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Alle Handlungen und Personen sind frei erfunden. Sollten Ähnlichkeiten zu realen Personen und Geschehnissen bestehen, so waren diese nicht beabsichtigt.

Für Lisa (:




Seufzend zog ich mir meine Mütze über die Ohren. Musste das denn so kalt sein? Vorsichtig schloss ich die Haustür hinter mir und lief durch den Schneematsch über die Straße. Während ich mir einen Weg durch die Menschenmenge bahnte, ging ich im Kopf nocheinmal meinen Arbeitsplan durch. Wieder musste ich seufzen. Ich mochte die Adventszeit nicht. Immer war es kalt, matschig, stressig und alle gingen einem mit ihrem Weihnachtsgesäusel auf die Nerven. Was daran schön sein sollte, wusste ich wirklich nicht. In Gedanken versunken hätte ich fast einen älteren Herren über den Haufen gerannt. "Oh, Entschuldigung!" rief ich, als ihm einige Kisten, die er mühsam auf seinen Armen balanciert hatte, herunterfielen. Ich bückte mich, um ihm beim Aufsammeln zu helfen. "Nichts für ungut, junge Dame" Er fasste mich am Arm. "Lassen sie ruhig, ich mach das schon. Wie ich sehe, sind sie auch im Stress." Dankbar lächelte ich ihn an, reichte ihm die Kiste die ich schon in den Händen hielt und hastete weiter. Dafür, dass es erst um neun Uhr morgens war, tingelten für meinen Geschmack schon viel zu viele fröhliche Leute herum.
Mit roter Nase stieß ich mit einigen Minuten Verspätung zu den anderen. "Ah da bist du ja!", begrüßte mich Marina und drückte mir eine Liste in die Hand. "Um diese Stände kümmerst du dich bitte. Und nicht trödeln!" Dann wuselte sie davon. Resigniert stellte ich mich erstmal an die Heizung, um meine Hände zu wärmen. Als ich mich umschaute war ich völlig perplex, wie viele Helfer wir dieses Jahr hatten. Da waren ein paar Jungs und Mädchen aus meiner Schule, die sich als Weihnachtsmänner verkleidet hatten und gerade die Süßigkeiten in ihre Jutesäcke aufteilten, unter ihnen auch meine beste Freundin Lili, die mir zuwinkte. Dann gab es noch viele freiwillige Helfer, die sich um die Organisation kümmerten und natürlich alle, die heute ihren ersten Weihnachtsauftritt hatten. Einigermaßen aufgetaut begab ich mich wieder in die Kälte und begann meine Liste abzuarbeiten.

