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Prolog

Eine finstere Macht.
Sechs Auserwählte.
Eine Chance,
die Welten zu retten.
Gemeinsam,
gegen das Böse.

Der Tunnel der Zeit
Der natürliche stetige Strom der Zeit fließ wie gewohnt seine Wege. Vorbei an allen Portalen der freien Welten, bis zu der Welt, die als einzige versiegelt ist. Dort ebbt er ab.
Auf der Sperre des Portals sind viele verschiedene Buchstaben in einer sehr alten Sprache: die gemeinsame Sprache.
Das Portal ist unversehrt. Kein Riss ist zu sehen.
Auf einmal splittert es, eine Explosion folgt.
Ruhe.
Dann nicht mehr.
Ein lautes Stampfen, gleichmäßig und bedrohend, ertönt. Hunderte von Gestalten treten aus dem Portal. Eine grüne Giftwolke zieht hinter ihnen her, doch auch die lenkt nicht von ihrem hässlichen Aussehen ab. Ihre Kleidung ist zerfleddert, modrig.
Ihre Gesichter sind verkrüppelt und entstellt. Riesige faulige Zähne kriechen aus ihren sabbernden Mäulern.
Ein grunzendes Lachen ist zu hören.
Kurz darauf zeigt sich ein gruseliger Anblick. Die Kreatur, oder was es ist, ist hässlicher als alle anderen.
Sie hat die leitende Position.
Er motzt Befehle, wobei er gelblichen Sabber aus seinem Maul spuckt. Ein tölpelhafter, dümmlich greinschauender Troll geht unsicher in den Tunnel.
Verängstigt bleibt er stehen.
Ein Fehler.
Der Motzer von vorhin reiß grob an einer langen Kette. Der dabei entstandene Ruck gelangt durch die Kette an ein Halsband. Es hat nach innengekehrte Stacheln. Sie graben sich unbarmherzig in den Nacken des Trolls. Ein Schrei entfährt ihm.
Der Anführer bleibt stehen.
Dreht sich um.
Spuckte den Troll an und reißt erneut an der Kette.
Mit angstgefüllten Augen setzt er sich widerwillig in Bewegung.
Mehr und mehr von den abscheulichen Kreaturen humpeln aus dem zerstörten Portal.
Eine ganze Armee sammelt sich.
Nun sind es an die dreitausend Monster, nur um einen Ausweg aus diesem Tunnel zu finden.
Ein Brüllen lässt alle verstummen.
Dann,
ein ohrenbetäubender Lärm entfacht, als das Kampfgebrüll ausgerufen wird.

Es sind viele.
Es werden mehr werden.
Wie viele gibt es von ihnen?
Zu viele.
Die Welten müssen zusammenfinden.
Sonst ist alles verloren.
Was wird passieren ?


Der Drache

Ein Impuls erwachte in ihr. Mit aller Kraft drückte sie gegen die harte Schale, die sie umgab. Da, Licht leuchtete ihr durch ein kleines Loch ins Gesicht. Sie blinzelte mit den Augen. Ein Schleim nahm ihr immer wieder die Sicht auf das Loch. Auf einmal drang der Schleim in ihre kleine Lunge ein. Verzweifelt versuchte sie ihn auszuhusten und aus diesem Gefängnis heraus zu kommen.
Mit aller Kraft schlug sie mit den noch winzigen Klauen auf die Schale ein. Ein Riss. Ein zweiter Riss und mit einem leisen Knacken brach die Hülle komplett auf. Auch diese Schleimhaut zerriss sie mit ihren Krallen.
Verloren purzelte sie über einen warmen Steinboden. Auf dem Rücken blieb sie liegen. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen und sah noch fünf weitere harte Schalen.
Als sie sich aufgerichtet hatte, kam ein großer dunkelblauer Drache auf sie zu. Ihre Mutter, das hatte sie im Gespür.
Langsam senkte ihre Mutter den Kopf und sagte feierlich: “Du sollst Couver heißen, meine Kleine, nun lege dich schlafen, deine Befreiung war sicher anstrengend.”
Mit diesen Worten blickte sie Couver liebevoll an und ging zurück zu einem hellroten Drache, Couvers Vater.
