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Prolog




Leise, kaum hörbar, knirscht der Schnee, unter den Hufen meines Reittieres. Ein bulliges Wesen, mit pechschwarzem Fell und blutroten Augen. Der mächtige Schädel des Tieres, welcher leicht nach unten abgerundet ist, befindet sich auf gleicher Höhe mit den muskulösen Schultern. Fließend wird der lange Körper von vorne nach hinten schmaler, sodass mein abgewetzter Ledersattel perfekt auf dem Rücken liegen kann.
Nervös, peitscht der lange, mit Spitzen Stacheln besetzte Schwanz, hin und her, wobei die Horn Gebilde erst ab der Mitte der Rute beginnen und zum Ende hin immer länger werden.
Weiße Atemwolken schweben aus den schwarzen Nüstern, während die, an der Spitze gespaltenen, Hufen tiefe Spuren in dem gefrorenen Untergrund hinterlassen.
Bei jedem Schritt dieses Kolosses, spüre ich deutlich die sehnigen Muskeln, die sich direkt unter der Haut strecken und zusammen ziehen. Nachdenklich starre ich auf den riesigen Schädel des Morbars, der mir schon seit Jahren gute Dienste leistet, wobei mein Augenmerk auf den Hörnern liegt, die seitlich von Kopf abstehen und sich ab der Mitte nach oben biegen.
Leise klirren meine Stahrüstung und mein großes, zweihändiges Schwert um die Wette und erfüllen die karge Landschaft mit ihrem Klang, der in meinen Ohren Sicherheit bedeutet.
Nur langsam zieht die felsige Landschaft an uns vorbei, während mir der eiskalte Wind mir um die Ohren pfeift. In gemächlichem Tempo, schreitet mein Reittier voran und kämpft sich durch den schmalen Pfad, welcher der einzige Weg ist, der durch diese, zerklüftete Felslandschaft führt.
Unser Ziel ist Finsterfels ein kleines Dorf, dass in diesem Ödland seinen Platz gefunden hat. Die Menschen und menschenähnliche Gestalten, die dort beheimatet sind, sind raue, zähe Gesellen, die sich perfekt an das Leben in dieser verschneiten Berglandschaft angepasst haben. Sie gelten nicht gerade als gastfreundlich, Fremden gegenüber, da dieses Dorf des Öfteren von Angreifern heimgesucht wird, die in ihm ein leichtes Ziel sehen. Die meisten dieser arglosen hatten jedoch nicht den Hauch einer Chance. Die stolzen Männer und Frauen die dort leben, haben jeden der Angriffe gnadenlos nieder geschlagen. zumindest sagen das die vielen Geschichten, denen ich zuhören durfte.
Doch reise ich nicht dort hin, um diesen Erzählungen auf den Grund zu gehen, sondern lediglich, weil ich einen Platz zum schlafen brauche. Denn diese kleine Ansammlung, von nicht einmal 30, Häusern, ist der einzige Ort, im Umkreis von zwei Tages Märschen, an denen Zivilisation anzutreffen ist.
Nur langsam wandern die riesigen Berghänge auseinander und geben den Blick auf die unberührte Tundra frei. Entspannt sitze ich im Sattel und lasse meinen Blick über die Umgebung schweifen, um jegliche Gefahr, die hier lauern könnte, rechtzeitig zu entdecken.
Immer wieder wird meine Sicht, von dem aufgewehtem Schnee, beeinträchtigt. Müdigkeit und Hunger zerren an meinem Körper und meiner Aufmerksamkeit, was mich im schlimmsten Fall das Leben kosten könnte.
Hinter jeder Erhöhung, hinter jeder Schneewehe könnte ein Feind lauern, der nur auf eine Unachtsamkeit meinerseits wartet. Da ich es nicht riskieren will, ein unnötiges Gefecht schlagen zu müssen, treibe ich meinen Morba, mit dem stolzen Namen Radoun, zur eile an.
Augenblicklich erhöht das Tier das Tempo und trappt nun durch den, immer tiefer werdenden, Schnee. Feine Schneeflocken fallen, in immer kürzer werdenden Abständen, vom Himmel herab und rieseln auf mein Haupt und das meines Morbars. Der kalte Wind raut auf, während die helle Scheibe, die wir Sonne nennen, langsam gen Horizont sinkt, um den Tag zu verabschieden.
Nur schwerlich kann ich einen dunklen Fleck, in dieser verschneiten Ödnis, ausmachen, der sich nach längerer Betrachtung als Finsterfels herausstellt. Erleichterung keimt in mir auf, da ich das Dorf noch vor Anbruch der Nacht erreichen werde und so die Wahrscheinlichkeit sinkt, das ich in der Dunkelheit angegriffen werde. Sicherlich könnte ich auch in dem Dörfchen angegriffen werden, jedoch ist dies eher unwahrscheinlich.
Zuversichtlich halte ich auf die Häuser zu, die ich nach einiger Zeit auch endlich erreiche. Kleine Holzhütten ragen vor mir in die Höhe, fast gänzlich weiß, von dem vielen Schnee, der hier tagtäglich vom Himmel fällt.
Auf direktem Weg halte ich auf die alten Ställe zu, die einige Meter abseits der anderen Häuser stehen. Kaum eine Seele ist in der Nähe dieses Gebäudes zu sehen, bis auf einen Mann, der sich um das Wohl der Morbars kümmert, wovon derzeit zwei in den Boxen stehen. Lediglich eine der Boxen ist noch frei, was mich Aufatmen lässt, da mir der Gedanke nicht behagt hätte, Radoun, ohne passenden Unterstand, zurück zu lassen.
Vor den Ställen bringe ich meinen treuen Weggefährten zum stehen und steige von seinem Rücken ab. Das Klirren von Metal, meiner Ausrüstung wegen, ist zuhören, was die Aufmerksamkeit des Stallburschen auf mich lenkt, denn mehr ist er nicht.
Misstrauisch beäugt mich der kleingewachsene, schmale Elf, aus gelben Augen. Ungerührt nähere ich mich dem Jungen, der dem Aussehen nach, nicht älter als 16 Winter sein dürfte. Sein abgewetztes Leinenhemd hängt ihm, wie ein Mehlsack, auf den Schultern. Lediglich ein abgetragenes Bärenfell, das er sich um den schmächtigen Körper gebunden hat, scheint ihn vor der Kälte zu schützen. Seine Füße sind eingepackt in alte Lederstiefel, die ihre besten Tage schon lange hinter sich haben.
Kurz vor dem Burschen komme ich zum stehen, wobei mir auffällt, das er einen ganzen Kopf kleiner ist als ich. Doch bei meiner, für eine Frau, stolzen Größe von 1,80 m, ist das nicht weiter verwunderlich. Immerhin ist allgemein bekannt, das Elfen erst im Alter von 25 Wintern, ihre volle Größe erreichen.
"Was wollt ihr?" erhebt der Junge, recht barsch, die Stimme, ohne mich aus den Augen zulassen. "Mein Morbar, er braucht einen Platz für die Nacht. Ich möchte ihn bei euch unterstellen", teile ich ihm mein Anliegen mit, was der Elf mit einem Kopfnicken zur Kenntnis nimmt.
"Wartet hier, ich werde meinen Herrn holen", brummt er, ehe er kehrt macht und im Wohnhaus, der zu den Ställen gehört, verschwindet. Geduldig liegt mein Blick auf der morsch aussehenden Tür, durch die der Bursche eben gegangen ist, während ich Radoun hinter den langen Ohren kraule.
So grobschlächtig und plump dieses Tier auch aussehen mag, es ist schlau und liebt es, wenn man ihn krault.
Es dauert einige Augenblicke, bevor sich die Tür des Wohnhauses erneut öffnet und ein breitschultriger Mann nach draußen tritt. Langes, helles Haar hängt über seinen Schultern, zu beiden Seite zu dünnen Zöpfen geflochten. Auch dieser Mann ist in einfache Leinengewänder gekleidet, wobei sie an ihm nicht so riesig aussehen, wir an dem Stallburschen. Doch das liegt hauptsächlich daran, dass dieser Mann, ein Mensch von stattlicher Größe, viel muskulöser ist, als der junge Elf.
Mit weit ausfallenden Schritten und grimmig dreinschauender Miene, kommt er auf mich zu, dicht gefolgt von seinem Stallarbeiter. "Wenn ihr euer Tier hier unterstellen wollt, dann wird euch das Gold kosten", raunt der Hellhaarige mir zu, während seine Matsch grünen Augen mich offen missbilligend mustern.
Es ist allgemein bekannt, das die Finsterfelser fremden gegenüber misstrauisch sind, vor allem wenn sie, wie ich, in voller Rüstungsmontur hier her kommen. Die Tatsache, das ich eine Frau bin, mindert das Misstrauen keineswegs, eher das Gegenteil ist der Fall. Auch wenn es in anderen Städten und Dörfern schon normal geworden ist, das eine Frau sich selbst Kriegerin oder Söldnerin nennt, so ist die Zeit, in dieser Hinsicht, in diesem Dorf stehen geblieben.
"Gold habe ich genug, sagt mir nur, wie viel es mich kosten würde, mein Tier hier eine Nacht unter zu bringen", gebe ich unbeeindruckt zurück und klopfe vielsagend gegen den kleinen Lederbeutel, den ich an meinem Rüstungsgürtel befestigt habe.
Kaum merklich hellt sich das Gesicht des Stallbesitzers auf, als er mir, den geringen Preis von fünf Goldstücken, nennt. Mit einem Kopfnicken greife ich in den Beutel und überreiche dem Mann das Gold, bevor ich die Satteltaschen von meinem Morbar löse und mir über die Schulter werfe.
Mit einem letzten Blick auf Radoun, der sogleich, von dem Burschen, in die letzte freie Box geführt wird, mache ich mich auf die Suche nach einer passablen Schenke.

