Kathie streckte sich. Obwohl der Flug nur knapp über eine Stunde gedauert hatte, war sie am Ende. Diese ganze Warterei. Und die Suche nach dem richtigen Gate und wenn man es gefunden hat, die Hetzerei um rechtzeitig zum Boarding da zu sein, nur um dann mitgeteilt zu bekommen, dass der Flug mit einer Stunde Verspätung startet.
Erschöpft zog sie ihren Koffer hinter sich her. Der Koffer. Er war alles, was sie aus ihrem alten Leben mitgenommen hatte. Ein paar Klamotten, ein Laptop und, versteckt in einem Paar Socken, ihr ganzes erspartes Geld, schon umgetauscht in Pfund. Das war alles, was sie nicht entbehren konnte.
Auf der Suche nach einem Ausgang irrte sie minutenlang durch den Flughafen. Endlich entdeckte sie ein Schild mit der Aufschrift "Trains" und einem dicken Pfeil nach links. Erleichtert wandte sie sich zum Gehen und knallte prompt mit einem sehr geschäftig wirkenden Mann zusammen. "Tschuldigung! Äh...Sorry!", beeilte sie sich zu sagen, während der Mann im gleichen Moment ein "Excuse me!" in ihre Richtung schleuderte und weiter eilte. Kopfschüttelnd ging Kathie weiter. Schließlich kam sie an der U-Bahn Station an. Hier musste sie ihren Tube-Plan zu Rate ziehen und startete, nachdem sie ihre Station ausfindig gemacht hatte, in holprigem Englisch den Versuch, eine Fahrkarte zu kaufen. Die Dame am Schalter war nicht besonders nett, aber Kathie konnte ihr keine Vorwürfe machen, es war immerhin schon halb elf Ortszeit und ihr Englisch war wirklich ziemlich schlecht. Nach geraumer Zeit jedoch hatte sie ihre Karte und erntete von dem netten Wachmann neben den Durchlass-Dingern die sich in den Londoner U-Bahnhöfen befanden, durch die man seine Fahrkarten ziehen musste, ein erstes Lächeln. Ein wenig erleichtert stand sie dann am Bahnhof und wartete mit wenigen anderen auf die U-Bahn. Diese hielt wenige Minuten später auch unter großem Getöse und das Zischen der sich öffnenden Türen klang in Kathies Ohren sehr erlösend. Drinnen ließ sie sich sofort auf einen Sitz plumpsen, behielt aber immer den Plan mit den Stationen im Blick, schließlich wollte sie nicht mitten in der Nacht irgendwo landen, wo sie gar nicht hinwollte.
Noch drei Stationen...zwei....eine...Da war sie! Hammersmith. Ihr neues Zuhause. Nach dem Aussteigen musste sie die Erfahrung machen, dass man sein Ticket lieber griffbereit lassen sollte, denn auch am Ausgang gab es diese Durchlass-Dinger. Während sie also in ihrer Tasche nach dem Ticket wühlte, murmelte sie gereizt vor sich hin: "Die spinnen, die Engländer." Nachdem sie es gefunden hatte, stand sie vor der Station und guckte sich ratlos um. Eine Kreuzung. Drei Straßen. Drei Möglichkeiten. Links von ihr: ein Starbucks. Also....erstmal zu Starbucks! Beschloss Kathie. Mit einem Caramell Latte ließ es sich doch gleich besser denken. Wo war nur gleich ihr Stadtplan?! Seufzend öffnete sie ihren Koffer und wühlte eine Weile in ihm herum. Dann fand sie ihn zwischen ihren Pullovern. Triumphierend faltete sie ihn auseinander und stellte sich unter eine Straßenlaterne, um etwas entziffern zu können. Nach einigen Minuten konzentrierten Starrens packte sie entschlossen ihren Koffer und ging geradeaus über die Straße. Dabei summte sie die Melodie eines Liedes der Sugababes vor sich hin. "Push the button lalalalalala push the button!" Dann drückte sie auf den Knopf an der Ampel. Darüber stand: Push the button, please!
