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Tja, wie fange ich an? Am besten am Anfang...okay...

Am Mittwoch, dem 10.09.2010 bekam ich plötzlich Herzrasen, Schwindelgefühle und weiche Kniee. Dachte so bei mir, ach die Wechseljahre vielleicht, wird schon vergehen, also Couch-Tag und gut ist.

Die Nacht verlief dann auch relativ gut. Am Donnerstag hatte ich tagsüber wieder ab und an leichtes Herzklopfen und Schwindel. Hab noch Rasen gemäht und Sträucher geschnitten. Alles war gut, nachts ging es dann los, ich bekam kaum noch Luft, zumindest dachte ich das, mein Herz raste wie verrückt und an Schlaf war kaum zu denken.

Tja wie fühlt man sich da? Kaum zu beschreiben, man ist ganz alleine und denkt, was ist, wenn du jetzt umfällst, ohnmächtig oder sonst was wirst? Wer findet dich hier und wann?

Nachdem ich dann endlich mal ne Stunde geschlafen hatte, tappste ich ins Bad und merkte schon wieder Schwindel und weiche Kniee. Geschwitzt habe ich die Nacht, als ob ich geduscht hätte.

Ich mach das Licht an im Bad, schau in den Spiegel und denk, oh Gott, wer ist das??? Gestern warst du doch noch braun?! Ich war weiß wie die Wand!! Es ist Freitag, das Wochenende steht vor der Tür, es nützt nichts. Ich habe mich ins Auto geschleppt und war froh, als ich vor der Arztpraxis stand.

Man schaute mich nur an und sagte oh oh, bitte nicht ins Wartezimmer, sondern bitte gleich in Raum 1...liegen...sie wissen, wenn ich komme ist Holland in Not..lacht...
Es wurde sofort ein EKG gemacht, Blutdruckl gemessen (sehr niedrig war er), so das schon die Helferin Angst bekam. Der Arzt kam, sah mich an, zog mein Augenlid runter und sagte, oh ganz weiss. Ich glaube, er hatte sofort einen Verdacht, er nahm Blut ab, hängte mich an eine Infusion, nach zwei Stunden Liegen ging es mir wieder einigermassen gut. Abends am 12.9.2010 rief er mich an und teilte mir mit, dass ich eine leichte Blutarmut hätte und wir schnellstens abklären müssten, woher diese kam.

Es fing an mit Magen-und Darmspiegelung. Magenspiegelung war null Problemo, aber dann bin ich während der Darmspiegelung aufgewacht und ich dachte....hallllooooo????Bin ich hier im falschen Film oder träume ich diese Schmerzen grade? Nein, ich träumte sie nicht, sie waren da, so was habe ich noch nicht erlebt, und ich bin, weiß Gott, nicht empfindlich!! Mit zwei Helferinnen mussten sie mich bändigen, damit die Ärztin ihre Untersuchung beenden konnte. Ich hätte diese Ärztin erschiessen können,wenn ich hätte gekonnt, denn ich habe ihr vor Beginn der Untersuchung schon gesagt, sie müsse mir die Spritze eher geben, weil Narkosen bei mir so schlecht anschlagen, man kennt sich ja schliesslich, aber nein, Madame war ja schlauer und ich musste das nun ausbaden.

Nun ja, auch das habe ich überlebt und anschliessend dafür rund 2 Stündchen im Ruheraum geschlafen und nix mehr mitgekriegt. Auch schön, mal was anderes, wenn man von nix, nix mitkriegt.

Also, das hatte ich geschafft und alles ohne Befund, also daher konnte die Blutarmut nicht kommen.

Als nächstes flitzte ich zu meiner Gynäkologin, die mich anschaute wie ein Auto und fragte, was ich denn schon wieder bei ihr wollte, ich wäre doch grade erst da gewesen. Also nochmal untersucht, ohne Befund...ok...ok...dachte ich, es findet keiner was, also kanns ja nicht so schlimm sein und ich dachte das war es nun mit der Ärzteodyssee...Haaa weit gefehlt...mein Hausarzt hatte noch einen Spezialisten auf Lager, Hämatologe genannt.

Gehört hatte ich das schon mal, hm...fuhr nach Hause...gleich mal gegoogelt was die so machen , naja und dann dachte ich schon...ohaa...neee sowas hast du sicher nicht, so ein Blödsinn, was soll ich da? Ich wollte da absolut nicht mehr hin...aber mein Hausarzt bestand so vehement darauf, dass ich dann gesagt habe, okay, den nehm ich noch mit und wenn der nix findet ist Schluss mit Odyssee.

