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Das erste Mal

Sie war immer schon meine Lieblingstante gewesen, mütterlicherseits. Meine Mutter stammte aus einer kinderreichen Familie, denn sechs Kinder, davon vier Mädchen und zwei Buben, alle in den sechziger Jahren geboren, das war doch für heutige Verhältnisse eine richtige Großfamilie. Von all diesen Verwandten hatte es mich instinktiv vor allem zu meiner Tante Doris hingezogen. Immer nett gekleidet, schien sie stets bester Laune zu sein. Wann immer es in meinen Jugendtagen die Möglichkeit gegeben hatte, anderswo übernachten zu müssen oder zu können, als bei den Eltern und meiner Schwester, dann war das Haus von Tante Doris und Onkel Franz jener Lieblingsort, an den ich mich bestens zurück erinnere. In der Nähe eines Walds und eines Teichs gelegen, entwickelte sich das Anwesen von Jahr zu Jahr. Anfangs nur eine Kombination aus Wohnhaus mit einer kleinen Landwirtschaft, entstand im Laufe der Zeit eine durchaus profitable Pferderanch, die ständig weiter wuchs.

 

Ich war gerade erst siebzehn Jahre alt geworden. Die Sommerferien standen vor der Tür und kein Vorschlag wäre mir gelegener gekommen als der, auf der Pferdekoppel meiner Lieblingstante einen Großteil der freien Wochen zu verbringen. Ich konnte bei ihr sogar berechtigter maßen Geld verdienen, indem ich bei der Betreuung der Pferde und vor allem bei der schweißtreibenden Stallarbeit mithalf. Für einen Gymnasiasten war das insgesamt ungeheuer verlockend.

 

Onkel Franz und Tante Doris hatten zwei Kinder, zwei Mädchen. Sie wurden soknapp hintereinander geboren, dass man sie häufig für Zwillinge hielt. Sie traten oftmals so auf, wobei ihnen die sehr große Ähnlichkeit entscheidend half. Sabine und Sandra, etwa zwei Jahre jünger als ich, spielten mir des Öfteren einen Streich. Manchmal ärgerte ich mich, aber meistens „streichte“ ich zurück. Das machte mehr Spaß als der Ärger. Ansonsten interessierten mich die beiden über all die Jahre hinweg nie besonders.

 

Als ich nun Anfang Juli  bei Tante Doris ankam, waren die zwei für die ersten beiden Wochen des Monats auf ein Ferienlager gefahren. Mit Ausnahme einer Reihe von Gästen waren wir auf dem Landgut allein. Wobei „allein“ zu relativieren wäre bei weit über vierzig Pferden, die täglich gepflegt, gefüttert und ausgemistet sein wollten. Das bedeutete wirklich Arbeit rund um die Uhr. Es dauerte fast eine ganze Woche, bis sich mein Körper von all den ungewohnten Tätigkeiten und Bewegungen soweit erholt hatte, dass ich keine Schmerzen mehr spürte. Bis dahin konnte ich mich kaum bewegen, so sehr schmerzte ein jeder Muskel. Ja, eine jede einzelne Faser schien ich zu spüren, wenn ich die Mistgabel ergriff, die Scheibtruhe, um den Mist zu entsorgen, die Bürste um die Pferde zu striegeln und was es noch alles zu verrichten galt. Wie tot war ich eine Woche lang fast jeden Abend müde ins Bett gefallen. Doch gewöhnte sich mein jugendlicher Körper an diese Strapazen und ich fand schließlich mehr Zeit, mich auch während der Arbeit umzublicken und all das zu beobachten und zu genießen, was mich umgab.

 

Onkel Franz arbeitete drei oder vier Tage während einer  Woche außerhalb des Gestüts. Er war sich nicht ganz schlüssig, ob er es riskieren sollte, seinen Bürojob ganz aufzugeben. Tante Doris kümmerte sich allein um Haus und Gäste. Dann auch noch die Pferde! Es schien eine Plackerei von früh bis spät am Abend zu sein, aber die beiden waren glücklich und zufrieden, ganz offenkundig. Vor allem machten sie ihr Glück ... hörbar! Die Art und Weise, wie ich ungewollt zum Zuhörer mutierte, als ich in der Nacht auf die Toilette musste und mir danach etwas zu trinken holen wollte, die erregte mich und erzeugte Fantasien in meinem Kopf, die ich eine Woche zuvor nicht einmal zu denken gewagt hätte.

 

Das heftige stoßweise Anknallen des breiten Bettes an die Wand, das Aufklatschen von nassen und verschwitzt sich im Laken wälzenden Leibern..., oh Gott! Ich schlich mich auf Zehenspitzen zu ihrem Schlafzimmer. Vorsichtig und hochrot im Gesicht vor Erregung einerseits und vor gewisser Schande und Scham andererseits, fragte ich mich, was ich hier tat. Ich wollte wirklich nur ein Glas Wasser oder Limonade trinken! Ich wohnte zwar im Seitentrakt des Hauses, weit weg vom Schlafzimmer meiner Tante. Doch die beiden trieben es so laut, heftig und ungeniert, dass ich die Geräusche und das tierische Gestöhne einfach hatte hören müssen auf meinem nächtlichen Gang zum Kühlschrank.

 

Zu dem Zeitpunkt dachte ich überhaupt nicht daran, dass sie vielleicht mit voller Absicht so laut waren. Das kam mir erst später in den Sinn, nachdem das Schicksal, wollen wir es mal so nennen, seinen Lauf genommen hatte. Tatsächlich belauschte ich allen Ernstes meine Tante und meinen Onkel beim Sex! Unfassbar! Fast konnte ich es nicht glauben, aber ich wagte auch einen Blick durch das

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Michaela Bindernagel
Bildmaterialien: Coverbild: Günther Gumhold/ www.pixelio.de; Gestaltung des Covers: Sylke Wegener
Lektorat: Haydn von Hohnstein
Tag der Veröffentlichung: 26.07.2015
ISBN: 978-3-7396-0717-7

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