Als er das Taxi wegfahren sah, trat ein Lächeln auf sein Gesicht.
"Endlich ist es vorbei", dachte er bei sich und wandte sich von der Straße ab.
Er trat durch die Eingangstür und wartete im zugigen Gang bis das Taxi verschwunden war. Dann öffnete er die Haustür noch einmal und trat auf den Gehsteig.
Beschwingt schritt er durch die Straßen bis die winterliche Kälte ihn nach Hause trieb. Er lief die Stiegen hoch. Endlich würde er alleine sein und seine Ruhe wieder haben. Er hatte es geschafft! Und er hatte keine Spuren hinterlassen, die auf ihn hin deuteten. Da sollte seine Schwester noch einmal sagen, er sei dumm!
Er schloss die Wohnungstür auf und zog seine rote Jacke und die Mütze aus. Sorgsam legte er sie in der Garderobe ab. Jetzt musste er nur noch aufräumen und er konnte wieder sein Leben genießen. Er schlenderte pfeifend in die Küche und wischte dort die Blutflecken weg. Dann ging er daran die zerrissenen Hemden in einen Müllsack zu stopfen. Dieses undankbare Biest hatte sie zerfetzt. Und dies nach dem er sie buchstäblich von der Straße aufgelesen hatte. Er hatte sie gesund gepflegt und ihr zu Essen gegeben. Und was war der Dank? Sie hatte seine Wohnung ruiniert! Sie hatte ihn in aller Frühe aufgeweckt und wollte ein Frühstück. Und er liebte es doch so lange zu schlafen. Nicht nur das. Ihre Haare waren überall und sogar die Möbel trugen ihre Spuren. Und dann war sie noch über seine Hemden hergefallen. Das war zu viel. An diesem Tag plante er, wie er sie los werden konnte.
Und jetzt war sie fort. Für immer. Dafür hatte er gesorgt. Mit einem zufriedenen Lächeln stopfte er die letzten Fetzen seines Hemds in den Sack. Er konnte das Gesicht seiner Schwester direkt vor sich sehen und ihre schrille Stimme hören. „Diese Hemden sind echt das letzte. Ohne jeglichen Stil! Lege dir doch endlich ein paar zu, die nicht so geschmacklos sind!” Seine Schwester und seine zwei Nichten waren immer tadellos gekleidet. Das Haus war blitzblank sauber und mit vollendetem Geschmack eingerichtet, aber trotzdem fehlte etwas. Die Mädchen hatten ihre Mutter jahrelang um eine Katze angefleht. Sie wollten zumindest etwas haben, dass Wärme und Geborgenheit ausstrahlte. Aber natürlich hatte seine Schwester nichts davon wissen wollen. „Erst wenn der Weihnachtsmann persönlich Euch eine Katze schenkt, dann könnt ihr eine dieser Dreckschleudern haben.” Natürlich glaubten seine Nichten schon lange nicht mehr an den Weihnachtsmann. Ihre Augen verloren in dem Moment allen Glanz.
Die schmutzigen Schüsseln stopfte er in den Geschirrspülautomat, sowie das blutige Messer. Das Surren der Maschine, die die letzten Hinweise seines Gastes beseitigte, beruhigten ihn und er begann ein Weihnachtslied zu summen.
Er sah in die Garderobe, wo die rote Jacke und die Mütze lag. Er musste noch dringend zum Kostümverleih, um das Weihnachtsmannkostüm zurück zu geben.
Gemütlich setzte er sich und öffnete eine Flasche Wein. Er hatte den Taxifahrer zu einer falschen Adresse bestellt. Vor kurzem hatte er in dem Haus eine Heizung repariert und so bemerkt, dass die Haustür kaputt war und er sie ohne Schlüssel öffnen konnte. Er wartete im Gang bis das Taxi kam und ging ihm dann entgegen. Der Taxifahrer wunderte sich zwar etwas über den Weihnachtsmann, der ihm eine Schachtel und ein fürstliches Trinkgeld gab, fuhr aber ohne weitere Fragen zur angegebenen Adresse.
Der Wein schmeckte gut. Seine Schwester würde sich über die seltsame Lieferung wundern. Genüsslich trank er die rote Flüssigkeit aus dem zarten Glas. Dann betrachtete er seinen verwundeten Finger Das Messer war abgerutscht als er die Luftlöcher in die Schachtel der Transportbox geschnitten hatte. Die Katze war ihm vor ein paar Tagen zugelaufen. Aber er hatte keine Hand für Tiere. Und der Vierbeiner keinen Sinn für seine Wohnung und schon gar nicht für seine Hemden. Nun war er sagenhaft froh, dass er das haarige Fellknäuel los geworden war. Er lehnte sich gemütlich in sein Sofa. Der Taxifahrer würde schwören, dass der Weihnachtsmann ihn geschickt hatte. Zufrieden stelle er sich die glänzenden Kinderaugen seiner Nichten vor und begann wieder das Weihnachtslied zu singen.
Tag der Veröffentlichung: 18.11.2011
Alle Rechte vorbehalten