Denn mittlerweile bekam ich durch die ganze Arztrennerei, Fahrt- und Wartezeiten die stundenlangen, wo ich doch als Rentnerin so wenig Zeit habe, lacht....schon Magenprobleme, vorher hatte ich ja keine.

Also am Donnerstag, den 21.10.2010 fuhr ich dann morgens zur Hämatologin. Eine Riesenpraxis über drei Etagen, ein unheimliches Gewusel von Menschen, da hab ich noch gedacht, mei o mei, da mach dich mal auf nen langen Tag gefasst und wieder hatte ich mein Buch vergessen, Mist.

Okay ich mich angemeldet, in den 2. Stock gefahren, nach knapp 10 Minuten kam ich dran zum Blut abnehmen, obwohl das Wartezimmer proppevoll war.

Da lagen mindestens 10 Ampullen...booah sagte ich zu der Schwester, kein Wunder, dass ich an Blutarmut leide, soviel wie man mir in den letzten Wochen abgezapft hat..schaut sie mich an und sagt, ok das versteh ich, ich könnte 4 Ampullen evtl. weglassen, ich grinste mir einen und sagte das sollte ein Scherz sein, bedienen Sie sich, nehmen Sie was Sie brauchen. Tat sie dann auch. So dann saß ich vielleicht 5 Minuten im Wartezimmer, kam eine andere Schwester auf mich zu, sehr nette, ältere Dame, die mich mitnahm zum EKG. Sie fragte wie es mit geht und wie ich mich fühle, irgendwie so ne richtige Mama...lächel...

Als ich die Dame sah, dachte ich zuerst, mannomann, „Frau Bauer“, lange nicht geschlafen, aber ich merkte sofort die „Chemie“ stimmte zwischen ihr und mir, (kein Wunder, sie kam aus NRW , lacht), was bei Arzt-Patientverhältnis für mich ausserordentlich wichtig ist, bei anderen „Verhältnissen“ übrigens auch, grinst.

Okay, sie sah sich die Ergebnisse an und sagte, och das sieht gar nicht so schlecht aus, aber ein Ergebnis steht noch aus, aber sie sei guter Dinge, das man das mit Cortision in den Griff bekäme. Aber sie wollte noch eine Knochenmarkpunktion vornehmen
Wieder auf dem Flur, gewartet, ca. 10 Minuten später wurde ich ins Punktionszimmer geführt, unterwegs traf ich die Ärztin auf dem Gang, die im gleichen Moment, als ich sie sah, von einem ihrer Kollegen ins andere Zimmer gezogen wurde, sie hätten vorher noch was zu besprechen. Nun gut, das bezog ich nun nicht unbedingt auf mich, wie ich mich irren sollte!!

Es dauerte und dauerte, dann kamen die beiden Ärzte rein und ich sah schon an ihren Gesichterbn, na, da stimmt doch was nicht, wie recht ich behalten sollte! Sie nahm meine Hand und sagte, das letzte Ergebnis wäre da und es wäre doch schlimmer als sie zunächst gedacht hatte. Mir schoss gleich das Wort Krebs durchs Hirn und unaufhaltsame Ströme von Tränen in die Augen. Sie sagte ich hätte eine akute myeloische Leukämie, die wenn sie nicht schnellstens behandelt würde, innerhalb kurzer Zeit, zum Tode führen würde,.

Tja da war es um meine harte Schale endgültig geschehen, das war zuviel nach den Ereignissen der letzten drei Jahre, ich hatte das Gefühl mir schossen immer mehr Tränen in die Augen und ich kriegte mich überhaupt nicht mehr ein. Hatten die da eben von Leukämie und von mir geredet?? Ab da legte sich in meinem Hirn ein Schalter um und ich dachte, neeee, das stimmt doch alles nicht. Die Ärztin nahm wieder meine Hand, erklärte mir alles, fragte wo meine Eltern sind, die müssten jetzt kommen, ich würde sie die nächsten Wochen mehr brauchen denn je. Tja, sagte ich, dass ist nicht so einfach, sie wohnen in NRW, egal sagte sie, ich ruf da jetzt an, die müssen heute noch kommen. Ich war kaum in der Lage die Handynummer rauszusuchen, so zitterten mir die Hände, nicht nur die, mein Hirn funktionierte irgendwie nicht mehr richtig.