Couver stand auf, sie war viel zu aufgeregt um zu schlafen und schaute sich in einer Pfütze an. Sie blickte in große, grün-violette Augen. Ein kämpferisches Funkeln war ihnen zu Teil. Ihre Schuppen waren tiefschwarz und glitzerten violett-grünlich im Schein der aufgehenden Sonne. Kleine dünne Flügel schlugen sicher auf ihrem Rücken. Schnell flatterte sie einige Meter über dem Boden und lachte aus purer Lebensfreude.
Ein Knacken ließ sie erschrecken. Die Konzentration war weg und schon knallte sie unsanft auf den Stein.
Hinter ihr begann eines ihrer Geschwister zu schlüpfen, ein Dunkelgelber.
Freudig tapste die Schwarze auf ihn zu. Nachdem er sich befreit hatte, spielten sie zusammen.
Er hatte den Namen Kaajo bekommen, ein Hübscher wie Couver fand.
Kurze Zeit nach Kaajos Schlüpfen, kamen auch die anderen Drei zur Welt. Fou, eine Wasserblaue, Ginger, eine Rotgelbe und noch Troy, ein Erdbrauner.
Nur ein Ei blieb regungslos in der Ecke liegen. Traurig lief Couver auf es zu. War da nicht gerade ein kleines Wackeln gewesen ? Ihre Miene hellte sich auf.
Eifrig um das Leben des kleinen Drachen bemüht, zerstörte Couver die Schale mit einem einzigen Schlag ihres Nasenhörnchens.
Mit dem Krallen kratzte sie unruhig auf der Schleimhaut herum und stieß ein klägliches Wimmern aus. Ihre Mutter kam und wollte sie wegtragen, doch Couver befreite sich aus ihren Zähnen und hastete zurück, begann weiter zu kratzten.
Tatsächlich schaffte sie es, kleine goldene Augen schauten sie trüb an. Die Schuppen waren matt-rot und besaßen keinerlei Glanz. Und trotzdem wedelte ihr langer spitzer Schwanz vor Dankbarkeit.
Erleichtert setzte sich Couver vor die Kleine und wartete auf ihre Mutter. Sie kam und gab ihr den Namen Waikoula, wenn auch etwas verunsichert.
Waikoula lächelte Couver müde an, schon diese kleine Aufgabe hatte sie unendlich viel Kraft gekostet.
Besorgt senkte die Schwarze den Kopf.
Ein Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit. Ein hitziges Gespräch wurde zwischen ihrer Mutter, Lisoua, wie sie nun wusste, und ihrem Vater Schizo geführt. Genau konnte sie die Worte nicht verstehen, doch ein Einziges reichte um sie nähertreten zu lassen: Couver.
Ihre Augen wurden feucht. Sie stritten. Wegen ihr. Ängstlich schlich Couver auf ihre Eltern zu.
“Du willst was ?!”, schrie Lisoua fassungslos. “Was sollen wir denn sonst mit ihr machen ? Sie ist eine Bedrohung für uns alle, noch ist sie jung”, versuchte er sie wenigstens etwas zu beruhigen, vergeblich. “Wenn du meiner Kleinen auch nur einen Kratzer beibringst, reiß ich dir deinen verdammten Kopf ab !!” Lisoua war kurz vorm Ausrasten, ihre Schuppen färbten sich immer dunkler und kalte Eiswolken traten aus ihrem Maul und ihren bebenden Nüstern.
Schizo blickte sie skeptisch an. “Aber was ist, wenn es so endet wie damals ? Lisoua, das können wir nicht riskieren. Lieber jetzt, als später.” Damit war das Thema für ihn erledigt, doch nicht für Lisoua, ihre Lefzen hoben sich, die Eiswolken entwickelten sich zu dem stärkeren blauen Feuer der Eisyuánsù. Die Luft begann unangenehm kühl zu werden. “Nein”, zischte sie leise, “Couver ist anders, sie hat ein wunderbares großes Herz, sie hat ihre Schwester gerettet. Sie wird anders, Schizo” “Hm, okay wir werden sie am Leben lassen, aber wenn sie alt genug ist wird es geschehen. Und davor soll jeder hier, und damit meine ich wirklich alle, erfahren was mit den letzten Schwarzen passiert ist. Und, Lisoua, ich habe dich gewarnt.”