Kapitel 1



Nach kurzer Suche, finde ich tatsächlich einen Schankraum, in welchem ich mir ein Getränk zum ausklingen des Tages genehmigen kann. Es ist ein kleines Haus, mit gerade einmal vier Tischen für die Gäste. In der Mitte wurde eine kleine Feuerstelle errichtet, um den Raum zu erwärmen, bei den eisigen Temperaturen, die draußen herrschen. Im linken Teil der Schenke steht eine Theke, hinter der ein grimmig dreinschauender Mann steht. Auch die Miene der wenigen Gäste, drei an der Zahl, sehen nicht gerade besser aus.
In gewohnter Manier ziehe ich mir die Kapuze vom Kopf, kaum das ich den Schankraum betreten habe und setze mich an einen freien Tisch, der als einziges leicht abseits steht. Argwöhnisch werde ich dabei von den anwesenden Personen gemustert, bevor sich schließlich der Wirt in Bewegung setzt.
Mit mächtigen, fast schon bedrohlichen Schritten kommt er auf mich zu und lässt seinen Blick dabei weiter über meine Rüstung streifen. "Was darf ich euch bringen?" grummelt der Ork mit gefährlich klingender Stimme, wie es sich für diese Geschöpfe gehört.
"Ein Bier und dazu eine warme Mahlzeit", gebe ich höflich, wenn auch distanziert in Auftrag. Ein letztes Mal sieht er mir mich misstrauisch an, ehe er in einem angrenzenden Raum verschwindet.
Nur wenige Augenblicke vergehen, bis er wieder zurück ist, mit einem Krug in der Hand. "Das kostet euch zwei Goldstücke", brummt der Grünhäutige und hält mir seine Hand auffordernd hin. Mit einem knappen Kopfnicken hole ich das gewünschte Gold aus dem Beutel und überreiche es dem unfreundlichem Schankwirt.
Erst nach einer genauen in Augenschein nahme, nickt er ebenfalls und stellt mein Getränk vor mir ab. Zufrieden greife ich danach und lehne mich in dem Stuhl zurück. Aufmerksam beobachte ich die anderen Anwesenden, während ich immer mal wieder an dem Gebräu nippe.
Weitere Zeit vergeht, bevor auch mein Essen vor mir steht. Argwöhnisch, wie der Wirt, beäuge ich mein Mahl, bis ich es für essbar erachte. Schließlich greife ich nach dem Besteck und beginne damit, zu essen. Wie schon die ganze Zeit, herrscht eine, fast schon gespenstische, Stille im Raum. Nur unterbrochen wird das Schweigen von dem leisen Knistern des Feuers und dem Klimpern von Besteck. Immer wieder treffen mich misstrauische, bis missbilligende Blicke, während ich mein Abendessen verspeise. Ungeachtet der Aufmerksamkeit, die mir geschenkt wird, versteht sich. Schon als ich die Schenke betreten habe, wusste ich, dass ich hier nicht Willkommen bin, doch wirklich interessieren tut mich diese Tatsache nicht. Zum einen, weil dies der einzige Schankraum in diesem Dorf ist, zum anderen, weil es mir schon immer egal war, was andere über mich denken. Selbst als ich noch in meinem Heimatort lebte, einem kleinen Dorf an der Küste vom Sonnental. Schon damals, als ich nur zehn Winter alt war, wurde ich mit Missgunst und Abneigung begrüßt. Man hat mich ausgegrenzt, meines versoffenen Vaters wegen.
Früher war mein alter Herr hochangesehen, bis zu dem Tag, als er betrunken zum Dienst kam. Er gehörte zur Stadtwache und seinetwegen wurde unser Dorf angegriffen. Während seines Dienstes ist er eingeschlafen, betrunken und schnarchend. Nach diesem Vorfall musste er seinen Dienst einstellen und unsere Familie, bestehend aus mir, meiner Großmutter und meinem Vater wurden geächtet. Man hat uns gehasst und für den Vorfall verantwortlich gemacht, obwohl es nur mein Vater war.
Einige Winter später habe ich schließlich beschlossen, meine Heimat zu verlassen, um ein neues Leben als Söldnerin zu beginnen. Doch das ist die Vergangenheit und ist mittlerweile irrelevant.
Nach zwei weiteren Krügen Bier und der warmen Mahlzeit, erhebe ich mich schließlich von der Sitzgelegenheit, um die Schenke zu verlassen und nach einer Gaststätte für die Nacht zu suchen.
Mit gemächlichen Schritten und aufmerksamen Augen durchstreife ich die, von der Dunkelheit der Nacht heimgesuchten Stadt. Kaum eine Menschenseele ist mehr auf den Straßen zu sehen, was logisch ist, zu so später Stunde. Gerade, als ich an einer dunklen Gasse vorbei schreite, dringt ein leises Geräusch an meine geschulten Ohren.
Augenblicklich bleibe ich stehen und versuche auszumachen, woher der Laut, der einem Winseln nahe kommt, herrührt.
Mit zusammen gekniffenen Augen spähe ich, unter der Kapuze hinweg, in den finsteren Zwischenraum, den zwei nahe stehende Häuser bilden. Angestrengt versuchen ich, etwas in dem Schatten zu erkennen, bis mir zwei leuchtend grüne Augen auffallen, die mir entgegen blicken. Als ich mich dem Wesen nähern wollte, um zu sehen was es ist, hält mich eine Gestalt davon ab, die in meinem Augenwinkel auftaucht.
"An eurer Stelle würde ich mich dem Ding nicht nähern", raunt mir eine raue Frauenstimme zu und lässt mich den Kopf zu ihr umwenden. Durchdringend mustere ich die stämmige Frau, die wohl die Ehegattin des Schankwirtes ist, zumindest glaube ich nicht, das es hier noch mehr Ork Männer gibt.
"Und wieso sollte ich das nicht machen?" brumme ich zurück und sehe ihr fest ins Gesicht. "Weil das Viech unberechenbar ist. Es hat schon zwei aus diesem Dorf angefallen, die ihm helfen wollten", erläutert sie ernst und starrt in die schmale Gasse.
Ein undefinierbares Murren entkommt mir, was weder Zustimmung noch Verneinung bedeutet. Einige Augenblicke vergehen, in denen ich nur die grünen Augen fixiere, die mich scheinbar flehentlich ansehen. Als ein erneutes, klägliches Winsel aus der Gasse ertönt, werfe ich die Bedenken, die die Orkfrau versucht hat, in mir zu wecken, beiseite und trete langsam zwischen die zwei Häuser. Immer darauf bedacht, das Wesen nicht zu verschrecken, welches jede Bewegung von mir genau beobachtet. Langsam schreite ich auf das Tier zu, bis ich knapp zwei Meter vor ihm stehen bleibe.
Erst jetzt erkenne ich, mit was für einem Geschöpf ich es zu tun habe: Ein Droh oder auch Nebelwolf. Ein dreckig graues Wesen, mit einem sehr außergewöhnlichen Kopf. Auf seinem Kopf thronen zwei lange, spitz zulaufende Ohren, die momentan angelegt sind. Sein Kopf wird bedeckt von einer Art Totenschädel, nur das dieser nicht einfach aufgelegt wurde, sonder fest mit seinen, darunter liegenden Knochen verwachsen ist. Der Unterkiefer ist der eines normalen Wolfes, wobei der obere Knochenschädel darüber hinausragt und mächtige, bedrohliche Zähne bildet. Spitze Hörner haben sich von der Nase, bis zwischen die Ohren gebildet, die leicht nach hinten gebogen sind. Der Körper wiederum, ist bedeckt von einem einzigartigen Fell, welches auf dem Rücken eher Stacheln als Pelz ähnelt. Hart wie Horngebilde ist der Pelzmantel auf der Oberseite. Lediglich am Bauch und an den Schultern ist das Fell so weich, wie es sich für einen Wolf gehört. Die Rute des Tieres ist lang und an dessen Ende befindet sich eine Art Klinge, die zur Selbstverteidigung dient. Ein schmales Tier, das eine Schulterhöhe von 1,50 m hat und sich perfekt zum kämpfen ausbilden lässt.
Viele Reisende, ob nun Krieger, Söldner oder wandernde Handelskarawanen, besitzen solch ein Tier, da man es leicht ausbilden kann. Außerdem sind diese Tiere zäh und anpassbar. In jeder Umgebung sind diese Wesen beheimatet, was sie zu den perfekten Begleitern machen. Sie sind stark und die besten Wachtiere, die man haben kann. Sie sind loyal, was in mir die Frage aufwirft, warum er hier alleine zurück gelassen wurde. Niemand würde ein solches Wesen alleine zurücklassen.
Genau mustere ich das Tier, bis mir die klaffende Wunde an seinem Bauch und das seltsam verdrehte Bein auffallen. Das erklärt zumindest, warum das Tier so jämmerlich winselt.
"Wem gehört das Tier?" frage ich die Orkfrau, die mich misstrauisch ansieht. "Das weiß keiner so genau, doch könnte es den Wolfsblütern gehören, die vor zwei Tagen hier vorbei kamen", gibt sie zurück und blickt den Droh argwöhnisch an.
"Wolfsblüter?" entkommt es mir irritiert, als ich mich ihr vollends zudrehe. "Sagt nicht, das ihr noch nichts von dem Wolfsblut Clan gehört habt?" entrüstet sie sich, doch kann ich nur mit dem Kopf schütteln.
Als sie zu sprechen ansetzen wollte, bringe ich sie mit einer schlichten Handbewegung zum schweigen. Verwirrt mustert sie mich. "Schon gut, es ist egal. Sagt mir nur gut, wo ich diesen Clan finde, damit ich das Tier zu ihnen bringen kann", murmle ich ihr zu und knie mich vor das Tier.
Langsam strecke ich dem Droh die Hand entgegen, an welcher er zurückhaltend schnüffelt.
"Sie leben im Südosten, doch genaueres weiß niemand", antwortet die Frau und lässt mich verstehend nicken. Ohne sie noch weiter zu beachten, hebe ich das Tier auf meine Arme und verlasse die Gasse wieder.
Schnellen Schrittes setze ich meine Suche nach einem Gasthaus fort, bis ich schließlich eines finde. Ein herunter gekommenes Haus, mit einer, nicht gerade einladenden Austrahlung, doch lasse ich mich davon nicht irritieren, da ich keine große Auswahl in diesem kleinen Dorf habe.
Ohne einen weiteren Moment zu verschwenden, stoße ich die Tür mit meinem Fuß auf und finde mich in einem kleinen Vorraum wieder. Lediglich eine kleine Theke, hinter der ein finster dreinschauender, schwarzhaariger Mann steht, befinden sich in diesem Raum. Die Augen meines Gegenübers, liegen nur Sekundenbruchteile auf mir, bevor er den Droh in meinem Arm missbilligend mustert. Verachtung und Hass sind darin zu sehen, was mich zu dem Gedanken bringt, das dieser Gastwirt kein großer Tierfreund ist.
Direkt vor dem Tresen bleibe ich stehen und räuspere mich, damit mir der Schwarzhaarige wieder in mein, von der Kapuze verdecktes, Gesicht sieht. Nur wiederwillig löst er den Blick von dem Tier und fixiert mich aus braunen, matten Augen. "Ich brauche ein Zimmer für die Nacht", gebe ich dem Mann zu verstehen, der nur einen abwertenden Laut von sich gibt und die Arme vor der Brust verschränkt.
"Bedaure, aber mit dem Vieh kann ich euch keinen Zutritt zu meiner Gaststätte gewähren", raunt er mit dunkler, kratziger Stimme und wirft ein erneuten Blick auf den Nebelwolf.
"Das ist mir so ziemlich egal, da das Tier verwundet ist und ich einen Platz brauche, an dem ich es versorgen kann. Draußen, bei dem Schnee ist das wohl kaum möglich, also geben sie mir eines ihrer Zimmer, denn eher werde ich nicht gehen. Zur Not verbringe ich die Nacht auch hier, in ihrem Vorraum", knurre ich dem Wirt zu, welcher mich mit zusammen gekniffenen Augen ansieht, jedoch nach einigen Minuten des Schweigens klein bei gibt.
Zufrieden bezahle ich den horenden Preis, der viel zu hoch angelegt ist und trete durch die Tür, die sich im rechten, hinterem Eck befindet. Vor mir erstreckt sich ein schmaler Gang, der auf der Linkenseite mit einigen Türen gespickt ist.
Mein Weg jedoch führt mich in den ersten Stock und dort in das zweite Zimmer linker Seite. Der Raum ist nur sporadisch eingerichtet, mit einem Bett, einem Schrank und einem kleinen Nachttisch. Unter der Schlafgelegenheit befindet sich eine Metallwanne, die zur morgendlichen Wäsche dient. Die Möbelstücke haben ihre besten Zeiten schon seit langem hinter sich und ein muffiger Geruch geht von dem Kämmerchen aus, denn anders kann man diesen Raum nicht bezeichnen.
Dessen ungeachtet, lege ich den Droh auf das Bett, das laut quietschend unter dem Gewicht des Tieres nachgibt. Auch meine Satteltaschen lege ich auf das Bett und lasse meinen Blick einen Moment umher schweifen, während ich nachdenke, wie ich das Wesen jetzt am besten behandeln kann.
Zuerst einmal brauche ich Wasser, stelle ich gedanklich fest und ziehe die Wanne unter dem Bettgestell hervor. Gerade wollte ich mein Nachtlager verlassen, damit ich den gastunfreundlichen Wirt um Wasser bitten kann, als es an der schäbigen Tür klopft.
Ohne eine Antwort meinerseits abzuwarten, wird diese geöffnet und eine zierliche, kleine Frau kommt zum Vorschein. Schüchtern lächelt sie mich an, wobei ihre Augen unter dem roten Haar nur zu erahnen sind.
"Ihr wünscht?" erhebe ich leise die Stimme und mustere die abgenutzten Kleider der jungen Frau, die kaum älter als 20 Monde sein dürfte.
"Mein Gatte sagte mir, das wir einen neuen Gast haben und das ich euch fragen soll, ob ich euch etwas bringen kann", flüstert die Rothaarige fast schon und sieht vorsichtig zu mir auf, da sie fast einen Kopf kleiner als ich ist.
"In der Tat könnt ihr mir etwas bringen, Gnädigste. Ich brauche warmes Wasser, um die Wunden des Drohs zu reinigen", teile ich der Frau mit, welche zustimmend nickt und mir die Metallwanne aus der Hand nimmt. "Ich bin gleich zurück", nuschelt sie noch, bevor sie den Raum verlässt.
Dankbar dafür, das ich den mürrischen Wirt heute nicht noch einmal beehren muss, drehe ich mich zum dem Tier um, das auf meinem Bett liegt und mich aus großen Augen ansieht.
Langsam schreite ich auf die Schlafgelegenheit zu und öffne die Satteltaschen, aus welchen ich alles hole, was ich für die Wundversorgung brauche: Eine Heilsalbe, die ich selbst aus verschiedenen Kräutern hergestellt habe, ein paar lange, dünne Leinentücher, zum verbinden und ein Tuch, ebenfalls aus Leinen, zum reinigen.
Kaum, das ich alles zurecht gelegt habe, wird erneut meine Tür geöffent und die Rothaarige tritt unsicher neben mich. "Hier ist das Wasser, nach dem ihr verlangt habt", gibt sie leise von sich und wollte die Wanne schon auf den Boden stellen. Jedoch halte ich sie davon ab, indem ich sie ihr abnehme und ebenfalls auf das Bett stelle. "
Habt dank. Ihr könnt euch zu Bett begeben, da ich nun nichts weiter benötige", bedanke ich mich bei der kleinen Frau, die erneut verstehend nickt.
Mit einem respektvollen und dankendem neigen des Kopfes, sehe ich ihr nach, bevor ich damit beginne, das Tier zu versorgen.

Kapitel 2



Widerstandslos hat sich der Droh von mir behandeln lassen, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben. Wieder einmal bin ich beeindruckt, wie zäh diese Geschöpfe doch sind. Egal, wie schwer verwundet sie sind, egal wie wenig Chancen sie haben, sie geben trotzdem nicht auf. Sie kämpfen immer weiter, zur Not bis zum bitteren Ende. Darum haben alle eine so hohe Meinung von diesen Tieren. Kaum einer würde ein schlechtes Wort über sie sagen, da es niemanden gibt, der loyaler und zäher ist, als diese Wesen. Ich würde mich glücklich schätzen, ein solches Tier mein Eigen nennen zu dürfen, doch das heißt nicht, das ich meinen Morbar nicht als gut heiße. Auch Radoun ist ein treues Wesen, auch wenn er einen ziemlichen Dickschädel haben kann, wenn es etwas nicht will. Das macht den Umgang mit ihnen so schwierig. Nur eine feste Hand kann sie führen. Man muss dominant sein und ihnen seine Regel aufzwingen. Wenn man das nicht macht, kann es passieren, das sie dich nicht als Herdenführer akzeptieren und sich auflehnen. Bei der Masse dieser Geschöpfe wäre das wirklich keine gute Idee.
Blinzelnd, um die Müdigkeit für einen kurzen Moment zu vertreiben, mustere ich den, friedlich, schlafenden Nebelwolf.
Morgen machen wir uns auf diese Suche nach deinem Herren, beschließe ich gedanklich und räume alle Utensilien, die ich, für die Wundversorgung, gebraucht habe, zurück in die Satteltaschen. Danach beginne ich damit, mir meine Rüstung abzulegen, begonnen mit den Arm- und Beinschienen, weiter zum Rüstungsgürtel und den Beintaschen, bis hin zum Brust- und Rückenpanzer, welche mit den Schulterplatten verbunden sind. Zuletzt folgt mein Kettenhemd, bevor ich mich, nur mit Leinenhemd und -Hose bekleidet zu Bett begebe.
Mit einem letzten Blick auf den Droh, schließe ich die Augen, um in einen leichten Dämmerzustand abzudriften. Zu mehr bin ich nicht mehr in der Lage. Seid ich auf Reisen gegangen bin, schlafe ich nicht mehr so tief und fest, wie andere Leute, denn in der Wildnis könnte mich ein zu fester Schlaf das Leben kosten.

