit zutun haben, man will nicht dazugehören. Weder zur Armee, noch zu diesen Leuten. Und man erkennt, das ist nicht meine Welt, und auch nicht mein Krieg.
Als Antwort auf antiisraelische militärische Aktionen besonders der Hizbollah, der Hamas und palästinensischer Freischärler unternahm Israel seit 1991 wiederholt militärische Vorstöße in das südliche Libanon. Wiederholte Raketenangriffe der Hizbollah auf Grenzgebiete im Norden Israels führten 1996 zu schweren Kampfhandlungen und einer Seeblockade der Häfen im Süden Libanons; zum ersten Mal seit 1982 griff die israelische Luftwaffe 1996 wieder Ziele in Beirut an.. Bis 1999/2000 kam es deshalb wiederholt zu heftigen Kämpfen. Im Mai 2000 erfolgte der vorfristige, vollständige Rückzug der israelischen Truppen aus der Sicherheitszone gemäß UN-Resolution 425 von 1978, der ursprünglich erst für Sommer 2000 angekündigt war; Die SLA wurde aufgelöst, gleichzeitig rückten zunächst Einheiten der Hizbollah in diesem bisher israelisch besetzten Grenzgebiet ein. Ende Juli/Anfang August 2000 wurden dort Einheiten der auf 5600 Mann aufgestockten UN-Friedenstruppen (UNIFIL) stationiert; Einher ging die Übergabe an die Regierung Libanons. Erstmals konnten die Einwohner der früheren Sicherheitszone im September 2000, im zweiten Wahlgang, an einer Wahl in Libanon teilnehmen. Bezüglich einer eventuellen Reaktivierung des Waffenstillstandsabkommens von 1949, wie zeitweise durch Israel angestrebt, kam zunächst keine Einigung zustande. Bisher ist Libanon nicht bereit, die von Israel geforderten Sicherheitsgarantien zu geben, solange nicht die Einigung zwischen Israel und Syrien (Rückgabe der Golanhöhen, Friedensvertrag) sowie der PLO erfolgt ist.
Die Israelische Armee repräsentierte einen Heiligen Wert und stand für die Grundmythen des Zionismus. Große Kämpfer wurden wie biblische Helden verehrt. Fahnenflucht fand nicht statt. Kriegsdienstverweigerung war sehr selten und galt als Verrat. Doch durch den Libanon-Krieg wurde plötzlich alles anders.
Von Anfang an lösten Bilder und Berichte aus dem Libanon bei der israelischen Bevölkerung ein Trauma aus. Zum ersten Mal wurde die Armee, sowohl von außen als auch von innen infrage gestellt. Zum ersten Mal sagten Zivilisten und Soldaten „nein“.
Eine Demonstration: Arik Sharon ist ein Kriegsverbrecher! Begin und Sharon sind verantwortlich für das Pogrom! Unter den Demonstranten war Sergio Yahni. Mit 15 Jahren war er aus Argentinien in den Kibbuz Mahabarott in den Norden des Landes gekommen. Er weigerte sich, in den besetzten Gebieten und im Libanon zu dienen, und musste deshalb mehrmals ins Gefängnis. - Heute arbeitet er als Journalist für eine Israelisch-Palästinensische Menschenrechts-Organisation. - Sergio Yahni berichtet: Ich bin in einem Kibbuz großgeworden, mit den Prinzipien des sozialistischen Zionismus und der Völkerverständigung. Also auch im Geist des Widerstandes gegen den Libanon-Krieg. Wir hatten an Demonstrationen teilgenommen und waren auch sonst aktiv. Andererseits brachte man uns im Rahmen der Kibbuz-Erziehung bei, dass der Soldat im Krieg „sein Bestes“ geben muss. Und im Libanon herrschte, nach der Errichtung der israelischen Sicherheitszone Krieg. Als Soldaten mussten wir dort Befehle ausführen und unser Bestes geben.
Der Libanon war für mich eine niederschmetternde Erfahrung, ein richtiger Schock. Einerseits das korrupte System, dann das, was wir dort tun mussten, und drittens das Gefühl, in einem nichterklärten Krieg zu kämpfen. - Durch unser Erziehungssystem war uns immer wieder eingebläut worden, dass uns alle Kriege aufgezwungen worden waren. Doch nun stellten wir fest, dass das nicht stimmte. Im Libanon-Krieg hätten wir durchaus eine Wahl gehabt. Später, nach meiner Einberufung, wurde aus diesem nicht aufgezwungenen Krieg ein Nicht-Krieg. Niemand schrieb darüber, niemand sprach darüber. Man konnte meinen, es gab ihn überhaupt nicht. Eigentlich gab es keinen Grund mehr, dort zu bleiben. Weil sich die führenden Köpfe des Staates der öffentlichen Kontrolle entzogen, bestand für sie auch keine Notwendigkeit den Krieg zu rechtfertigen. Sie verharrten einfach, reglos.
