My imaginary friend
Mit einem siegessicherem Lächeln schlenderte er durch die Straßen von Lincoln, Nebraska. ANGST, war jenes Gefühl, welches er die letzten Tage, Nein, Jahre, ununterbrochen verspürt hatte. Er trug eine zu weite Jeans, eine weiße Baseballcap eine braune Herbstjacke, seine dreckigen Schuhe beschmückten seinen Look. Es war Frühling. Alles geklaut. Mit diesem Outfit und einem beschwerlichen Gang wirkte er auffällig unauffällig in den Straßen der Stadt. Dazu kamen seine nervösen Blicke, die er jeden einzelnen Passanten zuwarf. Er dachte seine Angst wäre verschwunden, doch wie ihm auffiel, war sie größer denn je. Es war dieses Gefühl, welches ihm sagte, ihm könnte bald etwas zustoßen, ihm würde bald etwas zustoßen. Hoffen konnte er nur, dass es die Polizisten sein werden, die ihn zuerst finden. Mit seinen flinken Fingern schnappte er sich eine Zeitung bei einem der unzähligen Zeitungsständen in den Gassen. Jenen erkor er sich schon seit dem er ihn erblickt hatte. Von den hunderten von Menschen, die ihn umgingen, bemerkte niemand seine Tat. Wieso er sie überhaupt stahl, wusste er selbst nicht. Vielleicht war es einfach der Drang, den er schon einige Tage lang verspürte, etwas zu tun, was ihn in Schwierigkeiten bringen könnte. Etwas zu tun, was ihn auffliegen ließ. Die Zeitschrift ließ er in seiner Hosentasche verschwinden. Niemand hat etwas gesehen. Mit seinem Lächeln überspielte er seine Angst. „Ich habe es geschafft!“ Diese Worte wiederholte er immer und immer wieder in seinem Kopf. Irgendwie musste er seine Gefühle täuschen. Auch wenn er selbst seinen Worten keinen Glauben schenkte, muss man ihn loben. In den vergangenen Wochen ging er durch die Hölle und nun stand ihm und seinem neuen Leben in Freiheit nichts mehr in Wege.
Der Grund warum Bill Clain, oder wie er von seinen Mitinsassen liebevoll genannt wurde, Bill McClain, ins Gefängnis kam war regelwidrig. Alles was er machte war das Böse zur Strecke zu bringen. Es war jenes Böse, welches ihn verfolgte. Auch wenn er ungerecht verhaftet wurde, hatte er großes Glück. 1997 wurde die Todesstrafe in Colorado abgeschafft und nur ein Jahr später, in Mai, wurde Bill Clain zu einer Freiheitsstrafe von vier Mal Lebenslänglich verurteilt. So wie ihm und seinen neuen Leben nichts mehr im Wege stand, stand ihm und der Todesstrafe nichts im Wege. Alles nur wegen des Mordes an einem Kind.
Er schlenderte weiter durch die Straßen. Unbewusst, oder auch bewusst, rempelte er hin und wieder einige Passanten an, welche, bis auf eine Anmerkung in Form eines kurzen Aufrufes, keine weiteren Unternehmungen durchführten. Er blieb unauffällig. Nachdem er sich einige Schritte von jenem Zeitungsstand entfernte, holte er seine Beute aus der Hosentasche, um sie zu begutachten. Er hatte keine Ahnung was ihn in die Hände fiel. Weshalb er überhaupt sein Leben nur für eine Zeitschrift auf das Spiel setzte, wusste er noch immer nicht. Der Drang aufzufliegen! Er hatte Glück. Bei seinem Raubzug erbeutete er die Tageszeitung. Es war jene Zeitung vom 10 April 2023. Obwohl diese Datum alle Alarmglocken in seinem Kopf auslösen hätte sollen, beachtete er es nicht weiter. Stattdessen kam ihn eine andere Frage in den Kopf. Warum nannten ihn alle McClain?
So gut wie jeder riet ihm, im Knast Freunde zu finden. Bill jedoch hatte zur keiner Sekunde vor, an dem Ort, an dem er sein restliches Leben verbringen würde, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen. Er wusste nichts von den anderen Häftlingen und diese auch nichts von ihm. Alles was sie wusste war, dass er Bill Clain hieß. Bill McClain. Dieses Mc in seinem Nachnamen existierte nicht und dennoch ging jeder einzelne Häftling davon aus, dass er so heiße. In diesen 25 Jahren, die er im Knast verbrachte, hielt er es jedoch nie für notwendig die anderen Insassen zu fragen, weshalb sie glauben, er würde McClain heißen.
Schnell versuchte er diesen Gedanken wieder loszuwerden. Schließlich musste er sich an andere Dinge konzentrieren als die Zeit im Knast. Diese Zeit war nun vorbei. Er müsste sich keine Sorgen mehr machen, denn sie würden ihn nicht finden. ANGST trat wieder auf. Diese ständige Angst, die er schon seit 25 Jahren verspürte, wurde manchmal stärker und manchmal schwächer, doch sie blieb. Dieses schreckliche Gefühl fand seinen Höhepunkt einen Monat zuvor, als der Junge ihm gegenüber stand. Jener Junge.
Erneut versuchte Bill diese Gedanken loszuwerden und konzentrierte sich lieber wieder auf sein Diebesgut. Er las die Schlagzeile der Tageszeitung, von der er seinen Blick einige Zeit lang nicht abwendete.
„So- und so- viele Tonnen Müll liegen im Ozean!“, hieß es. Schnell blätterte er weiter. Ihn interessierte es im Moment nicht, wie es der Erde erging. Verständlich, wenn man solche Probleme hatte, wie Bill sie hatte. Er war auf der Flucht. Zwar wusste er nicht, wie viel Lösegeld auf seinen Kopf ausgesetzt wurde, doch er war ein Mörder von 11 Kindern und Jugendlichen. Auch wenn Bill nicht der hellste war, wusste er, dass sein Gesicht in so gut wie jeder Nachrichtensendung zu sehen sein müsste. Ob diese Zeitung ebenfalls ein Bild von ihm enthielt, wollte er nun herausfinden. Er blätterte durch die Seiten, ohne eine Schlagzeile zu lesen. Nachdem er ein Viertel überflog, blieb er jedoch an einem Texthängen. Es war wohl purere Zufall, vielleicht war es die rote Farbe, in der die Schlagzeile beschrieben wurde, doch er wählte genau diese aus, um mehr zu erfahren. „Kind tötet Frau mit Vampirzähnen aus Plastik!“. Das klang wie ein schlechter Scherz. Gespannt las er weiter, während er unbewusst, oder auch bewusst, einige Passanten anrempelte.
„Am Nachmittag des 22. April wurde in einer Kleinstadt in Grant, Perkins, der Notruf gewählt, nachdem Nachbarn einen Schuss hörten. Der Schuss kam aus einem verlassenen Haus. Nachdem die Polizisten eintrafen, fanden sie zu ihren Erschrecken zwei Leichen vor. Es handelte sich hierbei um eine junge Beamtin und einen kleinen Jungen. Die Identität beider Leichen wurde bereits festgestellt. Namen möchte die Polizei jedoch nicht preisgeben. Die Frau starb aufgrund Blutverlustes. Am Körper befanden sich dutzende Bissabdrücke welche nachweißlich von dem Jungen zugeführt wurde. Dieser hatte die Tatwaffe, Vampirzähne aus Plastik, noch in seinem Mund. Der Junge wurde erschossen. Die Tatwaffe, eine handelsübliche Pistole, lag am Tatort, jedoch wurden keine Fingerabdrücke festgestellt. Da die Beamtin keine Handschuhe trug, schließt die Polizei sie als Täterin aus. Somit ist der Täter noch auf freier Spur. Außerdem teilte der Polizeisprecher eine weitere Information bezüglich des Jungen mit. Dieser lebte nämlich in New York und wurde von seinen Eltern einige Tage zuvor als vermisst gemeldet. Wie der Polizeisprecher verriet, ist noch unklar, wie es der neun- jährige nach Nebraskas schaffte.“
Nachdem Bill diesen Artikel las , wurde sein siegessicheres Lächeln breiter. „Ich habe es geschafft“, wiederholte er. Sie wirkten. Langsam begann er an seinen Worte zu glauben.
Erneut überflog er den Artikel. Besonders wunderte er sich, dass von einer Beamtin die Rede war. Er fragte sich, ob sie in der Polizeiuniform getötet wurde, oder zivil unterwegs war. Dann fragte er sich, ob diese Beamtin, jene war, welche er einige Tage zuvor einen Besuch abstattete. GRANT!
Ein kalter Schauer kroch ihn über den Rücken. Wenn es sich bei dieser Beamtin um dieselbe handeln würde, der er zuvor alles erzählte, dann müsste das bedeuten, dass…
Bill blieb stehen.
Ein Mann im schwarzen Kapuzenpullover lief an ihm vorbei. Diesmal war es nicht Bill, der jemanden anrempelte, sondern er wurde angerempelt.
„Hey du Arsch!“, schrie er den Mann hinterher, welcher, ohne zu stoppen in Windeseile weiterlief.
„Schnappt den Dieb!“, rief ein älterer Heer. Er lief auf Bill zu.
Meinte er Bill? Wurde er entdeckt? Bill sah zu alten Mann und bemerkte, dass dessen Blicke nicht auf ihn gerichtet waren.
„Er hat eine Waffe!“, schrie eine Frau. Bill drehte sich zu dem Mann mit den schwarzen Kapuzenpullover um, der ihn anrempelte und den er soeben beleidigte. Der Mann lief nicht weiter sondern blieb stehen. Er richtete seinen Blick auf Bill. Jener Mann, mit dem Bill Augenkontakt austauschte, zückte seine Waffe und betätigte den Abzug. Die Kugel ging direkt in die rechte Brust von Bill Clain. Schreie ertönten. Blut quoll aus seinem Körper. Bill flog starr zu Boden. Das war sein Ende. Mit dem Rücken lag er dort, sein Blick in den Himmel gerichtet. Ein letztes Mal sah er dort hinauf. Mehrere Menschen versammelten sich und beugten sich über ihn. Einige schrien und zeigten Furcht, während andere verwundert wirkten. Verschiedene Leute zeigten verschiedene Emotionen. Doch es war nur dieser eine Junge, der lachte. Mit seinen leeren Augen und seinen breiten Lächeln, beugte er sich über Bill. Er hatte gewonnen! Dies waren seine letzten Gedanken, bevor er starb und die Menschen nur noch in seinen toten Augen blickten konnten. JOSH hat gewonnen!
Jimmy
Drei Jahre und fünf Monate zuvor:
„Guten Tag Dr. Phillips. Ich bin wohl Ihr Zwölfuhrtermin.“ Dies waren Johns Worte, nachdem er nervös an die Tür von Dr. Alfred Phillips Praxis klopfte und herein gebeten wurde. Ohne Worte blickte der Mann im weißen Hemd, der an seinen Schreibtisch saß und schon ungeduldig zu warten schien, auf die Uhr, die an der Wand hing. John tat ihm gleich. Die Uhr zeigte zehn Minuten nach zwölf an. Als John, Alfreds genervten Gesichtsausdruck sah, wusste er Bescheid.
„Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, jedoch…“
„Was fällt Ihnen ein, mich, auf Sie warten zu lassen?“, unterbrach Dr. Phillips.
„Wie bereits erwähnt möchte ich mich außerordentlich bei Ihnen Entschuldigen. Sie müssen wissen…“
„Verziehen Sie sich aus meiner Praxis.“, unterbrach der Doktor ihn erneut.
John versuchte die passenden Worte zu finden, doch er brachte nicht einmal einen Mucks heraus.
„Wissen Sie wie schwer es war, für Sie einen Termin unterzubringen, zwischen meinen strickten Zeitplan? Dass, Sie es überhaupt wagten, fünfzehn Tage zuvor anzurufen und ,mich, um einen Termin anbetteln.“, fauchte ihn der Doktor an, um die stille zu unterbrechen, welche herrschte, nachdem John den Doktor wortlos ansah.
„Ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen. Wie ich bereits beim Telefonat erwähnt habe, bin ich aus Colorado nach Michigan angereist, um bei Ihnen eine Sitzung abzuhalten. Sie sind der beste Psychiater denn die USA zu bieten hat. Ich möchte mir diese Chance nicht vermasseln.“, brachte John in Form von Gestotter heraus. Seine Nervosität wurde kein bisschen besser.
Dass er der Beste seines Faches war, wusste Alfred, dennoch gab es keine Quelle, die dies bestätigte.
John musste kein Hellseher sein, um zu bemerken, dass seine Worte den Doktor, der sich noch immer nicht von seinem Platz rührte, schmeichelten.
„Ursprünglich machten wir einen Termin, welcher eine Stunde lang andauern sollte, aus.“, sprach Alfred, sah auf die Uhr und fügte hinzu: „Sie haben noch 48 Minuten.“
John trat einen Schritt näher und bedankte sich. Danach reichte er seinen Gegenüber die Hand und stellte sich vor: „Mein Name ist John Myers. Doch Sie, Doktor, können mich John nennen.“
John wartete auf Alfreds Erwiderung, doch seine Hand blieb umgeschüttelt. Stattdessen sprach er: „Na schön, Mr. Myers, mit Ihren Vornamen spreche ich Sie Gewiss nicht an. Außerdem bitte ich Sie, mich nicht nur Doktor, sondern Dr. Phillips zu nennen. Ich habe mir diesen Titel hart erarbeitet und wünsche mir nun auch diese Anerkennung.“. Dies sagte er im ernsten Ton.
In diesem Moment zog John seine Hand zurück.
„Darf ich?“, fragte er und zeigte auf den Stuhl, welcher gegenüber dem des Doktors stand. John erwartete eine kurze Antworte wie zum Beispiel: „Gewiss.“ Stattdessen zeigte Alfred mit einer Handbewegung, dass sich John setzten dürfe. John rückte den Stuhl zurück, ließ sich nieder und klopfte mit beiden Händen auf seine Oberschenkel. Zwischen den Patienten und den Arzt herrschte Blickkontakt. Schweigen.
Erst als sich John niederließ, bekam er einen guten Eindruck der kleinen Praxis. Zuvor war er sehr nervös, doch dadurch, dass er sich setzen konnte, verschwand diese Nervosität.
Doktor Alfred Phillips Praxis, wenn man sie so nennen möchte, war nicht gerade groß. Ein schwarzer Schreibtisch aus Glas und zwei Stühle, welche nicht gerade hochwertig wirkten, hatten jedenfalls so viel Platz, um den Raum nicht zu überfüllt wirken zu lassen. Neben den Schreibtisch und den Stühlen, befand sich noch ein weißes Regal in dem Raum. Dieses stand in der Ecke und stach vor den weißen Wänden kaum hervor. Alles wirkte wie abgestimmt. Sauber. Lediglich die hölzerne Uhr war fehl am Platz. Die typische, braune, Liege aus Leder, welche das Klischee einer Psychiatrische Praxis war, fehlte.
„Haben Sie sich genug umgesehen?“, fragte der Mann, der gegenüber John saß, verärgert. John fokussierte sich wieder auf den Doktor und entschuldigte sich. Seine Gesichtszüge glichen seiner Stimmlage. Verärgert. Dr. Alfred Phillips hatte kleine Augen, welche ihn zur asiatischen Kultur hinzugehörig vermuten ließen. Dazu kam seine Brille und seine, zur Seite gegelten, schwarzen, Harre.
„Dr. Phillips, zuerst einmal möchte ich mich erneut bedanken, dass…“.
„Sie hatten 60 Minuten und haben bereits vierzehn davon von meiner Zeit verschwendet.“, sprach er, nachdem sein Blick erneut auf die Uhr viel. Die Uhr an der Wand, obwohl John eindeutig eine silberne Armbanduhr unter seinem Hemd erhaschte. Alfreds, bereits zugekniffenen Augen wurden immer kleiner. Seine Hände bildeten Fäuste, die auf den Glastisch lagen. Neben diesen, befand sich auf den Schreibtisch außerdem ein zugeklappter Laptop, ein Telefon und eine Mappe. Alles in Weiß und Schwarz gehalten. Dann fiel John noch etwas auf. Hinter der Mappe befand sich ein Bilderrahmen. Dieser hatte eine ähnliche hölzerne Optik, wie die Uhr.
Ohne auf die erneute Aufforderung des Doktors zu warten, fokussierte sich John wieder auf ihn.
„Ich weiß, um ehrlich zu sein, nicht wie unser Gespräch abläuft. Was sollte ich tun.“ John konnte ausnahmsweise seinen Satz zu Ende bringen.
„Was meinen Sie, Sie wissen nicht was Sie tun müssen? Ich bin hier, um Ihr Problem zu analysieren. Sie erzählen mir Ihre Beschwerden und ich analysiere sie. Das ist doch nicht so schwer.“, schrie der Doktor regelrecht seinen Patienten an.
Nun wurde John noch nervöser als er bereits war.
„Ich sollte Ihnen also alles erzählen?“, fragte John. Er brachte diese paar Worte gerade noch heraus.
„Sicherlich werde ich mir nicht Ihre Lebensgeschichte anhören. Alles was ich wissen will, ist warum Sie hier sind. Warum sie einen Psychiater aufgesucht haben.“ Die beiden Fäuste, die er auf den Tisch schlug, beendeten seinen Satz.
„Ich bin hier, bei Ihnen, weil ich nicht weiß zu wem ich sonst gehen sollte. Um ehrlich zu sein sind Sie nicht der erste Psychiater, bei dem ich mir eine Stunde nahm. Ich war bei einem, in meiner Jugendzeit, und bei einem, das ist noch gar nicht so lange her.“, sprach John.
„Sie erzählen mir also Sie haben bereits zweimal die Erfahrung mit Leute meines Faches gemacht und wissen nun beim dritten Mal noch immer nicht wie so eine Sitzung abläuft?“ John wurde verlegen.
„Naja, die anderen beide Male lief alles anderes ab. Beide Male konnte man mir nicht weiter he…“ Erneut unterbrach Alfred, John.
„Wissen Sie was, mich interessiert das nicht. Erzählen Sie einfach, weshalb sie diesen weiten Weg, von Colorado nach Flint, auf sich genommen haben.“ Alfred beruhigte sich zwar ein wenig, doch in seiner Stimmlage erkannte man, dass er noch immer genervt war.
„Jedoch sind diese beiden Besuche ein Teil meiner Geschichte.“, sprach John mit dem Wissen, dass irgendetwas falsch an dieser Aussage gewesen sein muss. Er erkannte es an Alfreds zugekniffenen Augen.
„Welche Geschichte?“, bekam er zu hören. Alfred war wütend
„Ich bin hier weil ich Ihnen eine Geschichte erzählen möchte. Grundsätzlich geht es um meinen Sohn, er heißt Simon. Simon, naja, er sieht diesen Jungen.“
„Dann wäre es besser, wenn Ihr Sohn eine Sitzung bei mir nehmen würde.“
John erzählte weiter: „Nein, nicht nur er sieht diesen Jungen, sondern ich auch.“.
Dieses Mal hatte er jedoch keine Sorge etwas Falsches gesagt zu haben. Er war kurz davor seinen Redefluss zu starten. Er war kurz davor, seine Geschichte zu erzählen
„Mir reicht es, gehen Sie.“ Alfred wirkte noch vergleichsweiße ruhig .
„Sie verstehen mich nicht. Dieser Junge verfolgte mich bereits in meiner Jugend und jetzt...“
„GEHEN SIE!“ Alfred stand auf und zeigte mit dem Finger auf die Tür, welche John in diesem kleinen Raum mit Sicherheit auch ohne Anweisung gefunden hätte.
John, jedoch, stand nicht auf, sondern blieb sitzen. Er warf ein Blick auf die Uhr.
„Ich habe noch 43 Minuten.“ Seine Nervosität wirkte wie weggeblassen. Von der einen, auf die andere Sekunde. Alfred sah ihn voller Entsetzen an. Er sah zu John, mit demselben Blick, wie ein Erwachsener zu einem Kind, welches soeben eine Beleidigung ausgesprochen hatte. Dennoch, Alfred saß sich wieder auf dem Stuhl hin.
„Was haben sie zu verlieren?“, fragte John. Dies sagte er beinah schon übermütig. Mit einer gewissen Arroganz.
Alfred schien sich zu beruhigen doch der Schein trügt. Sofort sprang er wieder hoch und schrie: „Verlassen Sie sofort meine Praxis! Das lasse ich mir nicht gefallen!“
„Ich werde selbstverständlich auch bezahlen. Ich biete Sie, nein, ich flehe Sie an. Glauben Sie mir, wenn Sie mich durch diese Tür schicken, könnten meine Frau und mein geliebter Sohn sterben.“
Alfreds Aufmerksamkeit wurde geweckt. Erneut ließ er sich auf den Stuhl fallen.
„Meinetwegen. Ich höre Ihnen bis zu einem gewissen Grad zu, nur solange es sich im Ramen hält. Beginnen Sie.“, befahl er.
„Vielen Dank. Ich werde Ihnen nun eine Geschichte, über Freundschaft, Zusammenhalt, Schmerz und vor allem Angst, erzählen.“
Noch hatte John so viele Fragen, wie, warum Dr. Phillips keine Sekretärin hatte oder weshalb die Uhr dort hing wo sie hing, doch John wusste, dass diese zweitrangig waren und konzentrierte sich nun völlig auf seine Geschichte.
„Vielleicht werden Sie denken, dass diese Geschichte nicht wahr sein wird, dass sie nicht wahr sein kann, doch ich schwöre darauf, sie ist es. Denn das wichtigste ist: Ich bin nicht verrückt.“
„Dies entscheide ich noch immer selbst.“ So lauteten Dr. Alfreds Phillips letzten Worte, die John von ihm wahrnahm.
„Um Ihnen zu erzählen, weshalb ich eigentlich hier bin, muss ich weit ausholen. Denn eigentlich begann alles schon in meiner frühsten Jugend. Wir schreiben das Jahr 2002. Ich war gerade erst vierzehn Jahre alt geworden und sah auf keinen Fall so aus wie ich es heutzutage tu. Ich war dick, noch nicht fett, aber dick. Meine braunen Augen wurden darunter auch von einer runden Brille bedeckt. Heutzutage trage ich übrigens Kontaktlinsen. Ich sah eben nicht gerade aus, wie ein Model. Um nicht lange um den heißen Brei zu reden: Ich war hässlich.“
Hässlich, so wie John sich beschrieb, war der Mann, welcher im Jahre 2019 seine Geschichte erzählte, nicht . John Myers´ Körperbau war der, dem man als Norm bezeichnen könnte. Er war nicht dick, nicht dünn und aus ihm sprossen keine Muskeln hervor, wie bei einem Bodybuilder. Garantiert könnte man einen Sixpack und Adern an den Armen erkennen, hätte er sein Shirt, welches er an hatte, ausgezogen. Auch sein Gesicht war nicht „hässlich“, wenn man es so sagen kann. Um seine vollen Lippen wuchs ein Dreitagebart. Seine Zähne strahlten im hellen Glanz. Es waren keinerlei Ungereimtheiten, wie Pickel, zu erkennen. Dazu kamen seine Harre, welche schulterlang wuchsen und leicht gelockt waren. Ja, um John Myers zu beschreiben, er war ein recht gutaussehender Mann.
„Sie fragen sich bestimmt, was mein Damaliges aussehen, mit meinem Erscheinen bei Ihnen, zu tun hat. Dazu kann ich nur so viel sagen, es hat in der Tat viel damit zu tun. Hätte ich gut ausgesehen, der Norm entsprochen, wäre ich beliebt gewesen, womöglich, und hätte Fred nicht kennengelernt, womöglich. Fred war niemand, der mir das Leben schwer machte. Fred war derjenige, weshalb ich noch lebe. Denn er hat mir das Leben gerettet.
Bevor ich Ihnen mehr über Fred erzähle, meinen besten Freund, muss ich Ihnen noch einige Dinge erklären.
Meine Kindheit und Jugend verbrachte ich in einer kleinen Stadt, die zwischen Hoylike und Julesburg lag. Nahe an der Grenze zwischen Nebraska und Colorado. Bis zu meinem neuzehnten Lebensjahr lebte ich in derselben Kleinstadt, doch nicht immer im selben Haus. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Meine Mom, welche vor nicht allzu langer Zeit von uns ging, erzählte mir auch nicht viel von ihm. Er sollte Michael geheißen haben. Gleich nach meiner Geburt verschwand er. Der Grund der Trennung ist mir zwar nicht genau bekannt doch meine Mom erzählte mir einmal, es hätte etwas mit seinem Nachnamen zu tun. Anscheinend sollte er einen bescheuerten Nachnamen wie Gaiman gehabt haben und wollte daher unbedingt den Nachnamen seiner Frau annehmen, um seinen Kindern nicht dieselbe Qual anzutun, welche er mit seinem Nachnamen hatte. Was mit den Nachnamen meiner Mutter falsch war und weshalb er diesen nicht annehmen konnte, ist mir nicht klar. Wie gesagt, so erzählte es mir zwar meine Mom, doch ich zweifle an dieser Geschichte. Doch um meinen leiblichen Vater sollte es auch nicht gehen. Wichtig ist mein Stiefvater, nein, eigentlich der damalige Freund von meiner Mom.
Meine Mom hatte nach meiner Geburt sehr viele Freunde. Doch so schnell sie diese auch fand, so schnell trennte sie sich wieder von ihnen. Ich habe zwar nicht mitgezählt, doch zwischen meinen fünften und vierzehnten Lebensjahr waren es mindestens zehn „Liebhaber“, die meine Mutter hatte. Nachdem meine Mom dachte, sie hätte den richtigen gefunden, zogen wir zusammen in eine Wohnung. Nachdem die Beziehung scheiterte, zogen wir wieder um. Deshalb wechselten wir jährlich unser zuhause.
Unter ihren Freunden befanden sich nette Kerle, wie Dave, mit dem sie sich sogar verlobte, und dann gab es wiederrum andere, welche stanken, zornig wurden oder einfach nur schrecklich waren. Steve gehörte zu dieser Kategorie. Über Steve werde ich in den nächsten Minuten noch genug, mehr als Sie sich wünschen, zu sprechen kommen, denn er war es, der mit meiner Mutter gefickt, entschuldigen Sie mich für meine Wortwahl, zusammen war, als der Junge mein Leben ruinierte.
Steve, dessen Nachname ich mir nie merken konnte, war die schlimmste Person, die ich kannte. Bis heute weiß ich nicht, wie meine Mom so blind sein konnte und nicht sah, was er mir alles antat. Steve schlug mich, beleidigte mich und behandelte mich so, als wäre ich kein Mensch gewesen, und dennoch, antwortete meine Mom auf seinen Heiratsantrag mit einem „Ja“. Zwar kann ich nichts bestätigen, doch ich bin mir sicher, dass meine Mom einen schlechten Ruf in der Kleinstadt hatte. Schließlich wechselte sie ihre Freunde so, wie ihre Unterwäsche.
Sie dürfen mich nicht falsch verstehen, ich liebte meine Mom, doch nur solange sie auch mich liebte und dies tat sie wohl spätestens nicht mehr, als sie Steve kennenlernte.
Mit Steve zogen wir in ein Mehrfamilienhaus nahe der Schule. Wir lebten dort in einer kleinen Wohnung, hatten nicht einmal ein Wohnzimmer, doch solange ich mein eigenes Zimmer hatte, war alles gut. Zimmer, wenn man es so nennen möchte. Ein Bett und eine Kommode für meine Klamotten, nicht einmal ein Schreibtisch, hatten in dieser kleinen Abstellkammer Platz.
Ich denke Sie haben nun einen kleinen Eindruck meiner damaligen Lebenssituation bekommen, welche bei mir zuhause herrschte. Ich lebte quasi bei den Dursleys, Sie wissen schon, Harry Potter.
Wenn man, in Zeiten, wo andere ihr erstes Mal haben und mit Sicherheit ein Date für den Schulball bekommen, nicht gut aussieht, dann hat man es sehr schwer. Wobei, das ist eine Lüge, schon mein ganzes Leben hatte ich es sehr schwer. Beginnen wir in der Vorschulzeit. Vielleicht war es das eine Meerschweinchen, das ich zu fest drückte und somit tötete, welches mir all das einbrockte. Nach diesem Vorfall wurde ich nämlich nur mehr als „Guinea pig boy“, bezeichnet. John Myers war tot. Jeder, ausnahmslos jeder, nannte mich „Guinea pig boy“. Es ist wirklich nicht schön wenn über 20 Kinder, darunter auch Mädchen, welche man süß fand, einen jeden Tag mobbten. Ich war ein Außenseiter, doch keiner der Sorte, der einfach in Ruhe gelassen wurde. Sei es Kaugummis auf meinen Stuhl oder Fußbälle, welche andere mit Absicht in mein Gesicht schossen.
Umso mehr ich über meine damalige Jugend nachdenke, umso mehr realisiere ich, dass mein damaliges Leben einfach nur scheiße, ich entschuldige mich erneut, nicht gerade schön war.
Ich hatte keinen Freund.
Damit konfrontierte mich auch meine Mom des Öfteren. Dass sie mich nicht mochten, verbargen meine Klassenkammeraden vor niemanden, nicht einmal vor ihn. Wenn sie mich damals von der Schule abholte, verabschiedeten sich manche mit: „Mach´s Gut „Guinea pig boy““, oder beleidigten mich sogar als „Trottel“. Meine Mom suchte hierbei nicht die Schuld bei den Schülern. Es wäre womöglich hilfreich gewesen, wäre sie bei einem Elternsprechtag aufgetaucht, doch das tat sie nie. Stattdessen gab sie mir die Schuld. Sie meinte, ich müsse mir Freunde suchen. Einen Rat, welcher darüber hinaus ging, gab sie mir jedoch nicht. Seit meinem sechsten Lebensjahr, sagte sie mir tagtäglich dasselbe: „Suche dir Freunde.“ Dass dies nicht gerade einfach war, verstand sie jedoch nie.
Steve mochte mich von Anfang an nicht und als er erfuhr, dass ich ein „Loser“ war, zog er mich in jedem Moment, in dem er die Möglichkeit hatte, auf. Wenigstens hatte er was zum Lachen.
Zwar störte es mich, wie Sie sich vorstellen können, dass ich jeden Tag schikaniert wurde, doch dass ich keine Freunde hatte, war mir gleichgültig. Ich würde sagen, ich war damals ein sehr introvertierter Junge. Ich brauchte keine Freunde, um Spaß zu haben. Mir reichte mein Gameboy und der Sattler Forest.
Am anderen Ende der Stadt gab es einen riesigen Wald. Viele mieden ihn, da in den achtziger Jahren dort ein kleines Mädchen verschwand. Mit meinem Bike fuhr ich jedoch öfters in diesem Wald. Ich fuhr über die Wurzeln und, wie sollte ich das sagen, spielte alleine dort. Dort konnte ich alleine sein. Das gefiel mir. Ich mied erst den Wald, als ich in diesem beinah starb. So wie das Mädchen welches nie wieder mehr auftauchte.
Ich möchte mich nicht allzu sehr beschweren, auch wenn ich das bereits getan habe. Auch wenn ich es in meiner Jugend schwer hatte, war ich nicht alleine. Dazu komme ich auf Fred zurück. Fred, dessen Nachnamen ich ebenfalls vergaß, ich habe es nicht so mit Nachnamen, kam im November 2002 in unsere Klasse. Etwa einen Monate vor „ihm“. Wie ich später erfuhr, zog er ebenfalls, so wie ich, des Öfteren um. Schon als er die Klasse das erste Mal betrat, bevor er ein Wort sagte, tat er mir leid. Wie gesagt lebte ich in einer Kleinstadt. Jeder kannte jeden. Es gab nicht mehr als 1500 Einwohner und unter diesen 1500 hatten alle dieselbe Hautfarbe. Nun stand Fred plötzlich vor der Klasse, dessen dunkler Hautton ihn aus der Masse herausstechen ließ. Um es auf dem Punkt zu bringen: Fred war schwarz.
Denken Sie bitte nicht falsch von mir. Als ich Fred das erste Mal sah, hatte ich kein Problem, dass er eine andere Hautfarbe hatte. Ich bewerte keinen Mensch nach seinem aussehen. Das mach ich nicht, weil ich selbst zu spüren bekommen habe, wie dieses Gefühl ist. Nur weil ich etwas dicker war und eine Brille trug, würde ich als Loser abgestempelt und auch wenn ich ein Loser war, wie ich zugeben muss, wurde ich von so gut wie jeden nur auf mein Aussehen reduziert.
Ich hätte Fred niemals diskriminiert, nur weil er afroamerikanischer Abstammung war, doch die anderen würden es tun. Dies war mir bewusst als Fred vor der Klasse stand. Es war mir schon klar, bevor meine Klassenkameraden anfingen zu tuscheln, was sie gleich darauf schon machten. Für viele war Fred wohl der erste dunkelhäutige, welcher ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand. Mich eingeschlossen.
„Fred, möchtest du dich der Klasse vorstellen?“, fragte unsere Lehrerin Ms. Finch ihn. Fred schwieg. Er blieb ruhig stehen und gab keinerlei Antwort. Ein Kopf schütteln hätte es auch getan, doch er bewegte sich kein Stück und wirkte wie eingefroren. Die anderen tuschelten weiter.
Da Fred keinerlei Antwort gab, erzählte unsere Lehrerin etwas über ihn. Fred…, ja wie hieß er noch, zog wegen eines Vorfalles, den Ms. Finch nicht weiter erläuterte, aus Hoylike mit seiner Familie in ein Haus nahe der Stadt Grenze. Er wurde ein Jahr später eingeschult und wurde vor kurzem fünfzehn. Das war der erste Eindruck, den wir von Fred sammeln konnten. Da er selbst nichts sagte, wussten wir nicht, ob er ein guter Schüler war, welche Hobbys er hatte oder ob seine Familie wohlhabend war und auch den Grund für seinen Umzug würde nur ich erfahren
Als unsere Lehrerin die kurze Vorstellung beendete, bat sie Fred, sich an den letzten freien Platz in der hintersten Reihe zu setzten. Der Junge, welcher ein guten Kopf größer als ich und halb so breit wie ich war, bewegte sich mit gesenkten Kopf an den Pulten vorbei, in die hinterste Reihe. Alle starrten ihn währenddessen an und tuschelten weiter. Sie tuschelten so, dass er es mitbekommen musste. Ich hingegen lag mit meinem Kopf auf dem Schuldpult und dachte mir nur eines. „Hoffentlich lassen sie mich nun in Ruhe.“
Ja, das war ein sehr egoistischer Gedanke, doch ich hoffte sehr, dass Fred nun das Opfer werden würde, welches von meinen Mitschülern gemobbt wird. Ich behielt recht. Fred wurde gemobbt, doch das stoppte niemanden, auch mich zu mobben. Im Gegenteil, es wurde schlimmer.
Kurz bevor Fred seinen Platz erreichte, fiel aus dem nicht jenes Wort, welches wohl ein Großteil der Schüler im Gedanken hatte. Jeremy Anderson, entfiel das N-Wort. Ohne irgendwelchen Grund und mit purer Absicht.
„Jeremy“, schrie Ms. Finch, mehr nicht. Jeremy, der seine Augen zuvor auf Fred richtete, drehte sich sofort um und sah sie nervös an. Alle sahen Ms. Finch nervös an. Ms. Finch sah hingegen Jeremy mit einer wütenden Miene ins Gesicht, doch verlor kein weiteres Wort hingegen aller Erwartungen. Fred setzte sich, ohne auf Jeremys Wort, Beleidigung, die es sein sollte, zu reagieren, auf seinen Platz. Genauso wie ich es zuvor tat, legte er seinen Kopf auf sein Pult. Ich konnte mir gut vorstellen was sich Fred in diesem Moment dachte. Vor allem wurden mir seine Gedanken bewusst als er seinen Blick auf mich richtete. Er sah müde und gleichzeitig traurig aus. Sein Blick sprach Bände. Genauso wie ich hatte er keine Lust mehr auf diese Klasse, auf diese verdammte Stadt, ich entschuldige mich, auf diesen Scheiß, und obwohl wir denselben Gedanken hatten, wusste ich noch nicht, dass dieser Junge mir das Leben retten würde. Der Unterricht wurde fortgeführt während Fred und ich weiterhin dieselben Blicke austauschten. So habe ich Fred kennengelernt.
In den darauffolgenden Wochen gab es keine besonderen Vorkommnisse. Alles was ich versuchte war zu überleben. In der Schule, so wie zuhause. Dass wir einen neuen Schüler bekamen, war mir zu Beginn gleichgültig. Er wurde gehänselt und ich wurde gehänselt. Wir tauscht keinerlei Wörter aus, lediglich Blicke, wenn wir beide dasselbe zu denken schienen. So verging die Zeit, bis März recht schnell. Der Schnee, welcher im damaligen Winter am Boden lag, schmolz langsam. Es wurde Frühling und Zeit wieder meine freien Stunden draußen zu verbringen. In den kalten Jahreszeiten verbrachte ich die Nachmittage sowie die Wochenenden im Haus. Dort nutze ich die Zeit aber nicht sinnvoll, sondern vor meinen Gameboy, welchen ich Jahre zuvor bekam. Zwar machte es mir Spaß mich mit Videospielen zu unterhalten, doch lieber war ich draußen auf meinem Bike. Ja, mein Bike. Dieses beschert mir heute noch gute Erinnerungen
Mitte März holte ich mir, nach über drei Monaten, endlich wieder mein Bike aus dem Keller und fuhr los. An jenem Tag fuhr ich jedoch nicht gezielt in den Sattler Forest, sondern dorthin wo mich meine Gedanken brachten. Mit meinen klumpigen Kopfhörern und einen ebenso klumpig und alten Discman, fuhr ich durch die Straßen und hörte währenddessen immer wieder denselben Song. Ironischer Weiße kann ich mich noch genau an Steves Lieblings Song erinnern, welchen er täglich unter der Dusche sang und ich mithören musste, doch nicht an jenen Song, den ich mir damals ununterbrochen anhörte. Ich weiß nicht einmal wer ihn sang, geschweigenden wie er hieß
Jedenfalls war mein erstes Ziel mit meinem Bike ein kleiner Spielplatz am Ende der Stadt. Dort hielt ich kurz an. Da niemand zu sehen war, setzte ich mich auf das kleine Drehkarussell und drehte mich mit diesem einige Runden. Ich weiß, ich weiß, aber denken Sie bitte nicht von mir ich sei ein Autist. Mir war es damals schon klar, dass das, was ich in diesem Moment tat ,äußerst kindisch war, doch genau dies machte mir Spaß. Ich hatte so viel Spaß wie schon lange nicht mehr, als ich im Drehkarussell kreiste. Neben dem Spaß, welchen ich verspürte, spürte ich auch Angst. Ich hatte Angst, dass mich jemand sehen könnte. Schnell beließ ich es auch, stoppte das Karussell und setzte mich wieder auf mein Bike. Ich fuhr weiter den Hügel hoch, mit dem Wissen, was mich oben erwarten würde. Am Ende der Stadt, auf dem letzten Hügel, welcher kaum besucht wird, stand ein 24/7 Store. In diesem Store arbeitete Steve. Zu meinem Bedauern jedoch arbeitete Steve lediglich in der Nachtschicht unter der Woche. Ich glaube seine Arbeitszeit ging von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens. Dies war die Zeit, in der ich schlief, somit ich Steve an der Backe hatte, wenn ich wach war.
Deswegen konnte ich an jenem Nachmittag auch ohne schlechten Gewissen in diesem Store mir einen Schokoriegel kaufen, sobald ich das Ende des Hügels erreicht hatte. Nachdem ich meinen Riegel verputze, welcher mein letztes Taschengeld für diesen Monat kostete, rollte ich mit Höchstgeschwindigkeit den Hügel wieder abwärts, vorbei am Spielplatz. Erneut muss ich an Ihnen appellieren. Das, was ich Ihnen erzähle, ist keinesfalls unwichtig. Denn als ich erneut den Spielplatz passierte, sah ich ihn das erste Mal.
Es war unsere erste Begegnung. Da ich nicht stoppte, sah ich den Jungen nur für etwa fünf Sekunden, doch ich bin mir sicher, dass es sich bei den kleinen, blonden Jungen, welcher einen blau-weiß gestreiften Pullover trug, um Jimmy handelte. Nicht lange fuhr ich weiter, ohne mir dabei Gedanken zu machen. Solange jedenfalls, bis ich mich beobachtet fühlte. Ich hatte solch Gefühl das erste und bis jetzt einzige Mal, weshalb ich es auch kaum beschreiben kann, doch, obwohl sich niemand in der Nähe befand, fühlte ich eine Präsenz, eine sehr starke Präsenz. Vielleicht war es auch nur eine Vorahnung davon, was mich noch erwarten würde. Hingegen jeder Logik versuchte ich aber nicht so schnell wie möglich wegzukommen, sondern machte einen Halt und sah mich um. Ich befand mich auf einer Straße, in Mitte von einigen Häusern und dennoch war nichts und niemand zu sehen, obwohl das Gefühl der Beobachtung immer stärker wurde. Nachdem ich mich genaustens umsah, versuchte ich so schnell wie möglich wieder nachhause zu kommen. Dieses Gefühl war äußerst unangenehm.
Der Weg war nicht weit und so schaffte ich es vor dem Sonnenuntergang das Wohnhaus zu erreichen. Womöglich, nein, wahrscheinlich war dies meine erste Begegnung mit dem Teufel höchstpersönlich. Bitte nicht falsch verstehen, es handelte sich hierbei nicht wirklich um den Teufel, doch für mein Empfinden musste er es gewesen sein.“, fügte John noch verlegen hinzu und wendete den Blick des Doktors ab.
„Zwei oder drei Tage vergingen, es war Samstag.
Mit meinem Bike fuhr ich in den Sattler Forest. Wie ich es immer tat, sauste ich zwischen den Wurzeln der Bäume, welche aus dem Boden sprossen. Diese Fahrten waren eine waghalsige Angelegenheit, dies gebe ich zu, doch da ich solche Manöver beinah täglich absolvierte, fuhr ich, ohne jegliche Gedanken oder mir Sorgen zu machen. Man möchte meinen, mir könnte dabei nichts mehr passieren, so dachte ich, doch irrte mich. Aus dem nichts schien eine Wurzel aus dem Boden zu springen, in die ich mit meinem Bike hängen blieb. Es fühlte sich an, als hätte mir jemand ein Bein gestellt. Mein Bike und ich überschlugen sich mehrmals. Auf dem Boden voller Wurzeln gab es nichts, was meinen Aufprall stoppen hätte können, somit ich mich auch verletzte. Es dauerte, bis mein Körper in eine ruhige Lage kam und sofern dies passierte, spürte ich den Schmerz wessen ich absonderte. Mein ganzer Körper schmerzte. Umso mehr wunderte es mich, dass mein Körper keinerlei Schrammen aufwies und offensichtlich auch kein Knochen gebrochen waren. Ich hatte Glück, dass ich mir mein Genick nicht brach oder etwas anderes ausrenkte. Im Gegensatz zu meinem Bike. Denn als ich mir dieses ansah, humpelnd suchte ich es und fand es sofort, wurde mir erst klar, wie Gefährlich dieser Sturz war. Mein Bike, das Einzige was mir Freude bereitete, war zerstört. Beide Räder waren verbogen, der Lenker war ab und das Gestell wies, im Gegensatz zu mir, dutzende Kratzer auf. Bei diesem Anblick hätte ich heulen können und wenn ich ehrlich sein sollte, flossen ein paar Tränen die Wange herab. Es war zerstört und mir war klar, ich würde kein neues bekommen. Aus purer Wut trat ich gegen das Gestell. Dabei stieß ich mir einen meiner Zehen. Weiterhin humpelnd und mit einem Gefühl von Trauer und Wut, machte ich mich auf dem Weg ins Wald innere. In diesem Moment war mir selbst nicht Bewusst, was ich dort noch zu suchen hätte jedoch wollte ich alles andere als zurück nachhause. Nach einigen Minuten planlosen herumirren, fand ich dann dass, wonach zwar nicht ich doch anscheinend mein Instinkt gesucht hatte. Staunend blickte ich nach oben in den Laubbaum, welcher zwischen den Nadelbäumen stand. Nicht der Laubbaum war das bewundernswerte, sondern jenes Baumhaus, welches sich in diesem befand.
Ja, Sie haben richtig gehört, mitten im Wald, in welchem ich mich so gut auskannte wie niemand anderer, befand sich ein prächtiges Baumhaus auf einem großen Laubbaum, welches ich ohne Zweifel das erste Mal sah. Die Bretter, aus denen es gebaut wurde, waren alle samt säuberlich abgeschliffen. Das Dach war dazu mit Blättern bedeckt. Dieses Baumhaus wurde ohne Zweifel von jemanden erbaut, der Ahnung von seinem Werk hatte. Es wirkte nicht echt, sondern wie aus einem Film oder Traum. Eine Strickleiter führte nach oben. Langsam bewegte ich mich auf diese zu. Meine Hand berührte bereits eine der Sprossen, welche ebenfalls abgeschliffen war. Ich hebte meinen Fuß, um auf die Strickleiter zu steigen und das Baumhaus zu betreten, doch…
Aus dem Nichts kam jemand auf mich zu gelaufen. Zwar sah ich niemanden, doch ich hörte ihn. Es handelte sich dabei um schwere, sehr schwere Schritte, welche näher kamen. Der Boden begann zu wackeln. Ohne lange nachzudenken, rannte ich los. So schnell wie ich konnte entfernte ich mich von den Schritten, tiefer in den Wald hinein. In diesem Moment war mir egal, ob Monster oder achtzehnjährige mir nachliefen. Alles was ich fühlte war Angst.
Nach nur kurzer Zeit, mein ganzer Körper schmerzte schon von Anfang an, ging mir die Puste aus. Dennoch rannte ich weiter, ohne mich umzudrehen. Nach einer gefüllten Meile jedoch blieb ich stehen. Ich blieb nicht stehen, weil mein Körper nicht mehr konnte. Ich blieb stehen, weil ich am Horizont angekommen war. Ich realisierte es zwar erstaunlich spät, doch ich hatte das Ende des Waldes erreicht. Anscheinend nicht nur das Ende des Waldes, sondern, wie es schien, das Ende der Welt. Es sah aus als würde ein tiefer Abgrund folgen. Obwohl ich verfolgt wurde, ging ich nur langsam und stockend auf diesen zu, solange bis ich sah, was sich dahinter befand. In diesem Moment wurde mir auch klar, warum es den Anschein machte, ich würde auf einen Abgrund zu gehen. Ich ging nämlich auf einen zu. Dabei handelte es sich um einen Abgrund, der unendlich tief schien. Kein Scherz, es wirkte so, als gäbe es keinen Boden. Als ich mich über die Klippe lehnte und in das Nichts blickte, strömte kalte Luft hoch, in mein Gesicht. Während ich in den Abgrund blickte, hatte ich bereits meinen Verfolger vergessen. Solange jedenfalls bis ich seine Hände auf meinen Rücken spürte. Aus dem nichts wurde ich geschupft und fiel. Ohne nur die Chance zu haben mich zu halten, fiel ich in den Abgrund hinab. Es fühlte sich an, als geschähe alles in Zeitlupe. Während ich gestoßen wurde und mich bereits in der Luft befand, drehte ich mich um. Ich tat dies, um meinen Verfolger in die Augen zu blicken. Zwar sah ich ihn nur von hinten, er wendete mir den Rücken zu, doch ohne Zweifel konnte ich erkennen, dass es sich hierbei um einen Jungen handelte. Der Junge mit den blonden Harren und gestreiften Pullover. Er war es, der mich tötete.
Ich befand mich im freien Fall und konnte nichts anderes tun als zu Schreien. Mit dem Wissen, dass mir niemand mehr helfen konnte, schrie ich mir die Selle aus dem Leib. Ich schrie so lange bis ich aufwachte.
Schreiend öffnete ich die Augen. Es war alles nur ein Traum. Schweißgebadet lag ich in meinem Bett. Ich hebte meine Oberkörper und benötigte einen kurzen Moment, um zu realisieren was soeben vor sich ging. Alles was in diesem Traum geschah fühlte sich so echt an. Sogar der freie Fall, welchen ich in Zeitlupe absolvierte. Umso sicherer war ich mir jedoch, dass ich nun wach war. Ich war wach und lag behütet in meinem Bett. Es war nur ein Traum und nicht real. In sitzender Lage suchte ich nach dem Taster meiner kleinen Lampe, welche an der Kommode neben meines Bettes stand. Als ich ihn fand knipste ich das Licht an. Das, nur vom Mond beschienene Zimmer wurde hell. Mit meinen Händen fuhr ich in mein nassgeschwitztes Haar. Ich war außer Atem. Mit den nun nassen Händen rieb ich meine Augen nur um ihn darauf zu entdecken. In einer Ecke des Zimmers, welche keine Handlänge von meinem Bettes entfernt war, stand jemand. Es war jener Junge vom Spielplatz und meinem Traum
Erneut rieb ich meine Augen. Ich musste mir es einbilden. Jedoch verschwand er nicht. Ich zwickte mich, nur um sicher zu gehen, doch ich war definitiv beim klaren verstand. Daran gab es keinen Zweifel. Während ich weitere Methoden ausprobierte, um mich vermeintlich aufzuwecken, ich musste noch Träumen, eine andere Methode gab es nicht, bewegte ich mich als auch er sich, kein Stück. Mit geschlossenen Mund stand er in der Gegend und beobachtete mich mit seinen kalten Augen. Weshalb seine Augen so kalt schienen, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, schließlich versuchte ich den Augenkontakt zu meiden. Erst etwas später fand ich den wahren Grund heraus und ich nehme Mal so viel vorweg, er hatte keine. Nein, das stimmt nicht!“, sagte John im lauten Ton. Als er diesen Satz in seinem Kopf wiederholte, merkte er erst, wie lächerlich das klang. Weiterhin blickte er zu Boden um Alfreds Gesicht, welches vor Fremdscham nur so trotzen musste, nicht zu sehen.
„Ich entschuldige mich, dabei habe ich mich falsch ausgedrückt. Er hatte sehr wohl Augen, selbstverständlich, nur… Wie sollte ich das sagen. In seinen Augen fehlten sowohl die Pupillen als auch die Iriden, womit seine Augen lediglich leere, kalte, weiße Glaskörper waren. Wie gesagt in diesem Moment, als der Junge das erste Mal, ja das erste Mal, in meinem Zimmer stand, bemerkte ich dies noch nicht. Dennoch stand er dort, ein Junge, etwa acht oder neun, vielleicht auch zehn, Jahre alt, er stand dort in meinem Zimmer.
„Mom!“, rief ich. Ich rief nach meiner Mutter so laut ich nur konnte im ernsten, jedoch noch vergleichsweiße ruhigem Tonfall. Mein Bett konnte ich nicht verlassen. Auf gar keinen Fall! Zu groß war meine Angst ihn den Rücken zuzukehren. Ich weiß, der Junge war eindeutig Jünger und dabei noch viel kleiner uns schmäler, doch ich konnte nicht einschätzen, welche Gefahr von ihm ausging.
Ohne lange auf eine Antwort zu warten, rief ich erneut nach meiner Mutter. Aus dem Flur kamen keinerlei Geräusche. „Wer bist du?“, fragte ich nun in hysterischen Ton, den Jungen, nachdem ich zweimal nach meiner Mutter rief.
Weiterhin sah er mich mit einen gelassenen Blick an, gab jedoch keine Antwort.
„Mom, Steve!“, rief ich nun noch lauter, unruhiger. Ich war mittlerweile schon so verzweifelt, sodass ich auch nach Steve rief. Keine Geräusche aus dem Flur. Ich war mir sicher, sie hätten mich hören müssen und dennoch kam niemand. Tränen bildeten sich in meinen Augen. Eine Mischung aus Angst, Verzweiflung und Trauer entstand. Kein gutes Gefühl. Alles was ich mich in diesem Moment nur noch fragte war, wieso keiner kam? Ich war vierzehn und schrie nach meiner Mutter, selbst Steve hätte klar sein müssen, dass ich in ernsthaften Schwierigkeiten stecken musste. Wie gesagt, es war ein kleiner Junge, aber es hätte auch jemand anderes sein können, der mir gegenüber stand.
Für ein paar weitere Sekunden starrte ich den Jungen an. Tränen flossen weiter. Von der einen auf die anderen Sekunde nutze ich denn Augenblick der Spontanität. Ich schmiss die Decke von meinem Körper, hüpfte auf und rannte zur Tür, welche nicht weit von meinem Bett entfernt lag. Als mein Kopf bereits aus der Tür in den Flur starrte, schrie ich erneut nach meiner Mutter. So schnell wie möglich brachte ich den restlichen Teil meines Körpers aus dem Zimmer, in den Flur hinaus. Im selben Moment, in dem ich es aus meinem Zimmer schaffte, ging die Tür des Schlafzimmers meiner Mom und Steve, welche sich direkt neben der meiner befand, auf. Es war Steve, welcher wütend aus dem Zimmer heraus kam.
„Was schreist du so herum?! Bist du ein Kleinkind, oder was?!“, schrie er. Die Worte „oder was“, sagte er häufiger. Er hängte sie so gut wie hinter jedem Satz an, den er von sich gab. Schnell wischte ich mir die Tränen, welche bis zu meinen Kinn rannten, aus meinem Gesicht.
„Da ist jemand, ein Einbrecher!“, sagte ich und zeigte auf meine offene Zimmertür. Bewusst verschwieg ich, dass dieser „Einbrecher“ ein kleiner Junge war. Jedenfalls, als ich dies sagte, wich ein wenig Zorn aus Steves Gesicht. Er schien mir zu glauben und ging mit schweren Schritten auf mein Zimmer zu. Währenddessen blickte auch meine Mom aus dem Schlafzimmer. „Was ist den los?“, fragte sie verdutzt. Weder ich noch Steve gaben ihr eine Antwort.
Ohne sich etwas zu greifen, welches als Waffe fungieren hätte können, blickte Steve in mein Zimmer. Bevor er hinein ging, knipste er den Lichtschalter, welcher sich neben der Tür befand, an. Ohne Ton jedoch mit geballten Fäusten blickte er nun genaustens in die Abstellkammer welche als mein Schlafzimmer diente. Kurz darauf betrat er es und wenig später rief er: „Ist er durch das Fenster?“, hinaus in den Flur.
Diese Frage ließ darauf deuten, dass der Junge weg sein musste. Das veranlagte mich ebenfalls einen Blick in mein Zimmer zu werfen. Steve blickte unter mein Bett. Das Fenster stand offen, jedoch handelte es sich hierbei um ein sehr kleines Fenster. Ein Fenster, durch das kein Mensch, jedenfalls kein Erwachsener, hindurch käme. Dazu kam noch, dass unsere Wohnung im vierten Stock lag.
„Er ist doch nicht hinaus gelaufen?“, fragte mich Steve im wütenden Ton und blickte mir dabei in die Augen. Ich schüttelte den Kopf.
„Wie sah er den aus?“, fragte er mich, während er wieder vom Boden aufstand und langsam auf mich zuging.
„Ich habe ihn nicht erkannt.“, antwortete ich.
Steve legte seine Hand auf meine Schultern. Ich hatte Angst.
„Er wird doch nicht durch das Fenster gekommen sein, oder was? Ein erwachsener Mann, der vielleicht so fett ist wie du es bist, passt dort sicher nicht hindurch.“, meinte er. Langsam nickte ich und stimmte ihn zu. Mit seiner Hand an meiner Schulter packte er fester und fester zu, so fest, dass es schmerzte und ich versuchen musste sie von mir loszueisen.
„Du kleiner bescheuerter Junge hatest einen Traum, wie ihn ein kleines Baby hat. Schämst du dich eigentlich?“, fragte er mich. Bevor ich jedoch antworten konnte, rief meine Mom aus dem Schlafzimmer: „Komm schon Schatz, lass uns wieder schlafen gehen.“ Mit Schatz meinte sie übrigens nicht mich.
Steve ließ die Hand locker, entfernte sie von meiner Schulter und verschwand wieder zurück ins Schlafzimmer. Ich hingegen schloss das Fenster, sah erneut unter meinen Bett nach und schlief diese Nacht nur mit offenen Augen.
In den nächsten Tagen gab es keinerlei Vorkommnisse. Was jedoch in jener Nacht geschah, vergaß ich nicht. Auch den Sattler Forest versuchte ich zu meiden, damit meine ich, ich mied ihn.
Wenige Tage später kam jene Nacht. Um es kurz zu fassen, geschah beinah dasselbe wie einige Tage zuvor. Bevor ich einschlief, checkte ich, ob auch das Fenster verschlossen war und nachdem ich einschlief, hatte ich wieder einen Alptraum. Erneut rannte ich durch den Sattler Forest und erneut war ich mir nicht im Klaren, dass dies nur ein Traum war. Anstelle mit dem Bike, bewegte ich mich Barfuß voran. Ich rannte jedoch vor niemanden weg, sondern hatte anscheinend ein festes Ziel, auf das ich zulief. Obwohl ich Barfuß war, spürte ich weder Nadeln noch Stöcke am Boden. Er fühlte sich sogar angenehm an. Mein Ziel war jenes Baumhaus aus dem Traum davor. Diesmal schaffte ich es jedoch mit der Sprossenleiter in das Baumhaus hoch. Was soll ich sagen, es sah fantastisch aus. Von innen wirkte es tausend Mal größer. Es war sogar renoviert, gefliest, gestrichen und mit Elektrizität versorgt. Es war wunderbar, doch ich hatte nicht lange Zeit mir dieses Prachtwerk zu bestaunen. Plötzlich rüttelte sich der Baum. Es fühlte sich an, als würde die Erde beben. Sofort rannte ich zu einen der unzähligen Fenstern und blickte hinaus. Ein Monster.
Ja, ein Monster rüttelte den Baum. Neben dem, dass es mindestens doppelt so groß war wie ich, hatte es einen überdimensionalen Kopf, jedoch von einer Größe, welche noch nicht lächerlich wirkte. Mit seinen großen und spitzen Zähnen lächelte es auf mich hinauf. Seine spitzen Gralen an den Händen und Füßen hätten mich mit Leichtigkeit zerfetzten können. Dünne, lange harre wuchsen aus dem Kopf und dies alles war verkleidet in einer holzähnlichen Struktur. Seine Haut, oder was auch immer, bestand aus krustigem Holz.
