Isabelle trat fest in die Pedale. Gleich begann ihr Reitunterricht und sie wollte nicht das erste Mal, wo es ihr erlaubt war, ganz allein dorthin zu fahren, zu spät kommen. Ihre Anstrengungen lohnten sich und sichtlich stolz trudelte sie pünktlich auf dem Hof ein. Ihre Reitlehrerin Anne hatte ihr Lieblingspony schon von der Weide geholt und es wartete nun ungeduldig auf das Leckerli, welches es immer von Isabelle bekam. "Nanu", wunderte sich indessen Anne. "Wo hast du denn deine Eltern gelassen?" Mit stolzgeschwellter Brust erklärte die fünfjährige Isabelle nun: "Ich darf jetzt schon ganz allein hierherfahren!" Lächelnd fuhr Anne ihr durch die kurzen Haare. Dann deutete sie auf das kleine, weiße Pony. "Padre wartet schon auf dich!" Mehr war nicht nötig um Isabelle in den Stall eilen zu lassen, ihren eigenen Putzkasten, den sie zum Geburtstag bekommen hatte, herauszuholen und Padre eine Mohrrübe unter die Nase zu halten. Während er genüsslich mampfte, begann sie, seine Mähne von Stroh und Gras zu befreien. "Na du siehst ja heute wieder glänzend aus.", murmelte sie.
Isabelle rannte mit wehenden Haaren über den Hof und knallte fast mit ihrer Mutter zusammen, die nur die Augenbraue hochzog. "Nicht so schnell, junge Dame, sonst kannst du dir das Reiten für heute abschminken." Die Zurechtgewiesene schnaubte nur spöttisch, schnappte sich ihr Rad und flitzte davon. Wiedereinmal war sie knapp in der Zeit, aber so war es nun einmal, die die am dichtesten irgendwo wohnen, kommen immer als letztes. Freihändig düste sie den Weg entlang, den sie auch blind hätte finden können. Schließlich fuhr sie hier schon seit elf Jahren fast jeden Tag entlang.
Außer Atem ließ sie ihr Rad an die Stallmauer fallen und begrüßte im Vorbeigehen alle Pferde, die aus ihren Boxen lugten. Zielstrebig schnappte sie sich das Halfter ihres Pflegepferdes und machte sich auf den Weg zur Weide. Nebenbei grüßte sie noch Anne, die mal wieder in ihrem Büro saß und Johannes, den neuen Stallknecht.
An der Ponyweide hielt sie kurz an um ihrem, inzwischen leider zu klein gewordenen, Liebling Padre die obligatorische Möhre zuzustecken. Er belohnte sie mit einem sanften Stups. Isabelle eilte weiter, robbte sich unter dem Holzzaun hindurch und stieß einen lauten Pfiff aus. Aus der Gruppe der Warmblüter löste sich eine elegante, dunkelbraune Stute und trabte auf sie zu. Zärtlich strich Isabelle ihr über die Stirn. "Hey mein Mädchen", murmelte sie und steckte ihr ebenfalls eine Möhre zu. Dann legte sie ihr das Halfter an und gesellte sich zu den anderen Mädchen, die am Putzplatz schon eifrig dabei waren, ihre Schützlinge von Schlamm, Gras und Winterfell zu befreien.