Der erste Weihnachtsmarkt des Jahres war auch immer der anstrengendste. Man musste alle Stände erfassen und aufschreiben, mit den Händlern sprechen und es irgendwie schaffen, Weihnachtsstimmung heraufzubeschwören. Die Weihnachtsmärkte danach waren weit weniger schlimm, da die meisten Stände den ganzen Monat an der gleichen Stelle standen und sich nicht mehr viel veränderte. Mir war es aber immernoch schleierhaft, warum man schon vier Wochen vor Heiligabend auf einen Weihnachtsmarkt gehen sollte. Mein Weihnachtsgefühl ließ zu diesem Zeitpunkt jedenfalls immer noch auf sich warten. Inzwischen, es war schon fast elf, hatte ich schon so ziemlich alle Stände abgeklappert und war ganz benommen von den verschiedenen Weihnachtsliedern, die aus allen Richtung in meinen Ohren dröhnten. Außerdem hatten sich meine Füße in Eisklötze verwandelt, da der Matsch meine Schuhe aufweichte. Nach einem Blick auf meine Liste machte ich mich nun auf zum letzten Stand. Stand 35, murmelte ich vor mich hin. 35 Stände?! Oh mein Gott. Suchend blickte ich mich um. Stand 35 war eine niedliche kleine Holzhütte in der es allerhand Krimskrams zu kaufen gab. Vorallem diese Pyramiden aus Thüringen in, soweit ich sehen konnte, ziemlich allen Größenvariationen. Kitschig. Ich klopfte an die Hintertür, bemüht, mir meine schlechte Laune nicht ansehen zu lassen. Als sie sich öffnete rasselte ich, ohne aufzusehen, meinen Text herunter. "Guten Tag, ich freue mich, sie hier auf dem Weihnachtsmarkt begrüßen zu dürfen. Ich will ihnen nicht Ihre Zeit stehlen aber hätten sie wohl ein paar Minuten für die Klärung einiger Formalitäten?" Mit freundlicher Stimme bat mich der Mann hinein. Drinnen war es angenehm warm. Ich wühlte in meiner Jackentasche nach einem Taschentuch. Da erschien die Hand des Standinhabers in meinem Blickfeld und reichte mir eins. "Danke", sagte ich und lächelte ihn an. Irgendwie kam er mir bekannt vor. "Sind sie nicht die junge Dame, die es vorhin so eilig hatte?", fragte er und schaute mir ins Gesicht. Endlich erkannte ich ihn auch. "Ja, die bin ich. Und es tut mir wirklich sehr leid, dass ich sie einfach so umgerannt habe." Es tat mir wirklich Leid, denn er schien sehr nett zu sein. Meiner Schätzung nach war er mitte sechzig, nicht groß, nicht klein, nicht dünn, nicht dick, hatte immer noch volles, fast weißes Haar und viele Lachfältchen um die Augen. Er erinnerte mich ein bisschen an meinen Opa. Kurz entschlossen streckte ich ihm meine Hand entgegen. "Ich bin Johanna. Aber alle nennen mich Jo!" Er lächelte. "Sehr erfreut. Ich bin Herr Müller aber du kannst gerne Edgar zu mir sagen." Verschmitzt fragte ich: "Wie wärs mit Eddi?" Er lachte. "Meinetwegen auch Eddi! So wie ich das sehe, bin ich der Letzte auf deiner Liste, wenn du willst kannst du dich setzen und ich mach dir einen Tee, du siehst ja ganz durchgefroren aus." Ich überlegte kurz und nickte dann dankbar. "Gut. Und wenn du willst, kannst du dir auch deine Füße an der Heizung aufwärmen und deine Schuhe trocknen!" Dann drehte er sich um und werkelte an einem kleinen Campingkocher herum. Ich tappte derweil zu besagter Heizung, schlüpfte aus meinen Eisschuhen und hielt mit einem Seufzer der Erleichterung meine Füße an die Wärmequelle. Ein paar Minuten später kam er mit einer dampfenden Tasse Tee wieder. Ich schnupperte. Dann blickte ich ihn fragend an. "Das ist die spezielle Weihnachtsteemischung meiner Frau", erklärte er. Ich schnupperte noch einmal. "Riecht gut!", murmelte ich, nahm einen Schluck und verbrannte mir glatt die Zunge. Lachend klopfte er mir auf den Rücken, als ich Husten musste. "Nicht so hastig!" Also wärmte ich mir erstmal die Finger an der Tasse und schaute mich um. Ich musste wohl etwas skeptisch geschaut haben, denn Eddi fragte mich, ob mir seine Stand nicht gefallen würde. Ich schüttelte den Kopf. "Doch. Aber ich halte nicht so viel von dem ganzen Weihnachtshype. Ich meine, Weihnachten ist ja schön, aber muss es denn schon einen Monat vorher losgehen?" Er sah mich ungläubig an. "Also junge Dame!", tadelte er. "Gerade die Vorweihnachtszeit ist doch die schönste Zeit des Jahres. In ihr können Wunder noch wahr werden." Ich zog eine Augenbraue hoch. "Wunder? An Wunder glaube ich nicht mehr seit ich 7 war!" Er schüttelte den Kopf. "Dann muss ich dir wohl das Gegenteil beweisen!". Er lächelte geheimnisvoll. "Jede Wette, dass sie das nicht schaffen!", hielt ich dagegen. Er streckte seine Hand aus. Ich schaute in sein gutmütiges Gesicht und schlug ein. Dann lehnte ich mich wieder zurück, blickte über die Pyramiden hinaus auf den Platz und beobachtete den Aufbau einer großen Weihnachtstanne.
Als ich meinen Tee schon fast ausgetrunken hatte und sich eine wohlige Wärme in mir ausbreitete, fing Eddi auf einmal an, zu sprechen. "Es war im Winter 1962. Es war der wohl härteste Winter, den ich jeh erlebt hatte. Ich war noch keine 20 und hatte doch schon fast mit meinem Leben abgeschlossen. Meine Familie war ziemlich arm und wir hatten weder genug zu essen, noch warme Kleidung. Der Winter begann in diesem Jahr schon Ende Oktober und seitdem herrschten ständig Temperaturen unter null Grad. Der Schnee lag knietief und selbst der Weg zum Konsum war für mich die Hölle. Neben uns..." Er wurde unterbrochen als die Tür aufgestoßen wurde und ein Junge mit einem riesigen Sack voll was-auch-immer hereingepoltert kam. "Hey Edgar, ich hab hier deine Maronen!..." Er stutzte als er mich ohne Schuhe an der Heizung sitzen sah. Mein Atem stockte. Gegen meinen Willen wurde mein Blick von seinen unglaublichen blauen Augen festgehalten. Er hatte seinen dicken Schal um das halbe Gesicht gewickelt und die schokoladenbraunen Haare standen ihm wild vom Kopf ab. Mich überkam das dringende Verlangen, hindurch zu wuscheln. Einen unendlich langen Moment schauten wir uns nur an. Dann klopfte Eddi ihm auf die Schultern und zeigte auf mich. "Peter, das ist Jo. Jo, das ist Peter, mein...fleißiger Helfer !" Peter grinste mich an. "Jo?", fragte er. Ich streckte die Hand aus und hoffte, dass er nicht sah wie sie zitterte. "Eigentlich Johanna, aber alle nennen mich Jo." Dann brachte ich sogar noch ein Lächeln zustande. Er grinste noch breiter. "Okay, dann Jo." Er hatte eine ziemlich tiefe Stimme, die perfekt zu der dunklen Farbe seiner Haare passte. Ein kurzes Schweigen breitete sich in der Hütte aus. Dann, kurz bevor es ungemütlich wurde, ergriff Eddi wieder das Wort. "Peter, warum bringst du nicht die Maronen schon mal zum Grill und setzt dich dann zu uns? Ich war gerade dabei, Jo eine Geschichte zu erzählen!" Peter nickte und lächelte mir im Vorbeigehen zu. Zum Glück saß ich schon, denn ansonsten hätte ich mich aufgrund meiner weichen Knie zu Boden sinken lassen müssen. Was ist denn mit dir los. So reagierst du doch sonst nicht auf Jungs. Als ich wieder zu Edgar guckte, spielte ein wissendes Grinsen um seine Mundwinkel. "Ein strammer Bursche der Peter, was?" Ich spürte wie ich rot wurde. "Kann man wohl sagen..." Hinten hörte man einen lauten Knall und ein dumpfes "Mist!". Ich musste lachen. Edgar rief: "Dass du mir ja den Maronengrill heil lässt, mein Junge!" Besagter Junge erschien wieder in der Tür. Er ließ sich auf den Boden neben mir plumpsen und schaute Eddi auffordernd an, während er sich seine Jacke auszog. "Was ist nun mit der Geschichte?", fragte er mit einem Gesicht, wie es kleine Jungen machen, wenn sie um Süßigkeiten betteln. Ich kicherte. Sein Blick wanderte zu mir und ich wurde schon wieder rot. Er jedoch schien das nicht zu bemerken und musterte mich von oben bis unten. Dann zog er sich seine Schuhe aus und platzierte seine Füße neben meinen an der Heizung. "Nun gut, wo war ich?", nahm Eddi den Faden wieder auf. "Neben uns befand sich ein großes Herrenhaus und natürlich hatten es die Adelsleute die da wohnten viel besser. Ich hegte einen ziemlichen Groll gegen die ganze Familie, schließlich war es ziemlich ungerecht, dass wir hungerten und sie keine 50 Meter entfernt in Saus und Braus lebten. Wie dem auch sei..."