Sein Blick sprach Bände. Er wollte mich. Ohne Pause rüttelte er weiter am Baum. Ich hörte bereits, wie der Baum zu brechen schien. Aus Angst heraus schrie ich und wachte auf.
Erneut lag ich schwitzend in meinem Bett. Das erste was ich tat, nachdem ich mich aufrichtete, war in die Ecke zu sehen, in der zuvor der Junge stand. Auch wenn der Mond nicht besonders hell war, reichte das Licht aus, um Umrisse einer Person zu erkennen. Diesmal hüpfte ich sofort auf, rannte aus meinem Zimmer, zu meiner Mom in ihr Schlafzimmer. Es war unter der Woche und Steve musste arbeiten. Ich weckte meine Mom auf und befahl ihr, sofort die Polizei zu rufen. Im Halbschlaf fragte sie mich, was denn los sei, worauf ich ihr antwortete: „Er ist da. Dort ist jemand Mom, in unserer Wohnung ist ein Einbrecher.“
Obwohl ich soeben erst von einem meiner schlimmsten Träume wach wurde, fühlte ich keine Angst sondern Freude. Ohne auf eine Antwort meiner Mom zu warten, lief ich zum Telefon und wählte 911. Das Telefonat dauerte nicht lange. Ich erklärte die Sachlage und beantwortete alle Fragen. Ein Streifenwagen wurde losgeschickt. Ich rannte in mein Zimmer und knipste das Licht an. Der Junge war zwar weg, doch das Fenster war ebenfalls verschlossen. Daraufhin rannte ich zur Haustür und merkte, dass diese auch abgeschlossen war. Der Junge saß in der Falle.
Nachdem ich die Tür checkte, kam meine Mom aus dem Schlafzimmer. Sie wurde wohl erst durch mein hetzerisches rennen in der Wohnung ganz wach Nun erklärte ich ihr erneut die Lage und erzählte auch, dass ich die Polizei rief. Meine Mom war fassungslos.
„Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“, fragte sie mich. Anscheinend hatte sie Sorge, Steve hätte irgendwelche illegalen Substanzen in der Wohnung versteckt. So viel kann ich verraten, die Polizisten haben bei der Wohnungsdurchsuche nichts gefunden und damit meine ich nichts und auch niemanden. Ich war mir so sicher, der Junge hätte sich irgendwo in der Wohnung versteckt. Dabei habe ich mich auch noch so darauf gefreut es Steve heimzuzahlen. Doch als die beiden Polizisten eintrafen, der eine war, etwas älterer, der andere der Vater von Calvin Jerk, durchsuchten sie die ganze Wohnung, doch fanden nichts. Nachdem sie mit der Durchsuchung fertig waren, traf auch Steve ein. Er fragte was los sei und meine Mom erklärte ihn kurz die Lage.
„Und, habe sie etwas gefunden?“, fragte Steve hämisch die Beamten, nachdem er auf dem neusten Stand war, obwohl er genau wusste, was sie antworten würden.
„Nein.“, sagte der ältere, richtete seinen Blick auf mich und fragte darauf: „Kannst du die Person beschreiben, die in deinem Zimmer stand?“
Mit großer Nervosität sagte ich: „Ja, naja, so genau habe ich sie nicht gesehen. Er hatte blonde harre und einen gestreiften Pullover an.“
„Hautfarbe?“, fragte Jerk?
„Weiß.“, antwortete ich.
„Größe?“, fragte wiederum der ältere.
„Ich glaube…“, begann ich, „so etwa 4,5 oder 4,6 Fuß groß.“,
Nun wurde ich von acht Augen verwundert angeblickt.
„Was? Wie alt war er etwa?“, fragte Jerk.
„Naja, so etwa zehn, oder elf.“, sagte ich, obwohl ich ihn als achtjährigen einstufte.
Die acht Augen, die mich verwundert anstarrten verwandelten sich teilweise in hämische sowohl in schämende Augen. Meine Mom schämte sich, die anderen drei lachten mich aus. Selbst Steve lachte herzhaft, obwohl ich genau wusste, was er mit mir anstellen würde, sobald die Beamten verschwinden. Und dann… Dann sah ich ihn.
Die Befragung führten wir vor der offenen Haustür durch, womit ich eingeschränkten Blick in den Hausflur hatte. Dabei konnte ich Beispielsweiße auch unsere Nachbarin beobachten, die verwirrend ihre Tür öffnete, um zu sehen was bei uns los sei. Jedoch schloss sie sie sofort ab als sie die Beamten sah. Neben meiner Nachbarin tauchte jedoch noch jemand in dem Hausflur auf. Während ich ausgelacht wurde, kam er grinsend hervor. Mit einem wahnsinnig verstörenden Grinsen lächelte mich der Junge an. In diesem Moment fiel mir auch seine Augen das erste Mal auf. Ängstlich, jedoch mit ein wenig Erleichterung schrie ich auf. Ich zeigte auf den Hausflur und schrie, dass sich der Junge dort befinden würde. Alle vier drehte sich zum Flur. Der Junge bewegte sich kein Stück. Lediglich sein Grinsen wurde größer und unheimlicher. Wir blickten uns gegenseitig in den Augen. Ich, siegreich, er, mit einem gefühlslosen Blick. Alle vier drehten sich zur selben Zeit wieder zu mir.
„Sag mal, willst du uns eigentlich verarschen. Bist du auf Drogen, oder was?!“, schrie mich Steve an. Der Junge hatte sich noch immer nicht bewegt. Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass nur ich ihn sehen konnte.
Mir wurde schwindelig. Ich verstand Steve nun immer undeutlicher. Alle verblassten langsam. Alle, bis auf ihn. Bildete ich mir diesen Jungen nur ein? Existierte er nur in meinem Unterbewusstsein? War dieser Junge ein Geist? All diese Fragen stellte ich mir. Ich stellte sie mir, während ich ängstlich in sein Gesicht starrte. Es fühlte sich so an, als wäre ich in Trance. Ich weiß nicht wie viel Zeit verging. Ich habe keine Ahnung wie lange ich ins Nichts blickte. Geweckt wurde ich von Steve. Mit seiner offenen Hand schlug er mich auf die Wange. Er gab mir eine saftige Backpfeife, dessen Abdruck noch Tage später zu sehen war.
„Du kleiner Krüppel, hörst du uns überhaupt zu?!“, schrie er mir ins Gesicht. Dabei spuckte er ein wenig. Offensichtlich bemerkte er meine psychische Abwesenheit.
Kurz schrie ich laut auf. Nicht nur, dass mir die Backpfeife weh tat, auch erschreckte ich mich beinah zu Tode. Aus dem nichts wurde mir eine gewischt. Als ich zusammenzuckte und nur für ein paar Millisekunden die Augen schloss, verschwand der Junge auf mysteriöse Weise. Egal ob er ein Geist oder nur eine Einbildung meinerseits war, das war kein Mensch, den ich sah.
Jedenfalls verschwanden die Polizisten einige Minuten später, ja, Steve schlug mich direkt vor ihnen und nein, sie sagten nichts dazu. Erneut wurde ich belehrt, dieses Mal von den Beamten, nicht mehr ohne Grund die Polizei zu alarmieren. Meine Mom versuchte den beiden zu erklären, ich hätte dies garantiert nur geträumt und nicht aus reinstem Spaß getan. Wir, und damit meine ich meine Mom und ich, Steve fuhr zurück zu seiner Arbeit, gingen darauf wieder ins Bett. Ich blickte auf die Uhr, bevor ich in mein Zimmer ging und stellte fest, dass es erst kurz nach elf Uhr abends war. Somit lag ich diese Nacht ganze siebeneinhalb Stunden regungslos und mit offenen Augen in meinem Bett. Zwar schäme ich mich etwas, doch ich muss gestehen, dass ich geheult habe. Ich habe geheult wie noch nie. Damit mich niemand hörte heulte ich in mein Kissen. In dieser Nacht zweifelte ich mein ganzes Leben an. Mir war klar, dass die Leute am nächsten Tag in der Schule über mich reden würden, denn Calvin Jerk ging in meine Klasse. Dazu hatte ich einen Abdruck einer Hand auf meiner Wange. Zwar hatte ich diesen noch nicht gesehen doch wusste er würde existieren. Ich bildete mir diesen Jungen ein, oder sah sogar Geister. Ich lebte mit einen Menschen zusammen, der mich hasst und sah tagtäglich weitere Menschen, die dies ebenfalls taten. Mein Leben war scheiße. In dieser Nacht dachte ich sehr viel darüber nach. Ich dachte darüber nach, wie ich alles wieder hinbekommen könnte. Wie ich es schaffen könnte, mein Leben wieder lebenswert zu gestallten. Dabei gab es eine einfache Lösung. Alles was ich brauchte war einen Freund. Dass ich diesen jedoch früher als erwünscht bekommen würde, war mir nicht Bewusst.
Meine Vermutungen bestätigten sich als ich am nächsten Tag in die Schule kam. Jeden Tag ging ich zu Fuß dorthin, der Weg war schließlich nicht weit. Die Schule begann um kurz vor acht. Ich war etwa zwanzig Minuten früher im Klassensaal und somit einer der ersten. An diesem Tag waren bereits einige Mädchen vor Ort und sahen mich verwundert an, als ich den Klassenraum betrat. Eines der Mädchen fragte mich, was passiert wäre und deutete auf ihre Wange. Als ich diesem Morgen in den Spiegel sah, bemerkte ich erst, wie stark der rote Abguss einer Hand auf meiner Backe zu sehen war. Selbst wenn ich mich mit schminke ausgekannt hätte, hätte sich das in meinem Gesicht nicht abdecken lassen.
Ohne den Mädchen zu antworten ging ich auf meinen Platz. Meinen Ellbogen stützte ich auf den Tisch ab und meinen Kopf auf meine Hände, um mein Mal zu überdecken. Immer mehr Schüler traten ein, auch Fred, welcher an diesem Morgen ebenfalls deprimiert wirkte, kehrte ein. Kurz v or Schulbeginn traten bereits alle Schüler ein, bis auf drei. Es waren Calvin und zwei seiner Freunde. Fünf Minuten bevor der Unterricht begann, kamen alle drei zugleich in den Raum. Schon kurz davor hörte ich jemanden zwei Tische vor mir fragen, ob wer wüsste, was in der vorherigen Nacht passiert sei. Damit meinte er den Polizeiwagen welcher ausfuhr. Ein wenig war ich verwirrt, weil ich mich erinnerte, dass die Polizisten, welche zu mir kamen, keine Sirene noch Blaulicht anhatten. Weshalb sich mein Klassenkollege nun fragte, warum die Polizei unterwegs war, war mir daher nicht klar. So lange nicht, bis ich Gelächter im Flur hörte.
„Okey, hört zu Leute, ich muss euch etwas richtig krasses sagen.“, sprach Calvin im selben Moment, in dem er auch die Klasse betrat.
Alle, und damit meine ich wirklich alle, hörten gespannt zu. Hinter ihm standen jene Kollegen, welche sich vor Lachen nicht beruhigen konnten.
„Okey, seid mal still.“, ermahnte Calvin Jerks seine Freunde und sprach wieder zur Klasse: „Hört zu, wir haben zwei Seelenverwandte hier. „Guinea Pig Boy“ und der „Schwarze“.“, sprach er. Alle Blicke gingen an Fred und mich. Nun wurde ich auch ganz Ohr und richtete mich auf womit der Handabdruck sichtbar wurde. Alle die sich zu mir wendeten sahen diesen ebenfalls und lachten. Selbst von den Mädchen, die mich zuvor ansprachen, wurde ich nun ausgelacht. Calvin, welcher die Faust zu seinem Mund führte, jubelte.
„Hat mein Vater dich dran gekriegt, oder wie?“, fragte er. Erneut lachten sie. Sie lachten mich aus. Ich versuchte den Augenkontakt einzuschränken, blickte nur noch Fred an. Fred sah mich ebenfalls an. Es war jener Blick, welcher aussagte, wir beiden wären am Arsch. Ich entschuldige mich.
Nun erzählte Calvin seine Geschichte. „Jetz hört doch endlich zu.“, sagte er, während er sich selbst vor Lachen nicht mehr halten konnte. Er klopfte einmal auf seinen Oberschenkel und sagte darauf: „Gestern musste mein Vater zweimal zu einem Einsatz fahren. Das erste Mal bei Fred und das zweite Mal bei „Guinea“.“, so nannten sie mich ebenfalls öfters, um es abzukürzen, „Auf jeden Fall sagten beide aus es wäre ein Einbrecher oder ein Räuber in ihrem Haus, doch anscheinend träumten sie das nur. „Guinea“ war sogar auf so einem Drogen Tripp, dass er meinen Vater erzählte, der Einbrecher, welcher ein Kleinkind war, will ich nur sagen, stände hinter ihm.“, fuhr er fort.
Alle lachten nur noch lauter. Calvin blickte nun direkt Fred und mich an und meinte zu uns: „Jetzt ernsthaft, das ist doch kein Zufall. Am selben Tag werdet ihr beide verrückt?“, ich bin nicht verrückt möchte ich Ihnen noch einmal sagen. Jedenfalls erzählte er weiter: „Seid ihr Seelenverwandt? Seid ihr etwa schwul?“ Im selben Moment kam ein Lehrer ins Klassenzimmer. Anscheinend hörte er Calvins letzten Satz nicht und meinte nur zu ihm, er solle sich setzen. Die Klasse wurde ruhig, jedenfalls eine Stunde lang. In dieser Stunde wechselten Fred und ich weiterhin Blicke aus. Wir dachten schon wieder dasselbe. Dringend hatten wir Redebedarf, doch niemand traute sich etwas zu sagen. Den ersten Schritt zu gehen. So blieb es bei den Blicken, doch auch nur so lange, bis ein Junge, welcher neben mir saß, mich anstupste und mich mit Gesten verarschte. Mit Liebesgesten welche Fred und ich austauschen sollten.
Ich dachte dieser Tag könnte nicht schlimmer werden, doch er wurde es. Als nämlich der schreckliche Schultag zu Ende ging und ich nur noch nachhause, in mein Zimmer, wollte, stand er da. Genau, der Junge stand erneut in meinem Zimmer.
Selbstverständlich war ich schockiert, erschrocken. Mit ihm hätte ich auf keinen Fall gerechnet, nicht am helllichten Tag. Ich riss mich zusammen und versuchte nicht zu schreien, nicht auf mich aufmerksam zu machen .Nachdem der erste Schock überwunden war und ich mich beruhigte, verspürte ich auch keinerlei Angst mehr. Ich war nur noch genervt von ihm. Mit neutralem Blick, zum Glück nicht mit diesem verstörenden Lächeln, blickte er zu mir. Ich hingegen verließ das Zimmer, setze mich in die Küche auf das kleine Sofa und guckte Fern. Als Steve einige Zeit später ebenfalls in die Küche kam, ging ich zurück in mein Zimmer. Noch immer stand er dort. Er sah mich an. Zwar war ich hundemüde und legte mich in mein Bett, doch einschlafen konnte ich dennoch nicht. Es war ein seltsames Gefühl. Er wirkte so real, obwohl er es nicht sein konnte. Ich glaubte nicht an Geister. Auch ihn fragen was er möchte, konnte ich nicht. Ich wollte nicht nachgeben deshalb schwieg ich.
Als Steve zur Arbeit fuhr, legte ich mich erneut in die Küche auf das Sofa und schlief dort ein. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich bereits damit abgefunden, dass diese Geistesgestallt ab diesem Tage in meinem Zimmer leben würde und ich nun lange Zeit auf dem Sofa schlafen müsse. Vielleicht sogar so lange bis ich ausziehe. Das war eine Situation, mit der ich leben konnte. Auch als er am nächsten Morgen noch immer in meinem Zimmer befand, er lag in meinem Bett, war das in Ordnung für mich. Es war zwar scheiße, so wie alles in meinem Leben doch aushaltbar. Ich verließ das Haus, um zur Schule zu gehen und zu wissen, dass wenn ich wieder nachhause kommen würde, der Junge da sein würde. Es war in Ordnung. Ohne mir etwas zu denken, ging ich die Treppen hinab, aus der Tür in meine Schule. Auf dem Weg dorthin fühlte ich mich erneut beobachtet, dieses Mal jedoch nicht so schlimm wie einige Tage bereits zuvor. Ich drehte mich um und sah ihn. Dieser verdammte Junge ging mir nun hinterher. Dazu trug er so wie ich eine Jacke und eine Mütze. Nun nahm ich meine Beine in die Hand und rannte. Es war nämlich nicht in Ordnung, dass dieser Junge mein Zimmer einnahm. Es war nicht in Ordnung, dass er existierte. Mein Leben war schon beschissen genug bevor er auftauchte und musste nun nicht noch beschissener werden. Es war nämlich schon scheiße genug, dass Steve mit meiner Mom zusammen lebte. Es war schon scheiße genug, dass mich alle hassten. Es war alles scheiße und musste nun nicht noch beschissener werden.“ Ohne sich zu entschuldigen, erzählte John weiter. Eine Träne kam hervor, welche er sich sofort aus den Auge rieb.
„Während ich rannte, fiel mir auf, dass der Junge mir ebenfalls nach lief. Ich blieb stehen. Er blieb ebenfalls stehen, nachdem der Abstand derselbe wie zuvor war. Ohne Worte drehte ich mich zu ihm. Er sah mich mit leichtem Lächeln an. „Was willst du von mir?!“, schrie ich ihn ins Gesicht. Egal ob Geist oder Einbildung. So konnte es nicht weiter gehen, doch der Junge antwortete mir nicht. Ich nahm meinen Mut zusammen, ging langsam auf ihn zu und schupste ihn leicht. Er reagierte darauf und ich bemerkte, wie real er sich anfühlte. Er konnte unmöglich nur in meinem Kopf existieren und daher gab es nur eine Möglichkeit. Dieser Junge war eine verlorene Selle, ein Untoter, ein Geist.
„Was willst du von mir?“, fragte ich ihn nun ruhig. Ob Sie mir es glauben oder nicht, er antwortete mir diesmal. Mit seiner etwas schrillen Stimme sagte er, ohne Witz, „Hallo, mein Name ist Jimmy und ich möchte dein Freund werden, John.“
Meine Augen wurden größer. Dieser Junge wollte mein Freund werden? Bitte verstehen Sie das nicht falsch. Keine Sekunde lang dachte ich über sein Angebot nach, obwohl ich unbedingt einen Freund haben wollte. Einen Freund brauchte. Erneut fragte ich ihn, wer er sei. Keine Antwort.
„Wer zur Hölle bist du?!“, schrie ich ihn an, doch er schwieg weiterhin. Schnell rannte ich davon. Als ich nach einigen Schritten zurück blickte, bemerkte ich, dass er noch immer an derselben Stelle stand. Ich lief weiter, mit der Hoffnung, er würde genau dort stehen bleiben. Kurz bevor ich in der Schule ankam, blickte ich mich ein letztes Mal um. Ich war erleichtert, den Jungen, dessen Name Jimmy zu sein schien, nicht zu sehen, im selben Moment jedoch war ich paranoid, er würde jeden Moment aus irgendwelcher Ecke heraus springen. Ich betrat das Gebäude und ging in den Klassenraum. Einige Schüler waren bereits anwesend als ich den Raum betrat. Langsam schlenderte ich auf meinem Platz, um erst recht spät zu bemerken, dass dieser bereits besetz war. Kaum zu glauben, aber mein Gehirn benötigte eine Menge Zeit, um zu realisieren, dass jener Junge, der meinen Sitzplatz einnahm, gar nicht in meine Klasse ging. Es war Jimmy welcher mich auf meinem Platz sitzend hämisch angrinste. Mein Gesicht wurde rot. Beinah hätte ich geschrien, ihn gefragt was er dort mache. Mir war nicht bewusst was er dort tat und, was ich nun machen solle.
Nun hatte ich nur eine Wahl. Ich saß mich auf einen beliebigen Platz in der Hoffnung, derjenige, wem jener Platz gehörte, würde an diesem Tag nicht anwesend sein. Leider entschied ich mich nicht für Freds Platz, sondern den Platz welcher neben meinen eigentlichen, Jimmys, lag. Fred fehlte ab diesem Tage beinah eine Woche. Weshalb er fehlte, fand ich erst einige Zeit später heraus.
Hier saß ich also, nervös, mit der Hoffnung, niemand würde meinen Wechsel bemerken. Ich konnte Jimmy nicht dazu bringen von meinem Platz zu weichen. Entweder ich hätte es mit Gewalt versucht, was bestimmt aufgefallen wäre oder mit Worten, ihn anzuflehen, was definitiv aufgefallen wäre. Nun saß ich dort. Nervös, mit jemanden, der nicht existierte, neben mir. Zu meinem Pech gehörte der Platz jenen Schüler, welcher kurz nach mir die Klasse betrat. Schon als er mich von vorne erblickte, schrie er durch den Klassenraum: „Hey, „Guinea pig boy“, verschwinde von meinem Platz!“ Kaum zu glauben aber dieser Schüler war einer der nettesten. Sofort stand ich auf und stellte mich hinter mein Pult. Phil, hieß er glaube ich, setzte sich hin und richtete seinen Blick auf mich. Nervös stand ich da. Daraufhin sah er auf meinen scheinend leeren Platz.
„Was ist?“, fragte er mich.
„Nichts.“, antwortete ich.
„Warum setz du dich nicht?“, fragte er. Ich wusste nicht was ich antworten sollte. Mit einer Hand versuchte ich den Stuhl vom Pult zu schieben, doch ich war zu schwach denn der Stuhl war schwerer mit Jimmy darauf. Mit Hilfe der zweiten Hand schaffte ich es. Jimmy bewegte sich kein Stück. Nur mit seinem Kopf drehte er sich zu mir und lächelte weiter. Es war dieses breite Grinsen, welches mit der Kombination seiner hellen Augenbrauen, bösartig wirkte. Erneut hatte ich zwei Möglichkeiten aus dieser Situation das Beste zu machen. Ich hätte mich auf Jimmy setzten können, was bescheuert ausgesehen hätte, oder versuchen den Stuhl so umzuwerfen, dass Jimmy von diesem fiel. Noch wusste ich nicht was genau Jimmy war doch zu diesem Zeitpunkt warf ich mir ziemlich sicher, er sei ein Geist. Somit versuchte ich meine zweite Wahl und schmiss den Stuhl mit aller Kraft um. Als er am Boden aufkrachte drehten sich alle meine Mitschüler verwirrt zu mir. Nur Phil sah mich, während ich auf unnatürlichste Art und Weiße den Stuhl zu Boden warf. Jedenfalls lag nun neben dem Stuhl auch Jimmy am Boden. Schnell hob ich ihn hoch, den Stuhl, nicht Jimmy, und setzte mich darauf. Nun hatte ich meinen Platz wieder eingenommen.
„Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?“, flüsterte Phil mir zu, als ich endlich saß. Es war keine Frage welche wirklich mein Wohlbefinden angehen sollte, sondern eher abwertend gemeint war. Schweigend lächelte ich. Dies war mein erster Triumph seit langer Zeit gewesen. Jimmy saß den restlichen Tag beleidigt auf den Boden, immer hinter mir. Beinah jede fünf Minuten blickte ich zurück, um zu sehen, was er genau tat. Dass Fred an diesem Tag fehlte, wunderte mich übrigens kein Stück. Ich machte mir keinerlei Gedanken.
Auch auf dem Heimweg lief mir der Junge nach. Schon den ganzen Schultag überlegte ich, wie ich ihn loswerden könnte. Dabei hatte ich eine Idee. Ich schaffte es ihn einmal von meinem Platz zu drängen und obwohl er mehrere Möglichkeiten gehabt hatte, diesen erneut einzunehmen, hielt er sich von diesem fern. Kurz bevor ich das Wohnhaus erreichte, lief ich los. Ich lief so schnell ich nur konnte, der Jungen war mir dich auf den Fersen. So schnell wie noch nie schaffte ich es die Wohnungstür aufzusperren. Der Junge kam immer näher, berührte mich beinah, doch ich schaffte es. Ich schaffte es in den Flur und die Wohnungstür, welche von außen nur mit den Schlüssel geöffnet werden konnte, wieder zu schließen. Ich hatte den Jungen aus meinem Territorium ausgeschlossen. Zwar wusste ich nicht, ob diese Taktik funktionierte, schließlich schaffte es der Junge schon dreimal in meine Wohnung, doch an diesem Tage hatte ich ein gutes Gefühl. Mein Gefühl trog nicht. Die ganze Nacht hatte ich von ihm Ruhe. Auch am nächsten Tag hatte ich kein schlechtes Gefühl. Als ich zur Schule ging, war der Junge nicht zu sehen. Ich betrat das Klassenzimmer und ging auf meinen Platz. Er war nicht da. Fünf Minuten bevor der Unterricht begann, hörte ich jedoch jemand hinter mir. Ich drehte mich um und war wie versteinert. Erneut lief mein Gesicht rot an. Zusammengekollert saß er wieder dort. Er sah mich an und fragte mich: „Darf ich heute auf deinem Platz sitzen?“ Das war das zweite Mal, dass der Junge mit mir sprach. Ohne ein Wort zu sagen, drehte ich mich mit den Körper ein wenig zur Seite, holte mit meinen Fuß aus und trat zu. Ich trat den Jungen mit den weißen Augen in den Bauch. Dies war meine Antwort auf seine Frage. Sofort drehte ich mich wieder nach vorne, doch dann…
Dieser kleine Bastat heulte. Er heulte, wie es ein Kleinkind eben tat. Er heulte so laut, dass ich nichts anderes mehr hören konnte. Das Heulen dauerte jedoch nicht nur fünf Minuten an, nein, er heulte den ganzen Tag, beziehungsweiß, hätte garantiert den ganzen Tag über geheult. Es machte mich fertig. Als ich einen Lehrer fragte, ob ich auf die Toilette gehen dürfte, hörte ich nicht einmal seine Antworte. Als ich ihn fragte, ob er diese wiederholen könnte, weinte der Junge noch lauter. Ich hatte eine 50:50 Chance, dass der Lehrer mir den Gang erlaubt hätte, somit ich auch auf die Toilette ging. Dass ich vom Unterricht nichts mitbekam, muss ich wohl nicht sagen. Ich wusste nicht einmal, ob mich ein Lehrer etwas gefragt hätte. Einmal, das weiß ich noch, richtete plötzlich die ganze Klasse die Blicke auf mich. Verwirrt saß ich still und unauffällig auf meinem Platz. Nach guten zweieinhalb Stunden Unterricht stand ich auf, und schrie, so dass ich es gut hören konnte: „Entschuldigen Sie, aber mir geht es nicht gut. Ich würde gerne nachhause gehen. Zwar verstand ich nichts was die Lehrerin sagte, doch sie nickte dabei und ich ging. Das blöde war nur, Jimmy ging ebenfalls mit. Erst in diesem Moment merkte ich, dass er nicht wirklich heulte sondern dies nur tat, um mich zu ärgern. Auf dem Nachhauseweg drehte ich mich zu ihm um und schrie: „Okey, ich habe es verstanden. Es tut mir leid, dass ich dich getreten habe!“
Aus dem nichts hörte er auf zu heulen und lächelte wieder. Ich hätte durchdrehen können. Es war so einfach. Eine Entschuldigung genügte. Mit leichten Bauchschmerzen, welche ich beim Gedanken auf Steve verspürte, ging ich nachhause. Schließlich musste meine Mutter meine Abwesenheit bestätigen. Ich sagte mir sei übel und hätte Bauchweh, was in diesem Moment nicht einmal gelogen war. Fieber hatte ich selbstverständlich keines. Als Steve dass erfuhr musste ich mir wieder einmal Beschimpfungen von ihm anhören. Er glaubte mir meine Geschichte nicht und meinte, ich wolle nur nicht in die Schule gehen. Den restlichen Tag lag ich ihn meinem Bett, spielte mit meinem Gameboy und das alles in Jimmys Anwesenheit. Einmal fragte ich ihn probeweiße, ob er wüsste, was ich machen könnte damit er abhaue, doch er gab mir, oh Wunder, keine Antwort.
Der nächste Tag verlief ähnlich. Ich ging zur Schule, verbrachte dort meinen Vormittag und ging wieder nachhause. Alles zusammen mit Jimmy. Mittlerweile nahm ich ihn kaum mehr wahr, dennoch wünschte ich mir mein altes Leben zurück. Am Nachmittag schnappte ich mein Bike und fuhr nach langer Zeit wieder in den Sattler Forest. Meine Albträume hatte ich beinah vergessen, schließlich hatte ich die Tage davor mit etwas Schlimmeren zu tun. Ohne Jimmy, so dachte ich, fuhr ich über Stock und Stein.
Sagte ich, ich hätte meine Albträume vergessen? Jedenfalls stand ich unter Schock, als ich den Baum sah. Ich war noch nicht besonders weit gefahren, als ich ihn erblickte. Es war jener Laubbaum aus meinen Träumen, welcher zwischen den Nadelbäumen hervor stach. Sofort stieg ich von meinem Bike und betrachtete ihn. Ich war wieder in einem Traum gefangen, so dachte ich. Einige Minuten lang, zwickte, biss und fügte mir selbst Schmerzen zu, nur um aufzuwachen. Jedoch wachte ich nicht auf. Ich war noch immer im Wald. Langsam ging ich auf dem Baum zu. Alles, auf das ich wartete war ein Monster oder ähnliches, welches auftauchen würde, doch es war still, für eine lange Zeit. Bei näherer Betrachtung jedoch fiel mir etwas auf. Ich stand nicht vor einem Baum mit Baumhaus darauf. Dieser Baum hatte kein Baumhaus. Es war nicht jener Baum aus meinen Träumen. Für eine kurze Zeit war ich erleichtert, jedoch wieder geschockt als ich Jimmys Stimme hörte.
Jimmy stand hinter mir und fragte mich: „John, wollen wir ein Baumhaus bauen?“
Wut kam hoch. Ich lief an Jimmy vorbei, stieß mit ihm zusammen und rannte zu meinem Bike. Schnell fuhr ich wieder zurück und ließ den kleinen Jungen allein im Wald stehen. Während ich fuhr, hatte ich keine großen Hoffnungen den Jungen endlich losgeworden zu sein. Auch als ich nachhause kam und er sich nicht in meinem Zimmer befand, war ich davon überzeugt, er würde am nächsten Morgen, oder sogar in derselben Nacht, wieder auftauchen. So, wie es immer geschah. Erst 24 Stunden darauf kamen langsam Glücksgefühle hoch. Anscheinend hatte ich es geschafft ihn loszuwerden. Ich hatte es auf dieselbe Weiße geschafft, wie man einen normalen Jungen loswerden konnte. Ich ließ ihn alleine im Wald zurück. Zwei weitere Tage vergingen. Zwei Tage ohne den Jungen.
Glücklich ging ich von der Schule nachhause. Ich weiß noch, als ob es erst vor kurzem gewesen wäre, dass jener Tag, ein guter war. Solange jedenfalls bis ich Kliff und Pete sah. Kliff und Pete waren etwa siebzehn Jahre alt, also noch nicht volljährig. Die beiden Typen waren klassische Schläger, welche es ausnahmsweise nicht nur auf mich absahen. Jeder musste sich vor ihnen fürchten. Erst ein einziges Mal davor hatte ich es mit ihnen zu tun gehabt. Dort fuhr ich aus Versehen in einen der beiden mit meinen Bike hinein. Was konnte ich dafür, dass sie aus dem nichts auftauchten und sich vor mich stellten? Jedenfalls verpassten sie mir darauf eine blutige Nase. Nun begegnete ich ihnen erneut und das auch noch vor dem Haus von Miss Sawjer.
Da fällt mir ein, über Miss Sawjer habe ich noch nicht gesprochen, obwohl sie auch einen wichtigen Teil der Geschichte beiträgt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Miss Sawyer nicht ihr echter Name war, aber so wurde sie genannt. Sie lebte in einen großen, alten Haus, welches einer Ruine glich. Man hätte meinen können, es wäre unbewohnbar aber die alte Frau mit den verfaulten Zähnen lebte dort. Viel war über sie nicht bekannt. Sie verließ nie das Haus. Man konnte sie nur selten hinter den Fenstern erblicken. Etliche Mythen herrschten um ihre Person. Anscheinend sollte sie sich von streunenden Tieren ernähren, welche sich unglücklicherweise in ihr Haus verirrten . Dazu sollte sie auch vor Menschen nicht halt machen. Erinnern sie sich noch, als ich Ihnen von den Mädchen erzählte, welches in den achtziger Jahren im Sattler Forest verschwand. Damals war Miss Sawjer die Hauptverdächtige doch da man keine Bewiese hatte kam sie davon. So sagten es jedenfalls alle.
Um auf Kliff und Pete zurück zukommen. Als ich sie erblickte senkte ich meinen Kopf zu Boden. Ich wollte ihnen nicht in die Augen blicken. Das dumme war jedoch, dass man nicht viel sieht, wenn man ausschließlich auf dem Boden blickt. Dies musste ich am eigenen Leibe erfahren. Plötzlich spürte ich, wie ich, beziehungsweiße eigentlich wie mich, jemand leicht an der Schulter rahmte. Mit einen leichten Seufzer sah ich hoch. Kliff und Pete, welche beide einen Kopf größer, größer als Fred, waren, standen vor mir, mit wütender Miene. Ohne ein Wort zu sagen hebte einer der Beiden die Faust. Ich entschuldigte mich doch ihre wütenden Blick veränderte sich nicht. Ohne zu versuchen weg zu rennen, schloss ich meine Augen und ließ es geschehen. Ich wartete darauf zusammen geschlagen zu werden, jedoch landete keine Faust in meinem Gesicht. Stattdessen hörte ich einen der beiden „Aua“, rufen. Ich öffnete meine Augen. Ein Stein, welcher so groß wie ein Finger war, flog auf sie zu. Einer der beiden wurde getroffen. Erneut jammerten sie. Weitere Steine folgte. Verwirrend sahen sie sich um. Ich ebenfalls.
„Wer ist das?“, fragte einer der beiden.
Der andere fragte mich sogar, ob ich das sei, obwohl ich vor ihm stand. Es flogen nun mehr Steine in der Gegend herum und sie wurden, so kam es mir vor, immer größer. Die beiden rannten davon, nachdem sie mir leicht gegen das Schienbein traten. Mir war klar, dass das ganze schlimmer enden hätte können. Keiner der Steine traf mich, nur die beiden. Jemand half mir. Jemand rettete mich. Erneut sah ich mich um. Schnell ließ sich mein Retter blicken. Hinter einen Busch kam Jimmy hervor. Er hielt Steine in der Hand und winkte mir mit einem Lächeln zu.
Ich wurde ausgerechnet von dem Jungen gerettet, welcher mir mein Leben die Tage zuvor erschwerte . Ich wurde von jemanden gerettet von dem ich nicht einmal wusste, ob er nun wirklich existiert. Doch er musste existieren, schließlich waren die Steine, welche er um sich schmiss, ebenfalls real.
Wortlos starrten wir uns an. Glückgefühle kamen hoch. Ich hätte ihn umarmen können.
„Jimmy, so ist dein Name, stimmts?“, fragte ich ihn nach längerem schweigen. Stumm nickte er.
„Was bist du?“, fragte ich und erhoffte mir dieses Mal eine Antwort.
„Ich…Ich weiß nicht.“, stotterte er vor sich hin.
„Was bist du?“, fragte ich erneut, dieses Mal jedoch etwas aggressiver.
„John, möchtest du mein Freund sein?“, fragte er mich. Ich bejahte seine Frage. So geschah es, dass wir beide zusammen zu mir nachhause gingen. Eigentlich wollte ich alleine gehen, nachdem ich ihm das Ja gab, doch er folgte mir. Wissen Sie was, es störte mich nicht. In diesem Moment, auch wenn er nur kurz war, fand ich mich damit ab, dass dieser Junge mein neuer Freund sein würde. Wie gesagt, es war ein sehr kurzer Moment, denn während des Nachhauseweges, welcher nicht lang war, überdachte ich noch einmal meine Zustimmung. Schließlich tat der Junge nichts anderes als zwei Jugendliche, welche mich zusammenschlagen wollten, mit Steinen zu bewerfen. Ich kannte nicht einmal seine Intention. Kaum hätte ich meine Aussage zurücknehmen können, zu groß wäre mein schlechtes Gewissen gewesen, auch wenn ich noch nicht wusste, ob er ein Geist, eine Fantasie oder womöglich doch ein realer Mensch war. So kam es, dass wir beide uns in meinem Zimmer wiederfanden. Er saß auf dem Bett, ich stand in der Ecke, in der er Nächte zuvor schon stand.
„Was willst du nun tun?“, fragte ich ihn, nachdem wir uns erneut wortlos anstarrten. Ich konnte nichts dagegen tun, sein Aussehen machte mir noch immer Angst. Seine Augen wirkten nicht real. Sie waren rein. Keine Adern noch etwas anderes war in ihnen zu finden. Außerdem störte mich noch etwas. Mich störte etwas an seinem Lächeln. Heute kann ich nicht sagen, ob es seine Lippen oder seine Zähne waren, doch etwas wirkte unnatürlich. Außerdem kann ich seine schrille Stimme nicht vergessen. Sie klang beinah wie die eines Charakters aus einem Cartoon.
Auf meine Frage antwortete mir Jimmy: „Willst du was spielen gehen?“
Ich wollte nicht mit ihm spielen gehen. Ich wollte herausfinden was genau dieser Junge war. Somit antwortete ich: „Machen wir einen Deal. Wir gehen etwas spielen, wenn du mir sagts was du bist.“
Der Junge sah mich mit einem langen Gesicht an. Er wirkte beinah wütend. Nach einer kurzen Pause antwortete er: „John, ich bin Tod.“
Diese Aussage schockierte mich weniger, als sie mich hätte sollen. Vielleicht war ich sogar erleichternd, dass es sich bei ihm wirklich um einen Geist handelte, wenn es sich bei ihm überhaupt um einen Geist gehandelt hätte.
„Wie bist du gestorben?“, fragte ich ihn.
„Ich möchte nicht darüber reden.“, antwortete er. Mit dieser Antwort gab ich mich jedoch nicht zufrieden. Somit hackte ich erneut nach.
„Wurdest du getötet?“, fragte ich. Er nickte.
„Von wem?“, fragte ich darauf.
„Es war ein Freund, mein einziger Freund, welcher mich umbrachte. Er fiel mir in den Rücken.“, so sprach er.
„Wann wurdest du getötet?“, fragte ich.
Zwar antwortete er mir nicht auf diese Frage, sagte jedoch stattdessen: „Ist die Tür verschlossen? Ich möchte nicht dass uns jemand stört.“
Ich bewegte mich zur Tür und verschloss sie, während ich ihn im selben Moment fragte: „Ich bin doch der Einzige, der dich sehen kann, oder?“
Darauf antwortete der Junge: „Nein, nur die, die an mich glauben können mich sehen.“
Erneut fragte ich ihn, wann er gestorben sei, worauf er antwortete: „Es war im Mittelalter.“
Wir redeten einige Zeit lang, solange bis Jimmy meinte: „Ich möchte jetzt spielen.“ Dies sagte er im lauteren Ton. Schritte wurden hörbar. Jemand war im Flur und kam auf uns zu. Sofort versteckte sich Jimmy unter meinem Bett. Der Knauf bewegte sich doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Steve klopfte mit voller Kraft an diese und schrie: „Sperr sofort die Tür auf!““
John sagte dies in einem rauen Ton und ahmte Steve nach, „Sofort entriegelte ich die Tür und ließ ihn hinein. Steve sah sich um.
„Wichst du, oder was?“, fragte er mich. Ich schüttelte den Kopf. Er ging aus meinem Zimmer und schlug die Tür in ihr Schloss. Es krachte so laut, dass ich Sorge bekam, die Nachbarn würden sich beschweren. Jimmy kam wieder unter dem Bett hervor. Ich fragte ihm, weshalb er sich versteckte worauf er antwortete: „Ich habe Angst, John. Können wir bitte raus gehen.“
Sein Körper zitterte. Am liebsten wollte er so schnell wie möglich wieder aus der Wohnung, doch ich hielt ihn auf. Mit meiner Hand auf seiner Schulter fragte ich ihn eine letzte Frage.
„Was geschieht nach dem Tod? Werden wir alle zu Geister!“. Worauf er antwortete: „Nein John, ich habe noch etwas zu erledigen, weshalb ich nicht in den Himmel kann.“, mit dieser Frage gab ich mich fürs erste zufrieden und wir gingen raus.
Draußen angekommen lief Jimmy los, ich ihm hinterher. Sofort stellte ich Jimmy weitere Fragen. Ich fragte ihm was er noch zu erledigen hätte, weshalb er mich aufsuchte. Keine Antwort. Wir liefen auf ein großes, leeres Feld zu, auf dem sich zufällig ein Fußball befand. Jimmy hob ihn hoch und schmiss ihn zu mir. Ich kickte den Ball zurück. Schnell blendete ich alles um mich herum aus und spielte mit Jimmy Fußball. In diesen paar Stunden verspürte ich das erste Mal seit langem wieder Spaß. Ich hatte Spaß daran mit Jimmy zu spielen und mir war egal, was die anderen dachten. Jimmy wurde an diesem Tag mein bester Freund.
Als es dunkel wurde verabschiedete sich Jimmy von mir und wir gingen getrennte Wege. Als ich zuhause ankam war meine Mom etwas schockiert. Normalerweise kam ich immer vor Dunkelheit heim. Außerdem war ich von oben bis unten mit Dreck überdeckt. Wütend fragte sie mich was ich gemacht hätte. Woraufhin ich antwortete, dass ich mit meinen Freund gespielt hätte. Als sie dies hörte, verwandelte sich ihr schockiertes Gesicht in ein glückliches. Ohne Worte ließ sie mich in mein Zimmer gehen. Ich zog mich um und legte mich ins Bett. An diesem Abend dachte ich noch einmal über Jimmy nach. Das war erst der erste Tag, an dem ich ihn wirklich kennen lernte, beziehungsweise einen kleinen Teil von ihm, und dennoch konnte ich ihn schon als meinen besten Freund bezeichnen. Ich hatte endlich einen Freund es war unfassbar. Dass dieser Junge mir mehr Schaden anrichteten würde als Freude bereitete, war mir noch nicht klar.
Am nächsten Tag folgte er mir in die Schule. Es störte mich nicht. Im Gegenteil. Auf dem Weg dorthin unterhielten wir uns sogar. Wir redeten darüber, was wir beide nach der Schule machen könnten. Ich war es, der das Baumhaus erneut erwähnte. Da einer der ersten Sätze, welche er zu mir sprach, aussagte, er wolle ein Baumhaus bauen, schlug ich dies an diesem Morgen vor. Er war einverstanden und freute sich. Der Schultag war wie immer schei… Nicht gerade angenehm.“, rettete sich John.
„Naja, ich wurde eben gesehen, wie ich am Vortag mit Jimmy Fußball spielte und da nur ich Jimmy wahrnehmen konnte, sahen alle anderen nur mich, einen Jungen, welcher alleine einen Fußball hin und her kickte und dabei mit sich selbst sprach. Ja, ich spielte mit meinen unsichtbaren Freund Fußball, genauso wirkte es und so war es auf eine Gewisse Weiße auch. Sofort sank meine Stimmung wieder in den Keller. Jimmy nervte mich ebenfalls in dem er Fragen zum Unterricht stellte. Ja, auch an diesem Tag saß er ununterbrochen hinter mir.
„Was genau schreibt der Lehrer da? Wie geht das? Ich versteh das nicht.“, meinte er ununterbrochen. Ich verstand das meiste selbst nicht. An diesem Tag bauten wir noch kein Baumhaus. Als ich das zu ihm auf dem Nachhauseweg sagte, fing er erneut an zu heulen. Sofort konnte ich mich bei ihm entschuldigen, er beruhigte sich und wir gingen einen Kompromiss ein. Ich sagte zu ihm: „Hör zu, ich möchte heute ein wenig über dich und mit dir recherchieren. Ich möchte herausfinden was genau du bist.“
Es klingt dämlich, doch ich dachte, wenn ich mich genug mit Geistern beschäftigen würde, würde ich es schaffen, Jimmy loszuwerden. Zwar mochte ich ihn, dennoch wusste ich, dass diese Freundschaft nicht für ewig weilen kann.
So dämlich wie meine Idee auch klang, ich war nicht der Einzige, der es auf eine ähnliche Weiße versuchte, so viel kann ich schon einmal verraten.
Da wir zuhause keinen Computer hatten, ging ich mit Jimmy in die Bücherei. Auf der Seite Wikipedia, welche Anfang 2003 noch lange nicht so ausgereift war wie heutzutage, suchte ich nach jegliche Artikeln über Geister, dem Leben nach dem Tod und wie man in den Himmel kommt. Meine Recherche dauerte einige Stunden lang und dennoch wurde ich nicht fündig. Zugegebenermaßen machte es Jimmy auch nicht leichter. Auf jede Frage, die ich ihn stellte, ich musste ihm eine Menge Fragen stellen, bekam ich eine unzufriedene und ungenaue Antwort. Dazu stellte er mir, so wie an diesem Schultag, etliche Fragen. Er nervte, wie es ein Kleinkind tat. Da dieser Plan ein Reinfall war, musste ich mein Versprechen einlösen und mit Jimmy das Baumhaus bauen.
Am nächsten Tag, gleich nachdem die Schule zu Ende war, gingen wir nachhause, holten mein Bike aus dem Keller und fuhren in den Sattler Forest. Meiner Mom sagte ich übrigens nicht Bescheid. Ich dachte mir, es wäre ihr sowieso egal was ich machen würde. Mit Jimmy am Sattelträger fuhr ich durch die Stadt. Zwar hatte ich meine Schwierigkeiten, vor allem als wir auf dem Waldgelände fuhren, doch wir kamen heile und ziemlich schnell an jenem Laubbaum an. Nun standen wir dort, beide ohne Plan. Tatsächlich wusste ich absolut nicht wie ich so ein Baumhaus erbauen sollte. Schnell fiel mir auf, dass es vom Vorteil gewesen wäre, hätte ich Material, wie Seile oder Bretter mitgenommen, doch ich hatte nur das, was die Natur uns gab. Auf dem Boden lagen einige Äste, diese waren jedoch zu klein. Ich ging auf einen alten, morschen Baum zu, trat dagegen und er fiel zu Boden. Nun hatte ich morsches Holz, doch wusste noch immer nicht was ich damit anfangen sollte. Jimmy war übrigens beim Bau keine große Hilfe, zu Beginn jedenfalls. Auch wenn er ein Geist gewesen sein sollte, hatte er dennoch das Gehirn eines achtjährigen. Nach langer Suche fand ich einen Baum, welcher noch nicht morsch war und dennoch leicht umgetreten werden konnte. Ich fand einen weiteren Baum auf dem Boden. Nun hätte ich eine Säge gebraucht. Mit meinen bloßen Händen versuchte ich den Baum zu spalten. Muss ich erklären, dass dies ohne Erfolg war. Meine Hände begannen schnell zu Bluten. Es tat unfassbar weh. Ich gab auf. Dann kam Jimmy ins Spiel.
Während ich mir meine Hände aufkratze, sah Jimmy wortlos zu. Als ich aufgab, übernahm er meinen Part. Mit Leichtigkeit zerspaltete er den Baum in handlichen Brettern. Während er dies tat, schaffte ich es mit den Brettern eine Grundlage, einen Boden, zu errichten. Meine Hände taten zwar noch immer weh, doch ich vergaß langsam den Schmerz, während wir beide arbeiteten. Ich möchte nicht zu tief ins Detail gehen. Schnell lag die Unterfläche zwischen den Ästen. Die vier Wände und das Dach folgten. Es dauerte zwar den restlichen Tag, doch unser Baumhaus befand sich auf dem Baum, fertig.
Jimmy und ich standen stolz vor diesem, blickten auf unser Meisterwerk. Zwar sah es nicht so schön aus wie jenes aus meinem Traum, doch wir hatten ein Baumhaus erbaut. So dachte ich. Wenn ich zurückdenke, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich auf nichts Weiteres als auf Müll blickte. Wie zur Hölle sollte man ein Baumhaus ohne irgendeine Art von Werkzeug erbauen und das innerhalb eines Nachmittages? Doch in diesem Moment, in diesem kurzen Augenblick, war ich mir sicher, dass wir beide, wir Freunde, etwas Unmögliches erschaffen haben. Bevor wir nachhause gingen, kletterten wir auf dem Bau und bestaunten unser Projekt von innen. Im Mondlicht sahen Jimmy und ich uns an. Wir beide lächelten. Voller Freude sprach ich zu meinem Freund: „Jimmy, das war heute der schönste Tag meines Lebens.“
Dies sagte ich zu einem achtjährigen Jungen. Dies sagte ich zu einem achtjährigen Jungen, welcher wahrscheinlich gar nicht existierte. Dies sagte ich zu einem achtjährigen Jungen, welcher wahrscheinlich gar nicht existierte, mein bester Freund war doch nur wenige Tage darauf zu meinem Feind wurde, welchen ich töten musste.“, sprach John, als hätte er es eingeübt.
„Zusammen fuhren wir wieder aus dem Wald. Kurz vor der Schule meinte Jimmy, ich solle ihn absteigen lassen, er würde den restlichen Weg zu Fuß gehen. Es war schon dunkel, weshalb ich ihn fragte, ob ich ihn nicht heim fahren solle. Natürlich fragte ich ihn auch, weil ich wissen wollte, wo er nun wohnte. Er war ein Geist. Lebte er nun in einem alten verlassenen Haus? Lebte er mit einer Geisterfamilie zusammen? Als ich ihn dies fragen wollte, war er bereits verschwunden. Entweder es war die dunkle Nacht, welche ihn verschlang, oder er verschwand wieder wie vom Erdboden verschluckt, so wie es schon häufiger geschah.
Ich dachte mir nichts weiter dabei und fuhr alleine nachhause. Zwar ist folgendes nicht besonders wichtig, dennoch erwähnenswert. Als ich an dem Haus von Miss Sawjer vorbei fuhr, hörte ich Schreie aus diesen kommen. Wie gesagt, ich wollte es nur angesprochen haben.
Es musste zehn Uhr abends gewesen sein, als ich nachhause kam. Steve war bereits bei der Arbeit und meine Mom schlief. Nicht im Schlafzimmer sondern auf dem Sofa. Leise schlich ich mich in die Wohnung, ich wollte meine Mom nicht wecken. Da ich klatschnass war, von m einem Schweiß durchnässt, stellte ich mich unter die Dusche. Als ich aus dem Bad kam, stand meine Mom im Flur. Für einen kurzen Moment erschreckte ich mich. Sie stand mit den Armen an ihren Hüften und wütenden Blick still da.
Ohne Worte blickte sie mich an, obwohl ihre Haltung und ihr Gesichtsausdruck vermuten ließen, sie würde jeden Moment losschreien.
„Hab ich dich geweckt?“, fragte ich, um ihr Schweigen zu brechen.
Mit der Gegenfrage: „Wo warst du?“, gab sie mir eine Antwort. Sie klang wütend.
„Was kümmert es dich?“, fragte ich sie. Ja, Sie haben recht, ich war respektlos in diesem Moment, doch mein neuer Freund war es, welcher mir eine gewisse Stärke und den Mut gab, respektlos zu meiner Mutter zu sein. So Respektlos wie meine Mom all die Jahre zu mir war, so wollte ich es ihr in diesen Moment zurück zahlen.
„Ich habe mir Sorgen gemacht.“, bekam ich als Antwort. Ihr Wut auf mich schien zu verblasen
„Wirklich, normallerweißen machst du dir doch nie sorgen. Eigentlich kümmerst du dich nicht einmal um mich.“, antwortete ich. Erneut ließ ich meinen Frust bei ihr aus. Ihr Blick wurde nun wütender.
„Sag mal, wie redest du mit mir? Wo warst du habe ich gefragt?“, fragte sie erneut. Ihre verblasste Wut auf mich kam wieder zurück.
„Weißt du, wo ich war? Ich spielte mit meinem Freund. Bist du nun glücklich? Du wolltest doch immer, dass ich einen Freund habe. Nun habe ich einen.“, sprach ich im sarkastischen Ton. Ihre Antworte jedoch verwunderte mich.
„Das glaube ich dir nicht.“, sagte sie. Ich konnte es nicht fassen. Für meine Mom schien es zu abwegig gewesen zu sein, ich hätte einen Freund.
„Ob du es glaubts oder nicht, ich habe einen Freund. Ich habe einen Menschen getroffen, welcher mich endlich so respektiert wie ich bin.“, so argumentierte ich. Auch wenn ich zu diesem Moment noch über einen Geist sprach, konnte ich dies etwas später auch zu einem Menschen sagen, nur wusste ich es noch nicht.
„Wie heißt er?“, fragte meine Mom.
„Wer?“, antwortete ich nur um im selben Moment zu realisieren, dass sie Jimmy meinte.
„Dein angeblicher Freund?“, sprach sie.
„Jimmy.“, antwortete ich.
„Wie alt ist er?“, fragte sie.
„Neun.“, antwortete ich. Ja, ich belog meine Mom nicht. Jimmy respektierte mich so wie ich war deshalb respektierte ich ihn so wie er war.
Der Gesichtsausdruck meiner Mom veränderte sich. Genervt blickte sie mich an. Ein leichtes Lachen kam aus ihr hervor. Es war abwertend.
Bevor ich in mein Zimmer stürmte, sagte ich zu ihr: „Ich bin dir keine Erklärung schuldig.“
Ohne Worte stieß ich mich an ihr vorbei, ging in mein Zimmer wo ich die Tür hinter mich zuknallte. Es war ein nicht so schönen Gefühl zu wissen, dass die eigene Mutter einem nicht zutrauen konnte, Freunde zu finden. Sofort nachdem ich die Tür zuknallte, kamen mir die Tränen und ich hätte garantiert angefangen zu heulen, zu schluchzen, wie es, Sie wissen schon, ein kleines Baby tat. Ich hätte dies bestimmte getan, wäre dort nicht jemand unter meiner Decke gewesen. Meine Decke schien aufgebläht zu sein, jemand musste sich darunter befinden. Außerdem bewegte sich derjenige leicht. Ohne nur irgendeine Art von Angst zu verspüren, riss ich die Decke von meinem Bett herunter.
„Waaaahhhhhh!!!““, schrie John aus dem nichts. Dr. Philips hätte sich garantiert erschreckt, doch dies wusste John nicht. John wusste nicht, wie Alfred auf seinen Schrei, auf seine Geschichte, reagierte, denn noch immer saß er gebückt da. Somit schrie er quasi nur den Boden an. Ein leichtes Lächeln kam ihn über die Lippen.
Er erzählte: „Nein, so schlimm war es nun nicht. Mit einem leichten und leisen „Boo!“, schrie Jimmy mich an. Er sprang auf mich zu, in meine Arme. Ich erschreckte mich leicht, doch war froh, dass er hier war.
„Darf ich heute bei dir schlafen?“, fragte er mich. Ich nickte. Ohne ihn zu fragen, weshalb ich seinen Besuch verdiente, fielen wir beide todesmüde ins Bett.
Am nächsten Tag , kurz bevor der Unterricht begann, kam Fred auf mich zu. Nach etwa einer Woche in der fehlte, war das erste was er tat mir eine Frage zu stellen. Ohne mir etwas Böses zu denken, saß ich auf meinen Platz. Fred kam in die Klasse, doch ging nicht auf seinen, sondern auf meinen Platz schnurstracks zu. Seine Finger legte er auf meinen Pult und wir sahen uns Gegenseitig in die Augen. Während meine Augen noch halb verschlossen, gewesen sein mussten, ich war müde, so wie jeden Morgen, hielt Fred seine Augen weit offen. Er wirkte beinah wie ein Psychopath, welchen man aus sämtlichen Filmen kennt. Hätte er mich wortlos weiter so angestarrt, wäre meine Vermutung noch zutreffender gewesen, doch er fragte mich etwas, genau mich.
„Du hast ihn auch gesehen, diesen Jungen?“, fragte er mit seiner Dunkeln Stimme. Er klang nervös
Meine müden Augen öffneten sich nun auch.
„Nein, welcher Junge?“, fragte ich darauf.
„Der blonde Junge, acht Jahre alt. Er hat, wie soll ich das am besten sagen, Augen ohne Pupille und Iriden? Hast du ihn gesehen?“, fragte er mich noch nervöser.
Man musste nicht besonders aufmerksam gewesen sein, um zu wissen, dass Fred von Jimmy sprach.
„Nein, wer ist das?“, fragte ich. Fred schien mehr zu wissen.
„Du belügst mich doch nicht? Dieser Junge, er ist doch nicht hier oder, Johnny?“, fragte mich Fred. Mir gefiel es gar nicht als mich Fred Johnny nannte.
„Ich heiße John, und nein ich habe ihn nicht gesehen?“, antwortete ich ihm, etwas zornig. Fred hob seine Hände und ging zurück auf seinem Platz. Als er sich setzte, blickte ich zurück. Jedoch nicht auf Fred, sondern auf Jimmy welcher sich hinter mir am Boden sitzend befand. Fred merkte, dass ich hinter mich blickte. Er merkte auch, dass ich nicht ihn ansah. Ich war mir sicher, dass Fred meine Lüge durchschaut hat. An diesem Tag konnte ich nur noch an ihn und seine Aussagen denken. Ich war zwiegespalten. Zum einen wollte ich unbedingt das wissen, was er über Jimmy wusste, zum anderen vertraute ich ihm nicht. Ich denke mittlerweile habe ich schon oft genug Angedeutete für was ich mich hätte entscheiden sollen.
Natürlich fragte ich Jimmy aus. Ich hackte nach und wollte unbedingt wissen was er mit Fred zu tun gehabt hatte. Eigentlich erwartetet ich keine Antwort. Jimmy sprach kaum über sich und weichte meinen Fragen ständig aus. Dennoch bekam ich auf meine Fragen eine eindeutige und gewöhnliche Antwort, welche ich von ihm nicht gewohnt war.
Er sagte so viel wie: „John, ich hab keine Ahnung was dieser Junge von dir wollte. Ich kenne ihn nicht, das schwöre ich dir. Ich verspreche es dir, von Freund zu Freund.“
Auch wenn ich mit dieser Antwort eher unzufrieden war, glaubte ich ihm. Selbstverständlich glaubte ich ihm, ich hatte schließlich auch keinen Grund dies nicht zu tun.
