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Inhalt

Vorwort

 

Das Wesen des Imperialismus

Kapitalverwertung als treibende Kraft des Kapitalismus

Der Kern des Imperialismus

Wirtschaft braucht politische Macht

Nicht jedes Imperium ist imperialistisch

 

Kapitalismus der freien Konkurrenz

Erste Schritte – die Zollunion

Die Entwicklung der Banken

Die 1848er - Revolution

Zwischen Niederlage und Gründerzeit

 

Konzentration der Produktion

Gründerjahre, Gründerkrach und Gründerkrise

Entwicklung von Kartell und Konzern

Die Konkurrenz bleibt

Verfall der Rendite

Konzentration und Kapitalexport

Konzerne und politische Macht

 

Kolonien im Wandel der Zeiten

Kolonien und Konzentration

Ursprung der Entdeckungen

Die Krone als Kolonialherr

Das Bürgertum auf dem Weg zur (Kolonial)Macht

Die Veränderungen in der Ökonomie

Sklaverei und Lohnarbeit

 

Freihandel und Imperialismus

Die Grundlagen des Freihandels

Informeller Kolonialismus

Ende des Freihandels und Übergang zum Imperialismus

Formeller Kolonialismus

Kolonien als Markt

Imperialistische Durchdringung

Ergebnisse der Verschuldung

Wandel des Kolonialismus am Beispiel des Maghreb

 

Des Adels letztes Gefecht

Zunehmende Konkurrenz, zunehmende Spannungen

Koloniale Expansion

Zusammenarbeit trotz Konkurrenz

Unterschiedliche Interessen – Industrie und Monarchie

Herrschaft ohne soziale Basis

Die Kriegsziele als Ausdruck wirtschaftlicher Interessen

 

Erkenntnis für die Jetztzeit

Vorwort

 

Der Kapitalismus steckt in der Krise. Es ist nicht seine erste, aber seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die schwerwiegendste. Und vielleicht wird sie noch tiefgreifender und bedrohlicher für das Gesamtsystem Kapitalismus als alle vorherigen. Aber das ist noch nicht klar zu sehen. Sie hat erst begonnen.

Und die, die sie meistern sollen, die Führungskräfte und Eliten sind befangen in den Irrlehren über den Kapitalismus als Wirtschaftssystem, die sich über 60 Jahre aufgebaut und sich über Jahrzehnte als scheinbar richtig erwiesen hatten.

Sollte der Kapitalismus als wirtschaftliches und gesellschaftliches System weitgehend unbeschadet aus den derzeitigen Wirren hervorgehen, die Theorien über ihn werden mit Sicherheit gelitten haben, wenn sie nicht sogar insgesamt als das herausstellen werden, was sie die ganze Zeit über waren: Momentaufnahmen, die kein schlüssiges Gesamtbild liefern konnten über die Funktionsweise und Triebkräfte des Kapitalismus und deren gegenseitigen Wechselbeziehungen.

Er zeigt sich heute von einer Seite, von der alle seine Verehrer und Gelehrten überrascht sind. Eine Entwicklung ist offensichtlich geworden, mit der keiner der Wirtschaftsweisen vor wenigen Monaten noch gerechnet hätte, als sie die Intelligenz und Selbstregulierungskräfte des Marktes predigten. Was nicht ins Bild passte, wurde ignoriert.

Spätestens mit dem Sieg über den Sozialismus schien nicht nur der letzte Beweis für die Überlegenheit und Unverwüstbarkeit des herrschenden Systems geliefert zu sein, sondern auch die Marxsche Analyse der kapitalistischen Triebkräfte schienen sich als vollkommene Fehleinschätzung herausgestellt zu haben.

Dabei hatte es Beispiele genug gegeben in der Geschichte, die hätten Anschauungsunterricht liefern können und tieferen Einblick in die Mechanismen des Kapitalismus hätten aufgezeigt haben können. Die prominentesten sind die Weltwirtschaftskrise von 1929 und die Gründerkrise zu Beginn der 1870er Jahre.

Beide sind von größerer Bedeutung gewesen als all die anderen zwischenzeitlichen Krisen, da sie nicht nur weltweite wirtschaftliche waren, sondern auch zu tiefgreifenden gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen führten.

Die gesellschaftliche, die durch die wirtschaftliche des Jahres 1929 ausgelöst worden war, führte zum Faschismus, der Auffanggesellschaft für den bedrohten Kapitalismus, mit der Folge des Zweiten Weltkriegs.

Aus der langjährigen wirtschaftlichen Depression, die der Gründerkrise gefolgt war, entwickelte sich der Imperialismus.

 

Hier spannt sich der Bogen zum Thema des vorliegenden Buches.

Ähnlich der Internetblase um die Jahrtausendwende und der Immobilienblase, die ihr folgte, waren in der Boomphase der Gründerjahre die Kurse der Vermögenswerte, hier Aktien, in einem scheinbar nie enden wollenden Preisanstieg von Höchststand zu Höchststand geflogen. Die bis dahin gegolten habenden Gesetze der kapitalistischen Ökonomie schienen neu geschrieben werden zu müssen.

Der Boom der Gründerjahre war ausgelöst worden durch die fünf Milliarden Goldfrancs, die Frankreich als Reparationen nach dem verlorenen Krieg von 1870/1 an das deutsche Reich hatte zahlen müssen. Diese Liquidität strömte auf den Markt und suchte nach Anlage. Sie trieb die Kurse, und trieb sie in den Infarkt. Die Folge war der Zusammenbruch der Aktienpreise, die anschließende Verarmung weiter Teile der Bevölkerung und eine tiefe langjährige Depression der Weltwirtschaft.

In der Boomphase der Gründerjahre waren enorme Produktionskapazitäten aufgebaut worden, denen nach dem Zusammenbruch der Börsen, Banken und Märkte keine entsprechende Nachfrage mehr gegenüberstand. Das Missverhältnis zwischen Produktionskapazitäten und Nachfrage führte zum Verfall der Preise, dem sich der Verfall der Renditen anschloss. Die Rentabilität der Unternehmen fiel und bedrohte ihre Existenz.

Aus dieser Lage heraus verstärkten sich zwei in ihrem Ansatz unterschiedliche Triebkräfte des Kapitalismus zur Lösung des Problems: Ausweitung der Märkte und die Intensivierung der Produktion.

Je nach den verschiedenen Bedingungen der nationalen Wirtschaften war es ihnen unterschiedlich ermöglicht, einen der beiden Wege zu beschreiten. Es handelte sich dabei nicht um die Umsetzung wirtschaftlicher Glaubensbekenntnisse sondern einzig um Wege aus der Krise, die nur so gegangen werden konnten, wie es die wirtschaftlichen Bedingungen eines jeden Landes zuließen.

Im Gegensatz zum Deutschen Reich hatten England und Frankreich als Kolonialstaaten aufgrund eben dieser ihrer Kolonien eher die Möglichkeit, den Ausweg aus der Krise in einer Ausweitung der Märkte in ihren Kolonien zu suchen.