~

Gemeinsam mit den ersten Sonnenstrahlen erwache ich, kurz vor dem Tier neben mir. Aus schmalen, grünen Augen sieht es mich an, wie als würde es sich vergewissern, das ich noch neben ihm liege.
"Guten Morgen, Großer", brumme ich dem Droh, schlaftrunken zu und kraule seinen Unterkiefer, wobei er genüsslich die Augen schließt. Einen Moment beobachte ich ihn noch, bevor ich aufstehe, um meine Rüstung wieder anzulegen.
Wie jeden Morgen, nimmt diese Tätigkeit einige Minuten in Anspruch, ehe alles an seinem Platz sitzt. Nachdem ich mir die Kapuze über den Kopf gezogen habe, werfe ich mir die Satteltaschen auf die Schulter und hebe den Droh auf meine Arme.
Ein letzten Blick ins Zimmer werfend, betrete ich den Flur und steige die schmale, knarrende Holztreppe hinab. Wie am Abend zuvor, steht der Schwarzhaarige Mann hinter dem kleinen Tresen und mustert mich abfällig. Mit einem respektvollem Kopfneigen, verabschiede ich mich und gehe zu den Ställen. Draußen ist zu dieser Zeit noch nicht viel los, was ich nur begrüßen kann. Denn auch wenn es mich nicht stört, das viele mich missbilligend behandeln, so kann ich doch auf die starren Blicke verzichten.
Ein kalter Wind weht durch die Gassen, was einen pfeifenden Ton verursacht. Es dauert nicht lange, bis ich an meinem Ziel ankomme und Ausschau nach dem Stallburschen halte. Nach kurzer Suche, entdecke ich den Elfen, welcher gerade die Tränken der Tiere neu befüllt.
"Stallbursche, kommt her", rufe ich dem Jungen zu, der mich leicht verwundert ansieht, bevor er meiner Bitte folge leistet. "Was kann ich für euch tun?" erkundigt er sich, wie am vorigen Abend, nicht gerade freundlich und stellt den Eimer, voll mit Wasser auf dem Boden ab. "Wollt ihr euch ein Goldstück dazu verdienen?" frage ich den Elf, welcher neugierig, jedoch mit skeptischem Blick, den Kopf schief legt, damit ich fortfahre. "Habt ihr ein Auge auf den Droh, während ich meine Vorräte aufstocke?" teile ich ihm schließlich meine Bitte mit.
Einen Moment überlegt der Bursche, bevor er mir zustimmt. Dankend lege ich das Tier auf einen höher gelegenen Heuballen und weise den Jungen daraufhin, das er das Tier besser nicht anfassen sollte, da ich nicht weiß, wie es reagieren würde. Auch dieser Anweisung stimmt er zu, sodass ich guten Gewissens nach einem Händler suchen kann.
Zielstrebig steuere ich auf den kleinen Marktplatz zu, an dem ich gestern Abend schon einmal vorbei gekommen bin. Der Markt ist der einzige Ort, an dem schon jetzt reges Treiben herrscht. Marktschreier preisen ihre Ware an, während der Schmied unablässig auf einem Stück, glühenden Metall, herum hämmert. Eine Handvoll Stände wurden aufgebaut, an denen Kleidung, Schmuck, Tränke und Essen verkauft werden. Ich jedoch interessiere mich lediglich für die Nahrungsmittel und ignoriere die Anpreisungen der anderen Händler.
Nach einem fachmännischem Blick wähle ich mir die Waren aus, die ich für meine Reise brauche. Kaum das ich bezahlt habe, verstaue ich alles in den Satteltaschen und gehe zurück zu den Ställen. Dort stelle ich, zu meiner Zufriedenheit fest, dass der Stallbursche vor dem Heuballen sitzt und den Droh nicht aus den Augen lässt.
"Habt dank, das habt ihr euch verdient", erhebe ich die Stimme, als ich näher heran getreten bin, wofür ich ein schmales Grinsen von dem Burschen ernte. Lächelnd werfe ich ihm ein Goldstück zu und steuere auf die Box zu, in welcher Radoun seinen Platz gefunden hat.
Schnaubend begrüßt mich das Tier, wofür ich ihm die großen, feuchten Nüstern tätschle. Zufrieden lehnt er sich meiner Hand entgegen und pustet erneut Luft aus seinen Nasenlöchern. Einen Augenblick bleibe ich so stehen, bevor ich das Gatter öffne und mit der Hand über seine breiten Schultern streiche. Mein Blick schweift durch die Box, bis ich die Ausrüstung des Morbars erblick und nach dem Zaunzeug greife.
Geduldig, wie es sich im Umgang mit einem mächtigen Wesen wie diesem gehört, streife ich ihm das Geschirr über und befestige es hinter seinen Ohren. Kurz darauf folgt der schwere Sattel und die Satteltaschen, ehe ich Radoun aus dem Stall hole. Langsam führe ich ihn in Richtung des Drohs, damit sich die zwei bekannt machen können.
Misstrauisch senkt der Morbar den Kopf, um den Nebelwolf zu beschnüffeln, welcher es ihn gleich macht. Kaum das beide den Geruch des jeweils anderen in sich aufgenommen haben, hebt Radoun wieder seinen Kopf und zeigt mir so, das er das andere Tier dulden wird.
Zufrieden stelle ich den Morbar direkt neben den Heuballen, ehe ich den Droh auf den Arm nehme. Um das fremde Tier auf den Rücken zu heben, steige ich auf das zusammengesteckte Heu und lege das Wesen schließlich auf den vorderen Teil des Sattels. Als ich mir sicher bin, das der Nebelwolf nicht runter rutscht, steige auch ich auf den Rücken und setze mich auf den hinteren Sattelbereich. Ich kann von Glück reden, das ich einen Doppelsattel besitze, auf dem zwei erwachsene Männer Platz hätten.
"Bevor ich weiter reise, habe ich noch eine Frage an euch", wende ich mich noch einmal an den Burschen, welcher sich schon zum gehen umgedreht hat. Mit fragendem Blick dreht er sich zu mir um und wartet auf meine, eben erwähnte Frage.
"Gibt es eine Straße in der Nähe, die mich nach Südosten führt?" stelle ich schließlich meine Frage und der Elf  kratzt sich nachdenklich die Wange.
"Ihr müsst zuerst die Straße Richtung Osten nehmen. Nach einem halben Tagesmarsch gabelte sich der Weg. Die eine Gabelung führt weiter Richtung Osten, die Andere Richtung Südosten", erläutert mir der Junge, wofür ich ihm dankbar zunicke.
Ohne weitere Zeit zu verlieren, nehme ich die Zügel in die rechte Hand und hebe die Linke zu einem stillen Gruß, während ich Radoun die Hacken in die Seite drücke. Augenblicklich setzen sich die Massen, die fast nur aus Muskeln bestehen, in Bewegung und so schreiten wir durch das kleine Dorf.
Ein letztes Mal lasse ich meinen Blick über die Häuser wandern, welche langsam an mir vorbei ziehen. Das ein oder andere Augenpaar beobachtet mich argwöhnisch, ebenso wie das Tier, das auf dem Sattel vor mir liegt. Auch die Orkfrau, die mir gestern geraten hat, das ich den Droh liegen lassen sollte sehe ich, welche mich leicht bewundernd ansieht.
Irritiert hebe ich, ihres Gesichtsausdruckes wegen, eine Augenbraue, da ich nicht weiß, was genau sie zu bewundern scheint. Vielleicht beruht ihre Bewunderung auf der Tatsache, das ich reisend durch die Lande ziehe, ohne mich von jemandem aufhalten zu lassen. Oder es liegt daran, das ich den Nebelwolf tatsächlich dazu gebracht habe, mir zu Vertrauen und ihn jetzt sogar mit auf Reisen nehme. Doch eigentlich ist es egal, ich werde sie eh nicht wieder sehen.
Mit diesen Gedanken im Kopf, lasse ich Finsterfels hinter mir und sehe mich, der endlos erscheinenden, Tundra gegenüber. Unbarmherzig reißt der Wind an meinem Körper, was mir den aufgewehten Schnee ins Gesicht treibt und mir die Sicht erschwert. Dessen ungeachtet, beschäftigen sich meine Gedankengänge mit Fragen, die sich auf den Wolfsblut Clan beziehen.
Wer sind diese ominösen Wolfsblüter? Was wollten sie in Finsterfels? Was sind ihre Ziele? Haben sie irgendwelche Ziele? Warum haben sie ihren Droh zurückgelassen, noch dazu schwer verletzt? Ist es überhaupt ihr Tier? Werden sie mir wohl gesinnt sein oder nicht? Dieses und ähnliches schwirrt mir durch den Kopf, doch versuche ich, mich nicht zu sehr von all den Fragen in den Bann ziehen zu lassen. Der Großteil meiner Aufmerksamkeit sollte auf meiner Umgebung liegen, um nicht aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden. Es wäre fatal, wenn ich eine kommende Attacke nicht bemerken würde. Nur eine falsche Reaktion, eine kurze Unaufmerksamkeit und ich weilte die längste Zeit unter den Lebenden.
Schleppend zieht der Tag an mir vorbei, ohne ein besonderes Vorkommnis. Die Landschaft liegt trist und gleich bleibend vor mir. Geballtes weiß ist zu sehen, das nur ab und an, von verkümmerten Bäumen durchbrochen wird. Kein Geräusch dringt zu mir vor, wenn man den pfeifenden Wind, knirschenden Schnee und das Klirren von Metall, einmal außen vorlässt.
Unangenehm frisst sich die Kälte in meine Glieder, doch störe ich mich nicht daran. Ich bin an extreme Wetterverhältnisse gewöhnt. Sei es nun die sengende Hitze, die in den Wüstengebieten herrscht oder die scheidende Kälte der Tundren. Für mich macht das keinen Unterschied und so lasse ich mich davon nicht unterkriegen. Was wäre ich denn für eine wandernde Söldnerin, wenn mich sowas stören würde.
Das einzige, das manchmal an mir nagt, ist diese all gegenwärtige Einsamkeit. Wenn man immer umher wandert, dann ist es schwer, sich nicht allein zu fühlen. Außerdem ist es kaum wahrscheinlich, dass man jemanden findet, der einen begleiten will.
Früher, als ich noch jünger war, habe ich versucht, einen Begleiter zu finden, um diese endlose Reise nicht allein bestreiten zu müssen. Doch niemand wollte sich mir abschließen. Die Meisten haben nur behauptet, das sie eine Frau nicht mitnehmen, da sie nur aufhalten und sie immer beschützt werden müssen. Ich habe ihnen gesagt, dass es bei mir anders ist, jedoch wollte keiner von ihnen mir zuhören. Sie haben mich ausgelacht und weggeschickt. So musste ich alleine reisen, bis heute. Ob sich das je ändern würde, weiß ich nicht, doch bezweifle ich es.
Nach endlos erscheinender Zeit, erreiche ich tatsächlich die Weggabelung, an welcher ich Richtung Südosten weiter reite. Den gesamten Tage mache ich keine Rast, da ich in dieser Einöde so wenig Zeit wie möglich verbringen will. Es reicht mir schon, wenn ich eine Nacht in dieser Kälte verbringen muss. Auf eine zweite kann ich gut verzichten.
Gegessen und getrunken habe ich, ohne dabei anzuhalten. Es ist von Vorteil, das Morbars, trotz ihrer Massen, nicht viel Nahrung brauchen. Radoun bekommt morgens und abends eine Essensration und das reicht ihm vollkommen aus, um zufrieden und gestärkt zu sein. Jedoch ist das bei dem Droh anders. Sie brauchen mehr Essen, um bei Kräften zu bleiben, darum habe ich dem Nebelwolf immer wieder etwas von meinen Vorräten zugesteckt. Immerhin braucht er viel Energie, um seine Verletzungen auszukurieren. Es wäre sicherlich nicht gut, wenn ich die Wolfsblüter finde und sie sehen, das ich ihr Tier nicht vernünftig behandelt habe. Auf einen solchen Vorwurf kann ich verzichten.
Gegen Abend, als die Sonne sich langsam gen Horizont neigt, halte ich Ausschau nach einem passenden Schlafplatz und entdecke eine größere Baumgruppe, die ich als geeignet erachte. Mit meiner Wahl zufrieden, lenke ich Radoun in diese Richtung und halte erst, versteckt zwischen den Bäumen an. Leise murmle ich dem Kollos unter mir, den Befehl zum hinlegen zu, in einer alten Sprache, die fast gänzlich vergessen ist.
Ohne zu zögern, folgt er meiner Anweisung und legt sich auf den verschneiten Boden. Mein Blick wandert kurz über die Umgebung, bevor ich mir das alte Bärenfell nehme, das ich hinten an dem Sattel befestigt ist. Schnell ist es auf dem Schnee ausgebreitet, bevor ich den Droh darauf platziere. Mit der Hand deute ich Radoun an, das er hier bleiben Soll, ehe ich los marschiere, um Holz zu sammeln.
Als ich meine Arme vollbeladen habe, kehre ich zu den Beiden zurück und werfe das feuchte Feuerholz unachtsam auf den Boden.
Mit dem Fuß kehre ich den Schnee beiseite und schiebe das Holz in die kleine Mulde. Danach krame ich in einem Beutel, den ich an meinem Rüstungsgürtel gebunden habe. Zum Vorschein kommt eine kleine Phiole, in der sich eine rote, brodelnde Flüssigkeit befindet.
Fluchs ist der kleine Korken gezogen und ich tropfe etwas davon auf das nasse Holz. Mit einem Zischen treffen die Tropfen auf, ehe sich eine Stichflamme bildet, die kurz darauf zu einem knisternden Feuer abflacht. Misstrauisch beäugt der Droh die Flammen, die ihm nicht zu behagen scheinen.
Langsam trete ich zu den zwei Tieren und löse das zweite Bärenfell von dem Sattel. Damit bewaffnet lasse ich mich neben dem Nebelwolf und dem Morbar nieder, wobei ich mich an das massige Reittier lehne. Um der Kälte entgegen zu wirken, ziehe ich den Droh, behutsam näher neben mich, ehe ich das Fell über uns ausbreite.
Mit einem zufriedenen Brummen, legt der Nebelwolf seinen Kopf auf meinen Schoß und schließt die Augen. Minimal zucken meine Mundwinkel nach oben, bevor ich mich noch mehr in das weiche Fell von Radoun kuschle.
Aufmerksam spitze ich die Ohren, während ich die Augen schließe. Noch immer ist der Wind aufbrausend und reißt an meiner Kapuze, sowie an dem Fell, das auf mir liegt, als wolle er mir beides entwenden. Sein Pfeifen erfüllt die Stille und lässt die kargen Blätter, die an den Bäumen hängen, Rauschen. Knisternd prasselt das Feuer und frisst sich langsam durch das Holz. Der Trank, den ich zum entfachen der Flammen benutzt habe, verlangsamt den Verbrennungsprozess glücklicherweise, so dass es bis zum Morgengrauen weiter Brennen wird. Damit wird uns das Lagerfeuer die ganze Nacht mit etwas Wärme versorgen.
Lange lausche ich noch den Geräuschen, die um mich herum herrschen, bevor sie mich in den Schlaf geleiten, der so wichtig für meinen Körper und meinen Geist ist.