Die folgenden Tage lassen sich kurz zusammenfassen. Fred glaubte mir eindeutig nicht, weshalb er mich des Öfteren genauestens beobachtete. Wie ich später erfuhr, beobachtete er mich nicht nur in der Schule, sondern auch an den Nachmittagen. Mit Jimmy hatte ich hingegen an den Nachmittagen viel Spaß. Wir spielten dort, wo man uns nicht sah, fuhren zusammen auf meinen Bike oder hängten in meinem Zimmer ab, so, wie es eben ganz gewöhnliche Freunde machten. Das alles ging knappe zwei Wochen so. Mein Leben war gut. Es reichte noch nicht an ein normales Leben ran, aber für meine Verhältnisse war es gut. Wie gesagt, alles ging knappe zwei Wochen so, bis zu jenem Tag.
Jimmy und ich stritten uns. Am liebsten möchte ich Sie genauestens über den Streit und dessen Grund aufklären, doch diesen weiß ich beim besten Willen selber nicht. Ich denke, ich war es, der anfing. Wahrscheinlich wollte ich etwas von Jimmy wissen, was er mir nicht sagen wollte. Wahrscheinlich sagte ich dann so etwas wie: „Ja, weißt du, gute Freunde erzählen sich eigentlich alles. Ich haben so langsam das Gefühl, du bist kein guter Freund.“
Wahrscheinlich, nein, ganz sicher, schubste ich ihn auch. Ich schubste ihn so hart, sodass er hinfiel. Ja, an diesem Tag legte ich mich mit Jimmy an, einer meiner größten Fehler.
Da sich dieser Streit in meinen Zimmer abspielte, rannte Jimmy darauf weinend in den Flur. Nicht nur raus aus meinem Zimmer, sondern aus der Wohnung. Jegliche Schuldgefühle blieben aus. Ich dachte mir nicht viel dabei, war mir sicher er würde am nächsten Tag wieder mein bester Freund werden. Dies war er auch, im gewissen Falle, aber davor wurde ich von ihm bestraft.
Umso weniger ich noch von dem Streit wusste, umso genauer kann ich mich an jene Situation erinnern. Es war etwa eine Stunde nachdem Jimmy heulend die Wohnung verließ. Ich war soeben auf dem Weg in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen. Aus dem Kühlschrank nahm ich mir eine Packung Orangensaft und schenkte etwas in mein Glass ein. Nachdem ich dieses aus trank, wollte ich zurück in mein Zimmer. Im Flur angekommen, hörte ich, wie aus dem Bad das Wasser aus dem Duschkopf zu fließen begann und eine Stimme einen Song anstimmte. Es war Steve, welcher sich soeben für die Arbeit fertig machte und seinen Lieblingssong, welchen ich zuvor schon einmal erwähnte, unter der Dusche sang.“
Ohne aufgefordert zu werden oder Dr. Phillips vorzuwarnen, begann John jenen Song zu singen.
„Like the wind, you came here running. Take the consequence of leavin'. There's no space, there's no tomorrow, there's no sent communications
Check it in, check it out, or the sun will never shine. They're a long way away, in the subways of your mind
Like the wind, you're gonna suffer. Let a smile be your companion. There's no place, and there's no sorrow. Hear the young and restless dreaming“
Nachdem John den halben Text des Songs von sich trällerte und dabei mehr oder weniger die Töne traf, setzte er seine Geschichte mit den Worten: „Ich merke schon, ich schweife ab.“, fort.
„Kein Wunder dass ich mich noch so genau an diesen Song erinnern kann, er lief damals schließlich im Radio auf und ab. Jedenfalls wollte ich so schnell wie möglich zurück in mein Zimmer. Ich blickte noch einmal zur Tür des Bades, danach zu der gegenüberliegenden Tür, die des Schlafzimmers von meiner Mom und Steve, wo mir etwas auffiel. Der Winkel, in dem ich die Tür betrachtete, reichte gerade so aus, um zu erkennen, dass sich darauf etwas schwarzes befand. Mit der Hoffnung ich würde mir das nur einbilden, ging ich auf die Tür zu. Meinen zitternden Finger befleckte ich mit Spucke und wischte über die Spuren. Keine Chance, es war wasserdicht. Mit einem Wasserdichten Marker standen groß und fett die Worte: „Meine Mom ist eine Schlampe und Steve ein verfickter Motherfucker. Fickt dich ins Knie du Hurensohn.“
Mir war sofort klar, dass Jimmy dies geschrieben haben musste. Ich wusste nicht wie, aber er hatte es irgendwie geschafft. Nun befleckte ich meine ganze Hand mit Spucke und wischte panisch über die ganze Tür. Meine Hand verfärbte sich zwar schwarz, aber die Schrift blieb unverändert. Ich war dabei in die Küche zu rennen und mir einen Schwamm zu holen, doch bevor ich mich bewegen konnte, stoppte die Musik als auch das Plätschern des Wassers. Der Türknauf bewegte sich hinter mir. Die Tür öffnete sich.
Ohne mich umzudrehen, stand ich regungslos da. Ich hatte Angst, Todesangst. Mein ganzer Körper zitterte von innen heraus. Ohne mich umzudrehen, war mir klar, dass Steve hinter mir stand. Mir war klar, dass er hinter mir stand und ein leichtes Lächeln im Gesicht trug. Ein Finger stupste mich an die Schulter. Er stupste mich nur leicht an. In der Hoffnung, es würde ein Wunder geschehen und nur meine Mom oder Jimmy würden hinter mir stehen, drehte ich mich vorsichtig um. Kein Wunder. Wie ich es mir gedacht habe, stand Steve hinter mir. Er trug jenes Lächeln im Gesicht. Lange konnte ich es nicht bewundern, denn sofort bekam ich seine kalte und feuchte Hand auf meiner Wange zu spüren. Ich weichte unfreiwillig aus. Erst in diesem Moment konnte er den ganzen Text auf der Tür bewundern. Ja, er schlug mich, bevor er nur wusste, was genau auf der Tür stand.
Ohne einen mucks zu machen, las er sich die Sätze durch. Ich beobachtete ihn dabei. Anhand seiner Augen konnte ich feststellen, dass er sich das Ganzen nicht nur einmal, oder zweimal, sondern mindestens zehnmal, nur in seinen Gedanken, durchlas. Das elfte Mal las er ihn laut vor, sodass ich das Gekrakel ebenfalls noch einmal hören konnte. Daraufhin sah er mich an, noch immer mit demselben Lächeln.
Mit einem beängstigen Blick sah ich zurück. Meine Augen wurden groß, meine Lippen bewegten sich abwärts. Ich musste beinah wie ein Babywelpe ausgesehen haben. Meine Hand hielt ich an die Stelle, an der ich Steves Hand zuvor zu spüren bekam. Meine Augen wurden glasig. Mir war bewusst, mich würde Steve zu Tode schlagen. Sofort rief ich nach meiner Mom. Sie war meine letzte Rettung. Zwar wusste ich nicht, wo sie sich befand, dennoch musste sie in der Wohnung gewesen sein.
Es dauerte ein paar Sekunden, in denen mich Steve mit unveränderten Blick ansah, er machte mir Angst, oh Gott, dieser Blick machte mir solche Angst, bis meine Mom aus dem Schlafzimmer kam. Sie öffnete die Tür und stand vor uns.
Verwundert sah sie uns an.
„Was ist den passiert?“, fragte sie Steve. Sie fragte diesen Misstkerl und nicht mich, der offensichtlich geschlagen wurde. Steve packte seine Hand auf den Arm meiner Mom, zerrte sie auf den Flur hinaus und schloss die Schlafzimmertür.
„Meine Güte, John, was soll das?“, fragte sie mich wütend.
„Bitte Mom, hilf mir, ich war das nicht.“, sprach ich ängstlich. Noch immer hatte ich die Befürchtung, Steve würde mich töten. Ein lautes Gelächter kam aus Steve hervor.
„Ach ja, wer soll es den sonst gewesen sein. Doch nicht etwa dieser neunjährige Einbrecher?“, fragte mich Steve. Er musste so hart lachen, dass es ihm schwer fiel, nur einen Satz hervorzubringen.
Im Endeffekt hatte er recht. Es war der neunjährige Einbrecher.
„Mom, es war dieser Junge. Er heißt Jimmy.“, sagte ich zu ihr. So kam es, dass ich beiden beinah alles über Jimmy erzählte. Ich hatte die Hoffnung, wenn ich ihnen alles, was ich wusste, erklären würde, würden sie mir glauben. Ich hoffte wenigstes daran, dass meine Mom mir glauben schenken würde.
„John, hör auf!“, schrie sie mich an, „Du bist zu alt, um einen imaginären Freund zu haben!“, fuhr sie wütend fort.
Jimmy war aber nicht mein imaginärer Freund, dies versuchte ich den beiden auch zu erklären.
Ich sagte: „Nein, er ist real. Jimmy existiert. Mom bitte glaub mir ich lüge nicht.“
Erneut bekam ich eine Backpfeife. Doch diesmal nicht von Steve, sondern von meiner Mom.
„Ich bin enttäuscht von dir John. Du wirst das sofort wegmachen.“, sprach sie, dieses Mal ruhiger.
Steve ging zurück ins Bad, um sich anzuziehen. Ach ja, das habe ich noch gar nicht erwähnt, alles was Steves Körper überdeckte war ein Handtuch um die Hüften.
Meine Mom hingegen ging in die Küche. Bevor sie den Flur verließ, sagte ich im halblauten Ton: „Du wirst doch erkennen, dass das nicht meine Handschrift ist.“
Es war tatsächlich nicht meine Handschrift. Die Schrift glich die eines kleinen Kindes, welches erst schreiben lernte. Meine Worte jedoch hatte oder wollte meine Mom nicht hören.
So holte ich mir einen Schwamm und rubbelte die Schrift, mehr schlecht als recht, von der weißen Tür ab. Wütend ging ich zu Bett. Diese Nacht sowie die Nächte darauf waren schlimm. Die Albträume fingen von neuem an. An jeden einzelnen Traum kann ich mich zwar nicht erinnern, dennoch auf die meisten entsprechend gut. In jener Nacht zum Beispiel, träumte ich davon, dass ich in der Schule saß. Der Unterricht war langweilig und ich wäre beinah eingenickt. Ganz recht, ich wäre in einem Traum beinah eingeschlagen. Ich glaube Jimmy kam nicht in diesem Traum vor, doch jemand, nein etwas anderes, was mich die darauffolgenden Träume verfolgte. Jenes Monster aus meinen zweiten Albtraum, Sie wissen noch, groß, lange harre, spitze Nägel und Zähne und eine rindenartige Struktur. Das Monster kam durch das Fenster. Alle schrien. Ich rannte aus dem Klassenzimmer, vor dem Monster davon. Es rannte mir hinterher. Kurz bevor ich zerfleischt wurde, wachte ich auf. So ähnlich sahen all meine Träume aus. Sie waren schrecklich. Ich litt an Schlafmangel, wollte lieber wach bleiben als zu träumen. Es war so schlimm, dass selbst meine Mom darauf aufmerksam wurde, aber dazu später mehr.
Am darauffolgenden Tag, oh Wunder, traf ich wieder auf Jimmy. Zwar nicht in der Schule, sondern am Nachmittag. Ich war soeben auf dem Weg zum Sattler Forest als Jimmy plötzlich vor mir stand. Ich hingegen wich aus und fuhr weiter. Meine neue Taktik war erneut zu versuchen ihn zu ignorieren. Da ich es schon irgendwie erwartete, war ich nicht besonders geschockt, als Jimmy sich bereits im Baumhaus befand als ich erst im Sattler Forest ankam.
Am liebsten wäre ich sofort wieder hinunter geklettert, zu meinem Bike und heimgefahren, doch Jimmy war es, welcher das Gespräch mit mir suchte.
„John hör zu, wir müssen reden.“, sagte er. Er sprach schon wieder wie ein Erwachsener. Zwar nahm ich das erst in diesem Moment so richtig war, doch unterbewusst schon zuvor. Jimmy neigte oft dazu wie ein Kleinkind und oft wie ein Erwachsener zu reden. Seltsam, nicht wahr?
Falls Sie nun denken, dies hätte irgendetwas zu bedeuten, wäre ich sehr auf Ihre Analyse gespannt, denn ich habe absolut keine Ahnung.“
Ohne Alfred zu Wort kommen zu lassen, erzählte John seine Geschichte weiter: „Jedenfalls wollte ich nicht auf ihn hören. Mir war egal was er zu sagen hatte, unsere Freundschaft sei vorbei. Ich hatte keine Sekunde lang vor ihm zu verzeihen. Ohne ihm eine Antwort zu geben, kletterte ich wieder vom Baumhaus, zu meinem Bike. Jedoch ließ er nicht locker.
„John, sei mir nicht böse.“, sagte er, während er ebenfalls hinunter kletterte. Erneut gab ich ihm keine Aufmerksamkeit. Plötzlich und unerwartete spürte ich einen Tritt gegen mein Hinterbein. Es schmerzte. Ich flog das letzte Stück vom Baum zu Boden, wo ich jedoch mit meinen Beinen landete
„Was soll der scheiß?!“, schrie ich Jimmy an, welcher sich noch ein Stück über mir befand. Er ließ ebenfalls das letzte Stück des Baumes aus und sprang auch zu Boden von derselben Höhe wie ich unfreiwillig fiel.
„Tut mir leid John, aber du musst mir zuhören.“, sprach er. Ich blieb stehen, drehte mich zu ihm um und schubste in mit aller Kraft. In diesem Moment fiel mir auf, dass ich Jimmy äußerst gern schubste. Es war eben die einfachste Möglichkeit ein Kind zum Weinen zu bringen. Jimmy fiel zu Boden, jedoch verdrückte er keine Träne. Fassungslos sah er mich an, während er am Boden sitzen blieb. Wütend blickte ich zurück.
Zwar kamen ihm keine Tränen, dennoch mir beinah, als ich zu ihm sagte: „Hör mir zu, ich dachte wir wären Freunde. Freunde machen das jedoch nicht. Ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben. Also lass mich bitte in Ruhe.“
Sein Fassungsloser Blick veränderte sich kein Stück. Während er am Boden blieb, drehte ich mich wieder um und ging von ihm davon, auf mein Bike zu und fuhr los.
Zu meinem Pech jedoch hörte Jimmy nicht auf das, was ich ihm sagte. Nur einen Tag darauf, ich war alleine zuhause und hörte etwas in der Küche zerbrechen, schmiss er einen Teller hinunter. Zwar schaffte ich es die Scherben aufzusammeln und wegzuwerfen, doch einige kleine Splitter übersah ich und als Steve einen davon in seinen Fuß zu spüren bekam, war die Hölle los. Erneut versuchte ich die Schuld auf Jimmy zu schieben, es war ja auch seine Schuld. Zu diesem Zeitpunkt jedoch wusste ich nicht, dass dies ziemlich dumm war.
Auch wenn ich diesem Vorfall als eigentlich nicht so schlimm wie jenen mit den wasserfesten Stift empfand, bekam ich einige Schläge mehr.
Nur ein paar Tage darauf aß Jimmy Steves Joghurt, auf welchem sogar sein Name geschrieben stand, auf. Er ließ ihn provokant, mit dem Löffel darin und der Folie halbdarauf, auf dem Tressen stehen. Dies geschah in der Nacht, weshalb ich auch erst davon mitbekam, als ich von Steve am nächsten Morgen unbefriedigend geweckt wurde.
Ich war schon kurz davor, mir eine Kamera zu holen und diese aufzustellen. Ich hätte liebend gerne Steves Gesicht gesehen, wenn er sich das Band angesehen hätte, in der etwas nicht Sichtbares seinen Joghurt griff und aufaß.
Nach dem Joghurtvorfall gab ich es auf ihnen zu erklären, dass Jimmy an den Ganzen Schuld war, da er mich nach diesem Vorfall auch in keine großen Schwierigkeiten mehr brachte, abgesehen von den Nachwirkungen natürlich.
Weitere wenige Tage später bat mich meine Mom um ein Gespräch in die Küche. Ich kam soeben aus der Schule nachhause und wollte so schnell wie möglich wieder auf mein Bike, als meine Mom rief: „Liebling, kommst du für einen kurzen Moment. Ich brauche deine Hilfe.“
Ich ging den Ruf nach. Als ich die Küche betrat, saß meine Mom bereits auf dem Sofa. Von Steve fehlte jede Spur. Ich könnte zu Ihnen so viel sagen wie: „Wahrscheinlich betrank er sich in irgendeiner Bar, wie er es jeden Vormittag tat.“, doch genau das war ein positiver Teil von Steve. Er trank kein Schluck Alkohol, saß lieber den ganzen Tag vor der Klotze. Ob er nun schlief oder tatsächlich außer Haus war, weiß ich daher nicht. Doch, dass Steve nicht da war, störte mich, wie Sie sich denken könne, absolut kein Stück.
Ich fragte meine Mom was los sei, worauf sie mir antwortete: „John, wir müssen reden. Mir ist in letzter Zeit aufgefallen…“, meine Mom suchte nach den richtigen Worten, „Dir geht es nicht gut. Du hast einen imaginären Freund, das ist für dein alter nicht normal.“
Ich war schockiert als sie das sagte. Schließlich war mir klar, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde.
„Mom, Jimmy, den gibt es nicht mehr.“, versuchte ich ihr zu erklären. Bis auf die Probleme, welcher er mir verursachte, hatten wir wirklich nichts mehr zu tun. Ja, er nervte mich nicht mehr oder verfolgte mich. Um ehrlich zu sein, sah ich ihn auch nicht mehr seit unserem kleinen Streit im Sattler Forest. Für mich schien es tatsächlich so, dass er langsam verschwinden würde. Obwohl besagter Streit erst einige Tage, nicht einmal eine Woche, zuvor stattfand.
„Nein John, du wurdest von Leuten gesehen, wie du mit dir selbst sprichts und auch spielst. Außerdem hast du so gut wie jede Nacht Albträume. Schreiend wachst du auf. John, ich habe einen Psychiater angerufen, der wird dir helfen.“ So lauteten ihre Worte.
Ich war den Tränen nah. Nichts für ungut aber das Letzte was ich brauchte war ein Psychiater. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich natürlich nicht, dass ich wegen Jimmy noch weitere Psychiater aufsuchen müsste.
Jedenfalls war ich absolut dagegen, doch meine Mom ließ sich nicht abbringen. Sie machte bereits einen Termin für die kommende Woche aus, welcher unveränderlich blieb. In diesem Moment konnte ich zwar nichts machen, doch ich war mir felsenfest sicher, besagten Psychiater nicht zu besuchen.
Um mich wieder abzureagieren, fuhr ich mit meinem Bike zu meinem Baumhaus. Dies hatte ich jedenfalls vor. Mir war es in diesem Moment auch gleich, ob ich Jimmy treffen würde oder nicht. Wir hatten uns dort das letzte Mal in die Augen gesehen, weshalb ich ein Aufeinandertreffen nicht gerade unwahrscheinlich fand. Doch als in am Laubbaum ankam, traf ich dort nicht auf Jimmy vor. Ich traf auf ein zerstörtes Baumhaus vor. Es war ruiniert und ich wusste auch wer dies veranstaltete. Dieses Mal ging der Junge zu weit.
„Warum?“, fragte ich mich im leisen Ton.
„Warum?!“, schrie ich darauf laut. Es war zerstört. Das Einzige was mir Freude beriet und auf das ich stolz war, war demoliert. Mir war bewusst, alleine könnte ich das Baumhaus nicht mehr aufbauen. Einige Minuten, ich weiß nicht wie viele es waren, ich verlor die Zeit, sah ich fassungslos auf die Trümmer, welche teilweiße am Boden und teilweiße noch im Baum lagen. Tränen flossen mir über die Wange auf den Boden. Ich weinte und schrie so laut ich nur konnte. Meine Wut und Trauer musste einfach raus. Ich rannte zum Baum und boxte dagegen. Meine Hände schmerzten, bluteten, doch ich hörte nicht auf. Dieser kleine Hurensohn hat es geschafft alles zu ruinieren.
„Hör auf.“, sagte eine schrille Stimme. Es war Jimmys Stimme. Sofort hörte ich auf ihn und sah mich um. Er war nirgendwo zu sehen. Ich schlug mit meinen blutigen Händen, welche erst schmerzten, nachdem ich aufhörte den Baum zu boxen, gegen meinen Kopf und schrie laut um mich herum.
„Verschwinde. Du existierst nur in meinem Kopf.“
Diese Worte wiederholte ich mehrmals.
„Hör auf John, du verletzt dich.“, sagte die Stimme.
„Nein, hör du au, lass mich in Ruhe. Verschwinde aus meinem Kopf, du bist nicht real.“, so ich.
„Doch, John. Ich bin real. Sieh nach oben.“, sprach Jimmy.
Sofort nahm ich die Hände von meinem Kopf und sah hinauf. Ich sah auf den Laubbaum und die Trümmer auf diesen. Unter all diesen saß er. Jimmy blickte mich mit Schuldgefühlen an. Ich blickte mit einem ähnlichen Blick zurück.
„Waruuuuuuuum!?“, schrie ich langgezogen zu ihm hoch. Neben den Tränen floss eine Menge Rotze aus meiner Nase. Zwar sah ich mit meinen glasigen Augen nicht mehr all so viel, meine Brille beschlug, doch ich konnte genau erkennen, dass Jimmy eine Träne hinunterfloss.
Er sprang mit Leichtigkeit vom Baum und stand nun vor mir.
„Waruuum tust du mir das an?!“, schrie ich ihn erneut zu. Ich kniete zu Boden und schlug mir weiterhin auf dem Kopf. Ja, in diesem Moment hatte ich einen Nervenzusammenbruch.
Weiterhin schrie ich laut auf. Ich ließ all meinen Schmerz in Form von Schreie und Tränen aus mir heraus und fügte mir zeitgleich neuen in Form von Schlägen zu.
„Es tut mir leid.“, sprach Jimmy ebenfalls im weinerlichen Ton. Es waren Worte, die nur aus einem Kindesmund kommen konnten. Sie waren ehrlich, eindeutig.
Ich stand wieder auf, rannte auf ihn zu und schubste ihn mit all meiner Kraft, die ich noch in meinem Körper besaß.
„Du hast mein Leben ruiniert!“, schrie ich den Jungen, welcher nun weinend am Boden lag, an.
„John, ich war das nicht.“, sagte er.
„Ach ja, wer wird es den gewesen sein. Gott?“, antwortete ich sarkastisch. Mein Schmerz verschwand langsam und kam als Wut wieder in meinem Körper zurück. Hätte ich eine Pistole gehabt, hätte ich Jimmy, ohne nur eine Sekunde lang zu zögern, abgeknallt. Wahrscheinlich mich danach.
Stattdessen trat ich auf ihn ein. Ich trat ihn in die Beine, in den Bauch, in die Eier. Ich trat ihn so hart, dass ein normaler Mensch daran sterben hätte müssen, so fühlte es sich jedenfalls an.
Nachdem ich auf ihn eintrat und er dabei kein Wort verlor, ließ ich es bleiben. Ich schmiss mich zu Boden, fuhr mit meinen Händen durch mein verschwitztes harr und saß nachdenklich da.
Jimmy saß sich ebenfalls auf und meinte: „Sind wir nun wieder Freunde, John?“
Ich hätte ihn anschreien können. Am liebsten hätte ich erneut zugeschlagen, doch mir fehlte die Kraft.
„Nein, du Arschloch.“, sagte ich im leisen und gelassenen Ton.
„John, darf ich dir ein Geheimnis anvertrauen?“, fragte er mich plötzlich.
Ich lächelte. Es war kein Lächeln der Freude, sondern eines vor Wut. Mir fielen unzählige Beschimpfungen ein, welche ich ihm am liebsten an den Kopf geworfen hätte, doch stattdessen sagte ich nichts.
„John, ob du es mir glaubst oder nicht, ich habe eine zweite Persönlichkeit. Ich trage ein Böses-ich in mir, welches mich kontrolliert. John, ich brauche deine Hilfe, um es zu töten. Ist mein Böses-ich tot, bin ich frei. Verstehst du?“, fragte mich Jimmy. Voller Hoffnung erwartete er wohl eine Zustimmung meinerseits.
Ich stand auf, mit meinem Lächeln im Gesicht, und lachte. Erneut kam das Lachen aus reinster Wut.
„Geh, geh aus meinen Kopf.“, sagte ich zu mir selbst.
„John, ich bin nicht in deinem Kopf.“, sprach Jimmy. Ich ging auf ihn zu, bückte mich und sagte ihn ins Gesicht: „Ach ja, du bist also ein Geist, in dem ein weiterer Geist lebt, welcher böse ist. Du bist an nichts schuld. Es war nur dein sogenanntes Böses-ich? Du, ein Geist, besitzt eine zweite Persönlichkeit?“ Meine Stimme wurde zu Ende hin immer höher
„Ja, so ist es. John, ich brauche dich, von Freund zu Freund.“, sprach er.
„Jimmy, wir sind keine Freunde, denn du existierst nicht. Du lebst nur in meinem Kopf. Ich bin verrückt, verstehst du.“, sprach ich arglistig.
„Nein das stimmt nicht. Du bist nicht verrückt. Du bist ein Gutherziger Mensch. Du bist mein Freund John.“, sagte Jimmy motivierend. Es waren nette Worte, welche mir zu diesem Zeitpunkt gar nichts brachten.
„Okey, nehmen wir mal an ich bin nicht verrückt.“, begann ich und sprach dabei wie ein Psychopath, „Nehmen wir mal an du bist tatsächlich ein Geisterjunge und möchtest mein Freund sein. Auch wenn dies der Fall sein sollte, möchte ich das nicht. Ich werde dir nicht helfen, weil…,weil…“ Mir fehlten die Worte.
„Weil es die anderen sagen.“, sprach Jimmy. Verblüfft sah ich ihn an.
„Weil deine Mutter dich als verrückt bezeichnete. Weil deine Freunde dich nicht so respektieren wie du bist. John, wir hatten den größten Spaß unseres Lebens zusammen. Wir sind und bleiben für immer Freunde. Solange dies der Fall ist, ist es egal was die anderen sagen oder denken. Es kann dir egal sein was Leute von dir halten. Das wichtigste ist, du selbst bist mit dir zufrieden. Das wichtigste ist du tust das, was du für Richtig hältst. Den, solange du selbst dein Freund bist, kann dir alles egal sein. John, ich bitte dich, lass uns Freunde sein“, sprach er weiter.
Wissen sie noch als ich Ihnen sagte, Jimmy sprach häufig wie ein Erwachsener. Naja, in diesem Moment tat er dies nicht. Das was er sagte wirkte wie auswendig gelernt und auch wenn mir das klar war, saß ich mich zu ihm und fragte: „Wie sieht dein Plan aus?“
Jimmy gab mir keine Antwort.
„Du hast keinen Plan, nicht wahr?“, fragte ich ihn. Er nickte.
Wütend stand ich auf und sagte: „Wenn du einen Plan hast, helfe ich dir.“ Soeben wollte ich auf mein Bike steigen als Jimmy meinte: „Möchtest du mit mir morgen das Baumhaus wieder aufbauen?“
Darauf sagte ich: „Nein, morgen muss ich wegen dir zum Psychiater.“ Es war gelogen. Zum Psychiater musste ich erst einige Tage darauf, doch ich wollte es ihn spüren lassen. Ich wollte ihn spüren lassen, dass ich noch immer wütend auf ihn war. Dass er mein Leben ruinierte
„Du lügst. Deinen Termin beim Psychiater hast du doch erst in einigen Tagen.“, sprach Jimmy in hohen Tönen. Ich blickte zu ihm. Er stand nun ebenfalls.
„Jimmy, ich werde dir helfen das Böse aus dir herauszubringen, aber ich möchte dennoch nichts mehr mit dir zu tun haben. Ist dir das klar?“, antwortete ich ebenfalls schlagfertig.
„Du sagtest aber wir seien Freunde.“, meinte er. Am liebsten hätte ich wieder um mich geschrien, doch mit den Worten: „Ich möchte dich erst wieder sehen, wenn du herausgefunden hast, wie wir deine zweite Persönlichkeit töten.“, verließ ich ihn und fuhr davon.
Ich wachte auf. Schweiß floss von meiner Stirn. Es war wieder der Traum. Schon wieder dieses Monster. „Womöglich ist es doch kein Fehler, einen Psychiater aufzusuchen.“, dachte ich mir. Ich atmete tief ein und wieder aus. Ich schloss meine Augen und öffnete sie wieder. Ein Schrei ertönte aus meinen Mund. Als ich meine Augen öffnete, starrte ich direkt in sein Gesicht. Es war stockdunkel, doch seine hellen Augen waren so nah an meinen, dass ich sie nicht übersehen konnte. Er saß auf meinem Bett.
Ohne dass ich ihn fragen konnte, was er dort mache, sprach Jimmy glücklich: „Ich hab’s. Ich habe herausgefunden, wie wir mein Böses-ich loswerden können.“
Ratlos starrte ich ihn an. Mir fehlten die Worte und dennoch versuchte ich welche zu finden.
„Was zur Hölle?“, fragte ich mich laut. Es dauerte keine sieben Stunden, bis ich Jimmy wieder in die Augen sehen musste. Zwar benötigte ich einige Minuten, doch dann ich begriff was die Lage war. Er wusste, wie man sein zweites ich, vielleicht auch beide ich´s, tötet.
„Wie lautete der Plan?“, fragte ich ihn. Ich hätte geschockter sein müssen, doch, dass Jimmy auf meinem Bett saß, war schon beinah das normalste was in den letzten Wochen geschah.
„Wir müssen es töten. Das Monster, welches dich in deinen Träumen verfolgte.“, sprach er übertrieben fröhlich. Zuvor war ich noch ganz Ohr, doch nun verlor ich schnell wieder die Interesse.
„Dieses Monster existiert doch nicht.“, sagte ich darauf.
„Doch, es existiert. Dieses Monster ist alles Böse auf der Welt. Es ist mein Böses-ich. Alles was wir tun müssen ist es zu finden.“, sagte der Junge mit derselben Stimmlage wie zuvor.
„Jimmy, was redest du? Schlägst du mir ernsthaft vor ein Monster zu töten, welche bisher nur in meinen Träumen existierte?“, fragte ich verwirrt. Nachdem ich gähnte, war ich endlich munter und hätte Jimmy meine volle Aufmerksamkeit schenken können.
„Ja, so in der Art. Es hat sich getarnt. Das Monster hat sich getarnt. Wir müssen nur herausfinden als was. Schlaf aber weiter, wir reden morgen darüber.“, sagte der deutlich jüngere Junge. Es war seltsam, dieses Gespräch. Wie es stattfand. Wie er sprach. Es wirkte wie geschrieben. Wie in einem schlechten Film. Doch auch wenn dieses Gespräch schon seltsam war, war sein Plan noch seltsamer. Seine Vermutungen. Alles wurde plötzlich seltsam. Als ob, ich mir alles erst soeben aus den Ärmel geschüttelt hätte.“, sprach John im ernsten Ton.
Er blickte hoch, in Alfreds Gesicht. Nach etwa einer halben Stunde, ununterbrochenen Geschwafel, sah John endlich den Doktor in die Augen. Dieser Augenaustausch ging jedoch nicht lange. Ja, er sah ihn sogar nur so kurz an, dass er gar nicht bemerkte, dass…
„Da mein munterer Zustand nicht lange anhielt, schlief ich, ohne weiter nachzuhaken ein. Ja richtig, ich schlief ein, während der Junge noch auf meinem Bett saß.
Nächster Morgen, gleicher Ablauf. Jimmy und ich gingen zur Schule und nach dieser fuhren wir in den Sattler Forest. Es war Jimmy der darauf bestand. Als wir am Laubbaum ankamen verriet er mir endlich seinen Plan. Jimmy sagte: „Gut John. Das erste was wir machen müssen ist unser Baumhaus aufzubauen. Das Böse hat es schließlich zerstört. Es möchte nicht, dass es existiert. Wahrscheinlich ist das Baumhaus nur ein Beweis unserer Freundschaft. Wie jeder weiß, kann nur die Freundschaft das Böse besiegen.“ Wie gesagt, sein Plan klang dämlich.“, sagte John selbstbewusst, während er jedoch weiter nur den Boden ansah.
„Ich unterbrach Jimmy und sagte in genervten Ton: „Nichts für ungut, aber das ist kein Kinderfilm, in dem wir uns befinden. Das was du sagst klingt total verrückt und an den Haaren herbeigezogen. Jimmy, du bist doch klug, nicht wahr? Merkst du nicht selbst wie dumm das alles ist?“
„John.“, antwortete mir Jimmy im ernsten Ton, „Du musst doch zugeben, dass alles schon damit anfängt dass ich ein Geist bin. Selbst ich weiß, dass mein Plan nicht gerade clever klingt, aber du musst mir vertrauen. Was hast du zu verlieren?“
Worauf ich antwortete: „Na gut, wie du meinst aber lass mich deinen Plan nochmal zusammenfassen. Vielleicht habe ich etwas nicht richtig verstanden. Du hast vor, mit mir das Baumhaus wieder aufzubauen. Danach bekämpfen wir das Böse darin, nicht wahr.“
„Du hast ziemlich schnell verstanden.“, sagte Jimmy.
„Na schön, und wenn das Böse weg ist, bist du frei?“, fragte ich.
„Genau.“, antwortete er kurz und knapp.
„Und dieses Böse, ist jenes Monster aus meinen Träumen?“, so ich.
„Korrekt. Es hat sich getarnt.“, sprach Jimmy.
„Ach ja, warum denkst du das?“, fragte ich.
„Weil ein Monster zu auffällig wäre. Es hat sich als Menschen getarnt.“, sagte er.
„Ach so.“, meinte ich ironisch, „Und wer sollte das sein?“, fragte ich darauf.
„Es ist der schwarze Junge. Fred.“, sagte Jimmy im ernsten Ton.
Ich starrte ihn wortlos an. Meine ironische Stimmung, welche ich zuvor angelegt hatte, verschwand vollkommen. Eine Träne floss mir aus den Augen, direkt zu Boden. Er starrte zurück. Langsam ging ich auf ihn zu, setzte meine Hand an und wollte zuschlagen, als Jimmy meine Hand ohne weiters aufhalten konnte. Plötzlich war dieser Dreckskerl stark. Schockiert sah ich ihn an und meinte: „Du hast doch nicht ernsthaft gesagt wir sollten Fred umbringen?“
„Doch, genau das müssen wir tun.“, sprach er, so, als wäre er reifer als ich.
„Fick dich du Arschloch.“, sagte ich zu ihm im ruhigen Ton. Schnell rannte ich auf mein Bike und ließ ihn, erneut, im Walde stehen. Natürlich war mir Bewusst , dass Jimmy mich wieder aufsuchen würde. Als ich zuhause ankam, ging ich auf mein Zimmer, setzte mich auf mein Bett und saß mit weit geöffneten Augen da. Soeben war mir Bewusst, dass mein Unterbewusstsein mir riet, einen Jungen zu töten. Dies ist einer der Gründe, weshalb ich heute bei Ihnen sitze.“, sprach John während er seine Augen so weit öffnete wie er es in der damals tat.
„Am liebsten hätte ich am nächsten Tage die Schule geschwänzt, doch etwas hinderte mich daran. Ich musste mit Fred sprechen. So geschah es, dass ich zur Schule ging, auch wenn ich nicht besonders lange blieb, ohne Jimmy. Als ich den Klassenraum betrat stürmte ich sofort auf Fred zu. Er saß bereits auf seinen Platz, beobachtete mich, wie ich den Raum betrat. Mit meinen Armen schlug ich auf sein Pult. Meine Augen waren weitgeöffnet als ich ihn anstarrte. Seine ebenfalls. Schnaufend jedoch wortlos sah ich ihn tief in seine braunen Augen. Sein erstaunter Blick veränderte sich zu einem ratlosen Gesichtsausdruck.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er mich mit seiner üblichen dunklen Stimme.
Ich hätte nichts lieber gemacht als alles herauszuschreien, was mir auf der Selle lag. Doch ich brachte kein Wort heraus. Mein Blick wanderte zum Pult. Ich konnte ihn einfach nicht in die Augen sehen. Das Schnaufen wurde schwerer.
„Hilfst…du…mir…“, brachte ich stotternd aus meinem Mund. Für diese drei Wörter benötigte ich beinah eine halbe Minute, so fühlte es sich an. Ich blickte wieder in seine Augen hoch. Sein Blick deutete noch immer, dass er einige Fragen hatte.
„Womit?“, fragte er langsam. Diese Frage hätte er sich ersparen können. Ich war mir ziemlich sicher, er wusste, weshalb ich seine Hilfe benötigte.
Aus dem nichts zuckte ich zusammen. So muss es jedenfalls für Außenstehende gewirkt haben, den der Grund weshalb ich mich erschrak, war ein Finger, welcher mir an die Schulter tippte. Für einen kurzen Augenblick dachte ich an Steve, doch als ich mich umdrehte, stand Jimmy vor mir. Er sah mich an. Doch es war nicht jener freundliche Gesichtsausdruck, welcher normalerweise sein Gesicht beschmückt. Nein, Jimmy sah mich wütend an.
Ich drehte mich wieder zu Fred und sagte: „Ist schon Okey. Ich habe mich geirrt.“ Zwar fiel es mir noch immer schwer Wörter auszusprechen, aber dieses Mal musste ich nicht stottern. Als ich Fred den Rücken zuwandte, schrie er noch zweimal meinen Namen, jedenfalls hörte ich ihn nur zweimal schreien, denn ich verließ, auch wenn nur langsam, den Klassenraum, nein die ganze Schule.
Als ich aus dem Gebäude heraustrat, kam Jimmy mir nach. Sein Gesicht wirkte plötzlich nicht mehr wütend. Es war wieder jener Ausdruck, den er ständig trug. Der Ausdruck von Unschuld. Der Ausdruck welcher mir höllische Angst beriet.
Er ging etwas schneller als ich, womit er mich bald einholte. Er verlangsamte jedoch seinen Gang, als wir auf selber Höhe gingen.
Schon bevor er ein Wort verlor, war mir Bewusst was er sagen würde. Ja, ich befolgte seinen Anweisungen. Ich ging mit Jimmy ihn den Sattler Forest. Also schwänzte ich doch die Schule an diesem Tag, doch….
Während wir gingen, ja, wir gingen, redete keiner von uns ein Wort. Nicht nur das, während diesen eineinhalb Stunden, die wir benötigten, war mein Kopf leer. Ich dachte nicht einmal nach. Erst als wir am Laubbaum ankamen und ich das wieder aufgebaute Baumhaus erblickte, fühlte sich mein Kopf erneut mit Gedanken.
Das Baumhaus sah genauso aus wie davor. Jimmy hatte es anscheinend alleine erbaut. Mit stolzen Ton sprach er: „Toll nicht wahr. Nun können wir Fred endlich töten.“
Ich konnte es kaum fassen. Noch immer beharrte er darauf, Fred umzubringen. Ohne jegliche Andeutungen zu machen, schlug ich auf Jimmy ein. Wenn Sie aufgepasst haben, bemerken Sie, dass dies nicht das erste Mal war, dass ich meine Wut in Form von Gewalt an Jimmy ausließ, doch dieses Mal war es anders. Dieses Mal schlug ich mit den Wille, ihn zu töten, auf ihn ein. Es war ein Kampf, welchen ich einseitig führte. Ich war der Einzige der Schlug, während Jimmy, mit einem Grinsen, auf dem Boden lag. Jedoch schien er keinerlei Schrammen oder Wunden von meinen Schlägen zu bekommen.
„Warum stirbst du nicht?!“, schrie ich laut.
Jimmy antwortete: „Weil du nicht fest genug zuschlägst.“
Ich gab auf, mit meinen Kräften war ich am Ende. Ich stand auf und ging. Jedoch blieb Jimmy dieses Mal nicht im Walde stehen, er ging mir nach.
Mein Plan war es zurück in die Schule zu gehen, um wenigstens den Nachmittagsunterricht nicht zu versäumen, doch jemand machte mir einen Strich durch die Rechnung. Ausnahmsweise war es nicht Jimmy, wobei, eigentlich doch. Während ich auf dem Weg zur Schule war, mit einem leeren Kopf, erschrak ich ein weiteres Mal an diesem Tag. Ich weiß nicht, wie lange ich ihnen hinterher ging, doch plötzlich musste ich feststellen, dass Kliff und Pete vor mir ebenfalls Schule schwänzten. Sofort rannte ich in das Nächstliegende Gebüsch. Zu meinen Schrecken war es jener Busch vor dem Haus von Miss Sawjer. Nun saß ich dort, mit Jimmy zusammen. Er fragte mich, warum ich mich verstecken würde. Ich versuchte ihn zu erklären, dass sie uns schlagen würden, würden sie uns sehen. Ja, ich sagte, sie würden uns schlagen, obwohl sie nur mich geschlagen hätten.
Jimmy sagte darauf jedenfalls etwas, was mir Sorgen bereitete. Er fragte mich: „Sind wir jetzt Freunde oder nicht?“
Ohne nur einen Hauchlang nachzudenken, antwortete ich: „Nein, lass mich und sei still.“
Worauf Jimmy meinte: „Du weißt schon, dass ich nur mit Steinen werfen muss.“
Sofort verstand ich was er vor hatte. Er nahm einen ziemlich großen Stein, faustgroß, hob diesen hoch und stand auf.
Flüsternd jedoch hysterisch meinte ich zu ihm: „Meinetwegen, wir sind wieder Freunde. Wenn du willst, können wir wieder im Baumhaus spielen.“ Genau das waren meine Worte.
Jimmy starrte mit einen schadenfreudigen Blick auf mich herab und meinte: „Schön, dennoch musst du bestraft werden.“
Daraufhin lächelte er, rannte los und warf den Stein auf einen der beiden.
So dumm wie ich war stand ich ebenfalls auf, womit mein Versteck hinfällig wurde. Derjenige der mit den Stein getroffen wurde, ich glaube es war Pete, oder doch Kliff, schrie vor Schmerz auf. Beide drehten sich zu Jimmy und mir, doch der Einzige, der zu sehen war, Sie können es sich denken, war ich.
„Du Arschloch“, sagte ich leise zu Jimmy, welcher mir teilweise die Sicht auf die wütenden Gesichter der Jugendlichen versperrte.
Jimmy blickte zu mir mit wütender Miene, genau wie es Kliff und Pete taten. Doch sein Gesichtsausdruck veränderte sich schnell in einen voller reue. Nun sprachen alle drei durcheinander, weshalb ich keinen genau verstehen konnte. Vermutlich entschuldigte Jimmy sich bei mir. Er schob garantiert alles auf sein zweites-ich. Kliff und Pete hingegen schrien mich an. Vermutlich nannten sie mich beim Nachnamen, natürlich taten sie dies, sie kannten meinen Vornamen nicht einmal. Außerdem war ich mir sicher, sie würden mich beleidigen und auf eine Entschuldigung meinerseits warten. Diese bekamen sie jedoch nicht, ich verstand schließlich nichts durch das Durcheinander von Geschwafel. Alle drei kamen auf mich zu. Kliff und Pete gingen langsam, doch mit schweren Schritten, Jimmy hingegen rannte förmlich mit ausgestreckten Armen die kurze Entfernung zwischen uns beiden.
Ich, stand dort, still und regungslos. Ein weiteres: „Du Arschloch.“, kam mir von meinen Lippen. Erneut leise und an Jimmy gerichtet. Dieser griff nach meiner Hand, bevor die anderen zwei überhaupt den halben Weg hinter sich hatten. Erneut musste ich Jimmys große Kraft zu spüren bekommen. Ohne Probleme schaffte er es mich einhändig von der Stelle zu zerren. Ich flog beinah.
Dass ich mich nun, auch wenn unfreiwillig, bewegte, fiel den anderen zwei ebenfalls auf. Sie reagierten und rannten nun los. Sie rannten auf mich zu, doch Jimmy war schneller. Jimmy schaffte es tatsächlich, mit mir an seiner Hand, den Vorsprung zu vergrößern.
„Lass mich los.“, schrie ich ihn an. Jimmy blickte zurück und sagte genau das, was ich erwartete.
„Es tut mir leid John, du weißt doch. Mein Böses-ich“, waren seine Worte.
Auch Kliff und Pete riefen mir das hinterher, was ich mir schon gedacht hatte.
„Bleib stehen Myers. Du machst das Ganze nur noch schlimmer. Wir werden dich ins Krankenhaus schlagen.“, so sagte es einer der beiden.
Genau das war mir bewusst. Ich wusste, dass wenn ich mich wehren oder weglaufen würde, ich alles nur schlimmer machen würde. Deshalb wollte ich auch die Schläge einstecken. Jimmy hingegen zerstörte meinen Plan.
Erneut befahl ich ihn loszulassen und erst in diesem Moment bemerkte ich, worauf er zulief. Erst, als er bereits an den Türknauf rüttelte, merkte ich, dass er ins Haus von Miss Sawjer wollte.
Bevor ich weiter schreien oder mich von seinen Händen befreien konnte, öffnete dieser Dreckskerl die Tür und lief mit mir in das Haus. Als wir in diesem waren, schmiss er sie hinter uns zu und schloss sie ab. Von draußen waren wütende Schreie zu hören. An der Tür wurde gerüttelt. An den Fenstern, welche mit Hilfe von Vorhängen undurchsichtig wurden, wurde geklopft. Ich stand nervös vor der Tür, hoffte dass Kliff und Pete nicht das Haus betreten könnten und wartete bis sie fortgingen. Auch wenn ich versuchte das Haus nicht besonders wahrzunehmen, bekam ich sofort den modrige Duft in der Nase zu spüren. Es stank wie in einem alten Keller. Nein, es stank nach Tod
Keine Minute verging, bis die Kerle aufgaben und mit den Worten: „Scheiß drauf. Der Trottel wird dort drin sowieso verrecken.“, verschwanden. Nein, sie riefen mir noch: „Es war dein Todesurteil, dieses Haus zu betreten!“, zu.
Ich wartete noch ein bis zwei Minuten an der Tür, bis es still wurde. Danach versuchte ich die Tür wieder zu öffnen. Ich drehte an den Knauf. Eine Umdrehung, zwei Umdrehungen. Ich drückte und zog so fest ich konnte. Sie ließ sich nicht öffnen. Ob es nun die beiden Kerle waren oder Jimmy, oder ob die Tür einfach nur klemmte, wusste ich nicht. Alles was mir klar war, war, dass ich hier raus musste.
Ich klopfte für eine kurze Zeit gegen die Tür, merkte jedoch schnell, dass dies keinen Sinn ergab. Sofort rannte ich zu einem der beiden Fenster, welche sich neben der Tür befanden. Ich öffnete den Vorhang und blickte hinaus. Niemand war zu sehen. Ich versuchte das Fenster zu öffnen. Ohne Erfolg. Es schien ebenfalls zu klemmen. Sofort ging ich zum zweiten Fenster. Hier dasselbe. Mir blieb keine andere Wahl als das Fenster einzuschlagen. Auch wenn ich dies ungerne tat, ich wollte auf keinen Fall weiteren Kontakt mit der Polizei haben, war dies meine einzige Chance aus diesem Haus zu endkommen Auf dem Boden suchte ich nach einem Stein oder ähnlichem bis Jimmy sagte: „John, sie ist es, die wir töten müssen.“
Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn schräg an.
„Wir müssen die Alte töten. Deshalb sind wir hier in das Haus geflohen.“, sprach er weiter.
„Ach ja, bist du dir sicher, dass es sich bei der Alten nicht um einen schwarzen Jungen handelt?!“, fragte ich ihn ironisch. Mein Ton wurde nicht nur aggressiver sondern auch deutlich lauter. Plötzlich hörte ich über mir das Holz knarzen. Ich wette Sie waren schon häufiger in alten Häusern, dessen Umbau, sowie Decke und Boden aus Holz bestand. Dies war ein typisches knarzen für solch alte Häuser. Es bedeutete, dass über einen sich jemand oder etwas bewegte. Sofort wurde ich still. Angst floss durch meinen ganzen Körper. Dieses Mal war es aber eine andere Art von Angst.
Durch Jimmy, der nur eine Einbildung meiner selbst war, wusste ich, dass das meiste übernatürliche ebenfalls nicht real war. Aber dieses Frau die in diesem Haus lebte, war es. Sie war real und laut den Gerüchten zufolge auch Lebensgefährlich. Die Schritte, welche das knarzen zu Folge hatten, gingen von über mir, auf die Treppe zu. Ich stand vor der Eingangstür, gegenüber von mir befand sich die Treppe nach oben und eine weitere Tür. Das knarzen wanderte also immer weiter von mir weg, richtig Treppe sozusagen.
Ich weiß nicht, ob sie sich gut mit Horrorfilmen auskennen. Ich jedenfalls nicht, habe wenige gesehen. Doch was mir nun passierte, wirkte wie aus jenem. Die Tür, welche sich neben der Treppe hinauf befand, öffnete sich selbstständig. Sie öffnete sich mit lauten knarren. Es quietschte so laut wie es nur möglich schien. Eben, wie aus einem schlechten Horrorfilm, so denke ich.
Hinter der Tür befand sich ein dunkler Raum, mehr konnte ich nicht erkennen. Es war stockdunkel.
„Wir müssen hier rein.“, meinte Jimmy. Das knarzen war nun schon bei den Stufen deutlich hörbar. Sie kam runter, zu mir.
„John, wir müssen hinter die Tür. Das ist unsere letzte Hoffnung.“, sprach er.
Sie können von mir halten was Sie wollen. Ich ging auf die Türe zu, so wie man es wohl in den Horrorfilmen macht, Sie wissen schon, bevor man stirbt.
Natürlich wollte ich nicht auf Jimmy hören, doch der Gang durch diese Tür war meine einzige Möglichkeit, der Alten nicht zu begegnen. Die Schritte auf der Treppe waren bereits deutlich hörbar. Es waren schwere Schritte für eine Frau. In das dunkle unscheinbare trat ich hindurch. Durch die einzige Tür, meine einzige Hoffnung.
„Keine Angst John, ich bleibe an deiner Seite, versprochen.“, sagte Jimmy, welcher sich hinter mir befand. Ich spürte seinen warmen Atem an meinem Nacken. Der Atem und das Wissen, dass sich Jimmy hinter mir befand, stärkte mich jedoch nicht, im Gegenteil. Dass sich dieser Bengel hinter mir, direkt hinter mir, an mich geklammert aufhielt, machte mir Sorge. Ich betrat den dunkeln Raum, wollte ich jedenfalls. Für eine kurze Sekunde fiel mir das Herz in die Hose. Ich schien zu fallen, auch wenn es nur einige Zoll waren. Als ich meinen Fuß nach vorne setzte, bemerkte ich, dass eine Treppe, nach unten, in den Raum führte. Ja, nun betrat ich nicht nur einen dunklen Raum, sondern gleich den dunklen Keller.
Ohne nach einer Lichtquelle zu suchen, rannte ich die Treppen, so gut ich konnte, hinab. Alles was ich in meinem Kopf hatte war, aus diesem Haus zu entkommen. Das Licht, welches vom Vorraum kam, verschwand. Auch wenn es mir zuvor nichts half, war es dennoch ein ungutes Gefühl.
„Jimmy, bist du da?“, fragte ich nervös. Ich ging die Stufen immer langsamer abwärts. Der Atem in meinen Nacken war zwar derselbe, doch ich wusste nicht, ob dieser überhaupt von Jimmy kam. Haben Geister einen warmen Atem?
Jedenfalls bekam ich keine Antwort. Ein weiteres Mal fragte ich nicht nach. Zu groß war meine Angst, eine andere Stimme, die nicht Jimmys war, würde mir antworten. Ich versuchte ohne Schaden unten anzukommen, doch dies missglückte. Kurz vor Ende der Treppe, verfehlte ich eine Stufe. Mein ganzer schwerer Körper fiel hinab. Zu meinem Glück handelte es sich dabei nur um vier bis fünf Stufen, doch der Aufprall auf den kalten Boden schmerzte dennoch. Außerdem verlor ich meine Brille. Diese half mir zwar nichts, es war nämlich auch im Keller stockdunkel, doch mit dem Wissen, die Brille nicht zu zertreten, fiel mir die Suche nach einem Lichtschalter schwerer.
Mit beiden Händen nach vorn gestreckt, irrte ich an der Wand entlang. Mit der Angst zu fallen oder auf etwas anderes zu stoßen.
Es dauerte nicht lange, bis es Licht wurde. Doch nicht ich war es, der dafür verantwortlich war. Jimmy stand am Schalter, welcher sich neben der letzten Stufe befand.
Ich schenkte den Jungen jedoch keine weitere Aufmerksamkeit und sah mich stattdessen um. Was soll ich sagen, ich befand mich in einem Schlachthaus. Der modrige Geruch, welcher schon im Vorraum zu riechen war, hatte hier wohl seinen Ursprung. Warum fragen Sie. An der Decke baumelten Tierleichen herab, an Hacken befestigt. Ein leiser Schrei kam aus mir hervor, als ich die Kühe, Hunde, Katzen und all die restlichen Tiere, welche nicht mehr zuordbar waren, erblicken musste. Der Raum war groß, ohne Fenster, natürlich das war auch ein Kellerraum, und ausschließlich betoniert, sprich weder gefliest noch Farbe an den Wänden.
Warum diese Frau nun jenen Ruf hatte, war mir Bewusst. Die Gerüchte stimmten. Wäre es bei den Kühen geblieben, hätte ich noch vermutet, sie wäre Schlachter oder sonstiges. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich irgendjemand in dieser Stadt Katzen oder Hunde zum Essen wünschte.
Warum nur ein leiser Schrei aus mir herauskam? Ganz einfach, ich bekam das kalte Kotzen, als ich den Mund öffnete. Der Geruch war schon sehr schlimm, doch als ich die Luft noch schmecken musste, war alles vorbei. Ohne mich umzudrehen, und beispielsweiße darauf zu achten was Jimmy trieb, machte ich mich auf den Weg, den Raum zu erkunden. Ich habe keine Ahnung, was ich mir dabei dachte. Selbstverständlich untersuchte ich keine der Leichen. Zwischen den Tieren gab es nämlich einige spannende und interessante Dinge zu entdecken. So ging ich, wie ein Auto, das durch ein Slalom fährt, auf den ersten Tisch zu. Offen lagen dort ein Beil und ein Messer. An diesem klebte krustiges Blut, welches ich nicht genau identifizieren musste. Natürlich war es Blut. Am liebsten hätte ich mir ein Beil geschnappt und diesen als Waffe benutz. Doch beim besten Willen hätte ich mir nicht erträumen lassen, dass ich eine Waffe benötigen würde. Dadurch, dass mein Gehirn weniger Sauerstoff bekam, schließlich hielt ich mir Mund und Nase zu, geatmet habe ich nur wenn es wirklich nötig war, schien ich mich etwas beruhigt zu haben.
Alles was ich wusste war, dass Miss Sawjer eine alte Frau war. Ich war ein beinah ausgewachsener, übergewichtiger, Teenager. Hätte mich die Alte angegriffen, hätte ich mich locker wären können. So dachte ich in diesem Moment.
Dass die Kühe, welche mindestens 400 Pfund, okay, vielleicht etwas weniger, wogen irgendwie an die Hacken, welche von der Decke hingen, kommen mussten, war mir zwar Bewusst, aber egal.
Weiter machte ich mich an den zweiten Tisch. Dieser stand wie der erste, ebenfalls willkürlich im Raum. Im Gegenteil zum ersten hatte der zweite Tisch jedoch eine Schublade. Ich öffnete sie. Ein Schlüssel. Auch dass dieser mir nützlich sein könnte, war mir in diesem Moment gleichgültig.
Wie Sie merken, hatte der Sauerstoff Entzug zwar meine Panik und Hysterie verkleinert, doch mein Logisches Denken wurde hier nicht weiter angesprochen.
Während ich im Raum ein wenig umher irrte, schien ich völlig vergessen zu haben, weshalb ich hier war. Vielleicht waren es auch die Dämpfe, die das verweste Fleisch produzierten, welche mich beinah rauschig machten. Im Keller war es nicht besonders warm, weshalb ich mir heute sicher bin, dass das Fleisch dort nicht hing, um es zu räuchern. Auch kalt war es nicht außergewöhnlich, weshalb ich weiß, dass es hier nicht gekühlt wurde. Auch, dass einige Tiere noch als solche zu erkennen waren und nicht weiterhin verarbeitete wurden, gab mir zu erkennen, dass es noch nicht so weit war, um es zu kühlen.
Neben den beiden Tischen befand sich noch ein Schrank im Keller. Ein alter Schrank, aus Holz. Bevor ich auf ihn zuging, sah ich mich noch einmal um. Ich drehte mich. Mein Blick galt vor allem den Fleisch. Aus dem nichts bekam ich nämlich die Überlegung, dass sich dort auch ein Mensch unter den Tieren befinden konnte. Als ich das Fleisch etwas betrachtete, es war nur ein kurzer Blick auf eines der Tiere, bekam ich erneut das kalte Kotzen, aber eben nur das kalte. Ich bin anscheinend sehr abgehärtete, wenn es um ekelige Dinge geht. Warum? Vielleicht haben Sie das schon durch meine Erzählungen herausgefunden. Ich weiß es jedenfalls nicht.
Neben dem, dass ich keinen Menschen an der Decke hängen sah, sah ich auch niemand anderes im Raum. Genau, ich bin mir ziemlich sicher, dass Jimmy, der mich beschützen wollte, nicht zu sehen war. Doch bis auf, dass ich dies nur Unterbewusst wahrnahm, wars das schon.
So drehte ich mich wieder zu dem Schrank, ging auf ihn zu und…“
„PATSCH!!!“ John klatschte in seine Hände. Ein Grinsen hing ihm im Gesicht.
„Ich hätte beinah einen Herzinfarkt bekommen, als ich hinter mir ein Klatschen hörte.“, sprach er. „Sofort drehte ich mich um. Mein Herz pochte. Niemand war zu sehen. Erst in diesem Moment wurde mir auch Bewusst, dass Jimmy nicht mehr da war. Das Klatschen erklärte ich mir so, dass er es gewesen sein musste. Dass sich dieses Arschloch entschied, mir eine Todesangst zu bereiten, bevor er verschwand und mich alleine ließ. Ein Lächeln, welches aus Wut entbrannte, zog sich in mein Gesicht.