Lisouas Gesichtsausdruck wurde ernst. Sie nickte, dann drehte sie sich um und wollte gehen. Unabsichtlich stolperte sie über eines ihrer Kleinen. Als sie nach unten sah und sehen wollte ob nichts passiert war, starrte sie in ein schwarzes Gesicht mit Tränen gefüllten Augen. Große salzige Tropfen perlten an ihren Schuppen ab. “Oh nein, meine Kleine...”, flüsterte sie traurig. Doch Couver wandte sich ab und wollte zurück zu ihren Geschwistern. Sie blieb jedoch abrupt stehen als sie sah, wie ihr Vater vor einem Halbkreis aus allen Schlüpflingen des Drachenhortes saß und redete.
Verunsichert trat sie zögerlich näher. Schizo stoppte und alle Gesichter drehten sich ihr zu. Kaajos Blick verfinsterte sich, auch die der ihrer Geschwister und der anderen Schlüpflinge starrten misstrauisch.
Waikoula lag abseits, dennoch in Hörweite, und schien in Gedanken versunken zu seien. Ihr Schwanz zuckte nervös und ihr Kopf lag auf ihren übereinandergefalteten Pfoten.
Couver fühlte sich allein, fremd und schlecht. Ihr Blickfeld verschwamm, dicke Tränen liefen an ihren Schuppen herab, schnell rannte sie aus der Höhle, stieß sich von dem Vorsprung ab und suchte ein schönes Plätzchen.
Allein schlief sie schließlich ein.
Durch eine angenehme Wärme wachte sie auf. Neben ihr lag Waikoula. Verwirrt richtete sich die Schwarze auf und streckte sich.
Waikoula schaute sie an. Nur so, ohne einen bedeutenden Blick. Ein Grummeln unterbrach die Stille.
Durch ein Kopfnicken gab Couver Waikoula zu verstehen, dass sie nun gehen würde um zu fressen. Also nahm sie Anlauf und versuchte zu fliegen. Nach drei Versuchen schaffte sie es.
Waikoula wollte es ihr nachtun und nahm ebenfalls Anlauf, jedoch viel kraftloser als ihre Schwester.
Couver flog Kreise und beobachtete sie aufmerksam. Sie konnte keine Fortschritte erkennen. Die kleine Matt-rote, schaffte es nicht. Couver überlegte kurz, dann ließ sie sich etwas fallen, über der rennenden Waikoula angekommen, hielt sie ihr den Schwanz hin.
Waikoula betrachtete sie fragend, stellte sich schlussendlich doch auf die Hinterbeine und schloss die Klauen um den Schwanz ihrer Schwester. Die Flügel von ihr schlugen kräftiger, auch Waikoula schlug wie verrückt mit den Ihren. Couver blickte erst sie und dann ihre eigenen Flügel an. Waikoula verstand, sie musste gleichmäßig, nicht hektisch schlagen. Bemüht alles richtig zu machen vergaß sie sich festzuhalten und flog alleine weiter. Erst als sie das breite Grinsen ihrer Schwester sah lächelte auch sie.
Zusammen landeten sie im Drachenhort, wo schon alle am Fressen waren.
Es wurde still, die Blicke lasteten auf Couver. Lisoua kam heran und stellte sich schützend vor sie, dann holte sie etwas Fleisch.
Ein Feueryuánsù briet es ihnen kross, leider etwas zu kross. Eine leicht schwärzliche Kruste überzog das Rindfleisch.
Lisoua fauchte den Verursacher dessen an und begann wenigstens ein bisschen Kruste abzukratzen.
Couver begann zu fressen. Waikoula gesellte sich zu ihr.

Am nächsten Morgen lag Waikoula wieder dicht neben ihr. Die Sonne schien herein und ließ Couver noch etwas verweilen.
Sie blickte sich um. Ihre Geschwister schliefen noch. Mühsam erhob sich der kleine Drache und ging zu dem Bach, der durch die Höhle plätscherte. Wieder betrachtete sie sich im Wasser. Warum waren alle so komisch zu ihr ? Sie hatte doch gar nichts getan.