Kapitel 3


Das plötzliche Knacken eines Astes und das drohende Brummen meines Morbars, holen mich schließlich zurück in die eisige Kälte der Tundra. Alarmiert setze ich mich auf, was dazu führt, das auch der Droh seinen Kopf hebt.
Angestrengt versuche ich, etwas in dem Halbdunkel, das nur beleuchtet wird, von dem prasselndem Feuer, das nur noch spärlich brennt und dem näherrückendem Morgengrauen. Nervös zucken die Ohren von Radoun, während der Nebelwolf die Nase, schnüffelnd, in die Luft hält.
Der Wind ist über Nacht abgeflacht, wodurch nun eine gespenstische Stille herrscht. Vorsichtig, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, erhebe ich mich und greife nach meinem Zweihänder, welchen ich neben mich in den Schnee gelegt habe.
Nur langsam gewöhnen sich meine Augen an das dämmrige Licht und die Schatten, welche die Bäume darstellen werden sichtbar. Kein Geräusch, wenn man einmal von dem sterbenden Flammen und dem bedrohlichen Schnaufen des Morbars absieht, sind zu hören. Jedoch mindert das meine Anspannung keineswegs, eher das Gegenteil ist der fall. Denn es ist nie ein gutes Zeichen, wenn eine solch unnatürliche Ruhe herrscht. Vor allem dann nicht, wenn mein treues Reittier so nervös ist. Denn diese Tiere haben das beste Gehör, von allen Geschöpfen, die auf dieser Welt wandeln. Wenn sie etwas hören, das sie nervös macht, dann darf man damit rechnen, das sie Feinde aufgespürt haben. Mein Morbar ist da nicht anders, wenn er etwas hört, das ihn dazu bringt, drohend zu Brummen und zu grunzen, dann weiß ich, das Gefahr im Verzug ist. Meist handelt es sich dann nur um klein Kriminelle, die in mir ein leichtes Opfer suchen oder um Raubtiere, mit denen ich leicht fertig werde. Doch ab und an kommt es vor, das es Gegner sind, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Ob nun Magier, abtrünnige Krieger oder Raubtiere, die von größerem Kaliber sind. Jedenfalls habe ich gelernt, auf die seltsam anmutenden Warnungen von Radoun zu hören, welche mir ein ums andere Mal die Haut gerettet haben.
Darum bleibe ich, trotz der Stille vorsichtig und versuche, die Ursache für das Geräusch, zu erhaschen. Die Zeit verstreicht, ohne das sich etwas im Gestrüpp der Bäume regt oder ich das Schwert aus der Hand lege. Mit zusammen gekniffenen Augen, starre ich in die Dunkelheit, in der finstere Schatten tanzen, hervorgerufen von den, mittlerweile, winzigen Flammen.
Als ich schon dachte, das nichts mehr passiert und Radoun einen Feind sieht, wo keiner ist, höre ich hinter mir das Knirschen von Schnee und einen weiteren Ast, der entzwei bricht.
Ruckartig drehe ich mich um die eigene Achse, das Schwert diagonal vor meinem Körper und wehre im letzten Moment den Dolch ab, der auf mich zu schnellt.
Ein finsteres Knurren entfährt der Kehle der Person, dessen Angriff gescheitert ist. Das ungenügende Licht versperrt mir einen Blick auf sein Gesicht, weswegen ich nur einen Schatten erkenne. Doch dafür kann ich seinen maßigen, muskelbepackten Oberkörper trotzdem ausmachen, welcher mir zeigt, das es sich nicht um eine Frau handelt. Auch erkenne ich, das er keine Metallrüstung trägt, sonder sich in leichte Rüstung gekleidet hat. Welcher Art Rüstung genau, bleibt jedoch ein Rätsel.
Nur Augenblicke vergehen, in denen wir uns ins Gesicht schauen, ehe er mit einem Sprung Abstand zwischen uns bringt. Doch statt mich erneut anzugreifen, geht er in Lauerstellung und ein zweiter Schatten, von rechter Seite, schnellt auf mich zu.
Reflexartig gehe ich in die Hocke, um der Attacke zu entgehen, bevor ich mich, über den Rücken abrolle und so ebenfalls auf Abstand gehe.
Jetzt stehe ich zwei finsteren Gestalten gegenüber, einer bewaffnet mit einem Dolch, der andere mit einem Spatha, einem Kurzschwert. Tiefes, wölfisches Knurren scheint von ihnen auszugehen, was vollkommen unrealistisch ist, da ich keine menschenähnlichen Wesen kenne, die Knurren können. Das Geräusch könnte jedoch von dem Droh kommen, der derzeit von Radoun beschützt wird. Doch sagt mir ein Seitenblick auf die zwei, das der Nebelwolf uns lediglich, mit schief gelegtem Kopf, beobachtet. In mir kommt die Frage auf, wo dieser Laut herkommt, aber damit kann ich mich jetzt nicht beschäftigen.
Schnell schiebe ich den Gedanken beiseite, als nun beide Schatten auf mich zu preschen. Bei ihrer beachtlichen Größe, die mich um eineinhalb Köpfe überragt und ihrer Massen an Muskeln, würde so manch einen das Grauen lehren. Ich wiederum, behalte einen kühlen Kopf, da dies nicht das erste mal ist, das ich in einer solchen Situation war.
Leichtfüßig weiche ich dem ersten Schatten, der mir den Dolch in die Halsbeuge rammen wollte, mit einer halben Drehung aus und stoße meinen Ellenbogen in seine Rippen. Ein unschöner Fluch entweicht seinen Lippen, als er zur Seite taumelt und meine Aufmerksamkeit dem Anderen gilt.
Nur knapp kann ich sein Schwert, das genau auf meinen Kopf gezielt hat, abwehren, indem ich meines, in horizontaler Position, hochreiße.
Laut klirren die Metallklingen aufeinander und die Wucht der Attacke spüre ich bis in den letzten Muskel. Verbissen starre ich meinen gegenüber an, der noch mehr Druck auf mein Schwert ausübt. Unter größter Anstrengung und zur Hilfe nahme meiner Hand, die ich unter die Klinge drücke, versuche ich dem entgegen zu wirken. Jedoch besitzt mein Gegner um einiges mehr Kraft, als mir inne wohnt, weswegen ich diesen Zweikampf beenden muss, indem ich erneut nach hinten ausweiche.
Weit komme ich jedoch nicht, da ich kurz darauf den Baum in meinem Rücken spüre. Lauernd, raubtierähnlich, umkreisen mich die Zwei, die so gar nichts mit meinen üblichen Gegnern gemein haben.
Auf die nächste Attacke wartend, halte ich das Schwert, mit beiden Händen, senkrecht neben mir hoch. "Was wollt ihr von mir?" knurre ich den Beiden, mit gefährlicher Stimme zu, ohne sie auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen.
Lautlos bewegen sie sich durch den Schnee und fixieren mich mit ihren Blicke, wobei das Letztere mehr eine Vermutung ist, da ich ihre Gesichter noch immer nicht sehen kann. Doch lange wird das nicht so bleiben, da am Horizont bereits die ersten Sonnenstrahlen zu sehen sind, die den kommenden Tag ankündigen.
Ein raues Lachen, hervorgerufen von einer dunklen Männerstimme, erfüllt die Stille, welches nicht gerade fröhlich klingt, eher humorlos und trocken.
"Ihr wagt es tatsächlich, uns zu fragen, was wir wollen? Ihr seit unglaublich, Schwarzpelz", knurrt mir eine, bitter klingende, tiefe Stimme zu, dessen Besitzer ich nicht ausmachen kann. Doch bin ich mir sicher, das es keiner der Beiden war, die gerade gesprochen habe. Dann muss hier noch einer von ihnen sein und diese Erkenntnis will mir so gar nicht gefallen.
Nervös suchen meine Augen die Umgebung ab, die ich sehen kann, ohne dabei meinen Kopf zu drehen. Würden meine Gegner bemerken, das ich unachtsam bin, wäre das ein Fehler, den ich nur einmal begehe, da ich danach nie wieder in der Lage sein werde, einen zu begehen.
"In der Tat, ich wage es, euch solch eine Frage zu stellen, da ich nicht weiß, was ihr wollte. Und was, bitte, meint ihr mit Schwarzpelz?" gebe ich zurück, wobei ich die Suche, nach dem Sprecher, nicht beende.
Meine Suche soll von Erfolg gekrönt sein, jedoch nicht so, wie ich es mir erhofft habe.
Blitz schnell taucht ein dritter Schatten neben mir auf und kurz darauf spüre ich einen stechenden Schmerz zwischen meinen Rippen.
Zischend atme ich aus und lockere automatisch den Griff um mein Schwert, welches nun mit der Spitze gen Boden zeigt. "Ihr habt meinen Droh verletzt und tragt ihn nun, wie eine Trophäe durch mein Land. Das lasse ich euch nicht durchgehen", raunt mir schließlich, wieder diese wohlklingende, zugleich jedoch gefährliche Stimme, ins Ohr und jagt mir einen kalten Schauer den Rücken hinunter.
"Ich weiß nicht, wovon ihr sprecht", bringe ich, zwischen zusammen gebissenen Zähnen heraus, wobei ich den Schmerz zu ignorieren versuche. Jedoch lässt mein Peiniger nicht zu, das ich den Schmerz beiseite schiebe, da er, kurz nach meinen Worten, die Klinge in der Wunde dreht.
Schmerzhaft wird das Fleisch, am Rand der Verletzung, aufgerissen und das Metal schabt unangenehm über die Knochen meiner Rippen. Ein vulgärer Fluch entfährt mir, während ich das Schwert fallen lasse und nach dem Arm meines Angreifers greife.
"Lügt mich nicht an, Schwarzpelz, ihr wisst genau, wovon ich spreche", bohrt der Mann, wortwörtlich, weiter nach und rechtfertig so seine peinigende Tat.
Nur schwerlich kann ich es verhindern, in die Knie zu gehen, da ich weiß, das ich die Verletzung verschlimmernd würde, wenn ich dem Drang nachgebe.
"Ich weiß wirklich nicht, von was ihr sprecht, außer, das es wohl um den Droh geht. Doch um schlimmere Verletzungen, die wohl mich treffen würden, zu vermeiden, erkläre ich euch gerne, warum er bei mir ist", keuche ich angestrengt, während meine Beine heftige zu zittern beginnen, der Pein wegen, die die Klinge verursacht.
Zittrig atme ich ein, um Luft zum fortfahren zu haben: "Ich habe euer Tier in Finsterfels gefunden. Es hat verwundet in einer Seitengasse zwischen zwei Häusern gelegen. Der Hinterlauf war gebrochen und es hatte eine klaffende Bauchwunde. Ich konnte es nicht einfach seinem Schicksal überlassen, darum habe ich es mitgenommen und behandelt." Einen Augenblick herrscht schweigen, ehe der Mann in ein freudloses lachen ausbricht, welches die Klinge unangenehm vibrieren lässt.
"Ihr glaubt doch nicht, das ich euch diese Geschichte abkaufe", haucht er mir gefährlich ins Ohr und lässt mich erneut erschauern.
Unbarmherzig drückt er die Waffe tiefer in mein Fleisch und lässt mich gepeinigt aufstöhnen. Jedoch kommt er nicht weit, da er nur Augenblicke später inne hält, als ein drohendes Knurren erklingt.
Sein Gesicht, welches ebenfalls nicht erkennbar für mich ist, dreht sich in die Richtung des Drohs und des Morbars, aus welcher das Geräusch kam.
"Magun, was soll das, warum knurrst du?" spricht mein Peiniger, mit seltsam sanfter Stimme, zumindest ist sie sanfter, als die, die er mir gegenüber benutzt. Zur Antwort schnaubt der Nebelwolf, bevor er wieder kurz aufknurrt.
"Schon gut, ich lasse sie in Ruhe", gibt der Mann schließlich nach und zieht die Klinge aus meinem Körper.
Schmerzlich keuche ich auf und lasse mich an dem Baum zu Boden gleiten. Augenblicklich lege ich meine Hände auf meine Seite, mit, vor Schmerz, verzehrtem Gesicht. Kaum das ich sitze, wendet sich der Fremde vollständig von mir ab und scheint sich, mit seltsam wölfischen Lauten, mit dem Nebelwolf zu unterhalten. Würden mich keine Schmerzen plagen, dann hätte ich wohl die Augenbrauen angehoben und hätte den Mann perplex gemustert. So kann ich nur verwundert den Geräuschen lauschen und ihn aus zusammen gekniffenen Augen ansehen, wobei ich langsam seine Gestalt erahnen kann, da die Sonne sich langsam empor ragt.
Das erste, das mir auffällt, wo ich ihn jetzt endlich sehen kann, ist die Tatsache, das er, im Gegensatz zu den zwei anderen, eine Metallrüstung trägt. Doch ist es keine moderne Stahlrüstung, so wie ich sie besitze, sondern eine traditionelle, aus einem matten, robusten Material. Sein Kopf ist ungeschützt und gibt den Blick auf seinen Haarschopf preis. Genaueres kann ich noch nicht sehen, da das Licht noch zu ungenügend ist und ich so nur Mutmaßungen anstellen kann.
Es dauert einige Augenblicke, ehe das ungewöhnliche Gespräch beendet ist und der Fremde, kaum hörbar, seufzt. Seine Hand streicht über sein Haupt, ehe er sich zu mir umdreht. Noch immer kann ich sein Gesicht nicht genau sehen, da die Sonne hinter ihm aufgeht, doch sehe ich deutlich, wie markant dieses ist.
"Ich muss mich wohl bei euch entschuldigen, ich habe euch Unrecht getan. Ich habe euch für einen Feind gehalten, doch dem scheint nicht so. Ich sollte euch wohl eher danken, Lady ... ?" brummt er mir, nun mit freundlicher Stimme zu und lässt das Ende des Satzes in der Luft hängen, um meinen Namen zu erfahren. "Lunia", bringe ich, bemüht ruhig, heraus.
"Lady Lunia. Ich habe vorschnell gehandelt und würde dieses Missgeschick gern wieder gut machen", fährt er fort, ohne dabei seine Stimmlage zu verändern, wobei ich jedoch auch einen Anflug von Reue darin hören kann.
"Und wie gedenkt ihr, das zu tun?" raune ich ihm zu, da ich zu mehr nicht in der Lage bin. "Ich werde euch mit in unser Lager nehmen und eure Verletzung versorgen lassen. Danach seid ihr dazu eingeladen, mit uns zu speisen und unseren Met zu kosten. Ich hoffe, ihr nehmt mein Angebot an", teilt er mir schließlich mit und reicht mir die Hand.
Einen Moment denke ich über seine Worte nach und lasse meinen Blick über die Tundra schweifen, ehe ich die dargebotene Hand ergreife. Ohne Anstrengungen zieht er mich auf die Beine und stützt mich, als ich drohte, wieder zusammen zu sacken. Mit der Hilfe des Fremden, steige ich auf Radouns Rücken auf, welcher noch immer im Schnee liegt.
Misstrauisch schnaubt das Tier und lässt den Mann nicht aus den Augen, während dieser sicher geht, das ich fest im Sattel sitze. Als er sich vergewissert hat, beugt er sich zum dem Droh nieder, welcher ihm überschwänglich das Gesicht mit der Zunge befeuchtet.
Einen Moment nimmt sich der Fremde die Zeit, den Nebelwolf zu kraulen, bevor er diesen auf seinen Arm hebt und sich wieder mir zu wendet.
"Wir haben unsere Morbar hier in der Nähe abgestellt. So bald wir sie geholt haben, werden wir uns auf den Weg machen", erklärt mir der Mann noch, ehe ich Radoun den Befehl zum aufstehen gebe.
Langsam trottet der riesige Morbar hinter den drei Männern her, die sich einen Weg durch das karge Dickicht der Äste und Bäume suchen.
Es dauert nicht lange, da ist auch schon wieder der Blick auf die weite Trundra frei und schon jetzt kann ich die drei massigen Tiere sehen, die nicht weit von uns entfernt abgestellt wurden.
Kaum das wir bei ihnen angekommen sind, übergibt der Mann, dem der Droh gehört und der mich verwundet hat, seinem Begleiter den Nebelwolf und steigt auf eines der Reittiere, welches dem Anschein nach das älteste ist. Danach legt er den Droh, wie ich es schon getan habe, vorne auf seinen Sattel, während die zwei verbliebenen, ebenfalls aufsitzen.
"Wie weit ist es, bis wir bei eurem Grundstück ankommen und wer seid ihr überhaupt? Ihr kennt zwar meinen Namen, doch euren habt ihr mir noch nicht verraten", Durchbreche ich die eingetretene Stille, als alle reise bereit sind.
Ein raues Lachen entkommt dem Drohbesitzer, welches angenehm über die Schneelandschaft hinweg zieht. "Bis zu unserem Grundstück ist es nicht weit, um genau zu sein, befindet ihr euch bereits auf ihm. Alles im Umkreis von einem Tagesmarsch gehört mir. Doch ihr meint sicherlich, wo wir jetzt hingehen werden und wie lange es bis dahin dauert. Wir werden zu meinem Anwesen reisen, welches keinen halben Tag von hier entfernt ist. Und um eure letzte Frage zu beantworten, mein Name ist Kellan und meine zwei Begleiter heißen Bran und Nio", teilt er mir schließlich mit, ehe wir langsam los reiten, während die Strahlen der Sonne allmählich Licht über diese karge, kalte Einöde bringen.

