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“Es gibt gewiefte Kinder und brave Kinder”, sagt Uroma. Ich weiß in welche Kategorie meine definitiv nicht fallen: brav. Es gibt solche Tage und auch Nächte, die glaubt einem keiner. Oft glaube ich sie ja selber nicht. Letztens taucht mitten in der Nacht eines meiner Kleinen auf. Zu einer Uhrzeit, zu der ich die Augen nicht weit genug aufbekomme, um überhaupt auf den Wecker zu schauen.
“Mama, meine Füße gehen nicht richtig!” beschwert sich mein Jüngster.
“Um die Uhrzeit geht nichts richtig!” stelle ich den Sachverhalt klar und hieve meinen Sohn in mein Bett. Spontanheilung tritt ein und mein Sohn schläft weiter. Im Gegensatz zu mir.

Gefühlte zwei Sekunden später ertönt ein markerschütterndes Jammern unter meinem Nachtlager. Wie in den Alpträumen meiner Kindheit stöhnt es direkt unter meinen Kopfkissen. Mit zitternder Hand schalte ich die Nachttischlampe ein und steige todesmutig aus dem Bett und sehe nach, welches Monster sich darunter verbirgt. Mein mittleres Kind hat die Kurve nicht gekratzt und sich irgendwie unter meine Schlafstatt verirrt. Eine logistische Meisterleistung bei dieser Dunkelheit und Enge unter meinem Bett. Mühsam ziehe ich meine Tochter hervor, entstaube sie und stopfe sie auch zu mir ins Bett.

Die Nacht wird länger und länger und zieht sich wie Kaugummi dahin. Mittlerweile werde ich von meiner Tochter als Kopfpolster benutzt, mein Sohn hat eine eigenartige Anziehungskraft zu meinen Füßen entwickelt und wo meine Decke hin ist, weiß ich schon lange nicht mehr. Da höre ich Schritte. Und stelle mich tot. „Mama, ich muss aufs Klo.“ Ich bin mir nicht sicher, ob ich dies als Frage werten soll. Mich als Leiche zu tarnen war in der nächtlichen Finsternis wohl auch nicht das Beste. „Du hast meine Erlaubnis!“ knurre ich aus Ermangelung einer sinnvollen Antwort. Zwei Minuten später liegt ein drittes Kind in meinem Bett.

Da ertönt eine tiefe Stimme. „Du hast hoffentlich nichts dagegen, wenn ich im Kinderzimmer übernachte.“ Innerlich verfluche ich mich, warum mir nicht selber diese glorreiche Idee gekommen ist und sehe nur noch wie der dunkle Schemen meines Mannes fluchtartig das Zimmer verlässt.

Aber auch die längsten Nächte vergehen und irgendwann kommt die Morgenröte. Endlich habe ich meine Tasse Kaffee in der Hand und langsam beginne ich mich wieder wie ein Mensch zu fühlen.
Strubbelige, schlaftrunkene Kinder bevölkern den Tisch und wir versuchen halbwegs zivilisiert ein Frühstück einzunehmen. Zumindest war dies der Vorsatz. Das Ich-schlafe-heute-Nacht-unter-Mamas-Bett-Kind streicht Marmelade auf sein Brot und belegt es dann eifrig mit Wurst.
„Das kann doch nicht schmecken!“ meine ich entsetzt und mir zieht sich jede Geschmacksknospe im Mund vor Schock zusammen.
„Oja!“ das Argument meiner Kinder schlecht hin.
„Ich habe schon eigenartige Kinder!“ gebe ich resigniert zu.
„Aber Mama, du hast nicht eigenartige Kinder, du hast einzigartige Kinder!“ belehrt mich meine Älteste. Und was bleibt mir anderes übrig als ihr Recht zu geben.

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Tag der Veröffentlichung: 31.01.2012

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Widmung:
Meinen Kindern

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