Eine Viertelstunde später trabten sieben Jungendliche auf dem alten Reitplatz herum und warteten auf Anne. Fröhliches Geschnatter und das zufriedene Schnauben der Pferde erfüllte die Frühlingsluft. Eine weitere Viertelstunde später – die Mädchen hatten ihre Pferde inzwischen warmgeritten und fingen schon mit der Galopparbeit an – erschien auch Anne am Rand des Platzes. Die Mädchen winkten ihr fröhlich zu, doch ihre Lehrerin schien irgendetwas zu bedrücken. Bald übertrug sich die Stimmung auch auf ihre Schülerinnen und der Rest der Stunde verlief still und konzentriert. Als die Mädchen schweigend dabei waren, ihre Pferde abzusatteln, gesellte sich Anne zu ihnen. "Ich muss euch etwas sagen...", begann sie, stockte jedoch. Fragend wandten sie sich ihr zu. "Ich...wir...Der Hof steht vor dem Ruin. Wir müssen die Ponys verkaufen. Diesen Hof wird es bald nicht mehr geben. Es tut mir leid." Dann drehte sie sich um, und ging mit hängenden Schultern zurück in ihr Büro. "Nein." Isabelle war die erste, die das perplexe Schweigen brach. "Nein." Mit Tränen in den Augen hängte sie ihren Sattel über die Stange. Den Rest der Arbeit erledigten alle schweigend. Nachdem sie die Ställe ausgemistet hatten und die meisten schon nach Hause gefahren waren, saß Isabelle noch auf dem Koppelzaun und schaute den Pferden beim Grasen zu. Ihr Pflegepferd gesellte sich zu ihr und ließ sich genüsslich hinter den Ohren kraulen. Geistesabwesend fuhr Isabelle ihr durch die Stirnlocke. "Was soll jetzt nur aus uns werden, Gana?", nur mühsam konnte sie die Tränen zurückhalten. "Seit ich denken kann gibt es diesen Hof. Er ist mein zweites Zuhause. Wenn er sich auflöst...Was wird dann aus dir? Und aus Padre und aus den ganzen Ponys? Das darf einfach nicht passieren." Doch Gana konnte ihr auch keine Antwort geben. Jedoch schien sie die gedrückte Stimmung zu spüren und stupste sie aufmunternd an. Beinahe wäre Isabelle vom Zaun gekippt. Ein kleines Lächeln entrang sich ihren Lippen. Dann verabschiedete sie sich von Gana, schnappte sich ihr Rad und schob es langsam neben sich her. An der Ponykoppel machte sie noch einmal Halt und hockte sich ins Gras. Schon bald hatte Padre sie entdeckt und gesellte sich zu ihr. Auch er bekam ein paar Streicheleinheiten und Isabelle war wieder den Tränen nah. Sie wollte ihren Freund nicht verlieren. Auf einmal spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Erschrocken drehte sie sich um und wischte sich verstohlen die Tränen aus dem Gesicht. Hinter ihr stand Johannes. Ohne ein Wort setzte er sich neben sie. Ein kleines schwarzes Pony beschloss, sich von ihm ebenfalls ein paar Streicheleinheiten abzuholen und so saßen sie schweigend nebeneinander, ein schwarzes und ein weißes Pony streichelnd und hingen ihren Gedanken nach.
Die Sonne färbte den Himmel schon rot, als Isabelle sich schließlich aufrappelte. Schüchtern sah sie Johannes an. "Danke", murmelte sie. Er nickte ihr lächelnd zu.
Langsam ging sie über die Weide, schwang sich auf ihr Rad und fuhr den Weg deutlich langsamer nach Hause, als sie ihn gekommen war.
Achtlos ließ sie ihre Schultasche in die Ecke fallen. Ein Hoch auf die Osterferien. Blitzschnell zog sie sich ihre Reitsachen an, schnappte sich einen Joghurtdrink aus dem Kühlschrank und machte sich auf den Weg. Während sie verbissen in die Pedale trat, schmiedete sie unverdrossen Pläne. Es musste eine Möglichkeit geben den Hof zu erhalten. Wo sollten denn die Ponys hin, wenn sich der Hof auflöste? Was würde aus Gana werden?