Ich drehte mich wieder zum Schrank und öffnete dessen Türen.
Erneut rutschte mir das Herz in die Hose. Ein Besen, welcher senkrecht im Schrank stand, flog auf mich zu. Die Kehrseite landete in mein Gesicht. Gott wie das stank. Neben den Besen jedoch befand sich nichts Weiteres im Schrank. So stellte ich den Besen wieder hinein und schloss die Türen. Im selben Moment jedoch…
Plötzlich spürte ich einen Picks an meinem Hals. Es tat etwas weh, als ob eine Biene zustach. Mit greller Stimme schrie ich auf. Ich griff auf die Einstichstelle und bemerkte, dass das Teil, welches mich stach, noch in meinem Hals steckte. Ich bewegte meinen Kopf ein wenig nur um zu erfahren, dass es eine Spritze war, eine verdammte Spritze, welche in meinem Hals steckte. Ich zog sie heraus, achtete noch darauf, dass die Nadel nicht abbrach und schrie noch lauter.
Ich hatte zwar keine Angst vor Spritzen, aber diese Spritzte war dreckig. Ich hatte auch keine Ahnung was und ob mir überhaupt etwas in den Körper injiziert wurde.
Die Spritze lag nun am Boden, mir wurde schwindeliger umso mehr ich schrie. Langsam drehte ich mich um. Nur wage konnte ich ein Gesicht erkennen, bevor ich zu Boden glitt.
Ich bitte Sie. Ich musste Ihnen heute schon viel unglaubwürdiges erzählen. Aber das, was in diesem Haus nun geschah, geschah wirklich so. Das schwöre ich, so wahr ich hier sitze. Ich schwöre es auf meinen Sohn.
Mein Schädel brummte als ich wieder zu mir kam. Später erfuhr ich erst, dass ich etwa eine Stunde, eine ganze Stunde bewusstlos war.
Dass mir mein Schädel weh tat, war jedoch nur mein kleinstes Problem. Als ich endlich wieder wach wurde musste ich feststellen, dass ich mit den Händen an den Rücken gefesselt in einem Käfig, ja genau, in einem Käfig saß. In meinen Mund war ein feuchtes Tuch gepresst und mit Panzertape, welches mehrmals um meinen Kopf gewickelt wurde, befestig. Ich wurde mundtodgemacht. Warum das Tuch feucht war, ob es mein Speichel, Gift oder noch schlimmer, der Speichel eines anderen war, konnte ich nicht herausfinden. Ich versuchte nur ein Wort aus mir herauszubekommen mit dem Wissen, dass dies nicht funktionieren würde. Dennoch wollte ich auf mich aufmerksam machen.
Eines meiner Nasenlöcher war nämlich verstopft. Das Atmen wurde immer schwerer.
Ich blickte mich um, schließlich befand ich mich in einem Käfig, durch welchen ich eine gute Sicht hatte. Die Gitterstäbe waren nicht besonders dick. Leicht zu verbiegen. Wäre ich nicht gefesselt gewesene, hätte ich vielleicht aus dem Käfig brechen können. Jedenfalls befand ich mich in einem Raum. So wie es zu erwarten war, war es ein alter Raum. Die Tapete war versifft und ging teilweise schon von den Wänden ab. Das Muster wird ihnen bestimmt bekannt vorkommen. Es war jene Tapete, wie man sie aus Filmen sowohl den echten Leben kennt. Es gab sogar ein Fenster, dessen Scheibe auch teilweise eingeschlagen wurden. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich noch im selben Haus befand. Aber etwas kam mir seltsam vor. Es war das Fenster durch das Sonnenlicht schien. Nachdem ich befreit wurde, ja, ich wurde befreit, wurde es mir erst so richtig klar aber um es vorwegzunehmen, schaffte es diese alte Frau, welche im nächsten Moment in den Raum platzte, mich vom Keller in das Obergeschoss zu schleppen. Ich weiß nicht wie. Vielleicht war es aber auch Jimmy der ihr geholfen hatte.
Der Raum war beinah leer, weshalb auch der einzige Gegenstand, neben mir und den Käfig, sofort ins Auge stach. Gegenüber vom Käfig, befand sich eine offene Feuerstelle und in dieser offenen Feuerstelle befand sich ein Topf, so groß, wie ich einen noch nie zuvor sah. Meine Pupillen öffneten sich, ich versuchte zu schreien. Der Raum wurde immer wärmer. Der Raum wurde so heiß, dass ich mich schon so fühlte, als würde ich gekocht werden. Doch genau dazu war der riesige Topf da. Ja, in dem Topf passte eine Person hinein, auch wenn es eng werden würde. Als ich im Käfig saß und der Schweiß mir bereits von der Stirn lief, wurde mir klar, dass mich Miss Sawjer kochen und verspeisen, womöglich vorher im Keller aufhängen, möchte
Ich erschrak, als die Tür mit einem Knall aufging. Eine alte Frau fuhr in gebückter Haltung mit einen Servierwagen herein. Sie war es. Ein Messer war darauf zu erkennen. Diese Frau brachte neben den Servierwagen noch etwas mit sich. Sie hatten den Gestank vom puren Tod auf sich. Erneut versuchte ich mich bemerkbar zu machen. Mit Erfolg.
Die Frau hörte meine stummen Schreie, fuhr mit den Servierwagen zwischen den Feuer und den Käfig und sagte mit leiser und schriller Stimme, gruseliger Weise ähnelte sie der von Jimmy, : „Ist ja schon gut. Bist du denn wach geworden?“
Ich hatte Angst, als sie auf den Käfig zu schlenderte. Sie war Barfuß was mich erkenne ließ, dass ihr drei Zehen fielen. Sie trug ein langes, weißes, versifftes, Kleid. Jedoch hatten bereits Motten Freude daran. An der Stelle ihrer Vagina war ein Loch. Etwas braunes ließ daraus blicken. Ihre langen dünnen Finger legte sie auf den Käfig ab und duckte sich, nur etwas denn sie ging bereits geduckt, um mit mir den Augenkontakt zu pflegen. Diese Frau war eine Hexe, definitiv. Sie hatte lange graue harre, welche schon auszufallen schienen. Ihre Augen wurden von Falten beschmückt. Als sie mich anlächelte, musste ich in ihr beinah Zahnlosen Mund blicken. Die Zähne, die noch übrig waren, sahen ebenfalls nicht gut aus.
Sie hob einen Finger und steckte ihn in mein Gesicht. Der lange Nagel stach mir in die Haut, so wie es die Spritzte tat. Erneut versuchte ich zu schreien. Der Frau hingegen gefiel das. Sie richtete sich so gut sie konnte auf, sprang auf und ab und lachte dabei. Es war seltsam. Es war gruselig. Ich hatte Angst. Als die Frau neben mir sprang, wurde mir erst bewusst, dass das echt war. Es war kein Traum. Mich würde kein imaginärer Junge retten. Diese Frau würde mich töten. Doch bevor sie das tat, musste sie mich quälen. Sie quälte mich mit meiner eigenen Angst, beinah zu Tode. Umso mehr sie tanzte, umso mehr Angst bekam ich. Ihre Brüste sprangen auf und ab. Das braune aus der Vagina kam die Beine herab und kroch auf mich zu. Es war ein Haarbüschel. Mir kamen die Tränen, so sehr hatte ich Angst. Angst. So große Angst wie ich sie noch nie verspürte. Ich blickte den Tod ins Auge, obwohl ich noch nicht dafür bereit war. Schnell beließ ich meine stummen Schrei und teilte mir lieber meine Kräfte auf. Die Frau hörte nun auch auf zu tanzen, jedoch summte sie nun. Ab diesem Zeitpunkt summte sie ununterbrochen. Sie summte als sie mit einem Holzlöffel die Flüssigkeit im Topf umrührte. Sie summte als sie aus dem Raum ging und als sie wieder kam. Einmal hörte sie auf zu summen und sagte: „Ich hoffe du schmeckst gut.“ Daraufhin lachte sie, wie eine Hexe, und summte weiter.
Ein weiteres Mal hörte sie auf, als sie wieder einmal den Raum verlassen wollte. Es waren etwa zwei Stunden vergangen, gefühlte 20 Stunden. Sie ging den Raum ständig auf und ab, holte anscheinend immer etwas Neues was mich töten oder besser zu schmecken bringen sollte. Ich beobachtete sie dabei. Als sie nun wieder den Raum verlassen wollte, stoppte sie mit dem summen und sie blieb stehen. Keine Sekunde lang dachte ich daran, weshalb sie aufhörte zu summen. Schließlich hatte ich ein paar andere Probleme. Erst als ich ein Geräusch wahrnahm fragte ich mich doch, was dort vor sich ging. Es klang wie eine Klinge, die aus etwas herausgezogen wurde. Erneut war ein ähnliches Geräusch zu hören. Diesmal konnte man aber noch Spritzer wahrnehmen, als ob die Klinge in etwas Flüssigen hinein gestochen wurde. Schnell wurde sie wieder rausgezogen und schnell wieder reingestochen. Raus und rein. Solange bis die Frau nach hinten fiel. Nun wurde mir erst klar, weshalb sie aufhörte zu summen. Schockiert blickte ich zur Tür. Fred stand dort, blutbespritzt von Kopf bis Fuß. Er hatte ein Messer in der Hand, welches ebenfalls blutüberflutete war. Ich blickte erfreulich in die Augen meines Helden. Schockiert blickte er zurück und sagte: „Bitte sag mir nicht, Chuck hat damit etwas zu tun.“
Nachdem er diesen Satz aussprach, sah er mich schockierter an als noch zuvor. Es wirkte so, als hätte er es sofort bereut mir von Chuck zu erzählen.
Jedenfalls hörte ich ihm sowieso nicht zu. Alles an das ich dachte war aus diesem Käfig, aus diesem Haus zu entkommen. Am liebsten hätte ich losgeheult, geschrien, ihn befohlen mich hier zu befreien, doch neben dem Tuch in meinem Mund, welches mir das sprechen verweigerte, stand Fred blutüberströmt vor mir, was mich ebenfalls sprachlos machte. Ohne zu zögern hatte er jemanden getötete. Ich denke wir beide musste dies erst realisieren. So kam es, dass wir uns einige Zeit lang regungslos anstarrten. Beide mit weit geöffneten Augen, beide mit den Schock unseres Lebens.
Ein leises Stöhnen, welches aus meinen Mund kam, unterbrach die seltsame Stimme. Sofort wurden Freds Augen wieder kleiner. Er entschuldigte sich und rannte auf den Käfig zu. Mit einen Ruck schaffte er es die Tür aus der Verankerung zu lösen, wie ich es mir gedacht hatte. Der Käfig war nicht stabil. Sofort riss er mir das Klebeband von meinen Händen. Es tat so weh wie ein Pflaster, welches abgerissen wird. Nur eben, dass das Klebeband mehrmals und fester um meine Hände gewickelt war.
„Komm raus.“, sprach er, nachdem meine Hände frei waren. Er half mir dabei und nun standen wir uns gegenüber. Ich ließ meine Augen noch immer weit geöffnet. Tränen kamen hervor. Zum Teil natürlich weil meine Augen austrockneten, ich konnte nicht blinzeln, zum anderen natürlich weil ich sehr emotional war. Fred hingegen schien seinen Schock überwunden zu haben.
„Das tut nun etwas weh.“, sprach er, als er begann das Klebeband, welches mir um den Kopf ging, abzureisen. Er tat dies schnell und unvorsichtig. Nun kamen mir die Tränen weil ich Schmerz verspürte.
Dies war ein sehr seltsamer Moment. Meine Hände waren frei, ich hätte das Klebeband selbst beseitigen können. So jedoch kamen wir uns nah, so nah, dass ich es schon als Unangenehm empfand.
Da er noch immer voller Blut war, war dies jedoch nicht gerade mein innigster Wunsch.
Schnell war ich vom Klebeband befreit und ich konnte das Tuch ganz einfach zu Boden spucken. Nun standen wir dort, wie standen vor der Leiche.
Das erste was ich ihn fragte war, was wir nun anstellen sollten.
Fred meinte daraufhin, dass wir das Haus verlassen und die Frau dort liegen lassen sollten. Dabei hatte ich jedoch ein mulmiges Gefühl. Schließlich war Fred voll mit ihrem Blut. Außerdem mussten im ganzen Haus DNA Spuren von uns beiden gewesen sein. Ich wollte Fred widersprechen, doch ich vertraute ihn. Außerdem wollte ich ebenfalls dieses Haus so schnell wie möglich verlassen.
Wir gingen die Treppe hinab und Fred schaute durch das Fenster neben der Eingangstür.
„Was denkst du, wie lange wird es dauern bis sie sie finden?“, fragte er mich, während er einen Blick hinaus wagte.
Ich fand es seltsam dass er mich genau das in diesem Moment fragte.
„Meinst du Miss Sawjer? Ich denke nicht dass es jemanden gäbe, der sie vermisst.“, meinte ich. Verwundert drehte sich Fred zu mir um und fragte: „Dass ist doch nicht ihr echter Name?“
Ich sagte darauf: „Keine Ahnung, alle nennen sie so.“ Ein Grinsen bildete sich in Freds Gesicht. Es war ein unangebrachter Moment.
„Okey, die Luft ist rein. Wir rennen so schnell wie wir können raus, hinter das Haus.“, meinte er, als er schon die Hand am Türknauf hatte.
Ich hatte so viele Fragen an ihn, doch folgte ihm wortlos. Er öffnete die Tür, welche sich ohne Probleme öffnen ließ und wir rannten hinaus. Mit dem Fuß schlug ich die Tür wieder zu. Wir verschwanden hinter dem Haus, niemand sah uns. Fred meinte, dass sich nicht weit von hier ein kleiner Fluss befinden würde, in dem wollte er sich waschen. Über eine Wiese rannten wir daraufhin zu einem Fluss, von dem ich noch nie gehört hatte. Fred hatte jedoch recht, nicht weit, na gut eine Meile wird es schon gewesen sein, gab es jenen kleinen Fluss. Ohne sich auszuziehen, sprang Fred ins Wasser.
Ich hingegen stand am Rande und sah ihn zu. Ich sah ihn zu wie er sein Blut von seinen Körper und Klamotten waschte. Mit den Händen fuhr er seinen ganzen Leib ab. Das Wasser färbte sich rot, doch er wurde sauber. Auch ich hätte ein Bad gebrauchen können. Ich fühlte mich nicht nur schmutzig, sondern war ebenfalls rot gefärbt. Das Blut gelang an meinen Körper, als Fred mich von dem Klebeband befreite. Doch ich ließ es.
Als er wieder aus dem Fluss stieg schüttelte er sich, so wie es Hunde taten.
Wasser spritzte mir ins Gesicht. Es ekelte mich ein wenig, schließlich war es ja kein reines Wasser sondern Wasser mit Blut einer alten Frau vermengt.
„Fred?“, sagte ich, nachdem er halbwegs trocken war.
Fragend sah er mir in die Augen. Es war schon schwer dieses eine Wort, seinen Namen, rauszubringen. Ich hatte so viele Fragen aber keine Stimme dafür.
„John, wie heißt du eigentlich?“, fragte er mich stattdessen. Es war eine absurde Frage, welche so wie das Grinsen vorhin nicht zur Situation passte.
Mit zittriger Stimme meinte ich: „Ich heiße John.“ Ich hatte keine Ahnung, weshalb er mir eine solche Frage stellte. Jedenfalls schien ihn meine Antwort zu unterhalten. Lächelnd sagte er: „Nein, ich meine deinen ganzen Namen. Denn kenne ich nämlich nicht.“
Mit weiteren ernsten Ton und zittriger Stimme meinte ich darauf: „John Myers.“
Er lachte. Fred lachte so, als hätte er nicht soeben jemanden getötet.
„Du heißt Myers und die alte Frau, Sawjer?“, fragte er mich weiterhin lachend. Verwirrt nickte ich.
„Wie heißt du denn mit vollen Namen?“, fragte ich ihn laut, um sein Lachen zu übertönen. Ein wenig war ich wütend, schließlich lachte er mich wegen meines Namens aus. Es brauchte nicht einmal einen Spitznamen, um sich über mich lustig zu machen.
Freds Gesicht färbte sich knallrot. Ich merkte, wie er sein Lachen unterdrücken wollte.
Er meinte: „Du möchtest ernsthaft wissen wie ich heiß?“ Ich nickte. Sein Gesicht wurde immer röter und er sagte mir seinen vollen Namen.
„Ich heiße Fred. Fred Krüger“, daraufhin lachte er so laut er nur konnte. Wie gesagt, er lachte so, als hätte er gerade nicht das schlimmste in seinem Leben gesehen. Ach übrigens. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass Krüger nicht sein echter Nachname war, auf seine Grab stand nämlich etwas anderes, aber wie ich Ihnen auch schon öfters beibrachte, kann ich mich an diesem beim besten Wille nicht mehr erinnern.
Es dauerte jedenfalls noch einige Zeit, bis sich Fred vom Lachen beruhigte. Es war zwar nicht so, dass er sich am Boden rollte, aber er schlug bereits seine Hände an seinen Bauch. Wie gesagt, ich empfand seine Reaktion in dieser Situation äußerst unangebracht. Ich vermutete sogar psychopatische Züge bei ihm.
Als er sich langsam beruhigte, bemerkte ich, wie sein Arm noch immer mit Blut besudelt war. Schnell fiel mir auch auf, dass es sein Blut war. Ich wies ihn darauf hin. Er wischte es ab und ein großer Kratzer, welcher sich über seinen ganzen Arm zog, kam hervor.
Mit den Worten: „Oh, da muss ich mich wohl geschnitten haben, als ich Sawjer abstach.“, kümmerte er sich nicht weiterhin um seine Verletzung. Und das, obwohl Blut weiter daraus floss.
Erneut herrschte Stille. Wieder nur für eine kurze Zeit, so lange jedenfalls, bis mir einfiel, dass ich noch dutzende Fragen an ihn hatte.
„Was meintest du vorhin mit Chuck?“, fragte ich ihn. In seinen Augen konnte ich erkennen, dass er wusste, wovon ich sprach.
„Naja, Chuck, so sagte ich doch. Du siehst ihn auch, nicht wahr?“, meinte er wieder im ernsten Ton.
„Du redest von dem Jungen. Der heißt aber nicht Chuck.“, meinte ich darauf.
„Oh, Entschuldigung. Ich meine J…“, sprach Fred.
Ich fuhr fort mit den Worten: „Jimmy, genau. Circa 8 Jahre alt, blonde Harren, blau-weißer Pullover, keine Pupillen in seinen kalten Augen. Ich denke wir meinen dieselbe Person.“
„Ja, er hat sich dir wohl anders vorgestellt.“, sagte Fred darauf in einem beinah deprimierten Ton.
„Nur wir beide können ihn sehen, nicht wahr?“, fragte ich ihn in einen ähnlicher Stimmlage.
„Ja.“, sprach Fred.
„Dann ist er wohl kein Hirngespinst meinerseits. Er ist tatsächlich ein Geist.“, meinte ich.
„Genau.“, so Fred.
„Warum? Warum hatte er es genau auf uns abgesehen?“, fragte ich nun hysterisch. Ich erwartete eine klare Antworte von ihm, obwohl ich nicht einmal wusste, was Fred wissen konnte.
„Ich weiß jedenfalls, warum er es auf mich abgesehen hat, aber weshalb er es auf dich abgesehen hat…“, meinte Fred und hörte mitten im Satz auf. Vielleicht unterbrach ich ihn auch eher.
„Er ist böse. Er ist der Teufel in Person.“, meinte ich.
„Nein, so kann man das nicht sagen. Er ist ein kleiner Junge…“, meinte Fred und ich unterbrach ihn ein weiteres Mal.
„Siehst du nicht was er dir angetan hat.“, sprach ich und zeigte auf Freds blutigen Arm. Es war schließlich seine Schuld, auch wenn es indirekt war.
Fred wischte erneut das Blut ab und meinte: „Hör zu Johnny…“
„Nenn mich bitte bei meinen echten Namen.“, wiedersprach ich.
„Hör zu John Myers. Ich weiß, wir müssen etwas gegen ihn übernehmen, aber dazu müssen wir zusammen halten. Es bringst sich also nichts zu streiten.“, sprach er im gelassenen Ton.
„Ja, du hast recht. Wir müssen diesen Dreckskerl töten. Dazu wäre es im Vorteil, wenn du mir alles erzählst, was du über diesen Jungen weißt.“, meinte ich.
„Schön, aber heute nicht mehr. Das ist eine sehr lange Geschichte und es wird schon dunkel.“, so Fred.
Er hatte recht, es wurde wirklich dunkel und dennoch beharrte ich darauf, mit Fred weiterhin zusammen zu bleiben.
„Komm schon, wir haben keine Zeit. Du kannst dir nicht vorstellen was mir dieser Junge schon alles angetan hat. Wir müssen ihn so schnell zur Strecke bringen, wie es geht, also fass dich einfach kurz.“; sprach ich wütend.
„Nein John, du verstehst das nicht. Ich muss wirklich nachhause sonst bekomme ich ärger von meinen Eltern. Am Samstag jedoch, hätte ich Zeit.“, sprach er.
„Samstag, spinnst du? Wir treffen uns gleich morgen“, meinte ich.
„Morgen habe ich aber keine Zeit und Freitag…“, sagte er. Dieses Mal schwieg er aber von sich aus.
„Dachte ich es mir doch. Du hast mich schon die ganze Zeit verfolgt.“, sprach ich im zornigen Ton. Dabei war ich aber keineswegs zornig.
„Ja, du hast recht, aber wie es sich heute gezeigt hat, war das nicht einmal eine schlechte Idee von mir. Du hast mir doch keine andere Wahl gelassen. Ich wusste, dass du den Jungen ebenfalls siehst, aber das wolltest du ja nicht zugeben.“, meinte er grinsend.
„Wir treffen uns dann gleich um acht Uhr morgens im Sattler Forest. Weißt du, wo der ist?“, fragte ich
„Ja, du meinst wahrscheinlich beim Baumhaus.“, sprach Fred.
„Genau. Dort erzählst du mir ausführlich deine Geschichte und alles was du über Jimmy weißt. Und daraufhin hecken wir eine Plan aus, wie wir ihn töten können.“, sprach ich weiter.
„Fred nickte und ging ohne Worte los. Ich folgte ihn.
Wir gingen dorthin zurück, wo wir los gingen, in den Garten von Miss Sawjer. Um ehrlich zu sein hatte ich schon ein wenig Angst, dass die Polizei bereits bei ihr wäre, war sie aber nicht. Es zeigte sich nämlich, dass ich recht hatte. Sie wurde nie gefunden, jedenfalls hätte ich nichts davon mitbekommen. Anderes als bei S… Dazu komme ich noch.
Als wir an der Straße waren und getrennte Richtungen gehen mussten, fragte mich Fred: „Jimmy, war doch nicht dabei, als wir am Fluss waren.“
„Nein, aber hättest du ihn dann nicht ebenfalls sehen müssen.“, meinte ich.
„John, du denkst ich würde mehr wissen als du, das ist aber nicht der Fall. Lediglich meine Vergangenheit mit ihm begann früher als die mit ihm und dir.“, sprach er.
„Wer ist dieser Junge?“, fragte ich darauf. Mir war klar, dass er mehr wusste. Er musste mehr wissen. Ich benötigte eine Antwort.
„Weißt du John, wenn du denkst du kennst einen Menschen, fällt dir auf, dass du ihn doch nicht kennst. Du dachtest du hättest einen Freund gefunden bis dir auffällt dass dieser nie ein Freund wahr.“, sagte er im emotionalen Ton. Daraufhin kehrte er mir den Rücken zu und ging los.
„Was meinst du damit? Jimmy ist doch kein Mensch.“, schrie ich hinterher. Fred ging weiter ohne eine Reaktion.
Daraufhin schrie ich erneut etwas. Ich musste es diesmal lauter schreien, weil er schon ziemlich weit gegangen war. Ich schrie: „Danke Fred, dass du mir heute das Leben gerettet hast.“
Ohne sich umzudrehen hebte er seine Hand als Verabschiedung. Mir wurde Bewusst, dass ich diesmal tatsächlich einen Freund, einen wahren Freund gefunden habe.
Als ich nachhause kam, war ich erschöpft und hundemüde. Auch wenn mich Steve anschrie, ich wusste nicht was ich getan hätte, um angeschrien zu werden, ging ich sofort ins Bad und ließ mich nicht davon beirren. Ich schloss die Tür hinter mir und saß mich auf den Boden. Ich fühlte so viel, wie ich noch nie fühlte. Zum einen war es angst. Ich hatte Angst von dem, was im Haus geschah. Diese Bilder gingen mir nicht aus dem Kopf und ich würde sie nie wieder mehr vergessen, so dachte ich. Es war eine schreckliche Erfahrung, die ich durchmachen musste.
Neben der Angst spürte ich Wut. Ich hatte Wut auf Jimmy. Er ließ mich allein. Er brachte mich erst in diese Situation und ließ mich dann allein. Dieser Dreckskerl.
Als ich am Boden saß, schrie Steve noch immer hinter der Tür hervor, was mich zu meinem nächsten Gefühl brachte, welches ich in diesem Moment in mich trug. Ich spürte ekel, als Steve mich anschrie. Ich ekelte mich vor seiner Stimme. Ich ekelte mich vor seiner Person.
All diese Gefühle gingen mir durch den Kopf, während ich durchnässt, Schweiß, voll mit Blut, dass von Miss Sawjer, und voller Dreck, ebenfalls aus dem Haus der Alten, war.
Neben all diesen Gefühlen jedoch, gab es noch etwas, was ich in mir trug. Es war Freude. Ich musste nur an Fred denken und schon schienen alle anderen Gefühle nebensächlich zu sein. Fred schaffte es, dass ich endlich Glücklich war und auch wenn ich schon so ähnlich bei Jimmy fühlte, war es diesmal anders, das wusste ich. Ich wusste, dass Fred ein Freund für das Leben war. Mir war auch klar, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis sich alles wieder zum Guten wenden würde. Ich machte den Radio an, um Steves Schreie zu übertönen, zog mich aus und stellte mich unter die Dusche.
Nach einer halben Stunde kam ich wie ein neuer Mensch aus dem Bad. Die Bilder, welche ich nie vergessen würde, waren plötzlich aus meinen Kopf gelöscht. Ich dachte nicht mehr daran. Auch Steves Schrie waren fort, was daran lag, dass er bereits zur Arbeit fuhr, so lange hockte ich unter dem warmen Wasser.
Ich legte mich in das Bett und schlief ein. So endete dieser Tag, welcher anfing als würde es der schlimmste meines Lebens werden, doch zu einem der besten wurde. Alles dank Fred.
Am nächsten Morgen wurde ich von Steve geweckt, mit einer leichten Backpfeife.
„Spinnst du.“, sagte ich verschlafend zu ihm. Schnell realisierte ich, dass ich besser meine Klappe gehalten hätte. Er zog mich nämlich gleich darauf am Ohr hoch, so dass ich aufrecht saß. Wütend sah er mich an und ließ nicht gerade auf sich warten.
Er schrie nämlich: „Du hörst mir jetzt zu du Drecksschwein. Wo warst du gestern. Du warst nicht in der Schule und bist erst nachhause gekommen als es dunkel wurde. Deine Mutter starb beinah vor Angst.“
„Dir schulde ich keine Antwort.“, sagte ich darauf in hohen Tönen. Ich konnte in Steves Gesicht erkennen, dass er vor Wut beinah explodierte.
„Du wirst schon sehen. Irgendeinmal werde ich dich umbringen und deine Leiche essen. Das wird mir ein Vergnügen sein.“, sagte er unerwartet. Sofort hatte ich wieder Flashbacks an den vorherigen Tag. Ohne Worte stand ich auf und sah auf die Uhr. Steve hatte mich viel zu spät geweckt. Ich zog mich an und rannte los.
Ich schaffte es gerade so pünktlich in die Schule zu kommen. Von Fred fehlte jede Spur.
Als der Lehrer die Klasse betrat, hielt er erst einmal eine Standpauke. Ich wurde gefragt, was ich gemacht hätte, weshalb ich unentschuldigt fehlte. Als er mich fragte, ob ich mit Fred etwas getrieben hätte, lachte die ganze Klasse. Langsam herrschte das Gerücht, dass ich und Fred zusammen wären. Bestärkt wurde dieses, dass Fred mir öfters hinterherschlich, was auch gesehen wurde. Ich wurde dazu gefragt, weshalb Fred auch an diesem Tag nicht in der Schule war, woraufhin ich keine Antwort geben konnte. Ich fand es wirklich seltsam. Er sagte zwar, dass er an jenem Tag keine Zeit hätte, doch wo er war, wusste ich nicht.
Sonst war der Schultag ein gewöhnlicher Tag. Ein Tag ohne Jimmy. Das habe ich ja noch gar nicht erwähnt. Nachdem mich Jimmy im Haus alleine ließ, belästigte er mich eine kurze Zeit nicht mehr. Eigentlich für eine so lange Zeit wie schon lange nicht.
Bezüglich Fred machte ich mir keine Sorgen. Ich wusste dass es ihm gut ging. Zwar hätte ich gerne nachgesehen, doch ich hatte keinen Plan, wo er wohnte.
Am nächsten Tag, es war Freitag, war er noch immer nicht in der Schule. Auch an diesem Tag machte ich mir keinerlei Sorgen. Es würde bestimmt einen Grund haben, dachte ich mir. An jenem Tag hatte ich aber auch keine Zeit mir Sorgen zu machen. Denn jener Tag, jener Freitag, war der Tag, wo ich meinen Termin beim Psychiater hatte, und was soll ich sagen. Der Termin wäre bestimmt angenehmer gewesen, wäre Steve nicht mit dabei gewesen.
Von Steves Beteiligung erfuhr ich erst als mich meine Mom in den Wagen lockte. Es war Steves Combi, ich glaube der Marke Ford, jedenfalls fuhren meine Mom und ich selten mit diesem Wagen, weshalb es mir schon einen Verdacht hatte. Als Steve jedoch bereits im Wagen saß, wurde mir alles klar.
Die Psychiaterin hatte eine Praxis in der nähe von Denver, somit hatten wir eine lange Autofahrt vor uns. Mehr als das wusste ich aber nicht. Ich wusste nicht dass Steve mitfuhr und ich wusste nicht was ich den Psychiater sagen sollte. Also ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer. Erst als wir losfuhren, fiel mir ein, dass es klug von mir gewesen wäre, Fred zu fragen. Ich hatte keine Ahnung, ob ich alles leugnen oder wirklich alles erzählen sollte. Die Fahrt hatte ich Zeit zu überlegen, mir eine glaubwürdige Geschichte einfalle zu lassen.
Neben dem, dass ich schon wahnsinnig nervös war, machte mich Steve weiterhin fertig. Er sprach davon, dass es eine Schande für ihn wäre, dass ich solch ein Psychopath sei. Genau das war sein Wortlaut. Obwohl er mir noch am Vortag drohte, mich zu töten und daraufhin zu essen. Er beschimpfte mich dazu, dass ich so viel Geld kosten würde und so weiter. Meine Mom versuchte wenigsten Steve zu beruhigen, doch es half nichts.
Die halbe Zeit hörte ich zwar nicht zu, dennoch gingen mir seine Beleidigungen auf den Sack. Entschuldigung.
So kam es, dass ich zurück sprach. Ich sagte, ihn hätte niemand gezwungen mitzukommen und es mir lieber gewesen wäre, er wäre zuhause gebliebene. Im Rückspiegel konnte ich ein Grinsen erkennen, welches sich in Steves Gesicht bildete.
Er sagte langsam und beruhigend: „Aha, du weißt es nicht. Deine Mutter hält dich ebenfalls für einen Psychopathen, weshalb sie darauf bestand, dass wir eine Familiensitzung abhalten sollten. Hast du gehört, ich bin nur wegen dir metgekommen weil du so verrückt bist.“
Meine Mom sah Steve wütend an, daraufhin schwiegen wir drei. Es waren Worte, welche mich zwar nicht verwunderten, aber dennoch verletzten.
Wie gesagt, nach einer ziemlich langen Autofahrt kamen wir an der Klinik an. Es war ein graues Gebäude. Neben der Tür stand ein Schild mit der Aufschrift: „Praxis von Dr. M. Judith. Spezialisiert für Geisteskrankheiten und psychische Schäden.“
„Das ist die beste Psychiaterin, laut dem Netz.“, sprach meine Mom in hohen Tönen.
Ich bestand darauf alleine reinzugehen. Auf meine Mom und Steve hatte ich nämlich keine Lust. Darauf meinte Steve jedoch, mit leichtem grinsen: „Du dachtest ich mache Scherze? Wir halten wirklich eine Familiensitzung ab. Du erzählst nicht nur der Psychiaterin sondern auch deiner Mutter und mir etwas über deine Schäden.“
Meine Mom nickte. Dagegen konnte ich nichts machen. Ich war deren Sklave. Was sie sagten musste ich machen. Auch wenn ich in diesem Moment am liebsten von dem Gebäude gesprungen wäre, musste ich dies über mich ergehen lassen.
Wir betraten die Praxis und meldeten uns beim Empfang an, so wie ich es heute bei Ihnen machte. Sofort wurden wir in das Büro von Dr. Judith gebeten. Übrigens, kennen sie Dr. Judith? Ach was denke ich mir nur. Natürlich werden sie nicht alle Psychiater der USA kennen.
Jedenfalls erwartete sie uns schon. Das Büro war so ähnlich aufgebaut wie Ihres. Ein Schreibtisch, an dem die Psychiaterin saß und gegenüber eine braune Couch aus Leder. Außerdem hatte sie einige Schränke. Um ehrlich zu sein hören dort aber auch die Ähnlichkeiten auf. Ihre Praxis ist weiß und steril gehalten, lediglich die Wanduhr sticht heraus.
Dr. Judiths Büro hingegen hatte schon beinah einen Westernlock. Braune Möbel und sandfarbener Teppich.
„Bitte, setzten Sie sich.“, sprach die Frau, nachdem wir die Tür hinter uns schlossen. Dr. Judith war etwa 35 Jahre alt. Sie war schlank, trug eine Brille und hatte hellbraune harre, welche nach oben gesteckt waren. Außer ihren weißen Ohrringen und ihrer silbernen Uhr an ihrem schlanken Handgelenk, hatte sie keinen weiteren Schmuck. Ich weiß nicht, aus irgendeinen Grund kann ich mich noch genau an die Frau erinnern. Sie perfekt beschrieben. Sie trug eine dunkelblaue Bluse und einen grauen Rock. Dazu schwarze Schuhe mit einen leichten Ansatz. Sie hatte blaue Augen und dezent Lippenstift an ihren Lippen.
So sehr ich mich an diese Frau erinnern kann, so sehr kann ich mich erinnern, was ich ihr an diesem Tage erzählte. Doch wissen Sie an was ich mich nicht erinnere? Es war ihre Diagnose, weshalb ich ausschließlich diese Sitzung hatte. Beim besten Willen weiß ich nicht mehr, was sie mir diagnostizierte.
Um auf den Punkt zu kommen, ich glaube meine Zeit ist schon fast um, wir saßen uns auf die Couch und Dr. Judith fragte, weshalb wir hier seien. Meine Mom begann zu reden, wurde jedoch beim ersten Wort von der Psychiaterin unterbrochen.
Sie meinte: „Entschuldigen Sie bitte, so viel ich weiß sind Sie wegen des Jungens hier. Ich möchte von ihm den Grund eures Besuches hören.“
Ohne weitere Aufforderung sprach ich: „Naja, was ich mitbekommen habe, möchte meine Mom eine Familiensitzung ab halten.“
„Nein John.“, sagte die Doktorin beinah wütend, ich war verwundert dass sie meinen Namen wusste, „Deine Mutter sprach letzte Woche noch am Telefon von etwas anderem. Von Albträume, die dich plagen und da gab es noch etwas.“
Meine Mom sah mich wütend an. Ihr Blick sprach mehr als tausend Worte. Anscheinend hatte sie sich Umentschieden und wollte auf keinen Fall, dass ich über meine Albträume und Jimmy sprach.
Jedoch tat ich das, was ich für richtig hielt.
„Sie meinen wahrscheinlich diesen Jungen, welchen ich sehe.“, sagte ich.
„Exakt. Ich bitte nun beide Elternteile meine Praxis zu verlassen. Ich werde mit den Jungen alleine reden. Danach können wir noch separat ein Gespräch führen.“, sagte sie fröhlich.
Meine Mom und Steve standen auf und bevor meine Mom etwas sagen konnte, wurden sie förmlich hinausgetränkt von Dr. Judith.
Sie schloss die Tür, setzte sich wieder an ihren Schreibtisch und sagte: „So John. Du hast das Wort. Erzähl mir alles was du für wichtig hältst.“
Ich folgte ihren Anweisungen und erzählte von Anfang an. Ich erzählte von meinen ersten Albträumen. Von dem Jungen der in meinem Zimmer stand. Ich erzählte davon dass wir Freunde wurden und ein Baumhaus bauten. Ich erzählte davon dass wir uns stritten und er das Baumhaus zerstörte. Ich erzählte von Miss Sawjer, Kliff und Pete und meinen schrecklichen Klassenkameraden, und Steve natürlich. Ich erzählte ihr das, was ich Ihnen bereits sagte, nur ausführlicher, womit das Gespräch etwa eine halbe Stunde lang ging. Naja, Gespräch, meine Geschichtserzählung, trifft es wohl besser. Dazu malte ich übrigens Jimmy und das Monster so gut und schnell wie möglich auf. Sie befahl es mir. Ich erzählte somit alles, bis auf eine Kleinlichkeit. Ich ließ Fred aus meiner Geschichte. Somit rettete nicht er mich vor Miss Sawjer, sondern ich mich selbst. Ich habe keine Ahnung weshalb, aber ich hatte so das Gefühl, es wäre besser Fred daraus zulassen. Es war eben ein Bauchgefühl.
Nachdem ich die Geschichte zu Ende erzählte, sprach sie noch ein paar Worte an die ich mich, wie bereits schon mehrmals erwähnt, nicht mehr erinnere.
Somit wurde ich hinaus geschickt. Jedoch war das nicht das letzte Mal dass ich von Dr. Judith hörte.
Da fällt mir ein, eine Kleinlichkeit, an die ich mich noch gut erinnere, habe ich noch nicht erwähnt. Womöglich ist es wichtig, aber wahrscheinlich nur hanebüchen.
Nachdem ich Jimmy erwähnte, ihn beschrieb und aufzeichnete, da sah mich Dr. Judith mit einen Blick an, den ich noch nie zuvor sah. Ihre weit geöffneten Augen zeigten, sowohl Schock und Freude. Außerdem waren diese Gefühle vermischt mit Angst. Sie hatte große Angst.
Ich wurde aus der Praxis gebeten. Meine Mom und Steve hinein. Nach etwa einer halben Stunde kamen diese wieder aus der Praxis heraus. Ohne mich anzusprechen, verließen sie das Gebäude und stiegen in den Wagen. Ich eilte hinterher. Die halbe Autofahrt wurde von Schweigen dominiert. Solange bis ich mich traute zu fragen, was die Psychiaterin zu meiner Mom sagte.
Meine Mom antwortete: „Es ist schon gut Schatz. Alles wird gut.“
Das wars. Mehr konnte ich nicht erfahren. Bis heute frage ich mich, was meine Eltern zu hören bekommen haben und auch was ich damals diagnostiziert bekam. Eine Vermutung jedoch habe ich, bezüglich, dass was meiner Mom und Steve erzählt wurde.
Die nächsten Tage wusste sich Steve zu beherrschen. Bis zu dem einen Tag, schrie er mich weder an noch verletzte mich. Vermutlich gab die Psychiaterin Steve an allem Schuld. Kein Wunder, Sie wissen doch was ich über Steve bis jetzt erzählt habe und es wird noch viel schlimmer das kann ich garantieren. Anscheinend konnte meine Mom sich endlich durchsetzen. Anscheinend war meine Mom endlich mal auf meiner Seite und redete mit Steve klar Text. Doch dies ist nur eine Vermutung meinerseits.
Der nächste Tag, war dann jener Tag, an dem ich endlich mehr herausfinden sollte. Schon am Vortag, stellte ich meinen Wecker um acht, schließlich wollten wir uns um neun im Sattler Forest beim Baumhaus treffen. Naja, was soll ich sagen. Als ich aufwachte und auf die Uhr blickte, traf mich der Schock. Es war bereits halb zehn Uhr morgens. Ich zog meine Klamotten an und schmiss mich auf mein Bike. Auf keinen Fall wollte ich Fred warten lassen. Ich fuhr so schnell ich konnte durch die Straßen, über die Wurzeln, über die Nadeln der Bäume, nur um dann auf den Laubbaum anzutreffen und dem zerstörten Baumhaus.
Sofort sprang ich vom Fahrrad und blickte verstört auf die Trümmer. Mir wurde in jener Sekunde klar, dass es Jimmy gewesen sein musste, der sein eigen erbautes Baumhaus wieder zerstörte. Schon zum zweiten Mal. Die Trümmer lagen exakt an derselben Stelle wie schon zuvor. Ich dachte mir für eine Sekunde, dass ich mir einbildete, dass Jimmy das Baumhaus wieder erbaute.
Während ich auf die Trümmer blickte, realisierte ich erst, das Fred noch nicht da war. Ich hatte Sorge, er hätte ebenfalls. Dann fiel mir jedoch ein, dass er schon die beiden vorherigen Tage nicht in der Schule war. Die Sorge, dass er verschlafen hätte, verwandelte sich in Angst, dass er tot sei. Ich schrie nach ihm, ich schrie Freds Namen so laut ich nur konnte, ohne dabei große Hoffnung zu haben. Was soll ich sagen, meine Angst war völlig unbegründet als Fred hinter den Bäumen hervor trat.
Verwirrt sah er mich an und fragte was los sei. Darauf fragte ich ihn, wo er gewesen sei. Er antwortete: „Ich habe mich nur ein wenig umgesehen. Wo warst du denn?“
„Ich habe verschlafen.“, antwortete ich.
Worauf er das Thema wechselte und sagte: „Das war wohl mal ein Baumhaus.“, während er auf die Trümmer blickte.
„Ja. Er hat es zerstört. Jimmy hat es zerstört.“, sagte ich darauf.
„Gut, es hilft wohl nichts. Bevor wir irgendeinen Plan aushecken, müssen wir das Baumhaus wohl oder übel wieder aufbauen.“, so Fred. Ich war verwundert. Damit hatte ich gar nicht gerechnet.
Ich meinte: „Meinst du? Schließlich haben wir viel wichtigeres zu tun.“
„Ist er hier? Ist der Junge hier? Siehst du ihn?“, fragte mich Fred und wechselte erneut das Thema. Ich war für kurze Zeit sprachlos.
„John, ist Jimmy hier?“, fragte er erneut. Ich blickte mich um und schüttelte den Kopf. Er war nicht zu sehen.
„Was denkst du weshalb er das Baumhaus wieder zerstörte? Er möchte nicht, dass es existiert.“, sagte er.
Seine Worte ergaben Sinn, obwohl es seine Geschichte nicht tat. Mir war klar, dass es sich nichts bringen würde, wenn das Baumhaus wieder stehen würde. Warum auch? Dennoch überzeugte mich Fred. Er überzeugte mich mit seinen Worten.
„Du hast das ja schon mal gemacht. Wie beginnen wir?“, fragte er mich.
„Ich denke wir brauchen mehr Materielaien. Holz, Schnüre. Nägel und Werkezeug wären nicht schlecht.“, sagte ich.
„Abgemacht. Ich hole Werkzeug, du Materialien.“, sprach Fred und rannte sofort los. Als er rannte, sah ich ein kleines Kind in ihm. Ein kleines Kind, welches sich freute, etwas mit einem Freund zu unternehmen. Wissen Sie was, dasselbe Kind sah ich auch in mir.
Ich fuhr mit meinen Bike zu dem Keller des Wohnhauses, in dem ich lebte. Schnüre und Nägel fand ich ohne Probleme. Bretter jedoch musste ich erst suchen.
Ich suchte den Keller ab, doch als ich nichts fand musste ich überlegen. Schnell fiel mir ein Ort ein, wo ich bestimmt Bretter finden würde. Es war zwar riskant, aber ich passte auf, dass mich niemand sah. Ich ging in den kleinen Schuppen hinter dem Haus von Miss Sawjer. Diesen sah ich das erste Mal, als Fred und ich zum Fluss rannten.
Tatsächlich wurde ich fündig. So schnell ich konnte schnappte ich mir das Holz und belud mein Bike. Am Ende befanden sich auf meinen Bike so viele Materialien wie nur möglich. Ich trat fest in die Pedale, kam jedoch nur langsam voran. Vor allem über den Waldboden fiel es mir schwer, dennoch kam ich vor Fred am Laubbaum an. Ich entlud mein Bike, das heißt ich schmiss alles auf dem Boden, und wartete auf meinen Freund. Keine fünf Minuten später kam er schon angelaufen. Er schwitzte. In seiner Hand trug er einen Werkzeugkoffer.
Er holte einen Hammer, eine Säge und weitere Nägel heraus und sagte: „Lass uns loslegen.“ Er sagte das mit Elan. Mit Motivation.
Auf meine Anforderung begannen wir mit der Unterkonstruktion. Wir nagelten einige Bretter aneinander damit wir eine gute und feste Ebene haten. Diese hoben wir auf den Baum, zwischen den dicken Ästen. Mit den Schnüren banden wir die Konstruktion fest. Daraufhin folgten Wände, ein Stelle für eine Tür und für ein Fenster ließen wir frei. Darauf dann kam das Dach. Wir nagelten alles zusammen. Am Ende nahmen wir die alte Strickleiter vom vorherigen Baumhaus und banden sie ebenfalls an einem Ast fest.
Fred und ich blickten auf unser Werk. Die Sonne, welche bereits unterging, färbte alles in Rot ein. Fred legte seinen Arm um meine Schulter und sagte: „Ich denke wir haben es. Genauso besiegen wir ihn.“
Verwirrt sah ich ihn an und fragte: „Womit?“
Fred meinte: „Mit Freundschaft John. Genau das, was er nicht hat.“
Ich blickte auf Fred. Er blickte auf mich. Schweigen herrschte zwischen uns beiden.
Fred klatschte aus dem nichts in die Hände und meinte: „So, erzählen wir uns gegenseitig unsere Geschichten.“ Ohne, dass ich darauf reagieren konnte, lief Fred auf das Baumhaus zu und kletterte die Strickleiter hoch.
„Auf was wartest du?“, fragte er mich, als er bereits an der freien Stelle, welcher der Eingang war, stand. Ich folgte ihn. So kam es, dass wir beide im Baumhaus saßen. Es war zwar hoch genug, um stehen zu können, dennoch saßen wir uns hin.
„Möchtest du beginnen, oder soll ich?“, fragte Fred drauf. Ich war noch immer perplex und konnte nicht antworten. Vielleicht waren es seine Worte über Freundschaft, welche mich sprachlos machten oder einfach der Grund, dass es Fred eilig zu haben schien. Noch Tage davor sprach er darüber, dass er nachhause müsse, doch in diesem Moment war die Sonne bereits untergegangen, wir saßen im Dunkeln.
„Fred, sollte wir uns nicht lieber morgen treffen?“, fragte ich schuldig. Schließlich musste auch ich mit Konsequenzen rechnen, würde ich zu spät nachhause kehren.
Fred holte etwas aus seiner Tasche. Es war zu dunkel, um es zu erkennen. Durch einen Knopfdruck jedoch wurde es hell. Fred hielt ein Feuerzeug in der Hand. Ein modernes, welches mit Leichtigkeit eine Flame bilden konnte und diese auch beibehielt solange der Wind sie nicht auspustete. Er stellte das Feuerzeug am Boden, zwischen uns. Wir saßen somit wie um ein Lagerfeuer. Fred sah mich ernst an. Das Feuer betonte seine braunen Augen.
„Hör mir zu John. Das was ich dir nun erzähle ist mir wirklich passiert.“, läutete Fred seine Geschichte ein.
„Ja, das ist doch selbstverständlich.“, sagte ich darauf.
„Nein John. Auch wie unglaublich es klingen mag. All das was ich dir erzähle ist mir wirklich passiert. Ich lüge dich nicht an.“, sagte er erneut. Sein Ton wurde noch ernster.
Verwundert antwortete ich ihn: „Ja, das ist mir doch klar. Wir sind Freund. Ich glaube dir.“
„John, ich rede aber von Mord.“, sagte Fred.
„Du hast also schon Mal jemanden getötet?“, fragte ich, doch war nicht besonders verwundert.
„Am besten beginne ich im Jahre 1998.“, sagte Fred, „Es war April. Um genauer zu sein… weiß ich den Tag nicht mehr genau.“, sagte er im nervösen Ton. „Um noch genauer zu sein, müssen wir noch ein Jahr weiter in die Vergangenheit gehen. Ich lebte nahe, in einer kleinen Stadt, Sterlings. Mit neun begann meine Liebe zum Horror. Es begann mit einer VHS meines Vaters, ich glaube „The Evil Dead“. Seit jenem Tage interessiere ich mich für alle Horrorfilme. Ich sah mir auch jene an, die nicht legal waren. Vielleicht war es meine Liebe zu all den Horrorfilmen, die mich Chuck, oder wie du ihn nennst, Jimmy, überleben ließen. Denn durch die Horrorfilme wurde ich deutlich abhärtet. Ich hatte keine Eltern, welche mich schlugen oder misshandelten. Im Gegenteil, ich liebe sie. Zwar wurde ich von meinen Klassenkameraden gemobbt, gehänselt, weil ich eben schwarz bin, aber da gab es noch ein anderes Kind in der Schule, welches mehr abbekam. So brauchte ich etwas, was mich abhärtete, was mich auf das wahre Leben bereit machte. Dies waren eben jene Filme, die mich beim ersten Mal schauen nicht schlafen ließen.“, so Fred.
Ich musste ein wenig schmunzeln, denn dieses Problem hatte ich nicht. Ich musste nicht Acht geben, etwas zu finden, was mich abhärtete. Wie Sie bestimmt schon aus meiner Geschichte entnommen haben, hatte ich Steve. Ich hatte meine Klassenkameraden. Seit neuesten war es Jimmy.
Fred erzählte weiter: „Gut, gehen wir zurück in den April 1998. An jenem Tag an dem ich das erste Mal Bekanntschaft mit Chuck machte. Ich lernte ihn auf den Skaterplatz kennen.“
Ab diesem Punkt der Geschichte öffneten sich Freds Augen weit. Er erzählte seine Geschichte nicht mehr in normaler Geschwindigkeit, sondern ruhig und langsam. Ihm schienen die Worte zu fehlen. Es war beinah so, als müsste er eine ganze Geschichte erfinden und aus den Ärmeln schütteln. Ich wusste nicht, warum er so schockiert zu sein schien. Jedenfalls fragte ich nicht nach und weiß es auch bis heute nicht genau. Wenn Jimmy recht hatte, log er ab diesen Punkt nur noch. Doch in diesem Fall würde ich Jimmy niemals mehr vertrauen als den Jungen, der mir gegenüber saß und mir sein ganzes Herz ausschüttelte.
Fred sprach weiter: „Es war der Skaterplatz an dem ich Tricks mit meinem Skateboard übte. Plötzlich kam der Junge angelaufen. Pullover, blonde harre, weiße Augen. Er war etwas jünger und kleiner und schmaler als ich. Er fragte mich, ob er zusehen dürfte, und ich ließ es natürlich zu. Wir tauschten an diesem Tag keine weitern Worte aus. Am Abend endete meine erste Begegnung mit Chuck.
Die nächsten Tage traf ich ihn immer wieder. Ich begann ihn kennen zu lernen. Wusste wie er hieß und wo er wohnte, doch ich wusste noch nicht, dass er ein Geist war. Erst als ich ihn nachhause mitnahm öffnete es mir die Augen. Alles was ich wollte war einen Freund mit nachhause zu nehmen. Ihn meinen Eltern vorzustellen. Ich stellte ihn meiner Mutter vor. Diese jedoch meinte nur, sie sei erstaunt, dass ich einen unsichtbaren Freund hätte. Gut, ich war erst zehn, also es war nicht gerade abartig für mein alter, aber da ich noch nie einen imaginären Freund hatte, wunderte sich meine Mutter, verständlich. Sofort stellte ich ihn in meinem Zimmer zu rede. Schließlich war er die ganze Zeit anwesend, als meine Mutter mich beschuldigte, einen imaginären Freund zu haben. Ohne lange zu zögern, gab er mir Antwort. Er weinte, schüttelte sein Herz vor mir aus. Er sprach, dass er eine gequellte Selle sei. Ein Kind, welches einfach nur einen Freund bräuchte. Ich konnte nicht anders als ihn zu verzeihen. So wurden wir Freunde. Ich war mit einem Geist befreundet.
Die nächsten Tage verliefen gewöhnlich. Ich versuchte Chuck, welcher mir den ganzen Tag folgte, nur zu beachten, wenn niemand zusah. Mir war klar, dass es sich schnell herumsprechen würde, würde ich mit meinen imaginären Freund reden. Alles verlief friedlich, bis zu jenem Tage.
Meine Lehrerin bat mich nach dem Unterricht zu ihr zu kommen. Sie meinte, sie müsse mit mir sprechen. Auch Chuck kam nach dem Unterricht zu ihr. Sie schimpfte, da meine Noten die schlechtesten bei der Klassenarbeit gewesen waren. Eigentlich war ich kein schlechter Schüler und leistete mir lediglich einen Ausrutscher. Als sie mir meinen Test gab und ich mir ihn ansah, war ich schockiert. Zwar stand mein Name drauf, doch das war definitiv nicht meine Handschrift. Ich versuchte es der Lehrerin zu erklären, jedoch ließ sie sich nicht darauf ein. Dann flüsterte mir Chuck etwas ins Ohr.“
Freds Augen öffneten sich noch weiter, ich wusste nicht einmal, dass dies möglich war, und mit einem beinah Lächeln im Gesicht sagte er: „Chuck flüsterte, ich sollte sie töten. Ich sollte meine Lehrerein umbringen.
„Was hast du gesagt?“, fragte ich daraufhin Chuck verwirrt. Für eine Sekunde vergas ich, dass ich der Einzige war, der ihn sehen konnte. Chuck zeigte mir, dass ich leise sein sollte und flüsterte erneut, obwohl ihn ja niemand hören konnte, ich solle sie umbringen in dem ich sie mit dem Messer in der Schublade, er zeigte auf die Schublade des Lehrerschreibtisches, töten sollte. Meine Lehrerin sah mich verwirrt an, als ich an anstelle ihres Gesichtes, hinter meine Schulter blickte. Sie schimpfte noch mehr mit mir. Gut, Chuck war mein Freund, Freunde würden sich nicht belügen, dachte ich. Ich griff zur Schublade. Die Lehrerin griff nach meiner Hand. Sie sah mich wütend an. Ich schaffte es jedoch die Schublade zu öffnen, das Messer daraus zu nehmen und ihr die Kehle aufzuschlitzen. Sie war sofort tot.“
Schockiert, jedoch gespannt, lauschte ich bis zu diesem Teil der Geschichte. Ich fragte ihn: „Wie war es? Wie war es jemanden zu töten, der nichts gemacht hat. Der unschuldig war.“ Im selben Moment ging das Feuer aus. Fred nahm das Feuerzeug und endzündete es erneut. Er stellte es an jene Stelle, an der es vorher stand. Er sah mich wütend an. Weshalb war mir nicht bewusst.
Er erzählte weiter: „Ich war damals gerade erst 10. Deswegen weiß ich nicht mehr, wie es sich anfüllte. Gut, ich wusste nicht einmal dass ich soeben einen Fehler gemacht habe. Ich wusste nicht das ich etwas falsch gemacht habe, obwohl meine Lehrerin besudelt mit ihrem Blut vor mir lag und ich ein Messer in der Hand hielt, welches ebenfalls mit ihrem Blut beschmiert war. Auch ich habe etwas davon abbekommen. Vielleicht stimmt es was die Medien sagen und Horrorfilme machen Leute wirklich zu Psychopathen.
Chuck klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Gut gemacht.“ Er war stolz auf mich. Das war auch der Grund weshalb mir nicht klar war, dass ich soeben etwas Falsches machte. Da mein Freund mir es befiehl, hielt ich es für das richtige.
Gut, ich weiß zwar nicht warum, den geschrien hat sie nicht, doch es kamen sofort etliche andere Lehrer angerannt. Sie blickten auf mich und auf meine tote Lehrerin. Erst jetzt ertönten Schreie. Mir wurde das Messer gewaltsam aus der Hand gerissen und ich wurde weggeschupst. Man versuchte noch mit erster Hilfe meine Lehrerin wiederzubeleben, doch Tote kann man nicht zurückholen. Oder was ich aus den Horrorfilmen lernte, sollte man das nicht.“, sprach er im ironischen Ton, „Es folgte schwere Monate für meine Eltern und mich. Natürlich musste ich vor das Gericht. Chuck riet mir was ich sagen sollte und dies erzählte ich auch. Ich meinte, ich hätte keine Erinnerungen an diesen Vorfall. Ich log den Richter, den Anwälten und den Geschworenen ins Gesicht, weil es mir Chuck befiehl . Nach einem halben Jahr voller Gerichtstermine und Zeitungsauschnitten wurde ich als strafunzulässig eingestuft. Weder meine Eltern noch ich bekamen jegliche Strafe. Alles Dank Chuck. Nicht ich war es, sondern Chuck, der meine Lehrerin umbrachte und keine Konsequenzen daraus schob.
In unserer alten Stadt konnten wir uns nicht mehr blicken lassen. Viele meinten meine Strafe, nämlich keine Strafe zu bekommen, wäre unfair ausgefallen. Schnell wurden wir zum Gespött, wurden sogar aus der Kichre verbannt, obwohl meine Eltern sehr gläubig waren.“
„Darauf seid ihr hierher gezogen.“, sagte ich. Ich hatte das Gefühl, ich musste die Geschichte beenden.