Kapitel 4


Schweigend wandern wir durch die Schneelandschaft, die sich nur langsam verändert. Immer mehr Bäume und andere Pflanzen sind zu sehen, während die Schneedecke allmählich absinkt. Bei einem Blick auf die Beine meines Morbar, fällt mir auf, das der Schnee mittlerweile nur noch bis zu den Fesseln von Radoun reicht. Das bedeutet wohl, das wir bald dieses eintönige Weiß hinter uns lassen. Auch die Sonne erstrahlt jetzt in ihrer vollen Pracht und gibt mir den Blick auf meine drei Begleiter frei. Trotz der Tatsache, das mir der Blutverlust und der Schmerz, langsam zu schaffen machen, erlaube ich es mir, die Männer einmal genau zu mustern.
Zuerst besehe ich mir den Rothaarigen Bran, welcher der kleinste des dreier Gespanns ist. Seine Schultern sind nicht außergewöhnlich breit, genauso wenig außergewöhnlich, wie seine Größe, von geschätzten 1,90 m. Doch trotz seines schmächtigen Körperbaus, kann man deutlich erkennen, das er muskulös und nicht zu unterschätzen ist.
Eingekleidet ist er in eine leichte Lederrüstung, die mit, in den Stoff eingelassenen, Metallplatten verstärkt ist. Auf seiner linken Schulter befindet sich ein altes Leinentuch, auf welchem ein Schwarzer Rabe sitzt, welcher vor kurzem zu uns gestoßen ist.
Als nächstes besehe ich mir Nio, der entspannt im Sattel sitzt und doch seine Umgebung im Auge behält. Seine Haare sind kurz und in einem dreckigen Blond. Seine ungewöhnliche Größe und seine breiten Schultern, lassen ihn fast wie einen Morbar auf zwei Beinen wirken. Er ist der größte und kräftigste der drei. An seiner linken Hüfte hängt sein Spahta, mit welchem er mich vorhin noch zerschmettern wollte. Er trägt die gleiche Art von Rüstung, wie Nio.
Zu guter Letzt wandern meine Augen zu Kellan, welcher gerade das Tempo seines Morbars drosselt, um neben mir zu reiten, da ich leicht zurück gefallen bin.
Das könnte daran liegen, das ich bei einem zu schnellen Schritttempo, von Radoun, von Schmerzen heimgesucht werde. Aber vielleicht liegt es auch daran, das es mir langsam schwer fällt, überhaupt die Augen offen zu halten, des Blutverlustes wegen.
Dessen ungeachtet, lasse ich meinen Blick über den Mann schweifen, der nun zu meiner Rechten reitet. Meine Vermutungen, seiner Rüstung wegen, waren richtig, da er tatsächlich eine alte, matte Metallrüstung trägt. Sein Haarschopf ist schwarz und an der rechten Hälfte abgeschoren. Die linke Seite ist, vom Gesicht, bis in den Nacken, zu drei Zöpfen geflochten worden, welche auf der Kopfhaut anliegen. Das Haar, das ihm über dem Rücken, bis zu den Schultern reicht, hat er offen gelassen. Seine frei rasierte Kopfhaut, wird von einem Tattoo geziert, das aus schwarzen, feinen Linien besteht, welche sich umeinander winden, sich jedoch kein einziges Mal berühren. Auf seinem markantem, männlichem Gesicht, das mir momentan zugewandt ist, befindet sich eine alte Narbe, die unter dem rechten Auge beginnt und über dem Kinn endet. Auch seine Lippen blieben von der alten Wunde nicht verschont, welche nun einen Stich in dessen Mitte aufweisen. Seine Augen, die mich in diesem Augenblick aufmerksam ansehen, sind fast so grau, wie der Stahl meiner Rüstung. Kellan ist ebenfalls gut gebaut und bildet das Mittelmaß zwischen den drei Kriegern, sowohl was Größe, wie auch was Breite angeht.
"Ihr seht nicht besonders gut aus", stellt der Schwarzhaarige überflüssigerweise fest, ohne mich aus den Augen zu lassen. Hätte ich noch die Energie gehabt, hätte ich wohl freudlos aufgelacht. So kann ich nur missmutig das Gesicht verziehen, was Kellan durch meine Kapuze nicht sehen kann.
"Das könnte daran liegen, das es der Wahrheit entspricht", bringe ich leise heraus und blicke wieder auf den Weg vor mir.
Nur mühsam kann ich es verhindern, einfach die Augen zu schließen, um ein wenig Schlaf zu finden.
"Wir müssen nur noch über den Hügel in den Wald, den ihr schon zwischen den Bergen sehen könnt. Halter ihr so lange noch aus?" erklärt er mir und deutet über die kleine Anhöhe hinweg, die wir gerade erklimmen.
Tatsächlich kann ich einen Wald ausmachen, der zwar nicht mit Blättern gesegnet ist, jedoch auch nicht von Schnee bedeckt wird. Dann haben wir die Tundra also endlich hinter uns gelassen und steuern, wenn ich mich nicht täusche, geradewegs auf das heulende Tal zu. Ein Ort, an dem es nichts gibt, außer Bergen, Bäumen und Wölfen, alle Arten von Wölfen. Kein Wunder, das sich der Wolfsblut Clan gerade hier nieder gelassen hat, doch darüber kann ich auch später noch weiter sinnieren, falls ich nicht demnächst das Bewusstsein verliere und aus dem Sattel kippe. Denn selbst wenn ich den Wald jetzt schon sehen kann, weiß ich doch, das es noch eine Weile dauern wird, bis wir dort ankommen. Ob ich so lange wach bleiben kann, ist jedoch ungewiss.
"Ich kann euch nicht sagen, ob ich noch so lange durchhalte, was wohl verständlich sein dürfte, wenn man die Verletzung bedenkt und die Tatsache, das ich heute noch nichts zu mir genommen habe", brumme ich zurück und versuche angestrengt, den Kopf oben zu halten, welcher mir unwirklich schwer vorkommt.
Ein nachdenklicher Laut entkommt dem Schwarzhaarigen, während ich darum kämpfe, im Sattel sitzen zu bleiben.
"Nio, übernimm die Zügel von Sith", befiehlt er schließlich seinem Begleiter, welcher sogleich neben uns reitet.
Ohne Fragen zu stellen, nimmt er die Zügel entgegen, wobei ich mich frage, was Kellan vor hat. Aufmerksam beobachte ich den Mann, welcher die Füße aus den Steigbügeln zieht und sich auf den Rücken seines Morbars hockt. Verwundert wandert meine Augenbraue nach oben, kurz bevor der Schwarzhaarige das Reittier wechselt.
Ein überraschter Laut rollt über meine Lippen, als der Mann hinter mir aufkommt und sich in den Sattel setzt.
"Nehmt die Füße aus den Steigbügeln und gebt mir die Zügel, ich übernehme, damit ihr mir nicht aus dem Sattel fallt", raunt mir Kellan ins Ohr, da er so dicht hinter mir sitzt und greift mit den Händen nach vorne, um die Zügel zu nehmen.
Nicht gerade begeistert, übergebe ich ihm, wonach er verlangt, da ich weiß, das ich es selbst wohl kaum schaffen würde. Trotz allem, kann ich mir ein missgelauntes Murren nicht verkneifen, welches jedoch unkomentiert bleibt.
"Lehnt euch ruhig an, aber schlaft bloß nicht ein, das wäre nicht vorteilhaft für euch", gibt er noch von sich, ehe er das Tier antreibt, damit es mehr Geschwindigkeit aufnimmt und in einen leichten Trab verfällt.
Um nicht durchgeschüttelt zu werden, da ich nicht mehr genug Körperspannung, zum parieren von Radouns Bewegungen, aufbringen kann, lehne ich mich an Kellans Brust, auch wenn ich es nur ungern mache.
In diesem Tempo reiten wir den Hügel hinauf, während ich mich darauf konzentriere, nicht das Bewusstsein zu verlieren, was mir schwerer fällt, als ich es mir hätte vorstellen können. Dabei sind der, angenehm herbe, Geruch und die Wärme, die von Kellan ausgehen, nicht gerade förderlich. Auch das leichte Schaukeln, das durch Radouns Schritte ausgelöst wird, wirkt regelrecht einschläfernd. Ich fühle mich zurück versetzt in die Zeit, in der ich als Säugling in den Armen von meinem Vater gelegen habe, während er versucht, mich in den Schlaf zu wiegen.
Sicherlich erinnere ich mich nicht an diese Zeit, da ich noch viel zu Jung war, doch stelle ich mir vor, dass es sich so anfühlen müsste. Diese seltsame, für mich nicht deutbare, Sicherheit, die von dem Fremden ausgeht, obwohl er mich heute morgen noch töten wollte, sind in meinen Augen so surreal, das ich es nicht verstehen kann. Jedoch bin ich auch nicht in der Lage, genauer darüber nachzudenken, da meine Gedankengänge seltsam träge in meinem Kopf arbeiten. Sie machen es mir unmöglich, einen vernünftigen Gedanken zu fassen, obwohl ich krampfhaft versuche, über meine jetzige Situation nachzudenken. Ein gutes hat es aber, das ich so mühsam an meinen Gedanken arbeite, so fällt es mir nicht all zu schwer, mich wach zu halten.
Nur nebenbei bemerke ich, wie wir uns allmählich dem Wald nähern, welcher zu dieser Jahreszeit ohne Blätterdach da steht. Es wird wohl noch mindestens vier Vollmondnächten dauern, bis die Blätter sprießen und den Wald in ein sanftes Grün tauchen werden.
Die Bäume stehen dicht, sodass die Morbar kaum Platz zum laufen haben.
Mühselig müssen sie sich durch das Dickicht kämpfen, wobei sie hier und dort ein paar Äste von den Stämmen reißen. Trotz der fehlenden Blätter, dringt nur wenig Licht zu uns durch, was an den dichten Baumkronen liegt.
Mein Kopf wird immer schwerer und es ist mir kaum möglich, ihn länger hoch zu halten. Ohne es wirklich zu bemerken, lege ich ihn auf Kellans Schulter ab und sehe zu den Kronen der Bäume empor.
Vereinzelte Sonnenstrahlen kitzeln mein Gesicht und ich schließe einen Moment die Augen, um die Wärme, die von ihnen ausgeht zu genießen.
Meine trägen Gedanken werden noch langsamer, ohne das ich es hätte verhindern können. Erst jetzt wird mir bewusst, das es ein Fehler war, die Augenlider zu schließen, da es mir nicht mehr möglich ist, sie zu öffnen, weil mir die Kraft dafür fehlt. Ohne, das ich länger dagegen ankämpfen kann, entspanne ich mich und gebe mich hilflos der Finsternis hin, die sich Ohnmacht nennt.
Ein undurchsichtiger Nebel macht sich in meinem Kopf breit und macht es mir unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen.
Wie ein Ertrinkender, sinke ich immer tiefer in diese all umfassende Dunkelheit, bis ich vollends das Bewusstsein verliere.
Das Letze, was ich wahrnehme, ist die raue Stimme des Schwarzhaarigen, die mir irgendwas zu sagen versucht, jedoch bin ich nicht mehr in der Lage dazu, seine Worte zu verstehen.

...