Nach einigen Metern kam Kathie zu einem kleinen Platz. Wieder zog sie ihre Karte zu Rate. Dann wandte sie sich nach rechts, überquerte den Platz, stellte erstaunt fest, dass da eine Tischtennisplatte völlig unbewacht herumstand und wandte sich dann nach links. Wenigstens das Lesen von Karten hatte man ihr beigebracht. Etwa hundert Meter weiter ging sie wieder über eine Straße, dann nach Links und nach wenigen Schritten stand sie dort wo sie hinwollte. "Aviva Studios, Glenthorne Road 42". Noch einmal blickte sie die Straße entlang, straffte dann die Schultern und drückte die Klinke des Tores hinunter. Erleichterung machte sich in ihr breit als sich herausstellte, dass es nicht abgeschlossen war. Dann drückte sie auf die Klingel. Eine angenehme Melodie schallte durch das Haus. Nach wenigen Sekunden öffnete sich innen eine Tür und gleich darauf wurde Kathie von einer dunkelhaarigen, lächelnden Frau ins Haus gelotst. Nach einem weiteren, mehr oder weniger erfolgreichen Versuch, sich zu verständigen, fand sie sich dann doch allein in dem Zimmer wieder, das für die nächste Zeit ihre Wohnung sein würde. Bis sie was besseres gefunden hätte. Zufrieden begutachtete sie ihr neues Heim. Eine kleine Einbauküche, ein ziemlich großes Bett, ein Tisch, zwei Stühle. Ein Raum. Aber das würde reichen. Das Bad war nur durch eine Schiebetür abgetrennt und nach Kathies Schätzung höchstens zwei Quadratmeter groß, aber mehr brauchte sie nicht. Im Gegenteil. In diesem Moment kam es ihr wie das Paradies vor. Schnell verstaute sie ihre wenigen Habseligkeiten in einem Fach der Kommode und deponierte den wenigen Proviant, den sie dabei hatte, im Kühlschrank. Zum Duschen war sie viel zu erschöpft, also putzte sie sich nur schnell die Zähne und warf sich eine handvoll kaltes Wasser ins Gesicht. Völlig erledigt fiel sie dann ins Bett und war sofort eingeschlafen.
*
Sie lief eine Straße entlang. Plötzlich hielt neben ihr ein Bus und Mark stieg aus. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, nur um dann in dreifacher Geschwindigkeit weiter zu schlagen. "Hey." Unsicher sah sie ihn von der Seite an. "Was machst du denn hier?" Er gab keine Antwort. Schweigend gingen sie den Weg entlang. Sie befanden sich in Kathies Dorf. Außer ihnen war keine Menschenseele zu sehen. Am Himmel türmten sich dunkle Wolken. Sie wollte etwas sagen, jedoch brachte sie kein Wort heraus. Immer wieder sah sie Mark von der Seite an, aber er lief schweigend weiter. Irgenwann wurde es ihr zu bunt. "Was willst du?!" Er blieb stehen. "Sieh an, du ignorierst mich ja gar nicht." "Nein!", empört schüttelte sie den Kopf. "Wie könnte ich auch, außer uns ist hier niemand und du bist in MEINEM Dorf!" Er sah sie an. "Sonst ignorierst du mich auch immer." Fassungslos starrte sie ihn an. "Warum wohl?! Schließlich hast du mir das Herz gebrochen! Soll ich da jedes Mal Luftsprünge vollführen, wenn ich dich sehe?" Jetzt wurde er wütend. "Und weißt du, warum ich Schluss gemacht habe? Weil du unerträglich warst! Deine andauernde schlechte Laune, nie wolltest du was unternehmen und dann hast du den anderen Jungs auch noch schöne Augen gemacht!" Wie angewurzelt blieb sie stehen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Endlich wieder mit ihm zu reden, ihm so nah zu sein, allein das konnte sie zum Weinen bringen. Und dann sagte er so etwas. "Du meinst also, es ist meine Schuld, dass du Schluss gemacht hast?", fragte sie ungläubig. Er nickte. "Aber ich liebe dich. Du...hast meine Welt zum Einsturz gebracht." Er lachte. Dann warf er ihr einen verächtlichen Blick zu. "Deine eigene Schuld." Dann ging er. Flehend streckte sie eine Hand nach ihm aus. "Bitte..." Tränen liefen über ihr Gesicht. Er entwandt sich ihrem Griff und verschwand im Nebel.
Mit einem Schrei wachte Kathie auf. Nur ein Traum, sagte sie sich, während sie verzweifelt nach Luft rang. Nur ein Traum. So wie jede Nacht. Als ob sie nicht wüsste, dass es ihre Schuld war, dass sie ihn verloren hatte. An die Wand gelehnt schweiften ihre Gedanken zu jenem Tag. Ohne ein Wort der Erklärung, nur ein: "Ich liebe dich nicht mehr." Mehr war ihr nicht geblieben. Außer die Träume. Den Rest der Nacht verbrachte sie weinend, aber wach. So wie jede Nacht.
