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Meine Tochter Maja sagte eines Tages zu mir: „Mama, ich möchte ein Brüderchen, ein Schwesterchen und ein Baby.“
Damals habe ich noch gelacht und sie zum Papa weiter geschickt, um sich die Sache mit den Babys erklären zu lassen. Es ist ja nicht so leicht, so einen Wunsch auch nur annähernd zu erfüllen.
Doch manchmal habe ich das Gefühl Murphys Gesetze wurden extra für mich geschrieben.

Einige Zeit später lag ich guter Hoffnung beim Ultraschall, als mir mein Arzt als erstes erklärte, dass ich eine größere Wohnung bräuchte.
Ich verstand nur Bahnhof und drückte mich dem entsprechend aus.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht als er auf den Monitor zeigte. „Sehen sie da ist eines, und da ist eines. Gratuliere! Sie bekommen Zwillinge.“ Von diesem Moment an wusste ich, dass weiche Knie zu bekommen kein reines Sprichwort ist.
Der tröstende Nachsatz: „Sehen sie es positiv, es hätten ja auch Drillinge werden können!“ verfolgte mich noch lange.
Nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass ich ein Mädchen und einen Jungen bekommen würde. Also zwei Babys – Murphy mal zwei. Meine Tochter Maja war mehr als zufrieden.

Fast drei Jahre und eine größere Wohnung später waren wir schon ein eingespieltes Team. Von der Theorie, dass sich Zwillinge verstehen, manche meinen sogar telepathisch, hatten meine zwei Kleinen natürlich noch nie etwas gehört. Bis auf eine Sache. Um Murphys Willen natürlich eine Sache, die ich allen Omas und Opas bis heute vollkommen verschweige.

„Los, Florian, gehen wir aufs Klo!“ kommandierte Elena. Beide verschwanden kichernd am stillen Örtchen. Zu dem Zeitpunkt war ich noch froh, dass beide so brav übten nicht mehr die Windeln zu benutzen.

„Los, machen wir die Stilleübung! Schnell!“ rief ich. Maja sollte als Vorbereitung auf ihre Erstkommunion jede Woche eine Übung aus einem Buch machen und dann davon berichten. Eine Stilleübung war für diese Woche vorgesehen und stellte für unseren Clan schon eine gewisse Herausforderung dar.
Papa, Maja und ich saßen flugs am Tisch und versuchten der Stille zu lauschen. Kein Fernseher lief, kein Radio, nur Stille und die laufende Klospülung.
„Was hörst du?“ stand in dem Buch.
„Die Klospülung und noch mal die Klospülung und wieder..!“ meinte meine Tochter.
„Ja, ja, ich schau schon nach.“ meinte ich und verließ die nicht allzu ruhige Stilleübung.

Die Toilette war zugesperrt. Ich klopfte. „Was tut ihr da drinnen?“
Ich hörte nur ein leises: „Pst, die Mama!“ gefolgt von gedämpftem Gelächter.
Und wieder dieses rauschende Geräusch.
„Was macht ihr da drinnen. Ich weiß, dass ihr da drin seid!“
Ein enttäuschtes “Oh“ drang zu mir.
Schließlich kam ein leises „Waschen!“ durch die Tür gehaucht.
Mein ganzes Wesen sträubte sich dagegen, nach zu fragen, was das bedeutete oder gar das Szenario in Augenschein zu nehmen. Manchmal hat man kein andere Wahl.
„Tür auf!“ kommandierte ich.

Langsam ging die Tür auf und ich sah auf zwei Paar große Augen, die mich möglichst unschuldig anschauten. Ich stritt innerlich mit mir selber ob ich weinen oder lachen sollte. Da das eine unschuldig drein blickende Kind noch bis zu den Knien in der Toilette steckte und das andere nasse Haare hatte, brachte ich nur: „Raus da!“ hervor. Was ein Fehler war.
Zwei nasse Kinder, die nicht mal mehr einen Faden eines Kleidungsstückes am Körper hatten, flüchteten aus der Toilette und zu ihrem letzten Rettungsanker in der Not – ihrer großen Schwester. Majas Augen wurden immer größer als zwei nackige Kinder auf sie los stürmten. Panisch sprang sie auf und flüchtete sich über die Sessel in Freiheit, gefolgt von den triefenden Zwillingen und umstürzenden Stühlen.
„Nicht zu mir!“ ihre Stimme überschlug sich vor Entsetzen.
„Schnapp dir einen!“ rief ich meinem Mann zu. Die Stilleübung artete in eine Verfolgungsjagd quer durch die Wohnung aus. Kinder können sehr, sehr glitschig sein, stellte ich fest. Vor allem da ich zu diesem Zeitpunkt dem Nahkontakt nicht sonderlich zugetan war.
Schließlich und endlich hatten wir beide eingefangen und dieses Mal mussten sie sich in der richtigen Badewanne waschen.

„Und was sage ich jetzt, was ich in der Stilleübung erlebt habe?“ fragte Maja verdrossen.
Ich halte meine Kinder nur ungern dazu an, die Wahrheit zu verbiegen und überlegte mir krampfhaft, wie ich meiner Tochter dies pädagogisch näher bringen konnte ohne das Wort „Lügen“ in den Mund zu nehmen.
Mein Mann war da immer schon pragmatischer: „Sag nur niemandem, wo sich deine Geschwister die Haare waschen!“
Wir haben die Übung nie abgeschlossen, Maja hat trotzdem die Erstkommunion bekommen und wir freuen uns schon jetzt darauf, dass auch die Zwillinge einmal diese Übung machen dürfen. Vielleicht erfahren wir dann, wie die Stille wirklich klingt. Aber Murphys Gesetz wartet schon auf mich. Da bin ich mir sicher.

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Tag der Veröffentlichung: 13.11.2012

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