Als Isabelle auf dem Hof ankam, sah sie als erstes Johannes, der mit einer vollen Schubkarre auf dem Weg zum Misthaufen war. Wortlos schnappte sie sich ebenfalls eine Forke und ging ihm zur Hand. Irgendwann brach er das Schweigen. "Wir können das nicht einfach so hinnehmen." Herausfordernd sah er sie an. Sie schluckte. Dann nickte sie. "Aber was können wir schon tun? Wir sind doch nur ein paar Jugendliche." Er zuckte mit den Schultern "Demonstrieren", schlug er halbherzig grinsend vor. Isabelle hob eine Augenbraue. Dann hatte sie eine Idee. "Wir könnten ein Turnier organisieren. Und damit vielleicht Sponsoren finden. Und Unterschriften sammeln!" Diesmal war es Johannes, der skeptisch schaute. "Und du meinst, es interessiert irgendwen, was aus diesem Hof wird?" Empört sah Isabelle ihn an. "Natürlich. Es interessiert uns und Anne und alle, die hier ihre Pferde zu stehen haben und die, die hier Reitunterricht bekommen! Früher gab es hier auch haufenweise Turniere warum sollte das heute nicht auch gehen!" Nun entbrannte zwischen den beiden eine hitzige Debatte darüber, wie man ihr Vorhaben am besten organisieren könnte, ob genug Leute spenden würden, und und und...Den ganzen Nachmittag planten sie und nach einem gemeinsamen Ausritt beschlossen sie, Anne in ihren Plan einzuweihen. Diese war ebenfalls skeptisch. Aber auch sie wollte für das Gut kämpfen und versprach, ihre Bemühungen zu unterstützen. Gleich am nächsten Tag wollte sie bei der Gemeinde um eine Genehmigung für ein Turnier bitten. Isabelle und Johannes machten sich gleich daran, alle auf dem Hof Anwesenden über ihr neues Projekt zu informieren. Alle waren begeistert und versicherten ihre Mithilfe. Der erste Termin für das Turnier wurde für das Pfingstwochenende anberaumt. Es war schon spät als Isabelle sich von Johannes und Anne verabschiedete. Gedankenversunken besuchte sie noch einmal Gana und Padre und teilte ihnen zuversichtlich die Neuigkeiten mit. Lächelnd radelte sie dann nach Hause. Johannes und sie, so schien es ihr, waren auf dem besten Weg, gute Freunde zu werden.
Während Ostern in diesem Jahr so kalt und ungemütlich war, wie schon lange nicht mehr und Frühlingsstürme über das Land brausten, trafen sich Johannes und Isabelle jeden Tag im Gut Charlottenhof und machten hinter den schützenden Wänden des Stalles Pläne. Sie hatten eine leere Box zu ihrem "Planungsbüro", wie sie es nannten, umgebaut und beriefen regelmäßig Versammlungen ein, zu denen alle eingeladen waren, denen das Schicksal von Gut Charlottenhof am Herzen lag. Bei Kaffee und Keksen wurden Pläne geschmiedet, verworfen, ausgeführt und alle schöpften Hoffnung, ihren geliebten Hof nicht aufgeben zu müssen. Irgendwer hatte große Plakate drucken lassen, die sie auf dem Hof aufhängten. "Großes Frühjahrturnier!", stand darauf. "Kämpft für Gut Charlottenhof!" Isabelle hatte Flyer entworfen und machte sich mit Johannes und ihrer besten Freundin Maria daran, sie in den umliegenden Dörfern zu verteilen. Oft kamen sie völlig durchnässt wieder zu Hause an, weil sie in einen der heftigen Aprilschauer geraten waren. Aber sie waren glücklich und voller Hoffnung. Aufopferungsvoll kümmerte sich Isabelle auch um Padre, der sich eine Erkältung eingefangen hatte, immer unterstützt von Johannes, mit dem sie sich immer besser verstand. Gemeinsame Ausritte wurden zu ihrer Lieblingsbeschäftigung. Außerdem stellte sich heraus, dass Johannes ein guter Dressurreiter war und so gab er Isabelle und Gana so manche Dressurstunde. Isabelle war nie glücklicher.