*
Den gegebenen Umständen geschuldet saß Kathie am nächsten Morgen schon um sieben am Tisch, fix und fertig geduscht und angezogen und schlürfte an dem Tee, der inzwischen schon fast wieder kalt war. Es war mitten in der Woche, Dienstag um genau zu sein, und so beschloss Kathie, die Gegend zu erkunden. Sie nahm den gleichen Weg zurück, den sie am vorigen Abend gekommen war und fand sich dann auf dem kleinen Platz wieder, auf dem sie die Tischtennisplatte bemerkt hatte. Die stand immer noch da und Kathie wunderte sich, dass sie noch heil und außerdem noch vollständing mit Schläger und Ball ausgestattet war. In Deutschland wäre das nicht möglich gewesen. Auf dem Platz befand sich jedoch nicht nur eine Tischtennisplatte. Eine große Leinwand stand da ebenfalls und gerade waren mehrere Händler dabei, ihre Stände aufzubauen. Große Plakate verkündeten das "Hammersmith Summer-Festival" unter dem Motto "I Love Hammersmith". Kathie musste grinsen. Die Londoner schienen hier ziemlich von sich überzeugt zu sein. Sie überquerte den Platz und wandte sich dann nach rechts. Langsam schlenderte sie die Kings Mall entlang und entdeckte zu ihrer großen Freude, dass sich der hiesige Supermarkt und außerdem noch diverse Klamottenläden hier direkt vor ihrer Nase befanden. Sie beschloss, die Gegend noch etwas zu erkunden und am Nachmittag einige Vorräte einzukaufen. Also streunerte sie durch einige Läden, konnte sich jedoch nicht dazu durchringen, etwas zu kaufen. So viel Geld hatte sie nun auch nicht. So wie es aussah, musste sie sich schleunigst um einen Job kümmern. Nach dieser Erkenntnis wandte sie den Läden vorerst den Rücken zu und ging zu Starbucks, wo sie sich wieder einen Caramel Latte genehmigte. Dort setzte sie sich auf einen Sessel und holte ihr Englischbuch aus der Tasche. Zeit, etwas für ihre Kommunikationsfähigkeit zu tun.
Nach etwa einer halben Stunde gab Kathie auf. Stattdessen hörte sie nun den anderen bei ihren Gesprächen zu und versuchte, so viel wie möglich zu verstehen. Wieder eine halbe Stunde und einen Schokokuchen später, rappelte sie sich auf und verließ den Starbucks halb ernüchtert und halb zuversichtlich. Das mit dem Englisch war doch schwieriger als sie dachte.
Als sie den kleinen Platz wieder überquerte, wehten ihr die köstlichsten Düfte entgegen. Mehrere Stände standen nun dort, die Spezialitäten aus aller Welt feilboten. Dort gab es italienisches, albanisches, taiwanisches, türkisches und sogar deutsches Essen. Kathies Magen machte sich mit einem Knurren bemerkbar und so beschloss sie, sich ein Mittagessen zu genehmigen. Bei all der Vielfalt entschied sie sich für italienische Pasta und suchte dann einen Platz, an dem sie ungestört essen konnte. Nicht weit von ihr, stand eine Bank. Sie steuerte darauf zu, hielt aber aprupt inne, als sie sah, dass ein turtelndes Pärchen ganz in ihrer Nähe saß. Entschlossen drehte sie ihnen den Rücken zu. Sowas konnte sie jetzt nicht gebrauchen. Seufzend schlenderte sie weiter. Unter einigen Platanen fand sie dann doch noch eine Bank und so ließ sie sich darauf nieder und ließ sich ihre Pasta schmecken. Dabei vermied sie sorgsam den Blick auf die andere Seite, wo das Pärchen immer noch herumturtelte.
*
Nach dem Essen machte sie sich auf den Weg zum Supermarkt. Eine gedrückte Stimmung hatte von ihr Besitz ergriffen. Um sie herum bewegten sich Massen von Menschen und alle schienen glücklich zu sein. Sie hatten alle jemanden. Nur Kathie nicht. Sie war alleine. Bevor sie noch auf offener Straße anfangen würde zu weinen, schüttelte sie entschlossen den Kopf und zwang sich, an etwas anderes zu denken. "Ich sehe einen Einkaufsmarkt, ganz viele Tauben, dort auf dem Schild steht "Bitte nicht die Tauben füttern". Wow ich hab was verstanden." Von vielen Methoden die sie ausprobiert hatte, war das gezielte Nachdenken über ihre Umgebung die wirkungsvollste, um die Gedanken an ihn und ihre Vergangenheit zu vertreiben. Bis jetzt hatte sie immer funktioniert. So auch jetzt und mehr oder weniger wieder bei Sinnen, betrat Kathie den Supermarkt. Gleich hinter dem Eingang stand sie vor einem riesigen Regal, das gefüllt war mit tausend verschiedenen Sorten abgepackten Essens. "Ready to eat" stand dort drauf und fassungslos betrachtete Kathie die Sortenvielfalt. Da gab es mindestens zehn verschiedene Sandwicharten, fertige Salate, etwas was aussah wie Fleischbällchen und, und, und. Schockiert ging sie weiter. Die schienen ja nur von Fertigessen zu leben. Wie sich heraustellte, gab es natürlich auch noch andere Sachen und Kathie fand sogar die Obst und Gemüse-Abteilung, aber im Vergleich zu dem Regal mit dem abgepackten Zeug war diese winzig. Am Ende deckte sie sich mit Äpfeln, Gurken und Salat, außerdem mit einer riesigen Flasche Wasser, die ungemein billig war, Philadelphia, Marmelade, Toast und Müsli ein. Vor der Kasse schnappte sie sich noch ein Red Bull.
Auf dem Weg nach Hause kaufte sie auf dem Markt noch ein rundes Körnerbrot.