Um den Gedanken los zu werden schüttelte sie sich. Heute beginnt der Unterricht, kam ihr ins Gedächtnis. Erfreut weckte sie ihre Schwester. Diese schaute sie schlaftrunken an.
Zusammen liefen sie in den angrenzenden Essensraum, dort herrschte schon ein reges Treiben. Zig Drachen aller Farben holten sich von einem riesigen Steintisch Fleisch.
Das Fleisch war nach Sorte aufgeteilt, sodass jeder schnell das finden konnte wo er gerade Lust drauf hatte.
Die beiden Kleinesten in diesem Gewusel holten sich ein fettes Stück Schwein und trugen es gemeinsam zu dem Tisch der Feueryuánsù, da wurde es geröstet, jedoch wieder viel zu schwarz. Couver seufzte enttäuscht.
Neben dem Feueryuánsù, der ihr Essen verbrannt hatte, stand ein Eisyuánsù, manche Drachen aßen ihr Futter nun Mal lieber eisig.
Waikoula hatte ihn schon einen Platz am Rand des “Gebäudes”, wie Couver fand, schließlich war es riesig, gesucht und wartete dort.
Obwohl das Schwein verbrannt war, schmeckte es ganz in Ordnung.
Nach dem Essen sollte der Unterricht losgehen. Voller freudiger Erwartungen stürmten sie durch den Torbogen in den Unterrichtsraum, blieben aber direkt unsicher stehen, als alle sie anblickten. Sich kleinmachend gingen Couver und Waikoula zu den einzigen freien Plätzen ganz hinten.
Einige Zeit später kam eine zierliche Drachendame herein. Ihre Schuppen waren himmelblau, und in einer Klaue schliff sie einen Beutel hinter sich her.
Ihre Augen musterten die Drachejungen neugierig. Dann stellte sie sich vor die Klasse. “Guten Morgen, ihr Kleinen. Ab heute werdet ihr hier jeden Tag eine gewisse Zeit verbringen. Also: Herzlich willkommen !”
Begrüßendes Quitschen war im ganzen Raum zu hören. Die Drachendame lächelte. “So, dann lasst uns Mal anfangen. Ich bin Chila, eure Klassenlehrein, wenn ihr Probleme habt kommt zu mir, ich werde euch gerne versuchen zu helfen.”
Chila war nett, fand Couver, vielleicht wird sie nicht so gemein zu ihr sein.
“Heute werde ich euch das Sprechen lehren. Passt gut auf. Ihr habt schon viel gehört, versucht eure Stimmbänder zum Schwingen zu bringen, aber probiert ob ihr gehörte Worte dabei wiederholen könnt. Wenn ihr einmal einen Ansatz habt, sollte es keine Probleme mehr geben.”
Die Schlüpflinge fingen laut an zu plappern, versuchten Worte herauszubringen, keine quitschenden Töne.
Waikoula piepste vor sich hin und bekam schon beinahe Worte zustande. Bei COuver lief es nicht ganz so gut, ihr gelang es nicht auch nur etwas annäherndes zu sagen. Enttäuscht wandte sie sich ihrer Schwester zu.
Erstaunt klappte ihr Maul auf. “C-C-Cou-Couv-Couver” Waikoula strahlte übers ganze Gesicht.
Couver gab ihr mit einem Schubser zu verstehen, dass sie richtig stolz auf sie war.
Chila kam auf die beiden zu und fragte nach ihren Fortschritten. “Couver”, wiederholte Waikoula. “Oh super ! Du bist die Erste, die ein Wort spricht. Hey, ihr Kleinen, kommt her”, rief sie den anderen zu. Sie kamen, wenn auch zögerlich. Ganz vorne stürmte Kaajo heran. Sein Haupt war arrogant erhoben.
“Los, Waikoula, zeig uns was du kannst”, flüsterte Chila ihr zu.
Die Matt-rote schien ganz klein zu werden, ihre Färbung wurde heller.
Sie hat Angst, kam es Couver in den Sinn. Schnell kam sie zu ihr und stupste sie erneut an, diesmal um ihr Mut zu machen. Als Waikoula sie dann anschaute, nickte sie ihr aufmunternd zu.