Einige Jahre später, während der Intifada, wurde die Armee eingesetzt, um eine nationale Bewegung zu unterdrücken. Überall legten die Soldaten Hinterhalte. Und sobald jemand hineingeriet, wurde geschossen. Am nächsten Morgen musste ich dann, das war Teil meiner Aufgaben, die Leichen einsammeln. Die Toten wurden nicht zur Beerdigung im Libanon freigegeben, weil man Unruhen befürchtete. Sie wurden nach Israel übergeführt und in Emmek beigesetzt.
Ziemlich bald stellte sich dann bei mir das Gefühl einer inneren Entfremdung ein. Es war ein Bruch, ich war nicht mehr ich selbst. So also ist das, wenn man im Libanon kämpft, sagte ich zu mir, man sammelt Leichen ein. - Manchmal gab es auch echte Kampfhandlungen. Aber während meiner Dienstzeit nur selten. Aus israelischer Sicht war das kein Krieg.
Als ich mich weigerte in Gaza und Hebron zu dienen, war das mehr als ein Protest gegen die Besetzung. Es war der Versuch, mein Selbstverständnis als Mensch zu wahren. Es war die einzige Möglichkeit, denn es gab keinen humanen Wehrdienst in den besetzten Gebieten, keinen positiven Dienst im Libanon. Nur so konnte ich mich aufbäumen und sagen, ich bin ein Mensch, ich gehöre noch nicht zu den Kriegsverbrechern.
Oberleutnant Elie Geva galt als einer der brillantesten Offiziere der Armee. Aufgrund seiner Tapferkeit und seiner Führungsqualitäten wurde ihm, kurz vor dem Libanon-Krieg, das Kommando über eine Panzer-Einheit übertragen. Nachdem er sich geweigert hatte, mit seinen Leuten in Beirut einzudringen, wurde er entlassen. - Elie Geva zählt bis heute zu den großen Kritikern des Libanon-Krieges, und er berichtet: Wenn es um einen Krieg geht, und damit meine ich auch die Zeit vor Beginn der eigentlichen Kriegshandlungen, ist es die Aufgabe, ja, sogar die Pflicht der Offiziere sich zu äußern, wenn es ein sinnloser Krieg ist, bar jeder Moral. Es ging dann um den Sturm auf Beirut. Jeder, der etwas von Kriegskunst versteht, der sich mit Militärgeschichte beschäftigt, weiß wie schwierig ein Kampf in einer Stadt sein kann. Auch die modernste Armee der Welt kann nicht vermeiden, dass es zu Handlungen kommt, die eigentlich nicht vorkommen dürften. Diese Handlungen sind zwar als weniger schrecklich einzustufen als das, was in den Vernichtungslagern der Nazis geschah, doch das war ja auch die allerschlimmste Stufe.
In den Palästinenser-Lagern Sabra und Chatila sind Dinge passiert, die als schlimm einzustufen sind.
Bei der Einnahme einer Stadt ist die Zivilbevölkerung betroffen, ist man selbst betroffen. Ich dachte, das muss unbedingt vermieden werden. Und so fing meine persönliche Geschichte an: Ich ging zum Verteidigungsminister, zum Premierminister, zum Oberbefehlshaber. Ich habe immer wieder versucht, ihnen darzulegen, warum wir nicht in Beirut einmarschieren sollten. Ich habe meine Gründe auch Premierminister Begin dargelegt. Zum Schluss bat ich darum, mich von meinen Pflichten zu entbinden. Ich bewegte mich auf einem schmalen Grat, denn offene Befehlsver-weigerung ist ein schlechtes Vorbild für die Soldaten. Befehlsverweigerung ist ein Problem für jeden Offizier, auch für einen Offizier wie mich. Ich bat darum, mich von meinen Aufgaben zu entbinden, denn ich war nicht bereit, Soldaten sinnlos in den Tod zu führen. Ich glaubte nicht an den Sinn einer Besetzung Beiruts, und wollte keine Verantwortung für die Auswirkungen übernehmen, die die Einnahme Beiruts auf die Zivilbevölkerung gehabt hätte. Es war ein Akt der Verweigerung. Ich gebe zu, ich habe mich davor gefürchtet, und fürchte mich immer noch. Wer sich darüber Gedanken macht, und nachvollziehen kann, warum ich das getan habe, wird merken, dass ich keine andere Wahl hatte. Sonst hätte die Gefahr bestanden, dass ich genauso werde wie viele Offiziere im zweiten Weltkrieg.