Dort angekommen grüßte sie die nette, dunkelhaarige Frau, die in ihrem Büro gleich gegenüber der Tür saß und schleppte dann ihre Einkäufe die Treppe hoch. Sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich von innen erschöpft dagegen. "Jetzt bloß nicht wieder nachdenken!", befahl sie sich und machte sich daran, ihre Einkäufe in den Kühlschrank ein zu sortieren.
Dann stand sie unschlüssig im Zimmer. Was nun? Sport! Also begann sie mit ihrem Sportprogramm, welches sie seit vier Monaten streng verfolgte. Liegestütze, Kniebeuge, Bauchmuskeltraining, Beinmuskeltraining. Währenddessen schweiften ihre Gedanken ab. Und während sie noch auf ihr Handy starrte, hielt sie inne. Sie hatte doch ihrer Familie versprochen, sich zu melden, sobald sie angekommen war! Das hatte sie völlig verdrängt. Schnell wählte sie die Nummer ihrer Eltern.
Nachdem sie ihre Mutter, die sich aufgrund ihrer fehlenden Meldung schon wieder alle möglichen Horrorszenarien ausgemalt hatte, einigermaßen hatte beruhigen können, rief sie noch bei ihrer besten Freundin Jenni an. Wie immer plapperten sie sich fest und als sie nach etwa einer Stunde auflegten, fühlte sich Kathie fast schon wieder gut. Der einzige Nachteil an ihrem Umzug war die Distanz, die nun zwischen ihr und Jenni lag.
Den Rest des Abends verbrachte Kathie damit, zu planen was sie am nächsten Tag tun wollte. Sie würde sich die Universität ansehen, an der sie sich für das nächste Semester angemeldet hatte, sich nach Wohnungen erkundigen und nach einem Job ausschau halten. Nachdem sie die Planung zu ihrer Zufriedenheit abgeschlossen hatte, schaltete sie den Fernseher ein und klappte ihren Laptop auf. Sie checkte ihre Mails, wo sie wie immer nur Werbung fand, und öffnete dann ihr Facebookkonto. Auch dort hatte sich nicht sehr viel getan. Sie schloss die Fenster und rief das Manuskript ihrer neuen Geschichte auf. Sie hatte schon dreizehn Seiten, steckte jedoch in einer mentalen Blockade fest. Nachdem sie mehrere Minuten auf den blinkenden Cursor gestarrt hatte, ohne etwas zu schreiben, klappte sie den Laptop kurzentschlossen zu und schnappte sich einen Stift und einen Block. Dann setzte sie sich ans Fenster und während sie nachdenklich in den Garten davor blickte und auf dem Ende des Stiftes herumkaute, kamen ihr endlich die Ideen. Ihr Stift flog über das Papier und es entstanden fantastische Welten und Figuren.
Nachdem sie zehn Seiten vollgeschrieben hatte und ein Krampf in ihrer Hand sie zum Aufhören zwang, klappte sie ihren Laptop wieder auf und begann, alles abzutippen. Hier und da änderte sie noch einige Kleinigkeiten, war im Großen und Ganzen jedoch ziemlich zufrieden mit sich.
Als sie dann auf die Uhr guckte, registrierte sie, dass es schon kurz vor zwölf war. Seufzend kappte sie ihrem Laptop den Strom und ging ins Bad. Sie überlegte, sich den Fernseher anzuschalten, war aber zu müde und ging ins Bett. "Hoffentlich keine Träume.", dachte sie noch und dann war sie auch schon eingeschlafen.
Und wurde am nächsten Morgen von einem Vogel geweckt, der sich auf ihr Fensterbrett gesetzt und beschlossen hatte, sie mit einer wunderschönen Melodie aus dem Schlaf zu singen. Verwundert rieb sie sich den Schlaf aus den Augen. "Keine Träume!", stellte sie erstaunt fest. Beschwingt hob sie ihre Beine über die Bettkante.
*
Nach dem Frühstück schnappte sie sich ihre Handtasche, in die sie noch schnell den Satdplan und den Plan der U-Bahn packte und machte sich auf den Weg. Bei Starbucks holte sie sich wieder einen Latte und die Verkäuferin, die sie wiedererkannte, schenkte ihr ein breites Lächeln. Fröhlich lächelte Kathie zurück und betrat dann die Station. So optimistisch gelang ihr sogar die Konversation mit der Dame am Fahrkartenschalter ziemlich gut und nach wenigen Minuten war sie stolzer Besitzer einer Oyster-Card, die sie zwar ein Vermögen gekostet hatte, ihr aber das Fahren mit nahezu allen öffentlichen Verkehrsmitteln in London erlaubte.