In den letzten Tagen der Osterferien rächten sich die so oft erduldeten Regengüsse. Isabelle lag mit einer bösen Grippe zu Hause. Sie nutzte die Zeit und machte weitere Pläne für das Turnier. Es waren nur noch drei Wochen! Auf einmal klingelte ihr Handy. Nach einem Blick auf das Display drückte sie lächelnd auf den Lautsprecherknopf. "Hallo du! Wie gehts Gana und Padre?", erkundigte sie sich. "Danke der Nachfrage, mir gehts auch gut!", ließ sich Johannes etwas beleidigt vernehmen. Isabelle kicherte. "Entschuldige. Nun sag schon!" "Ich denke, denen gehts gut." Sie runzelte die Stirn. "Was ist los?" Er seufzte. "Anne hat mir grad erzählt, dass die Gemeinde das Turnier nicht genehmigen will. Und wir haben immernoch nicht genügend Teilnehmer. Und auch noch nicht genügend Sponsoren. Irgendwie stecken wir fest. Und wenn wir das Turnier nicht stattfinden lassen können, können wir die Sache mit den Sponsoren sowieso vergessen." Isabelle konnte nicht glauben, was sie da hörte. Warum nur musste sie krank sein? "Gib nicht auf.", forderte sie Johannes brüsk auf. "Wir machen eine Unterschriftenliste. Wir sammeln von allen, die bei uns Reiten und allen die wir sonst noch kennen Unterschriften dafür, dass dieses Turnier stattfindet. Sobald ich wieder gesund bin gehen wir damit zum Amt. Die müssen das einfach genehmigen." So ging das Gespräch noch eine Weile hin und her und als Johannes auflegte hatte er ihrem Vorschlag zugestimmt. Aber allzuviel Hoffnung machte er sich nicht. Auch Isabelle war niedergeschlagen. Sie wusste genau, dass sie ohne das Turnier keine Sponsoren gewinnen konnten. Und ohne Sponsoren würde es kein Geld geben und ohne Geld keinen Reiterhof. Nun musste sie auf die anderen vertrauen, denn aus dem Bett konnte sie immer noch nicht.
Als sie endlich wieder gesund war, begann gleichzeitig auch wieder die Schule. Isabelle konnte sich jedoch nie auf den Unterricht konzentrieren, immer kreisten ihre Gedanken um die Pferde und die drohende Katastrophe. Sie begann, auch in ihrer Schule die Flyer zu verteilen und mit der Unterschriftenliste durch die Flure zu streifen. Ihre Mühen zahlten sich aus. Nach zwei Wochen, eine Woche bevor das Turnier stattfinden sollte, hatten sie über fünfhundert Unterschriften gesammelt. An einem Freitagnachmittag trommelten sie alle Reitschüler zusammen und sie machten sich geschlossen auf den Weg zum Gemeindehaus. Dort überreichten sie dem Verantwortlichen die Unterschriften und legten nocheinmal ihre Gründe dar, warum das Turnier so wichtig für sie wäre. Dann folgten einige Minuten bangen Wartens. Schließlich erschien der Bürgermeister auf der Bildfläche. Er verkündete den Wartenden feierlich:"Ich weiß euer Engagement sehr zu schätzen. Ich habe mich über die Situation informiert und mir den Hof auch schon angesehen. Ich weiß, dass er schon sehr lange existiert und verstehe, warum ihr alle euch dafür einsetzt, ihn erhalten zu wollen. Wenn ihr es schafft, könnt ihr an Pfingsten ein Turnier veranstalten." Die Menge jubelte. Isabelle fiel Johannes um den Hals. "Jetzt müssen wir nur noch genügend Teilnehmer finden und hoffen, dass ein paar wohltätige Seelen unsere Aktion zu würdigen wissen", murmelte dieser.