Fred widersprach jedoch und meinte: „Nein, spinnst du. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht einmal elf Jahre alt. Wir zogen einige Städte weiter. Nach Crock. Meine Mom, mein Dad ich und Chuck. Ja, Chuck war die ganze Zeit bei mir und noch immer dachte ich, er sei mein Freund. In der Schule fand ich keine Freunde, doch die brauchte ich nicht, dachte ich mir. Ich hatte nämlich Chuck. Mit Chuck spielte ich den ganzen Tag. Wir hatten Spaß. Wir spielten so wie du und Jimmy miteinander gespielt habt. Gut, die Zeiten ändern sich. Ich wurde älter und begann langsam zu realisieren, was für ein Arschloch dieser Junge ist. Ich glaube es begann damit, dass er mir falsche Lösungen bei Test ansagte. Er baute Scheiß, wofür ich gerade stehen musste. Ich suchte das Wort mit ihm, wollte reden, ihn fragen, warum er dies alles tat. Dabei spuckte er mir ins Gesicht.
Mit 13 realisierte ich erst, dass ich Chuck loswerden muss. Das Problem war, dass ich absolut keine Ahnung hatte, wie ich dies anstellen könnte. So kam es, dass ich ihn fragen musste, was ich tun kann, damit er verschwindet. Was ich machen kann, damit er endlich aus meinem Leben geht. Es dauerte, bis ich eine Antwort bekam, aber tatsächlich bekam ich eine Antwort von ihm, nachdem ich eben tausende Male nachfragte. Er meinte, dass er an mich gebunden sei, solange jedenfalls bis er einen neuen Freund fände. Ich verstand sofort auf was er hinauswollte. Er sagte mir indirekt, dass ich für ihn ein neues Opfer finden solle. Ich hatte keine Wahl, also wählte ich einen meiner Klassenkameraden, der mich gehasst hatte. Unter Vorwand, ich müsste ihn ihm Wald was zeigen, etwas Besseres fiel mir nicht ein, schlug ich ihn bewusstlos. Nun lag er da, blutender Wunde am Kopf und neben ihm ein Stein, welcher als Tatwaffe fungierte und mit meinen Fingerabdrücken beschmutzt war. Das Problem war nun, ich wusste nicht was ich machen sollte, wie ich Chuck auf ihn übertragen kann. Ich hatte das Ganze einfach nicht durchdacht.
Ich rief Chuck zu mir, er solle herkommen, ich hätte für ihn ein neues Opfer, einen neuen Freund. Chuck jedoch, war nirgends auffindbar. Aus Angst lief ich weg, nachhause. In dieser Situation wusste ich nicht was ich machen sollte. Wie gesagt, ich hatte das ganze nicht durchdacht. Erst als ich zuhause war, ich versuchte sofort das Blut von mir zu waschen, merket ich, dass ich soeben denjenigen bewusstlos im Wald zurück gelassen habe, welcher wusste, dass ich ihn erschlagen hatte. Mir war sofort klar, falls mein Klassenkamerade aufwachen sollte, er mich bei der Polizei verpfeifen würde und ich am Arsch wäre. Dies fiel jedoch nicht nur mir auf, sondern auch J… Chuck, meine ich. Denn als ich vor dem Waschbecken stand, mich im Spiegel betrachtete und mir die Situation, in der ich mich soeben befand, erst klar wurde, stand der kleine Junge hinter mir. Er meinte, ich hätte den falschen gewählt, er wolle einen anderen Freund. Außerdem sprach er das an, was mir ebenfalls klar wurde. Ich musste den Zeugen beseitigen.
Sofort machte ich mich zurück auf dem Weg, in den Wald. Ich ging zu jenen Stelle, zum Tatort. Den Stein, die Tatwaffe, fand ich an selber Stelle vor. Auch das Blut, welches für mich als Farbenblinder nur schwer zwischen all den grün und braun zu erblicken war, war zu erkennen. Vom Opfer jedoch fehlte jede Spur. Panik brach auf. Er war weg. Derjenige, der mich ins Gefängnis bringen konnte war verschwunden, nicht auffindbar. Ich versuchte mich zu beruhigen, Chuck versuchte mich zu beruhigen. Er redete mir ein, ich wäre schon einmal damit durchgekommen und würde es erneut überstehen. Er hatte recht. Ich hatte meine Lehrerin ermordet und bekam keine Strafe, warum sollte ich also nun Konsequenzen tragen müssen? So dachte ich es mir. Chuck schaffte es tatsächlich mir einzureden, ich könnte, solange ich nicht Strafmündig bin, mit allem davon kommen. Leute verletzten und sogar töten. Nur ein paar Stunden zuvor war so weit, einen Jungen, welchen ich nicht mochte, für Chuck zu opfern. In diesem Moment jedoch, als ich mit Chuck im Wald stand, hatte ich mit ihm zusammen größeres vor. Ich fühlte mich unbesiegbar.
Chuck schaffte es tatsächlich, mein Selbstbewusstsein zu stärken. In der Schule ließ ich mir nichts mehr gefallen, beleidigte andere Leute. Ich schlug meine Mitschüler, ließ mir nichts mehr gefallen. Mit Chuck an meiner Seite fühlte ich mich stark. Ich war unbesiegbar.
Dies ging etwa eineinhalb Jahre halbwegs gut. Meine Lehrer informierten meine Eltern jedes Mal wenn ich Mist gebaut habe. Sie versuchten die Gründe herauszufinden, weshalb aus ihrem lieben Sohn, solch ein Monster wurde. Chuck war der Grund. Er sagte mir was ich zu tun hatte. Er redete mir ein, ich solle diesen und jenen schlagen, beleidigen, fertig machen. Chuck war mein Freund, der Einzige, der mich anscheinend verstand. Ich hörte auf das, was er für richtig hielt. Ich befolgte nur befehle.“
Fred hörte sich bei diesen Teil der Geschichte gelangweilt und gleichzeitig nervös an. Er klang fast so, als würde er im Kopf ein Buch lesen. Als würde er soeben was erzählen, was er nur als Lückenfühler benutzte. Ich sprach doch davon, dass Jimmy, wie ich Ihnen später ein weiteres Mal erzählen werde, mir einreden wollte, Fred hätte gelogen. Jimmy meinte, er hätte alles nur erfunden. In diesem Moment, wo ich ihnen Freds Geschichte schildere, so wie er sie mir erzählte, habe ich ebenfalls das Gefühl, nicht alles war wahr.“
John erzählte dies sehr monoton, gelangweilt, so wie Fred seiner Meinung nach seine Geschichte erzählte. Sein Blick jedoch verließ dabei nie den Boden. So konnte Dr. Phillips nicht erkennen, ob er ebenfalls seine Geschichte so erzählte, als würde er ein Buch vor seinem geistigen Auge lesen. Eine Geschichte erfinden, von der er selbst noch nie gehört hatte. Ohne lange weiterzureden, fuhr John mit Freds Geschichte fort. Freds Geschichte, welche Johns Meinung nach, wie er just bemerkte, schon viel zu lange ging. John sprach weiter: „Fred sprach weiter: „ Hörst du Johnny ich konnte nichts dafür, er setzte mir Flausen in den Kopf. Gut, jedenfalls ging Chuck eines Tages zu weit. Er sagte, ohne Witz, ich sollte meine Mutter beleidigen. Meine Eltern waren zwar streng, nachdem sie von all den Sachen hörten, die ich angestellt hatte, dennoch waren sie mir nie richtig böse. Sie versuchten mich zu verstehen. Sie taten alles, gute Eltern zu sein und das schafften sie auch. Als Chuck den Bogen überspannte und auf meine Eltern ging, wurde mir von der einen auf der anderen Sekunde erst klar, was ich alles falsch gemacht habe. Es klingt zwar unglaubwürdig, du musst mir auch nicht glauben, doch erst dann wurde mir klar, dass ich die letzten eineinhalb Jahre nicht auf ihn hören hätte sollen. Das es absurd war auf den kleinen Jungen zu hören. Er befahl mir fucking Dinge, die ich nicht wollte. Ohne es zu wiederfragen, tat ich das, was er mir sagte. Ich fühlte mich wie ein Trottel. Du kannst dir nicht vorstellen, wie dumm ich mich gefühlt habe. Das Problem war nur, um ihn loszuwerden, musste ich noch ein letztes Mal auf ihn gehorchen. Ich erinnerte mich daran zurück, was er zu mir sagte. Er meinte er bräuchte ein neues Opfer, welches er sich selbst aussuchen wollte. Ich ging auf seine Anforderung ein, ließ ihn einen neuen Klassenkameraden wählen und…“ Ich unterbrach Fred und fragte, was mit jenen Klassenkameraden geschah, welchen er niederschlug und darauf nicht wieder auffindbar war. Fred antwortete mir: „Er war nicht mehr auffindbar, also er verschwand für immer. Aber egal. Gut, ich ging mit diesen Klassenkameraden in den Wald, schlug ihn nieder, so wie ich es schon vor langer Zeit tat und ließ ihn mit Chuck alleine im Wald zurück. Ich hatte es nun geschafft Chuck loszuwerden. Ich dachte nichts könnte einen neuen besseren Leben im Wege stehen, doch ich hatte das Ganze eben nicht gut genug durchdacht. Den Klassenkameraden, den ich niederschlug und der von Chuck besessen war, ging zur Polizei. Da es keine schwere Körperverletzung war, kamen ich und meine Eltern ohne Strafe davon. Dennoch meinte meine Eltern die Stadt sei nicht gut für mich und wir zogen fort. Dies geschah vor wenigen Monaten. Leider ist diese Stadt noch beschissener, sei mir nicht böse. Die ersten Wochen waren ganz Okey, fand zwar keine Freunde, doch wenigstens wurde ich Chuck los, so dachte ich zu mindestens.“
Schockiert unterbrach ich Fred. „Warte einen Moment. Kann es sein, dass ich Jimmy, oder Chuck, wie auch immer, nur wegen der sehe. Dass du mir diesen Jungen auf den Hals gebunden hast, um ihn selbst loszuwerden?“
Ich war wütend, da dies für mich quasi schon Fakt war, Fred jedoch meinte: „Nein wo denkst du hin? Gut John, ich erzähle nun weiter und bitte dich mir zu glauben. Dass dieser Junge dich verfolgt, ist nicht meine Schuld.“
Fred fuhr fort, doch nun erzählte er alles anderes. Er wirkte gelassener, als ob er sich wohl fühlen würde. Ja, vielleicht hat er tatsächlich ab diesen Punkt der Geschichte die Wahrheit erzählt. Was meinen Sie?“, fragte John Alfred mit einem Grinsen im Gesicht.
„Ach was rede ich da, sie haben doch noch gar nicht die Geschichte zu Ende gehört. Nur Gut, dass ich noch eine Stunde und 43 Minuten Zeit habe.“, sprach er, ohne auf die Uhr zu sehen und fuhr zur selben Zeit mit Freds Geschichte fort.
„ „Wie bereits erwähnt, schien ich in dieser kleinen Stadt sicher von dem Jungen zu sein. Mein Leben konnte nun endlich langweilig werden. Keine Schlägereien, keine Beleidigungen. Gut, eigentlich nur keine Schlägereien und Beleidigungen welche ich führe. Doch damit konnte ich leben, damit musste ich leben. Es schien, naja, Okey zu sein. Nicht mehr und nicht weniger. Alles war besser ohne Chuck. Meine erste Wieder-Begegnung mit ihm war eigentlich keine richtige Begegnung. Erinnerst du dich noch, als uns alle als Homos bezeichneten da wir in derselben Nacht die Polizei verständigt haben. Bei mir war das folgendermaßen. Ich sag es dir nur noch mal.“, meinte Fred plötzlich, „Das was mir in jener Nacht passierte hat mich Tage lang verstört. Ja, es war das verstörteste was mir je wiederfahren ist und mir hoffentlich wiederfahren wird.“ Damit hatte Fred leider nicht recht. Uns beiden passierte Tage später etwas viel verstörenderes. Jedenfalls musste ich nach dieser Aussage schmunzeln. Ich war mir sicher, dass das, was im Haus der alten Sawjer geschah wesentlich schlimmer war. Es musste eigentlich auch für ihn schlimmer gewesen sein. Naja, anscheinend hatte er schon manche Leute auf den Gewissen. Ich unterbrach ihn auch und meinte, er solle erst einmal meine Geschichte anhören, worauf er meinte: „Ein Clown stand plötzlich in meinem Zimmer, Johnny. Ein fucking, fetter, gruseliger Clown.“
Dass er mich erneut Johnny nannte, obwohl ich bereits gesagt habe, er solle dies nicht, sprach ich nicht an. Ich wollte nicht so genannt werden, weil mich Steve öfters so ansprach. Habe ich schon erwähnt, dass ich Steve hasste.
Jedenfalls sprach Fred weiter: „Es war gerade erst einmal Mitternacht. Ich schlief während des Fernsehens ein, so wie Johnny Depp in Nightmare on Elm Street, nur dass der Fernseher nicht auf meinen Bauch lag. Als ich um Punkt zwölf aus mir unerklärlichen Gründen wach wurde und bemerkte, dass der Fernseher noch lief, stand ich auf und ging langsam von meinem Bett auf diesen zu, der Holzboden war kalt. Ich knipste die Röhre aus, und machte mich im Dunkeln auf, um mein Bett wieder zu besteigen, nicht zweideutig gemeint. Meine Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt so musste ich mich mit meinen Händen vorantasten. Endlich, es dauerte nicht lange, mein Zimmer kannte ich, obwohl ich noch nicht lange in diesem hauste, schon fast auswendig, griff ich nach der Decke. Ich hebte mein Bein, doch…
Etwas berührte mein anderes Bein, welches noch fest am Boden stand. Es wurde nicht nur berührt, sondern gebackt. Eine warme Hand schnappte zu und umklammerte es fest. Ich schrie, aus Reflex. Mein Bein wurde gezogen und schnell verlor ich das Gelichgewischt. Ich flog zu Boden, verletzte mich jedoch nicht. Ohne Zeit zu haben, reagieren zu können, wurde bereits mein zweites Bein fest umklammert. Erneut ertönten Schreie aus meinen Mund. Mit Teufelskraft wurde ich unter mein Bett gezogen, ja, jemand war unter meinem Bett. Jemand, der mich ebenfalls dort hin bringen wollte. Ohne mich umzudrehen, viel hätte ich sowieso nicht gesehen, packte ich mit meinen Fingernägel den Holzboden. Wie eine Katze klammerte ich mich an diesem. Etwas anderes blieb mir nicht übrig. Die Person, oder dieses etwas, was mich unter mein Bett bringen wollte, war jedoch stärker. Ich spürte wie meine Fingernägel eine Spur im Boden hinterließen. Später sah ich diese auch. So fest ich konnte packte ich zu, doch vergeblich. Immer weiter wurde ich zurück gezogen. Meine Füße waren bereits vollständig unter dem Bett verschwunden. Mit meinen Fäusten schlug ich auf den Boden, um auf mich aufmerksam zu machen. Erst ab diesem Moment, versuchte ich mich zu wehren in dem ich mit den Füßen um mich trat. Die Hände, welche diese jedoch umklammerten , verhinderten ruckartige Bewegungen. Obwohl ich merkte, wie stark derjenige sein musste, wurde ich nur langsam und schleppend gezogen. Beinah so, als hätte jemand einen Spaß daran mich leiden zu lassen.
Gut, nun befand ich mich in dieser Situation, in der es keinen Ausweg mehr gab. Alles was ich nun tun konnte, war mich umzudrehen um den Täter, womöglich meinen Mörder, ins Gesicht zu blicken. Du wirst dir denken, da es dunkel war, habe ich ihn nicht gesehen, doch ich sah ihn. Als ob es helllichter Tag gewesen wäre, blickte ich ihn ins Gesicht. Diesen Jungen. Nein, nicht Chuck. Er war eindeutig älter als ich, ich schätze ihn auf siebzehn. Ach, und er war verdammt fett. Ein schwarzer fetter Junge. Ein schwarzer fetter Junge mit einem roten Pullover und dunklen, kurzen Haar. Du weißt genau wie er aussah. Er sah genauso aus wie Fat Albert.“
Bis heute weiß ich übrigens nicht, wer dieser Fat Albert gewesen ist.“, fügte John hinzu.
„ „Der Junge sah aus wie Fat Albert, doch irgendwie auch anders. Ich blickte ihn sein verfressenes Gesicht. Er sah nicht aus wie ein Mensch. Sie Gesicht wirkte verstörend. Ja, sein Gesicht sah, wenn ich das so sagen darf, verkrüppelt aus. Seine Zähne kamen aus dem geschlossenen Mund hervor. Eines seiner Augen war größer als das andere. Seine Ohren liefen Spitz zu. Schon alleine dieser Anblick machte mir verdammte Angst. Am liebsten hätte ich nicht hingesehen, doch ich musste es tun und konnte nun auch meinen Blick nicht mehr von ihn abwenden. Nachdem ich vergebungslos schrie, verstummte ich für einen kurzen Moment. Mir fehlte einfach die Kraft, um weiterzuschreien. Erst in diesem Moment konnte ich Alberts lautes Schnaufen hören. Dazu kam noch sein leises, dunkles Gelächter. Du weißt schon. So ein Gelächter welches Hinterwäldler von sich gaben.
Ich wurde immer weiter unter mein Bett gezogen. Ich ließ es einfach geschehen. Etwas unternehmen konnte ich ja schließlich nicht. Erst, als Alberts sein großes Maul öffnete und begann meine Füße in dieses zu stopfen, wurde mir klar, ich musste was unternehmen. Ja, dieser Mistkerl wollte mich tatsächlich beim lebendigen Leibe verspeisen und wie du dir denken kannst, war ich damit nicht gerade einverstanden.
Ich klopfte mit meinen Fäusten gegen den Boden, mit meinen Füßen gegen die Zähne von Fat Albert. Es würde zwar nichts bringen, aber ich musste etwas tun, dachte ich mir. Johnny, aus dem nichts konnte ich spüren, wie sich meine Füße nicht mehr in einem feuchten Maul befanden, sondern wieder auf dem Boden auftraten. Ich drehte meinen Kopf zurück. Aus dem nichts verschwand der fette Junge. Ohne, dass ich nur etwas damit zu tun haben schien, war Fat Albert verschwunden. Gut, ich habe es geschafft. Das schlimmste was mir je zustieß, war vorbei. Ich kam wieder aus meinem Bett hervor, unter welchen ich beinah schon mit den ganzen Körper gezogen wurde, machte sofort das Licht an und versuchte mich zu beruhigen. Dass, was mir soeben passierte, schien das heftigste gewesen zu sein, was mir je passieren würde. So hoffte ich. Ich widderhole, ich dachte das wäre tatsächlich das schlimmste was mir passierte und mir passieren wird. Das dachte ich. So dachte ich noch in diesem Moment.
Als ich mich jedoch in meinem Zimmer umsah, bemerkte ich erst, weshalb Fat Albert verschwand. Er verschwand, weil sich in einer Ecke des Zimmers etwas viel Heftigeres befand.
Du musste dir das folgendermaßen vorstellen. Nachdem ich zum Lichtschalter huschte, wischte ich mir meine Tränen aus den Augen und meinen Schweiß von der Stirn. Ich stand in einer der vier Ecken des Zimmer. Nachdem ich ohne Stress mein Gesicht reinigte, schwank ich meinen Kopf durch den Raum. Der erste Blick richtete sich an die Ecke links neben mir. Der zweite Blick an die Ecke schräg gegenüber von mir. Der dritte Blick an die Ecke direkt gegenüber von mir. In dieser Ecke stand er. Ich konnte ihn unmöglich übersehen. Ein fetter Clown, er war so fett wie Albert, stand mit trauriger Miene so lange dort, bis ich ihn erblickte. Als ich ihn seine schwarzen Augen sah, rannte er auf mich zu.
Der Clown sah nicht aus wie Pennywise, sondern eher wie einer der Killer Klowns from outer space. Wie gesagt, war er fett. Er trug ein hellgraues Kostüm mit dunkelroten Knöpfen aus Plüsch. Zwei harr fetzten, dunkelrot gefärbt, wie die Knopfe, kamen aus beiden Seiten auf Ohrenhöhe hervor. Oben hatte er eine Glatze. Sein Gesicht war weiß geschminkt. Sein breites rotes Grinsen ging abwärts was ihn traurig aussehen ließ. Seine Nase war groß und blutrot. Seine Augen waren schwarz. So weiß wie es Jimmys waren, waren seine schwarz. Es schien als hätte er keinerlei Emotionen. Mit seinen großen Händen und übergroßen roten Schuhe, lief er aber nun auf mich zu. Für diese paar feet brauchte er nur zwei Sprünge. Als er vor mir stand, hob er mich am Kragen meines T-Shirts hoch. Dieser Anblick. Ich sah ihn direkt in die Augen. Noch nie habe ich so etwas gruseliges gesehen. Das schwöre ich dir.
Meine Eltern betraten das Zimmer. Der Clown war aus dem nichts verschwunden. Alles was er hinterließ war Angst. Sie fragten mich, was der Lärm soll. Darauf ich meinte, dass ein Junge in meinen Zimmer wäre. Das geöffnete Fenster, welches direkt in den Garten führte ließ ihnen mir glauben schenken. Sofort riefen sie die Polizei. Ich wusste nicht was soeben passiert war. Was ich mir einbildete und was real war. Als die Polizei kam und mich befragte, erzählte ich nur von dem Jungen unter meinen Bett. Von dem Clown, welcher einfach nicht real sein konnte, erzählte ich kein Wort. Da die Polizisten jedoch keine Fußspuren im Garten fanden, obwohl er, laut meinen Angaben ziemlich fett war, ließ es sie glauben ich würde lügen. Sie gingen wieder mit der Begründung, ich hätte alles geträumt. Sie ließen an mir selbst zweifeln. Zwar fühlte sich alles so real und wirklich an, die Spuren, die meine Fingernägel im Holzboden hinterließen, waren schließlich tatsächlich da, doch es gab keine andere Möglichkeit, als dass ich das geträumt haben. Es musste ein schrecklicher Albtraum gewesen sein.
Meine Eltern waren zum Glück nicht sauer auf mich. Nachdem die Polizisten verschwanden, legte ich mich ins Bett und meine Eltern knipsten das Licht aus. Für eine Sekunde, bevor das Licht erlosch, blickte ich in jene Ecke, in der jenes Monster stand. Für diese eine Sekunde, konnte ich ihn sehen. Chuck stand dort und grinste mich an. Meine Eltern schlossen die Tür, ich sprang aus dem Bett und machte das Licht wieder an. Er war weg. Ich war mir sicher ich hätte mir ihn eingebildet, sei übermüdet und schlief, zwar sehr schwer aber letztendlich, ein.
An den nächsten Tag kannst du dich bestimmt noch gut erinnern. Man bezeichnete uns in der Schule als schwul, weil wir beide die Polizei riefen. Ich wette deine Geschichte ist auch spannend. Ich bin schon gespannt. Gut, nachdem die anderen uns auslachten und ich mich an meinen Platz saß, sah ich ihn erneut. Erneut sah ich Chuck in der Ecke des Raumes stehen. Dieses Mal ging er jedoch nicht so einfach weg. Er grinste mich den ganzen Schultag an. Jeden Klassenraum, den wir wechselten, wechselte er ebenfalls. Zwar versuchte ich ihn nicht zu beachten, doch das viel mir nicht leicht. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Erst als er mir auf dem Nachhause weg von der Schule noch immer folgte, sprach ich ihn an. Ich fragte was er wolle. Jedoch war alles was er sagte, dass er wieder mein Freund sein möchte und mir wieder auf Schritt und Tritt folgen würde. Das konnte ich jedoch nicht zulassen, ich musste etwas unternehmen. Als ob er meine Gedanken gelesen hätte sagte er folgende Worte zu mir: „Den letzten Freund denn du mir gegeben hast, mochte ich nicht. Du weißt, um mich loszuwerden musste du nur einen anderen Freund für mich finden.“
Wie gesagt, ich bin nicht schuld, dass du von diesem Jungen ebenfalls heimgesucht wirst.“
Ich merkte, dass Fred die Wahrheit sagen musste. Schließlich war Jimmys auftreten in meinem Zimmer der Grund, weshalb ich die Polizei reif. Also sah ich Jimmy, theoretisch, bevor ihn Fred wieder sah.
Fred erzählte jedenfalls weiter: „Mir war klar, dass das nicht funktionieren würde. Ich würde nur wieder jemanden niederschlagen, woanders hinziehen müssen und ein paar Tage später wieder J… Chuck an meiner Seite haben. Nein, ich musste was anderes unternehmen. Ich wartete einige Tage, mit Chuck an meiner Seite, ab, bis ich mir Rat suchte. Mir war sofort klar, dass mir nur einer helfen konnte. Ich suchte Rat bei Pfarrer Maximilian.
Jeden Sonntag gingen meine Eltern und ich in die Kirche. Es waren noch nicht viele Gottesdiente, welche ich von Pfarrer Maximilian erblicken konnte. Doch diejenigen, ließen einen guten Eindruck von sich geben. Ich denke ich brauche dir Pfarrer Maximilian nicht beschreiben. Du wirst ihn schließlich gut kennen.“, um ehrlich zu sein wusste ich nicht, wer genau der Pfarrer von unserer Kleinstadt war, ich besuchte kaum die Kirche, „Er war derjenige, bei dem ich das Gefühl hatte, er könnte mir helfen. Er musste mir helfen. Nach der Schule ging ich sofort zur Kirche, welche nicht weit von unserem Haus entfernt war. Zu meinem Glück befand sich Pfarrer Maximilian auch dort. Tatsächlich trug er sogar seinen Taler. Ich fragte ihn, ob wir reden konnten, und er ließ mich in seinen Büro platz nehmen. Schnell kam ich zu Wort. Erzählte ihn eine ähnliche Geschichte, die ich dir auch gerade erzähle. Schlussendlich fragte ich, um eine Möglichkeit den Jungen loszuwerden. Darauf meinte er, ob Chuck gerade anwesend sei. Ich bejahte. Daraufhin sah er etwas ermüdet aus, schnaufte einmal und sagte: „Gut mein Sohn, wie es aussieht kann dir dort nur noch ein Exorzismus helfen.“
Hunderte Gedanken gingen mir durch den Kopf. Auf keinen Fall wollte ich, dass ein Exorzismus an mir durchgeführt wird, ich meine, hast du nicht den Film Der Exorzist gesehen? Ich versuchte Pfarre Maximilian zu erklären, dass ich auf gar keinen Fall dort mitmachen würde. Er jedoch dementierte, dass dies tatsächlich die einzige Möglichkeit wäre. Chuck würde in Form eines Demons, welcher mich heimsuchte, da ich gewisse Dinge tat, stets an meiner Seite sein. Er wäre schon ein Teil von mir, welches mich schlechte Dinge machen ließe. Gut, schlussendlich schaffte er es, mir einzureden, dass ich diesen Prozess durchführen müsste.
Er erklärte mir, wie das ganze ablaufen sollte. Ich würde von ihm einen speziell angefertigtes Trank bekommen, welcher mich in einen bestimmten Schlaf fallen lässt. Nach unbestimmter Zeit würde ich wieder aufwachen. Während ich schlafe, würde er den Prozess durchführen und ich würde von Chuck nichts mehr hören, sobald ich wieder aufwache. Zwar lief der Exorzismus im Film ganz anders ab, ich benahm ich auch nicht so wie die kleine McNeil, doch irgendwie klang das was er machen würde auch logisch. Ich vertraute ihm also. Als ich fragte, wann es los gehen würde, meinte Pfarrer Maximilian, dass er sofort beginnen würde. Obwohl ich am nächsten Tag Schule hatte, war ich einverstanden und konnte es kaum abwarten endlich Chuck aus mir zu entfernen. Ich wurde auf eine Liege gelegt, welche im Zentrum der Kirche stand. Ein weißes Tuch überdeckte meinen Körper, welcher bis auf meine Unterhose nackig war. Pfarrer Maximilian gab mir einen Trank aus einem goldenen Pokal. Gleich nachdem ich daraus trank, es schmeckte scheußlich, schlief ich ein.
Ja, gut, ich merke es ja selber. Das klingt wirklich so, als hätte mich Pfarrer Maximilian vergewaltigt. Es gibt ja ne menge Beschwerden an die Kirche, welche eben jenes Thema behandeln. Aber Pfarrer Maximilian hat mich garantiert nicht vergewaltigt, das schwöre ich dir. Das ist so sicher, wie das Amen im Gebet.
Gut, nach einiger Zeit wachte ich auf. Damit meine ich nicht, nach einigen Stunden, nein, tatsächlich wachte ich nach etwa drei Tagen, drei fucking Tagen erst wieder auf. Was habe ich in dieser Zeit gegessen und getrunken? Wie ging ich in dieser Zeit zur Toilette? Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung. Ich habe keinen blassen Schimmer. Als ich aufwachte, es war dunkel, war ich alleine in der Kirche. Mir war kalt, ich suchte nach meinen Anziehsachen. Daraufhin suchte ich nach Pfarrer Maximilian. Er war nicht auffindbar. Ich hatte keine Ahnung, wo er war. Ich war ganz alleine. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie lange ich schlief. Ich dachte eben, es wäre höchstens eine oder zwei Stunden gewesen. Ohne, dass ich Chuck an meiner Seite sah, ging ich nachhause. Meine Eltern erwarteten mich bereits. Sie fragte zuerst, warum ich so lange fort war. Darauf meinten sie, dass sie bereits wüssten, was ich mit Pfarrer Maximilian tat. Ich war etwas verwundert, dass Pfarrer Maximilian ihnen anscheinend alles über den Exorzismus erzählte. Auch ihre Reaktionen darauf, ließen mich grübeln. Dennoch hinterfragte ich nichts. Noch immer war ich neben der Spur und fühlte mich so, als hätte ich drei Tage durchgeschlafen. Ich ging in mein Zimmer, machte die Klotze an und zippte durch die Programme. Als ich zufällig bei den Nachrichten hängen blieb und erkannte, welches Datum wir hatten, traf mich der Schock. Erst in diesem Moment realisierte ich, dass ich so lange aus war. Nun gingen mir erst recht hunderte Fragen durch den Kopf. Vor allem jedoch fragte ich mich, was Pfarrer Maximilian meinen Eltern erzählt haben musste, was einen dreitägigen Aufenthalt bei ihm gerechtfertigt hätte. Meine Eltern wollte ich nicht fragen. Schlecht hätte ich fragen können: „Hey, was genau sagte eigentlich der Pfarrer, was ich mit ihm getrieben hätte?“ Zu schwer hätte ich mich dabei wieder herausreden können.
Somit wartete ich auf den nächsten Gottesdienst welchen Pfarrer Maximilian zum Glück abhielt. Um ehrlich zu sein hätte es mich nicht gewundert, wäre Pfarrer Maximilian plötzlich aus der Stadt verschwunden. Nach dem Gottesdienst suchte ich mit ihm das Wort. Ich fragte, was genau vorgefallen war. Was er meinen Eltern erzählt habe. Alles was er jedoch sagte war: „Ist der Junge weg? Siehst du, mehr musst du nicht wissen.“
Er hatte recht. Chuck belästigte mich nicht mehr. Der Exorzismus, oder das was er auch immer abhielt, war erfolgreich gewesen. Der Rest musste mir egal sein.
Gut, ich dachte ich hätte es nun endlich geschafft. Zwar kam ich bereits des Öfteren zu genau diesem Punkt, doch dieses Mal hatte ich das Gefühl ich wäre erfolgreich gewesen, ich hätte Chuck endlich besiegt. Naja, dann jedoch kamst du.
Die Tage darauf beobachtete ich dich ein wenig. Na gut, als mir auffiel, wie du dich in der Schule seltsam benahmst, mit Geistern sprachst, spionierte ich dir nach. Sei mir nicht böse Johnny, doch ich hoffte einfach du seist verrückt oder so. Vom Gegenteil wurde ich jedoch erst überzeugt, als du dich im Wald mit Chuck, oder auch Jimmy, strittest. Mir rutschte das Herz in die Hose. Ich glaubte so fest daran, es sei vorbei, doch ich musste feststellen, er ist noch immer unter uns. Als du einige Tage darauf in das Haus von Ms. Sawjer gegangen bist, wartete ich zwar einige Zeit, doch schlussendlich folgte ich dir. Ich killte die Frau und nun sitz ich hier und erzähle, oder erzählte dir alles. Denn nun bin ich fertig mit meiner Geschichte.“, sprach Fred. Im selben Moment erlisch die Flamme des Feuerzeuges. Als ob es nur darauf gewartet hätte, Freds Geschichte zu Ende zu hören. Fred knipste es wieder an. Bis zu diesem Zeitpunkt hörte ich ihn gespannt zu. Als er mich jedoch bat, meine Geschichte zu erzählen, war ich mit meinen Gedanken wo anders. Ich hatte noch viele Fragen, wusste jedoch nicht welche ich zuerst stellen sollte. Erneut bat mich Fred meine Geschichte zu erzählen. Diesmal nahm ich seine bitte wahr. Ich meinte, es sei schon zu spät und wir sollten nachhause gehen, doch er beharrte darauf. Ich ließ nicht auf mich warten und fasste alles, was mir passierte grob zusammen. Am Ende sprach ich etwa fünf Minuten. Als ich zu Ende erzählte nickte Fred mit dem Kopf. Ich ahnte schon, was ihn durch die Gedanken ging. Ich fragte ihn: „Fred, ganz ehrlich. Was zur Hölle sollten wir unternehmen?“
Fred meinte: „Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung.“
Ich war verwundert. Mit solch einer Antwort hatte ich gar nicht gerechnet. Ich glaubte fest daran, Fred würde mir einreden, ebenfalls einen Exorzismus durchführen zu lassen, da dieser bei ihm ja geklappt hatte.
Erneut fragte ich nach und meinte: „Fred, guck mir tief in die Augen. Sag mir was ich machen sollte.“
Fred sah mich nun schockiert an. Ich wollte es unbedingt hören. Ich wollte, dass er mir befiehlt, einen Exorzismus durchführen zu lassen. Ich wollte unbedingt darauf nein sagen. Sagen, dass ich nicht religiös bin und nichts davon halte.
Erneut meinte Fred, er wüsste keinen Ausweg. Es war eine seltsame Situation. Ich wollte unbedingt aus seinem Mund Worte hören, welche ich zuvor gar nicht hören wollte.
„Fred, warum kommt bei mir kein Exorzismus in Frage?“, fragte ich ihn langsam.
Mit weit geöffneten Augen blickte er wieder zu mir. Erst in diesem Moment bemerkte ich, dass er nicht mich, sondern hinter mich blickte.
„Es hat nicht geklappt. Während du deine Geschichte erzählt hast, tauchte er hinter dir auf. Er lächelt mich an.
Ich blickte hinter mir. Im selben Moment ging das Feuer aus. Schnell nahm Fred das Feuerzeug und knippst es wieder an. Hinter mir wahr niemand, jedenfalls sah ich niemanden.
„Er ist weg.“, sagte ich und blickte wieder nach vorne.
Freds Augen öffneten sich jedoch weiter. Er sagte: „Nein, Johnny er ist hinter dir und blickt mit seinen Kopf über deine Schultern.“
Erneut drehte ich mich zur Seite doch sah Jimmy nicht. Jimmy war mir in diesem Moment übrigens egal. Viel mehr interessierte es mich, weshalb Fred so schockiert war, schließlich war es nicht das erste Mal, dass er ihn sah. Eine einzelne Träne kam aus Freds Augen, floss die Wange hinab.
„Weißt du John. Ich dachte ich hätte es geschafft. ich dachte ich sei ihn losgeworden. Doch nun ist er wieder da. Er ist hier. Ich weiß nicht was ich tun sollte.“, sprach er mit, in seinen Verhältnissen, heller Stimme.
Ich hielte es nicht mehr aus. Eine seltsame, unangenehme Stimmung kam auf. Es war Fred, welcher durchzudrehen schien. Jimmy, der zwar anwesend war, doch nicht sichtbar. Der Wind, welcher durch die Löcher des Holzes blies. Das kleine Licht, welches nicht einmal das kleine Baumhaus erhellte.
„Wir werden ihn töten.“, sprach ich zu Fred. Verwundert sah er mich an. Anscheinend rechnete er nicht, dass ich einen Plan fassen würde. Ganz ehrlich, ich hatte überhaupt keinen Plan. Alles, was ich die darauffolgenden Minuten sagte, improvisierte ich.
Ich meinte: „Ich habe Jimmy schon oft genug zusammen geschlagen. Meistens zeigte er darauf aber keine Reaktionen wie Verletzungen oder Schmerzen. Du hast es mit der Kirche versucht. Auch dass, scheint nicht geklappt zu haben. Dieser Junge ist kein Geist und auch nicht echt. Auch ist er keine Illusion, ein Gedankenspiel, wie ich bereits feststellen musste. Diesen Jungen kann man anscheinend nicht töten. Doch einen Vorteil haben wir ihm gegenüber. Wir sind zu zweit. Wir beide scheinen schon alles versucht zu haben, doch jeweils alleine. Wir werden ihn töten, in dem wir, zwei wahre Freunde, gegen ihn antreten. Wir…“, Fred unterbrach mich, indem er sein Feuerzeug zuklappte und somit die Flame erlosch. Er stand mit gesenkten Kopf auf und sagte: „Es ist schon spät, ich werde nachhause gehen. Er kletterte vom Baum und ließ mich alleine. Nur schwer konnte ich seinen Schatten sehen, welcher im dunklen Walde verschwand.
„Ich werde mir etwas einfallen lassen!“, schrie ich ihm hinterher.
In diesem Moment fühlte ich Glückgefühle, obwohl ich mich in einer Lage befand, in der ich solche nicht fühlen hätte dürfen. Mein neuer Freund ließ mich gerade allein. Er war verstört und deprimiert da er einen Jungen sah, welcher noch in meiner nähe sein musste. Ich hingegen war nun ganz alleine im finsterem, kalten Wald. Nach ein paar Minuten kletterte ich ebenfalls vom Baumhaus und stieg auf mein Bike. Leider hatte es keine Lampe doch mithilfe des Mondes fand ich mehr oder weniger wieder in die Zivilisation zurück.
Als ich erschöpft nachhause kam, es war ein anstrengender Tag, ging ich in die Küche, um mir was zum Essen zu holen. Der Kühlschrank jedoch war leer. Meine Mom und Steve waren ebenfalls nicht zuhause. Es war zu spät, sodass der Supermarkt in der Nähe bereits geschlossen hatte. Jedoch hatte ich großen Hunger, schließlich aß ich den ganzen Tag über nichts. Auch wenn ich wusste, dass der Weg weit war, jedoch vom Gedanken auf Essen überzeugt wurde, beschloss ich im Dunkeln zum 24/7 Store zu fahren. Ich dachte Steve hätte keine Schicht und sei mit meiner Mom aus, zum Beispiel in einem Restaurant. Ich schnappte mir meinen Rucksack, zehn Dollar und machte mich auf meinen Bike auf dem Weg. Vor der Dunkelheit hatte ich noch nie Angst. Auch, dass ich Jimmy begegnen würde, hielt ich für unwahrscheinlich. Nur Jugendliche, wie Pete und Kliff machten mir Sorgen. Was soll ich sagen, der Hunger war einfach zu groß. Nach etwa zwanzig Minuten erreichte ich den 24/7 Store. Mich wunderte es nicht, dass kein einziges Auto am Parkplatz stand. Normalerweise stehen solche Stores zentral, wo viele Leute vorbeikommen. Doch der 24/7 Store unserer Stadt stand, wie ich bereits erwähnte am Ende der Stadt an einem Hügel. Dort kommt normallerweise niemand einfach so vorbei. Blöd für mich.
Noch erschöpfter als zuvor kam ich am Store an. Ich betrat ihn, fand jedoch keinen Mitarbeiter, beziehungsweise den einzigen Mitarbeiter, es gibt nur einen pro Schicht, auf. In meinen Rucksack packte ich mir Chips, Hot Dog Würstchen und eine Tiefkühlpizza, habe ich schon erwähnt, dass ich großen Hunger hatte, ein. Schon als ich zur Kasse ging, bemerkte ich einen modrigen Geruch. Er ähnelte den, von dem Haus von Ms. Sawjer.
Ich hörte Geräusche aus dem Lager, welches sich hinter der Kasse befand. Ich rief, ob jemand hier sei. Die Geräusche verstummten. Eine Stimme rief: „Ich komme ja gleich.“, im aggressiven Ton. Sofort bemerkte ich, dass es Steves Stimme war.
Am besten wäre gewesen, ich wäre sofort gegangen. Stattdessen rief ich: „Steve, bist du es? Ich bin´s John.“
Das nächste was passierte war, dass Steve aus dem Lager nach vorne sprintete und über die Kassendecke auf mich hüpfte. Es sah aus wie in einem Cartoon, beinah komisch. Was jedoch nicht komisch war, war, dass Steve mit Blut besudelt zu sein schien, so wie es Fred Tage zuvor war, und „Endlich werde ich dich töten du Missgeburt“, schrie als er auf mich zusprang. Es wurde dunkel.
Als ich wieder aufwachte, fand ich mich in jener Situation vor, in der ich mich nur ein paar Tage zuvor befand. Gefangen von einem verrückten. Eine meiner Hände wurde mit Kabelbindern an den Heizkörper vom Lager gefesselt. Jenes Lager hinter der Kasse aus dem Steve kam und mich ansprang. Um meinen Kopf war Klebeband gewickelt, was einen Aufschrei unmöglich machte. Wie gesagt, die Ähnlichkeiten zu meinem Aufenthalt bei Ms. Sawjer waren verblüffend.
Ich sah einen Schatten näher kommen. Sofort schloss ich meine Augen. An seinen Schritten konnte ich genau hören, dass es Steve war, welcher auf mich zu kam. Er kniete sich zu mir nieder und gab mir eine Backpfeife. Sofort öffnete ich meine Augen, unbewusst. Er lächelte mich schelmisch an. Ich merkte, wie viel Freude er in diesem Moment verspürte.
Verwirrt hingegen, blickte ich zurück. Ganz ehrlich, ich hatte keine Angst. In diesem Moment fühlte ich keinerlei Sorge um mein Leben. In den letzten Tagen passierte viel Schlimmeres. Dass mich Steve fesselte und in mich einprügelte, war nichts dagegen. Doch dann, fiel mir das Blut ein. Das Blut, welches er zuvor am Körper trug und nun verschwunden war. Er hatte sich umgezogen. Statt seinen blauen Polo- Shirt, welches als Arbeitskleidung fungierte, trug er seine privat Kleidung.
Mit stöhnen, machte ich darauf aufmerksam, dass er mir das verdammte Klebeband von meinem Kopf wickeln sollte. Genauso wie ich es bei der Alten tat.
Steve lachte mich aus, haute mir mehrmals leicht auf die Backe und sagte: „Du kleiner Dreckssack. Endlich habe ich dich dort, wo ich dich haben wollte. Du hast doch keine Ahnung, welchen Hass ich auf dich habe.“, dies konnte ich nur wiedergeben, „Endlich ist es so weit . Endlich kann ich das verüben, was ich schon die ganze Zeit vor hatte. Ich werde dich töten, Johnny. Ich werde dich töten und deine Eingeweide herausholen. Deine beschissene Mutter werde ich darauf ebenfalls zu tote ficken. Du hast keine Ahnung wie ich das genießen werde.“ Genau das waren seine Worte. Noch immer nahm ich seine Worte nicht ernst. Die ganze Situation nahm ich auf die leichte Schulter. Steve war nicht dumm, das wusste ich. Ich wusste, er würde niemals riskieren ins Gefängnis zu kommen.
All meine Annahmen wurden jedoch entkräftigt, als er das Licht anmachte. Das kleine Lager wurde nämlich nur durch die offene Tür vom Verkaufsbereich des Shops beleuchtet. Das Licht war aus. Steve stand auf und zog an einer Schnur, die von der Decke hing. Das Licht ging an. Ich sah zu Boden und erstarrte. Direkt neben mir, lag Pete, genau, der Schläger, blutüberströmt am Boden. Ohne Zweifel, er war Tod. Steve hatte bereits jemanden umgebracht und so wie er mich anstarrte, als ich die Leiche entdeckte, Schreckte er offensichtlich nicht zurück, mich ebenfalls zu töten. Falsch, so wie er mich anstarrte freute er sich anscheinend schon darauf.
Mit aller Kraft versuchte ich meine Hand vom Heizkörper zu lösen. Mit Erfolg. Weder Steve noch ich hatten gerechnet, dass das so leicht zu gehen schien. Ein paar Kabelbinder ist wohl nicht ausreichend, um jemanden zu fesseln. So dumm wie ich war, löste ich mich jedoch vor Steve. Ich hatte nicht einmal Zeit aufzustehen, schon zückte er das Messer und legte es an meine Kelle. Das schien es gewesen zu sein. Noch vor drei Minuten dachte ich, ich hätte alles unter Kontrolle, doch nun schien ich den Tode so nah wie noch nie. Steve musste nur das Messer fester ansetzten und zur Seite ziehen. Doch er tat es nicht. Es war beinah so, wie wenn ein Bösewicht den Helden seinen Plan ausgiebig erklärte, um dann in letzter Sekunde gefasst zu werden. Genauso zögerte Steve so lange bis die Glocke läutete, welche über der Eingangstür hang. Jemand betrat den 24/7 Store. Steve zuckte zurück, schob das Messer wieder ein und schmiss die Tür des Lager hinter mir zu. Ja, er schloss sie nicht sondern schmiss sie nur zu. Ich stand auf, hätte nur hinausrennen müssen und den Kunden, welcher soeben den Store betrat, um Hilfe bitten müssen. Ich tat es jedoch nicht.
Hinter der Kassa, also nur ein paar feet vor mir, hörte ich Steve mit freundlicher Stimme einen schönen Abend wünschen. Eine Frau antwortete mit „Gleichfalls“. Mir war bewusst, würde ich nun aus dem Lager laufen, würde ich die Frau in Gefahr bringen. In dieser Situation dachte ich rational. Denn ich stand nicht ohne Plan dort.
Vor der Tür, welche nach außen aufging, Positionierte ich mich. Gespannt stand ich dort, wartete darauf, dass Steve die Tür öffnete, um ihn in die Eier zu treten. Erst dann wollte ich weglaufen. Während ich wartete, versuchte ich das Klebeband von meinem Kopf zu wickeln. Es tat genauso weh, wie schon bei Ms. Sawjer, nur dass es mir damals Fred runter riss und ich schreien konnte. Ich war zu Schmerzempfindlich, um es wortlos abzuwickeln. Um wirklich nicht auf mich aufmerksam zu machen, ließ ich es und wollte warten, bis alles geregelt war. Schließlich würde ich meinen Mund nicht benötigen, wenn ich Steve fertig mache. Erneut nahm die ganze Situation
auf die leichte Schulter. Ich dachte dieses Mal wirklich ich hätte alles unter Kontrolle. Ich unterschätzte Steve.
Startbereit stand ich auf meinen Platz. Meine Hände formte ich zu Fäusten. Ich war bereit.
Nach etwa zehn Minuten hörte ich den Scanner, Steve sagen „Das macht so und so viel“ und „Beehren sie uns bald wieder“. Die Glocke läutete erneut. Die Kundin schien den Store verlassen zu haben. Danach war es still. Von draußen hörte ich keinen Mucks mehr. Es war so, als sei Steve abgehauen. Alles sagte in mir, ich sollte warten bis sich die Türe öffnet, doch diese Stille machte mich verrückt. Ich selbst legte Hand am Knauf an und öffnete mit Schwung die Tür. Alles was ich darauf spürte war ein Tritt in den Magen. Steve hatte nur darauf geantwortet. Nun hatte er mich an den Eiern. Erneut unterschätzte ich diesen Mistkerl.
Am Boden lag ich. Hatte Bauchschmerzen, Rückenschmerzen und Kopfschmerzen. Ich lag neben einer Leiche, ja, direkt neben ihr. Obwohl Pete noch nicht lange Tod zu sein schien, roch er schon ein wenig. Es roch nach verdorbenen Fleisch. Über mir befand sich ein Psychopath, welcher gerade sein Messer zuckte, um mich ebenfalls dazu bringen, nach verdorbenen Fleisch zu riechen, so wie es bei Ms. Sawjer roch, mochte ich auf keinen Fall riechen. Und hinter diesen Mistkerl stand ein kleiner Junge, grinsend. Ich war schockiert als ich Jimmy sah.
Er grinste mich an. Dennoch sah er nicht gerade erfreut aus, mich wieder zu sehen. Er sah wütend aus. Dieser Junge jedoch, war womöglich meine letzte Hoffnung.
Ich nuschelte seinen Namen vor mich hin. Steve jedoch nahm meine Worte nicht wahr. Erst als ich sagte: „Jimmy, bitte hilf mir.“, ich war den Tränen nahe, bemerkte Steve meine Worte.
„Niemand wird dir helfen.“, sprach er im abartigen Ton. Noch immer war ich geschockt, doch nicht, wie Steve wohl denken mochte, wegen ihm, sondern wegen diesen kleinen Jungen. Weshalb tauchte er gerade jetzt auf? Wollte er sich noch von mir verabschieden, bevor ich getötet werde?
Es war still. Steve starrte mich wortlos an, Jimmy starrte mich wortlos an. Durch meinen Kopf flossen tausende von Gedanken. Ich musste einen klaren Kopf fassen. Benötigte nun meinen Verstand.
„Willst du nun mein Freund sein?“, fragte mich Jimmy. Er unterbrach die Stille was mich kurzzeitig aufschrecken ließ.
„Ja verdammte Scheiße. Wenn du mir hilfst, lutsche ich sogar deine Eier.“, sprach ich. Ich sagte das laut und hatte keine Ahnung weshalb.
„Du Schwuchtel lutscht sie mir also tatsächlich.“, sagte Steve im perversen Ton und lachte. Er öffnete seinen Gürtel und den Knopf der Hose. Dieses Perverse Schwein wollte tatsächlich einen geblasen bekommen, bevor ich starb. Wie ich ihn in diesem Moment hasste. Wut schoss hervor. Ich schrie und sprang auf, auf Steve zu. Jedoch war er stärker. Aus irgendwelchen Gründen ließ er das Messer fallen, griff mit seinen Armen nach mir und zog mich aus dem Lager, in den Store, wo er mich mit voller Kraft zu Boden schmiss. Ich konnte Knochen brechen hören. Am Ende, das verrate ich, hatte ich zwar bis auf Rückenschmerzen keine anderen Schäden, dennoch fühlte es sich in diesem Moment so an, als könnte ich nie wieder aufstehen.
Nun lag ich dort, hilflos, wie ein Baby. Steve ging zur Eingangstür, welche er mittels Pin-Code verschloss. Daraufhin zog er die Rollläden an allen Fenstern herunter. Ich wusste nicht einmal, dass ein 24/7 Store solche besaß, schließlich schloss er nie. Das sagt ja schon der Name aus
„Nun sind wir ungestört.“, sprach Steve.
Ich blickte zu ihm, er ging auf mich zu. Noch immer konnte ich mich nicht bewegen. Plötzlich kam Jimmy hervor. Er stellte sich vor ihm, um mich zu schützen. Mit ausgestreckten Armen versperrte er Steve den Weg. Er wirket mutig. Es wirkte so, als würde er mein Leben mit seinem Verteidigen.
Steve würde jeden Moment mit Jimmy kollidieren, doch…
Als ob er nicht da wäre, ging Steve durch Jimmy hindurch. Es war so, als wäre er ein Geist. Eine Einbildung. Er war jedenfalls in diesem Moment nicht existent. Meine Einzige Hoffnung existierte nicht.
„RingRingRing“
Sowohl Steve als auch ich erschraken, als das Telefon läutete. Genervt stöhnte Steve auf und fragte sich selbst, was nun schon wieder los sei. Zu meiner Verwunderung ging Steve zum Telefon und hebte ab. Ich habe keine Ahnung, weshalb er das tat, doch das war meine Rettung.
„Guten Abend.“, sprach er als er den Hörer am Ohr hielt. Normalerweise sagte man den Namen des Geschäftes und danach mit wem man sprach, doch Steve sagte nur „Guten Abend“.
„Ja, schönen Guten Abend. Spreche ich mit den Stiefvater von John Myers?“, fragte eine Frauenstimme
Steves Augen wurden größer, meine ebenfalls. Aus irgendeinen Grund war der Lautsprecher an.
Steve grinste mich an und sagte: „Ja, genau, der bin ich. Was hat er den angestellt?“
„Tut mir leid dass ich Sie anrufe, doch zuhause bei Ihnen ging niemand ran. John ist nicht zufällig bei Ihnen?“, fragte die Frau am anderen Ende der Leitung.
Nun fiel mir wieder ein, dass meine Mom nicht zuhause war. Ich hatte große Sorgen, ihr wäre etwas zugestoßen. Steve hätte etwas angestellt.
„Nein tut mir leid, er ist nicht hier. Sollte ich ihn vielleicht etwas ausrichten.“, meinte Steve.
„Bitte helfen Sie mir! Ich bin in Gefahr! Der Kerl will mich umbringen!“, schrie ich im Hintergrund. Steve legte den Hörer zur Seite, nicht auf, und trat mir ins Gesicht. Nebenbei sagte er zu mir ich soll die Schnauze halten.
„John, falls du mich hörst, es tut mir leid. Hier spricht Dr. Judith. Ich möchte dich nochmal treffen und mehr über den kleinen Jungen mit blonden Haar und leeren Augen erfahren. Ich habe dir nicht die Wahrheit erzählt. Vielleicht kann ich dir doch helfen.“, sprach sie.
In diesem Moment hatte ich keine Ahnung, wovon sie sprach. Es verwirrte mich. Ich blickte Jimmy in die Augen, er wirkte ebenfalls verwirrt.
„Sie sind doch verrückt.“, meinte Steve.
„John, hör mir zu. Du musst überleben. Es klingt vielleicht verrückt, das sage ich als Psychiaterin, aber dieser Junge, es wäre möglich, dass dieser Junge das Ende der Welt…“
Steve legte den Hörer auf und grinste. Er drehte sich zu mir, doch bekam sein eigenes Messer zu spüren.
Was Steve nämlich nicht bemerkte war, als Dr. Judith meinte, ich solle überleben, Jimmy mir die Hand reichte, mir aufhalf und mir Steves Messer gab. Ich rannte wortlos auf ihn zu und stach in seinen Magen. Steve schrie auf. Ich zog das Messer aus dem Bauch und schlitzte ihn die Kehle auf. So, wie es angeblich Fred bei seiner Lehrerin getan hatte. Steve hielt seine Hand am Hals, Blut schoss hervor. Ich ging so weit wie möglich von ihm weg, um nicht ebenfalls blutig zu werden.
Jimmy gab ihn wortwörtlich den letzten Gnadenstoß. Noch konnte sich Steve gerade so auf den Beinen halten, blickte mich voller Zorn an, doch als Jimmy, der kleine Junge durch dem Steve zuvor noch durchging, ihn nur leicht schupfte, fiel er zu Boden. Nun kam kein Mucks mehr von ihm. Ich habe es geschafft und ihn getötet.
Nein, ich wurde zum Mörder, machte mich strafbar. Laut schrie ich. Es waren Schreie der Angst und Verzweiflung. Ich war am Durchdrehen.
Währenddessen machte Jimmy die Rollläden auf, womit mich jeder gesehen hätte, wäre jemand vor dem Laden gestanden.
Ich schrie mehrmals „Scheiße“ und rannte im Kreis. Eine kleine Hand berührte meine Schultern. Gerade so kam Jimmy mit seiner Hand so hoch.
„Du hast es geschafft, John.“, meinte er.
Ich schrie ihn an: „Ich habe jemanden umgebracht? Was soll ich nun machen!“
„Scheiß auf ihn.“; meinte Jimmy hingegen.
„Verstehst du mich, sie werden mich verhaften. Es ist alles auf Kamera.“, meinte ich nervös.
„Keine Kamera.“, sagte Jimmy.
Ich sah mich um. Er hatte recht. Ich konnte keine einzige Kamera vorfinden.
„Gehen wir:“, sprach er und öffnete die Tür welche eigentlich verschlossen sein sollte.
Ich ging aus dem Store und blickte noch ein letztes Mal zurück. Von außen konnte man Steve tatsächlich am Boden liegen sehen. Auch konnte ich sehen wie Jimmy sich über ihn beugte, daraufhin seine Hose runter ließ und tatsächlich auf ihn schiss. Es war jene Aktion, die man wohl von einem kleinen Jungen erwarten konnte. Als ich ihn dabei zusah, zweifelte ich daran, ob ich wirklich meinen Freund umbringen sollte. Ja, Jimmy musste leben.
Völlig verstört sah ich ihn zu, wie er sein Geschäft verrichtete. Als er damit fertig war, kam er zu mir raus. Ich stieg auf mein Bike und fuhr langsam den Hügel hinab. Ich war erschöpft, konnte nicht klar denken. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit nachhause kam, legte ich mich in mein Bett und heulte. Jimmy war die ganze Zeit an meiner Seite. Er war für mich da.
„Was soll ich nun machen?“, fragte ich ihn.
Erwachsen antwortete er mir: „Alles wird gut John. Niemand wird wissen, dass du ihn getötet hast“
Ich konnte ihn nicht glauben. Es schien mir unmöglich, ohne jeglicher Strafe davon zu kommen. Es musste Konsequenzen geben.
Ich lag etwa eine Stunde im Bett, vielleicht waren es auch zwei, bis es klingelte. Mir war schon klar, wer vor der Tür stand und deshalb wollte ich sie auch nicht öffnen. Jedoch tat meine Mom dies. Dass sie zuhause war und wann sie nachhause kam, wusste ich nicht. Ich war nur froh, dass sie noch lebte.
Die restliche Nacht konnte ich kein Auge zudrücken, nicht mein Sondern das Schluchzen meiner Mutter raubte mir den Schlaf. Ja, als ich so im Bett lag, fühlte ich nur Schmerz und Trauer, was nicht besser wurde als Jimmy zu mir meinte ich könnte Fred nicht vertrauen. Fred hätte alles was er mir erzählte gelogen. Er hätte nicht seiner Lehrerin umgebracht. Alles sei nur eine Lüge.