Die Frage ist nicht, ob man Befehle verweigern sollte, denn es gibt Befehle, die einem die Verpflichtung auferlegen, sie zu verweigern. Unsere Schwierigkeiten haben etwas mit den Wurzeln zu tun, mit unserer Erziehung im Geist des Zionismus, mit der Einstellung, dass die ganze Welt uns feindlich gegenübersteht, und wir immer wieder das Vaterland verteidigen müssen. All das prägt uns und macht es uns unmöglich, einen Befehl zu verweigern.
Viele Befehle, die ich im Libanon-Krieg empfing, habe ich nicht ausgeführt oder umgangen. Ich möchte keine Namen oder Orte nennen, aber ich denke da an mindestens zwei Fälle. Einmal bekam ich den Befehl, ein Flüchtlingslager zu durchqueren. Ich hätte das Lager, unter Einsatz von Waffengewalt passieren können, denn das war das militärische Ziel der Aktion; Oder ich konnte einfach außen herum gehen. Ich habe letzteres gewählt, und dabei eine Auseinandersetzung mit dem Oberbefehlshaber der Armee riskiert.
Der Krieg geht weiter, weit oben im Norden. Nur die Kurznachrichten im Radio erinnern von Zeit zu Zeit an die Geschehnisse. Der ferne Krieg ist virtuell geworden. In Tel Aviv geht das Leben unbeschwert weiter. Die einzigen, die wirklich wissen, dass Israel Krieg führt, sind die Soldaten, die im Libanon im Einsatz sind. Die 1982 entstandene Protestbewegung löste sich bald wieder auf. Aus den Reihen der Armee melden sich allein die Kriegsdienstverweigerer zu Wort.
Oberleutnant Elie Geva erklärt: Für die Armee sah es so aus. Ich war ein Feigling, ein Verweigerer, eine gestörte Persönlichkeit. Damit war für sie das Problem erledigt. - Okay, das war der Preis, den ich zu zahlen hatte. Was hätte ich sonst tun sollen? Es gab keinen anderen Weg. Trotzdem möchte ich auf meinen Standpunkt und auf mein Selbstverständnis zurückkommen. Wenn einem das Ausmaß des Unrechts bewusst wird, ist die Frage nach der Grenze des Gehorsams irrelevant. Man hat die Pflicht, den Gehorsam zu verweigern. Wenn man auf die Zivilbevölkerung schießt, und zwar ohne erkennbaren Grund, so ist das ein Kriegsverbrechen. Die Armee darf so etwas nicht tun.
1982 Das Massaker von Sabra und Chatila. Radio Kol Israel aus Jerusalem: Hier sind die Nachrichten. Aus Beirut wird über ein Blutbad berichtet, das Phalangisten in den Lagern angerichtet haben. Die genaue Zahl der Toten ist noch nicht bekannt, weil die Toten übereinander liegen. Die Phalangisten versuchten, die Spuren zu beseitigen, indem sie die Leichen mit Bauschutt bedeckten.
Sabra und Chatila kann man nicht einfach abhaken, meint Elie Geva, so wie man es hier getan hat. Die Armee hat den Phalangisten Traktoren zur Verfügung gestellt, damit sie die Lager säubern. Sie bekamen auch Transportmittel, um in die Lager zu gelangen. Und dann entstand eine Situation, in der die Armee nicht eingriff. Auch nachdem man schon Bescheid wusste, gab es keine Reaktion. Offensichtlich waren die zuständigen Köpfe nicht gescheit genug, um zu begreifen, was da vor sich ging. Aber, auch wenn Offiziere nicht fähig waren, die Lage richtig zu beurteilen, müssen sie zur Verantwortung gezogen werden. Wenn man den Phalangisten gestattet, in Flüchtlingslager zu gehen, welche die Armee gesäubert sehen möchte, dann muss man wissen, dass sie dort keine Bonbons verteilen werden. Und wenn der ehemalige Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Raphael Ajutan genehmigt, auf ein Flüchtlingslager zu schießen, in dem sich Kinder befinden, so ist das ein Kriegsverbrechen.