Die Ärztin wollte dann auch noch unbedingt meinen (noch) Ehemann erreichen, was ihr aber nicht gelang. Zufällig rief er mich ein paar Minuten später an, weil er selbst grad beim Arzt was, er sagte er käme sofort vorbei wenn ich wieder daheim sei. Zwischenzeitlich hatte die Ärztin meine Freundin Olga angerufen, ob sie könnte, um mich abzuholen, weil sie mich nicht gern allein nach Hause fahren lassen wollte, in dem Zustand. Glaube Olga liess alles stehen und liegen und kam in die Praxis. Zwischenzeitlich waren auch meine Eltern u nterwegs zu mir und die Knochenmarkpunktion durchgeführt, auch sehr schmerzhaft, aber ich war eh nur am heulen.Sie hatten zwischenzeitlich für den nächsten Tag, Freitag, 22.10.2010 einen Termin im Klinikum München-Harlaching gemacht, weil die dort die besten onkologische und hämatologische Station haben sollen.Ich fragte mal vorsichtig wie lange das dauern würde, sie meinte ca. 3-4 Wochen, oh mein Gott, ich und Krankenhaus, ich hasse Krankenhäuser, es überfiel mich fast eine blinde Panik. Morgen? Oh Gott, wie sollte ich das alles schaffen bis dahin Kein Nachthemd usw. wieviel irrsinnige und unnötige Gedanken einem da durch den Kopf schiessen, unglaublich!

Als ich zu Hause angekommen bin, war mein (Noch) Mann schon da...meine Freundin Alex erwartete mich mit Resque-Tropfen (sind echt genial), kann ich nur empfehlen, die mich etwas beruhigten. Den ganzen Nachmittag, bis meine Eltern abends kamen, was ständig jemand bei mir, weiss nicht, wie ich das sonst geschafft hätte. Mein ganz, frischer, neuer Bekannter, wir kannten uns zu dem Zeitpunkt 1,5 Wochen rief dann an und fragte wie es mir ginge, ich erzählte es ihm, er sagte, ich bin in ner Stunde bei dir. Das fand ich toll. Toller Mann, ich fand es toll von seinen Armen gehalten zu werden, ihn zu spüren und zu fühlen da ist jemand für dich da. Er war natürlich auch sehr geschockt. Eigentlich hatten wir zwei vor, das Wochenende gemeinsam zu verbringen, das erste gemeinsame..naja da hatte wohl jemand was dagegen. Ich sagte nur zu ihm, wenn du magst, haben wir noch viele viele Wochenenden. Ja sagte er, die werden wir haben. Leider musste er dann wieder fahren, aber meine Eltern lösten ihn quasi ab...lächelt.

Das Telefon ging auch am laufenden Band, es sprach sich rum wie ein Lauffeuer, aber es ist schön zu wissen wer an einen denkt und mit einem fühlt.Und es lenkte ungeheuer ab von den eigenen Gedanken. Die Resque-Tropfen meiner Freundin taten ihr übriges...lacht.

Abends sass ich noch lange mit meinen Eltern zusammen und wir redeten viel. Schlafen konnte ich die Nacht kaum, denn als alles ruhig um mich wurde, kamen die Gedanken wieder, wieso, weshalb, warum? Eigentlich völlig unsinnig darüber nachzudenken, denn es ist so wie es ist und man muss es annehmen. Ber es ist schon ein Ausnahmezustand. Anders kann ich es nicht beschreiben.

So kam dann Freitag der 22.10.2010, fünf Uhr morgens, ich stand auf, machte Frühstück, weckte meine Eltern, wir frühstückten noch in aller Ruhe gemeinsam und um 7 Uhr stand mein Taxi ins Ungewisse vor der Tür und es wurde ernst.

Der Taxifahrer stellte sich mit Theo vor, netter blonder Kerl auf dem hohen Norden, unterhielt mich die ganze Zeit über sehr angenehm. Als wir unser bzw. ich mein Ziel erreicht hatte, dachte ich oh je, was für ne Bruchbude, aber ich sollte ja hier schliesslich gesund werden und keinen 5 Sterne-Urlaub verbringen.

Auf der Station angekommen, saß ich erstmal ziemlich dumm und verlassen da rum. Irgendwann erbarmte sich dann jemand und wies mir ein Bett zu. Nach ner halben Stunde kam der Stationsarzt und nahm mir wieder literweise Blut ab. Dann gings nach Stunden weiter mit EKG (hatte ich ja erst Donnerstag, aber egal, die Kasse zahlt schon), Herz-Echo, Lungenfunktion (ist super in Ordnung).