Das deutsche Reich, das bis 1870 weitgehend mit der eigenen Staatsbildung beschäftigt war, verfügte in Ermangelung eigener Kolonien nicht über diese Möglichkeiten. Es war gezwungen, den Weg der Intensivierung der Produktion zu gehen. Dieser steinige Weg führte über die Vernichtung von Produktionskapazitäten, über die Bildung von Kartellen zur Regulierung der Produktion hin zur Konzentration der Produktion in der neuen Organisations- und Besitzform der Konzerne. Diese waren in der Form der Aktiengesellschaft die moderne Produktionsform der modernen kapitalistischen Industrie. Konzern und Aktiengesellschaft bildeten eine wesentliche Grundlage für den globalen Siegeszug des Kapitalismus.

Wenn auch die deutsche Industrie stärker zur Konzentration gezwungen war als beispielsweise die französische und die englische, so bedeutete das aber trotzdem nicht, dass diesen das Blutbad der Konzentration erspart geblieben wäre. Auch sie kamen auf Grund des Konkurrenzvorteils, den die Konzerne auf dem Weltmarkt sich verschaffen konnten, auf die Dauer nicht um die Intensivierung der Produktion herum.

Der Imperialismus verbindet nun beide Strategien der Krisenbewältigung, indem er einerseits die territoriale Ausdehnung der Märkte betreibt und andererseits durch die Intensivierung der Produktion in die Tiefe der Märkte eindringt. Denn die Intensivierung führt zu einer Senkung der Herstellungskosten der Waren und ermöglicht dadurch die Erschließung neuer Käuferschichten durch die Senkung der Warenpreise.

Intensivierung der Produktion und Ausdehnung der Märkte sind die Prinzipien kapitalistischer Entwicklung. Diese beiden Prinzipien durchdringen sich, ergänzen sich und lösen sich gegenseitig ab in ihrer vorübergehenden Vorherrschaft. Aber das eine kann nicht sein ohne das andere.

Vorliegendes Buch will die treibenden Kräfte kapitalistischer Entwicklung darstellen anhand der Periode des Imperialismus. Dabei geht es nicht – wie so häufig – um die Darstellung und Beschreibung der vordergründig politischen Ereignisse. Diese interessieren nur nebenbei und sind deshalb untergeordnet unter die Darstellung der wirtschaftlichen Triebkräfte, die zu den diskreten und nicht sofort offensichtlichen Veränderungen in den Gesellschaften führen, als deren Ausdruck die politischen Ereignisse zu verstehen sind.

Dabei wird versucht darzustellen, welche gesellschaftlichen Entwicklungen die verschiedenen Phasen der kapitalistischen Wirtschaftsentfaltung hervorbringen, begonnen beim Kapitalismus der freien Konkurrenz und dem mit ihm verbundenen Freihandel als das Austauschverhältnis der Staaten untereinander als auch in deren Beziehung zu den Kolonien.

Die Gründerkrise beendet diesen Entwicklungsschritt, in dessen Folge sich gegen Ende des Jahrhunderts der Imperialismus herausbildet. Er bringt einen radikalen Wandel in der Produktion durch die Bildung der Kartelle und Konzerne, der in seiner grundlegenden Bedeutung für die Entwicklung des Kapitalismus analysiert und gewürdigt werden soll.

Aber auch die Verhältnisse der Staaten untereinander definieren sich neu. Neue unabhängige Staaten sind entstanden, die in das kapitalistische Marktgefüge einbezogen werden. Großreiche wie das Osmanische oder das Persische Reich zerfallen und alte Kolonialreiche wie das spanische und portugiesische lösen sich auf.

Der Bedeutungswandel der Kolonien, der sich über die Jahrhunderte der Kolonialgeschichte diskret vollzogen hat, erfährt besondere Aufmerksamkeit in der Betrachtung. In ihm äußert sich unter anderem die Ablösung des feudalistischen Wirtschaftssystems durch das kapitalistische als das weltweit vorherrschende und historisch fortschrittlichere.

Denn wie ist es zu erklären, dass die Kolonialstaaten Spanien und Portugal trotz des Reichtums, den sie ihren Kolonien entreißen konnten, sich im Laufe der Kolonialgeschichte den Rang ablaufen lassen mussten von kolonialen Nobodys wie Holland oder England? Deren Machtverfall und Abgleiten in die wirtschaftliche und politische Bedeutungslosigkeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts ging zum Teil soweit, dass Portugal bei England und Deutschland Schulden machen musste, um seine Staatsgeschäfte überhaupt noch aufrechterhalten zu können.

 

Ein zweites Anliegen des Buches ist es darzustellen, wie die durch wirtschaftliche Veränderungen ausgelösten gesellschaftlichen Veränderungen die Verhältnisse zwischen den gesellschaftlichen Gruppen und Klassen beeinflussen, und wie es gerade diese gesellschaftlichen Veränderungen sind, die die Hefe bilden in einem Prozess, an dessen Ende der Erste Weltkrieg steht.

Dieser wird hier nicht gesehen als das Ergebnis der Bemühungen des deutschen Kapitals, eine Neuverteilung der Welt zu erzwingen. Vielmehr soll erläutert werden, wie die gescheiterte Revolution des deutschen Bürgertums und dessen Versagen vor seiner historischen Aufgabe mit zu dieser Entwicklung beigetragen hat.

Anstatt sich kraftvoll, so wie es seine Revolution 1848 begonnen hatte, weiterhin seiner politischen Aufgabe zu widmen, die in der Entmachtung des historisch längst überflüssig gewordenen Adels bestand, hat sich das deutsche Bürgertum der Fortsetzung der Staatsführung durch den Adel unterworfen. Es hat damit die Verfolgung seiner politischen Ziele zugunsten seiner wirtschaftlichen Interessen aufgeben und mit den Erträgen seiner Wirtschaftstätigkeit die weitere Herrschaft des Adels finanziell gestützt.

Die monarchistischen Kreise haben diese Chance genutzt, um das historisch längst fällige Ende ihrer Herrschaft noch bis zum Krieg hinauszuzögern, der als nichts weiter verstanden werden kann als der Versuch, durch die Notwendigkeit kompetenter Kriegsführung die eigene Unentbehrlichkeit unter Beweis zu stellen.

 

Die Ausarbeitung der dargestellten Entwicklungsstränge und Themengebiete soll anhand der Gründerkrise, ihrer Vorgeschichte und ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen Einblick geben in Entwicklungsbewegungen des Kapitalismus zu jener Zeit, Parallelen deutlich machen zur heutigen Zeit und eine Ableitung ermöglichen auf die Entwicklungsaussichten der derzeitigen Krise.

Das Wesen des Imperialismus

 

Kapitalverwertung als treibende Kraft des Kapitalismus

 

Der Kapitalismus ist getrieben von dem ihm innewohnenden Zwang zur Kapitalverwertung. In wirtschaftliche Projekte investiertes Kapital soll mehr Wert werden, Mehrwert werden. Dieser Zwang führt dazu, dass er alle Bereiche des Lebens durchdringt, in denen Kapital investiert werden kann und die damit der Erwirtschaftung von Rendite dienlich sein können. (So würden in Bereichen, in denen keine angemessene Rendite zu erwarten ist, auch keine Privatinvestitionen vorgenommen werden.) Diese Ausdehnung in alle Lebensbereiche ist sowohl vertikal als auch horizontal.