Lachend schlenderten Peter und ich über den Markt. Vor fünf Minuten hatten wir uns von Edgar verabschiedet, der uns mit den Worten "Oh, so spät ist es schon? Jetzt muss ich mich aber mal an die Maronen machen." verabschiedet hatte. Auch unser Betteln nach der Fortsetzung der Geschichte konnte ihn nicht umstimmen. "Wenn ihr wissen wollt wie es weiter geht, dann könnt ihr gerne morgen wiederkommen!" Damit hatte er uns aus der Hütte geschoben und die Tür hinter sich geschlossen. Zu Peter sagte er noch, er solle in spätestens einer Stunde wieder da sein und dann winkte er uns augenzwinkernd hinterher. Ich hielt eine Tüte Maronen in der Hand und versuchte, sie vor Peters gierigen Fingern zu schützen. Prustend schlingerten wir an den Ständen vorbei. "Also, wie lange kennst du Eddi schon?", fragte ich ihn. Er zuckte mit den Schultern. "Eigentlich schon mein ganzes Leben. Er war ein Freund meines Opas. Ich mochte ihn schon immer gerne und als ich klein war hat er mir auch immer Geschichten erzählt." "Glaubst du, dieses Mädchen, was er da getroffen hat, ist seine jetzige Frau? Und glaubst du, diese Geschichte hat irgendwas mit Weihnachten zu tun?" Er grinste mich an und mir wurde ganz warm ums Herz. "Natürlich! Schließlich will er dich ja vom Zauber der Weihnacht überzeugen!" Diesmal zuckte ich die Schultern. "Hmm...", machte ich. "Hey schau mal, da vorne gibts ein Weihnachtstheater!" Begeistert nahm er meine Hand und zog mich über den Platz auf eine kleine Menschenmenge zu, die hauptsächlich aus Kindern bestand, die gerade einem Weihnachtsmann begeistert zuhörten. "Du bist so kindisch!" Ich schüttelte den Kopf, musste ihm aber notgedrungen folgen, denn er ließ mich nicht los. Wenn ich ehrlich war, genoss ich es, von ihm an der Hand gehalten zu werden. Und schließlich musste ich zu meinem Verblüffen feststellen, dass mit ihm sogar ein Weihnachtsschauspiel ziemlich viel Spaß machte. So viel wie heute in diesen paar Stunden hatte ich schon lange nicht mehr gelacht.
Ich hatte mich bei Peter eingehängt und er begleitete mich bis vor meine Haustür. Eigentlich wollte ich mich gar nicht von ihm verabschieden, aber ich war sowieso schon viel zu spät dran. "Also dann...", setzte ich an. "Also dann...", erwiderte er. "Wir sehen uns morgen. Du kommst doch oder?" Bei dem leicht verzweifelten Ausdruck in seinen Augen musste ich schon wieder lächeln. "Wenn du das willst...", zog ich ihn auf. Er nahm meine Hand, schaute mir tief in die Augen und säuselte: "Würde die Dame mir wohl die Ehre erweisen, mich und Edgar morgen wieder mit ihrer Anwesenheit zu beglücken?" Perplex schaute ich ihn an. Dann prusteten wir los. "Natürlich komm ich morgen. Ich muss doch wissen, wie die Geschichte weitergeht!" Erleichtert ließ er meine Hand los. "Na ein Glück! Dann bis morgen." Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und schaute mir nach, als ich die Tür hinter mir schloss. Durch das Fenster sah ich ihn dann weggehen. Gerade als ich mich umdrehen wollte, landete eine perfekte Schneeflocke auf dem Fenstersims. Wie ein Versprechen fielen die Flocken vom Himmel und langsam wurde draußen alles weiß.