Kathie drängelte sich durch die Menschenmassen. Heute war sie wohl in den Berufsverkehr hineingeraten. Unsicher suchte sie die Schilder ab. Welche Linie musste sie nehmen? Da! Die District - Line Eastbound. Sieben Stationen. Sie ließ sich im Strom der Menschen eine Treppe hinunter tragen und sah, dass die Bahn schon abfahrbereit am Gleis stand. Menschen hetzten an ihr vorbei, sie wurde angerempelt, der Schuldige rief ein "Sorry!" über die Schulter zurück und gerade als sie, nachdem sie eine alte Frau vorgelassen hatte, auch einsteigen wollte, schlossen sich die Türen. Ungläubig sah sie der davon fahrenden Bahn nach. Dann schüttelte sie frustriert den Kopf. Im Drängeln war sie noch nie gut gewesen.
Zum Glück fuhr hier alle fünf Minuten eine Bahn und deshalb stellte sich Kathie gleich ganz nach vorne, als sie hörte, dass die Nächste in die Station einfuhr. Unter großem Gedrängel von hinten schaffte sie es diesmal auch, einzusteigen und ergatterte sogar noch einen Platz. Erlöst ließ sie sich auf den Sitz plumpsen, stand aber sofort wieder auf, als eine alte Frau sich vergebens nach einem noch freien Platz umsah. Freundlich lächelnd bot Kathie ihr ihren Platz an und bekam dafür ein strahlendes Lächeln von ihr.
Nach den sieben Stationen floh sie förmlich aus der Bahn. Befreit atmend stand sie dann auf der Westminster Bridge und betrachtete fasziniert den Big Ben. Dann drehte sie sich um und schaute auf das London Eye. Damit muss ich fahren. Aber zuerst wollte sie sich das Kings College ansehen. Also lenkte sie ihre Schritte in Richtung des anderen Ufers der Themse und blieb immer wieder fasziniert stehen, um die Straßenkünstler zu beobachten. Da tummelten sich Shrek und Fiona gleich neben Mickey Mouse und Donald Duck.
Am Ende der Brücke zog sie den Stadtplan aus der Tasche, auf dem sie sich das College schon farbig markiert hatte und suchte sich mit dessen Hilfe ihren Weg zum Campus. Plötzlich ging, wie aus heiterem Himmel, ein Platzregen der allerfeinsten Sorte über der Stadt nieder. Kathie hechtete unter ein, ihr nahes, Schutz versprechendes Dach. Als sie ihren Blick die Fassade des Gebäudes hinaufwandern ließ, erkannte sie, dass sie angekommen war. "King's College", stand da. Unsicher blickte sie sich um. Das war ja schon ganz schön groß. Langsam ging sie durch eine Tür ins Innere und fand sich in einer ziemlich imposanten Eingangshalle wieder. Dort hing eine Wand voll Flyer, Ankündigungen, Notizen, Vertretungspläne (soweit Kathie entziffern konnte, was dort stand) und, und, und. Gerade als sie sich umdrehen wollte, kam ein zierliches dunkelhaariges Mädchen um die Ecke geschossen und hätte Kathie fast umgerannt. Seine Bücher fielen zu Boden. "Oh I'm so sorry 'bout that. Please excuse me...", ergoss sich sofort ein Wortschwall englischer Entschuldigungen über Kathie. Kopfschüttelnd half sie dem Mädchen, die Bücher wieder aufzusammeln. Sollte nicht eigentlich sie sich entschuldigen? Am Ende brachte sie nur ein holpriges "Sorry." hervor. Die andere schien das allerdings weniger zu stören. Mit einem strahlenden Lächeln bedankte sie sich bei Kathie für ihre Hilfe, zeigte dann entschuldigend den Gang hinunter und flitzte wieder los. Diese Engländer hatten es aber auch mit ihren Entschuldigungen. Kathie runzelte die Stirn. An ihrer eigenen Kommunikationsfähigkeit musste sie auf jeden Fall noch arbeiten.
Als sie durch die Tür wieder hinaus ins Freie trat, wurde sie von strahlendem Sonnenschein empfangen. Das Wetter war hier launenhafter als an der Nordsee. Gerade als sich ein Lächeln auf ihre Lippen legen wollte, hörte sie ein einzelnes Motorrad näher kommen. Sofort fing ihr Herz wie wild an zu klopfen. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Das Motorrad fuhr vorbei und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Erst jetzt registrierte sie den, eigentlich sehr lauten und nicht zu überhörenden, Verkehrslärm um sich herum. Selbst hier, so weit weg, konnte so etwas sie dermaßen aus der Fassung bringen. Wütend auf sich selbst stapfte Kathie in Richtung Themse davon. Dabei versuchte sie, ihre Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren.
Gleich neben dem London Eye setzte sie sich in einen kleinen Park und schlug ihr Englischbuch auf. Jetzt konzentrierst du dich nur auf dein Englisch und denkst an nichts anderes!, befahl sie sich und vertiefte sich in die Grammatik. Als sie genug hatte, es war auch wahrlich schwer sich bei diesem Krach zu konzentrieren, begann sie, ihre Umgebung zu beobachten. Auch hier standen Shreks und Fionas und Minnieh Mouses, Yedi-Ritter, Darth Vaders und Daisys, ließen sich mit kleinen Kindern knipsen und hofften, am Ende des Tages ein paar Pence in ihren Hüten zu finden.