Dies wollte er mir auch am nächsten Tag beweisen.
Als die Sonne aufging, machte ich mich sofort auf dem Weg zur Bibliothek. Ich suchte im Internet und in den Zeitungen von Sterling, wo Fred angeblich sein Attentat verübt haben sollte. Hätte ein kleiner Junge seine Lehrerin ermordet, hätte das zu 100 Prozent irgendwo geschrieben sein müssen. Jimmy hatte recht, Fred log. Das war ein Schlag mitten ins Gesicht. Ich hatte das Gefühl, ich hätte ihn trauen können. Ich dachte wir wären Freunde. Obwohl ich ihn noch nicht so gut kannte, spürte ich, dass wir auf irgendeine Weiße verbunden waren. Als ich beschloss, Jimmy nicht zu töten, überlegte ich, wie ich Fred das sagen könnte, doch nun wollte ich mit ihm nicht mehr reden. Dieser Drecksack hat mich ausgenutzt. Ich war wütend, so wütend, dass ich etwas sagte, was ich lieber nicht sagen hätte sollen.
„Jimmy, du meintest doch, um dein Böses- ich zu töten, müssen wir Fred töten?“
Jimmy war über meinen plötzlichen Meinungswechsel verwundert doch bejahte. Daraufhin sagte ich nichts mehr.
Des Öfteren fragte mich Jimmy, was ich nun vorhätte. Ich merkte, dass er darüber glücklich war, dass ich auf Fred wütend war. So wütend, dass ich sogar darüber nachdachte, ihn zu töten.
Am nächsten Tag musste ich Fred wohl oder übel wieder sehen. Es war Montag. Dass Steve getötet wurde, sprach sich schnell herum. Ich nehme schon mal so viel vorweg, auch Ms. Sawjer wurde nur einige Tage später gefunden. Von welchen Tot jedoch nie die Rede war, war der von Pete. Ich fragte mich, ob ich mir vielleicht seine Leiche nur einbildete. An ein Treffen der beiden Schläger nach dem Vorfall, kann ich mich jedoch nicht erinnern. Sie vermuteten dass Fred hinter Steves Tod steckte und als sie gefunden wurde auch hinter dem von Ms. Sawjer. Naja, mit einem di4eser Tode hatten sie recht.
Da mein Stiefvater getötet wurde, ließen sie mich an diesem Tag in Ruhe. Auch Fred sprach bis zur Pause kein Wort mit mir. Er winkte mir lediglich zu, als er den Klassenraum betrat. So schockiert wie er mich zwei Tage zuvor verließ, wirkte er nicht mehr. In der Pause setzte er sich zu mir und wir redeten.
„Du hast ihn gekillt, stimmts?“, fragte er mich stolz.
„Nein, das geht dich nichts an.“; sagte ich gefühlslos.
„War es etwa Chuck? Alter John du bist mein Freund du kannst mir alles erzählen.“, meinte Fred.
„Ich sagte doch schon, ich habe damit nichts zu tun.“, schnauzte ich ihn an.
„Alles okay bei dir? Bist du mir etwa wütend weil ich dich Freitag alleine gelassen habe. Hör zu John, es tut mir leid, aber ich war einfach deprimiert.“
„Fred, las mich einfach in Ruhe.“
„Komm schon, alter. Was ist den los, ich merke, dir geht’s nicht gut.“
„Du weißt nicht, wie es mir geht.“
„Ich nehme mal an du hast noch nicht herausgefunden, wie man diesen Dreckskerl besiegt? Dabei hast du am Samstag so geprallt.“
„Ich möchte Jimmy nicht umbringen.“
„Was?! Was hat er dir gesagt, nein weißt du was, wir bereden das heute im Baumhaus. Hier in der Schule ist nicht der richtige Ort.“, sagte er und verschwand.“
Während er den Dialog Dr. Phillips wiedergab, änderte er seine Stimmlage, wenn er für Freds Part übernahm. Es wirkte sehr seltsam, wie er sprach. Obwohl John schon öfters betonte, Fred hätte eine tiefe Stimme gehabt, verstellte er seine Stimme höher, was abnormal klang.
„Ich versuchte an diesem Tag Fred nicht mehr in die Augen zu blicken. Denn ihn im Baumhaus zu treffen hatte ich nicht vor. Am nächsten Morgen kam er zu mir, und stellte mich zur Rede. Er fragte mich, was Jimmy mir einredete. Alles was ich darauf sagte war, dass ich nicht mehr sein Freund sein möchte. Daraufhin ließ er mich in Ruhe. Ich hätte es aber besser wissen sollen. Fred war nicht der Typ der einfach so aufgab. Mir war klar, dass er mich aufsuchen würde. Genauso war es auch. Am Nachmittag fuhr ich mit Jimmy in den Sattler Forest, zum Baumhaus. Obwohl ich es wissen hätte sollen, erschrak ich, als ich Fred dort vor fand. Ich wollte wieder aus dem Wald, doch Fred zog mich in das Baumhaus. Wütend meinte er: „Alter John, was ist passiert. Bitte du musst mir es erzählen. Wir müssen diesen Jungen töten und ohne dich schaffe ich es nicht.“
„Fred, du hast mich belogen. Ich habe dir vertraut. Du bist nicht besser als die anderen.“, sagte ich. Vielleicht können Sie das nicht verstehen, doch dass mich Fred belog, ging mir einfach nah. Ich hatte ihn vertraut und das mache ich nicht oft.
„Hör zu John, du erzählst mir nun was passiert ist und dann reden wir weiter. Aber zuerst, habe ich eine Frage. Ist er hier. Siehst du ihn?“, meinte er.
„Was hat das damit zu tun?“; fragte ich ihn.
„Bitte das ist wichtig. Sag mir, ob du Jimmy siehst.“, so Fred.
„Nein, im Moment ist er nicht anwesend.“, sagte ich, während ich Jimmy, der hinter Fred platz nahm, in die Augen starrte.
„Du belügst mich auch nicht?“, fragte Fred.
„Du warst doch derjenige der mich belog.“, meinte ich hingegen. Fred legte seine Hand auf mein Knie und meinte, ich soll ihn nun im ruhigen Ton, das erzählen, was mir Jimmy erzählt hätte. Dies tat ich auch.
Ich erzählte von Steve, der mich töten wollte und Jimmy, der mich rettete. Ich erzählte davon, was ich herausfand, und zwar dass ich nichts herausfand. Als ich mit meiner Erzählung am Ende war, atmete Fred ein und wieder aus und sagte: „Gut, ich kann dir das erklären, aber bevor ich das mache, möchte ich, dass du mir versprichst, mir zu helfen, wenn wir gegen Chuck kämpfen.“
Ich sah Jimmy in die Augen. Er sah wütend aus. Er wartete auf meine Antwort, welche ich Fred auch gab. Seine warme Hand an meinen Knie ließ mich etwas spüren, was ich nur zu Selten zu spüren bekam. Vertrauen.
„Töten wir diesen Mistkerl.“, sprach ich. Jimmy stand auf und lief, ohne seine Miene zu verziehen davon. Er hüpfte vom Baumhaus, ohne die Leiter zu benutzen.
„Hast du einen Plan?“, fragte ich, als Jimmy abhaute.
„Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung. Wir beide schlugen schon öfters auf ihn ein. Ich versuchte es mit dem Exorzismus. Auch an ihn nicht mehr zu glauben, brachte mir nichts. John, ich weiß es wirklich nicht.“, sprach er verzweifelt.
Nun saßen wir da, ohne einen Plan. Blickten beide zu Boden.
„Wir könnten ja… Nein?“, meinte ich.
„Was den, sag schon.“, Fred.
„Ist schon gut.“, ich.
„Ne, es gibt keine blöden Ideen.“, Fred.
„Naja, ich sagte doch, ich habe zu Beginn ein oder zweimal von ihm geträumt. Wie wäre es wenn wir ihn im Traum töten würden.“, ich.
„Gut, dass ist keine blöde Idee. Freddy Krüger, welcher die Kinder in den Träumen terrorisiert, wurde in Freddy`s Death getötet, in dem er in die Reale Welt gezogen wurde. Vielleicht klappt es bei Chuck tatsächlich andersrum. Die Frage ist nur wie wir beide am besten bewusst von ihm Träumen können.“, Fred.
„Weißt du, am liebsten würde ich ihn einfach von der Klippe stoßen, von der er mich im ersten Traum stieß.“, ich.
„John, klingt es bescheuert, wenn ich vorschlage, wir beide legen uns hin und versuchen zu schlafen?“, Fred.
„Ja, aber ist doch egal.“, meinte ich und legte mich tatsächlich zu Boden.
„Haben wir Gras geraucht?“, fragte mich Fred, nachdem ich bereits die Augen schloss.
„Bitte was?“, fragte ich.
„Ich weiß nicht, irgendwie fühle ich mich high.“, sagte Fred.
„Fred, versuch zu schlafen.“, sagte ich und schloss erneut die Augen.
Es wurde für etwa fünf Sekunden still, bis ich meinen Namen hörte.
„Johnny. Oh Johnny“ Die Stimme klang verstellt, wie durch einen Stimmverzerrer.
„John, schlafen wir bereits?“, fragte mich Fred. Er klang, wie ein kleines Kind, welches bei einer langen Autofahrt die Eltern fragt, wie lange noch die Fahrt dauern würde.
„Wenn du weiter redest, wird es länger dauern.“, meinte ich genervt. Plötzlich wurde ich nämlich müde und wollte unbedingt schlafen. Waren wir wirklich High?
„Nein John, sie mal. Er ist groß.“, sagte Fred. Ich konnte Schrecken in seiner Stimme wahrnehmen.
Ich öffnete die Augen und saß mich hin. Fred blickte zum Loch zwischen den Brettern, welches als Fenster fungierte.
„Siehst du es auch?“, fragte er mich.
„Ja, verdammte Scheiße, ich sehe es.“, sprach ich schockiert. Wir beide sahen in ein riesiges Auge.
„Schnell, hinunter“, schrie ich, sprang auf und genauso wie es Jimmy zuvor tat vom Baumhaus. Fred hüpfte hinterher. Wir gingen ein paar Schritte zurück, um ihn in seiner vollen Pracht zu sehen. Jimmy, der kleine Junge, der er zuvor war, war nun über 40 Feet groß. Er war ein fucking Riese.
„Versuch dich nicht zu bewegen, vielleicht sieht er uns dann nicht.“, meinte Fred. Wir beide starrten ihn still und starr an. Er tat uns gleich, bis er erneut meinen Namen brüllte: „Johnny, Oh Johnny.“ Es war zwar kein brüllen, doch durch seine Größe wurden auch seine Worte lauter. Genauso wie sein Mundgeruch uns stärker als üblich entgegen kam.
Daraufhin bewegte er seine Hand auf uns zu.
„LAUF!!!“, schrie Fred, nahm meine Hand und wir beide liefen los. Nicht aus dem Wald, sondern in den Wald hinein. Als ich mich umdrehte sah ich Jimmy, wie er langsam hinter uns auf uns zu schlenderte. Da er jedoch viel größere Schritte machen konnte, vergrößerte sich der Abstand nicht. Jeder seiner Schritte war zu hören. Der Boden vibrierte. Neben seinen Schritten waren auch die Bäume, die von ihm umgestoßen wurden und zu Boden fielen, zu hören.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße. Er wird uns zerquetschen.“, meinte Fred, während er lief. Ich hingegen brachte kein Wort heraus. Schon nach einer viertel Meile, ging mir die Puste aus.
Nachdem wir beinah eine Meile liefen, blieb mir nichts anderes übrig als stehen zu bleiben. Fred bemerkte dies und blieb ebenfalls stehen. Der riesige Jimmy holte uns schon beinah ein. Ich sah in sein Gesicht. Sein Grinsen war gruseliger als Riese.
„John, ich möchte noch nicht sterben. Ich habe noch so viel vor mir. Hörst du, ich möchte unbedingt Freddy vs. Jason im Kino sehen.“, meinte Fred atemlos.
Plötzlich, aus dem nichts, hatte ich eine Eingebung.
„Ein Déjà-vu.“, sagte ich zu mir.
„Ein was?“, fragte Fred.“
„Ich habe das schon mal erlebt. In etwa einer weiteren Meile muss eine Klippe, welche ins nichts führt, kommen. Dort schupfen wir ihn runter.“
„Du meinst, wie träumen?“, Fred.
„Das möchte ich nicht herausfinden. Also komm nicht auf böse Gedanken. Es geht um Leben und Tod.“, ich.
„Ja, dass ist mir doch klar. Schließlich ist es bei Nightmare on Elm Street...“
Ich ließ Fred nicht ausreden und rannte mit neu gewonnener Kraft los. Er tat es mir gleich und überholte mich sogar.
Was soll ich sagen, ich hatte recht. Ich konnte den Horizont erblicken. Mir war klar, dass wir jeden Moment an jene Klippe ankommen würden, in der ich im Traum hinunter gestürzt bin, nein von diesem Hurensohn gestoßen wurde und nun wollte ich es ihn gleich tun.
Fred bemerkte ebenfalls, dass er auf die Klippe zu rannte und blieb stehen. Wir drehten uns um und sahen Jimmy in die Augen, doch…
Mit siegessicherem Lächeln stand der kleine Junge da. Ja genau, er war wieder auf seine Größe geschrumpft. Wann das genau geschah, merkte von uns beiden niemand. Alles was wir wussten war, dass er etwas in der Hinterhand hatte.
„John, da ist er, der Clown.“, meinte Fred. Er sah mit weit geöffneten Augen zu Jimmy. Ich sah dort keinen Clown.
Plötzlich konnte ich Schritte am Boden wahrnehmen. Etwas kam auf mich zu. Es war die Kreatur mit der Rindenähnlichen Haut. Ohne, dass ich Fred fragen musste, ob er sie sah, wusste ich bereits, dass wir nun auf uns alleine gestellt waren, obwohl unsere einzige Chance unsere Freundschaft und dessen Zusammenhalt war.
„Ach du scheiße, ach du scheiße“, schrie Fred. Wir beide standen zitternd fest am Boden. Die Kreatur ging langsam auf mich zu. Ich nahm an der Clown kam ebenfalls langsam auf Fred zu. Jimmy grinste. Er grinste mich an. Er grinste so lange, bis er seinen Mund öffnete und lachte. Er lachte wie ein kleines Kind. Er lachte uns aus. Im selben Moment, in dem er begann zu lachen, lief die Kreatur los. Sie lief direkt auf mich zu. Der Clown ebenfalls, denn bevor ich mich nur bewegen konnte, sah ich im Augenwinkel, wie Fred neben mir schreiend zu Boden fiel. Er fiel nicht nur, er flog regelrecht durch die Luft.
„Scheiße“, schrie er. Im selben Moment stand die Kreatur auch schon vor mir. Auge um Auge standen wir uns gegenüber. Ich hatte Angst. Die Kreatur blickte zu mir hinab. Seine Hände berührten den Boden. Seine Spitzen Zähne glänzten im Sonnenlicht. Mit seinen Kuller-ähnlichen-Augen, sie sahen aus wie die aus einem Cartoon, sah er mich schon beinah lächerlich an. Ich brachte kein Wort aus mir heraus, keinen Mucks, keinen Schrei. Langsam hob er seine Hand und legte sie auf meine Schultern. Mit seinen Krallen setzte er sich in meine Haut fest. Es schmerzte. Nun musste ich Schreien, auch wenn ich beinah keinen Ton herausbrachte. Es war ein schreckliches Gefühl.
Im Augenwinkel konnte ich noch immer Fred erkennen, wie er sich am Boden wälzte. Es sah aus, als würde er mit jemand unsichtbaren kämpfen. Seine Schreie verstummten nicht.
Für einen kurzen Moment sah ich zu ihm. Er sah mich an und weinte. „Bitte Hilf mir.“, sagte er mit heiserer Stimme. Sofort sah ich wieder zu der Kreatur. Sie senkte ihren Kopf, um auf meine Augenhöhe zu sein. Noch immer bohrte sie mit ihren Krallen in meine Haut, doch ich spürte nichts. In meinem Schock konnte ich keinen Schmerz spüren, jedenfalls für kurze Zeit. Still und gelassen, ohne in Gefahr zu sein, stand ich dort. So musste es jedenfalls für Fred ausgesehen haben. In Wahrheit hatte ich Angst um mein Leben.
Die Kreatur hob ihre Hand und mich gleichzeitig hoch. Ihre Krallen steckten noch immer fest in meinem Fleisch. Als ich in der Luft war, spürte ich von der einen auf die andere Sekunde den Schmerz. Ich schrie so laut ich konnte. Wir beide schrien um unser Leben.
Dass ich den Schmerz spürte, war kein schlechtes Zeichen. Ich wurde sozusagen wieder in die Realität gezerrt. Aus der Schockstarre, in die Wirklichkeit.
Mit Hand und Fuß versuchte ich mich von den Klauen dieses Monsters zu befreien. Als ob es Baseball spielen würde, streckte es die Hand aus und schmiss mich, als ob ich jener Baseball wäre, fort. Ich flog gefühlt eine Meile, in Wahrheit waren es ein paar Feet. Ich landete auf den harten Boden vor, genau, Jimmy. Ich hob meinen Kopf und sah ihn an. Er lächelte unschuldig. Meine Nase blutete, meine Lippe ebenfalls. Mein Bein konnte ich nicht mehr bewegen. Ich war sozusagen Machtlos. Die Schweren Schritte des Monsters konnte ich am Boden liegend äußerst gut hören. Es machte mich beinah verrückt, die Kreatur zu hören, jedoch nicht zu sehen. Um mich umzudrehen, dazu hatte ich keine Kraft. Nebenbei waren noch Freds Schreie zu hören, die beinah alles, bis auf besagte Schritte, übertönten. Es waren Schreie voller Schmerz.
„Du musst ihn in die Schlucht schmeißen.“, schrie er mit letzter Kraft. Er meinte Jimmy.
Tatsächlich versuchte ich vom Boden zu kommen, doch ich schaffte es nicht. Auch wenn ich es geschafft hätte aufzustehen, hätte ich Jimmy niemals dazu gebracht die Schlucht hinunterzustoßen.
Erneut wurde ich hochgehoben, die Krallen bohrten sich in mein Shirt. Meine Brille blieb am Boden liegen. Und erneut versuchte ich mich mit Hand und Fuß zu wehren. Ohne Erfolg. Ich wurde bis zur Schlucht getragen. Kurz bevor ich direkt über dieser hing und ich eigentlich nur noch losgelassen werden musste, fiel ich zu Boden. Ich lag neben Fred welcher mich Hoffnungsvoll anblickte. Ich drehte mich um und sah die Kreatur am Boden sitzen. Ich rechnete eins und eins zusammen und kombinierte, dass Fred der Kreatur ein Bein oder ähnliches gestellt haben musste. Konnte er sie sehen?
Sein Blick und der Fakt, dass er nicht mehr um sein Leben schrie, machte mir Hoffnung. Als ich jedoch sah, wie er am Boden hochgehoben wurde, sich im Kreis drehte und weggeschleudert wurde, in Richtung Wald, von der Schlucht entfernt, verlor ich die Hoffnung wieder.
Als ich dann noch sah, wer dafür verantwortlich war, bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich konnte ihn sehen, den fetten Clown mit trauriger Miene. Er stand vor mir. Ich raufte mich zusammen, stand auf und rannte weg. Weit kam ich jedoch nicht, denn so wenig wie ich sah, stolperte ich über die Kreatur. Mit ihrer Haut aus Rinde, konnte sie sich im Wald äußerst gut tarnen.
Sofort wurde ich wieder am Bein gepackt, wehrte mich jedoch. Wie ein Stier trat ich zu Boden und konnte mich von den Klauen lösen. Ich lief weiter, wollte auf Fred zulaufen, welcher soeben aufstand, doch…
Eine Hand zog mich an meinen zerrissenen Shirt. Ich drehte mich um neunzig Grad und kam der Klippe näher. Der Clown war es, welcher mich zur Klippe zerrte, nein mit Leichtigkeit beförderte. Ich wurde losgelassen, sah in die Tiefe, sah meinen Tod ins Auge. Ich drohte zu fallen, als ich eine weitere Hand an meiner Haut spürte. Es war Freds. Er zog mich zurück und rannte mit seiner Hand an meine Haut gepresst von der Klippe davon. Hätte Fred in diesem Moment, als er mich festhielt, jemand geschupft, wären wir beide tot, doch das Schicksal meinte es wohl gut mit uns.
Nun standen wir dort. Unsere Gesichter auf die Klippe und den beiden Monstern gerichtet. Hinter uns befand sich wissentlich Jimmy. Fred und ich sahen uns an. Wir schnauften. Ich hatte keine Luft, um mich bei ihm zu bedanken. Wir beide bluteten, hatten offensichtlich schmerzen. Zerrissene Klamotten. Schweiß floss aus allen Poren. Fred lächelte mich an und meinte: „Wir werden diese Wichser besiegen, hörst du John.“ Diese Worte, welche er mit letzter Kraft von sich gab, gaben mir Kraft.
Standfest standen wir unseren Gegnern gegenüber. So sah ich es jedenfalls.
„Auf drei“, flüsterte Fred. Ich nickte.
„1…2…3“ Sofort lief ich mit all meiner Kraft, die mir noch zur Verfügung stand, auf die Kreatur zu. Ich wollte die Kreatur überrennen, so viel Selbstvertrauen hatte ich in mir. Fred sollte den Clown schlagen, mitten ins Gesicht. So hatte ich mir das ganze jedenfalls gedacht. Doch so sehr ich mir sicher war, Fred würde an meiner Seite bleiben, so sehr wunderte ich mich als ich bemerkte, dass er nicht mehr an meiner Seite, sondern hinter mir war. Ich dachte, er würde abhauen und mich im stich lassen doch als ich mich umdrehte, bemerkte ich erst, dass er nicht stehen blieb. Er lief tatsächlich zurück, aber nicht um abzuhauen, sondern auf Jimmy.
Ohne Schwierigkeiten zu haben hob er den kleinen Jungen hoch. Mit einem Kraftschrei rannte er darauf los, Richtung Klippe, Richtung der Monster. Jimmy lächelte währenddessen.
„Fred, pass auf!“, schrie ich ihn zu als ich Jimmys Gesicht erblickte. Jimmy hatte einen Plan. Nicht er sondern Fred würde in die Schlucht stürzen.
Ich lief vor, an den Monstern vorbei. Fred war mir bereits an den Fersen. Er hatte mit Jimmy in seinen Händen, er trug ihn so wie man ein Baby in den Schlaf wiegt, beinah den Abgrund erreicht, als er stürzte.
Es war nicht so, dass er von sich aus stolperte, nein, die Kreatur, dessen Arme nun plötzlich doppelt so lang waren, zog an seinen Fuß. Als Fred am Boden lag kullerte ihn Jimmy davon. Es fehlte nur ein foot, dann wäre er die Klippe hinabgestürzt und wenn man Fred glauben konnte, hätten wir danach gesiegt.
Für einen kurzen Moment lagen Fred und Jimmy regungslos am Boden, so lange bis die Kreatur ihn hochhob und, so wie mich zuvor, wegschleuderte. Fred wurde zu einem fetten Baum geschleudert. Schreiend lag er nun dort. Im selben Moment stand Jimmy auf, rannte auf mich zu und stieß mich um. Dieser kleine Junge schaffte es tatsächlich, mich, welcher als Fettsack bezeichnet wurde, umzustoßen. Als ich nun auch am Boden lag, geschah mit mir dasselbe wie mit Fred. Die Kreatur schnappte mein Bein und schleuderte mich, ein weiteres Mal, davon. Ich flog ebenfalls zu einem Baum, nur ein paar Bäume von Fred entfernt.
Während Fred schrie, als er auf dem Boden aufprallte und nun mit zugekniffenen Augen still dort lag, schrie ich durchgehend. Ich konnte meine Knochen brechen hören und hatte keine Chance mehr, mich zu bewegen.
Schmerzerfüllt starrte mich Fred an und meine heißer: „Komm schon John, wir schaffen das.“
Ich hingegen hörte nicht auf seine Worte. Alles schmerzte, was schmerzen konnte. Am liebsten wollte ich sterben.
„John, alles Okay? Hör zu, ich will nicht sterben. Wir müssen nur diesen Jungen töten.“, sagte er.
„Fred, verdammte scheiße, hilf mir.“, antwortete ich darauf. Ich wusste dass er mir nicht helfen konnte. Niemand konnte uns noch helfen.
Mit seiner letzten Kraft, ich glaube ich konnte auch seine Knochen brechen hören, raffte sich Fred auf und humpelte zu den Monstern und Jimmy, welche mit den Rücken zur Klippe uns anstarrten.
Unter Todesangst und Todesschmerzen konnte ich nichts anderes tun als Fred zuzusehen. Er humpelte langsam auf Jimmy zu. Keiner der drei bewegte sich nur einen Hauch. So lange jedenfalls, bis Fred Jimmy berührte. Er legte seine Hand auf Jimmys Schulter, keine Ahnung was er genau vor hatte, und wurde von Jimmy, genau wie ich, ohne Probleme zu Boden geworfen.
Daraufhin ging der Clown langsam auf Fred zu. Er versuchte Fred hochzuheben, doch Fred schaffte es sich loszulösen und ein Stück wegzukriechen. Erneut hob der Clown Fred hoch, erneut ließ er Fred fallen und erneut schaffte es Fred mit Schmerzverzerrten Gesicht ein paar Zoll von der Schlucht wegzukriechen. Dieses Szenario spielte sich einige Male ab. Es sah aus, als würde ein fetter Typ versuchen seine Schildkröte zu fangen, diese jedoch immer wieder fallen lassen.
Fred blickte mir in die Augen. Diesen Blick werde ich nie wieder vergessen können. Er weinte und sah mich an, als ob er wissen würde, wir beide werden das nicht überleben.
Nach einiger Zeit kam die Kreatur auf mich zu. Sie schlenderte. Ich, der regungslos dasaß, oder besser gesagt lag, konnte mich nicht wehren. Die Kreatur konnte mich einfach hochheben und mich von der Klippe werfen. Das jedoch tat sie nicht. Sie ging nur auf mich zu, duckte sich und sah mich mit ihren verstörenden Augen an. Nachdem sie mich zu begutachten schien, verschwand sie hinter mich. Was sie darauf machte wusste ich nicht. Ich konnte sie nicht mehr hören und umdrehen, um zu gucken konnte ich ebenfalls nicht.
Ich musste wieder Fred zusehen. Er versuchte noch immer davon zu kriechen. Ich konnte ein leises „Hilfe“ hören. Es wird aber niemand kommen, um uns zu helfen. Wir beide werden sterben.
Jimmy kam nun ebenfalls auf mich zu. Mit seinen Händen am Rücken, stellte er sich vor mich. Er lächelte und sagte: „Wir hätte Freunde bleiben könne, aber du wolltest doch nicht.“
Am liebsten hätte ich geschrien, ihn geschlagen. Diese Worte machten mich aggressiv. Jimmy ging zur Seite. Wahrscheinlich nur, um mir den Anblick nicht zu ersparen. Der Clown hatte nun Fred am Hals gepackt und hob ihn hoch. Fred musste diesen Monster direkt in die Augen sehen. Daraufhin schlenderte der Clown zur Klippe. Nun war es so weit. Er hätte nur Fred loslassen müssen und er wäre gefallen.
Ich sah Freds wütenden Gesichtsausdruck. Mit seinen Händen versuchte er sich zu wehren, doch es gelang wohl nicht. Sein Kopf wurde ganz blau. Anscheinend packte der Clown fest an Freds Hals.
Meine Augen schlossen sich und öffneten sich langsam. Müdigkeit trat auf. Ich durfte aber nicht schlafen. Wenn ich einschlafe, dann würde ich nie wieder mehr aufwachen. Ich musste Fred helfen, doch wie?
Erneut schlossen sich meine Augen. Es fiel mir schwerer sie wieder zu öffnen, geschweigenden offen zu halten. Vielleicht wäre es aber besser gewesen, zu schlafen. Auf keinen Fall wollte ich zusehen, wie Fred stirbt.
Plötzlich spielte sich ein Lied in meinen Kopf ab. Es war jenes Lied, welches ich auf meinen Discman auf und ab hörte. Ich hörte es, wenn ich mit meinen Bike fuhr und die Zeiten noch gut waren.“
John hatte einen Geistesblitz.
When you were here before; Couldn't look you in the eye; You're just like an angel; Your skin makes me cry; You float like a feather; In a beautiful world; I wish I was special; You're so fuckin' special; But I'm a creep; I'm a weirdo; What the hell am I doin' here? ; I don't belong here.
„Ach ja, jetzt weiß ich wieder, wie der Song hieß. Es war der Song „Creep“ von Radiohead. Wie konnte ich bloß das vergessen. Jedenfalls spielte sich der Song in meinen Kopf ab, als ich sah, wie der Clown Fred losließ, dieser, ohne zu schreien, dazu hatte er wohl keine Kraft mehr, fiel und ich das letzte Mal meine Augen schloss.
So viel nehme ich mal vorweg, ich starb nicht wirklich. Ich überlebte.“, sagte John, ohne zu merken, dass diese Anmerkung überflüssig war.
„Als sich meine Augen öffneten, war das Erste was ich mich fragte, wo ich war. Als ich meinen Körper jedoch betrachtete, war jene Frage überflüssig. Durch eine Bondage um meinen Hals, konnte ich nur schwer meinen Kopf heben, dennoch reichte es aus, um zu sehen, in was ich eingewickelt war. Mein ganzer Körper, und damit meine ich tatsächlich meinen ganzen Körper, war mit weißen Verbändern und Gipsen übersehen. Ich versuchte meine Arme und Beine leicht zu bewegen, doch nur ein zucken, schmerzte bereits. Ich hatte jedoch überlebt. Tränen schossen hervor, ich war tatsächlich noch am Leben. Damit hatte ich nicht gerechnet. Auch wenn mir alles schmerzte, war ich am Leben.
„Hallo“, sagte ich im halblauten Ton vor mich hin. Ich hatte nicht dir Kraft zu schreien. Ich war anscheinend ganz alleine, ich konnte meinen Kopf nicht zu Seite neigen, um zu gucken, ob noch jemand im Krankenzimmer war, meine Laute jedenfalls blieben unbeantwortet.
Alles was ich vom Raum erkennen konnte war jenes Bett, in dem ich lag. Es war weich. Neben dem Bett standen einige Apparate, welche ich zum Teil sehen und zum Teil hören konnte. Außerdem war ein Katheter und eine Bluttransfusion an meinem Körper befestigt.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis eine Krankenschwester endlich das Zimmer betrat. Sie war jung und hübsch. Als sie mich wach daliegen sah, war sie jedoch keineswegs schockiert. Ich hingegen, war etwas geschockt, als sie zu mir meinte, ich hätte drei Tage durchgeschlafen. Sie wirkte etwas verstimmt. Das erste was ich sie fragte war, wo Fred sei und ob es ihm gut gehe?
„Ist Fred dein Bruder?“, fragte sie mich im strengen Ton.“
Als John die Krankenschwester nachmachte, pitchte er seine Stimme so hoch, dass sie wie die eines Chipmunks klang.
„Ich sagte, dass Fred mein Freund sei, worauf sie antwortete: „Ich habe bereits deine Mutter informiert, die kannst du fragen.“
Auf meine Mutter hatte ich keine Lust. Mir war klar, dass ich mir so einiges anhören muss, wenn sie auftaucht.
Solange die hübsche Krankenschwerster noch da war, sie hantierte bei meiner Bluttransfusion herum, versuchte ich sie noch einiges zu fragen. Ich wollte fragen, was eigentlich passiert war, doch dabei kam sie mir zuvor. Sie sagte: „Ach Junge, was machts du bloß für Sachen.“
Was habe ich den gemacht? Das konnte ich nicht fragen. Zu groß war die Charme, welche mich die genervte Krankenschwester zu spüren ließ.
„So dumm kann man aber auch nicht sein. Du weißt schon, dass das Leben das wertvollste Gut ist, dass der Gott gegeben hat.“, sagte sie, bevor sie das Zimmer verließ.
Nun hatte ich keinen blassen Schimmer mehr, was sie dachte, was mir passiert sei. Ich vermutete, Fred hätte erzählt, ich hätte mich umbringen wollen.
Eine oder zwei Stunden später kam meine Mom. Sie fragte mich wie es mir ginge. Auch ihr Ton war rau. Von meiner Mom erfuhr ich, dass von meinen 206 Knoch knappe 45 gebrochen waren. 45 Knochen, an jeder Stelle verteilt.
„Wer hat dich eigentlich ins Krankenhaus gebracht?“, fragte sie mich?
„Ich weiß es nicht.“, meinte ich darauf. Ich hoffte es war Fred.
„Alles was mir erzählt wurde, war, dass es irgendein Junge war.“, meinte meine Mom.
Ihr Besuch war schnell wieder vorbei. Bevor sie ging, sagte sie, dass die Ärzte meinten, ich müsse noch gute drei Monate im Krankenhaus verbringen. Daraufhin meinte sie auch, dass ich, wenn ich so viel vom Schulstoff verpasse, wahrscheinlich die Klassen wiederholen müsste.
Der Besuch meiner Mom machte mich nur noch nervöser. Ich war mir sicher, hätte Fred mich hergebracht, hätte sie gesagt ein Junge mit Verletzungen wäre es gewesen. Es musste doch wenigstens einen Rassisten gegeben haben, der Fred nicht als Jungen, sondern als schwarzen Jungen bezeichnet hätte. Langsam machte ich mir sorgen, nicht Fred, sondern Jimmy hätte mich ins Krankenhaus gebracht. Das konnte nicht sein, hatte Jimmy etwa gewonnen?
Es vergingen vier Tage, ohne Besuche. Währenddessen verspürte ich sowohl psychische als auch physische Schmerzen. Für meine körperliche Schmerzen bekam ich zwar Tabletten, doch gegen Sorgen um Fred konnte mir niemand helfen. Niemand sagte mir etwas. Niemand konnte mir sagen, ob es Fred gut ginge.
Nach diesen vier Tagen, an denen ich mir wünschte, weiter im Koma zu liegen, betrat ein Junge mit schmutzigen Schuhen, sie versauten den ganzen Boden, mein Zimmer. Es war Fred.
Lächelnd stand er vor mir.
„Du hast also wirklich überlebt.“, sagte er.
„Du anscheinend auch.“, sagte ich. Wir beide umarmten uns, Fred so toll, dass es mir wehtat, wobei mir jeden leichte Berührung bereits schmerzte.
Sein Gesicht war voller Kratzer und Schrammen. Auf der einen Hand trug er einen Verband auf der anderen zwei große Pflaster.
„Dich hats wohl mitgenommen.“, meinte er scherzhaft.
„Ja, so siehts aus. Du hattest wohl Glück.“, meinte ich.
Er schüttelte den Kopf und hob sein T-Shirt hoch. Sein Bauch war besudelt mit Wunden. Ich kann den Anblick zwar nicht gut beschreiben, doch es sah scheußlich aus.
„Wo verdammt warst du. Ich habe mir Sorgen gemacht.“, sagte ich, nachdem wir uns scherzhaft unterhielten.
„Naja, nachdem ich dich her gebracht habe, wurde ich untersucht und durfte gleich wieder gehen. Die Ärzte sagten mir, so wie es aussieht , würdest du vorerst gute zwei Wochen durchschlafen. Ich hielt es also nicht notwendig vor heute aufzutauchen.“, sprach er.
„Du hast mich tatsächlich hergebracht?“, fragte ich ihn.
„Wie stellst du dir das vor, dass ich dich über 25 Meilen hierher geschleppt habe? Nein, ich zerrte dich aus dem Wald und rief bei der nächsten Telefonzelle die Rettung.“, sprach er.
„Sag mal, was hast du eigentlich den Ärzten gesagt, was passiert wäre?“, fragte ich in verwunderten Ton.
„Was meinst du? Ich sagte lediglich dass du beim Baumhaus bauen vom Baum gefallen bist?“, meinte er ebenfalls verwundert.
„Und das haben sie dir geglaubt?“, so ich.
„Ja, ich sagte der Baum war gute 100 Feet hoch. Also so hoch wie das Ding, dass uns gejagt hatte.“, sagte er.
Hier viel mir auf das Fred sehr schlecht in Schätzen war. Jimmy war niemals höher als 45 Feet als er uns jagte. Ganz konnte ich seiner Aussage jedoch nicht glauben. Zu seltsam war die Reaktion der Krankenschwester.
Ich wechselte jedoch das Thema und fragte Fred: „Wir, nein du hast ihn besiegt?“
Fred lächelte, nickte und meinte: „Ja, willst du hören was geschah, nachdem du weggetreten bist?“
Ich bejahte.
Fred hingegen sagte: „Gut, aber bitte glaub mir, dass was ich dir jetzt erzähle, ist wirklich so passiert.
Wann du genau weggeknickt bist, weiß ich zwar nicht, doch die Lage war von Anfang an bereits Aussichtslos.“
Diese Worte aus seinen Mund zu hören, waren ungewohnt. Schließlich war er es, der mich versuchte zu Motivieren und meinte, wir könnten Jimmy besiegen.
Fred sprach: „Ich sah dich, regungslos am Baum liegen. Mir war klar, dass ich mit dir nichts mehr anstellen konnte und auf mich alleine gestellt war. Alleine gegen ein Monster, einen Clown, der verfickt gruselig war, und einen Jungen, der stärker, ja viel stärker, war als er aussah. Der Clown hob mich hoch und über die Klippe. Ich war den Abgrund so nahe wie noch nie. Er hätte nur meinen Hals loslassen müssen und schon wäre ich gefallen. Weißt du was John? Genau dies tat er. Der Clown ließ mich los.“
Das wusste ich, solange war ich noch wach.
„Gut, nun bin ich aber nicht tot. Du fragts dich, wie dass sein kann. Ob es Glück war, oder tatsächlich eine höherer Macht, durch Zufall konnte ich mich an eine Wurzel heften, welche von der Klippe runterhing.
Als ich es schaffte mich an dieser fest zu klammern, bekam ich neue Energie. Kein Witz, als der Clown mich über die Schlucht hielt, versuchte ich mich zu wehren, doch hatte keine Kraft mehr. Als ich jedoch fiel und durch Zufall, oder was auch immer, die Wurzel ergriff, rutschte mir nicht nur das Herz in die Hose, sondern auch meine Müdigkeit. Ich war wieder putzmunter und bereit zu kämpfen.
Ich musste nicht lange an der Wurzel hängen, um zu bemerken, dass sie beinah riss. Das Holz war bereits getrocknet, also nicht dehnbar. Ich versuchte mich, wie beim Sportunterricht, hochzuziehen. Du weißt doch was ich meine, die bescheuerten Seile, welche an der Decke hängen. Genau in solch einer Situation befand ich mich soeben. Das Problem war nur, dass ich schon im Sportunterricht bei den Seilen eine totale Niete war. Nun musste ich eine ähnliche Aufgabe absolvieren, wobei ich, wenn ich hierbei gescheitert wäre, mit meinen Leben bezahlen hätte müssen. Wenn ich es mir jedoch so recht überlebe, ist die Decke der Sporthalle ebenfalls hoch. Ach, ich bleibe beim Thema.“, sprach er, nachdem er, meiner Meinung nach, bereits zu lange ausschweifte.
Jedenfalls erzählte er weiter: „Neben dem, dass ich nur schwer nach oben kam, hatte ich noch ein anderes Problem. Es war das, was mich oben erwartete . Als ich schon die halbe Wurzel hinauf kletterte, sah er hinab. Der Clown stand über mir. Schockiert sah ich ihn an, war mir sicher, er würde die Wurzel mit nur einen festen Tritt vom Boden trennen, doch nein, er stand einfach nur da. Er schien darauf zu warten, dass ich hochkomme, damit er mich erneut schupfen konnte. Er wollte mich leiden sehen, genauso wie zuvor, als er mich ständig auf den Boden fallen ließ nur damit ich ein paar Zoll um mein Leben kriechen konnte.
Nein, nicht mit mir, dachte ich. Mit meiner letzten Kraft zog ich mich die letzten Feet hoch. Kurz bevor ich mit meiner Hand den Boden berühren konnte, um mich hochzuziehen, ließ ich die Wurzel los. Ich ließ jedoch nicht einfach los, sondern stieß mich sozusagen ab. Ich schaffte es irgendwie, frag mich nicht wie, ein paar, wirklich nur ein paar Zoll hochzufliegen. Ich kann mir vorstellen, dass es episch aussah. Denn nicht nur, dass ich quasi, in der Luft aus hochsprang, nein, ich konnte meinen Arm gerade so weit ausstrecken, um an seine Nase zu kommen. Ich rede von der dicken roten Nase des Clowns an die ich mich heftete. Für eine kurze Zeit hang ich an dieser. Zu meinen Verwundern riss ich jedoch nicht seine Nase ab, oder blieb am Clown hängen, nein, tatsächlich hang ich nicht lange an ihn, schon flog er vor, in die tiefe. Egal ob Glück oder Gott, ich schaffte es rechtszeitig mich ein weiteres Mal an die Wurzel zu heften. Der Clown flog, ohne nur einen Mucks zu machen, ins Schwarze. Wenn ich sage, er machte keinen Mucks, dann meine ich das auch so. Nicht einmal einen Aufprall konnte ich wahrnehmen. Erneut zog ich mich hoch. Dieses Mal jedoch schneller. Ich schien mehr Kraft als je zuvor zu haben. Als ich den Boden mit meinen Händen berühren konnte, reichte ein stoß und ich war wieder auf der Erde.
Nur du und der Wald waren zu sehen. Von Chuck und dem Monster fehlte jede Spur. So wirkte es jedenfalls. Ich ging in den Wald, auf dich zu. Währenddessen war ich auf der Hut, sah mich um, doch konnte niemanden erkennen. Erst als ich mir sicher war, lief ich zu dir und saß mich zu Boden. Ich sprach dich an, kontrollierte deine Atmung und sah nach Äußeren Blutungen. Damit war ich ganz vertieft, weshalb ich auch erschrak als ich im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Die Bewegung fand nicht irgendwo statt, sondern über uns. Ich blickte hoch und sah in seine Kulleraugen. Diese Kreatur, welche ein wenig aussah wie ein Baum, hatte sich an jenem Baum, an dem du lagst, geheftet und getarnt. Ihre Haut und die Rinde verschmolzen buchstäblich. Es sah nämlich so aus, als hätte der Baum ein Gesicht. Große Augen und ein breites Grinsen.
Plötzlich schossen neben deinen Kopf Krallen hervor. Die Kreatur und der Baum trennten sich. Ich hatte keine andere Wahl als dich zurückzulassen. Ich rannte in den Wald, die Kreatur mir hinterher. Ich weiß nicht, wie weit ich rannte, doch nach etwa einer Minute kam ich wieder an jene Schlucht an. Irgendwie musste ich im Kreis gerannt sein. Der Abstand zwischen mir und der Kreatur war jedoch zu nah beieinander um stehen zu bleiben. Ich rannte also, ein weiteres Mal, auf die Klippe zu. Direkt hinter mir konnte ich bereits die Schreie, welche wie die eines kranken Vogels klangen, laut und deutlich hören. Die Kreatur hatte mich fast. Ich konnte schon ihren Arm an meinen Fuß erahnen. Ich lief auf die Klippe, drohte zu fallen. Als ich so nah an der Schlucht war, dass ich nicht mehr abbremsen hätte können, beschloss ich mich auf den Boden zu schmeißen. Ich schmiss mich seitlich zu Boden, umschlug mich ein paar Mal, doch konnte kurz vor der Schlucht abbremsen. Was soll ich sagen. Ich spürte, wie die Kreatur über mich stolperte und die Klippe hinab fiel. Ihre Schreie waren fast eine Minute lang zu hören, bis sich verstummten. Ich stand auf und blickte erneut zu dir. Ich sah nicht in deine Augen, sondern in die leeren von Chuck, welcher mich angrinste. Ohne zu wissen, dass er der schwerste Gegner war, stand ich ihm siegessicher gegenüber.
John, ich sage es dir, dieser Junge war stärker als er aussah.“
Fred musste mir das nicht erzählen. Ich machte bereits meine eigenen Erfahrungen mit Jimmy.
„Ich rannte auf ihn zu. Schreie kamen aus meinen Mund. Es waren Schreie des Schmerzes, der Freude und vor allem der Wut auf diesen Jungen. Dieser kleine Junge, welche mich noch immer angrinste, als ob er etwas in der Hinterhand hätte, machte mich aggressiv. Er hat nicht nur mein Leben zerstört, sondern auch das, meines besten Freundes, welcher soeben von ihm K.O. geprügelt wurde. Dieser kleine Junge hatte nichts anderes verdient als den Tod.
„Fick dich Josh.“, schrie ich. Dieser Schrei kostete mich beinah meine ganze Kraft. Ohne abzubremsen, lief ich in den Jungen rein. Mit meiner Geschwindigkeit und meinen Körpergewicht, hätte er hundert, nein, zweihundert Feet mindestens nach hinten fallen müssen. Weißt du was John, nicht er war es, sondern ich, der diese zweihundert Feet zurück fiel. Er stand mit beiden Beinen fest am Boden. Wie von Gummi wurde ich zurückgeschleudert. Ich flog auf die Klippe zu und landete nur ein paar Meter vor der Schlucht am Boden. Erneut befand ich mich in einer lebensgefährlichen Situation. Ein weiteres Mal wurde ich weggeschleudert und ein weiteres Mal musste ich nur leicht an geschupft werden, um zu sterben. Doch diese Mal war es anders. Dieses Mal hatte ich nicht das Gefühl , ich könnte Berge versetzten, könnte es schaffen, wenn ich nur fest, ganz fest an mich glaube. Nein, dieses Mal, John, lag ich da und alles was nur weh tun konnte tat weh. Dieses Mal wurde ich besiegt und das ausgerechnet von einem kleinen Jungen, welcher einmal mein Freund gewesen ist.
Zwar konnte ich ihn nicht hören, dennoch spürte ich, dass er auf mich zu kam. Ich blickte in den Himmel. Die Sonne verschwand hinter den Wolken, es sah so aus, als würde es jeden Moment zu Regnen beginnen. Es war jedoch kein Regentropfen, der mein Gesicht benässet. Eine Träne kullerte über meine Wange. Ich weinte nicht, weil meine Schmerzen so schrecklich waren, jedenfalls nicht die äußeren.
Chuck blickte mir in die Augen, als er sich über mich beugte. Wortlos legte er sich neben mich. Nun starrten wir beide in den Himmel, so, wie wir es damals taten. Nur dass wir damals die Wolken beobachteten und uns überlegten, welcher Form sie wohl am ähnlichsten aussehen würden.
„Warum hast du mich verlassen?“, fragte mich Chuck.
Ich sage es dir John, ich wusste nicht, wovon er redete.
„Ich habe dich aus gutem Grund verlassen. Du hast böses getan.“, sprach ich.
„Fred, wir waren Freunde. Ich dachte ich könnte dir vertrauen. Du hast mir versprochen, wir würden für immer zusammen halten. Weißt du noch?“, fragte er mich.
„Ich...Ich...“, ich brachte kein Wort heraus. Er sprach wirres Zeug. Ich wusste nicht, wovon er redete, und wollte es auch nicht wissen. Ich wollte nichts mehr wissen, denn mir war klar, er würde mich jeden Moment umbringen.
Ich schwöre, ich versuchte alles um wieder hochzukommen, doch das war schwer, ohne meine Hände und Beine zu benutzen.
Chuck stand wieder auf und beugte sich erneut über mich. Er sah in meine verweinten Augen. Weißt du John, wir, also Chuck und ich, haben bereits sehr viel durchgemacht. Weswegen auch seine Augen glasig wurden.
Chuck hätte mich anspucken können, in jener Lage, in der er sich gerade befand, genauso, wie es die Mobber mit mir anstellten, doch er tat es nicht. Zwar hätte wohl zu seinem Humor besser gepasst, mich anzuscheißen, doch auch das tat er nicht.
Vermutlich wollte er unseren letzten gemeinsamen Momente nicht zerstören. Vielleicht wollte er mich tatsächlich in Ruhe sterben lassen.
Er sagte…Er sagte…“, aus Freds Augen schossen Tränen hervor, als er mir das erzählte, „Er entschuldigte sich bei mir. Er meinte er sei ein schlechter Freund gewesen und bittet um meine Vergebung. Chuck reichte mir die Hand. Ich nahm diese entgegen. Mit seiner Kraft, die nun wieder die eines Kindes zu sein schien, half er mir hoch. Gekrümmt stand ich nun vor ihm. Noch immer tat mir alles weh. Obwohl ich sie bereits losgelassen hatte, streckte er noch immer seine kleine Hand aus. Er wollte wohl wieder Freundschaft schließen und einen Neuanfang starten. Meine Hand zuckte bereits, doch…
Doch dann sah ich dich. Ich blickte zu dir. Mit Wunden lagst du regungslos am Baum. Du sahst tot aus. Dann fiel mir erst wieder ein, was dieser Mistkerl mir alles angetan hat. Er bereitete mir Angst, ein Trauma, Schmerzen zu und brachte meinen Freund ebenfalls in Gefahr. Ich zog meine Hand zurück.
Verwundert sah er mich an. Mehr Tränen flossen aus meinen Augen. Aus seinen ebenfalls. Auch wenn er uns beiden all das Schreckliche antat und uns Leid hinzufügte, fiel es mir dennoch schwer dass zu tun, was ich nun tat. Doch so schwer es mir fiel, musste ich es tut. Alleine schon wegen dir.
Ich umarmte ihn und ließ mich zu Boden fallen. Nun lag ich auf ihn. Irgendwie hatte ich eine Ahnung, dass er schwächer werden würde, würde er mir vertrauen. Obwohl ich sämtliche Verletzungen aufwies, war ich nun stärker als er. Natürlich, schließlich war er noch ein Kind. Chuck schrie.
„Au, das tut mir weh.“, sagte er. Ich stand wieder auf und nahm ihn gleich mit hoch. Nun standen wir uns erneut gegenüber nur mit den Unterschied, dass wir beim aufstehen die Plätze tauschten. Nun stand er mit den Rücken zur Schlucht.
Schließlich war er derjenige der am Ende weinte. Nicht mehr ich. Nah schön, auch ich weinte, doch das tut nichts zur Sache. Ein letztes Mal fiel ich auf ihn her und umarmte ihn mit aller Kraft. Keine Sorge, dieses Mal ließ ich mich nicht zu Boden fallen. Diese letzte Umarmung war nämlich ernst gemeint. Ich verabschiedete mich von ihm. Nachdem ich nach gefühlten Minuten wieder losließ, drückte ich ihn von mir weg und trat ihn in die Schlucht. Er schrie nicht, sondern sah mich voller Trauer an. Auch ich sah ihn mit Schuldgefühlen in seine normallerweiße kalten Augen. Als er den Tode ins Auge blickte, sahen diese jedoch nicht mehr so kalt aus. Sie wirkten beinah menschlich.
„Es tut mir leid dass ich dich getötet habe.“, rief ich ihm hinterher.
Ich blickte nicht mehr hinab, zu schmerzhaft wäre der Anblick gewesen, ihn fallen zu sehen.“, sprach Fred.
Ich unterbrach und fragte: „Du klingst dir so sicher, doch woher möchtest du wissen, dass er wirklich tot ist?“
Fred sprach: „Wie gesagt, wir beide haben schon alles ausprobiert und all diese Versuche hatten etwas gemeinsam. Wir wollten diesen Demon los werden. In diesem Moment, jedoch, als ich ihn die Klippe runterstieß, wollte ich es nicht. Ich tat das, was er mir die ganze Zeit erklären versuchte. Ich fand für ihn einen Freund. In dem Moment seines Todes, waren wir beide nämlich Freunde. Ich tötete niemanden, denn ich als böse bezeichnen würde, sondern einen Freund. Deswegen bin ich mir sicher, er wird nicht mehr zurückkommen.“
Ich glaubte Freds Worten. Er klang nicht so, als hätte er gelogen. Es gab nur ein paar kleine Ungereimtheiten, welche mich schon Damals stutzig machten. Welche, keine Ahnung. Das habe ich schon wieder vergessen. Naja, vielleicht fällt es mir später noch ein. Fred erzählte jedenfalls weiter: „Nachdem von Chuck, der Kreatur und den fucking, gruseligen, Clown keine Spur mehr war, gönnte ich mir eine kurze Pause. Damit meine ich, dass ich zusammenbrach und auf den Boden fiel. Mein Schnaufen war schwer.
Ich war so erschöpft wie noch nie. Doch auch wenn ich erschöpft war, fühlte ich mich gut. Meine Schmerzen verschwanden, wie durch ein Wunder. Nach einer kurzen Pause war ich wieder fit. Schnell fiel mir auf, dass du noch immer meine Hilfe gebraucht hattest. Ich lief zu dir und checkte, ob noch alles okay war. Deine Atmung war zwar schwach, aber vorhanden. Mir war klar, dass es nun schnell gehen musste. Ich konnte dich unmöglich dort liegen lassen. Also nahm ich meine, diesmal wirklich, letzten Reserven und hob dich hoch. Mit dir in meinen Armen lief ich dann den ganzen Weg, von der Klippe bis zum Ende des Waldes, zurück. Ich muss gestehen, ein paar Mal fiel ich hin. Dass du dabei keine Regungen von dir gabst, war kein gutes Zeichen. Ich glaube am Ende war ich sogar schneller aus dem Wald, als wir hinein liefen. Zu meinem Glück befand sich gleich eine Telefonzelle an dem ersten Haus, welches nicht weit vom Waldrande stand. Ich rief die Rettung und erklärte kurz die Situation. Als der Krankenwagen kam fuhr ich selbstverständlich mit. Nicht nur ich, sondern auch die Sanitäter bestanden darauf. Sie wollten mich Untersuchen. Keine Wunder, ich sah fast so zugerichtet aus wie du. Gut, am Ende schlief ich auf dem Weg ins Krankenhaus ein und wachte in einem Bett wieder auf. Die Ärzte fragten mich was passiert sei und ich erzählte ihnen eine Geschichte, die ich schnell aus dem Ärmel schüttelte. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mir glaubten, schließlich könnte ich es mit der Höhe des Baumes übertrieben haben. Auf jeden Fall entließen sie mich schnell und nun stehe ich hier. Ende mit der Geschichte.“, sagte Fred schlussendlich.
Die ganze Zeit horchte ich ihn gespannt zu. Ich war wie gefangen. Um so mehr er mir erzählte, um so dankbarer war ich. Wie es aussah, hatte er mich, er wahrhaftig, gerettet. Ohne ihn wäre ich womöglich, nein, mit ziemlicher Sicherheit, tot.
Die Verabschiedung fiel uns beiden schwer. Es war schon dunkel, also musste er wohl oder übel nachhause, um den letzten Bus zu erwischen. Dennoch versprach er mir jeden Tag vorbeizusehen. Zu Beginn tat er dies auch. Er kam jeden Tag nach der Schule zu mir ins Krankenhaus. Während meine Mom ein- bis zweimal die Woche vorbeischaute, kam Fred jeden Tag.
Was wir zu dieser Zeit taten, fragen Sie? Wir redeten. Wir beide erzählten uns alles, schüttelten uns das Herz aus. Wir vertrauten uns gegenseitig die größten Geheimnisse an, spielten Karten oder gingen den Schulstoff durch. Ich genoss diese Zeit sehr und ich glaube Fred erging es damit gleich. Es kam sogar so weit, dass Fred eines Tages zugab, nicht alles an seiner Geschichte mit Chuck wäre so passiert. Mehr wollte er mir jedoch nicht verraten, schließlich sei Chuck nun tot.
Ja, schon seltsam, wie man sich plötzlich wieder an Dinge erinnert, die man bereits aus dem Gedächtnis gelöscht hatte.“, meinte John sentimental, „Tatsächlich sagte er mir die Wahrheit. Jimmy hatte recht, er hatte damals gelogen. Wie konnte ich das wieder vergessen? Doch am Ende sagte er ja die Wahrheit, also wohl halb so schlimm, schätze ich.
Das einzige Mal, dass ich Jimmy ansprach, war, als ich ihn fragte, ob er wüsste, was Dr. Judith meinte, als sie im 24/7 Store anrief. Sie wusste mehr doch was, das wusste ich nicht. Auch hier meinte Fred, es sei ihm egal, schließlich sei das Vergangenheit.
Fred besuchte mich am Ende so oft, dass mich jene hübsche Krankenschwester fragte, ob wir beide den schwul seien. Mich regte diese Frage auf. Wir waren nicht schwul, nur beste Freunde. Zwar erzählte ich Fred nichts davon, doch ab diesem Zeitpunkt hörten seine täglichen Besuche auf und er besuchte mich nur noch jeden zweiten Tag. Auch diese Besuche verringerten sich, so wurden es nur zwei oder drei in der Woche. Ja, es kam so weit, dass ich eine ganze Woche lang gar nichts mehr von ihm hörte. Weshalb er immer seltener kam, konnte ich nicht herausfinden, schließlich sagte er mir nicht den Grund. Auch dass er eine Woche nicht kommen würde, war etwas, was er nicht vorher ankündigte. Etwas fiel mir jedoch auf. Bei seinen letzten Besuchen wurde er immer ruhiger. Wir hatten nicht mehr so viel Spaß, er lachte kaum noch. Ja tatsächlich, wirkte er verstört. Dies fiel mir jedoch erst im Nachhinein auf.
Nach nicht einmal zwei Monaten meinten die Ärzte, ich wäre für die Entlassung bereit. Sie meinten ich hätte mich besonders schnell auskuriert, das hätte wohl niemand gedacht. Es war unerfreulich zu hören, dass selbst die Ärzte nicht viel von mir hielten, jedoch freute ich mich natürlich auf meine Entlassung. Nur eine Woche vor dieser, wurde ich mitten in der Nach geweckt.
Bereits von den Schritten, die mein Zimmer betraten, wurde ich wach, dachte jedoch es sei eine Krankenschwester. Erst als ich leicht angetippt wurde, drehte ich mich zur Tür. Fred stand neben meinem Bett. Seine Augen waren rot und weit geöffnet. Es war mitten in der Nacht, weshalb ich verschlafen fragte, ob es auch wirklich Fred sei. Rotze lief ihm aus der Nase, Tränen aus den Augen.