Am nächsten Morgen, es war ein Sonntag, also der 1.Advent, konnte ich es kaum erwarten, bis ich endlich nach draußen konnte. Als ich aus der Haustür trat, strahlte mich das Weiß des frisch gefallenen Schnees an. Meine Mutter schaute aus dem Küchenfenster. "Wo willst du denn schon wieder hin?", fragte sie ungläubig. "Du sitzt doch sonst immer nur drinnen." Ich grinste zu ihr hoch. "Zum Maronenverkäufer von Stand 35!", ließ ich verlauten. Sie guckte ein wenig befremdet, meinte dann aber nur: "Denk aber dran, dass wir heute zum Adventskaffeetrinken zu Oma fahren!" "Ja werd ich, versprochen." Ich holte tief Luft und lief dann zielstrebig über den Markt. Beinahe konnte ich in meinem Inneren so etwas wie...Weihnachtsvorfreude...fühlen. Beschwingt klopfte ich an die Tür zu Eddis Hütte. Seine Stimme rief "Herein!" und als ich die Tür öffnete wehte mir der köstliche Duft von heißen Maronen in die Nase. "Ah da bist du ja! Wir haben uns schon gewundert wo du bleibst!" Ich lächelte und guckte mich um. Wo war Peter? Als hätte er mich gehört, steckte dieser soeben seinen Wuschelkopf durch die Tür. "Hey Jo!", rief er freudestrahlend und bevor ich wusste wie mir geschah, umarmte er mich fest. Mir wurde ganz warm ums Herz. Und Edgar feixte. Ich rollte mit den Augen und Peter und ich setzten uns wieder an die Heizung um Eddis Geschichte weiterzuverfolgen. Dieser setzte sich auf seinen Stuhl und bald waren wir wieder mit ihm und Elisabeth im kalten Winter von 1962. Und wieder scheuchte er uns davon, als es gerade richtig spannend wurde. Schmollend sahen wir Edgar zu, wie er sich wieder mit seinen Maronen beschäftigte und gerade einem kleinen Jungen eine Tüte davon in die Hand drückte. "Er kann doch nicht einfach so mittendrin aufhören, wenn es am spannendsten ist!", beschwerte ich mich. "Wie können diese Adligen denn so unfair sein. Warum dürfen die beiden sich nicht treffen, nur weil Elisabeth einen Adelstitel hat und er nicht? Das ist doch ungerecht!" Ich redete mich richtig in Rage und hielt erst inne, als ich Peter grinsen sah. "Was?", fragte ich beleidigt. Er legte mir einen Arm um die Schulter. "Es ist süß, wie du bei der Geschichte mitfieberst!" Ich wurde rot. Er lachte schon wieder, und kniff mir in die Wange. "Und es ist süß, wenn du rot wirst." Ich schubste ihn ärgerlich weg. "Verarschen kann ich mich alleine.", murmelte ich, aber im Inneren führte ich einen Freudentanz auf. Er ließ sich gar nicht beeindrucken und sagte mit Nachdruck: "Doch, ist aber so."
Ich sah auf die Uhr und bekam einen Schreck. "Ich muss los, wir wollten zu meiner Oma. Du weißt schon, 1.Advent und so.", sagte ich leicht genervt. Er drückte mich. "Schon okay. Denk dran, Weihnachten ist das Fest der Familie. Und ich finde, es ist das beste Fest im ganzen Jahr!" Ich musste lächeln. "Sehen wir uns dann morgen? Nach der Schule?", wollte er wissen. Ich schüttelte den Kopf. "In der Woche hab ich fast keine Zeit. Deswegen kann ich wohl leider auch die Geschichte erst am Freitagabend weiterhören." Ich ließ die Schultern hängen. Er hob mein Kinn an und sah mir in die Augen. "Auch gut!", meinte er. "Dann freue ich mich umso mehr auf Freitag. Und ich gebe dir eine Aufgabe!" Ich blinzelte. "Eine Aufgabe?" "Genau! Ich möchte, dass du in den 5 Tagen, die wir uns nicht sehen, lernst, dich auf Weihnachten zu freuen!" Ich schüttelte den Kopf. "Du bist verrückt!" Er zuckte mit den Schultern. "Ein bisschen.", gab er zu. Dann drückte er mir einen Kuss auf die Wange und schob mich vor sich her. "Auf gehts, sonst verpasst du das Adventskaffeetrinken!" Ich fügte mich und trottete in Richtung nach Hause. Als ich mich noch einmal umdrehte stand er immer noch da und sah mir nach. Ich winkte und er winkte zurück.