Schlussendlich rappelte sie sich auf. Ihre Unternehmungslust war verschwunden und niedergeschlagen beschloss sie, nach Hause zu fahren. Wieder bahnte sie sich einen Weg durch die Menschenmassen auf der Brücke und in der Bahn-Station. Langsam begann sie, im Fahrsystem durchzusehen. Sie erkannte sogar einen gewissen Sinn. Diese Erkenntnis konnte sie nun jedoch auch nicht aufheitern.
Da sie nicht zu einer der Stoßzeiten fuhr, war das Abteil, in das sie einstieg, verhältnismäßig leer. Sie ließ sich auf einen Sitz fallen.
"Hey, aren't you? Yes you are!" Erschrocken hob Kathie den Kopf. Sie brauchte einen Moment, doch dann erkannte sie das Mädchen aus dem College wieder. "Äh...Hi!", stotterte sie. "I'm Keira and who are you? You're not from London, right? Where are you from?" Kathie schüttelte die ihr angebotene Hand. Dann versuchte sie in ihrem Kopf die Sätze zu ordnen. "Yes, you're right. I'm from Germany. My name is Katherine. Kathie for my friends." Ein erfreuter Ausdruck machte sich auf Keiras Gesicht breit. "Katy! I can speak a little bit german. Wie geht es dir?" Breit grinsend sah sie Kathie an. Auch sie musste lächeln. Keira war nett. "I'm fine, and you?" So unterhielten sie sich und beide waren der Ansicht, dass sie sich noch nie auf Anhieb mit jemandem so gut verstanden hatten. Schließlich stand Keira auf. "I have to go now. Here's my number, so text me, and then we can arrange a meeting! That would be great! Bis bald!" Dann drückte sie Kathie noch einen Schmatzer auf die Wange und flitzte aus der Bahn. Völlig verdattert blickte Kathie erst ihr hinterher und dann auf den Zettel, auf den Keira in einer schnörkeligen Handschrift ihre Nummer gekritzelt hatte. Schon fühlte sie sich nicht mehr so alleine.
In Hammersmith stieg sie aus der Bahn, genehmigte sich eine Ditsch-Pizza und schlenderte nach Hause. Dort schaltete sie den Fernseher an. Und fragte sich nach einer Minute, wie die Engländer die Sprecher verstehen sollten, denn sie verstand kein einziges Wort. Nachdem sie fast eine halbe Stunde konzentriert gelauscht hatte, gab sie auf und schaltete auf einen Musiksender. Die Texte verstand sie wenigstens halbwegs. Dann rief sie Jenni an. Das Gespräch dauerte wieder über eine Stunde, Jenni hatte wie immer ziemlich viel zu erzählen. Kathie fiel auf, dass sie allerdings alles was mit Jungs zu tun hatte, sorgsam vermied. Obwohl sie, wie Kathie sehr wohl wusste, auf dem besten Weg war, mit Sascha zusammen zu kommen. Aber sie war Jenni unglaublich dankbar, dass sie das Thema vermied. Sie erzählte ihr, dass sie sich das College angesehen hatte und dass sie ein nettes Mädchen kennengelernt hatte. "Das ist doch super!", freute sich Jenni sofort. "Ich mochte den Gedanken sowieso nicht, dass du dort alleine herumstreunst. Melde dich bei ihr! Du brauchst auch dort Freunde! Aber vergiss mich bloß nicht!" Kathie lachte. "Jenni, wie könnte ich dich vergessen? Du bist und bleibst meine Beste, das weißt du doch." Auch Jenni lachte. Dann hörte man im Hintergrund eine Stimme "Jennifer!" brüllen. "Au wei...Das ist bestimmt meine Mutti. Ich muss Schluss machen. Ruf mich bald wieder an, hörst du? Hab dich lieb!" Bevor Kathie etwas erwiedern konnte, hatte Jenni schon aufgelegt. "Ich hab dich auch lieb.", murmelte sie. Dann suchte sie in ihrer Handtasche herum und hielt schließlich triumphierend den kleinen Zettel in die Höhe. Ein wenig unsicher tippte sie Keiras Nummer ein, drückte zuerst auf "Speichern unter" und dann auf "Anrufen". Schon nach dem zweiten Klingeln war Keira am anderen Ende. "Yes?" "Hey, here's Kathie..." "Ah Katy! Es ist schön, dass du meldest dich!" Kathie musste kichern. Der englische Akzent war einfach zu drollig. Die beiden unterhielten sich eine Weile, wobei Kathie sehr darum bemüht war, englisch zu sprechen und Keira auf der anderen Seite versuchte, alles auf deutsch zu sagen. Sie verabredeten sich für Samstag, Keira wollte Kathie ein bisschen in der Stadt herumführen. Mit dem Gefühl, dass sich nun doch alles etwas bessern würde, setzte sich Kathie wieder ans Fenster und schrieb an ihrem Buch weiter.