Man muss auch die Lage der Soldaten sehen. Wenn man einen 18-jährigen Soldaten, der einem anvertraut wurde, zu einem sinnlosen Ziel führen soll, so hat man die Pflicht, dies nicht zu tun. Ich glaube nicht, dass es Eltern gibt, die in diesem Krieg, der seit 1982 andauert, einen Sohn verloren haben, nun sagen können, er hat das Vaterland verteidigt. Es sind zu viele unnötige Opfer gebracht worden. Viele Familien haben einen unsagbaren Preis bezahlt. Sie können nicht mehr; Man will das aber nicht wahrhaben; Man will nicht Bilanz ziehen.
Mir ist klar, dass mir die Offiziere, die damals mit mir Dienst taten, nie verzeihen werden. Aber mir ist auch klar, dass ich die Lage richtig eingeschätzt habe. Würden sie mir verzeihen, müssten sie sich selbst die Befähigung als Offizier absprechen. Viele dieser Offiziere sind heute in Führungspositionen. Man kann kaum erwarten, dass sie sich eingestehen, die Lage damals falsch beurteilt zu haben oder sich rechtfertigen. Es gibt noch einen anderen Aspekt. Das Phänomen des blinden Gehorsams gegenüber dem Land hier. Einerseits beweisen hochrangige Offiziere großen Mut im Kampf; andererseits bringen sie nicht den Mut auf, ihren Vorgesetzten zu widersprechen. Sie müssten den Brigade-Kommandeur, den Divisions-Kommandeur, den Armeechef, den Verteidigungsminister fragen, wohin führen wir unsere Soldaten; Wozu sollen sie ihr Leben opfern, wozu töten? Ich möchte sie gar nicht als Kriegsverbrecher bezeichnen. Ich sehe sie als Menschen, die Fehler gemacht haben, und die als Offiziere eigentlich verpflichtet gewesen wären, sich diesen Befehlen zu widersetzen.
Während des Libanon-Krieges war Menachem Begin Premierminister. Sein Verteidigungs-Minister hieß Arik Sharon. 1983 wies eine vom israelischen Staat beauftrage Untersuchungs-Kommission Arik Sharon die indirekte Verantwortung für die Massaker von Sabra und Chatila zu. Kurz darauf wurde er seines Amtes enthoben.
An der Libanesisch-israelischen Grenze: Bruria Sharon erklärt: In der israelischen Gesellschaft wurde der Libanon-Krieg nicht richtig wahrgenommen. Sicher, der Tod eines Soldaten trägt dazu bei, das Volk zu einen. Man hält eindruckvolle Reden über Mut und Aufopferung für das Vaterland. Doch den Preis, den zahlt das Volk, den zahlen die Soldaten, die wir zur Welt gebracht haben. Fragen werden nicht gestellt. Hauptsache, man bekommt die Chance, sein Leben für das Jüdische Volk zu opfern. - Wir haben es akzeptiert und der Staat toleriert es. Er legt großen Wert auf die Zeremonien, die Gedenktage für die Gefallenen. So etwas ist sehr wichtig, weil es uns stärkt.
An dem Ort, wo er getötet wurde, wo er gefallen ist, gedenkt man des Soldaten, damit auch die jungen Rekruten ihr Leben für den Staat geben. Hauptsache, es werden keine Fragen gestellt.
Liebe Freunde, unser Weg besteht darin, uns aufzuopfern, immer wieder aufzuopfern, egal für wen. Hauptsache, wir opfern, und zwar möglichst, junges Leben. Und all das für die Ehre und die aufrechte nationale Gesinnung. Unsere aufrechte nationale Gesinnung verpflichtet uns. Anderenfalls könnte man uns für schwach halten. Das Problem besteht darin, dass wir uns selbst für schwach halten, und nicht wagen, etwas zu unternehmen. Doch dann steht jemand auf. Bazin Bellin hat die ganze Zeit gewusst, dass er nicht machtlos war. Und jetzt hat man auch Barak beigebracht, dass er nicht schwach ist. Dass seine nationale aufrechte Gesinnung ganz in Ordnung ist. Als er begriffen hatte, sah er zu, dass er schnell aus dem Libanon herauskam. Eins, zwei, drei war alles vorbei, und 18 Jahre Geschichte verschwanden. Jetzt sagen die Leute, ich war schon immer dafür, wollte immer raus aus dem Libanon.
Und Arik Sharon sagt, klar, wir müssen raus, aber erst müssen wir rein, um ihnen zu zeigen, wer wir sind. Was für eine Schande, Barak hat den Staat gedemütigt. Er hat den Libanon verlassen, geflohen ist er. - Gut Arik Sharon, endlich hat ein gescheiter Mann deinem stolzen Einmarsch in den Libanon
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 11.10.2014
ISBN: 978-3-7368-4702-6
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