Irgendwann kam dann der Arzt wieder und sagte, das sich noch genug Blutplättchen bilden würden und sie mit der Therapie erst am Montag anfangen würden. Die Blutwerte wären auch nicht so dramatisch. Da fragte ich mich dann doch ernsthaft, ob ich gestern irgendwie unter Drogen gestanden habe oder wie oder was? Das hörte sich da alles ganz anders an. Naja, nun wusste ich wieder mal nicht, wem ich hier glauben sollte und wem nicht.

Bin trotzdem heute relativ relaxt, ob die Resque-Tropfen von Alex immer noch wirken? Lacht...noch keine Träne vergossen, weiss auch grad nicht was ich von meinen Gefühlen halten soll. Fühle mich irgendwie wie betäubt, als wenn mich das alles gar nichts anginge. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich schon gestern beschlossen habe...alles wird gut und der Rest geht mich nichts an.

Es ärgert mich nur maßlos, dass ich das Wochenende hier wie doof rumliegen muss und nichts passiert..hätte ich doch lieber daheim verbracht, zudem ist das Zimmer nicht grad der Brüller. Drei-Bett-Zimmer, sehr eng, ich Mitte, rechts ne nette Frau, Anni, schätze paar Jahre älter als ich, links von mir alte Dame, denke so 80-85 Jahre. Es riecht hier nicht sehr angenehm, weil die Oma gleich lospoltert wenn jemand das Fenster aufmachen will. Also ersticken im Mief werde ich hier ganz sicher nicht, dann schlaf ich aufm Flur.Das Essen hier war heute auch mehr als ne Katastrophe und Kaffee gibt’s och keinen nachmittags, heul. Aber vielleicht wechselt in der Küche ja mal der Koch, ansonsten wird das hier die beste Diät der Welt.Es gab als Nachtisch Grieß mit Früchten, muss unbedingt in der Küche fragen, wie man den Geschmack aus den Früchten bekommt. Faszinierend...lacht.

Nun habe ich mir vor geschlagenen drei Stunden eine Telefonkarte besorgt und habe immer noch kein Telefon ( auch schon vor drei Stunden bestellt). Nun könnte ich eine rauchen gehen, aber ich habe keine Zigaretten...grummel, weil ich dachte, das ist die beste Gelegenheit um damit aufzuhören.

Nun musste ich grad zum Arzt zur weiteren Besprechung und Untersuchung. Es liegen noch nicht alle Ergebnisse vor, aber er ist sich sicher, dass sie eine sehr starke, aggressive Chemo anwenden werden, und zwar werde ich 6-8 Wochen hier bleiben müssen...schluck....eher wohl noch bis kurz vor Weihnachten...na Prost Mahlzeit! Nun muss ich mich wohl um einen Pflegeplatz für meine Katze bemühen...die arme Maus!!

Es wird mir nicht sehr gut gehen in der Zeit sagten die Ärzte mir (ich sollte sie eines besseren belehren), komisch, warum schockt mich das jetzt nicht? Denke habe mir seit gestern einen noch höheren Schutzwall gebaut, an dem momentan nichts kratzen kann. Oder ich steht noch unter Schock...lacht.

Nach dem Arztgespräch hab ich mich angezogen, bin ne Runde um den Block gelaufen und hab mir Ziggis gekauft, ich brauchte jetzt eine. Es ist ein wunderschöner Herbsttag, die Sonne scheint, ich schau auf das bunt gefärbte Laub der Bäume und wünschte mir, ich könnte mit Erwin durch den Park spazieren. Er fehlt mir schon sehr, dabei bin ich noch nicht mal nen ganzen Tag hier. Hab vorhin mit ihm telefoniert, es tat gut seine Stimme zu hören.

Hab grad den Oberarzt getroffen auf dem Flur, sehr sehr netter sympathischer Mann, kein Wunder, ein Rheinländer, lacht.
Er sagte, naja ist alles ein bisschen dumm jetzt und holter die polter gelaufen, es hätte völlig ausgereicht, wenn ich Montag gekommen wäre da meine Blutwerte konstant sind und genug weisse und rote Blutkörperchen da sind. Nun ja, nun ists zu spät. Morgen kommen meine Eltern und dann werde ich mich hier aus dem Staub machen. Ich bin sehr froh, dass sie gekommen sind so adhoc und für mich da sind. Tja nun hänge ich hier rum und denke an all meine Lieben, die auch an mich denken.

Naja, es hat so sein sollen, dass ich schon heute hier bin, wer weiss wofür es gut ist, vielleicht hätte ich mich zu Hause nur verrückt gemacht. Nun werde ich den ersten Tag mit einem Gang auf den Balkon und einer Zigarette beschliessen und sehen, was morgen so alles passiert.

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Tag der Veröffentlichung: 18.12.2010

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