*
In den nächsten Tagen widmete sie sich ausschließlich der Verbesserung ihrer Englischkenntnisse. Von früh bis spät büffelte sie Vokabeln, setzte sich im Starbucks, wo man sie inzwischen schon kannte, auf einen Sessel und hörte den Leuten zu, schleppte die ganze Zeit ein Wörterbuch mit sich herum und schlug jedes Wort, welches sie auf einem Schild sah und nicht verstand, nach. Sie unterhielt sich oft mit der Frau aus dem Hotel und erfuhr, dass sie Amina hieß und aus Somalia kam. Zwischen den beiden entstand eine zarte Freundschaft, oft saßen sie abends stundenlang zusammen. Kathie versuchte, ausschließlich Englisch zu sprechen und am Samstagmorgen ertappte sie sich dabei, wie sie sogar englisch dachte. Wenn sie den Fernseher einschaltete, konnte sie nun immerhin schon den Sinn von dem verstehen, was gesagt wurde, wobei sie immernoch nicht alle Wörter einordnen konnte. Auch konnte sie die Menschen, mit denen sie sich unterhielt immer besser verfolgen und hatte auch nicht mehr so starke Probleme mit der Geschwindigkeit. Sie selbst ging immer souveräner mit der Sprache um. Allerdings empfand sie die Telefonate nach Deutschland mit Jenni oder ihren Eltern als sehr entspannend. Da musste sie wenigstens nicht andauernd nach Wörtern suchen.
Am Samstag...regnete es. Missmutig zog Kathie sich ihre Regenjacke über und machte sich auf den Weg zur U-Bahn. Wie immer holte sie sich einen Caramell Latte. Sie musste schon gar nichts mehr sagen, die Bedienung fragte nur noch "So wie immer?", Kathie nickte und bekam, was sie wollte. Für Sommer war es ja wirklich ziemlich kalt und ihr Getränk als Handwärmer benutzend, schlängelte sie sich durch die Menge. Zufrieden registrierte sie, dass sie mit Menschenmassen schon viel besser zurecht kam. Sie jagten ihr nicht mehr solchen Respekt ein. Allerdings konnte sie immer noch nicht drängeln. In der Bahn, inzwischen kannte sie sich auch mit diesem System ganz gut aus, sinnierte sie darüber, dass sie wirklich bald einen Job brauchte und dringend eine Wohnung. Ihr Geld würde nicht mehr so lange reichen, das Hotel musste sie schließlich auch bezahlen. Dieser Tag war wirklich nicht dazu qualifiziert ihre Laune zu heben, es war stickig im Abteil und schlecht geschlafen hatte sie auch mal wieder.
In Westminster stieg sie aus. Sie hatte sich mit Keira vor dem London Eye verabredet. So schnell wie möglich stapfte sie durch den Regen. Unter dem Dach eines Souvenir-Shops stand Keira unter einem knallgelben Regenschirm. Kathie musste grinsen. Überhaupt war ihre neue Freundin ziemlich auffällig gekleidet. Sie sah nicht schlecht aus, hatte aber ihren ganz eigenen Stil, der sie ziemlich unverwechselbar machte.
Nachdem sich Kathie aus der stürmisch Umarmung befreien konnte, schlug Keira vor, in ein Café zu gehen, da man bei diesem Wetter so oder so nicht viel von London sehen konnte. Bereitwillig stimmte Kathie zu. Ihr war sowieso nicht danach, durch die Gegend zu laufen. Wie willenlos folgte sie Keira durch die Straßen. Als sie den Lärm eines Motorrads hörte, erstarrte sie. Fragend sah Keira sie an, doch Kathie zwang sich nur zu lächeln und ging weiter. Gerade als sie sich zu wundern begann, wo sie hingeführt wurde, blieb Keira stehen und zeigte stolz wie Oskar auf das Gebäude hinter ihr. Sie führte ihre deutsche Freundin hinein und Rolltreppen brachten sie in das oberste Stockwerk. Dort fanden sie sich zu Kathies Erstaunen in einem Café wieder. Keira winkte dem, nicht gerade unattraktiven, Kellner grüßend zu und leitete sie zu einem Tisch am Fenster. Von dort hatte man einen fantastischen Blick über die Millenium Bridge nach St. Paul`s. So sah Kathie doch noch etwas von der Stadt, auch wenn man durch die Regenschleier nur hin und wieder einige Silhouetten ausmachen konnte. Zwischen den beiden jungen Frauen enstpann sich ein angeregtes Gespräch, Keira nötigte Kathie beinahe dazu, alles über Deutschland zu erzählen, lachte sich schief und krumm über ihren deutschen Akzent und erzählte ihrerseits freimütig über ihr Leben in London. Sie war zwanzig Jahre alt, anderthalb Jahre älter als Kathie und studierte mittelalterliche Geschichte am King's College. Auch sie war vor zwei Jahren nach London gezogen, allerdings nicht aus einem anderen Land, sondern aus Manchester, da sie dort an der Universität besagten Studiengang nicht belegen konnte. Sie vermisste ihre Familie – und die war wirklich groß, ihrer Aussage nach hatte sie drei Brüder, eine Schwester, diverse Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen und natürlich ihre Großeltern . Außerdem noch entferntere Verwandte, die nach Amerika ausgewandert waren. Da konnte Kathie nicht mithalten, ihre Familie bestand aus ihrer Mutter, ihrem Vater, ihrer Oma und ihr selbst. Das waren alle. Natürlich war sie von Jenni's Familie mehr oder weniger als "Patenkind" aufgenommen worden, was ihr zwei Schwestern und ebenfalls etliche Cousins, Cousinen, Tanten und Onkel gebracht hatte, aber das war ja nicht ihre richtige Familie. Auf Keiras neugierige Frage, warum Kathie denn nach London gegangen war, antwortete diese nur ausweichend mit: "Ich habe hier eben diesen Studienplatz bekommen und...vielleicht musste ich einfach mal was Neues machen." Dabei hielt sie ihren Kopf gesenkt. Keira durchschaute sie natürlich sofort und legte mit einem wissenden Blick den Kopf schief. Hinter Kathies Flucht steckte mehr, doch sie wollte ihre neue Freundin nicht bedrängen. Wenn die Zeit gekommen war, würde sie es ihr schon erzählen.