Schleppend kehrt mein Bewusstsein zurück und mit ihm der Schmerz, der unangenehm zwischen meinen Rippen pulsiert. Ich brauche, verhältnismäßig lange, bis ich meine Gedanken und meinen Kopf geklärt habe und weiß, was passiert ist.
Bei der Erkenntnis, das ich tatsächlich gegen die Ohnmacht verloren habe und das auch noch in den Armen eines Fremden, reiße ich augenblicklich die Augen auf. Doch erkennen kann ich nichts, noch immer herrscht Finsternis.
Einen Moment bin ich irritiert und versuche, mein, noch immer träges Hirn, zum arbeiten zu zwingen. Es dauert eine Weile, bis mir der Gedanke kommt, das es wohl Nacht sein muss und somit die Sonne bereits wieder verschwunden ist.
Nur schleppend gewöhnen sich meine Augen an die Lichtverhältnisse und ich finde mich in einem kleinen Raum wieder, welcher dem Zimmer in der Herberge in Finsterfels sehr ähnelt. Zwar ist es nicht so heruntergekommen und schäbig, doch dafür genauso klein und spärlich eingerichtet.
Mühsam und unter lauten Protesten, seitens der Verletzung, richte ich mich auf, um den Raum genauer unter die Lupe zu nehmen. Jedoch erhasche ich nichts, das meine Aufmerksamkeit besonders auf sich lenken würde, weswegen ich meine Beine über die Bettkante schiebe.
Vorsichtig richte ich mich auf und sehe an mir herab. Wie ich mir schon gedacht habe, trage ich nichts weiter, als meine Unterkleider aus Leinen, bestehend aus Hose und Hemd. Müde und noch leicht unsicher auf den Beinen, gehe ich zur Tür, welche mich in einen großen Flur blicken lässt.
Scheinbar haben mich die Fremden mitgenommen, stelle ich unnötigerweise fest, da es eigentlich nur logisch ist, dass sie das tun würden. Zum einen, weil ich ihren Droh versorgt habe und zum anderen, weil sie mich ohne Grund verletzt haben und mir jetzt etwas schuldig sind.
Diese Gedanken schiebe ich jedoch vorerst bei Seite, um nach meiner Rüstung Ausschau zu halten, von der ich hoffe, das sie sich in diesem Raum befindet.
Nach kurzer Suche finde ich sie tatsächlich in dem recht großen Schrank und lege sie mir gemächlich an, da ich nicht vor habe, hier länger zu bleiben, als unbedingt notwendig.
Mit geübten Handgriffen, sitzt die Rüstung schließlich an ihrem Platz und ich sehe mich nach meiner Waffe um. Zu meinem Missfallen muss ich feststellen, das sie sich nicht in diesem Zimmer befindet, was mich leise knurren und mit den Zähnen knirschen lässt.
Mein Knurren ist zwar nicht so überzeugend, wie das von Nio oder Bran, doch wahrlich konnte ich damit schon den einen oder Anderen Milchtrinker abschrecken, der es gewagt hat, mich zu Reizen.
Mir die Kapuze, in gewohnter Manier, ins Gesicht ziehend, verlasse ich den Raum und trete in den langen Flur. Einen Moment lausche ich angestrengt in die Dunkelheit, ehe leises Stimmengewirr zu mir vordringt.
Zielstrebig und mit weit ausfallenden Schritten, gehe ich auf die Quelle der Geräusche zu, welche von rechts an meine Ohren getragen werden. Unwirklich laut hallt das metallische Klirren meiner Stahlrüstung durch den langen Gang und würde sogar einem Tauben verraten, dass sich ihm da gerade eine Person nähert.
Dessen ungeachtet, marschiere ich voran, vorbei an Türen und schmuckvoll verzierten Säulen, die ich in der Finsternis, die hier vorherrscht, nur schwerlich ausmachen kann. Es dauert nicht lange, bis die Stimmen lauter werden und ich das Ende des Flures erspähen kann, das aus einer großen Tür besteht. Fluchs habe ich diese erreicht und die Klinke herunter gedrückt, um sie zu öffnen.
Schlagartig herrscht Stille in dem gut beleuchteten, riesigem Saal, der sich als eine Art Speisesaal herausstellt.
Eine riesige, rechteckige Tafel steht mitten im Raum, in dessen Mitte sich eine Feuerstelle befindet, die alles beleuchtet und erwärmt. Ein paar vereinzelte Bänke wurden an die Wände des Saales gestellt und auch einige Waffenständer, auf denen Schwerter, Äxte, Bögen und ähnliches platziert wurden. Ein paar wenige, leicht verkümmerte Pflanzen, wurden ebenfalls an die Wände gestellt, welche jedoch nicht mehr all zu lebendig aussehen. Die Tafel ist reichlich gedeckt, mit aller Art von Essen und trinken. An diesem riesigen Tisch sitzen mindestens 30 Personen, sowohl Männer, als auch Frauen. Die meisten von ihnen, haben einen kräftigen, bis extrem muskulösen Körperbau, sowie die drei, die mich wohl hier her gebracht haben. Mir fällt außerdem auf, das es, verhältnismäßig, wenige Frauen hier im Raum gibt. Auf geschätzte 23 Männer, kommen sieben Frauen.
Ohne diesen Fakt länger zu bedenken, lasse ich meinen Blick schweifen, auf der Suche nach Kellan, welchen ich am Kopf der Tafel finde.
"Ihr seit wieder bei euch, Lunia, das freut mich", durchbricht der Schwarzhaarige das schweigen, das noch immer im Saal herrscht und lächelt mich sogar dabei an.
"Dem ist wohl so, wie ihr sehen könnte und ich muss euch wohl dafür danken, das ihr meine Verletzung habt behandeln lasse", gebe ich zurück und verneige mich leicht, "doch sagt mir, wo mein Schwert und mein Morbar sind, damit ich weiter reisen kann."
Nach diesen Worten tritt erneut Stille ein, bevor Kellan seine Stimme erhebt: "Ihr wollt schon gehen und das mitten in der Nacht? Das halte ich für keine gute Idee. Setzt euch doch einfach, speist und trinkt mit uns und morgen könnt ihr immer noch weiter. Natürlich müsst ihr das nicht und um eure Frage zu beantworten, euer Zweihänder befindet sich in dem Waffenständer, direkt neben euch und euer Morbar auf der Weide, vor meinem Anwesen."
Kurz wandert mein Blick nach links und ich entdecke mein Schwert, das in einem matten grau aus den anderen hervor sticht. Eine gewisse Erleichterung ergreift mich, bevor ich über sein Angebot, die Nacht hier zu verbringen, nachdenke.
Eigentlich gibt es dagegen nichts einzuwenden, vor allem wenn ich meinen Magen bedenke, der sich, beim Anblick des Essens, schmerzlich und nach Nahrung verlangend, zusammen zieht. Mir kommt die Erinnerung, das ich den ganzen Tag nichts zu mir genommen habe, weswegen ich beschließe, die Nacht hier zu verbringen. Das ist immer noch besser, als draußen auf dem harten Boden zu schlafen.
"Vielleicht habt ihr recht, bei Nacht weiter zu reisen, ist keinen all zu gute Idee. Ich nehme euer Angebot gerne an", stimme ich dem Schwarzhaarigen zu und danke ihm, mit einem leichten neigen des Kopfes.
Ein Lächeln legt sich auf seine Lippen, während er auf den Platz neben ihm deutet: "Dann setzt euch zu mir und genießt das Mahl."
Kaum merklich zögere ich einen Augenblick, ehe ich mich in Bewegung setze und an den aufmerksamen Blicken vorbei schreite, die mir die Anwesenden zu werfen.
Ohne sie zu beachten, gehe ich um die Tafel herum, bis ich bei Kellan ankomme und bemerke, das neben ihm auf der Bank sein Droh liegt, den Kopf auf sein Bein gebettet. Auch das ignoriere ich und setze mich an die andere Seite des Mannes. Normalerweise würde ich jetzt meine Kapuze abnehmen, doch irgendwie fühle ich mich nicht wohl bei dem Gedanken. Warum kann ich nicht mit Gewissheit sagen, jedoch vermute ich, dass es daran liegt, das eine seltsame Atmosphäre über den Leuten und dem Raum hängt.
"Nehmt doch eure Kapuze ab und zeigt uns euer Gesicht. Verbergen braucht ihr es nämlich wirklich nicht, davon konnte ich mich vorhin selbst überzeugen", grinst mir der Schwarzhaarige, dezent selbstgefällig zu und sieht mich unverwandt an.
Leicht verziehe ich, seiner Worte wegen, das Gesicht, ehe ich seiner Bitte folge Leiste. In dem genauen Wissen, das meine Haare durcheinander und leicht schäbig aussehen, streiche ich mir mit der Hand durch meinen kurzen, weiß-blonden Haarschopf. Meine eisblauen Augen schweifen einmal kurz über die Anderen, welche mich kurz mustern und sich wieder ihren vorherigen Tätigkeiten widmen.
Zufrieden, weil jetzt nicht mehr die gesamte Aufmerksamkeit auf mir liegt, besehe ich mir das Essen vor mir, bevor ich zugreife und meinen Teller volllade. Gerade, als ich zu essen beginne, stellt Kellan einen Krug aus Blech vor mir ab, in dem sich sicherlich Alkohol befindet, was typisch bei einem Krieger Essen ist. Jeder Krieger, der ein Mahl zu sich nimmt, bevorzugt es, dabei Alkohol zu trinken. Genauso ist es auch bei mir, weswegen ich an dem Krug nippe, in dem sich Met befindet. Schweigend genieße ich meine Mahlzeit und lausche den Gesprächen der anderen.
"Was habt ihr eigentlich in Finsterfels gemacht? Das ist normalerweise kein Ort, der Reisende anzieht", verwickelt mich schließlich der Schwarzhaarige in ein Gespräch und ich sehe ihn einen Moment stumm an.
"Das ist wohl wahr, doch bin ich kein Pilger, der durch die Lande zieht, um sich die Welt anzusehen", brumme ich zur Antwort zurück und senke meinen Blick zurück auf mein Essen.
Wie man vielleicht andeuten sollte, bin ich nicht unbedingt der Mensch, der sich unverfänglich mit anderen unterhalten kann. Das ist dadurch entstanden, weil ich die meiste Zeit allein bin und wenn das mal nicht der Fall ist, dann tritt man mir mit Misstrauen gegenüber. Da ist es verständlich, das ich es verlernt habe, ein normales Gespräch zu führen.
"Das habe ich mir gedacht, sonst wäret ihr nicht so gut im Umgang mit einer Waffe. Doch dürfte ich erfahren, was genau ihr macht und warum ihr auf Reisen seid?" fährt er fort und ich sehe aus dem Augenwinkel heraus, das er mich anlächelt.
"Ich bin Söldnerin", gebe ich ohne zögern zurück und sehe ihm nun wieder direkt in die Stahl grauen Augen, in denen Verwunderung zu sehen ist.
Augenblicklich wird es ruhiger im Raum und erneut liegen die Blicke auf mir. Doch diese Reaktion ist normal. In diesen Zeiten sind Söldner nicht gern gesehen, da diese in den vergangenen Kriegen und Konflikten eine große Rolle gespielt haben. Dadurch ist die Meinung über sie ins negative verkommen, da eine Vielzahl von ihnen sich auf die Seite der Grossherrscher gekämpft haben, weil diese den höchsten Sold bezahlt haben. Sie haben dabei geholfen Rebellionen und Bürgerbewegungen nieder zu schlagen, die eine bessere Versorgung der einfachen Bürger angestrebt haben.
Dazu sollte gesagt werden, das die einfachen Bürger eine schwere Zeit durch leben, da die Grenzreiche uns bedrohen, mit Krieg. So werden alle Ressourcen an die Krieger, Soldaten und Söldner weiter gereicht, sodass für das gemeine Volk kaum etwas übrig bleibt. Das schürt, verständlicherweise, Hass bei den Leuten. Kaum einer gibt ihnen mehr Aufträge, weswegen viele, so wie ich, umher wandern, um Auftraggeber zu finden. Die Zeiten als Söldner sind schwer geworden, doch die Bevölkerung interessiert das nicht. Sie sehen nur ihr eigenes Leid und das der Söldner ist ihnen egal. Sie wissen nicht, dass es auch welche gibt, die sich aus jeglichen Konflikten heraus halten, so wie ich es mache. Das kann ihre Meinung jedoch nicht ändern. Sie verbeißen sich lediglich in die, die auf der Seite der Großherrscher stehen. Darum verurteilen sie jeden, der sich selbst Söldner nennt. Die wenigstens vergeben noch Aufträge an uns, da sie die Sachen lieber selbst klären, als solchen Abschaum Geld zu zustecken. Zumindest sind wir in ihren Augen Abschaum.
Als es nach einigen Momenten, noch immer still ist, lege ich das Besteck bei Seite, ohne Kellan aus den Augen zu lassen.
"Ich denke, das es für mich Zeit ist, mich zu Bett zu begeben, da ich hier scheinbar nicht mehr erwünscht bin. Das Zimmer, in dem ich erwacht bin, ist sicher der Raum, in dem ich heute nächtigen werde oder liege ich falsch?" brumme ich dem Schwarzhaarigem zu, welcher mich, ebenfalls schweigend, ansieht.
"Das ist richtig, doch ihr müsst noch nicht gehen. Keiner von uns verlangt das oder wünscht sich, das ihr geht. Ich denke, wir alle sind nur ... Überrascht", versucht er die Situation zu retten. Jedoch schüttle ich nur mit dem Kopf und erhebe mich.
Mit erhobenem Haupt schreite ich um den Tisch herum, auf den Waffenständer zu, auf welchem mein Schwert ruht.
"Ihr braucht nichts zu ekläten, was so offensichtlich ist. Ich weiß was viele über uns denken und ich merke es, wenn ich irgendwo nicht erwünscht bin", gebe ich noch zurück, ehe ich meine Waffe nehme und den Saal verlasse, in dem immer noch Stille herrscht.