In der letzten Woche vor dem großen Tag, auf dem alle Hoffnungen lagen, herrschte im Gut Charlottenhof jeden Tag jede Menge Betrieb. Alle Reiterinnen und Reiter packten mit an. Es galt, den Hof und die Ställe auf Vordermann zu bringen. Alles wurde blitzblank geschrubbt, die Sättel gewienert und die Zaumzeuge gefettet. Koppelzäune wurden ausgebessert und alle Pferde und Ponys auf Hochglanz gebracht. Jeden Abend saß Isabelle völlig erschöpft auf dem Koppelzaun und beschäftigte sich ausgiebig mit ihren beiden Lieblingen Padre und Gana. Oft leistete Johannes ihr Gesellschaft. Kurz vor dem großen Tag erhielt die Zuversicht nocheinmal einen kleinen Dämpfer. Mehrere Pferdebesitzer, die ihre Pferde im Gut Charlottenhof in Pension stehen hatten, kündigten ihre Stallplätze. Mit ihnen schwand auch viel Geld. Verbissen machten alle weiter. Man hatte noch zwei weitere Reitställe für das Projekt gewinnen können und auch einige vielversprechende Sponsoren hatten sich für den großen Tag angemeldet. Mit vereinten Kräften errichteten die Reiter einen neuen, großen Turnierplatz und besserten alle Hindernisse und Dressurvierecksbezeichnungen aus. Zum Glück hatte das Wetter sich gebessert und während auch die letzten Bäume endlich grüne Blätter austrieben, wurde die Spannung immer größer.
Am großen Tag stand Isabelle extra früh auf. Sie stieg in ihre alte Reithose und schnappte sich die Tüte in der ihre allerbesten Turniersachen waren. Dann radelte sie den, ihr so vertrauten, Weg zum Hof entlang. Sie ließ sich Zeit und genoss die Morgensonne, die ihr warm ins Gesicht schien. Es versprach ein wundervoller Tag zu werden. Auf dem Gut angekommen, sah sie sich stolz um. Alles war blitzblank und sah fast wie neu aus. Hier und da hörte man zufriedenes Schnauben. Irgendwem fiel im Stall eine Forke um. Isabelle musste schmunzeln. Sie war also nicht die erste. Einige der kleineren Reiterinnen mussten noch stärkeres Lampenfieber haben als sie. Isabelle ging in den Stall und tatsächlich waren schon ein paar kleinere Mädchen dabei, die Stallgasse zu fegen. Schnell ging Isabelle ihnen zur Hand und half ihnen dann, die Ponys von der Weide zu holen. Dann zeigte sie den Mädchen ein paar schöne Flechtfrisuren für die Mähnen der angehenden Turnierstars und während die Mädchen eifrig versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen, schlenderte Isabelle zur Weide der Warmblüter. Auf ihren Pfiff gesellte sich Gana zu ihr. Versonnen strich Isabelle ihr durchs Fell. "Heute ist der große Tag", vertraute sie ihr an. "Dein Besitzer kommt auch und will sich ansehen wie du dich so machst!" Dann führte sie Gana von der Weide und brachte sie zum Putzplatz auf dem es jetzt schon vor Pferden und Ponys wimmelte. Die ersten Anhänger anderer Teilnehmer fuhren schon auf dem Hof vor. Anne war da um sie zu begrüßen und ihnen einen Platz zuzuweisen. Bald war es so weit. Ganas Fell glänzte und ihre Mähne hatte Isabelle in einem kunstvollen Flechtzopf gebändigt. Schnell zog sie sich ihre Turniersachen an. Dann hielt sie ungeduldig Ausschau nach Johannes. Wo blieb er nur? Statt ihn entdeckte sie ihr beste Freundin die gerade ebenfalls auf ihr Pflegepferd stieg. Lachend begrüßten sie sich und machten sich gemeinsam auf zum Warmreiten. Überall wimmelte es schon von Reitern auf ihren Pferden. Fröhliches Geschnatter lag in der Luft. Dann sah Isabelle endlich Johannes. Er stand am Rand des Turnierplatzes und winkte ihr zu. Lächelnd hob er beide Daumen und nickte anerkennend als er Pferd und Reiterin betrachtete. Isabelle lächelte zurück.