Horizontal indem er sich über den gesamten Planeten ausbreitet, vertikal indem er alle Bereiche der Gesellschaft von der Führung des Staates bis hinab in den privaten Bereich der Familie durchdringt. Insofern ist der Kapitalismus global ausgerichtet. Und die heute mit Globalisierung bezeichnete Erscheinung des Kapitalismus ist keineswegs in ihrem Wesen neu. Einzig die Geschwindigkeit, Breite und Intensität der Durchdringung hat ein bisher nicht gekanntes Ausmaß erreicht.

Diesem Zwang zur Kapitalverwertung kann innerhalb des kapitalistischen Systems nicht entgangen werden. Die Kapitalverwertung ist der Lebensnerv des Kapitalismus; sie ist die Kraft in ihm, die ihn zu immer wirkungsvolleren Methoden der Nutzung der Arbeitskraft treibt. Sie treibt zu immer ergiebigeren Formen der Warenproduktion, zu immer wirtschaftlicherem Einsatz von menschlicher Arbeitskraft und Rohstoffen, zur Entwicklung immer produktiverer Maschinen und Produktionsanlagen.

Die Gesetze der Kapitalverwertung, also die Umwandlung von Kapital in ein Mehr an Kapital, in Mehrwert, fordern den ständigen Ersatz der menschlichen Arbeitskraft durch Maschinerie, fordern den stetig wachsenden Ausstoß an Waren durch eine stetig sinkende Anzahl von Arbeitskräften. Sie fordern die ständige Zunahme der Produktivität. Und deshalb ist die Kapitalverwertung auch darauf ausgerichtet in ihrer vertikalen Ausdehnung jeden Bereich der Gesellschaft zu durchdringen auf der Suche nach Anlagemöglichkeit für Kapital.

Bei seinem horizontalen Zug zur Globalisierung wechseln sich entsprechend der gesellschaftlichen Gegebenheiten zwei Methoden der Globalisierung ab: Freihandel und Imperialismus. Wenn auch äußerlich scheinbar völlig verschieden, dienen sie aber dennoch demselben Ziel, der Verbreitung der kapitalistischen Wirtschaftsform in die Territorien, die ihr bisher verschlossen waren.

Diese Erschließung des gesamten Erdballs ist seit dem Untergang des sozialistischen Lagers und seit den wirtschaftlichen Reformen in China weitgehend abgeschlossen. Bis auf wenige unbedeutende Flecken auf der wirtschaftlichen Weltkarte wie Cuba und Nordkorea hat sich das kapitalistische Wirtschaftssystem weitgehend durchgesetzt, auch wenn die Entwicklung der politischen Herrschaftsverhältnisse mit der der wirtschaftlichen nicht immer mithalten konnte. Zwar hat der Kapitalismus für den Bereich der Wirtschaft weltweite Gültigkeit gewonnen, die politische Herrschaft besonders in China und den Ländern Südostasiens liegt aber immer noch in den Händen kommunistischer Parteien.

Welche dieser beiden Methoden, ob Freihandel oder Imperialismus, bei seiner Verbreitung zum Tragen kommen, hängt in erster Linie ab vom Entwicklungsstand des Kapitalismus selbst, nicht aber von dem mehr oder weniger demokratischen, menschenfreundlichen, liberalen oder sonstwie gearteten Eigenschaften, Charakteren und politischen Ansichten von Regierungen oder gar Parteien.

Diese politischen Kräfte haben nur wenig Einfluss auf das Wesen des Kapitalismus und die Form, in der er sich staatlich organisiert. Staatliche Maßnahmen können flankierend auf die Entwicklung einwirken, indem sie allgemeine, für alle Akteure verbindliche Regeln aufstellen, indem sie Entwicklungen unterstützen oder behindern oder in andere Bahnen lenken. Was sie aber nicht können, ist, den Drang zur Kapitalverwertung zu mäßigen oder gar zu unterdrücken. Die Aufhebung dieses Zwanges zur Kapitalverwertung wäre gleichbedeutend mit der Aufhebung und Überwindung des Kapitalismus selbst.

 

Der Kern des Imperialismus

 

Was macht den Imperialismus zum Imperialismus? Unter welchen Bedingungen bringt Kapitalismus in seiner geschichtlichen Entwicklung die Form des Imperialismus hervor?

Das Entstehen des Imperialismus, der sich im 19ten und zu Anfang des 20ten Jahrhunderts in der Form darstellte, dass er Kolonien erwarb und eroberte und dadurch Imperien schuf, ist zu erklären aus der Produktivitätssteigerung der kapitalistischen Industrien der Nationalstaaten. Insofern besteht ein Unterschied zwischen dem eher noch vom Feudalismus geprägten Kolonialreich der Portugiesen und Spanier, selbst die der Franzosen und Engländer unterscheiden sich in ihrer Frühphase von dem Kolonialreich in den Zeiten des Imperialismus.

In dieser Frühphase kapitalistischer Entwicklung vor dem Übergang zum Imperialismus herrschte in den kapitalistischen Staaten die freie Konkurrenz unter den Produzenten auf den nationalen Märkten. Auf der internationalen Ebene entsprach diese freie Konkurrenz dem Freihandel, dem gleichberechtigten Zugang aller zu den Märkten anderer Staaten.

Besonders England war auf Grund seiner technologischen Vormachtstellung sehr bald in der Lage, nicht nur den Bedarf des eigenen Markt zu sättigen, sondern darüber hinaus auch besonders die kontinental-europäischen Märkte in solchen Ländern, in denen sich auch die Industrialisierung der Wirtschaft zu entwickeln begann. So wurden beispielsweise die Anfänge der deutschen Eisenbahnen besonders durch den Import englischer Lokomotiven dargestellt.

Es ist gut nachzuvollziehen, dass besonders England ein engagierter Verfechter des Freihandels war. Offene Grenzen waren die beste Voraussetzung für den Export der englischen Waren, die allen anderen an Qualität und auch im Preis überlegen waren. Dies war dem technologischen Vorsprung der englischen Industrie und ihrer wesentlich höheren Produktionskapazitäten zu verdanken. Soweit es sich die Abnehmerländer leisten konnten, waren sie natürlich auf Grund der bereits beschriebenen Vorzüge am Import englischer Waren interessiert, trugen sie doch schneller zur Entwicklung der eigenen Industrie bei als eine aufwendige Eigenentwicklung.

Aber der Export von Investitionsgütern an andere Industriestaaten führte nicht nur zum Anwachsen des Reichtums der englischen Wirtschaft; er führte gleichzeitig auch zum Aufbau konkurrierender Industrien.

Erst einmal in Gang gekommen, begannen die Industrien Frankreichs, Belgiens und - nach der Erringung der nationalstaatlichen Einheit - auch die deutsche zunehmend den eigenen Markt durch nationale Produkte zu sättigen. Auch hier führt die rasche Zunahme der Produktionskapazitäten schnell an die Schwelle der Marktsättigung und zum Zwang, die überschüssige Produktion auf dem Weltmarkt anbieten zu müssen.

Zwei unterschiedliche, sich aber ergänzende Tendenzen in der Bewegung des Kapitalismus führen zu dieser Situation der Marktsättigung und des Drängens auf den Weltmarkt.

Einerseits wachsen die Produktionskapazitäten, und damit nimmt die Menge der hergestellten Produkte ständig zu. Andererseits aber scheiden immer mehr kleine Produzenten aus dem Markt aus. Die Wirtschaftstätigkeit konzentriert sich in immer wenigeren, aber dafür aber immer größeren Produktionseinheiten. Die Produktion verteilt sich also nicht trotz ihrer mengenmäßigen Zunahme gleich auf alle Produzenten, sondern es findet eine Auslese unter den Produzenten statt. Nur die profitabelsten Unternehmen überleben, die mit geringerer Produktivität scheiden aus dem Markt aus.