„John, ich brauche dich.“, brachte er gerade so heraus.
Ich war zu erschöpft, um aufgebracht zu sein und fragte, was los sei.
„Bitte John, du musst mir helfen.“, sprach er.
„Nein Fred, lass mich in Ruhe. Ich möchte schlafen.“, sagte ich genervt.
„John er ist zurück. Chuck ist zurück und er wird mich töten.“, sagte er. Noch immer bekam er keine Aufmerksamkeit von mir.
Warum? Warum habe ich ihm damals nicht zugehört?“, fragte sich John selbstzweifelnd. Er wirkte erschöpft. John stand für einen kurzen Moment auf, doch setzte sich sofort wieder hin. Sein Blick ging ebenfalls für einen kurzen Moment hoch. Er sah Dr. Phillips direkt in die Augen, doch bemerkte nichts Außergewöhnliches. Er bemerkte nicht, dass es etwas anderes war, was ihm gegenüber saß.
Schweratmend erzählte er: „Ich habe keine Ahnung, weshalb ich so müde war, doch von Fred wollte ich nichts hören.
Fred bettelte mich an. Er sagte: „John, bitte hilf mir. Ich schwöre dir, ich werde sterben. Er ist hinter mir her. Chuck wird mich töten.
Genervt antwortete ich: „Alter Fred lass mich in Ruhe. Nächste Woche werde ich entlassen, dann können wir über alles reden.“
Fred ließ jedoch nicht locker. Ich hätte merken müssen, dass er unbedingt meine Hilfe benötigte. Er sagte: „Nächste Woche bin ich tot, verstehts du.“
Dies waren die letzten Worte, die ich von ihm wahrnahm. Ich schlief nämlich wieder ein. Wie lange Fred danach noch in meinem Zimmer stand und mit mir zu reden versuchte, weiß ich nicht. Alles was ich weiß ist, dass ich es am nächsten Morgen nicht bereute, Fred nicht weiter zugehört zu haben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er meine Hilfe benötigte. Schließlich war Jimmy tot. Fred war sich so sicher und ich zweifelte nicht an seine Worte. Dass er nun behauptet hatte, Jimmy sei noch am Leben und möchte ihn umbringen, klang einfach unmöglich. Ich stempelte seinen Besuch der vorherigen Nacht als Überreaktion ein. Ich dachte mir, er hätte vielleicht einen Jungen gesehen, der Jimmy ähnlich sehe und neigt nun zur Überreaktion. Ich verstand es auch, schließlich war das, was uns geschehen ist ein traumatisches Erlebnis.
Warum habe ich ihm nicht geglaubt?
Die nächsten fünf Tage waren die Hölle. Ich freute mich schon so sehr auf meine Entlassung, doch die Tage mochten einfach nicht vergehen. Auch, dass Fred nicht mehr auftauchte, machte das ganze nicht besser. Wie gesagt, ich machte mir keinerlei Sorgen um ihn, dachte, er wäre einfach nur sauer auf mich.
Auch wenn sie langsam vergingen, vergingen sie irgendwann und meiner Entlassung stand nichts mehr im Wege. Ich war wieder vollkommen Bewegungsfähig und musste demnach am nächsten Tag wieder in die Schule. Auf die Schule hatte ich keine Lust, mir kam das Kotzen als ich realisierte, dass ich meinen Klassenkameraden wieder in die Augen blicken müsste. Das Einzige was mir Hoffnung machte war mein einziger Freund. Ja, tatsächlich freute ich mich sogar irgendwie auf die Schule, weil ich wieder Fred sehen konnte.
Warum habe ich ihm nicht geglaubt?
An jenem Morgen verschlief ich und war etwas später dran als sonst. Das bedeutete, ich war der letzte der das Klassenzimmer betrat. Alles Schüler saßen auf ihren Platz. Alle, bis auf Fred. Die Augen waren auf mich gerichtet, doch sie schwiegen. Ausschließlich der Lehrer begrüßte mich und freute sich, dass es mir wieder besser ginge. Sofort war mir klar, dass die Stimmung seltsam war. Alle wirkte ein wenig deprimiert. An jenem Tag schien es so, als wäre niemand Motiviert auf irgendwas gewesen. Beispielsweiße machten wir an jenem Tag weniger Stoff durch, was mir egal war, da ich sowieso nichts verstand. Ja, an jenem Tag wirkte es so, als sei jemand gestorben.
Warum habe ich ihm nicht geglaubt?
Warum half ich ihm nicht?
Um ehrlich zu sein, ahnte ich nichts. Ich hatte keine Ahnung was vorgefallen sein könnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Fred tot sei. Dieser Gedanke kam mir nicht in den Kopf. Auf das dachte ich nicht.
Warum fiel es mir nicht ein?
Erst als ich an jenem Abend im Bett lag und mir Gedanken machte, kam es mir in den Sinn. Ich erinnerte mich wieder an Freds Worte, welchen ich keinen Glauben schenken wollte. Ich wollte ihm nicht glauben und nicht helfen, obwohl er mich anflehte. Ich dachte mir „Was wenn er damals die Wahrheit sagte?“
Er sagte die Wahrheit.
Ich sprang aus dem Bett, zog mir eine Jacke an und fuhr mit meinem Bike auf dem Friedhof. Bei der Fahrt sagte ich leise zu mir: „Bitte irre dich. Bitte irre dich.“ Diese Worte wiederholte ich auch, als ich den Friedhof absuchte. Im Dunkeln, ohne Taschenlampe und nur mit dem Licht des Mondes, suchte ich nach einem Grab, welches nicht existieren sollte.
Fred konnte unmöglich tot sein. Tränen bildeten sich. Es waren Tränen, welche ich mir aus den Augen reiben konnte. Doch als… AHHHHHHHHHHHHHH!!!!!“
John stand auf und schrie sich die Selle aus dem Leib. Er weinte bitterlich. Er setzte sich wieder doch stand gleich darauf erneut auf. Er sprang auf und ließ sich wieder nieder. Dass wiederholte er einige Male, während er wie ein Kind, nein, wie eine liebende Mutter, die soeben erfuhr dass ihr Kind gestorben ist, weinte. Ja, er weinte bitterlich.
„Fred! Warum bloß! Es tut mir so leid!“, schrie er. Dieselben Worte kamen aus seinem Mund als er damals, Ende April 2003 um elf Uhr abends das Grab seines Freundes entdeckte. Auch damals kniete er sich nieder und sprang wieder auf nur um hysterisch um den ganzen Friedhof rennen zu können. Ja, man kann sagen John hatte nun sowie damals einen Nervenzusammenbruch.
„Warum habe ich ihm nicht geglaubt? Warum habe ich ihm nicht geholfen? Warum bin nicht ich gestorben?“, fragte sich John.
Es dauerte einige Zeit, bis er sich beruhigte. Er setzte sich wieder doch sein Geheule hörte nicht auf. Er schluchzte: „Wissen Sie was das schlimmste ist? Fred starb nur einem Tag nachdem er bei mir in der Nacht auftauchte. Hätte ich auf ihn gehört, hätte ich ihn retten können. Nein wissen Sie was noch schlimmer ist. An jenem Tag an dem ich sein grab sah, war auch seine Beerdigung. Beinah die ganze Klasse war anwesend, wie ich später erfuhr. Nur ich, sein bester Freund, ist nicht gekommen. Ich hätte mich von ihm verabschieden können. Seinen Körper noch ein letztes Mal sehen können. Doch mir Trottel kam erst am Abend die Idee, ihm hätte was geschehen können. Nein, wissen Sie was das aller schlimmste ist? Obwohl ich damals an seinem Grabstein seinen Namen klar und deutlich lesen konnte, weiß ich noch immer nicht, wie er mit vollen Namen hieß. Wissen Sie was, ich bin wohl der schlimmste Freund, den es gibt.
Bis zum nächsten Morgen saß ich vor seinem Grab und heulte mir die Seele aus dem Leib. Ich konnte es einfach nicht realisieren, dass er wirklich tot war. Als ich nachhause ging, die Sonne ging gerade auf, legte ich mich wieder ins Bett und sagte mir, alles werde wieder gut. Ich redete mir ein, ich würde Träumen und Fred würde noch leben. Dies war jedoch nicht der Fall.
Eine Woche lang schwänzte ich die Schule. Das war auch unter anderem der Grund, weshalb ich die Klasse wiederholen musste. Ich ging somit noch ein weiteres Jahr zur Middle School und absolvierte darauf die High School. Daraufhin versuchte ich mich mit kleineren Jobs durchzuschlagen, wie zum Beispiel Kellner, bis ich schlussendlich eine Ausbildung zum Elektriker machte. Ich muss sagen so schlecht ist mein Einkommen nicht und vor allem mit den kleinen Model-Jobs, lässt es sich leben.“ John schmunzelte, obwohl seine Tränen erst vor wenigen Sekunden trockneten.
„Jedenfalls hatte wohl Freds tot etwas Gutes an sich. Von Jimmy wurde ich nicht mehr belästigt. Ich konnte eine normale Jugend führen, auf Partys gehen, Beziehungen pflegen. Ja, man kann sagen Fred opferte sich für mich, denn mein Leben wurde besser. Ich kann mich nicht beschweren.“, sprach John. Daraufhin schwieg er. Es war still. Keiner der beiden sagte ein Wort. John wartete wohl auf Alfred Diagnose, bis ihm wohl auffiel, dass er mit seiner Geschichte noch nicht am Ende war.
„Jedenfalls,“, sprach John im selben monotonen Ton, in dem er seine Geschichte schon die ganze Zeit erzählte, „war mein Leben gut. Es war wirklich wunderbar. Noch in der High School fand ich eine Freundin, Pia ist ihr Name, oh Pia, wie ich dich liebe, mit ihr zog ich nach Denver, vorerst in eine kleine Wohnung. Vor acht Jahren kam unser Sohn zur Welt. Simon ist sein Name. Er ist wirklich hübsch muss ich sagen. Pia und ich heirateten und kauften uns ein Haus auf Raten. Ja, wir waren eine kleine Vorzeige Familie. Einen hübschen Sohn, eine hübsche Ehefrau und, wenn ich es so sagen darf, einen hübschen Ehemann. Wir hatten keine Geldprobleme, keine Streite. Wir waren glücklich. Wir waren so glücklich, dass ich Jimmy total vergaß. Ich vergaß nicht nur Jimmy, sondern auch alles schrecklich was er mir antat. Doch auch Fred vergaß ich. Wie ich ihn vergessen konnte, keine Ahnung? Lediglich dunkel konnte ich mich daran erinnern.
Wie konnte ich nur Fred vergessen?
Vielleicht wollte ich es auch verdrängen. Vielleicht wollte ich all das schreckliche verdrängen. Vielleicht wollte ich mich an diese Zeit einfach nicht erinnern. Leider tauchte Fred genau in dieser Zeit auf, was ihn unfreiwillig ebenfalls aus meinem Gedächtnis verschwinden ließ.
Wie ich bereits erwähnte, hat es einen Grund, weshalb ich heute bei Ihnen sitze. Der Grund ist mein Sohn.
Lassen Sie mich ein wenig ausholen. Simon begann sich vor etwa einem halben Jahr seltsam zu verhalten. Das erste Mal fiel es mir auf, als ich ihn in seinem Zimmer mit jemanden sprechen hörte. Es klang jedenfalls so, doch als ich die Zimmertür öffnete und nur ihn vorfand, dachte ich mir nichts dabei. Er würde nur mit sich selbst reden, so waren meine Gedanken. Wie sollte ich auch auf die Idee kommen, ein Geist sei bei ihm?
Simon, war ein sportlicher Junge. Bei jeder Gelegenheit ging er ins Freie und traf sich mit seinen Freunden. Er war quasi das Gegenteil von mir, wenn man das so sagen kann. Als er jedoch immer öfters in seinem Zimmer spielte, obwohl draußen schönes Wetter war, machte nicht nur mich, sondern auch meine Frau stutzig. Pia suchte mit ihm das Wort und fragte, weshalb er nur noch seltener mit seinen Freunden spielte. Diese klingelten öfters an unserer Haustür und fragten, ob Simon zu ihnen kommen möchte. Simon verneinte dies jedoch. Als meine Frau nun mit Simon ein Gespräch führte, sagte er ihr, er würde mit Freunden spielen. Pia wusste nicht, wovon er sprach. Simon erklärte ihr jedoch, dass er einen Freund hätte, den nur er sehen konnte.
Ja, so begann es. So begann das ganze Unheil, welches unsere Familie auf die Probe stellte. Doch jede Probe kann überwunden werden, nicht wahr?
Jedenfalls zitierte meine Frau Simon für mich. Ich dachte mir nichts dabei. Was hätte ich den denken können. Der Junge war gerade einmal acht Jahre alt. In diesem alter ist es normal, einen imaginären Freund zu haben. Imaginärer Freund. Etwas lösten diese Worte bei mir aus. Ich wusste nicht was, aber irgendetwas fühlte sich unangenehm an. Ja, irgendetwas sagte mir, ich müsste Simon davon abbringen, mit seinen imaginären Freund zu spielen.
Nun stellte ich Simon zur Rede. Ich fragte ihn, was Sache wäre, versuchte bei ihm einzudringen. Er sagte mir nichts.
„Ich habe gehört, du hast einen unsichtbaren Freund.“, meinte ich zu ihm. Er bestritt dies jedoch. Erneut redete ich auf ihn ein und fragte, weshalb er mir nichts erzählen würde. Noch immer schwieg er. Ein weiteres Mal fragte ich nach. Es schien so, als hätte sich Simon mit jemanden beraten, denn nachdem er zur seiner rechten Seite blickte, nickte und mich daraufhin wieder anstarrte, sagte er: „Tut mir leid Dad, aber er möchte nicht, dass du etwas von ihm erfährst.“
So endete mein Gespräch mit Simon. Ich beließ es dabei. Er hatte eben einen unsichtbaren Freund. Was soll da bloß passieren.
Es ist eigentlich unmöglich dass dort was passiert.
Wenn er mir es nicht sagen möchte, dann ist es so.
Ich kann ihn doch nicht vor etwas nicht Existenten retten.
Warum sollte ich ihn retten?
Ja, wenn ich so rechte bedenke, ist ein imaginärer Freund das ungefährlichste was es nur gibt.
Ach ja, wenn ich mich dabei nicht geirrt hatte.
So kam es, dass ich auch die nächsten Anzeichen ignorierte. Nicht nur, dass Simon alleine in seinem Zimmer spielte und sich mit sich selbst unterhielt, sondern dies auch in der Öffentlichkeit tat. Einmal waren wir Eis essen. Dort sagte er öfters zu sich selbst, dass das Eis gut sei.
Er sagte: „Ja, ist schon gut, nicht wahr? Ja da hast du recht. Lecker das Eis. Finde ich auch. Das Eis ist wirklich Lecker. Ja es ist lecker.““, John sagte das mit unheimlich hoch- verstellter Stimme. Man hätte nicht ahnen können, dass solche Worte aus seinem Mund kommen können.
„Zum Glück war ich an jenem Tag mit ihm alleine in der Stadt. Mir war das ganze zwar peinlich und ich fragte ihn, warum er mit sich selbst sprach, doch wäre meine Frau anwesend gewesen, wäre sie durchgedreht, so wie ich sie einschätzte. Übrigens, wollte Simon mir noch immer nichts sagen. Als ich ihn nämlich fragte, weshalb er mit sich selbst sprach, wurde er still und sagte den halben Nachmittag nichts mehr.
Eine ähnliche Situation ereignete sich bei einer langen Autofahrt. Meine Frau und ich saßen vorne, Simon, alleine, auf dem Rücksitz. Aus dem nichts lachte er vor sich hin. Er lachte, als hätte er einen lustigen Witz gehört. Es war jenes süße Kinderlachen, welches ich von ihm gewohnt war, dennoch machte dieser plötzliche Lachanfall es gruselig. Mit den Worte: „Ach man.“, beendete er seine Lachorgie.“
Erneut verstellte John seine Stimme, als er für Simon sprach. Dies machte er auch jedes andere Mal. Vor allem als er Simons Geschichte wiedergab, musste sein Kehlkopf gelitten haben. Wenn er bloß wüsste, dass ihn dort niemand mehr zuhörte.
„So ging es in etwa einen, vielleicht eineinhalb Monate lang. Simon benahm sich seltsam, keine Frage, doch Grund zur Sorge gab es noch nicht. So sah ich das Ganze. Meine Frau war jedoch nicht meiner Meinung.
Eines Abends meinte sie, wir sollten einen Psychiater oder ähnliches aufsuchen. Ich hielt das für totalen Schwachsinn. Vor Psychiatern hielt ich nichts. Ich versuchte ihr zu erklären, dass es normal in seinem alter sei, einen unsichtbaren Freund zu haben. Sie hingegen sagte: „Schatz, ich hatte in seinem alter ebenfalls einen imaginären Freund. Ich habe mit ihm gespielt und geredet, doch nicht in der Öffentlichkeit. Mir war klar, dass mein Freund nicht real war, doch bei Simon sieht das ganze anders aus. Er spricht mit ihm als sei dort wirklich jemand. Außerdem ist er nur noch alleine und vernachlässigt seine Freunde. Gestern hat er seinen Mathe-Test zurück bekommen und hatte eine vier.“, er war ein sehr guter Schüler und schrieb normalerweise nur Einsen, „Verstehst du mich nicht John. Mit mir möchte er nicht reden und selbst mit dir findet er nicht das Wort, obwohl er dir alles erzählte.“, sie hatte recht, Simon und ich konnten wirklich über alles reden, „John, ich möchte das es aufhört und meinen normalen Jungen, meinen Simon wieder.“
Diese Worte machten mich ein wenig wütend. Es klang so, als würde sie Simon nicht mehr so mögen, wie sie es früher tat. Dafür hatte ich kein Verständnis. Das Gespräch endete mit einem Streit.
Es dauerte nicht lange, bis auch mir, seltsame Dinge auffielen. Sie müssen wissen, während ich von Montag bis Freitag von morgens bis zum Nachmittag arbeite, arbeitet meine Frau am Samstag und Sonntag von morgens bis abends. Sie arbeitet als Krankenschwester im Denver Hospital. Kein schlecht bezahlter Job musss ich sagen. Das führt dazu, dass Simon und ich das Wochenende für uns allein hatten. Wir unternahmen in diesen beiden Tage so einiges. Oft fuhren wir ins Kino, gingen in die Stadt Eis essen oder ich fuhr mit ihm zum Sportplatz auf welchen wir, obwohl ich es bis heute nicht kann, Fußball speilten. Ja, wir unternahmen Dinge, wie es Kumpels machten. Auch wenn wir viel unternahmen, spielte er jedoch am häufigsten mit seinen Gleichaltrigen. Aber auch nur so lange, bis er seinen imaginären Freund zum spielen hatte.
Ich sagte bereits, dass mir an jenen Wochenende etwas Seltsames auffiel. Um ehrlich zu sein war es das erste Mal, dass mir etwas auffiel, was ich als beunruhigend einstufen würde.
Eine Woche zuvor ging ich mit Simon in die Mall. Wir hatten einige Sachen zum erledig, besser gesagt ich hatte einige Sachen zum Erledigen. Nachdem ich alles fertigstellte, ging ich mit Simon in den Spielzeugladen. Ich meinte, er dürfe sich etwas aussuchen, was nicht mehr als zehn Dollar kosten würde. Schnell wurde er fündig. Eine Packung mit grünen Spielzeugsoldaten kostete nur 5.99$. Die wollte er unbedingt haben. ich war so freundlich und kauft ihm sogar zwei.
Das seltsame an der ganzen Sache war nicht etwa, dass er kein Typ für solche Figuren war, sondern, dass es für 5.99$ tausend Soldaten gab. Eine Packung wog über 2 Pfund. Ich dachte mir, ich hätte keinen schlechten Deal gemacht. Oh, erneut täuschte ich mich. Um genau diese Soldaten ging es nämlich die Woche darauf.
Meine Frau fuhr etwa um fünf Uhr morgens zur Arbeit. Ich wurde so gegen sieben Uhr morgens wach. Als ich die Küche betrat, um mir einen Kaffee zu machen, traf mich der Schock. Kein Winkel der Küche war von den kleinen Soldaten verschont. Ich öffnete den Kühlschrank. Auch dort standen welche. Ich sah in die Mikrowelle, in den Toaster, ja, selbst in die Kaffeetassen. Überall standen diese Dinger aus Plastik. Das war jedoch nicht alles. Als ich auf die Toilette ging und dort mein Geschäft verrichtete, erwartete mich eine weitere böse Überraschung. Die Toilette verstopfte. Grund dafür, kleine Spielzeugsoldaten. Während ich versuchte die Toilette zu reinigen, fielen mir noch mehr Soldaten auf. Selbst unter dem Pümpel lag einer. Simon musste mich fluchen gehört haben. Verschämt kam er um halb acht in die Toilette und fragte was los sei.
Wütend meinte ich: „Was los ist? Simon, dass ist nicht lustig, hörst du.“
Simon schien jedoch nicht zu wissen was vorfiel. Ich riet ihm einen Blick in die Küche zu werfen, um das Spektakel selbst beurteilen zu können. Ohne Worte sah er sich das Schlammassel an.
„Das wirst du alles zusammenräumen. Ich möchte keinen Soldaten mehr sehen.“, sagte ich im zornigen Ton.
„Aber dafür benötige ich doch den ganzen Tag.“, sprach er.
„Ja genau, doch das hast du dir selbst eingebrockt.“, sagte ich.
Dass er dafür den ganzen, oder zu mindestens den halben Tag benötigen würde, war mir bewusst.
„Aber ich war das nicht Dad, das schwöre ich.“, sagte Simon darauf.
Ich bekam ein Déjà-vu. Mir kam vor, als hätte ich so etwas ähnliches selbst erlebt. Als sei mir selbst etwas so ungerechtes wiederfahren.
Ich ließ nicht locker und als ich im Wohnzimmer einen ähnlichen Saustall wahrnahm, wurde ich erneut wütend und drohte mit Hausarrest. Erst später musste ich realisieren, dass wen Simon einen ganzen Tag benötigte, um tatsächlich, alle, Soldaten einzusammeln, wie hätte er es in der Zeitspanne von sechs bis sieben Uhr morgens schaffen können, jeden einzelnen Soldaten sorgfältig aufzustellen?
Wie gesagt, darüber machte ich mir keine Gedanken. Alles, an dass ich dachte, war, dass wenn Pia dieses Durcheinander gesehen hätte, sie einen Schlaganfall bekommen hätte. Sie müssen wissen, meine Frau, so sehr ich sie auch liebe, hasst Unordnung. Sie hat einen regelrechten Putzzwang und möchte dass alles ordentlich ist und an seinen Platz steht. Es war anscheinend auch so, dass Simon nicht jeden einzelnen Soldaten fand. Tage später hörte ich sie nämlich aufstoßen, dass sie schon wieder einen Soldaten an der unmöglichsten Stelle fand. Auch auf mich war sie wütend, da ich Simon überhaupt erst die 2000 Spielzeugsoldaten gekauft habe. Das war zu einem Zeitpunkt, an dem wir noch nicht ahnten, dass dieses Spielzeug nicht unser größtes Problem bleiben wird.
Eine oder vielleicht zwei Wochen vergingen. Ohne etwas Böses zu ahnen, ging ich an Simons Zimmer vorbei. Er spielte wieder mit sich allein. Die Zimmertüre stand einen spalt offen, weshalb ich einen Blick ins Zimmer wagte. Auf dem Boden lagen Autos, Spielzeuge aus Müsliverpackungen und welche aus Fast-Food Restaurants. Er schien mit sich selbst zu sprechen. Warum ich sage, er schien? Ich bin mir mittlerweile nicht mehr ganz so sicher. Ich sah ihn nur von hinten. Simons und eine weitere Stimme waren zu hören. Sie klang verzerrt, ja nun kann ich es ja sagen, es war Jimmys Stimme. Jedenfalls war ich fest der Meinung, Simon würde seine Stimme verstellen. So lange jedenfalls, bis ich folgendes feststellen musste.
Während Simon eine Actionfigur in der Hand hielt und die Arme auf und ab bewegte, bewegte sich neben ihm noch etwas. Es war ein Auto. Kein ferngesteuertes Auto, nein, ein klassisches Matchboxauto. Dieses bewegte sich hin und her, ja, als ob ein Kind damit spielen würde. Nicht lange sah ich mir das Spektakel an. Ich stürmte in Simons Zimmer, welcher dabei auch erschrak.
„Dad, was machst du hier?“, fragte er mich verwundert. Ich ging ohne Worte zu dem kleinen Auto, hob es hoch und betrachtete es. Es waren weder eine Schnur noch ein kleiner Motor vorzufinden.
Schockiert fragte ich Simon: „Sag mir bitte, wie du das gemacht hast?“
Simon wirkte nun noch verwunderter und fragte mich mit einer Gegenfrage: „Wie ich was gemacht habe?“
„Ist noch wer bei dir. Ich habe es doch mit meinen eigenen Augen gesehen. Das Auto hat sich bewegt ohne, dass du es nur mit einem Finger berührt hast.“, sagte ich.
Wortlos sah mich mein Sohn an. Ich ließ das Auto zu Boden fallen. Unsere Augen waren auf dieses gerichtet.
Nach einer kurzen Pause bewegte ich mich auf sein Bett zu. Ich hob die Decke hoch, welche bis zum Boden ging und sah unter dem Bett nach. Ich suchte nach einen Freund von Simon, der sich womöglich versteckt hielt. Ich war der felsenfesten Überzeugung, er und ein Freund würden mich verarschen.
Nachdem ich niemanden unter dem Bett fand, suchte ich die nächste Versteckmöglichkeit ab . Schnell kam ich auf den begehbaren Kleiderschrank. Ich öffnete ihn. Im selben Moment sagte Simon: „Nicht, da sind doch die Monster drinnen.“
Genervt sagte ich: „Ach ja, vor nicht existenten Monstern hast du Angst, aber vor einem Auto, welches sich auf unerklärliche Weiße bewegt nicht.“
Ich war nicht auf Simon wütend sondern auf mich selbst. Ich schien am Durchdrehen zu sein. Schien mir Dinge einzubilden, die nicht existierten. Wie zur Hölle, konnte sich dieses Auto bewegen?
Dabei fällt mir auf, ich habe Ihnen noch nichts über Simons größte Angst erzählt. Es waren jene Monster aus seinem Kleiderschrank. Drei an der Zahl. Es fing damit an, dass er mit fünf Jahren einen Albtraum von drei Monstern hatte. Der eine sei groß, schlank und rot gewesen. Seine Augen ragten aus seinen Kopf. Dazu bestand sein Körper nur aus Schnüren. Der zweite wäre klein, gelb und dick gewesen. Seine blauen Harre, welche er aus Vokuhila trug, gingen bis zum Boden. Der dritte war grün und etwas größer als der Gelbe gewesen. Anstelle seines Mundes hatte er ein hervorstehendes Maul mit spitzen Zähnen. Außerdem war er, im Gegensatz zu den anderen nicht nackt, sondern trug einen, ebenfalls grünen, Anzug. Ja, von diesem Monstern hatte er schon seit seinem fünften Lebensjahr Angst gehabt. Jede Nacht, bevor er schlafen ging, mussten meine Frau und ich einen Blick in den Schrank werfen, um zu gucken, ob dort auch wirklich niemand drinnen sei. Neben den einen Albtraum mit fünf, hatte er einen weiteren Albtraum mit sechs. Danach nicht wieder. Dennoch schienen ihm diese Träume so verstört zu haben, dass er ein Trauma oder ähnliches davon erlitt. Sowohl meine Frau als auch ich, waren uns sicher, dass diese Angst in Zukunft verschwinden würde, und machten uns somit keine weiteren Sorgen.
Jedenfalls wurde ich auch im Schrank nicht fündig. Ich drehte mich zu Simon und fragte erneut: „Wie hast du das angestellt.“ Noch immer war ich wütend. Im Gegensatz zu mir, war jedoch Simon nicht mehr ängstlich, wie er es war, als ich den Schrank öffnete. Im Gegenteil. Simon saß knieend am Boden, hatte einen Finger an seinen Mund und lächelte. Sei Lächeln wirkte schelmisch. Mit Freude sagte er: „Ich habe es dir doch gesagt, es war mein unsichtbarere Freund. Doch von ihm darf ich dir nicht erzählen.“
Verwirrt blickte ich ihn seine Augen, welche Freude ausstrahlten. Nicht nur, dass ich verwirrt war, nein, ich würde sogar sagen ich war verstört. Ich kam mit der ganzen Situation nicht klar. Es wurde mir langsam zu fiel.
Nach einen intensiven Blickaustausch sah Simon zu seiner rechte Seite und hielt seinen Kopf etwas schräg, als ob ihm jemand etwas ins Ohr flüstern würde. Er nickte und sagte: „Jimmy ist sein Name.“
Sofort ging bei mir ein Licht auf.
„Wiederhole das?“, fragte ich Simon im gelassenen Ton. Ich wollte es mir nicht anmerken lassen. Ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass in jener Sekunde all meine Erinnerungen zurückkamen. Ich wusste nicht einmal, dass ich es vergessen habe, was damals geschah. Es war so, als sei es niemals geschehen. Doch als Simon diesen Namen erwähnte, einen Namen, der nicht gerade selten vorkommt, fiel mir alles wieder ein. Ich konnte mich an die Schrecklichen Sachen erinnern, welche mir passierten. An den Tod von Miss Sawjer, den Tod von Steve, den Tod von Fred. Oh, verdammte scheiße. Verdammte scheiße, wie zur Hölle konnte ich meinen Freund vergessen? Meinen Helden, welcher sich für mich geopfert hatte?
„Er wusste, dass du so reagierst.“, meinte Simon im kalten Ton. Das letzte Wort konnte ich mir nur noch denken. Ohne zu warten, rannte ich aus Simons Zimmer. Mit meinen Händen an den Kopf gehalten, lief ich in das Schlafzimmer meiner Frau und mir. Ich kniete mich zu Boden, drückte meinen Kopf gegen das Bett und schrie. Ich schrie mir die Selle aus dem Leib, gefolgt von Tränen.
Das Unterdrücken meines Schreies, in dem ich mein Gesicht fest gegen die Matratze presste, brachte nicht viel. Keine Minute später stand schon Pia hinter mir. Sie versuchte mich vom Bett zu bringen, damit sie mir ins Gesicht sehen konnte, doch ich war stärker. Alles was ich wollte war zu weinen. Schließlich schaffte sie es mich hochzubekommen. Wütend fragte sie mich, was denn nur in mich gefahren sei. Ich rubbelte an meinen Augen und konnte Simon in der Tür stehen sehen.
„Warum?! Warum tust du mir dass nur an?!“, schrie ich in Simons Richtung. Natürlich brüllte ich nicht meinen Sohn, sondern Jimmy an. Ich war mir sicher er würde hinter meinen Jungen stehen. Ja, in meinem inneren Auge konnte ich ihn sogar mit seinen fetten Grinsen begutachten.
„Simons, Schatz, geh bitte in dein Zimmer.“, sagte Pia ruhig. Sie ließ mich los, schloss die Tür und ging wieder auf mich zu.
„Sag mal, spinnst du?“, schrie nun sie mich an, „Was ist denn in dich gefahren? Bist du noch ganz bei Sinne?“
Nein, ich war es nicht. Ich war kurz davor den verstand zu verlieren. Mir fehlten die Worte Pia alles zu erklären und brachte nur Gestotter heraus. Wahrscheinlich hätte sie es sowieso nicht verstanden.
„John, sag mir was los ist?“, fragte sie mich. Ihre Stimmlage war wieder etwas leiser, dennoch war sie noch wütend.
„Jimmy“, war das einzige Wort, welches ich aus mir brachte.
„Wer ist dieser Jimmy.“, fragte sie mich nur um keine zehn Sekunden später zu realisieren, dass sie diesen Namen schon einmal gehört hat. „Nein, du redest doch nicht über Simons imaginären Freund?“ Sag mal, muss ich dich zum Psychiater bringen?“
Ach ja, von den Psychiatern habe ich bereits die Schnauze voll, dass sage ich Ihnen.
Es dauerte eine Weile, bis ich wieder beim klaren Verstand war. Ich sah ein, dass es nichts brachte mich mit meiner Frau darüber zu streiten. Mir wurde schon damals nicht geglaubt. Ändert es etwas, nur weil ich älter bin? Natürlich glaubt mir niemand. Es klingt verrückt. Der Tag endete damit, dass ich die Nacht auf dem Sofa verbringen musste.
Die nachfolgenden Tage versuchte ich mit Simon ein Gespräch zu führen. Ich wollte unbedingt mit ihm darüber, über dieses Monster, reden, doch er öffnete sich mir nicht. Auch meine Frau merkte, dass Simon kühler zu mir wurde. Noch kühler als er schon kurze Zeit zuvor wurde. Jimmy war der Schuldige. Jimmy schaffte es schon damals mir mein Leben zu versauen und wollte dies noch einmal tun. Doch dieses Mal wollte ich es nicht zulassen.
Neben dem, dass ich wusste, Simon bräuchte jemanden zum Reden, brauchte ich ebenfalls jemanden. Ich musste irgendeinen Menschen, jemand der kein Kind ist und auch nicht meine Frau, erzählen was damals vorgefallen ist und nun geschieht. Diesen jemanden hatte ich bereits in meinem Umfeld, so dachte ich.
Schon seit Jahren ist es bei mir Tradition mich mit meinen Kumpels am Samstagabend in der Bar in unserer Stadt zu treffen und Football zu gucken. Mich interessierte Sport absolut nicht, doch diese Zeit mit Freunden und ein paar Bierchen war unbezahlbar. Die meisten lernten sich durch unsere Frauen kennen, welche ebenfalls befreundet sind. Andere wiederum erst in der Bar. Wir waren zu sechst. Neben jenen Samstagabend trafen wir uns oft auch sonntags. Entweder zum Angeln oder bei jemanden zuhause, um fernsehen zu gucken. Auch in der Kirche, beim wöchentlichen Gottesdienst, sah man sich hin und wieder. Ja, wir waren eben gute Freunde. Freunde die ich in meiner Jugend nicht hatte.
An jenem Samstag, nur paar Tage nachdem ich von Jimmy erfuhr, also erneut erfuhr, sprach ich jenes Thema an. Es war schon halb elf und ich hatte bereits ein paar Bier intus. Ich ging zu meinem ältesten Freund. Wir lernten uns im letzten Jahr der High School kennen. Zwar verstanden wir uns dort noch nicht so gut, hatten auch keinen Kontakt, doch als meine Frau und ich in unser Haus zogen und er zufälligerweise nicht weit von unserem wohnte, wurden wir beinah unzertrennlich.
Zu genau diesen Freund, sein Name ist George, aber das halte ich für unwichtig, ging ich. Ich meinte, wir sollten uns an einen anderen Tisch setzten, da ich mit ihm reden müsste. Er bestellte uns noch zwei Bier und wir entfernten uns von unserer Gruppe.
„Was gibt es denn? Stress mit Pia?“, fragte er mich.
„Ja, woher weißt du das?“, fragte ich ihn.
„Um ehrlich zu sein sagte es mir Silvia. Sie und Pia telefonierten gestern. Du weißt doch wie die Frauen sind. Die tratschen gerne. Dort meinte jedenfalls Pia, du würdest dich etwas seltsam benehmen. Du weißt schon.“, sprach er.
„Nein, weiß ich nicht. Was sprach meine Frau?“, fragte ich ihn.
„Na, so genau weiß ich es auch nicht. Sie meinte nur du und dein Sohn würden sich auseinander Leben. Sowohl Simon als auch du seien mehr in euch gekehrt.“, so George.
„Naja, so genau sah ich das ganze nicht.“, sprach ich. Tatsächlich wusste ich nicht, was Pia von mir hielt. Dass, was mir George an diesen Abend erzählte, war für mich neu.
„Hey man, da habe ich einen Tipp für dich. Bringt doch mehr Abwechslung in die Kiste.“, sprach er scherzhaft.
Im ernsten Ton jedoch kam ich zum eigentlichem Thema. Ich sprach: „Nein George, darum geht es nicht. Du musst verstehen, der imaginärer Freund meines Sohnes ist real und hat mir schon damals das Leben zur Hölle gemacht.“
Georges Pupillen wuchsen.
Schockiert sah er mich an. Gedanken gingen mir durch den Kopf. Sah er ihn etwa auch? Konnte ich mit seiner Hilfe nun Jimmy endgültig besiegen?
Sein erstauntes Gesicht veränderte sich schneller als ich dachte. Seine Augen behielt er zwar offen, doch sein neutraler Mund zog sich hoch. Schlussendlich kniff er auch seine Augen zusammen und stieß ein lautes Lachen aus. Das Gelächter konnten nun alle hören. Mit seiner Faust klopfte er gegen den Tisch. Mit der anderen Hand auf seinen Oberschenkel.
„Alter, was zur Hölle hast du getrunken?“, fragte er mich schnaufend. Diese Worte brachte er vor lauter Gelächter nur schwer und unverständlich aus seinem Mund. Schnell bekam die ganze Bar mit, dass George etwas Lustiges gehört haben musste. Meine Kumpels saßen sich zu uns. Es war Henry, welcher fragte, was den los sei.
Noch immer, schnaufend, meinte George, er solle mich fragen.
Wütend sagte ich zu George, er solle endlich aufhören, denn es ginge um ein ernstes Thema.
Nun wurden alle hörig. Auch George beruhigter sich langsam. Ich hatte nun die volle Aufmerksamkeit.
Flüsternd, damit niemand anderes als meine Kumpels zuhören, sagte ich in die Runde: „Leute, ihr müsst mir glauben. Mein Sohn hat einen imaginären Freund. Sein Name ist Jimmy. Er hatte kalte, leere Augen und blonde, ja, beinah weiße, Harre. Jimmy, war aber nicht nur Simons imaginärer Freund, nein, er war auch meiner. Außerdem ist er kein imaginärer Freund. Er ist weder imaginär noch ein Freund. Er hat mir damals mein Leben zur Hölle gemacht. Das gleiche passiert nun auch Simon. Auch er wird von diesen kleinen Monster tyrannisiert.“
„Was redest du für ein Zeug? Soooo viel Bierchen hast du doch noch gar nicht getrunken?“, fragte mich einer meiner Kumpels.
Ich erzählte weiter: „Nein Leute, es ist wirklich war. Wir müssen diesen Dreckskerl aufhalten. Dazu brauche ich eure Hilfe. Schon damals habe ich meinen Freund Fred an ihn verloren. Ich möchte nicht auch noch meinen Sohn an ihn verlieren. Und auch euch, Leute, möchte ich nicht verlieren. Also müsst ihr auf der Hut sein. Es kann wirklich gefährlich werden.“
„Das ist zwar witzig, aber irgendwann ist Schluss.“, sprach nun George im ernsten Ton. Auch meine anderen Kumpels blickten mich fragwürdig an.
Ich wurde lauter und wütend, stand auf, und sagte: „Das ist kein Witz mehr. Ich rede keinen Schwachsinn. Ihr müsst mir glauben. Wisst ihr was sonst passiert? Sonst wird mein Sohn qualvoll verrecken. Er wird ihn umbringen. Und wisst ihr was? Wenn erst einmal mein Sohn tot ist, wird er eure Kinder ebenfalls umbringen. Er wird sie alle töten, wenn wir nichts unternehmen.“
Eigentlich wäre meine Sprache noch nicht zu Ende gewesen, doch George stand nun ebenfalls auf, klopfte mit der Faust erneut auf den Tisch und schrie voller Zorn: „RAUS!“ Dabei zeigte er auf die Tür. Sie glaubten mir nicht. Niemand glaubte mir. Ich musste das ganze nun selbst in die Hand nehmen. Wütend verließ ich die Bar und ging nachhause.
Auf dem Weg dorthin, dachte ich über vieles nach. Aber vor allem musst ich mir einen Plan überlegen. Es musste eine Schwachstelle geben, die dieser kleine Dreckkerl hat. Diese musste ich finden. Mir wurde jedoch schnell klar, dass ich alleine nichts gegen Jimmy unternehmen konnte. Ich brauchte Hilfe. Wenn ich diese Hilfe jedoch nicht von meinen Freunden bekomme, musste mir jemand anderes helfen. Jemand, der Jimmy auch sehen konnte. Da ich ihn noch nicht sah, schlussfolgerte ich, dass nur Kinder und Jugendlich ihn sehen konnten. Also brauchte ich meinen Sohne. Noch am selben Abend ging ich in sein Zimmer und weckte ihn. Verdutz sah er mich an. Ich kniete mich zu Boden und unterhielt mich mit meinen Sohn, der noch im Bett lag.
„Simon, es ist ernst. Jimmy ist nicht dein Freund, hast du verstanden?“, sagte ich.
Simon antwortete mir nicht. Er sah mich nur verschlafen an.
Ich musste etwas lauter werden und sagte: „Verdammte Scheiße Simon. Jimmy wird dich töten.“
Diese Worte hatte auch Pia gehört. Wütend zerrte sie mich aus Simons Zimmer. Sie meinte, ich würde langsam verrückt werden und solle mich auf das Sofa legen, um zu schlafen. Auf Schlafen konnte ich jedoch nicht denken. Ich musste Simon helfen. Ich war derjenige, der die Welt retten musste.“, sagte John und schwieg.
John saß für etwa eine Minute still und regungslos da. Sein Blick richtete sich zwar nach vorne, doch er sah in die leere. Er sah die kahle weiße Wand an, welche sich in Dr. Phillips Praxis befand. Die kahle weiße Wand wurde plötzlich grau. Aus unerklärbaren Gründen. Ein Lacher kam John hoch. Es war wie Schluckauf, welchen er nicht kontrollieren konnte. Ein zweiter und ein dritte Lacher kamen hoch. Jeweils nur eine Sekunde andauernden.
So wie Schluckauf, kam auch Geschluchzter hoch. Dieses dauerte jedoch länger an als das Gelächter. Es waren Tränen, welche aus unerklärbaren gründen aus John herausschossen. So schnell wie diese auch kamen, so schnell verschwanden sie auch.
John sprach im hellen Ton: „Ja, dieser Mistkerl. Dieser Misstkerl versuchte meinen Sohn zu töten. Niemand wollte mir glauben. Niemand. Warum nicht? Fred hätte mir geglaubt. Ja, Fred hätte mir definitiv geglaubt. Wissen Sie, was das schlimmste war als ich erfuhr, dass Jimmy zurück ist? Es war nicht die Sorge um meinen Sohn, nein, der war mir egal, nicht egal, aber in diesem Moment eben. Das schlimmste war, dass mir klar wurde, dass Fred um sonst starb. Er nahm mir meinen besten Freund und wollte mir auch meinen Sohn nehmen. Eins kann ich Ihnen sagen. Jimmy, nein Jimmy, hat mir nicht meinen Sohn weggenommen. Das hat er nicht geschafft.“
Ein Geständnis?
„Nicht nur meinen Sohn, auch meine Frau, nahm er mir nicht.“, setzte John fort. Er schien sich beruhigt zu haben, von seinen Trip abgekommen zu sein, und erzählte seine Geschichte ohne Komplikationen weiter: „Seit Jimmy wieder auftauchte, lief es zwischen Pia und mir nicht mehr all so gut. Wir redeten weniger und stritten uns, falls wir Sätze wechselten. Nur wegen diesen kleinen Jungen.
Er treibet bereits einen Keil zwischen Pia, Simon und mir, doch was er an jenen Wochentag machte, brachte das Fass zum Überlaufen.
Es vergingen beinah zwei Woche, nach meinen Streit zwischen meinen Kumpels und mir. Von keinen hörte ich ein Wort und um ehrlich zu sein wollte ich auch kein Wort hören. Ich war noch immer wütend, nein, enttäuscht. Ich war von allen enttäuscht. So lange kannten wir uns schon und dennoch, wollten sie mir nicht glauben. Sie versuchten nicht einmal mir zu glauben.
Am Tag nach dem Streit, realisierte ich langsam, dass es für sie verrückt klingen musste. Um ehrlich zu sein verstehe ich es zum Teil. Plötzlich sprach ich von einem Geist, der meinen Sohn bedrohte. Es klingt wirklich verrückt, doch ich bin es nicht. Das möchte ich betonen.
Eigentlich rechnete ich die Tage danach, dass Pia mit mir sprechen möchte. Ich dachte, dass vor allem George, doch auch die anderen, ihre Frauen einweihen würden und womöglich mich als Geisteskrank bezeichnen. Dessen Frauen hätten dies Pia weitergeleitet. Doch Pia verlor kein Wort mehr davon. Ich bin mir sicher, sie hätte es erwähnte, hätte sie von jenem Vorfall im der Bar gewusst.
Zurück zu dem, wo Jimmy zu weit ging. Er ging eindeutig zu weit.
Ich war soeben bei der Arbeit als mich ein Anruf erreichte. Es war eine unbekannte Nummer, dennoch hob ich ab. Schnell stellte sich heraus, dass mich der Principal Simons Schule anrief. Er sagte so viel wie, ich sollte schnellstmöglich in die Schule kommen, Simon hätte Probleme. Ohne zu zögern, packte ich meine Sachen und fuhr los. Die Schule war nicht weit von meinem Arbeitslatz. Der Weg reichte gerade so aus, um Pia zu informieren. Auch sie wurde bereits vom Principal eingeweiht und war ebenfalls auf dem Weg. Habe ich eigentlich schon erwähnt, was Pia arbeitete? Sie war Pflegeassistentin.
Jedenfalls trafen wir beide zeitgleich ein, besprachen, was denn passiert sein könnte und betraten schlussendlich das Schulgebäude. Eine Lehrerin wartete bereits am Eingang und begleitete uns ins Büro des Principal. Wir waren nicht alleine. Gegenüber des Principal saß bereits Simon, neben zwei nicht besetzten Stühlen. Neben Simon saß ein Klassenkameraden. Ich kannte den Jungen nur vom Sehen her, seinen Namen weiß ich nicht mehr. Neben diesen Klassenkameraden saßen außerdem noch zwei Frauen, seine Mütter, welche Pia und mich mit voller Boshaftigkeit ansahen. Auch vom Principal wurden wir mit zornigen Blicken begrüßt. Simon starrte verdutzt zu Boden. Sein Klassenkameraden auch. Erst als uns dieser anblickte, begriff ich langsam was vorgefallen ist. Simons Klassenkameraden wurde ordentlich zugerichtet. Er hatte eine blutige Nase, ein blaues Auge, eine aufgeschürfte Lippe so wie ein zerrissenes T-Shirt.
„Setzten Sie sich Mr. und Mrs. Myers.“, sprach der Principal.
„Was ist passiert, geht es Simon gut?“, fragte Pia aufgehetzt. Anstelle ihres Sohnes fragte sie den Principal.
„Gucken Sie sich doch ihren Sohn mal an? Körperlich scheint es ihm gut zu gehen. Nun sehen sie sich mal unseren Sohn an.“, meinte eine der Mütter des zugerichteten Jungens. Dieser begann im selben Moment zu heulen.
„Das war unmöglich mein Sohn.“, sprach Pia, während wir uns beide setzten.
„Es tut mir leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass dies sehr wohl ihr Sohn angerichtet hat.“, sprach der Principal.
„Warum hast du das gemacht?“, fragte Pai nun Simon.
Simon schwieg.
„Ihr Sohn ist gestört. Ohne irgendwelchen Grund hat er unsren Sohn angegriffen. Ohne dass dieser etwas falsches tat.“, sagte nun die andere Mutter. Der Junge beruhigte sich langsam und wurde wieder still.
„Nein, dass kann nicht sein. Es muss doch einen Grund geben.“, sagte Pia und fragte darauf Simon: „Hat der Junge etwas gemeines gesagt?“
„Jimmy.“, sagte ich im leisen Ton. Nun wurden alle hellhörig. Auch Simon hebte seinen Kopf und blickte mich an.
„Wie bitte?“, fragte der Principal.
„Nichts. Es ist nichts.“, sagte Pia. Sie blickte mir hasserfühlt ins Gesicht. Mir war klar, ich hätte seinen Namen nicht erwähnen sollen, doch mir war ebenfalls klar, dass Jimmy Simon zu dieser Schlägerei verleidet hatte.
„Die anderen Kinder sagte, Simon wäre einfach so auf unseren…“, ich habe den Namen vergessen, „zugelaufen und hätte ohne, dass er sich nur wehren konnte, zugeschlagen.“, sagte die blonde Mutter, welche mir viel sympathischer war als die Schwarzhaarige.
„Ihr Sohn hat unseren Sohn grundlos niedergeschlagen. Das ist doch gestört. Wegen Ihres Sohnes müssen wir nun ins Krankenhaus.“, sprach die schwarzhaarige welche mir unsympathisch war.
Nach langem hin und her schafften Pia und ich es, dass Simon sich entschuldigte. Zuerst wollte er nicht, er war trotzig. Mir war klar weshalb. Er hat nichts Falsches getan. Er konnte nichts dafür. Es war Jimmy der ihn das einredete. Jimmy war schuld, verstehen Sie.
Mit den Worte: „Das war übrigens ein Marken- T-Shirt. Dieses werdet ihr noch bezahlen.“, verließen die Eltern des Jungens das Büro und auch wir mussten gehen. Simon bekam eine einwöchigen Schulverweis und wir fuhren nachhause. Sowohl Pia als auch ich meldeten uns Krank, um zuhause noch einmal in Ruhe darüber reden zu können. Zuerst wollte ich mit Simon alleine das Wort suchen, doch Pia bestand darauf zusammen zu reden. Wir setzten uns auf den Tisch und versuchten etwas aus Simon herauszukitzeln. Dieser blieb jedoch standhaft und sagte keine Wort. Meine Frau orderte ihm noch zwei Wochen Hausarrest auf und Simon verschwand in seinem Zimmer. Jimmy erwähnte ich in diesem kurzen Gespräch nicht, denn ich hatte etwas anderes vor. Ein paar Stunden später, es war schon Abend, stattete ich meinen Sohn einen Besuch ab. Ich klopfte an seine Zimmertür und öffnete diese. Trotzend saß er auf seinem Bett. Sein Blick richtete sich zu Boden. Seine Hände lagen gelassen auf der rechten und linken Seite.
„Simon.“, sagte ich. Er blickte zu mir.
„Wir müssen reden:“, sprach ich.
„Dad, was soll ich tun?“, fragte er mich. Seine Augen wurden glasig. Mir war klar, dass ich nun endlich mit meinen Sohn reden konnte und vielleicht nun jemanden an meiner Seite hatte.
„Simon, hör mir zu. Wenn wir zusammenarbeiten, schaffen wir es. Wir schaffen es Jimmy zu besiegen?“, sprach ich, vollgepumpt mit Mut. Den Mut benötigte nicht nur ich, sondern auch Simon, das wusste ich.
Auf meine Ansprache jedoch, reagierte mein Sohn nicht so, wie ich es mir erhoffte. Anstelle eines zustimmenden Blickes sah er mich regelrecht verwirrt an.
„Wovon redest du Dad?“, fragte mich mein Sohn.
„Na, von Jimmy. Er war doch derjenige, der dich zwang den Jungen zu verprügeln.“, sagte ich.
„Jimmy ist nicht das Problem, Dad.“, antwortete mir Simon.
„Doch, er ist es. Er ist böse.“, sprach ich.
Es folgte Schweigen von Simon aus. Zuerst schien er hörsam zu sein. Nach einen kurzen Moment veränderte sich dann sein Gesichtsausdruck. Aus den eher deprimiert aussehenden Jungen, wurde ein Junge, welcher gerade etwas Verstörendes gesehen zu haben schien. Eindeutig, Jimmy flüsterte ihm etwas zu.
„Dad, ich glaube ich habe dir genug erzählt.“, sprach mein Sohn.
Wütend verließ ich das Zimmer. Mit meiner Faust klopfte ich gegen die Wand. Ein Loch entstand. Dieser kleine Dreckssack. Dieser kleine Hurensohn wird nun sein blaues Wunder erleben. Es war jener Moment, in dem mir klar wurde, es musste jetzt, genau jetzt enden. Ich ging in die Küche, nahm das Weinglas, in dem sich Rotwein befand und exte es weg. Ich trank mir sozusagen Mut an. Daraufhin ging ich wieder in Simons Zimmer, schloss die Tür hinter mir und sagte zu meinen Sohn, welcher am Boden saß und mich verwundert ansah, wo dieser kleine Penner sei. Ich meinte, ich würde ihn nun nach langen hin und her endlich zum Schweigen bringen.
„Dad hör auf.“, sagte Simon.
„Nein du sagtest du brauchst meine Hilfe nun helfe ich dir.“, antwortete ich.
„Es ist doch nicht wegen Jimmy!“, schrie mich Simon aus dem nichts an. Ich war verdutzt.
„Was ist den sonst der Grund?“, fragte ich verwundert.
„Na, mein Mitschüler. Er ist böse. Verstehst du? Er hat die Monster in meinen Kleiderschrank gesteckt.“, sagte mein Sohn mit Naivität.
„Hat dir das Jimmy erzählt?“, fragte ich.
„Ja, aber…“, sprach mein Sohn. Ich unterbrach ihn jedoch und sagte: „Da siehst du es. Er bringt dich in Schwierigkeiten. Er möchte dich leiden sehen. Simon hör mir zu. Wir werden diesen Jungen töten.“
Eine Träne bildete sich in Simons Auge.
„Wie?“, fragte mich eine grelle Stimme. Diese Stimmlage. Diese schreckliche Stimmlage.
„Wie möchtest du mich töten?“, fragte dieselbe Stimme erneut.
Langsam, ich hatte Angst, drehte ich mich um. Er stand hinter mir. Der kleine Junge, welcher nicht größer war als mein Sohn, stand hinter mir und machte mir Angst. Ich hatte Todesangst. Schweiß kam aus all meinen Poren. Meine Augen öffneten sich weit. Diese Aura, die er von sich gab, war stärker als jene vor knapp 20 Jahren.
„Du siehst ihn auch?“, fragte mich Simon leise.
„Ja, ich sehe ihn.“, antwortete ich.
„Simon, warum hast du mich verraten?“, fragte Jimmy. Seine Stimme änderte sich. Sie klang nun deutlich kindlicher. Vielleicht war es aber auch der verzweifelte Ton, welchen der Junge an den Tag legte. Er klang hilflos. Wie es ein ganz gewöhnliches Kind tat.
„Lass meinen Sohn in Ruhe!“, schrie ich.
Im selben Moment jedoch sprach Simon: „Ich habe dich nicht verraten. Ich habe nichts gesagt.“
„Du weißt, ich kann die Monster wieder auftauchen lassen.“, drohte Jimmy meinen Sohn.
„Jetzt reicht es.“, sprach ich mit voller Zorn. Ich biss meine Zähne zusammen. Speichel tropfte aus meinen Mund, wie bei einem wilden Tier. Mit meiner Faust klopfte ich erneut gegen die Wand und erneut entstand ein Loch. Jimmy schien keine Angst zu haben. Jedenfalls zeigte er diese nicht. Ich wusste jedoch, dass er sich fürchten musste. Nun war ich größer und stärker als mit vierzehn. Ich wusste, ich hatte gegen dieses Monster eine Chance.
„Dad, nicht!“, schrie Simon, doch im selben Moment lief ich auf ihn los.
Ich lief auf Jimmy zu, mit geballten Fäusten und als ich vor ihm stand, holte ich aus.
Was denken Sie, geschah. Ich rechnete mit vielen. Ich rechnete damit, dass ich durch ihn hindurch schlagen konnte, wie durch einen Geist. Ich rechnete auch damit, dass er einen Gegenangriff starten würde und anstelle von ihm, ich eine geschlagen bekommen würde. Doch, das, was geschah, kam unerwartet.
Mein Fausthieb brachte etwas. Wie durch einen normalen Menschen glitt meine Faust gegen die Wange bis zum Mund. Er spuckte Blut. Ich brachte Jimmy zum Bluten. Jimmy flog zu Boden, streichelte mit seiner Hand über seine, von mir demolierten, Wange und weinte. Er weinte bitterlich. Es war nicht so, dass er dies nicht schon öfter machte, also zu weinen und schwach zu wirken, nachdem ich ihn gehauen oder beleidigt hatte, doch dieses Mal hatte er jemanden an seiner Seite, der Mitleid hegte. Mein Sohn rannte auf mich zu und haute mir auf den Rücken. Es tat nicht weh, er war ja nur ein Kind, doch als er sagte: „Ich hasse dich Dad. Du hast alles kaputt gemacht.“, verletzten mich seine Worte ein wenig. Er war auf seiner Seite, nicht auf meiner. Mein eigener Sohn stellte sich gegen mich.
Jimmy stand wieder auf und meinte zu meinen Sohn: „Ich sagte doch, er ist böse. Ich sagte du solltest nichts von mir preisgeben.“
Mein Sohn meinte daraufhin schuldbewusst: „Es tut mir furchtbar leid. Ich wusste nicht, dass er so reagieren würde.“
„Du musst dich nicht bei ihm entschuldigen.“, sagte ich wütend zu meinen Sohn.
„Nein, dass musst du nicht, dennoch muss ich dich bestrafen.“, sprach Jimmy. Seine Tränen verschwanden und von seiner Verletzung fehlte jede Spur. Es schien ihn wieder besser zu gehen. Besser als je zuvor.
„Lass meinen Sohn in ruhe du Mistkerl.“, sagte ich und stellte mich schützend vor Simon.
Jimmy lächelte. Sein Blick wanderte langsam nach oben. Erst als ich Simon „Dad“ rufen hörte und ich hinter mich blickte, verstand ich auch, weshalb er nach oben sah. Simon schwebte über mir.
Das, was danach geschah, war dann wohl das schlimmste, was ich je erblicken musste.
Simone weinte und flehte Jimmy, ihn wieder hinunterzulassen. Jimmys Lächeln entwich jedoch nicht.
„Lass sofort meinen Sohn hinunter!“, schrie ich Jimmy an.
Ein leises „Okey“, kam aus seinem Mund. Er schnipste. Von der einen auf die andere Seite des Zimmers flog nun Simon. Mit voller Wucht düste er gegen die Wand. Ja, er düste durch die Wand hindurch. Sie verstehen nicht, dieser Anblick von meinen Sohn, welcher regungslos zwischen seinen Zimmer und den Flur auf Backsteinen lag. Er lag auf dem Bauch, somit konnte ich nicht sofort sein Gesicht erblicken. Dennoch sagte mir mein gesunder Menschenverstand, dass dies unmöglich ein schlankes Kind überleben konnte. Unmöglich.