Und er hatte Recht. Fast wider meinen Willen musste ich feststellen, dass das Adventskaffeetrinken wirklich schön war. Es hatte wieder angefangen zu schneien und drinnen prasselte im Kamin ein Feuer. Am Adventskranz brannte eine Kerze und meine ganze Familie war da. Gelöstes Gemurmel erfüllte den Raum und satt und zufrieden hatte ich mich mit der Katze meiner Oma auf das Sofa gekuschelt. Verträumt starrte ich ins Feuer und freute mich schon auf den nächsten Freitag.

Die Woche verging schleppend. Am Freitagabend, als ich meine Klavierstunde beendet hatte, zog ich mich blitzschnell um und rannte beinahe aus dem Haus. "Wo willst du denn schon wieder hin?", rief meine Mutter aus dem Wohnzimmer. "Zum Maronenverkäufer!", brüllte ich zurück und ließ die Haustür hinter mir ins Schloss fallen. Es war schon dunkel und die Buden und Stände waren mit Lichterketten geschmückt. Auch der große Weihnachtsbaum auf dem Platz leuchtete. Ich nahm mir Zeit, über den Markt zu schlendern und genoss die leise Weihnachtsmusik, die irgendwo dudelte. Leichter Schnee fiel auf meine Nasenspitze. Bei Eddi wurde ich schon erwartet. Als ich die Tür hinter mir schloss, traf ich Peters Blick und mein Herz begann wie wild zu klopfen. Wir lächelten uns an. Dann setzte ich mich zu ihm an die Heizung und wie bei unserem ersten Treffen wärmten wir uns beide die Füße. Edgar erzählte weiter und wir gaben bestimmt ein sehr schönes Bild ab, wie wir da so saßen, im Schein von Kerzen, während mein Kopf auf Peters Schultern ruhte und Eddi wild herumgestikulierte. Heute erzählte er eine eher witzige Periode, in der es um Schneeballschlachten und Reifenpannen ging und mehrmals musste er sich unterbrechen weil Peter und ich aus dem Lachen gar nicht mehr herauskamen. Als er die Märchenstunde für den heutigen Tag für beendet erklärte, war es schon ziemlich spät. Die meisten Stände hatten waren geschlossen. Hand in Hand gingen Peter und ich an den verlassenen Buden vorbei. "Und?", fragte er. "Hast du meine Aufgabe erfüllt?" Wir blieben Stehen und ich sah ihn an. "Ich denke schon.", grinste ich. "Dann ist ja gut."