“Couver”, wisperte sie. Ihre Geschwister und die anderen bekamen große Augen. “Das ist unfair !”, schrie Kaajo. Sein Gesicht war wutverzerrt. Doch nun wurde ihm bewusst was er gerade getan hatte, er hatte geredet. Ein triumphierendes Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Couver kam auf ihn zugestampft. “Wie kann man so arrogant sein!!”, fauchte sie ihn an, “statt, dass du dich für deine Schwester freust, beschimpfst du sie. Sie hat dir gar nichts getan, wenn du jemanden fertig machen möchtest, suche die jemanden der dir gewachsen ist!” “Wie wärs mit dir, Schwesterherz.”, säuselte er süß. Die anderen begannen zu lachen. Chila stand nur da und beobachtete die Situation.
“Versuchs doch !”, blaffte Couver. Schon stürzte ihr Bruder auf sie zu. Wild fauchend rollten sie über den Boden. Couver packte ihn mit den Zähnen am Schwanz und zog. Kaajo verlor das Gleichgewicht, schaffte es aber sich umzudrehen und in ihr Bein zu beißen. Keifend ließen sie voneinander ab, um nur wenige Augenblicke später wieder aufeinander loszugehen.
Schließlich standen sie sich keuchend gegenüber. Beide waren übersät mit Biss- und Kratzwunden.
Schon wollten sie erneut vorstürmen, als eine eisblaue Feuerwand zwischen ihnen empor stieg und sie bremste. “Es reicht, seid ihr eigentlich von allen guten Geistern verlassen !?”, brüllte Chila, “was ist in euch gefahren ? Ich dachte ihr seid vernünftig genug um es nicht so weit kommen zu lassen, aber was musste ich sehen ? Ihr habt euch geprügelt wie zwei räudige Köter! Hiermit ist der Unterricht beendet, das wird noch Folgen haben ihr zwei.
Zum Schluss noch: morgen fangen wir mit Geschichte an, hoffentlich kommen wir da weiter, wenn ja werdet ihr auch euren Mathelehrer kennen lernen. Und jetzt geht.” Energisch drehte sie sich um und ging fort.
Kaajo lief an Couver vorbei, dabei zischte er: “Du wirst noch das bekommen, was du verdient hast.”
Couver schaute ihm nach. “Couver, geht es dir gut ?” Aufgeregt kam Waikoula auf sie zu. “Ja, danke.” Die Schwarze legte den Kopf schief, das erste Wort, welches ihre Schwester gesagt hatte war “Couver”, ihr eigener Name. Couver lächelte, und auch sie selbst hatte es geschafft, wenn auch etwas anders als Waikoula.
Zufrieden wollte sie sich in Bewegung setzen, ein plötzlicher Schmerz nahm ihr die Sicht. Beinahe fiel sie zu Boden. Um nicht in Ohnmacht zu fallen setzte sie sich. Das Schwindelgefühl schwand.
Ein Besuch bei der Heilerin wäre wohl das Beste, dachte sie sich, und lief vorsichtig los.
Lilou begrüßte Couver halbherzig: “Was fehlt dir, kann ich etwas für dich tun ?” “Äh ja, ich wollte fragen ob Sie eine Pflanze gegen Bisse haben.”
“Ach du auch, Kaajo war vorhin auch hier, aber er sah noch schlimmer aus als du”, lachte Lilou. Währenddessen gab sie Couver ein paar lange Blätter und fünf kleine Runde. “So, das wärs. Die kleinen Blätter, die des Spikosbaums, musst du zerkauen und auf die schlimmsten Wunde auftragen. Die Langen legst du einfach darüber.” Damit drehte sie sich um und sortierte Kräuter.
Langsam schlenderten Couver und Waikoula zurück zu ihrer Schlafhöhle. Dort zerkaute Couver die Blätter und schmierte die Paste, wie ihr gesagt wurde, auf die tiefsten Wunden. Danach legte ihre Schwester die Anderen auf die eingecremten Stellen.
Der Himmel färbte sich wegen der untergehenden Sonne rosa. Zufrieden legten sich die Beiden an den Eingang und genossen dieses Spektakel.

Der nächste Morgen verlief so wie der Vorherige. Wieder war es an der Zeit zum Unterricht zu kommen.