Zitternd wartete ich neben dem Bett. Ich hielt seine Hand so fest ich nur konnte. Die Operationen dauerten relativ kurz an. Ich glaube am Ende waren es nur zwei Stunden. Sie können sich nicht vorstellen wie schwer diese zwei Stunden für meine Frau und mich waren. Sie fühlten sich an wie Jahre. Als schlussendlich der Arzt den Operationssaal verließ und zu uns meinte, Simon müsse nun etwa einen Monat im Krankenhaus bleiben, waren wir vorerst erleichtert. Er war über dem Berg.
Er brach sich nicht einmal halb so viele Knochen wie und durfte etwa einen Monat früher das Krankenhaus verlassen. Sie wissen doch noch, als mich Jimmy vermöbelte. Genau wie er es bei mir tat, tat er es bei Simon. Dieses Schwein.
Zwar war er nicht im Koma, dennoch nur schwer Ansprechbar. Pia und ich guckten, dass wenigstens einer von uns durchgehend bei ihm bleibt. In der folgenden Nacht war ich derjenige.
„Dad?“, fragte mich Simon aus dem nichts. Seine Stimme war heißer. Soeben saß ich neben ihm, hielt seine Hand und las Zeitung. Diese schmiss ich zu Boden, stand auf und fragte: „Ja, was ist mein Sohn?“
„Warum?“, fragte er mich. Es zerbrach mir das Herz seine zittrige Stimme anhören zu müssen. Ich konnte diese Stimme nicht hören.
„Weil er böse ist.“, antwortete ich. Ich ließ seine Hand los, er streckte sein nach mir.
„Nein, Dad, ich meine…“. Ich konnte ihn nicht ausreden lassen. Mir war klar, dass er Jimmy verteidigen wollte. Nach all dem, was er ihm antat.
Somit sagte ich: „Nein, hör auf. Siehst du nicht wie es endete. Jimmy tat dir das an. Wegen Jimmy hast du solche Schmerzen. Ich verstehe, dass du ihm vertraust, aber erzähle mir bitte was er dir alles versprochen hat.“, sagte ich. Verzweifelt flehte ich meinen Sohn an. Ich ging sogar auf die Knie.
„Das darf ich aber nicht.“, sprach Simon.
„Doch du darfst. Erzähl mir einfach alles.“, sagte ich darauf.
So kam es, dass mir Simon seine Geschichte erzählte. Soll ich Sie ihnen wiedergeben?“
John schwieg für einen kurzen Augenblick und sagte, ohne eine Antwort zu erhalten, „Gut, wie sie wollen.
Simons sprach: „Alles begann vor einigen Wochen. Es geschah auf dem Weg nachhause. Plötzlich hörte ich ein Kind schreien. Es schrie nach Hilfe. Ich ging der Sache nach. Das Geschrei kam aus dem alten Zugtunnel. Obwohl ich Angst hatte, ich konnte nicht einmal meine Hand vor meinen Augen sehen, ging ich dem Schrei hinterher. Nach ein paar Feet stieß ich mit jemandem zusammen. Dieser jemand schnappte sich meine Hand und rannte mit mir wieder aus dem Tunnel raus. Als wir das Tageslicht sahen, waren wir außer Atem. Wir schnauften doch als wir wieder genügend Luft bekamen, reichte mir der Junge seine Hand. Er schien genauso alt wie ich gewesen zu sein. Der Junge meinte: „Danke, dass du mich gerettet hast. Du hast was gut bei mir.“
Aber Dad, ich wusste nicht, wovon er sprach. Ich habe doch gar nichts gemacht. Er war derjenige, der mich aus dem Zugtunnel geschliffen hat. Niemand von uns hat eigentlich jemanden gerettet. Der Junge meinte jedenfalls, wir sollten Freund werden. Er stellte sich als Jimmy Gaiman vor. Ich stellte mich als Simon Myers vor. Daraufhin lächelte er.
Im Supermarkt kauften wir uns eine Cola und daraufhin spielten wir im Park Football. Ich schien einen gewöhnlichen Freund bekommen zu haben, doch Jimmy war nicht gewöhnlich.
Am selben Abend noch, kamen sie wieder. Du weißt doch, die Monster aus meinen Schrank. Ich war nicht einmal eingeschlafen, schon hörte ich rumpeln aus dem Kleiderschrank. Es versuchte jemand von innen die Tür zu öffnen, doch schaffte es wohl nicht. Obwohl die Tür nicht einmal verschlossen war. Ich kroch unter meine Decke, solange bis ich dass rumpeln der Tür nicht mehr wahrnahm. Als es still wurde, blickte ich hoch. Die Schranktür war offen. Ich sah mich um, doch konnte niemanden sehen. Bis plötzlich das rote Monster vor mich sprang. Ich habe keine Ahnung, woher es kam. Es war plötzlich da. Ich konnte seine langen Harre, welche wie Wohlfänden aussahen, spüren. Seine leeren Augen blickten mir in das Gesicht. Ich schrie, versuchte es jedenfalls.
Dad, aus mir kam kein Ton raus. Ich war stumm. Neben mir tauchte plötzlich das gelbe Monster auf. Er streichelte meine Hand und lachte mich anscheinend aus. Ich schaffte es aus meinen Bett zu springen, rannte zur Tür, doch diese wurde von dem grünen Monster mit seinen scharfen Zähnen, versperrt. Ich saß in der Falle, Dad. Ich wusste nicht mehr weiter. Ich dachte, ich wäre tot.
Zu Boden fiel ich, hielt mir meine Augen zu, doch konnte hören, wie sich die Monster um mich versammelten. Sie bildeten um mich einen Kreis. Es war schrecklich. Ich pinkelte mir in die Hosen. Ich spürte wie meine Hose feucht wurde, doch dann war sie es plötzlich nicht mehr. Aus dem nichts war meine Hose wieder trocken. Obwohl ich Angst hatte, war das, dass erste was ich bemerkte. Ich öffnete meine Augen. Sowohl meine Pipi als auch die Monster waren verschwunden. So schnell sie auftauchten, verschwanden sie.
Eine Hand berührte meine Schulter. Es war Jimmys. Er lächelte mich an und sagte: „Keine Sorge Simon, sie sind weg. Solange du mich als Freund hast, brauchst du dich nicht mehr um diese Monster sorgen. Sie werden dich in ruhe lassen, weil wir Freunde sind.“ Genau das sagte er. Ich wusste, Jimmy war der beste Freund, den man nur haben kann.
Mit Jimmy an meiner Seite, fühlte ich mich stark. Ich hatte Spaß, Dad. Schnell jedoch bemerkte ich etwas. Nur ich konnte Jimmy sehen. Ich war der einzige. Als ich Jimmy fragte, weshalb die anderen ihn nicht sehen konnten, meinte er, er sei eben unsichtbar. Öfters fragte ich ihn, ob er den nur ein imaginärer Freund sei. Jedes Mal bestand er aber darauf, ein Schutzengel oder ähnliches zu sein. Er meinte, er sei real, jedenfalls für mich. Nachdem herauskam, dass nur ich ihn sehen konnte, stellte er mir außerdem ein Ultimatum. Er meinte, ich dürfte auf keinen Fall zu viel von ihm preisgeben. Ich dürfte zwar über ihn sprechen, sagen, ich sehe ihn, doch auf gar keinen Fall etwas über sein Wesen bekannt geben. Mit einer Ausnahme. Während ich zwar anderen über ihn erzählen durfte, durfte ich gar kein Wort über ihn, vor dir verlieren. Du solltest unter keinen Umständen erfahren, dass Jimmy existierte.
Eigentlich hatte ich vor, am besten keinen von Jimmy zu erzählen. Ich hatte solche Angst, du könntest von ihm erfahren. Ich hatte Angst, ich würde etwas Falsches machen. Also blieb mein Freund ein Geheimnis. Jimmy und ich hatten Spaß, großen Spaß. Wir spielten jeden Tag, drinnen und draußen. Ja, Jimmy wurde ganz schnell meine bester Freund. Meine anderen Freunde vernachlässigte ich ein wenig, doch ich hatte Jimmy. Mom, bemerkte aber schnell, dass ich mich veränderte. Sie hackte nach, bis ich schlussendlich nachgab. Ich erzählte ihr von Jimmy. Danach bist du angekommen und hast ebenfalls nachgefragt. Dir durfte ich auf keinen Fall mehr über Jimmy erzählen. Ich schwieg.
Als ich bemerkte, dass nichts passierte, als ich Mom von meinen Freund erzählte, erzählte ich es auch in der Schule herum. Meine Klassenkameraden nahmen das ganze jedoch nicht so gut auf. Sie glaubten mir nicht und lachten mich aus. Ich wusste nicht warum. Jimmy war so cool, sie hätten ihn kennenlernen müssen. Vor allem einer lachte gerne über mich. Es war Lesley. Er war derjenige, der mich immer wieder mit Jimmy aufzog. Er brachte alle dazu, mich auszulachen. Laut Jimmy jedoch, war das nicht das Einzige, was Lesley machte. Jimmy meinte, Lesley sei derjenige, der für die Monster in meinem Schrank verantwortlich sei und diese auf mich hetzte. Ich konnte Jimmy nicht folgen doch als er meinte, ich müsse Lesley verprügeln, um die Monster loszuwerden, wurde mir alles klar.
Zuerst war ich davon abgeneigt. Lesley war stärker als ich, Dad. Gegen ihn hatte ich keine Chance, das wusste ich. Ich vertraute Jimmy nicht, so wie er es formulierte. Jimmy war wütend und verließ mich, ohne mir einen plausiblen Grund zu nennen. Er sagte, ich würde es bereuen, nicht auf ihn gehört zu haben. Dad, das tat ich auch.
Nur eine oder zwei Nächte später, kamen sie wieder. Die Monster aus dem Schrank.
Es war mitten in der Nacht. Ich schlief tief und fest, als ich durch ein klopfen geweckt wurde. Jemand klopfte, so schien es, an meine Tür. Ich stand auf und öffnete sie. Etwas zog mich jedoch hinein. Als ich die Tür öffnete, bemerkte ich, dass ich nicht meine Zimmertür, sondern die Tür meines Schrankes öffnete. Ich konnte keine Hand oder ähnliches erkennen, nur mich im Dunkeln wieder vorfinden. Ich bekam Panik. Meine Klamotten, die im Schrank hängten und meinen Körper streiften, fühlten sich wie die Monster an. Ich suchte nach der Schnur, die von der Decke hing, um das Licht anzumachen. Als ich in der Luft herum tastete, fand ich diese. Der Schrank wurde erhellt. Um mich befanden sich außer Klamotten und ein wenig Spielzeug nichts. Dennoch wollte ich so schnell wie möglich aus dem Schrank. Ich öffnete die Tür und obwohl sie klemmte, schaffte ich es wieder aus diesem zu entkommen. Schnell lief ich zu meinem Bett. Ich wollte mich unter die Decke verkriechen und dann einen Blick zu dem Schrank wagen. Soweit kam es aber nicht. Als ich die Decke von meinem Bett riss, schrie mir etwas entgegen. Es war das gelbe Monster, welches mit seinen blauen langen haaren das ganze Bett einfärbte. Ich schrie. Das Monster schrie ebenfalls. Mit seinen kalten Augen zeigte es Angst, doch nicht nur das. Nachdem wir uns gegenseitig aus Angst aus anschreien, schwiegen wir beide. Wir beide sahen uns still an. Ich war vollgeschwitzt, das Monster hielt seinen Mund halb geschlossen und halb offen. Seine kalten Augen sahen in meine. Es schien zu zittern, oder war ich es etwa? Und dann, dann begann aus seinen Augen Blut zu fließen. Er schien Blut zu weinen. Ruhig lag er da, schien ängstlich zu sein, und weinte Blut. Dad, ich dachte ich hätte noch nie so etwas gruseliges gesehen.
Ich lief schreiend aus meinen Zimmer zu euch, ins Schlafzimmer. Auch ihr lagt offensichtlich unter euer Decke, als ob ihr euch ebenfalls versteckt hättet. Weinend und kreischend zog ich nun bei euch ebenfalls die Decke von eurem Bett. Das rote und das grüne Monster lagen in diesem. Doch nicht lange. Im selben Moment, in dem ich die Decke zu Boden riss, sprangen mich beide Gestalten an. Ich sah in das Maul des grünen Monsters. Seine Zähne wollten mich zerfleischen. Ich flog zu Boden, das grüne Monster auf mich. Seine Augen schienen nicht so leer zu sein. Sie schienen ihm Ausdruck zu verleihen. Er schien wütend zu sein. Aus seinem Mund kamen Geräusche wie sie ein Vogel machte. Mit seinen flauschigen Händen versuchte er mich anzugreifen, ich wehrte mich aber. Ich versuchte es jedenfalls. Auf gar keinen Fall wollte ich von diesem Monster zerfleischt werden. Mit meinen Füßen trat ich ihn von mir herunter. Er war nur etwas größer als ich und viel leichter. Fast so wie eine Puppe.
Ich stand auf doch wurde wieder zu Boden gerissen. Zwei große Hände packten mich an meine Schulter und zogen mich zurück. Als ich mit dem Rücken am Boden lag, sah ich, wer mich packte. Es war das große rote Monster von jenem ich nun überfallen wurde. Er kniete sich über mich und fuchtelte mit seinen Händen herum. Es wirkte so, als versuche er mich festzuhalten, obwohl ich mich nicht besonders wehrte. Ja, es schien so, als würden seine Bewegungen nur zufällig geschehen. Fast so, als wäre er blind uns suche mich. Dass seine Augen ebenfalls kalt und leer waren, muss ich nicht erwähnen. Auch von ihm schaffte ich mich zu lösen, in dem ich durch seine Knie kroch. Ich stand auf und wollte zurück in mein Zimmer. Somit öffnete ich die Tür und erschrak. Das gelbe Monster stand vor mir. Dieses Mal waren seine kompletten Augen mit Blut befühlt. Ich schrie, lag mich zu Boden und bedeckte meine Augen mit meinen Händen. Ich schrie nach Jimmy. Ich benötigte seine Hilfe. Jimmy erhörte mich und setze den Albtraum ein Ende. Als er mich berührte waren die Monster verschwunden. Er machte mir klar, ich müsse Lesley verprügeln wenn ich wollen würde, dass das nicht noch einmal passiert. Ich befolgte seine Anweisungen nur Tage später. Zwar war Jimmy danach zufrieden, doch ihr wart es nicht. Jetzt liege ich jedenfalls hier im Krankenhaus.“
„Und du vertraust noch immer diesen Jungen, obwohl er dir das antat. Simon, nicht Lesley ist für die Monster verantwortlich, sondern Jimmy.“, versuchte ich ihm zu erklären.
„Nein, Dad, Jimmy möchte mich nur beschützen.“, sprach Simon.
„Aber wegen ihm bist du überhaupt erst hier. Er hat dich verletzt.“, sagte ich wütend.
Worauf Simon meinte: „Naja, Jimmy meinte, wenn ich dir das erzähle, was ich dir gerade erzählt habe, wird er nicht nur mich, sondern auch dich und Mom töten.“
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Warum zur Hölle blieb mein Sohn so gelassen?
„Dad, ich habe Angst.“, sagte er darauf. Jedoch konnte ich sie nicht spüren, die Angst, von der er sprach. Er hatte keine Angst. Mein achtjähriger Sohn hatte keine Angst davor, dass seine Eltern womöglich sterben werden. Nein, mein Sohn schien verrückt zu werden. Dies durfte ich ihn jedoch nicht zeigen. Auf keinen Fall durfte ich ihn zeigen, dass ich ihn für irre hielt. Nein, Simon schüttet mir das Herz aus und vertraute mir endlich das erste Mal. Dieses Vertrauen benötigte ich, um Jimmy ein und alle Male zu töten. Nur zu zweit würden wir diesen Mistkerl zur strecke bringen können.
Zwischen meiner Frau und mir kriselte es ein wenig. In der Zeit, in der Simon im Krankenhaus lag, sahen wir uns nicht häufig. Wir bereits erwähnt, wechselten wir uns ab. Eine Nacht blieb ich bei unserem Sohn und die andere Nacht meine Frau. Wir wollten auf keinen Fall Simon alleine mit seinen Verletzungen lassen. Dies wollte ich nicht, schließlich wusste ich, wie es sich anfüllte im stich gelassen zu werden. Als ich Pia davon erzählte, dass sich Simon mir öffnete und mir alle Geheimnisse über Jimmy anvertraute, brachte ich wohl das Fass zum Überlaufen. Pia schrie mich an, ich solle gefälligst aufhören. Mir war klar, dass sie mich beschuldigen würde, unseren Sohn mit unmenschlicher Wut gegen die Wand geworfen zu haben. Hätte Simon nicht daran beharrt, dass ich nicht schuld sei, hätte sie sich glaube ich bereits von mir geschieden. Genau mit diesem Punkt kam sie zu mir.
Eine Woche bevor Simon entlassen wurde, suchte Pia das Wort und sprach: „John, es reicht mir. Du verkorkst unseren Sohn. Auch heute sprach er über seinen unsichtbaren Freund und wie nett er wieder war. Ich weiß, du hast zwar nicht damit angefangen, aber du bestärkst ihn nur. John, ich muss dir ein Ultimatum stellen. Bitte geh zusammen mit Simon zu einem Psychiater. Im Internet habe ich einen gefunden, welcher sich vor allem um Vater Sohn Beziehungen kümmert. John, wenn es nicht besser wird, fühle ich mich gezwungen, Simon und dich zu trennen, was auch bedeuten würde, dass wir uns trennen müssen.“
So lauteten ihre Worte. Ich stimmte ihr zu. Zwar war ich schon bei einem Psychiater und hielt nicht viel davon, aber ich wollte auf keinen Fall Pia und Simon verlieren. Ich durfte nicht zulassen, dass dieses Monster meine Familie auseinander reißt. Um ehrlich zu sein hörte ich ihr aber nicht genau zu. Als sie nämlich sagte, Simon hätte wieder von Jimmy geschwärmt, bekam ich Sorgen. Ich stellte Simon zu Wort. Das was er sagte, ließ mich wieder daran zweifeln, gegen Jimmy eine Chance zu haben.
Simon sagte: „Dad, hör zu. Jimmy sagte er würde mir verzeihen, wenn ich das mache, was er mir befiehlt. Ich muss nur seine Befehle wahrnehmen.“
Simons Stimme schien sich immer weiter zu entfernen. Zwar erzählte er mir noch mehr, doch seine Worte nahm ich nicht mehr wahr. Er hat es wieder einmal geschafft. Jimmy schaffte es meinen Sohn auf mich zu hetzten. Dass wusste ich, bevor er es überhaupt tat. Egal welchen Befehl. Simon ist stark beinflussbar. Was würde passieren, wenn Jimmy meinen Sohn erzählen würde, er muss mich umbringen?
Es dauerte noch zwei Wochen, bis Simon nach seiner Entlassung vom Krankenhaus in die Schule gehen durfte. Zwar erzählte Simon Pia und mir nicht viel, aber ich wusste, dass er es schwer hatte. Auch ich hatte es schwer, nach meinem Krankenhaus Aufenthalt. Es ging nicht darum, nicht mit den Schulstoff hinterherzukommen, das schaffte ich so oder so nicht. Es ging darum, zu wissen, was die anderen dachten. Als ich in Simons Situation war, wurde ich von jedem schräg angestarrt. Mir war klar, dass sie fragen hatte, sich jedoch keine stellen trauten. Auch Simon schien ähnliches erlebt zu haben. Diese Blicke von den anderen sind schrecklich.
Eine Woche darauf traten wir unseren Termin beim Psychiater an. Es war ein Montag und wir fuhren gleich am Nachmittag, nachdem Simon Schulschluss hatte. Was Simon erwarten würde, davon hatte er keine Ahnung. Wir sagte lediglich, es sei ein Arztbesuch. Was mich erwarten würde, wusste ich ebenfalls nicht. Ich bereitete mich genauso vor wie bei meinem ersten Termin. Ich ging noch einmal alle Fakten durch, um dann meine Lebensgeschichte erzählen zu können. Genau, so wie ich Ihnen soeben meine Geschichte erzähle, so erzählte ich sie auch diesen Psychiater, genau wie bei Dr. Judith.
Bei der Psychiatrie, so kann ich es doch nennen, angekommen, stellte ich fest, dass die Praxis von außen einen ähnlichen Eindruck machte wie die von Dr. Judith. Ein schlichtes, braunes, altes, Gebäude, mitten in der Stadt. An der Eingangstür hang ein goldenes Plättchen, keine Ahnung, ob es sich um echtes Gold handelte, an welchen die Worte: „Praxis des Psychiaters Prof. Dr. Thompson: 2OG“, standen. Wir gingen die Treppen hoch und klopften an jene Tür, die anscheinend zur Praxis führte. Durch ein klicken wurde signalisiert, dass die Tür geöffnet werden kann. Wir drei betraten die Praxis. Eine Empfangsdame begrüßte uns. Es war eine junge Frau, Mitte zwanzig. Sie sah reizend aus. Sie sprach:“ Guten Tag Familie Myers. Prof. Dr. Thompson erwartet euch bereits.“
Meine Frau blieb draußen und Simon und ich betraten den Raum, zu dem wir mit Handzeichen geleitet wurden. Die Praxis an sich war wirklich nicht groß. So wie ihre in etwa. Es roch stark nach Duftbäumen oder ähnlichem. Jedenfalls ein Geruch, der in der Nase brennte. Der Doktor saß bereits auf einen Stuhl. Gegenüber diesem stand eine Couch. Ja, sie sah Ihrer sehr ähnlich.“
Alfred Phillips Praxis besaß keine Couch.
„Neben der Couch war die Praxis schon beinah bunt eingerichtet. Jederlei Farben waren zu sehen. Ja, er machte mich beinah irre, dieser Raum.
Der Doktor hingegen machte einen freundlich Eindruck. Er war jung, ende dreißig würde ich sagen. Er trug hellblondes harr, ein weißes Hemd und eine weiße Hose und ein Lächeln im Gesicht.
„Setzt euch meine Herren.“, sprach er. Simon und ich nahmen Platz. Wir beide waren nervös. Womöglich ich sogar mehr als Simon.
„Wo liegt das Problem“, fragte er uns, mit seiner rauchigen Stimme.
„Es hilft nichts, ich komme gleich zum Punkt.“, sprach ich und meinte, „Es geht um Jimmy. Er möchte mich töten.“
Der Doktor saß sich seine Brille auf, welche am Schreibtisch lag, nahm Zettel und Stift in die Hand und begann zu schreiben.
Ich zögerte noch ein wenig. Durch meinen Kopf gingen all die Konsequenzen, die ich haben könnte, würde ich Dr. Thompson alles erzählen. ALLES! Er könnte mich für verrückt halten oder selbst von Jimmy besessen werden. Es half jedoch nichts und ich musste dieses Risiko eingehen. Ich benötigte einen Verbündeten, einen, der mir glauben schenkte. Wenn es dieser Doktor sein musste, dann konnte ich nichts dagegen tun.
Somit kam es, dass ich erzählte. Genau wie Ihnen, erzählte ich alles. Ich ließ kein Detail aus. Zum zehnten Mal, oder so, erzählte ich meine Geschichte. In diesen Male wurde mir nur einmal geglaubt und dieser jemand wurde kurze Zeit später getötet. Das bedeutete, entweder ich würde ein weiteres Mal als verrückt erklärt werden, oder Jimmy würde Dr. Thompson umbringen.
Ich glaube es dauerte zwanzig Minuten, in denen ich ununterbrochen sprach, bis ich zu jenem Tag an dem ich Dr. Thompson besuchte, kam. Der Doktor schrieb inzwischen mit und als ich zu Ende mit meiner Geschichte war, ich beendete sie mit den Worten: „Und nun sitze ich hier bei Ihnen, mit meinen Sohn und womöglich ist Jimmy auch hier.“, seufzte er und las sich all seine Notizen noch einmal durch.
„Schön, da muss ich erst einmal schlucken.“, sprach er, nachdem er seinen Notizblock, welchen er beinah zur Hälfte vollschrieb, mehrmals nach vorne und hinten durchblätterte.
„Ich würde gerne einmal Ihren Sohn reden hören, Mr. Myers.“
Ich sah zu Simon, Simon sah zu mir. Simon schwieg. Seitdem wir die Praxis betraten, sprach Simon kein einziges Wort. Er saß still und starr neben mir.
Als Simon auf die Bitte des Psychiaters noch immer nichts sagte, empfahl mir Dr. Thompson die Praxis zu verlassen. Er wollte mit Simon unter vier Augen reden. Ich folgte ihn und setzte mich raus zu meiner Frau.
Pia fragte mich, was drinnen vorgefallen sie worauf ich antwortete, dass ich ihn meine Geschichte erzählt hätte. Natürlich schüttelte Pia den Kopf. Sie glaubte mir nicht. Es dauerte nur wenige Minuten bis mich Dr. Thompson zurück in die Praxis rief und Simon raus schickte. Gespannt ging ich zurück und hoffte, dass mir wenigstens dieser Doktor Glauben schenkte. Nein!
Als ich mich saß kam er gleich zum Punkt.
Er faltete seine Hände, als ob er anfangen würde zu beten und sagte: „John, so darf ich doch sagen?“, eingeschüchtert nickte ich, er klang wütend, „Was ziehen Sie eigentlich für eine Show ab?“
„Sie glauben mir also nicht.“, sprach ich.
„Natürlich nicht. Hören Sie. Ich mache diesen Job schon Jahre lang und habe dementsprechend schon ein Gefühl, ob ich mit Leuten rede, welche reif für die Irrenanstalt sind oder die noch nicht völlig verkorkst sind. Sie wirken wie ein ganz normaler Mensch. Obwohl sie nicht wirken, als würden sie psychiatrische Hilfe brauchen oder jene Art von Drogen nehmen, wirkt es so, als würden sie all das glauben, was sie sagen. Warum machen Sie das?“
Diese Worte beruhigten mich ein wenig. Mir war klar, würde meine Geschichte nicht so verrückt klingen, würde mir endlich jemand glauben. Doch meine Gesichte ist verrückt.
„Es ist aber wahr. Alles was ich Ihnen erzählt habe ist wirklich passiert.“, sprach ich voller Hoffnung.
„Schön und Gut, wie gesagt, ich glaube, dass sie das glauben. Ich sehe, dass Sie nicht lügen, doch ich sehe auch, dass Sie beim vollen Verstand sind. Was soll ich nun machen? Wissen Sie was, ich gebe Ihnen einen Rat, denn ich befolgen würde. Sprechen Sie nicht mehr von diesen unsichtbaren Jungen. Schon am Telefon hatte ich persönlich mit Ihrer Frau gesprochen. Wenn es so weiter geht, verlieren Sie sie. Tun Sie es für sich selbst aber vor allem für Ihren Sohn.“, sprach er.
„Was hat Simon gesagt. Ich meine bei dem Gespräch unter vier Augen.“, fragte ich gespannt.
„Naja, er sagte, dass dieser Junge existieren würde, sehr freundlich sei, doch er nicht über ihn reden dürfte.“, bekam ich als Antwort.
„Sehen Sie, auch mein Sohn sieht diesen Jungen. Ist das nicht schon Beweis genug?“, sprach ich. Noch immer hatte ich Hoffnung.
Dr. Thompson sprach: „Nein, das ist nur der Beweis, dass Sie ein schlechter Umgang für Ihren Sohn sind. Er nimmt natürlich das auf, was sein Vater ihm einredet. Denn im Gegensatz zu Ihnen, konnte ich bei Simon durchaus eine Skepsis erkennen, gegenüber dem, was er von sich gab. Er bezweifelt an die Existenz, Ihres, so sage ich einmal, imaginären Freund. Also hören Sie auf meinen rat. Egal was Sie denken, lassen sie Ihre Gedanken in Ihrem Kopf.“
Ich verließ die Praxis und Pia wurde als letztes hineingebeten.
Ich konnte es nicht zulassen, einfach nur zu schweigen und zu zusehen, wie meinem Sohn das Leben schwer gemacht wird. Ich musste etwas unternehmen.
Pai kam nach etwa zehn Minuten aus der Praxis. Ohne Worte schnappte sie sich Simon und sagte zu mir, dass wir fahren können. Sie wirkte nicht besonders wütend, jedenfalls nicht mehr als zuvor, dennoch schien sie auf mich sauer zu sein.
Bei der nachhause Fahrt fragte ich sie, was der Doktor ihr bei dem letzten Gespräch erzählt hätte, worauf sie antwortete: „Wahrscheinlich das, was er auch dir erzählte. Dass alles auf ein Trauma in deiner Kindheit zurückzuführen ist.“ Des Weiteren sprach sie, dass ich jenes Trauma nicht auf Simon umleiten soll. Jedoch klang es so, als hätte sie nun ein wenig mehr Verständnis.
Dass das Ganze auf ein Trauma in meiner Kindheit zurückzuführen ist, klingt ja relativ plausible, doch mir war klar, dass es Dr. Thompson nicht so sah. Mir war klar, dass er nicht empfand, dass die Existenz von Jimmy einen Träume zurückzuführen sei, sonst hätte er dies nicht nur meiner Frau, sondern auch mir erzählt. Welchen Grund jedoch hatte er, meine Frau zu belügen und mich somit in Schutz zu nehmen?
Ich sagte bereits, dass ich alles für Simon tat. Simon sah Jimmy und diese Monster und was weiß ich noch alles. Ich hatte, seit jenen Vorfall in meiner Jugend, keine schrecklichen Dinge mehr gesehen, ausgenommen mein Sohn, der zur Wand katapultiert wurde. Dies änderte sich jedoch am selben Abend.
Ich lag zusammen mit Pia im Bett und war soeben am Einschlafen. Ich drehte mich, wie ich es immer tat, mehrmals nach links und nach rechts, um eine gute Pose zu finden. Als ich in jener lag, ich lag mit meinen Gesicht gegenüber von Pia, öffnete ich die Augen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich jenen Anblick sah. Ich sah Pia in ihre kalten Augen. Sie wahren weit geöffnet, genau wie ihr Mund. Ihre Haut wahr blas. Ohne Zweifel, Pia war Tod. Ich schrie auf. Meine Schreie wurden jedoch übertönt, übertönt von Musik.
Hören Sie, dass was ich Ihnen jetzt erzähle, hört sich verrückt an, es ist absurd, doch genau dass musste ich erblicken, nachdem ich meine, scheinend, Tode Frau in die Augen sah.
Die Musik, welche ertönte, war keine unbekannte. Es war der Song „Gangsta´s Paradis“ von Coolio. Neben den Song bewegte sich etwas am Bettende. Es waren sechs Hühner, welche sich passend zum Song bewegten. Ich möchte noch einmal festhalten, ich bin nicht verrückt.“
Erneut begann John den Text des Liedes „Gangsta´s Paradise zu summen, nur um darauf mit all seinen Gesangskünsten, die erste Strophe zu singen.
„As I walk through the valley of the shadow of death; I take a look at my life, and realize there's nothin' left, 'Cause I've been blastin' and laughin' so long; That even my momma thinks that my mind is gone“
Daraufhin sang er den Refrain.
„Been spendin' most their lives livin' in the gangsta's paradise; Been spendin' most their lives livin' in the gangsta's paradise
Keep spendin' most our lives livin' in the gangsta's paradise; Keep spendin' most our lives livin' in the gangsta's paradise“
Ohne Pause erzählte er weiter.
„Zu genau dieser Musik tanzten die Hühner. Es war kein richtiges tanzen. Sie wackelten lediglich mit den Kopf. Doch dieses Kopfgewackel passte exakt zum Beat und war ebenfalls synchron. Ja, den Hühnern hätte eine Sonnenbrille gestanden, dann hätten sie schon cool gewirkt.
Jedenfalls verwirrte mich die plötzlich auftretende Musik sowie die Hühner so sehr, dass ich beinah meine tote Frau neben mir vergaß. Ja, denn in diesem Moment musste ich mich auf etwas anderes Konzentrieren. Nicht, dass Sie denken, ich hätte vor Hühnern Angst oder ähnliches, aber diese Hühner machten mir Angst, große Angst, um ehrlich zu sein. Ich habe keine Ahnung wieso, aber ich hatte Angst. Ich hatte solche Angst, dass ich schrie. Ich schrie wegen Hühnern, obwohl meine Frau leblos neben mir lag.
Eines der Hühner breitete seine Flügel aus und wackelte mit diesen auf und ab. Die anderen taten ihm gleich. Schnell entstand Wind, welcher mir, wie durch einen Ventilator, in das Gesicht blies. Die Hühner hoben ab und flogen in die Luft, auf mich, der noch immer aufrecht im Bett saß, zu. Ich schrie noch lauter. Sie würden mich fressen, dachte ich, doch dies war nicht der Fall. Im selben Moment, in dem die Hühner so nah an mir wahren, dass ich nur noch ihre Weißen Federn erkennen konnte, wahren sie verschwunden. Ich blinzelte nur für eine Millisekunde. Diese Zeit reichte jedenfalls aus, um sich in Luft aufzulösen.
„Johnny, was ist los?“, fragte mich meine Frau hysterisch. Mit meinen Schreien habe ich sie geweckt. Sie zerrte an mir. Anscheinend war ich in einer Art Trancezustand.
Als meine Frau an mir rüttelte, wurde ich wohl wieder wach. War es etwa nur ein Albtraum?
Nein, nun ging Jimmy endgültig zu weit. Nun hatte er es nicht nur mehr auf meinen Sohn, sondern auch auf mich abgesehen. Dieses Mal würde ich ihn kriegen. Seit wann nennt mich eigentlich Pia, Johnny?
Einen Plan? Ich hatte keinen Plan, definitiv nicht, doch diesen benötigte ich auch noch nicht. Ich musste Simon auf meine Seite locken, auch wenn ich ihn dafür manipulieren musste.
Eine halbe Woche nach den Vorfall mit den Hühnern, legte ich Hand an. Mir war klar, dass Simon seine Eltern umbringen würde, würde Jimmy ihm dies Befehlen. Natürlich schätzte ich meinen Sohn nicht so ein, aber Jimmy schon. Somit konnte ich nicht in Jimmys Namen, Simon Befehlen, mich zu töten, damit er sieht, wie böse dieser Junge ist, aber ich konnte etwas anderes machen.
Ich wartete bis es Nacht wurde und sowohl Pia als auch Simon schliefen. Daraufhin ging ich in die Garage und nahm mir den Farbeimer mit der roten Farbe. Blutrote Farbe. Mit diesem und einen Pinsel schlich ich mich in Simons Zimmer. Im Dunkeln und mit völliger stille krizelte ich meine Worte großflächig auf die Wand. Die feuchte Farbe, die die Wand herunterfloss, machte das Ganze noch authentischer und ließ es nach tatsächlichem Blut aussehen. Nach etwas fünf Minuten war es vollbracht. Ich schlich wieder aus seinem Zimmer und wartete gespannt auf den nächsten Morgen.
Jener Morgen kam auch. Es war Samstag und ich saß mit meinen Kaffee und der Morgenzeitung am Esstisch. Simon kam mit seinem Pyjama in das Esszimmer. Er blieb in der Tür stehen und starrte mich an. Eine Träne floss ihm über die Wange, welche er mit einer seiner Hand wegwischte. Die andere Hand ließ er hinter seinem Rücken.
„Guten Morgen Simon. Hast du gut geschlafen?“, fragte ich unschuldig. Simon nickte. Ich Konzentrierte mich weiter auf die Zeitung und wartete darauf, bis das geschah, was passieren sollte. Simon ging mit langsamen Schritte auf mich zu.
„Dad.“, sagte er leise.
„Ja, was ist den mein Sohn?“, fragte ich. Ich versuchte besonders unauffällig zu wirken.
„Es tut mir leid.“, sagte er und zückte das Messer, welches er hinter seinem Rücken versteckte.
Ich blickte zu ihm, widmete mich wieder der Zeitung und blickte wieder auf meinen Sohn. Es dauerte ein wenig, bis ich realisierte, dass mich mein Sohn tatsächlich soeben mit einem Messer bedrohte. Er hielt die Klinge, welche ich übrigens noch nie zuvor gesehen habe, über seinen Kopf. Beide Hände waren fest am Griff. Alles was er machen musste war die Klinge abzusetzen, um auf mich zu stechen.
„Tut mir leid, aber er hat es mir befohlen.“, sprach mein Sohn. Nun weinte er tatsächlich.
„Bitte, nicht!!!“, schrie ich. Schützten hielt ich mir meine Hand vor das Gesicht. Ich flog vom Stuhl auf den Boden. Entsetzt musste ich meinen Sohn in die Augen blicken. Jenen Sohn, der mich soeben töten möchte.
„Simon, ich bitte dich.“, sagte ich zu ihm. Ich versuchte ruhig zu bleiben, wollte ihn nicht unnötig stressen. Meine Taktik schien aufzugehen. Seine Hände zitterten, er ging mit seinen Händen auf Brusthöhe und legte das Messer nieder. Daraufhin fiel er mich mit eine Umarmung an und weinte bitterlich. Er weinte und entschuldigte sich bei mir. Ich hingegen sagte, dass alles okay sei und wir diesen Dreckskerl töten werden.
Mehrmals betonte er, dass Jimmy ihm befahl, seine Eltern zu töten. Als er meinte, er hätte es mit Blut an seine Wand geschrieben, wurde ich jedoch hellhörig.
Sofort machte ich mich auf dem Weg in Simons Zimmer. Ich blickte schockiert auf die Wand.
Es sah nicht nach roter Farbe aus. Ich wischte mit meiner Fingerspitze über die Schrift und roch an dieser. Das war definitiv keine rote Farbe. Das war tatsächlich Blut.
An der Wand standen ebenfalls nicht mehr die Worte: „Zerstöre all deine Spielsachen. Ich befehle es dir- Jimmy.“, sondern „Töte deine Eltern. Tu es für mich- Jimmy.“
Dieser Dreckssack hat mich ausgetrickst.
„Dad, ich möchte das nicht tun.“, sprach Simon. Er wirkte verstört. Ich konnte ihn ansehen, dass er auf gar keinen Fall meine Frau oder mich töten wollte. Genau das war meine Chance. Er würde sich Jimmy entgegenstellen. Ich hatte ihn nun endlich auf meiner Seite.
Meine Hände legte ich an seine Schultern und kniete mich hin, um auf seine Augenhöhe zu kommen. Ich sprach ihm leisen Ton: „Simon. Hör mir gut zu.“, ich drückte meine Hand fest an seine Schultern, „Er wird nicht gewinnen. Wir töten diesen Hurensohn, hörst du.“
Simon nickte und umarmte mich. Diese Umarmung, fühlte sich so gut an. Sie fühlte sich an, als wäre es die letzte, die mir mein Sohn geben würde. Als würde er wissen, was ihm bevorsteht. Er drückte fester und lies nicht mehr los. Auch ich drückte Simon, jedoch nicht mit aller Kraft. Zu sehr Angst hatte ich, ihn zerquetschen zu können. Nach einer geschlagenen Minute stieß ich Simon von mir weg, ließ jedoch eine Hand auf eine seiner Schultern. Er weinte und fragte mit zittriger Stimme, was wir machen könnten. Ich lächelte ihn an, versuchte ihn die Sorgen zu nehmen, als ich ihn sah. Ja, ich meine ihn. Ich lächelte nicht mehr in Simons verweintes Gesicht, sondern in Jimmys. Nicht Simons Schulter lag unter meiner Hand, sondern Jimmys. Dieses Grinsen.
Bevor er nur ein Wort sagen konnte, hob ich ihn hoch und schleuderte ihn zum Ende des Flures. Jimmy stand wieder auf und rannte auf mich zu. Mit einem Tritt in sein kleines Gesicht konnte ich ihn jedoch erneut wegschleudern. Jimmy stand auf und lief schreiend davon. Er schrie nach seiner Mom.
„Mom, hilf mir! Dad ist verrückt geworden!“ So leicht konnte er mich jedoch nicht austricksen. Ich war es leid auf ihn hereinzufallen. Ohne zu zögern, lief ich ihm hinterher. Bei der Treppe angekommen, holte ich ihn bereits ein. Wie ein Kleinkind, versuchte er die Treppen runterzulaufen, durfte jedoch nicht zu schnell sein, er könnte ja stolpern. Dabei griff ich ihm unter die Arme. Mit einen Tritt in den Allerwertesten stieß ich ihn die Treppe hinab. Mit den Kopf voraus kullerte er die einzelnen Stufen, bis zum Erdgeschoss herunter. Ohne sich zu rühren, lag er nun am Boden. Er machte keinen Mucks mehr. Er schien, tot zu sein.
Nein, darauf fiel ich nicht rein. Er war nicht tot, das war mir bewusst. Er tat nur so. Langsam ging ich die Treppe hinab. Jede einzelne Stufe knarzte. Die Freude, ihn den Schädel einstampfen zu können, war mir ins Gesicht geschrieben. Ja, ich freute mich so sehr, dass ich die Vorfreude genießen musste. Bei dem Körper angekommen, stupfte ich Jimmy mit meinen Fuß ein wenig an. Ich wollte eine Reaktion sehen. Ich wollte, dass er leidet. Diese bekam ich zwar nicht, doch führte genau das aus, was ich vor hatte. Mit mehreren Tritten stampfte ich gegen seinen Kopf, bis er nur noch aus Matsche bestand. Ja, Jimmy war tot.
Obwohl, ihn zu töten, nicht gerade anstrengend war, schwitzte ich und war außer Atmen. Langsam schlenderte ich in die Küche, um mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank zu holen. Meine Kehle war trocken. Ich betrat die Küche, sah zu dem Kühlschrank, drehte mich um und sah auf dem Esstisch. Dieser Anblick. Dieser Anblick. Das, was ich sehen musste, werde ich nie vergessen.
Vor dem Küchentisch stand, ohne nur einen Mucks zu machen, Simon. Er hatte ein Messer in der Hand. Ich stellte mich vor ihn. Seine Augen hielt er weit geöffnet. Das Messer als auch seine Kleidung waren voller Blut. Ich drehte mich um und sah auf dem Küchentisch. Pia lag dort. Ich Kopf, er war…er war. Er lag ausgerenkt am restlichen Körper. Nur noch die Haut am Hals welche sich dehnte, verband den Körper mit dem Kopf. Es war… tut mir leid, ich kann das schlecht erklären. Soll ich es Ihnen aufzeichnen? Es sah so als hätte sie einen langen Hals, wie eine Giraffe. Haben sie vielleicht Papier und Stift bei Hand?
Jedenfalls war dort noch etwas. Pia hatte ihre Augen weit geöffnet. Ihr Gesichtsausdruck glich den von Simon. Neben dem Körper lag Schminke. Jemand hatte sie geschminkt. Sie war stark und schlecht geschminkt. Es sah so aus, als hätte Simon sie geschminkt. Simon renkte den Kopf seiner Mutter aus und schminkte sie danach. Ich sah erneut zu Simon. Da war noch das Messer. Ein weiterer Blick auf Pia ließ mich erst die Stiche in den Magen erkennen.
„Was hast du getan?“, fragte ich mit dem Rücken zu ihm. Simon sprach kein Wort.
Ich drehte mich um und fragte erneut, was er getan hätte, bis mir erst klar wurde, dass nicht er schuld war.
„Nicht du warst es, nicht wahr?“, fragte ich meinen Sohn. Noch immer stand er still und starr am selben Platz. Er sah aus wie eine Puppe.
„Keine Sorge Simon, dir wird nichts passieren.“, sprach ich zu ihm. Dabei spielte ich darauf an, dass Jimmy tot sei. Er war tot, definitiv.
„Ach du scheiße.“, sagte eine leise Stimme im Türrahmen. Es war Jimmy.
Ich schrie. Mit meinen Händen rupfte ich mir Harre aus meinem Kopf und schrie und weinte und fluchte.
„WAS HAST DU GETAN!!!“; schrie ich Jimmy an.
„Das war ich nicht John, das wars du.“, sprach er. Obwohl ich nicht bei klaren Verstand war, fiel mir etwas auf. Jimmy grinste nicht oder lachte schelmisch. Er sah tatsächlich schockiert aus. Auch er schien vom Anblick meiner Frau verstört zu sein.
„Simon, geh zur Seite. Ich mache diesen Bastat nun platt.“, sprach ich zu Simon, welcher sich noch immer nicht vom Fleck bewegte.
Jimmy sah ängstlich aus, beinah menschlich. Er sprach mit etwas tieferer Stimme als sonst: „John, es reicht. Du bist mich los.“, kehrte mir den Rücken zu und wollte gehen. Dies ließ ich jedoch nicht auf mir beruhen. Ich rannte auf ihn zu und nebenbei schmiss ich mich mit ihm zusammen zu Boden. Ja, es war eine Leichtigkeit ihn zu Boden zu bringen. Er versuchte sich zu wehren, doch ich hatte ihn. Auch wenn ich nur fünf Minuten zuvor auf seinen Schädel eintrat und bereits dachte, es wäre vorbei, fühlte es sich dieses Mal tatsächlich so an, als würde ich ihn töten. Mehrere Fäuste landeten in sein Gesicht. Er blutete. Schnodder und Tränen kamen aus allen möglichen Poren. Ja, am Ende schaffte ich es einen seiner Vorderzähne rauszuschlagen. Ja, dieser Vorderzahn sprang aus seinem Maul direkt zu meinem Sohn. Ich gewinne.
Jimmy hielt sich beide Hände vor seinen Mund. Blut kam aus diesem heraus. Er konnte es nicht glauben. Er konnte nicht glauben, dass ich gewinne. Ich gewinne. Dabei war ich mir zu 100 Prozent sicher. Schon fünf oder sechs Mal war ich mir so sicher wie in diesem Moment, dennoch war etwas anders. Und auch schon zwei oder drei Mal fühlte es sich so anders an, doch dieses Mal war es wirklich ernst. Während ich auf diesen Jungen einschlug, erinnerte ich mich an die letzten Male, in denen ich gegen Jimmy kämpfte. Kürzlich sogar im Flur vor der Treppe, wobei dies ein einseitiger Kampf war. Während ich mich an die andren Auseinandersetzungen zurück erinnerte, fiel mir nun das erste Mal auf, dass all diese anders waren. Etwas fühlte sich nicht richtig an. Diesmal schien es jedoch keine Illusion zu sein. Diesmal war es real.
Jimmy schrie, nahm seine blutigen Hände aus seinem Gesicht und schlug auf mich ein. Ich lachte. Mehrerer Fäuste landeten in sein Gesicht. Ich konnte seine Nase brechen hören. Ich konnte alles in ihm brechen hören. Hingegen spürte ich seine Schläge beinah nicht einmal.
Erst als er sich nicht mehr wehrte, seine Hände zur Seite fielen und seine Beine aufhörten zu treten, ging ich von ihm runter, stand auf und trat ein letztes Mal auf ihn ein. Es war nur ein leichter Schubser mit dem Bein, um zu erkennen, dass er leblos vor mir lag.
Obwohl ich nicht viel abbekam, war ich mit meiner Kraft am Ende. Ich benötigte eine kleine Pause und kehret ihm den Rücken zu. In meinem inneren Auge jedoch, konnte ich sehen, wie er langsam aufstand und sich leise aus dem Haus schlich. Naja, er humpelte. Ich drehte mich um und erkannte, dass diese Vorahnung wahr wurde. Gerade noch schaffte er es, die Haustüre hinter sich zuzuknallen. Ich lief zu dieser, öffnete sie und blickte hinaus. Nichts. Er war weg, wie vom Erdboden verschwunden. Nein, dieses Mal würde er nicht einfach so abhauen.
Ich lief die Straßen auf und ab und schrie seinen Namen. „Jimmy, komm aus deinem Versteck raus.“. Die Nachbarn gafften schon, doch dies war mir gleichgültig. Alles was ich wollte war Rache. Rache an meine Frau, Rache an Fred. Rache an meinen…
Erst als ich das Ende der Straße erreicht hatte, sah ich ihn. Jimmy kam aus dem Gebüsch, völlig unversehrt. Er lächelte mich an. Wütend und zugleich verwirrt blickte ich zu dem kleinen Jungen. Er hat gewonnen. Wenn er schon wieder so fit vor mir stehen konnte, gab es keine Chance ihn zu besiegen. Er war unzerstörbar. Dieser kleine Drecksack konnte nicht sterben.
„Du hast gewonnen:“, sagte er. Ich war verwundert.
„Was sagst du da?“, fragte ich.
„Hör zu John, du bist viel stärker als ich. Ich denke es ist Zeit aufzugeben. Ich möchte dir gratulieren, du hast mich besiegt. Herzlichen Glückwunsch.“, so lauteten seine Worte.
Daraufhin verschwand er wieder im Gebüsch. Verwundert ging ich zu meinem Haus zurück wo Simon bereits auf mich wartete. Ich war erleichtert, dass ihm nicht passiert ist. Er sprang auf mich zu, ich hob ihn hoch und wir umarmten uns. Es war ein schönes Gefühl, das kann ich Ihnen sagen.
„Dad, was ist mit Mom?“, fragte er mit seiner kindlichen Verzweiflung.
„Es tut mir leid mein Sohn, aber Mom ist tot. Jimmy hat sie genommen, aber weißt du was, er wird uns nicht mehr belästigen.“, so sprach ich. Es sah alles nach einem Happy End aus. Ich verkaufte das Haus und zog mit Simon nach Denver. Meine Frau wurde festlich beerdigt. Das geschah vor genau einem Monat.
Natürlich fragen Sie sich, weshalb ich nun hier bin. Weshalb ich Sie aufsuche, obwohl alles bereits vorbei ist. Ganz einfach, er ist zurück. Vor genau zwei Wochen, bekam ich einen Brief. Der Brief war ohne Absender. Ohne etwas Böses zu erahnen, öffnete ich ihn. Bei diesem Anblick bekam ich es mit der Angst zu tun. Solche Angst, wie ich sie schon lange nicht mehr verspürte.
Simon ließ ich bei einem Babysitter zuhause und nun bin ich hier bei Ihnen, um jene Zeichnung vorzuzeigen, die in jenem Briefumschlag zu finden war.
John holte einen zusammengefalteten Zettel aus seiner Hosentasche. Er faltete ihn mehrmals auseinander und hielt diesen vor sein Gesicht. Natürlich mit der umgedrehten Seite, um ihn Alfred zeigen zu können. Zu sehen waren drei Strichmännchen. Zwei kleinere Figuren in blau und grün und ein größerer in Rot. Der Blaue lächelte. Es war ein Lächelndes Gesicht wie es nur ein Kleinkind zeichnen konnte. Zwei Punkte und ein Halbkreis. Keine Nase, Keine Augenbraun. Lediglich zwei Striche auf der linken und rechten Seite des Kopfes, um Haare darzustellen. Über diesem stand „ME“. Der Grüne lächelte ebenfalls, sah aus wie der Blaue hatte jedoch anstelle von Punkten, Kreise als Augen. Außerdem war sein Lächeln weiter nach oben gezogen. Über diesem Stand „Jimmy“. Der Grüne hielt etwas in der Hand, was wie ein Messer aussah. Etwas, was wie Bluttropfen aussah, tropfte zu Boden. Neben dem Grünen befand sich der große Rote. Er stand nicht, sondern lag. Außerdem sah er traurig aus und hatte Kreuzaugen. Ebenfalls kam etwas aus seinem Körper, was wie Blut aussah. Über diesem stand „Bad Guy“, wobei das u aussah wie ein a.
Obwohl die drei Figuren schlecht gezeichnet waren und ebenso die Buchstarben aussahen wie die, welche ein Kind geschrieben hätte, war irgendetwas merkwürdig. Es wirkte beinah so, als würde die Zeichnung nicht aus Kinderhänden kommen.
„Sehen Sie nun mein Problem. Sehen Sie es. Dieser tote Typ, der als „Bad Guy“ betitelt wird, sieht mir wie aus dem Gesicht geschnitten. Das soll eindeutig ich sein. Diese Handschrift und der Zeichenstill ist eindeutig der von Simon. Wahrscheinlich wollte Simon den Brief wegschicken, an Jimmy nehme ich an. Jimmy ist nicht tot, er ist zurück und bringt nun meinen Sohn dazu, mich zu töten.
Also Doktor, frage ich Sie Schlussendlich, nachdem ich etwa ein oder zwei Minuten, über der Zeit bin, dafür entschuldige ich mich, was soll ich tun?“
John entfernte wieder die Zeichnung von seinem Gesicht nur um…
„AHHHHHHH“, schrie er. Eigentlich sollte er nun wieder in das bekannte Gesicht von Dr. Alfred Phillips blicken, doch stattdessen, stattdessen blickte er in das Gesicht jenes Monsters aus seiner Kindheit. Es saß ihm Gegenüber und grinste.
„Hast du mich vermisst.“, sprach es mit dunkler Stimme.
„Geh weg von mir, verschwinde. Hau ab.“, flehte ihn John an. Das Monster haute jedoch nicht ab, sondern nahm ihn mit und sperrte John zurück in das Gefängnis. Genauso, nahm John die ganze Sache war, doch was passierte tatsächlich?
Schon als John die Praxis von Alfred Phillips betrat, kam den Doktor dieser Typ suspekt vor. Er stank und trug zerrissene Kleidung. Die Haare standen ihm zu berge. Alfred bemerkte schnell, dass mit John etwas nicht stimmte. Als sich John hinsaß und ohne Pause seine Geschichte erzählte, rief Alfred währenddessen die Polizei an. John schwafelte weiter. Er redete schnell und verwirrt. Während Alfred auf die Polizei wartete, recherchierte er nicht nur über John Myers, sondern hörte diesen auch noch gespannt zu. Als er herausfand, wer dieser Typ war, war er nur noch gespannter. Er bereute es beinah, die Polizei so frühzeitig informiert zu haben, schließlich wollte Alfred alles hören. Er wollte hören, was solch ein Psychopath zu sagen hatte. Am Ende war John gerade mit seiner Geschichte zu Ende geworden, als die Polizisten eintrafen und John Myers begann wie ein Verrückter loszuschreien. Er sprang auf und wedelte mit den Händen und Beinen wild um sich herum. Die Polizisten nahmen ihn mit und sperrten ihn wieder zurück. Dort hin wo er herkam
Keiner weiß genau wie er es anstellte, doch John schaffte es aus dem Gefängnis auszubrechen. Über Nacht, ohne, dass es jemand mitbekam. Er flüchtete und suchte die Praxis von Dr. Alfred Phillips auf. Wie er es schaffte nach Nebraska zu kommen, war die größere Frage. Von einem Hochsicherheitsgefängnis in Denver, nach Flint in Nebraska in nur zwei Wochen zu kommen und nebenbei noch im ganzen Lande gesucht zu werden, ist einfach unmöglich.
„Um ehrlich zu sein, hat keiner eine Ahnung wie es dieses Schwein schaffte. Er müsste Tag und Nacht ohne Pause durchgerannt sein, um so weit zu kommen.“, sagte einer der Polizisten zu Alfred, nachdem Myers abgeführt wurde.
Erst als dieser im Polizei Van saß, auf dem Weg ins nächste Hochsicherheitsgefängnis, realisierte er erst, dass er nicht von dem Monster, sondern von der Polizei mitgenommen wurde. Er flehte die Polizisten an ihn frei zulassen, da er nichts getan hätte. Er sagte: „Bitte, ich habe meine Frau nicht ermordet. Dr. Alfred wird es Beweisen. Er wird mir glauben und mich raus holen.“ Diese Worte wiederholte er andauernd.
Dr. Alfred würde ihm nicht helfen. Zu sehr war er davon angeekelt, was Myers anstellte. Dies schienen wohl auch der Richter und die Geschworenen zu sehen. Denn anstelle ihn als unzurechnungsfähig zu plädieren, wurde er als völlig Schuldig eingestuft. Schon vor Gericht versuchte er zu erklären, dass er seine Frau nicht ermordet habe. Er behauptete des Öfteren, dass es sein Sohn bezeugen könnte. Nur blöd, dass er nicht nur seine Frau erwürge sondern auch den Schädel seines Sohne einstampfte. Alles sprach gegen ihn.
Als Myers Blutverschmiert die Straßen abging, um Jimmy zu suchen, riefen Passanten die Polizei. Der Tatort wurde sofort untersucht. Die Polizisten meinte, so etwas schlimmes hätten sie noch nie gesehen. Alles sprach gegen John nur eines nicht. Unter dem Sofa wurde ein Zahn mit etwas Blut gefunden. Der Zahn war klein, sah aus wie der eines Kindes. War jedoch kein Milchzahn. Nur dieser Vorderzahn, welcher eindeutig noch frisch war, sprach für ihn. Dieser eine Zahn schaffte es einige Leute davon zu überzeugen, er sei es nicht gewesen. Dieser Kleine Zahn jedoch, wurde nicht als Beweisstück gesehen. Zu sehr passte er nicht zu den andren Beweisen. Zu „irrelevant“ war dieser Zahn. Zu „irrelevant“ als Beweis. Zwar gab die Spurensicherung schnell die Suche auf, doch für einige Zeit wurden Ermittlungen angestellt, um den Besitzer des Zahnes doch ausfindig zu machen. Vermutet wurde nämlich, dass John noch weitere Kinder, außer seinen Sohn, ins Visier nahm. Die Ermittlungen wurden aufgegeben, da nicht dafür sprach. Nichts außer dieser verdammte Zahn. Dieses letzte Detail.
John bekam zweimal Lebenslänglich. Wegen seiner Flucht musste er nicht länger sitzen. Der Fall kam nicht zu Presse. Zu schrecklich empfand der leitende Polizist diese Tat. Eine Pressesperre wurde selbstverständlich nicht vollzogen. Dennoch wagten nicht viele von John Myers zu berichten. Zu seinem Glück. Zu Jimmys Glück.
„Was für ein Unmensch. Wie kann man seinem eigenen Kind nur so etwas antun? Solche Menschen werde ich wohl nie ganz durchblicken.“, dachte sich Alfred. In diesem Moment wusste er jedoch noch nicht, dass ihm etwas ähnliches nicht lange darauf passieren wird.
Tag der Veröffentlichung: 25.08.2022
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