Die nächsten Wochen verliefen nach dem gleichen Muster. In der Woche war ich so beschäftigt, dass ich fast keine Zeit hatte an etwas anderes als Schule zu denken und am Wochenende traf ich mich mit Peter und Edgar im Stand 35. Peter traf ich aber auch ab und zu in der Woche, nachdem er eines Dienstagabends plötzlich vor meiner Tür stand. Am liebsten hätte ich Luftsprünge vollführt als ich ihn so unverhofft sah. Wie sich herausstellte war er ein Ass in der Schule und so trafen wir uns fast jeden zweiten Abend und er half mir bei meinen Hausaufgaben. Schließlich hatten wir schon den 4.Advent. Wie immer lief ich voll Vorfreude aus dem Haus und meine Mutter rief mir nur noch ein: "Viel Spaß!" hinterher. Und dann: "Wenn du willst kannst du Peter heute mit zum Adventskaffetrinken bringen!" Ungläubig blieb ich in der Tür stehen. "Wirklich?", hakte ich nach. Sie nickte. "Ja warum nicht?", meinte sie mit einem wissenden Lächeln. Ich lächelte zurück. Dann warf ich ihr einen Luftkuss zu und eilte aus dem Haus.
Heute bekamen wir endlich das Ende von Eddis Geschichte zu hören. "Da saßen wir also am Heiligabend. Es war so kalt, dass uns schon Eiszapfen aus den Nasen wuchsen. Zitternd und unglücklich saß ich auf dem Boden und war mir sicher, dass ich Elisabeth nie wieder sehen würde. Ihre Eltern hatten ihren Standpunkt unmissverständlich klar gemacht. Als es dunkel war und wir unsere letzte Kerze anzündeten und uns das letzte Brot teilten war ich mir sicher, dass mein kleiner Bruder diese Nacht nicht überleben würde. Plötzlich klopfte es an der Tür. Meine Mutter stand auf und kam einige Augenblicke später mit vor Verwunderung geweiteten Augen wieder. "Edgar,da will dich jemand sprechen!", meinte sie. Ich schleppte mich zur Tür und wer stand vor mir? Elisabeth! Wir fielen uns um den Hals und sie flüsterte mir ins Ohr: "Meine Eltern haben sich anders entschieden. Und wir wollen, dass du und deine Familie mit uns Weihnachten feiert!" Ungläubig sah ich ihren Vater an, der hinter ihr stand. Er nickte, streckte mir die Hand hin und sagte: "Es ist schließlich Weihnachten, oder?" " Edgar verstummte mit einem nachdenklichen Lächeln. Peter und ich schauten uns an. "Also waren du und Elisabeth dann zusammen?", fragte ich. Eddi lachte. "Natürlich! Das Weihnachtsfest verlief traumhaft, unsere Familien verstanden sich trotz des Standesunterschieds blendend! Und seitdem glaube ich an den Zauber der Weihnacht." Ich musste lächeln. "Dann hast du wohl die Wette gewonnen.", musste ich zugeben, als ich nach draußen auf den erleuchteten Weihnachtsbaum sah. Meine Hand schloss sich um Peters. "Ich denke, ich habe den Zauber der Weihnacht auch erkannt."

Schweigend saßen Peter und ich ein paar Minuten später auf einer Bank und hörten noch einmal den Weihnachtsliedern zu, die ein Akkordeonspieler an einer Ecke des Marktes zum Besten gab. Es schneite schon wieder und Peter tupfte mir eine Flocke von der Nase. Tiefer Frieden erfüllte mich. Ich wuschelte ihm durch die Haare und fragte dann: "Willst du mitkommen zum Adventskaffeetrinken? Meine Mutter hat dich eingeladen." Er nickte. "Mit dir gehe ich überall hin."

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Tag der Veröffentlichung: 02.12.2012

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