Chila schien besser drauf zu sein, denn sie kam lächelnd herein. “Guten Morgen, meine Lieben ! Heute geht es um die Geschichte unseres Landes, unserer Welt.”
Der Raum war mit vielen Stoffkissen ausgelegt. Der Stoff bestand aus eine widerstandsfähigen Material, damit die Klauen es nicht zerrissen, stellte Couver fest.
Jeder suchte sich ein Kissen und setzte sich zu dem entstandenem Halbkreis, davor lag Chila.
“Unsrer schöne Welt Kan´feron besteht aus insgesamt acht Ländern, das Land der Steppendrachen, der Erddrachen, der Bergdrachen, der Walddrachen, der Feuerdrachen, der Eisdrachen, der Wasserdrachen und das “Reich der Mitte”, wie es gern genannt wird. Im jedem dieser Länder gibt es unterschiedliche Lebensbedingungen, folglich auch verschiedene Drachen, mit jeweils anderen Besonderheiten.
Darüber werdet ihr dann in den nächsten Tagen mehr erfahren. Nun lernt ihr euren Mathelehrer kennen.”
Ein schmaler, aber doch kräftiger, sandfarbener Drache kam durch den breiten Torbogen.
“Ich bin Onai”, sagte Onai, wie er sich vorgestellt hatte, knapp. “So, ich werde dann Mal gehen, viel Spaß”, verabschiedete sich Chila.
Alle Drachenjunge schauten Onai erwartungsvoll an, nichts geschah.
Eine geschlagene Stunde stand er vorne und musterte jeden Einzelnen.
Irgendwann wurde es Kaajo zu langweilig: “Was sind Sie denn für einer ? Ich dachte wir lernen hier was, stattdessen sitzen wir hier dumm rum und glotzen uns an. Das ist doch Blödsinn !”
Onais Blick traf Kaajos. Seine Braunen Augen verengten sich zu schmaleren Schlitzen, als sie ohnehin schon waren. “Du stellst mich in Frage ? Lerne lieber erst die Kunst des Wartens, diese wird dir besser helfen. Deine große Klappe könnte dich nur in Schwierigkeiten bringen”, warnte er den Schüler, “Mathematik, ein herrliches Fach. Zahlen gehen bis ins Unendliche.
Ist diese Vorstellung nicht faszinierend ? Kein Ende weit und breit. Beginnen wir mit den positiven Zahlen.”
Während er ihnen die Geheimnisse des Mathematik erklärte, fing Couver an ihn zu mögen. Mit so viel Elan stand er dort, vertrat mit Leib und Seele seine Leidenschaft.
Mathe war spannend, dieses Addieren, Subtrahieren und besonders das Multiplizieren gefielen ihr.
Nach dem Unterricht trotteten Couver und Waikoula nach draußen. Zuerst lagen sie nur im Gras, dann begannen sie zu rennen, zu spielen und zu fliegen. Es machte unheimlich viel Spaß, auch wenn Waikoula schnell müde und nicht annähernd so geschickt war.

Die Tage streiften an ihr vorbei, ohne Unruhen. In dieser Zeit lernte Couver viel über die Unterschiede je nach Gebiet, über die Mathematik und über die verschieden Fähigkeiten. Davon war sie am Meisten begeistert. Jeder Drache beherrschte eines der sieben Elemente: Feuer, Wasser, Wind, Eis, Blitz, Erde und Säure. Auch gab es Nachtseher, diese Gabe war jedoch eine Zusatzfähigkeit zu dem eigentlichem Element und kam nur im Reich der Mitte vor. Ein Drache der zum Beispiel das Feuerelement besaß, wurde Feueryuánsù genannt und einer des Blitztyps Blitzyuánsù.
Je nach Gebiet änderte sich auch die Farbe und die Statur der Drachen. Es gab...
Waikoula riss sie aus ihren Gedanken. “Couver, komm schnell, das Wetter ist herrlich !”, freute sie sich.
Es stimmte, die Sonne schien und erwärmte den Boden. Zusammen liefen sie über eine Wiese. Um sie herum standen Blumen in allen Farben und bunte Schmetterlinge schwebten durch die frische Luft. Couver seufzte, wie schöne es doch hier war, im Reich der Mitte. Irgendwann würde sie die anderen Länder auch Mal besuchen, das stand fest.
