Sorgen
„Und das ist wirklich okay?“, fragt Mama unruhig. Draußen ist es längst dunkel geworden. Es ist Vollmond, und als Mama-sie heißt übrigens Brigitte-die Haustür ihres zweistöckigen Einfamilienhaus öffnet, sieht Niklas lange Schatten über den vom Mond beleuchteten Plattenweg fallen. „Ihr kommt auch ohne mich klar?“ Und sie zieht ihren Trolleykoffer über die Türschwelle nach draußen. „Wir sind doch keine Babys mehr!“, erinnert Line. „Aber wirklich!“ betont Niklas.
„Ja dann werde ich also fahren!“,sagt Mama unglücklich. Vor einer Stunde hat Onkel Michael und gesagt, dass Oma gestürzt ist und im Krankenhaus liegt. Da muss Mama jetzt hin. „ Es ist ja nur für eine Nacht“. Und dann läuft sie schon los und dreht sich nicht einmal mehr um, um zu winken. „Was soll denn schon passieren!“, sagt Niklas und zieht die Tür zu. „Jetzt echt!“ Aber unter der Kastanie am Zaun hat sich etwas bewegt, da ist er sich ganz sicher. Line sagt er das lieber nicht.
Filme
Sonst würde sie sich wieder unnötig fürchten. So hätte seine kleine Schwester nur wieder Mama angerufen und die kann das nun wirklich nicht gebrauchen. Nicht nach all der Aufregung. Line war schon ins Wohnzimmer gelaufen. Von dort dröhnen schon wieder die nervtötenden Stimmen der Chipmunks aus den Lautsprechern. Seit kurzem war das der Lieblingsfilm von Line, wobei ihn sogar Niklas schon fast auswendig kennt, obwohl er nie richtig zuschaut. Das kommt davon, wenn ein Film in drei Tagen mindestens 20 Mal abgespielt wird...Niklas verdreht theatralisch die Augen. Er hasst diese Piepsestimmen mittlerweile wie die Pest. Der zwölfjährige Junge schüttelt sich angeekelt. Mit energischen Schritten stampft er ins Wohnzimmer. Im Vorbeigehen schnappt er sich die auf der Sofalehne liegende Fernbedienung und drückt auf den Ausschaltknopf. Der Fernseher flimmert noch kurz, dann ist der Bildschirm Schwarz. „Hey!!“, protestiert Line. „Geht noch?“ „Ja!“ , keift er zurück. „Es ist zehn vor neun! Ab ins Bett. Du musst dich noch fertig machen“. „Musst du denn immer so blöd sein? Gibt es da nie eine Ausnahme?“ „Nein, Mama hat gesagt ich soll dich um neun ins Bett schicken!“ Line zieht einen Schmollmund und schiebt trotzig die Unterlippe vor. Dann springt sie auf und rennt in ihr Zimmer. Niklas hört, wie sie die Tür zuschlägt, und den Schlüssel umdreht. Er lässt sich erleichtert aufs Sofa plumpsen. Er lauscht noch einmal ob Line nicht doch noch mal ins Wohnzimmer kommt. Stille. Heimlich schaut er sich nämlich immer Westernfilme ab zwölf an. Obwohl es bis zu seinem zwölften Geburtstag gar nicht mehr so lange ist. Trotzdem. Um halb elf wurden auch seine Augenlider schwer. Hundemüde schleppt er sich ins Bett.