Kapitel 6

Der nächste Tag beginnt früher für mich, als erwartet, da ich noch vor Sonnenaufgang erwache. Verständlich, wenn man bedenkt, das ich den gestrigen Tag fast komplett verschlafen habe. Mit dem Gedanken, hier schnellst möglich abzuhauen, kleide ich mich ein und schnalle meine Waffe auf meinen Rücken. Ohne einen letzten Blick zurück, betrete ich den langen Flur, um das Gebäude zu verlassen. Stille herrscht und lässt mich vermuten, das alle noch schlafen, umso besser. Nach dem Abend gestern habe ich keine Lust, noch jemanden von ihnen zu sehen. Darum bin ich froh, niemanden zu begegnen. Leiser als gestern, durchschreite ich den Flur, weswegen das metallische Klirren nicht all zu laut ausfällt. Nach kurzem suchen, komme ich in einer riesigen, pompös wirkenden Eingangshalle an, in welcher eine schmuckvoll verzierte Marmortreppe nach oben führt, die breiter ist, als der Gang, aus dem ich komme. Dessen ungeachtet gehe ich auf die Eingangstür zu, als Schritte hinter mir laut werden. "Ihr wollt aufbrechen, ohne euch zu verabschieden", vernehme ich Kellans tiefe Stimme, ohne mich umzudrehen. "So ist es. Ich habe nämlich nicht vor, länger als nötig hier zu bleiben, vor allem nicht, wenn meine Gastgeber ein falsches Bild von mir haben", brumme ich zurück und fixiere die Türklinke, welche ich schon mit der Hand umschlossen habe. Erneut werden Schritte laut, welche durch die Eingangshalle schallen und sich mir langsam nähern. "Es ist schade, das ihr uns schon verlasst und ich bin mir sicher, das ich euch auch nicht umstimmen kann, wenn ich euch sage, das wir keineswegs ein falsches Bild von euch haben", gibt der Schwarzhaarige zurück und hält weiter auf mich zu. Erst, als er fast direkt hinter mir steht, werfe ich ihm einen Blick über die Schulter zu. Nur einen halben Meter hinter mir, kommt er zum stehen und sieht mich aus freundlichen Augen an, so wie es schon am gestrigen Abend der Fall war. "Nein, da habt ihr recht, ihr könnt mich nicht umstimmen", bestätige ich seine Worte und fixiere ihn aus meinen eisblauen Augen. Verstehend nickt der Mann, der ebenfalls eingekleidet in seine Rüstung ist, ehe seine Hand in einem Lederbeutel verschwindet, der an seinem Rüstungsgürtel hängt. "Dann nehmt wenigstens diesen Heiltrank mit. Es ist ein weiter Weg bis zur nächsten Stadt und ohne ihn oder eine vernünftige Versorgung eurer Wunden, könnte es schwer werden, dort Heil anzukommen", teilt er mir mit und hält mir eine kleine Phiole entgegen, in welcher sich eine blassrote Flüssigkeit befindet. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen beäuge ich den Zaubertrank, ehe ich, ebenso skeptisch, in Kellans Augen sehe. In ihnen ist jedoch nichts zu sehen, was in mir den Anschein erwecken könnte, das seine Worte nicht der Wahrheit entsprechen. Langsam drehe ich mich zu ihm um und greife nach dem Trank, welchen ich ein weiteres Mahl genau mustere. "Habt dank, für alles", erhebe ich die Stimme, nach einem Moment des Schweigens und beuge respektvoll mein Haupt. Ein Lächeln legt sich auf die Züge des Schwarzhaarigen, während er meine Geste, nicht minder respektvoll, erwidert. "Ich wünsche euch Glück auf euren Reisen. Kämpft mit Ehre und ihr sterbt mit Ruhm", verabschiedet mich der Mann mit den Worten, die man nur einem Krieger sagt. Auch ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, welches ich zu verbergen versuche, in dem ich ihm den Rücken zukehre. Noch nie hat man mich so verabschiedet, da die Allgemeinheit der Meinung ist, das es einem Söldner nicht gebührt. Früher, als die Meinung über unsereins noch nicht verdorben war, war dieser Spruch, als Verabschiedung, Gang und Gebe. Doch heutzutage ist es in Vergessenheit geraten, was größtenteils daran liegt, das man einen Söldner nicht mehr als ehrenhaften Krieger ansieht. Oft habe ich gehört, wie sich andere Kämpfer auf diese weise verabschiedet haben und insgeheim habe ich immer gehofft, das mir diese Ehre auch einmal zuteil werden würde. Es klingt vielleicht absurd, doch ich bin der Meinung, das man erst dann als Krieger anerkannt wird, wenn man diese Worte gesagt bekommt. Denn, wenn es nach mir geht, bin ich eine Kriegerin, auch wenn unzählige das anders sehen. Normalerweise gebe ich auf ihr Gerede nicht viel, doch in diesem Punkt hat es mich immer leicht bedrückt. Ich bin eine Kriegerin und möchte als solche gesehen werden. Darum erfüllt es mich mit Freude, das ich zum ersten Mal als das gesehen werde, was ich bin und nicht als das, was man in mir sehen will. Mit einem Hochgefühl, welches ich zu selten bei mir bemerke, öffne ich die Tür und trete über die Schwelle. "Kämpft mit Ehre und sterbt mit Ruhm", raune ich dem Mann noch zu, bevor ich die Tür schließe und mir meine Kapuze ins Gesicht ziehe. Erst jetzt schenke ich meiner Umgebung Aufmerksamkeit und mustere mein Umfeld. Direkt vor mir erstreckt sich ein riesiges Stück Land, das nur bedeckt von Gras ist, eingezäunt von dem dichten Wald. Kein einziger Weg, nicht einmal ein Trampelpfad, führt zu dem, Gebäude, welches einer Festung gleich kommt. Eine große Herde von Morbar grast, in unmittelbarer Nähe, friedlich, wie als könnte diese Tiere kein Wässerchen trüben. Jedoch weiß jeder, der sich mit diesen Wesen beschäftigt, es besser. So ruhig und plump sie auch aussehen, sie können gefährlicher als manch ein Raubtier sein. Als ich mir die Herde genauer ansehe, fällt mir auf, das keines von ihnen einen Sattel trägt, was mich zu der Frage bringt, wo diese aufbewahrt werden. Nachdenklich sehe ich mich um, während der Wind über die Landschaft hinweg fegt. Mein Blick bleibt an einen alten Schuppen hängen, der zu meiner rechten steht. Das Holz ist mit den Jahren, die er schon dort stehen muss, nach gedunkelt und wirkt so, als würde er nicht mehr lange den Gezeiten stand halten. Einige Ritzen und Löcher sind zwischen den einzelnen Brettern zu sehen, bemerke ich, als ich mich darauf zubewege. Die Dachziegel wirken schäbig und als könnte sie der kleinste Windhauch davon wehen. Doch dem ist nicht so, da momentan der Wind unbarmherzig über das Dach streicht und das einzige, das er bewirkt, ist das rütteln und Klappern der Ziegel. Ohne länger darüber nachzudenken, gehe ich auf die marode Tür zu und suche nach einem Schloss, welches ich nicht finden kann. Scheinbar machen sich die Wolfsblüter keine Sorgen darum, das ihnen etwas geklaut werden könnte. Verständlich, immerhin leben sie hier mitten im heulenden Tal, welches eigentlich als unbewohnbar gilt, durch die unzähligen Wolfsgattungen und die unwegsame Umgebung. Denn bis auf den dichten Wald und die hohen Berge, gibt es hier nichts. Die Lichtung, die hier vor mir liegt, dürfte eigentlich nicht existieren, da das heulende Tal eigentlich eher eine Art Urwald ist. Diese Tatsache bringt mich zu dem Schluss, das sie diesen Teil des Forstes abgerodet haben, um eine Weide für die Morbar zu schaffen. Vorsichtig, da ich nicht weiß, was mich in dem kleinen Schuppen erwartet, schiebe ich die Tür zur Seite auf, welche unnatürlich laut quietscht. Ein muffiger Geruch schlägt mir entgegen und lässt mich die Nase rümpfen. Da in die Hütte kein Lichtschein fällt, brauche ich einen Moment, um zu erkennen, was sich darin befindet. Der spärliche Raum ist mit, an den Wänden befestigten, Holzbalken versehen, auf welchen die Sättel der Morbar liegen. An der Wand, die gegenüber der Tür legt, wurden Hacken ins Holz eingelassen, an denen das Zaunzeug für die Tiere hängt. Nach genauerem betrachten erspähe ich die Ausrüstung, die sich mein eigen nennt. Ohne weitere Zeit zu verlieren, greife ich nach den Lederzaumzeug, welches ich über meinen Sattel lege, ehe ich diesen auf die Arme hieve. Mit meiner Ausrüstung bewaffnet, verlasse ich den Schuppen und schließe die Tür mit meinen Fuß. Ein lauter Pfiff kommt mir über die Lippen, während ich nach Radoun Ausschau halte. Es dauert nur einige Augenblicke, ehe ich meinen Morbar sehe, wie er auf mich zu galoppiert kommt. Laut trampeln seine Hufe über das Gras und machen einem deutlich, wie schwer diese Geschöpfe doch sind. Es ist unschwer zu erkennen, wie viel Kraft in jeder ihrer Bewegungen steckt. Das Schauspiel ihrer Muskeln, die sich unter dem kurzen, weichen Fell abzeichnen, fasziniert mich immer wieder aufs neue. Erst kurz vor mir drosselt Radoun das Tempo, bis er schließlich vor mir zum stehen kommt. Ruhig befehle ich ihm, das er still halten soll, ehe ich ihm den Sattel auf den Rücken lege. Fluchs ist der Gurt, der sich auf der Höhe des Rippenbogens befindet, befestigt und ich widme mich dem Zaumzeug, welches ebenfalls schnell angelegt ist. Einen Moment nehme ich mir die Zeit, um meinem  Begleiter die Ohren zu kraulen, bevor ich mich auf seinen Rücken setze. Ein letztes Mal sehe ich zum Anwesen des Wolfsblut Clans, welches beeindruckend vor mir empor ragt. Es scheint seit ewigen Zeiten hier zu stehen und dem Wetter und der Zeit zu trotzen. Die alten Natursteinwände, weisen Löcher und Risse auf, welche von Schlachten zeugen, die dieser Festung nichts anhaben konnten. Wie ein Monument aus einer längst vergessenen Zeit steht es vor mir und scheint mir imponieren zu versuchen. Rechts wurde ein hoher Turm errichtet, welcher als Wachturm benutzt wurde. Der Rest des Gebäudes ist auf einer Höhe und doch mindert es die atemberaubende Wirkung der Festung keineswegs. Mich selbst aus meine Betrachtung reißend, gebe ich Radoun, mit einem ziehen am Zügel, zu verstehen, das er sich umdrehen soll. Ohne noch einmal zurück zu sehen, trabe ich schließlich davon und überlege, in welche Richtung ich jetzt reisen soll. Ich habe die Wahl zwischen zwei Orten, bei denen sich die Länge des Weges nur wenig von einander unterscheidet. Der eine wäre wieder ein kleines Dorf, welches sich nur unwesentlich von Finsterfels unterscheidet. Der andere wäre eine größere Stadt, errichtet auf einer Ebenen Graslandschaft, welche sich Meilen weit nicht verändert. Sie liegt östlich vom heulenden Tal und die weite steppe grenzt fast direkt an diesem Urwald. Viele Krieger, die sich der Armee anschließen wollen, finden sich dort ein, da diese Stadt der Hauptsitz der Großherren ist. Sie wurde um die Ahnenfestung herum errichtet, so nennt man den Sitz der Großherrscher. Dort treffen sie sich regelmäßig, um Schlachtpläne zu entwerfen und ihre nächsten Züge zu planen, um den bevorstehenden Krieg hinaus zu zögern. Unsere Herrscher, von denen auch ich keine gute Meinung habe, hoffen, das sie noch mehr Soldaten finden, um den Grenzreichen nicht unvorbereitet gegenüber zu treten, da diese uns zahlenmäßig überlegen sind. Würde der Krieg in nächster Zeit ausbrechen, dann wären wir heillos verloren. Jedoch ist es schwer, gute Krieger für sich zu gewinnen, wenn man sein Volk mit Füßen tritt. Würden sie dem Volk etwas entgegen kommen und ihnen mehr Ressourcen zur Verfügung stellen, dann könnten sie schnell neue Soldaten finden. Doch wenn es so bleibt, wie es momentan ist, dann stehen die Chancen schlecht. Sie würden nicht rechtzeitig genug Krieger finden und somit würden wir den Krieg verlieren. Viele würden ihr leben lassen, ob Krieger oder einfacher Bürger, das wäre dem Grenzreich vollkommen gleich. Sie sind unbarmherzig und grausam, viele müssen schon unter ihnen leiden und unsere Situation würde sich noch verschlimmern, wenn sie an die Macht kämen. Doch mach das einmal diesen Großherschern begreiflich, welche die Meinung von einfachen Bürgern in keinsterweise interessiert. Somit kann ich, wir viele Andere, nur das beste hoffen und beten, obwohl ich eigentlich nicht an unsere Götter glaube. Doch etwas anderes bleibt mir nicht übrig. Trotz meiner Abneigung gegen die Großherren und die Ahnenfestung, sowie der Armee, beschließe ich, diesen Ort anzusteuern, in der Hoffnung, dort einen Auftraggeber zu finden. Denn langsam geht mein Gold zur neige und es sieht schlecht für mich aus, wenn ich nicht bald einen Auftrag bekomme. Nicht unbedingt zuversichtlich, lenke ich Radoun in den Wald, welchen ich in Richtung Osten betrete. Der Wind flacht augenblicklich ab, da er zwischen den Bäumen kaum Spielraum hat. Leise knirscht das Laub unter den Hufen des Morbar, welches vom letzen Blätterfall herrührt, der einige Vollmonde hinter dem Wald liegt. Das Zwitschern von Vögeln ist zu hören, die munter in den Baumkronen sitzen und nach einem Partner für die kommende Zeit werben. Das entfernte Heulen eines Wolfes wird laut und scheint durch den Wald zu schweben, wie eine sanfte Brise. Entspannt lausche ich den Geräuschen und säuge den Geruch des Forstes auf, der nach Moos und Baumharz riecht. Auch Radoun ist tiefen entspannt, während er voran schreitet und sich durch das Dickicht kämpft. Wenn wir diese Geschwindigkeit beibehalten, dann sollten wir gegen Ende des Tages den Wald hinter uns gelassen habe, hoffentlich. Denn im heulenden Tal zu nächtigen, während einen die Wölfe umgeben, wäre nicht ratsam. Im normal Fall sind die ungezähmten Wölfe und ihre Unterarten scheu und meiden den Menschen, jedoch werden sie mutiger, wenn man erst einmal schläft. Ohne zu zögern würden sie sich auf den unachtsamen Reisenden stürzten, um schnell und unkompliziert an eine Mahlzeit zu gelangen. Unzählige Male habe ich Geschichten von Karawanen gehört, welches des nachts von einem Wolfsrudel überfallen wurden. Die wenigsten von ihnen haben überlebt, da ihre Angreifer so schnell und unvorhergesehen gekommen sind. Nicht selten haben sie ein Blutbad angerichtet und sich gesättigt, nur um dann wieder zu verschwinden. Ich habe einmal einen Überlebenden einer solchen Attacke getroffen. Durch dieses Drama war er nicht mehr zurechnungsfähig. Er könnte nicht mehr arbeitet oder normale Gespräche führen, was nicht nur an seinem entstellten Körper lag. Zu sehr dass ihm die Angst in den Knochen, selbst nach vielen Wintern, die zwischen diesem Vorfall lagen. Er kam nie darüber hinweg, könnte es einfach nicht vergessen. Wie für gewöhnlich, machen wir keine Rast, während der Tag an uns vorbei zieht. Als sich die Sonne langsam gen Horizont neigt, lichten sich die Bäume und weichen einer weiten, unbewaldeten ebene. Nur vereinzelte Sträucher und Büsche sind zu sehen, welche mir ankündigen, das ich morgen um diese Zeit, mein Ziel erreichen werde. Mit einem kurzen Zug an Radouns Zügeln, bringe ich diesen zum stehen. Unüberlegt springe ich aus dem Sattel und bereue es sogleich, da meine Wunde dadurch unangenehme Schnerzenswellen durch meinen Körper jagt. Ein leiser Fluch entfährt mir, ehe ich mein Nachtlager herrichte. Zum Anbruch der Nacht bin ich fertig und sitze zufrieden vor dem prasselndem Feuer, welches mir Wärme spendet. Gebannt beobachte ich die Flammen, wie sie sich hungrig über das Holz hermachen, das eben noch ein ganzer Busch war. Meine Gedanken kreisen ruhig durch meinen Kopf und drehen sich um die Frage, wann ich wohl endlich wieder einen Auftrag bekommen würde. Erst, als mir die Lider fast zu fallen, entscheide ich, das es zeit wird, zu schlafen. Ehe ich mich hinlege, nehme ich den Heiltrank, den mir Kellan geschenkt hat, zur Hand und löse den Korken. Genauestens beäuge ich die Flüssigkeit und rieche daran, bevor ich sie zu mir nehme. Unachtsam lasse ich die leere Phiole in meinem Lederbeutel verschwinden und schließe schließlich die Augen, um etwas Schlaf zu finden.