Weit hinten, am anderen Ende der Wiese, stand Kaajo. Er sah in ihre Richtung, verharrte. Drehte sich dann aber wieder weg.
Seltsam, kam es ihr beim Anblick ihres Bruders in den Sinn, er hat mich schon lange nicht mehr genervt. Wie lange das wohl noch so weitergehen wird ?
Ihre Gedanken wurde unterbrochen. “Couver ?”
“Ja ?”
“Kann ich dich mal was fragen ?”
“Aber natürlich, Waikoula.”
“Okay, weißt du warum dich alle so hassen ?”
“Nein”, ihre Miene verhärtete sich.
“Na gut”
Eine Sekunde verging.
Noch eine.
Couver wurde nervös. “Warum sagst du mir nicht, du scheinst es zu wissen !”
“Das kann ich nicht. Mama soll es dir sagen. Bis dahin musst du noch in Unwissen leben.
Ich denke das ist nicht so schwer, hast du bis jetzt ja auch immer.”
Beleidigt stapfte Couver von dannen. Waikoula schaute ihr nur kopfschüttelnd hinterher und rannte ihr schließlich nach.
“Ich denke, dass dich Kaajo auch deshalb in Ruhe lässt. Er darf erst wieder in deine Nähe, wenn du weißt was mit dir los ist”, so hoffte Waikoula, die Laune ihrer Schwester bessern zu können.
Es half.
Ihre Schritte wurden leichter und das Gesicht entspannte sich.
“Ich hoffe heute Abend erzählt Mama mir das, ich will Kaajo endlich sagen was Sache ist”.
Ihre Augen begannen zu funkeln.
Waikoula blickte besorgt zu Couver auf.
Es war Abend, die Sonne verschwand langsam hinter den Bäumen.
Couver kam langsam auf ihre Mutter zu. “Mama ? Willst du mir nicht irgendwas erzählen”, sagte sie unschuldig. “Nein, meine Kleine. Wieso ?”
“Ach, egal”, murrte Couver schroff. Dann verzog sie sich.
“Das ist doch total gemein!”, beschwerte sich sie sich bei ihrer Schwester.
“Ach nimm es doch nicht so schwer. Irgendwann wirst du es erfahren”, erklärte Waikoula ruhig.
“Und wann ? Ich habe keine Lust mehr zu warten !”, brauste sie auf.
“Himmel, Couver ! Jetzt beruhige dich, sonst kann man nicht mit dir reden.
Denk doch nach, Lisoua wir dich so lange versuchen vor Kaajo, oder besser Kaajo vor dir, zu beschützen, bis unser Elementtyp zum Vorschein kommt. Das wird nur noch ca. drei Sonnen dauern. Wir sind jetzt acht Sonnen alt. Und wie du eigentlich wissen müsstest sind Drachen Frühentwickler, ab dem ersten bis zum zweiten Lebensjahr sind wir fast ausgreift. Danach wachsen wir, unser Element verstärkt sich und wir lernen es zu kontrollieren. Also wirst du es bald erfahren.”
Ein besorgter Ausdruck schlich sich auf Waikoulas Gesicht.
So schnell er gekommen war, verschwand er wieder.
“Lass uns schlafen”, sagte sie nur noch und legte sich hin.
Couver gesellte sich nun zu ihr. Sie nuschelte eine gute Nacht und schlief ein.
Ihre Träume waren wirr. Erst lief sie durch einen gruseligen Wald, im nächsten Moment stand sie alleine auf der Spitze eines Berges, kam nicht mehr runter.
Hier oben war es kalt. Der eisige Wind ließ sie erschaudern. Plötzlich erschien vor ihr ein schwarzes Gesicht.
Sie traute ihren Augen nicht, ein schwarzer Drache ! Seine gelben Augen fixierten sie. “Sei gegrüßt, Couver”, hallte seine Stimme durch die Höhe, “ich bin Dakra, ebenfalls eine Schwarze. Allerdings lebte ich vor vielen, vielen Hunderttausenden von Jahren. Ich war der erste schwarze Drache der je geboren wurde.”
Couvers grün-violette Augen wurden groß. “Kannst du mir sagen, warum mich alle hassen ?”
