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Die Geschichte vom kleinen Pilz


Es war einmal ein Pilz, ein noch sehr, sehr kleiner Pilz. Er war so klein, dass man ihn nur schwer mit der Lupe sehen konnte. Aber das machte dem Pilz nichts aus. Er fühlte sich groß und stark, so groß und stark wie die anderen Pilze, die er vom Wald kannte.
Mit diesen Gedanken wuchs er jeden Tag ein kleines Stückchen und er sah wie die Fußgänger an ihm vorbeigingen und die Fahrradfahrer wie sie auf ihren bunten Rädern vorbeifuhren, und er ärgerte sich sehr, weil sie ihn einfach nie betrachteten. Aber der kleine Pilz wusste nicht, dass die Menschen ihn gar nicht sehen konnten, weil er immer noch so klein war. Nach ein paar Tagen kam einmal ein sehr, sehr kleiner Hund vorbei, den sein Frauchen an der Leine führte. Der Hund schnüffelte in der Luft herum und fand den kleinen Pilz.
„Hallo, kleiner Pilz.“, sagte der kleine Hund.
„Hallo, kleiner Hund.“, sagte der kleine Pilz, „weißt du, warum mich die Menschen nicht betrachten?“
Der kleine Hund sah den kleinen Pilz von allen Seiten an. „Vielleicht bist du zu klein. Ein Stückchen solltest du noch wachsen.“
Der kleine Pilz nickte vor Freude und er versuchte möglichst viel zu wachsen.
Er war nun schon so groß geworden, dass einige Hunde, nicht nur der kleine Hund, und Füchse ihn sahen und jedes Mal, wenn sie vorbeikamen „Guten Tag!“ oder „Guten Morgen!“ oder „Gute Nacht!“, sagten, wie es eben gerade die Tageszeit war.
Und so wuchs der kleine Pilz und die Menschen liefen nicht mehr an ihm vorbei, nein, sie bestaunten ihn sogar, wie schön und wie groß er war und vor allem wie lecker er schmecken würde.
Dem kleinen Pilz wurde Angst und Bange. Er wollte nicht gegessen werden, denn dafür war er ja schließlich nicht so groß und schön gewachsen.
Aufgeregt erzählte er das dem kleinen Hund.
„Die Menschen wollen mich kochen und essen!“, rief er laut aus. Doch der kleine Hund fing an zu lachen.
„Warum lachst du?“, fragte der kleine Pilz.
„Weißt du denn nicht, welcher Pilz du bist?“, fragte der kleine Hund, der nun auch schon kleiner war, als der Pilz.
„Nein.“, antwortete der Pilz, denn darüber konnte er noch nicht nachdenken, da er ja die ganze Zeit darüber nachdenken musste, wie man am besten wächst.
„Du bist ein Fliegenpilz!“, sagte der Hund und kugelte sich auf dem Boden, so sehr, dass sein Frauchen gedacht haben musste, dass er verrückt geworden wäre. „Menschen essen keine Fliegenpilze.“
Und so war der kleine Pilz erleichtert, dass ihm niemand etwas antun konnte. Denn er war ja ein Fliegenpilz. Der wohl größte und schönste Fliegenpilz der Welt.

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Texte: (c) P. Winterberg
Tag der Veröffentlichung: 01.05.2009

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Widmung:
Für unsere Kinder

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