Nach einer Stunde hatte Kathie ihre Sorgen vorläufig in die hinterste Schublade ihres Kopfes verbannt. Gelöst plätscherte das Gespräch dahin, beide entdeckten immer mehr Gemeinsamkeiten und Kathie hatte das Gefühl, sie würden sich schon ewig kennen. Der Schokokuchen schmeckte fantastisch und Kathie fand Keira's Flirtereien mit dem Kellner ziemlich amüsant.
Als die beiden das Café schließlich verließen, war es schon später Nachmittag. Keira bestand darauf, Kathie bis nach Hause zu begleiten. Als sie erfuhr, dass diese in einem Hotel wohnte, war sie entsetzt. Achselzuckend versuchte Kathie zu erklären, dass sie noch eine Wohnung suchen musste und das Hotel eine günstige Alternative gewesen war. Keira allerdings war fest davon überzeugt, dass man in London unbedingt eine eigene Wohnung bräuchte. Sie versprach Kathie, ihr bei der Suche behilflich zu sein. Darüber war diese auch sehr dankbar. Sie hatte nämlich überhaupt keine Ahnung von Immobilien.
Seufzend zog Kathie die Tür hinter sich zu. So schön der Tag auch gewesen war, sie freute sich, endlich wieder allein zu sein. Ihre Regenjacke achtlos auf den Boden fallen lassend klappte sie ihren Laptop auf und machte sich, wärend dieser sich auf Touren brachte, einen Tee. Dann setzte sie sich auf das Fensterbrett und vertiefte sich in ihre Geschichte. Nach einiger Zeit hörte man nur noch das gleichmäßige Geklacker der Tasten. Eine friedliche Atmosphäre lag für einige Augenblicke über dem Hotelzimmer. Dann klingelte Kathies Handy. "Ja?"
Frustriert legte Kathie auf. Ihre Mutter hatte wirklich ein unglaubliches Talent, jede noch so gute Stimmung zu zerstören. Dabei hatte sie wahrscheinlich gar nicht daran gedacht, dass ihre Tochter auf den Namen Mark nicht gerade mit Freudensprüngen reagierte. Vielleicht nahm sie auch an, dass es Kathie nichts ausmachen würde. Oder Kathie reagierte einfach über. Sie selbst tendierte zu letzterem, aber was konnte sie schon dagegen tun, dass ihr Herz bei der bloßen Erwähnung des Namens stolperte und dann in doppelter Geschwindigkeit weiterschlug. Als würde er gleich durch die Tür kommen.
Seufzend klappte sie ihren Laptop zu. Die Lust zum Schreiben war ihr vergangen. Langsam ging sie ins Bad und stellte sich unter die Dusche. Während das warme Wasser sie einschloss, vermischten sich ihre Tränen mit den herunterfallenden Tropfen.
*
Ihr Handy dudelte in ihren Ohren fast unerträglich laut vor sich hin. Ich sollte wirklichen diesen Klingelton ändern. Der ist unmöglich. Erschrocken schlug Kathie die Augen auf. Hektisch drehte sie sich um und tastete nach dem Telefon. Gerade als sie sich mit einem verschalfenen "Hello!" meldete, wurde am anderen Ende aufgelegt. Während sie auf das Display starrte realisierte sie, dass sie sich gerade automatisch auf englisch gemeldet hatte. Als sich ihr Blick klärte, sah sie, dass die Nummer Keira gehörte. Also drückte sie auf die "Zurückrufen"-Taste und stellte auf Lautsprecher.
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Tag der Veröffentlichung: 29.11.2012
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