Erst mit dem Erreichen eines Ausmaßes an Produktionskapazitäten, das die Aufnahmefähigkeit der nationalen Märkte sprengt und das nicht nur in einzelnen Staaten sondern in nahezu allen kapitalistischen Staaten gleichzeitig, befindet sich der FreihandelsKapitalismus im Übergang zum Imperialismus. Die Suche nach zusätzlichen Absatzmärkten richtet den Blick immer mehr auf die Kolonien oder auf Gebiete, die dem Kapitalismus bisher noch verschlossen sind.

Hinzu kommt, dass mit dem Nachlassen der Aufnahmefähigkeit der nationalen Märkte die Aussicht auf rentable Investitionen sinkt. Neuinvestitionen in Produktionsanlagen lohnen nicht, da die Renditen in den Kernländern des Kapitalismus verfallen. Andererseits hat sich aber sehr viel Kapital angesammelt, das nach Anlagemöglichkeiten sucht.

In dieser Situation, die sich um den Jahrhundertwechsel deutlicher zeigte und immer mehr verschärfte, versuchen die meisten kapitalistischen Staaten, sich größere Absatzgebiete zu schaffen durch den Erwerb von Kolonien.

Es entwickeln sich Tendenzen, den Freihandel zurückzudrängen zugunsten der Reservierung der eigenen Kolonien für die Produkte der eigenen Industrie. Bisher weitgehend selbständige Länder wie China und ganz Südostasien, die Türkei und die nordafrikanischen Staaten geraten unter den vereinten Druck der kapitalistischen Staaten, die sich Zugang zu diesen Märkten verschaffen wollen. Nach der durch gemeinsamen Druck erzwungenen Öffnung dieser Märkte beginnt dann das Geschachere dieser Staaten untereinander um den größtmöglichen Anteil an dieser Beute für die eigene Wirtschaft.

Die Kolonialreiche der ehemals dominierenden Weltreiche Portugal und Spanien geraten in den Sog der Interessen der höher entwickelten kapitalistischen Staaten. Ihre Schwäche weckt die Begehrlichkeiten der modernen Industriestaaten. Die Gläubiger des hoch verschuldeten Portugal schmieden Pläne über die Aufteilung der portugiesischen Kolonien im Falle eines finanziellen Zusammenbruchs des Landes. Spanien wird von den USA und England immer mehr als Kolonialmacht aus der westlichen Hemisphäre verdrängt. Auch die vom Zerfall durch Überschuldung bedrohte Türkei gerät vor dem Beginn des 1. WK in den Fokus der imperialistischen Staaten. Trotz ihrer Feindschaften und Interessengegensätze untereinander verhandeln Deutschland, Frankreich, England und Russland über die Wahrnehmung ihrer eigenen und die Abgrenzung der gegenseitigen Interessen auf dem Gebiet des Osmanischen Reiches.

Diese mehr oder weniger direkte territoriale Kontrolle über den Markt ist eine Form der Sicherung der Absatzgebiete für die eigene Wirtschaft. Die physische Beherrschung eines Territoriums ist die althergebrachte Form der Marktbeherrschung, aus dem Koloniebild des Feudalismus stammend, hinübergerettet in den Kapitalismus. Eine andere, moderne Form der Marktsicherung und Durchdringung ist die des Kapitalexportes, die darauf ausgerichtet ist, über die Herstellung von finanzieller Abhängigkeit, Einfluss zu nehmen auf die Entscheidungen der politischen Führungen.

 

Charakteristisch für den Imperialismus ist jedoch der Versuch, die Erweiterung der Absatzgebiete für die eigene nationale Wirtschaft durch eine weitgehend territoriale Kontrolle über ein möglichst großes Absatzgebiet zu erreichen. Ziel ist die Exklusivität, das Monopol einer nationalen Industrie in einem nationalen Markt. Dabei ist als nationaler Markt nicht allein der des Mutterlandes zu verstehen, sondern auch der Kolonien des Mutterlandes.

Diesem Versuch des Ausschlusses von Konkurrenten auf den Märkten der Kolonien entspricht das der Kartellbildung auf den Märkten der Mutterländer. Zeitgleich mit der Entwicklung der Kartelle, Konzerne und Monopole in den kapitalistischen Hochburgen setzt auch das Wettrennen im Weltmaßstab um die verbliebenen Territorien ein, die noch nicht als Kolonien einer Kolonialmacht anerkannt sind. Auch hier zeigt sich wieder die Tendenz des Kapitalismus zur vertikalen wie horizontalen Durchdringung. Die horizontale Durchdringung als die Ausdehnung über den gesamten Planeten, die vertikale als Integration möglichst aller Glieder der Produktionskette in einem Unternehmen.

Im Imperialismus scheint der Kapitalismus seine größte Machtentfaltung und Stärke entwikelt zu haben. Die kapitalistischen Staaten weiten sich aus zu Imperien, die sich den gesamten Erdball unterwerfen, ein Land nach dem andern machen sie zu Kolonien. Dieser Stärke des Imperialismus nach außen als Ausdruck der gesamtwirtschaftlichen Stärke einer Nation entspricht auf dem Binnenmarkt das Monopol und Kartell. Deren Stärke nach innen ermöglicht ihnen, sich nach und nach andere Konkurrenten und Produktionsbereiche einzuverleiben.

Wie das Kartell auf dem Binnenmarkt diktiert der Imperialismus als Entwicklungsprodukt des Gesamt-Kapitalismus auf dem Weltmarkt weitgehend die Bedingungen des Wirtschaftens. So wie auf der nationalen Ebene Absprachen über Produktionsmengen, Preise und Absatzgebiete getroffen werden, so stimmen auf der internationalen die kapitalistischen Staaten untereinander die Einflusszonen und Interessengebiete ab. Dass dieser vernünftig erscheinende Prozess nicht friedlich bleibt, sondern zum Konflikt treibt und letztlich sogar zum Weltkrieg, liegt daran, dass weder Kartell noch Imperialismus die treibende Kraft im kapitalistischen Wirtschaftsprozess bändigen können, den Zwang zur Kapitalverwertung.

 

Die Bildung von Kolonien nach außen und Kartellen bzw. Monopolen nach innen sind die äußeren Erscheinungsformen des Imperialismus. Sie vermitteln den Eindruck von Stärke. Äußerlich wirken sie stark: militärisch hochgerüstet, Grenzen aufbrechend der Imperialismus, wirtschaftlich marktbestimmend Kartell und Monopol.

Aber anders, als es den Anschein hat, sind Kartell und Imperialismus nicht Ausdruck von Stärke sondern gerade Ausdruck der inneren Schwäche des Kapitalismus. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich gerade diese Erscheinungsformen als ein Abwehrverhalten. Konkurrenz soll ferngehalten, Absatzgebiete geschützt und Rentabilität aufrechterhalten werden.

Schwach geworden ist die innere Kraft des Kapitalismus. Er igelt sich ein. Das ist nicht mehr der kraftvoll auftretende Kapitalismus aus den Zeiten des Freihandels und der freien Konkurrenz, aus den sogenannten Gründerzeiten, dem das Kapital der Anleger zuflog, bereitwillig gegeben in der Hoffnung auf eine satte Dividende.

