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Gegen acht Uhr morgens erwachte Sandra Anders. Genau konnte die Inspektorin nicht sagen, was sie zuerst geweckt hatte, die Glocken der Kirche von Schörfling oder das Läuten ihres Handys. Egal. Beides war nervtötend.
Ihr Blick wanderte auf die andere Seite des Bettes. Bernd schlummerte friedlich. Er hatte am Wochenende Journaldienst in der Redaktion gehabt und deshalb heute, genau wie sie, einen freien Tag, den sie gemeinsam genießen wollten.
Genervt drückte sie auf die grüne Taste ihres Handys und fuhr sich mit der freien Hand durch ihre kurzen, dunklen Haare, die morgens immer aussahen, als hätte nachts ein Vogel darin sein Nest gebaut.
Es war Buchegger.Der dicke Polizist schien immer dann Dienst zu haben, wenn etwas passierte. »Tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe, an Ihrem freien Tag. Aber wir haben da eine Leiche ...
Sandra drehte sich von Bernd weg, flüsterte. »Wo?«
»Seewalchen. Die Villa der Richterin.« ...
Sie wusste, um welches Haus es sich handelte. Eine wunderschöne Villa. Ein Prachtexemplar aus dem 19. Jahrhundert, direkt an der westlichen Seeseite. Das Grundstück hatte einen eigenen Seezugang, grenzte mit der Vorderseite an die Straße, die den Attersee entlang- führte bis Mondsee. Ein befreundeter Immobilienmakler hatte Sandra erzählt, dass das gesamte Anwesen über drei Millionen Euro wert sei. Sandra war schon oft daran vorbeigefahren und hatte sich jedes Mal gefragt, welchen Beruf man wohl ausüben musste, um sich diesen Luxus leisten zu können. Kurz drauf hatte sie erfahren, dass das Gebäude mit dem etwa zweitausend Quadratmeter großen Garten von dem Ehepaar Wolf gekauft worden war. Sie Richterin, er Staatsanwalt. Nach der Scheidung war ihr das Haus geblieben. Derartige Neuigkeiten sprachen sich schnell herum in dieser Region. Und seitdem hieß das Gebäude nur noch „die Villa der Richterin“. Und dann fiel ihr noch ein, dass sie erst kürzlich in einem Newsletter der Polizeiinspektion gelesen hatte, Dr. Helga Wolf sei in den Ruhestand getreten. Aus gesundheitlichen Gründen.
Pah, wer’s glaubte. Denn wenn man eher den Gerüchten als den offiziellen Erklärungen Glauben schenkte, war Helga Wolf eine Frau mit einer etwas anrüchigen Lebensweise ...
Copyright © Prolibris Verlag Rolf Wagner
Texte: ISBN: 978-3935263559
Prolibris Verlag Rolf Wagner
Tag der Veröffentlichung: 07.12.2010
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