Der Regenbogenstein
Mitten in der Nacht wird Niklas von einem seltsamen Licht aufgeweckt. Er schaut auf seinen Wecker. 2:34 Uhr. Es konnte also unmöglich die aufgehende Sonne sein. Er wirft seine Bettdecke zurück und tappst zum Fenster. Langsam schiebt Niklas den Vorhang beiseite und schaut nach draußen. Der Platz unter der Kastanie wo er am Abend eine Bewegung gesehen hatte fällt im sofort ins Auge. Von dort schien der helle Schein auszugehen. Er überlegt nicht lange und zieht sich eine Hose eine Jacke und Schuhe an. Bereit hinauszugehen fällt im ein, dass er einen Schlüssel und seine Taschenlampe mitnehmen sollte. Den Schlüssel in der Jacke und die Lampe in der Hand nimmt Niklas seinen ganzen Mut zusammen und verlässt das Haus. Der gelbe Lichtkegel der Taschenlampe zuckt hektisch über den Plattenweg einige Bäume und Sträucher und schließlich zu der Stelle unter der Kastanie. Mit Beinen wie aus Gummi wackelt der Junge auf die Lichtquelle zu. Noch zehn Meter. Noch 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3. Plötzlich stoppt Niklas und knipst die Lampe aus. Das Licht war hier schon hell genug. Jetzt voller Neugier geht er die letzten drei Meter. Nun steht er direkt vor dem seltsamen Ding. Es ist ein schwarzes etwas. Zögernd streckt Niklas die Hand aus und hebt das Teil auf. Beim genauen betrachten findet er heraus, dass es sich um einen Stein handelt. Genauer genommen um einen Opal der eine Oberfläche aufweist, die von einem leichten Regenbogenschimmer überzogen ist. Das erste Wort, dass Niklas dazu einfällt, ist Regenbogenstein. Er steckt den Stein in seine Jacke und geht wieder ins Haus. Er beschließt, dass er sich morgen im Internet Informationen über den Stein holen wird. Es spuken dem Jungen noch tausend Fragen im Kopf herum als er schließlich wieder im Reich der Träume versinkt.
Die Legende
„ Kannst du endlich kommen?“, quengelt Line „Ja, ich bin gleich fertig“ gibt Niklas zurück. Er sitzt mittlerweile schon fast zwei Stunden am Computer und sucht Informationen über den „Regenbogenstein“, während Line sich schon zum zweiten mal die Chipmunks anschaut. Seit 20 Minuten will sie ihm ihre Lieblingsstelle zeigen. Doch gerade ist Niklas fündig geworden und blendet Lines drängeln aus. Gespannt ließt er:
„In den Schöpfungsmythen australischer Ureinwohner wurde der Opal aus dem Regenbogen geboren. Die Legende erzählt, wie der Schöpfer einst zur Erde niederstieg, um den Menschen seine Gesetze zu verkünden. Nach dem Ende seiner Botschaft stieg er auf einem Regenbogen zurück in den Himmel. Dort, wo der Lichtbogen die Erde berührte, entstand der Opal.“
Daraus schließt der Junge, dass es so ein Stein sein muss. „NIIIIKKKLAAAAAAAASSS, schau doch mal ein Regenbogen. Der endet direkt vor unserer Haustür!!“ Niklas fährt hoch. Er springt auf und rennt zu Line „Wo, wo, wo?“, schreit er sie fast an.
Geheilt und gerettet
„Na dort“ sagt Line, und zeigt auf die Stelle direkt unter dem Kastanienbaum. Niklas zieht sich in Windeseile an uns stürmt, mit dem Stein in der Hand, nach draußen. Er bleibt direkt vor der Stelle stehen und legt behutsam den Stein genau dort auf den Boden. Plötzlich erhebt sich der Stein vom Boden und eine Stimme sagt: „Du hast mich und meine Geschichte gerettet. Dank sei dir, du edler Mann. Für diese Tat hast du einen Wünsch frei“ Niklas denkt nicht lange nach und antworten ganz erstaunt: „Ich wünsche mir, dass Oma wieder gesund wird“ „Der Wunsch wird dir erfüllt“ verkündet die Stimme und dann schwebt der Stein entlang des Regenbogens in den Himmel hinauf. Niklas schaut ihm noch hinterher und geht dann zurück ins Haus wo ihn Line schon freudestrahlend empfängt „Mama hat gerade angerufen und gesagt, dass Oma wieder gesund ist und, dass sie gleich nach Hause kommt!“ Ein kleines Lächeln huscht über Niklas Gesicht und dann lässt er sich endlich von Line ihre Lieblingsstelle zeigen.
Tag der Veröffentlichung: 29.04.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch ist für eine Person die mit mir den Anfang geschrieben hat. Ich denke der jenige weiß, dass er gemeint ist