Die Rendite als Ausdruck der Kapitalverwertung sinkt. Nicht umsonst nimmt gerade gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Neigung ständig zu, Kapital in den Ankauf von Staatspapieren zu investieren. Der innere Druck zur Bildung von Monopolen und Kolonialimperien ist die nachlassende Rentabilität der Produktionsanlagen.

Riesige Warenmengen überschwemmen die Märkte und drücken auf die Preise. Kartell und Kolonie sind der Versuch, den Verfall der Preise zu stoppen, indem sie durch Kontrolle und Abschottung der Märkte künstlich hochgehalten werden. Wenn schon der Markt nicht unbegrenzt ausdehnbar ist, so soll doch wenigstens der Verfall von Preis und Rendite begrenzt werden.

Aber gerade darin zeigt sich die eigentliche Schwäche, die in Monopol und Kolonie zum Ausdruck kommen.

Diese besondere kapitalistische Antriebskraft, die seine eigentliche Stärke ausmacht, seine Fähigkeit zur Erwirtschaftung von Mehrwert durch Steigerung der Produktivität lässt mehr und mehr nach. Die Abschottung der Märkte hatte die Verwertungsmöglichkeiten des investierten und investitionsbereiten Kapitals zunehmend erschwert. Die Märkte waren zu klein und die Produktionskapazitäten zu groß geworden. In der Kolonie ersetzen die nationalen Industrien die Intensivierung der Produktion durch ihre Extensivierung, d.h. durch die Ausweitung des Marktes.

Bestes Beispiel ist für diesen Zusammenhang ist gerade der jahrzehntelange kapitalistische Musterknabe, die englische Industrie. In der trügerischen Sicherheit eines riesigen kolonialen Absatzmarktes, gerät sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer mehr ins Hintertreffen gegenüber der deutschen Industrie, die gerade unter Ermangelung eines solchen sicher geglaubten Absatzmarktes alle Anstrengungen daran setzen musste, durch eine hohe Produktivität diesen vermeintlichen Nachteil wettzumachen. Diese höhere Produktivität der deutschen Wirtschaft ermöglicht es ihr, die englische und französische Vormachtstellung auf den Weltmärkten dadurch anzugreifen, dass sie ihre Produkte zu niedrigeren Preisen und mit höherer Qualität anbieten kann. Eine ähnliche Entwicklung nimmt die Wirtschaft der USA, die jedoch begünstigt ist durch den riesigen Wirtschaftsraum des amerikanischen Kontinents, auf dem der US-amerikanischen Wirtschaft kein bedeutender Konkurrent erwächst.

 

Kolonie und Kartell stellen den absurden Versuch dar, das Erlahmen der kapitalistischen Antriebskräfte zu kurieren durch die Zügelung der Marktkräfte. Sie sind Ausdruck für die nachlassende Dynamik des Entwicklungsprozesses kapitalistischer Wirtschaft. Denn seine durchschlagende Kraft gewinnt der Kapitalismus gerade aus der Konkurrenz, die sich die Produzenten untereinander machen. Diese zwingt sie zur Entwicklung immer wirkungsvollerer Produktionsmethoden, zur ständigen Steigerung der Produktivität. Der Versuch, die Marktkräfte ausschalten zu wollen, führt gerade zur Entkräftung dieser Marktkräfte.

So ist es bezeichnend für diese Phase des Kapitalismus, dass die Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung durch Anwendung neuer Verfahren gerade durch die Kartelle beschränkt wird, indem sie Patente aufkaufen, die sie aber nicht in ihren Produktionsanlagen umsetzen.

Es soll verhindert werden, dass neue Verfahren sich am Markt etablieren und weiteren Druck auf die Preise erzeugen, indem sie die Herstellung der Produkte verbilligen. Neue Verfahren bedeuten teure Investitionen in neue Produktionsanlagen, wo doch die alten noch nicht einmal abgeschrieben sind, bzw. ihren Wert noch nicht in die Waren übertragen haben. Bei hohen Warenumsätzen sind die Gewinnspannen gering, bei hohen Gewinnspannen sind die Umsätze gering. In einer solchen Situation drücken ständige Neuinvestitionen in moderne Anlagen auf die Gewinne.

Hier kollidieren wirtschaftliche Interessen mit den wachsenden Möglichkeiten, die sich ergeben könnten aus dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik. Gerade der Kapitalismus, der sich gegenüber dem Feudalismus hervorgehoben hat durch seine Bereitschaft, die Wissenschaft aus dem erstickenden Würgegriff feudalistischer und klerikaler Interessen zu befreien, ist nun selbst gezwungen, diese Ergebnisse der wissenschaftlichen Freiheit zu unterdrücken.

Der Drang zur Eroberung von Kolonien und der Zwang zur Bildung von Kartellen sind nicht unumstritten gewesen in den kapitalistischen Wirtschaften. Es gab starke Kräfte, die weiterhin den Freihandel forderten. Aber gerade dass sich der Kapitalismus weltweit zum Imperialismus wandelt, deutet hin auf eine aus ihm selbst erwachsende Tendenz, die nicht von den Wünschen der Handelnden sondern von der inneren Wirklichkeit des Kapitalismus selbst, d.h. von seinen Triebkräften, bestimmt wurde.

Aber das Absterben des Kapitalismus der Freien Konkurrenz schuf nicht nur die Voraussetzungen für den Imperialismus sondern ist notwendiger Bestandteil seines Entwicklungsprozesses. Das eigentliche, historisch bedeutende Ergebnis dieses Prozesses ist - durch die Herausbildung der verschiedenen Formen des Kapitalismus hindurch - die Erkenntnis der kapitalistischen Kräfte und Gesetzmäßigkeiten.

Im sich verschärfenden Wettbewerb der kapitalistischen Staaten, Industrien und Betriebe überleben nur die rentabelsten, und es ist kapitalistisches Gesetz, dass die unrentableren, weil weniger produktiven, absterben. Dieses Absterben des Nicht-mehr-Überlebensfähigen haben Kolonie und Kartell zu verhindern gesucht und damit seine Lebenskraft und Schaffenskraft allgemein geschwächt.

Der Kapitalismus akzeptiert keine Schranken, und der Versuch, ihn einzuschränken, führt nur vorübergehend zum Erfolg. Insofern war der Imperialismus notwendiges Durchgangsstadium zur Weltdurchdringung. Auf diesem Weg waren Kolonie und Kartell notwendige Hilfsmittel, auch wenn sie gleichzeitig Ausdruck verringerter Dynamik waren.

 

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts beginnt die Begeisterung für den Erwerb von Kolonien bei manchen Vertretern der Wirtschaft nachzulassen. Rathenau und Stinnes, die gerade aus ihrer praktischen Erfahrung im innersten Kreis des Kapitalismus dessen Bewegungsgesetze kannten und die Notwendigkeiten, die sich für seine weitere Entwicklung auftaten, war klar, dass die nationalen Einschränkungen abgelegt werden und große Wirtschaftsräume entstehen mussten, die der Möglichkeit der Kapitalverwertung keine Beschränkungen mehr auferlegten.