Kapitel 7

Ein lautes Scheppern, direkt vor meiner Zimmertür, reißt mich unsanft aus meinem viel zu leichten Schlaf. Schlagartig sitze ich aufrecht im Bett und starre auf die kleine Holztür, die ich mit einem einfachen Fausthieb durchlöchern könnte. Auf leisen Sohlen und das Schlimmste erwartend, erhebe ich mich. Schleichend nähere ich mich dem einzigen Ausgang, aus dieser kleinen Kammer und umschließe die Türklinke mit meinen Finger. Meine andere Hand, greift, zur Sicherheit, nach meinem Schwert, welches am Türrahmen lehnt. Einen Moment halte ich inne, ehe ich die Tür aufreiße und in den schmalen Flur blicke. Zwei große, hellgrüne Augen empfangen mich, die gehetzt und erschrocken zu mir aufblicken. Diese Seelenspiegel gehören zu einem zierlichen Mädchen, mit roten, zu einem Zopf geflochtenen Haaren, welches vor mir auf dem Boden hockt. Um sie herum, auf den Dielen verteilt, liegen allerlei Haushaltsgegenstände, wie gusseiserne Bügeleisen, Bürsten, Leinentücher, Schalen, Töpfe und eine Metallwanne. Augenblicklich entspannen sich meine Muskeln, die sich in Erwartung eines Kampfes, angespannt haben. "Verzeiht, ich wollte euch nicht wecken", haspelt das Mädchen, das der blassen Haut und ihren spitzen Ohren nach zu urteilen, eine junge Elfe ist, schnell eine Entschuldigung. Ihre Stimme zittert leicht, was mich zu dem Schluss bringt, das sie Angst hat und befürchtet, von mir gescholten zu werden. Merklich werden meine Gesichtszüge sanfter, die ich des Selbstschutzes wegen, immer hart anmuten lasse und ich lächle sie leicht an. Auch die Rothaarige entspannt sich wieder und beginnt hastig damit, die Sachen wieder in die Wanne zu legen. Schweigend gehe ich neben ihr auf die Knie, um beim einsammeln zu helfen. "Das müsst ihr nicht tun", wispert sie sogleich, doch schüttle ich nur mit dem Kopf und fahre mit meiner Tätigkeit fort. Nur wenige Momente später, ist alles wieder in der Metallwanne verstaut und ich helfe dem Mädchen, diese auf ihre arme zu heben. "Habt dank, werte Frau", murmelt sich leise und deutet einen Knicks an, welchen ich mit einem Kopfneigen erwidere. Im selben Augenblick höre ich, wie jemand die alte Treppe hinauf gepoltert kommt, weswegen ich meine Augen auf das Ende des Ganges richte. Nur wenig später taucht am Treppenaufgang ein grobschlächtiger Mann auf, mit zusammen gezogenen Augenbrauen und erzürnter Miene. Mit weit ausfallenden, aggressiven Schritten hält er auf uns zu und baut sich schließlich vor dem, verängstigt schauendem, Mädchen auf. "Was dauert hier denn so lange, habe ich dir nicht gesagt, du sollst dich beeilen", donnert der weißhaarige Mann sofort drauf los, während die zierliche Elfe, reumütig, ihren Blick senkt. "Verzeih Vater, ich ..." setzt sie, mit kaum hörbarer Stimme an und scheint zu zittern, wie Espenlaub. "Daran bin ich Schuld. Ich bin mit ihr zusammen gestoßen, als ich das Zimmer verlassen wollte. Dabei ist ihr die Wanne aus der Hand gefallen. Ich hoffe, ihr verzeiht diese Ungeschicktheit meinerseits", fahre ich der Rothaarigen schnell ins Wort, um sie vor einer Strafe oder was immer auf sie warten würde, zu schützen. Ich hasse es nämlich, wenn man mit Kinder so umspringt. Mein Vater hat es genauso gemacht. Hat mich beschimpft und angeschrien, wann immer er einen Grund dafür gesehen hat. Für Nichtigkeiten hat er mich bestraft oder gar geschlagen und niemand hatte dagegen etwas einzuwenden. Warum auch? Jeder erzieht seine Kinder so, wie er es für richtig hält, zumindest ist das die Meinung der allgemeinen Bevölkerung. Prügelstrafen oder andere Methoden sind vielleicht nicht gern gesehen, doch sie werden geduldet. Niemanden interessiert es, wie es den Kinder dabei geht. Darum helfe ich den Kindern, wo ich nur kann. Ich beschütze sie, wenn es mir möglich ist. Diese Ignoranz und dieses Verhalten machen mich wütend. Mein Vater meinte immer, das er diese Methoden überlebt hätte, warum sollte ich das also nicht können. Doch etwas überleben, heißt noch lange nicht, das es einem nicht in irgendeiner Weise schadet. Man muss sich nur meinen Vater ansehen, sehen, was aus ihm geworden ist. Seid er alt genug ist und sich eine eigene Bleibe leisten kann, trinkt er wie ein Fass ohne Boden. Tag ein, Tag aus kippt er sich den Alkohol die Kehle hinunter und hat deswegen sogar seinen Job verloren. Jedoch hat auch das ihn nicht wachgerüttelt, im Gegenteil. Seit diesem verhängnisvollem Tag, säuft er mehr den je und gibt mir die Schuld daran, das er seinen Posten als Stadtwache quittieren musste. Darum bin ich froh, von dort weg zu sein. Dieses Trauerspiel und die alltäglichen Erniedrigungen, habe ich einfach nicht länger ertragen können. "So ist das also, ihr seid für die Verzögerung verantwortlich. Das ist in Ordnung, so etwas passiert nun einmal, dagegen kann man nichts machen", wendet sich der Hüne, mit einem falschen Lächeln an mich. "Ich wünsche euch noch einen schönen Aufenthalt in meiner Herberge", verabschiedet sich der Wirt freundlich von mir, ehe er die kleine Elfe grob am Arm packt und hinter sich verzieht. Ein grimmiges Brummen entfährt mir, ehe ich den Kopf schüttle und zurück in mein gemietetes Zimmer gehe. Mein Blick schweift zu dem kleinen Fenster ab, durch welches die Strahlen der Sonne scheinen. Der Tag hat erst vor kurzem begonnen, stelle ich fest und widme mich schließlich meiner morgendlichen Routine. Kaum das ich vollends eingekleidet bin, suche ich das Hab und Gut zusammen, welches zu wertvoll ist, um es in einer solch schäbigen Gaststätte zurück zulassen, ehe ich den Raum verlasse. Lustlos durchschreite ich den kurzen Gang und die Treppe hinunter, um mir im Schankraum, welcher sich unter den mietbaren Zimmer befindet, ein Frühstück zu genehmigen. Dieses fällt jedoch sehr rar aus, da ich jedes Goldstück, das ich noch besitze, zweimal umdrehen muss, um die nächsten Tage davon leben zu können. Denn meine Hoffnungen, schnell an einen Auftrag zu kommen, sind nicht sehr groß, trotz der Tatsache, das mich die kleine Familie unterstützt. Nur langsam verspeise ich das Brot, das auf meinem Teller liegt, während mein Blick durch den leeren Raum wandert. Außer dem Schankknecht ist niemand hier wodurch der Gasthof wie ausgestorben scheint. Rastlos poliert er die Krüge, während ich ihn unbemerkt beobachte. Als ich mein Mahl schließlich beende, bezahle ich meine Zeche, um mich in der Stadt umzuhören. Meine Chancen sind gering, doch muss ich trotzdem versuchen, einen Auftraggeber zu finden, wenn ich nicht in der Gosse enden will. Deswegen marschiere ich wenig später durch Adelsheim, wobei ich Ohren und Augen offen halte. Aufmerksam schlendre ich vorbei an Schenken und Schmieden, Schmuckhändlern und Alchemielaboren, Gemischtwarenläden und Kleidungsgeschäften. Aller Hand Leute begegnen mir auf meinem Weg. Sowohl reiche, wie arme. Große, wie kleine. Doch einen Hinweis auf einen Auftrag finde ich keinen. Immer wieder fange ich Gesprächsfetzen auf, ohne zu hören, was ich hören will. Dabei herrscht hier so viel Trubel, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. An jeder Ecke und in jeder Gasse drängen sich die Menschen und werden, ganz nebenbei, von den Dieben beklaut. Zu meiner Erleichterung darf ich bemerken, das es sich bisher noch keiner gewagt hat, mein Gold anzufassen. Zum einen würde ich es sofort bemerken und zum anderen, würde derjenige seines Lebens nicht mehr froh werden. Dessen ungeachtet, schreite ich weiter voran, während der Tag an mir vorüber zieht. Gegen Abend gebe ich fürs erste auf, da mein Magen mittlerweile lautstark protestiert und mir der Schweiß auf der Stirn steht. Den ganzen Tag in einer Rüstung zu stecken, während die Sonne unbarmherzig auf einen nieder schmettert, ist die schlimmste Folter, die ich mir vorstellen kann. Der nächst beste Schankraum, der mir ins Auge sticht, wird von mir betreten, um mir ein halbwegs annehmbares Mahl zu bescheren. Auch hier herrscht Trubel, wobei die Leute an den Tischen sitzen und sich lautstark unterhalten. Feuchtfröhlich genehmigen sie sich Alkohol und Speisen. Es wird gelacht und gesungen, geredet und gegrölt. Die Atmosphäre ist perfekt, um diesen schlechten Tag hinter mir zu lassen, da sie tatsächlich meine Laune hebt. Gemächlich durchquere ich den Raum und lasse mich auf einem Barhocker am Tresen nieder. Fluchs steht der Wirt vor mir und nimmt meine Bestellung entgegen, die, im Gegensatz zu heute morgen, reichlicher ausfällt. Eine warme Mahlzeit und ein Krug Bier. Doch viel mehr werde ich mir an diesem Abend nicht bestellen können, ohne mittellos dazustehen. Geschafft von dem Tag und der Wanderung durch ganz Adelsheim, trinke ich den Alkohol in einem Zug aus und widme mich meinem Essen, welches schnell von mir verspeist wird. Auch jetzt lausche ich aufmerksam, da man des Abends in einer Schenke bessere Chancen hat, ein Gespräch mitzubekommen, in welchem ein Auftrag für mich stecken könnte. Doch auch jetzt habe ich keinen Erfolg, weswegen ich, nach einem zweiten Bier, den Schankraum ernüchtert verlasse. Mir war bewusst, das ich so schnell zu keinem Ergebnis kommen würde, doch habe ich es trotzdem gehofft. Wahrlich demotiviert mache ich mich auf den Weg zur Ritterskrone, um diesem Tag ein Ende zu setzen. Die Nacht ist mittlerweile über der Stadt eingebrochen und taucht die Straßen in Dunkelheit. Nur vereinzelt stehen ein paar Petroleumlaternen an den Häuserwänden und spenden spärliches Licht. Finstere Schatten tanzen durch die dunklen Gassen und lassen einen hinter jeder Ecke einen Feind sehen, wo keiner ist. Aufmerksam, damit man mich nicht überraschen kann, betrete ich die heruntergekommenen Gassen des nördlichen Stadtteils, in welchem sich so mancher Abschaum rumtreiben soll. Von einfachen Dieben, bis hin zu besinnungslosen Mördern soll hier alles vertreten sein. Zumindest habe ich das den Gesprächen entnommen, die in der Schenke geführt wurden. Jedes Geräusch, das ich vernehme, veranlasst mich dazu, meine Muskeln anzuspannen, ohne dabei mein Schritttempo zu verringern. Sollte hier wirklich jemand sein, der es auf mich oder mein Gold abgesehen hat, so sollte ich diesem jemand nicht zeigen, das ich ihn erwarte und auf seinen Angriff reagieren werde. Langsam komme ich meinem Ziel näher, als sich etwas in meinem Augenwinkel bewegt. Schnell huscht ein Schatten hinter mich und ich höre kurz darauf, wie etwas leise zerschnitten wird. Reflexartig reagiere ich, indem ich mich umdrehe und gleichzeitig an die Stelle meines Gürtels fasse, an der sich mein Goldbeutel befinden sollte. Als ich ihn nicht ertasten kann und eine Person sehe, die sich schnell entfernt, zähle ich eins und eins zusammen, ehe ich ihr hinterher Eile. In solchen Momenten bin ich froh, das meine Sinne, durch meine Reisen in der Wildnis, so geschärft sind. Ansonsten hätte ich jetzt nicht bemerkt, das man mir mein Gold stehlen will. Wie von Sinnen hetzt die von mir verfolgte Personen zwischen den Häusern entlang und wirft immer mal wieder einen Blick über die Schulter. Wutentbrannt haste ich hinterher und versuche den Dieb nicht aus den Augen zu lassen. Häuser und Gassen ziehen an mir vorbei und verschwimmen in meinen Augenwinkeln. Stille herrscht, die nur von dem Geräusch unserer Verfolgung durchbrochen wird. Kaum ein Lichtschein ist in dieser Finsternis auszumachen. Die Hetzjagd endet in einer Sackgasse, in die die Person leichtfertig getappt ist. Ein lauerndes Grinsen schleicht sich in mein Gesicht, während ich langsam auf den Vermummten zuschreite. Bedrohlich langsam halte ich auf ihn zu. Hilfesuchend wirft der Dieb seinen Kopf hin und her, bis er merkt, das es kein Entkommen gibt. Er presst sich an die Wand hinter sich und nimmt einen Dolch zur Hand, mit welchem er wohl hofft, mich aufhalten zu können. Amüsiert und kalt lache ich auf, ehe ich nach meinem Zweihänder greife und diesen, mit einer Hand nach vorne schnellen lasse. Kurz vor dem Hals des Diebes halte ich inne, wobei die Spitze der Klinge fast auf der Haut aufliegt. "Mit dem Zahnstocher könnt ihr bei mir nichts ausrichten. Ihr kommt damit ja nicht mal in meine Nähe", raune ich ihm tadelnd zu und ein leichtes Zittern ergreift von ihm Besitz. "Bitte, tötet mich nicht", haucht der Dieb ängstlich, mit kindlicher Stimme. Erst jetzt fällt mir auf, wie schmächtig und klein die Person vor mir ist, was mich die Augenbrauen zusammen ziehen lässt. Ein Kind, ich kann doch kein Kind töten, schießt es mir in den Kopf, doch senke ich meine Waffe nicht. "Ich werde euch nicht töten, wenn ihr mir mein Gold zurück gebt", knurre ich, um meine Bedrohlichkeit nicht zu verlieren. Eilig nickt der Dieb, ehe er den Goldbeutel in die Hand nimmt und mir zuwirft. Ich schnappe den Beutel aus der Luft und schaue hinein, bevor ich mein Schwert wegstecke. "Gut, haut ab, ehe ich es mir anders überlege und sagt den anderen Dieben aus eurer Gilde, das sie bloß die Finger von mir lassen sollen, wenn sie sie nicht verlieren wollen", brumme ich ihm noch warnend zu und ernte einen überraschten Blick. Kurz darauf stimmt der Dieb hastig zu und sprintet an mir vorbei. Lächelnd schüttle ich den Kopf, einem Kind kann ich einfach nicht böse sein, immerhin wird es einen Grund haben, warum es andere Leute beklaut. Vielleicht hat es keine Eltern mehr, lebt auf der Straße und verdient so seinen Unterhalt, um am Leben zu bleiben. Doch ein gutes hatte diese Aktion, ich weiß jetzt, das die Gerüchte über die Diebesgilde stimmen. Sie existiert tatsächlich und es sind nicht nur Hirngespinste von gelangweilten Bürgern. Das heißt, das ich ab jetzt Augen und Ohren, jederzeit, offen halten muss. Ich frage mich jedoch, ob die Gilde nur hier in Adelsheim ihre Klauen ausstreckt oder auch in anderen Städten. Aber darüber kann ich mir später auch noch Gedanken machen. Jetzt sollte ich erst einmal zurück zur Ritterskrone und mich schlafen legen. Morgen wird ein langer Tag. Müde trete ich den Rückweg an, durch die verwaisten, spärlich beleuchteten Gassen. Ab und an läuft mir eine fette Ratte über den Weg, ehe ich endlich am Gasthof ankomme. Ich betrete den Schankraum, welcher der einzige Durchgang zu den Zimmern ist. Eigentlich wollte ich direkt nach oben gehen, jedoch hält mich die unsichere Stimme des Schankknechtes davon ab: "Lady Lunia?" Seine Worte sind nur genuschelt und es fällt mir schwer, sie zu verstehen. Dessen ungeachtet bleibe ich stehen und mustere den Burschen fragend. Bei meinem Blick zuckt er leicht zusammen, bevor er einen Zettel aus seiner Tasche zieht und ihn auf den Tresen legt. "Es kam heute Mittag jemand, der mich darum bat, euch diese Nachricht zu überbringen", haspelt er unsicher und senkt den Blick. Mit großen Schritten trete ich auf die Theke zu und nehme das Stück Papier zur Hand, auf dem in fein säuberlicher Schrift mein Name steht. Fluchs entfalte ich das Papier und überfliege die Zeilen.

'Lady Lunia,

es freut mich, euch mitteilen zu dürfen, das wir tatsächlich jemanden finden könnten, der ihnen einen Auftrag anvertrauen will. Kommt morgen, nach Sonnenaufgang in den Tempel, damit wir das weitere klären können.

Hochachtungsvoll die dankbare Familie der ihr geholfen habt'

Ein Grinsen schleicht sich in mein Gesicht, ehe ich dem Burschen danke und mich zu Bett begebe.

Impressum

Texte: Alle Personen, Orte, sowie die Handlung an sich, entspringen meiner Fantasie. Jegliche Ähnlichkeiten zu realen Personen, Orten oder schon geschriebenen Werken sind Reiner Zufall und nicht beabsichtigt.
Tag der Veröffentlichung: 03.03.2013

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