Dann begannen die Wettkämpfe. Isabelle selbst startete im A-Springen sowie in der A-Dressur. Dank Johannes Hilfe belegte sie in der Dressur Platz eins und im Springen einen guten dritten Platz. Sie war stolz auf Gana. Noch nie hatte sie sich so gut gefühlt. Wenn sie nichts zu tun hatte, ließ Isabelle Gana grasen, half völlig überforderten kleineren Teilnehmern ihren Startplatz zu finden und redete mit dem ein oder anderen Sponsor sowie mit einigen Reportern, die ebenfalls am Schauplatz erschienen waren.
Die Wettkämpfe dauerten bis etwa drei Uhr Nachmittags. Danach verging etwa eine Stunde, bis die selbsternannte Jury alle Ergebnisse ausgewertet hatte und schließlich alle zur Siegerehrung zusammenrief. Stolz nahm Isabelle ihre Schleifen in Empfang und steckte sie zufrieden an Ganas Zaumzeug.
Dann leerte sich der Hof allmählich wieder. Die vielen abfahrenden Pferdehänger zogen auf der alten Straße eine Staubfahne hinter sich her. Einträchtig sattelten die Verbliebenen ihre Pferde ab und brachten sie auf die Weide. Es war immer noch warm und die Sonne hatte den ganzen Tag geschienen. Ein Hauch von Sommer hing in der Luft.
Etwas beklommen machten sie sich schließlich auf den Weg in Annes Büro. In der Luft hing drückend die Frage aller Fragen: Hatten sie es geschafft? Hatte sich all der Aufwand gelohnt?
Anne empfing sie mit undefinierbarem Gesichtsausdruck. Beklommen standen sie vor ihr. Ängstlich sah Isabelle Johannes an. Er legte ihr einen Arm um die Schultern. Dann blickte Anne auf und langsam breitete sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Alle atmeten auf. Und fielen sich in die Arme. Anne erzählte strahlend, dass sie mehrere tausend Euro eingenommen hatten und außerdem mehr als genug spendable Sponsoren gefunden hatten. Gut Charlottenhof war gerettet.
Glücklich schlenderten Isabelle und Johannes in Richtung der Koppeln. Auf einmal kam ihnen ein Mann entgegen. Isabelle erkannte ihn als den Besitzer von Gana. Lächelnd ging sie auf ihn zu. "Gratuliere", meinte er. "Ich hab schon gehört, dass der Hof wohl existent bleibt! Das freut mich." Isabelle bejahte. "Nun, ich wollte dir eigentlich nur mitteilen, dass Gana den Besitzer wechselt." Isabelles Herz stockte. Das konnte nicht sein Ernst sein. Ihre Gana, die sie so ins Herz geschlossen hatte und mit der sie heute so erfolgreich war? Mit schreckgeweiteten Augen sah sie ihn an. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Ich habe beschlossen sie zu verschenken", begann er. "Aber...", unterbrach Isabelle. "Unterbrich mich nicht." Jetzt grinste er. Isabelle wurde wütend. Wie konnte er ihr das nur antun? Gana wegzugeben obwohl der Hof doch weiterhin existieren würde? "Ich wollte sie dir schenken. Ich habe heute gesehen was für ein gutes Team ihr seit und außerdem weiß ich wie gut du dich immer um sie kümmerst. Ich bin einer der Sponsoren und hatte sowieso nie viel Zeit für Gana. Sie hat dich verdient und du sie. Was sagst du dazu?" Isabelle hatte vergessen wie man den Mund wieder zu macht. Als sie sich schließlich wieder gefasst hatte, brachte sie nur ein: "Ist das ihr Ernst?" hervor. Er nickte. Wortlos fiel sie ihm um den Hals.
Einige Minuten später saß sie mit Johannes auf dem Koppelzaun und strich ihrem neuen Pferd übers Fell. Johannes legte einen Arm um sie und sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. "Diesen Sturm hätten wir überstanden.", meinte er, während er mit einer ihrer Haarsträhnen spielte.
Tag der Veröffentlichung: 09.04.2012
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