Während der territoriale Imperialismus den Versuch darstellt, die internationale Konkurrenz untereinander dadurch auszuschalten, indem man sie vom eigenen nationalen Territorium fernhält und sich damit dem Druck der Modernisierung und Produktivitätssteigerung zu entziehen versucht, stellt der Finanzimperialismus mit seinem Kapitalexport die moderne Form des Kapitalismus dar.

Mit dem Kapital als Sauerstoff, der den Entwicklungsprozess des Kapitalismus erst richtig anheizt, baut sich der moderne Kapitalismus sein Imperium auf. Seine Macht gründet sich nicht mehr auf dem Abwürgen der Marktkräfte, auf Abschottung und Verweigerung, sondern gerade auf der vollen Entfaltung der Entwicklungsmöglichkeiten des kapitalistischen Wirtschaftssystems.

Er sieht seine Zukunft nicht mehr in seiner Einengung durch nationale Rücksichtnahmen und die Aufrechterhaltung scheinbarer Sicherung und Sicherheit durch nationale Grenzen und Gesetze. Er sucht kraftvoll das offene Meer des unbegrenzten internationalen Marktes, der nicht mehr beherrscht wird durch nationale Engstirnigkeit sondern durch die internationale Konkurrenz.

Der Finanzimperialismus bedeutet die Aufhebung des Primats der nationalen Regierungen, die weitgehende Abschaffung staatlicher Kontrolle über Kapital und Wirtschaft überhaupt. Repräsentant dieser modernen Form des Kapitalismus sind die USA.

 

Wirtschaft braucht politische Macht

 

Die Wahl der Methoden der Entwicklung des Kapitalismus ist nicht das Werk von verschwörerischen, elitären Zirkeln und Kreisen, die die Geschicke lenken und fernsteuern nach höheren Einsichten oder einem geheimen Plan. Ein solch komplexes und vielschichtiges Gebilde wie die kapitalistische Gesellschaft lässt sich nicht fernsteuern. Es gibt zu viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen, die ihrem Interesse Geltung verschaffen wollen, und zu viele Interessengruppen wie Parteien und Verbände, die die Richtung der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen. Und diese unterschiedlichen Interessen stehen zum Teil im Gegensatz zueinander oder schließen sich sogar einander aus in ihrer Verwirklichung. Entscheidend für die Durchsetzung politischer Ziele und wirtschaftlicher Interessen sind immer wieder die Kräfteverhältnisse zwischen den gesellschaftlichen Gruppen und Klassen.

 

Die Richtung einer Entwicklung ist immer davon geprägt, wohin die inneren Kräfte diese Entwicklung treiben. Was ist das Wesen, das spezielle Merkmal des innewohnenden Antriebs? Die zweite Größe ist die Reaktion des Umfeldes auf diese Kräfte und die von ihnen ausgelöste und betriebene Entwicklung.

Wird der Kapitalismus in seiner Entwicklung durch sein Umfeld gebremst und behindert wie in den Zeiten des Feudalismus, der als die damals herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftsform nur ein beschränktes Interesse an einem konkurrierenden Wirtschaftssystem hatte? Denn dessen Interesse reichte nur bis zu den prall gefüllten Kassen der kapitalistischen Akteure, die dem Feudalismus als Kreditgeber und Steuerzahler willkommen waren, denen man aber keinen Einfluss auf die politische Herrschaft zugestehen wollte.

Oder erfährt der Kapitalismus die volle Unterstützung des Staates, seines Staates, wie es in England und im Frankreich nach der französischen Revolution der Fall war, als die Bürger als gesellschaftliche Träger des Kapitalismus den Feudalismus hinwegfegten und ihre eigene Herrschaft, die Demokratie errichteten.

Und selbst in der dem Kapitalismus ureigensten Staatsform waren die Interessen des ihn tragenden Bürgertums nicht einheitlich. Auch hier gab es Anhänger und Gegner des Freihandels, Befürworter und Widersacher von Kolonien, Verfechter und Feinde von Schutzzöllen, je nachdem welche Maßnahme den eigenen wirtschaftlichen Interessen am meisten diente. Auch im kapitalistischen Staat bestanden und bestehen die Klassen fort. Die eine als herrschende, wie das Bürgertum des 19 und 20. Jahrhunderts. Eine andere als nicht mehr herrschende wie die adligen Kräfte, die in England und Frankreich weitgehend entmachtet waren, aber dennoch immer noch über einen gewissen politischen Einfluss verfügten, der nie unterschätzt werden durfte. Und als dritte Klasse oder Kraft entwickelte sich das noch nicht herrschende, aber zur Herrschaft strebende Proletariat, das sowohl die Interessen des Bürgertums als auch die des Adels bedrohte als den Besitzern der Produktionsmittel.

Eine unentschiedene Mischform hatte sich im Deutschen Reich herausgebildet, wo die adligen Kräfte zwar kaum noch über wirtschaftliche, aber immer noch über die politische Macht verfügten, während das Bürgertum zwar wirtschaftlich die Fäden in der Hand hielt, aber von der politischen Macht noch weitgehend ausgeschlossen war.

So stellte sich die Kräftekonstellation zwischen den Klassen und zwischen den Interessengruppen innerhalb dieser Klassen in den kapitalistischen Staaten dar, als sich der Übergang zum Imperialismus vollzog.

Wenn sich also innerhalb dieser Staaten die Entwicklung von der ursprünglichen Ablehnung gegenüber dem Erwerb von Kolonien hin zu einem zum Schluss hektisch betriebenen Erwerb von Kolonien verlagert, so deshalb, weil innerhalb dieser Staaten die gesellschaftlichen Kräfte zunahmen, die im Erwerb von Kolonien einen Vorteil für ihre eigenen Interessen sahen.

Diese gesellschaftlichen Interessengruppen gilt es zu benennen und herauszufinden, welche Grundlage sich innerhalb der Gesellschaften verändert hat, damit sich dieser Wandel der Einstellung und des Handelns herausbildete. Es gilt herauszuarbeiten, wie sich die wirtschaftlichen Grundlagen des Kapitalismus verändert haben müssen, dass alle kapitalistischen Gesellschaften nahezu zeitgleich diesen Wandel vollzogen.

 

Politische Macht ist nötig für die vollständige Entwicklung der im Kapitalismus steckenden Kräfte. Deshalb war die Beseitigung des Feudalismus notwendige Voraussetzung. Erst die Errichtung bürgerlicher Herrschaft als erstes in England und nach der Revolution von 1789 auch in Frankreich gab dem Kapitalismus die Unterstützung, der er bedurfte, um sich alle Bereiche der Gesellschaft zu unterwerfen. In Deutschland war die Beseitigung des Feudalismus und die volle Herrschaft des Bürgertums erst mit dem Aufstand der Arbeiter- und Soldatenräte 1918 hergestellt worden.

Aber auch wenn der bürgerliche Staat die ideale Ergänzung zum kapitalistischen Wirtschaftssystem darstellt, so ist das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat nicht frei von Spannungen. Immer wieder in der Geschichte des Kapitalismus versucht der Staat, die Wirtschaft zu regulieren, und versucht die Wirtschaft, sich sämtlicher Regulierungen zu entledigen. Kapitalismus hat die Tendenz, global zu sein, Staaten und Regierungen aber sind national beschränkt. Deshalb wird auch die schönste nationale Tracht dem Kapitalismus auf die Dauer zur Zwangsjacke.

Gerade in der heutigen Zeit zeigt sich seine weltumspannende Herrschaft. Der Kapitalismus unterwirft sich nicht mehr der Herrschaft nationaler Regierungen und kann von diesen auch nicht mehr kontrolliert werden, gerade auf Grund der national begrenzten Geltungsbereiche dieser Regierungen. Diese haben ihren Einfluss auf die Industrien und Kapitalmärkte weitgehend verloren. Sie können weltumspannende Konzerne nicht mehr daran hindern, dorthin zu gehen, wo sie die besten Bedingungen der Kapitalverwertung finden. Ganz im Gegenteil zwingen diese zunehmend die nationalen Regierungen zu Zugeständnissen in der Gestaltung der Rahmenbedingungen, wie Zuschüsse in Form von Krediten und Subventionen, Schaffung günstiger Steuerkonditionen und viele andere Faktoren mehr, die die Ansiedlungsbereitschaft von Unternehmen beeinflussen sollen.

Die Aufgabe nationaler Regierungen besteht weitestgehend nur noch darin, die Auswirkungen des Handelns der übernationalen Industrien und Kapitale auf Umwelt und Bevölkerung zu regulieren und sozialen Frieden und gesellschaftliche Ruhe zu gewährleisten.

Dieser Prozess der Befreiung des Kapitals aus der nationalen Fessel und seine Erhebung zur bisher einzigen übernational gültigen und unumschränkt wirksamen Macht hört sich harmlos an. Es bedurfte aber zweier Weltkriege und unzähliger Niederschlagungen von Hunger- und Armutsrevolten der verzweifelten Völker dieser Welt, um sich auf diesen Zustand zu entwickeln, auf dem sich der Kapitalismus heute befindet.

Lenin hat in seinem Standardwerk über den „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ den Imperialismus als Kapitalismus bezeichnet, der sich im Zustand der Fäulnis befindet, als sterbenden Kapitalismus. Er hat damit die Illusion geweckt, dass die Tage des Kapitalismus gezählt seien und dieser an sich selbst bald zu Grunde gehen werde.

Die weitere Geschichte hätte Lenin eines Besseren belehrt. Nicht nur dass der Kapitalismus sich im Faschismus eine Herrschaftsform schaffen konnte, die sein ökonomisches Überleben sicherte, so konnte er nach der Zerschlagung des Faschismus sogar gestärkt aus dem Blutbad des Faschismus hervorgehen. Es gelang dem Kapitalismus, mit der Sowjetunion die ersten Anfänge sozialistischer Staatlichkeit niederzuringen und die umfassendste Durchdringung allen sozialen und wirtschaftlichen Lebens auf unserem Planeten zu erreichen, die je ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem erreicht hatte.

Aber als Lenin im Jahre 1917 seine Abhandlung über den Imperialismus veröffentlichte, die bis heute wie keine andere das Wesen des Imperialismus aufgedeckt hat, war es unmöglich, diese Entwicklung des Kapitalismus auf solch lange Sicht zu erkennen. Er konnte noch nicht ahnen, über welche Überlebenskraft und Wandlungsfähigkeit der Kapitalismus verfügt. Erst uns Heutigen ist an Hand der geschichtlichen Ereignisse in den fast hundert Jahren nach Lenins Buch diese Stärke des Kapitalismus bewusst geworden.

Und dennoch hatte Lenin mit seinem Ausblick nicht Unrecht. Nur was er für den sterbenden Kapitalismus selbst hielt war das allmähliche Absterben des national beschränkten Kapitalismus. Es war das Absterben der staatlichen Kontrolle über die Bewegungen der kapitalistischen Wirtschaft. Es war der Machtkampf zwischen Politik und Wirtschaft, der Kampf um die Vormachtstellung zwischen diesen beiden Instanzen.

Die Politik, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts besonders unter der Herrschaft der deutschen Kaiser noch immer die Wirtschaft zu beherrschen und in ihren Dienst zu stellen suchte, wurde in diesem Kampf immer schwächer und ist mittlerweile degradiert worden zum Erfüllungsgehilfen der Interessen der Wirtschaft, vorgetragen durch die wirtschaftlichen Interessenverbände.

Dieser Todeskampf der Vormachtstellung der Politik dauerte fast das ganze 20. Jahrhundert an und endete mit der Schaffung der übernationalen Wirtschaftsräume in allen Teilen der Welt und besonders der Entwicklung der Finanzmärkte zu einem globalen, durch nationale Institutionen nicht mehr beschränkbaren und kontrollierbaren Weltmarkt. Der Kapitalismus hat sich mit übernationalen politischen Instanzen wie der Europäischen Union der Gängelung durch nationale Gesetzgebung und Egoismen entzogen.

 

Der dem Kapitalismus innewohnende Zwang zur Kapitalverwertung treibt zu dieser Entwicklung, die ihn nicht nur der Kontrolle durch die Politik entzieht, sondern darüber hinaus sogar sich die Politik seiner Kontrolle unterwirft. Maßgeblich für dieses sein Vermögen ist der Entwicklungsstand, auf dem sich die kapitalistische Wirtschaft als System auf seinem Weg zur Durchdringung der Gesellschaft und des Planeten – also horizontal und vertikal - befindet.

So sind der Freihandel des frühen Kapitalismus, der noch des starken Schutzes durch den Staat bedarf, der Imperialismus, dem dieser Schutz allmählich zum Hemmnis wird, der Faschismus, der durch Terror sein Überleben sichert, oder der derzeitige sogenannte Turbokapitalismus, dem keine staatliche Grenze mehr gesetzt ist, abhängig vom Entwicklungsstandes des kapitalistischen Wirtschaftssystems und auch gleichzeitig dessen Ausdruck.

 

Nicht jedes Imperium ist imperialistisch

 

Um zum Wesen des Imperialismus vorzudringen, muss Scheinbares vom Substanziellen getrennt werden. Nicht alles, was als Imperialismus bezeichnet wird, ist auch wirklich Imperialismus, wenigstens nicht in der Form, die der zu untersuchenden Epoche ihren Namen gab. Andere als Imperialismus bezeichnete Erscheinungen müssen gerade über die Ebene dieser Erscheinungen hinaus untersucht werden auf das sie Treibende.

Nicht jede Eroberung oder Besetzung fremden Gebietes ist Imperialismus. Auch wenn die Erscheinungsform oberflächlich gesehen dieselbe ist, kann das Wesen, die treibende Kraft, vollkommen verschieden sein von der, die im Imperialismus trieb.

Als Beispiel für die Bedeutung, die gerade der Beurteilung der Triebkräfte bei der Untersuchung zukommt, mag die Politik der untergegangenen Sowjetunion angeführt werden, die weithin ebenso als imperialistisch bezeichnet wurde wie die ihres Kontrahenten, der USA.

Die Erscheinungsformen der Politik dieser beiden Weltmächte sind ähnlich. Beide verfügten über ein militärisches Bedrohungspotential, das nicht nur die Staaten des jeweils anderen Bündnisses einschüchterte sondern auch die Staaten im eigenen Bündnisbereich. Beide umgaben sich mit Staaten als Bündnispartner, die über eine nur eingeschränkte Souveränität verfügten. Nicht nur die Bedrohung des jeweils anderen mit dem eigenen mehrfachen Overkill sondern die Einschränkung der Souveränität der Bündnispartner und nahezu aller anderen Staaten, die dem eigenen Einflussbereich zugerechnet wurden, ließ die Politik beider als imperialistisch erscheinen.

Diese Bezeichnung wurde abgeleitet von den scheinbar ähnlichen militärischen und wirtschaftlichen Abhängigkeits- und Vormundschaftsverhältnis zwischen Kolonien und Mutterland einerseits und den Konflikt- und Bedrohungsszenarien andererseits, die sich zwischen den Zentralgestirnen dieser kolonialen Trabantensystemen entwickelt hatten.

Auch die Kolonien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts waren keine selbständigen Staaten. Sie unterlagen einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber den Mutterländern, das von der wirtschaftlichen bis aber auch zur vollständigen politischen Beherrschung durch die Mutterländer reichte. Und so wie die Kolonialstaaten sich nicht scheuten, die Abhängigkeit der Kolonien mit der Anwendung von militärischer Gewalt zu erreichen oder aufrecht zu erhalten, so scheuten sich weder die UdSSR noch die USA in den Zeiten des Kalten Krieges und der Systemkonkurrenz, ihre jeweiligen politischen, militärischen, wirtschaftlichen und Bündnisinteressen mit Waffengewalt zu sichern. Insofern besteht auf dieser Ebene scheinbar kein Unterschied zwischen den USA, der UdSSR und den früheren Kolonialstaaten

Hinzu kommt, dass wie auch die Mutterländer gegenüber ihren Kolonien so auch die Supermächte gegenüber ihren Satellitenstaaten wirtschaftliche Interessen verfolgten. Jedoch aber gerade im Charakter dieser wirtschaftlichen Interessen liegt der entscheidende Unterschied zwischen dem „Imperialismus“ der Sowjetunion und den USA einerseits und der Sowjetunion und den kolonialen Mutterländern andererseits.

Ist die Politik der ehemaligen UdSSR scheinbar der der Kolonialmächte und der USA gleich, so ist sie es in ihrem Wesen, auf der Ebene der treibenden Kräfte nicht mehr. Auf dieser Ebene hatte die Politik der UdSSR, wenn sie auch imperial ausgerichtet war, mit Imperialismus nichts zu tun.

Für die ehemaligen Kolonialstaaten und die USA spielt der wirtschaftliche Faktor eine ganz besondere Rolle. Waren die Kolonien in der Frühphase der kapitalistischen Entwicklung der Mutterländer billige Lieferanten von Rohstoffen, so wandelt sich diese Rolle zuerst zum Abnehmer von Produkten, die im Mutterland hergestellt wurden; später wurden sie sogar Ziel des Exports von Kapital, das in den Mutterländern nicht mehr ausreichend und rentabel angelegt werden konnte.

Ebensolche Funktion hatten auch die Staaten der westlichen Hemisphäre für die USA, aber auch für alle anderen kapitalistischen Länder. Innerhalb der westlichen Welt diente jedes Land als Anlagemöglichkeit von Kapital, nicht nur für die USA sondern für alle. Die westlichen Länder und ihre Märkte waren weitgehend offen für fremde Waren und fremdes Kapital.

Wenn die USA 1953 den Sturz der Regierung Mossadeq im Iran betrieben, so war ihr Motiv nicht nur die Eindämmung des Kommunismus, sondern auch der Schutz der bereits getätigten US- und anderer westlicher Investitionen. Es war auch die Offenhaltung dieses Marktes mit seiner Möglichkeit, nicht nur Waren hier abzusetzen sondern auch hier weiterhin Kapital investieren zu können.

Gleiches galt für Vietnam und Südostasien. Im Vietnamkrieg sollte nicht nur der Kommunismus zurückgedrängt werden, sondern das Land auch offen gehalten werden für die Möglichkeit, hier Kapital anlegen zu können.

Ebenso Chile 1973, wo mit amerikanischer Unterstützung das chilenische Militär eine Regierung stürzte, die gewählt worden war nach westlichen Maßstäben. Und dasselbe Motiv galt und gilt noch immer für alle amerikanischen und westlichen Interventionen, ob offen oder verdeckt, ob initiiert oder nur unterstützt.

Stand im Vordergrund immer der Kampf für Freiheit und Menschenrechte gegen tatsächlichen, vermeintlichen oder vorgegebenen Kommunismus, so stand dahinter immer auch der Kampf um die Erhaltung der Lebensgrundlage des Kapitalismus, die Kapitalverwertung. Und Kapitalverwertung ist kein ideeller Wert wie Freiheit und Demokratie, denen der Platz in den Köpfen ohne weiteres ausreichen kann. Kapitalverwertung kann sich nicht im Kopf abspielen, sie braucht reale Märkte in realen Ländern; sie braucht festen Boden unter den Füßen. Und deshalb darf nach kapitalistischer Logik kein Fußbreit dieses Bodens preisgegeben werden. Vielmehr muss sogar versucht werden, diese Länder für die Kapitalverwertung zurückzuerobern, die dieser seit der sozialistischen Revolution in Russland verschlossen waren. Mit dem Niedergang der UdSSR und der Zerschlagung Jugoslawiens waren die kapitalistischen Staaten diesem Ziel ein gutes Stück näher gekommen.

Und keinen anderen Hintergrund als die Ausweitung der Möglichkeiten der Kapitalverwertung haben die politischen Kampagnen gegen China und das vom Kommunismus gereinigte Russland, die daherkommen als der Kampf der USA und der EU für Menschenrechte und Demokratie. Sowohl in China als auch in Russland bestehen noch immer starke Einschränkungen für die Investitionsmöglichkeiten ausländischer Unternehmen. Hier bestimmen noch weitgehend der Präsident (Russland) und die kommunistische Partei (China) die Ziele der Entwicklung der Wirtschaft nach den nationalen Interessen, während die restliche Welt weitgehend ausgerichtet ist an den Interessen weltweit agierender Investoren.

 

Demgegenüber lag in der Politik der Sowjetunion gegenüber ihren Satellitenstaaten kein Kapitalverwertungsinteresse vor, wie wir es beim Imperialismus der Kolonialstaaten des 19. Und 20 Jahrhunderts oder den USA und den anderen kapitalistischen Staaten feststellen können.

Von diesem Kapitalanlage- und Kapitalverwertungsinteresse war das Interesse der UdSSR meilenweit entfernt. Sie verfügte nicht über überschüssiges Kapital, das mangels rentabler Anlagemöglichkeiten im eigenen Land hätte in andere exportiert werden müssen. Die UdSSR war selbst arm an Kapital. Alle finanziellen Mittel, die in die Ausrüstung und Stabilisierung anderer Staaten, wie die des Warschauer Vertrages oder ins China des Nachkriegszeit, ins Kuba der 1960er Jahre oder in das Vietnam und Afrika der 1970er Jahre, gesteckt wurden, fehlten für die Entwicklung des eigenen Landes.

Der Rubel konnte gegen westliche Währungen nicht eingetauscht werden und die Produkte der sozialistischen Staaten waren gegenüber denen der kapitalistischen auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig. Devisenzuflüsse zur Entwicklung der eigenen Wirtschaft erfolgten nur über den Verkauf von Erdöl

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 28.10.2016
ISBN: 978-3-7396-8084-2

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