“Nein, deine Schwester hat recht, Lisoua soll es dir sagen.”
“Woher weißt du was Waikoula zu mir gesagt hat, wie meine Mutter heißt und überhaupt woher kennst du sie alle ?”, erkundigte sich Couver neugierig.
“Nun ja, ich bin immer bei dir, auch wenn du es nicht weißt. Ich bin immer in deiner geistigen Nähe. Weißt du nicht weiter triff mich doch in deinen Träumen wie jetzt oder suche meinen Geist, er wird dich begleiten. Ich denke das wird dir etwas helfen”, verriet ihr der Drache.
Couver grübelte vor sich hin. “Was willst du von mir ?”, fragte sie gleichgültig.
Dakra schien verblüfft. “Ich will dir helfen, für dich da sein, wenn du mit deinen... äh deinem Element nicht zurecht kommst.”
Die kleine Schwarze sah über diesen merkwürdigen Versprecher hinweg. “Hm”, war alles was sie sagte.
“Komm, ich führe dich durch die acht Länder”, bot Dakra Couver an. Sie willigte ein.
Schnell folgte sie der Großen, die schon losgeflogen war.
“Gleich sind wir im Land der Eisdrachen”, rief Dakra ihr zu.
Dann konnte sie es sehen, ein Land, schneeweiß. Kein grün, keine Pflanze, keine Wärme. Nur aus Eis bestehend.
Es stand keine Sonne am Himmel, die Landschaft wurde jediglich durch ein seltsames schwummeriges Licht erhellt.
Sie flogen über abstrakt geformte Eisberge. Sie sahen aus wie Tiere, Drachen, durchlöchert, kantig oder rund. Alle Formen waren vertreten.
Couver war sprachlos. So etwas hatte sie nie zuvor gesehen, es war einfach unglaublich. Das schwummrige Licht brach sich in die Farben des Regenbogens, während es durch die Eisberge flutete.
Ein plötzliche Kälte ließ sie erstarren, ihr Herz hörte für einige Augenblicke auf zu schlagen, die Flügel blieben in der Luft hängen.
Dann fiel sie.
Alles wurde schwarz.
Sie hörte nur noch: “COUVEEER !!!”
Dann bekam sie gar nichts mehr mit.
Stille.
Dunkelheit.
Alleinsein.
Was war geschehen, fragte sich Couver. Sie spürte erneut keinen einzigen Herzschlag. Trotzdem schien sie zu leben. Seltsam. Eine unangenehme Unruhe packte sie. Langsam bekam sie Angst.
Die Angst schwand jedoch wieder. Sie fühlte gar nichts mehr. Ihr Gesicht wurde ausdruckslos, die Augen wurden leer. Hilflos hing sie in dieser Schwärze.
Eine lange Zeit blieb sie so.
Irgendwann schien das Schwarz rötlich zu werden. Dieses Rot, es war matt und hatte kaum Glanz. Sie kannte dieses Rot.
Couver erwachte aus ihrer Starre, ihr Herz pumpte in ihrer Brust.
Die Farbe wurde kräftiger, immer kräftiger, bis sich die Farbe erneut veränderte, allerdings in der Struktur. Es begannen sich Schuppen zu bilden, gelbe Augen, ein Gesicht.
Waikoulas Gesicht !!
Ohne zu zögern riss Couver die Augen auf. Ihr Kopf und ihre Lunge tat weh. Es war ein Gefühle der Zusammenziehung. Ja !
Ihre Lunge zog sich enger und enger zusammen. Ihr Gehirn bekam keinen Sauerstoff.
Erschrocken atmete sie tief ein. Der Druck ließ nach und der angespannte Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Schwester zog sich zurück, um einem Entspannten zu weichen.
Couver versuchte aufzustehen. Wieder wurde ihr schwarz vor Augen. Waikoula drückte sie sanft zurück auf den Boden.
Erst jetzt bemerkte Couver, dass sie triefnass war, ihre Schuppen klebten vom Schweiß.
“Ich... Wasser... waschen..”
“Ruhig, nicht sprechen. Mama bringt dich zur Quelle,” flüsterte Couver.
Über ihr sah sie die scharfen Zähne ihrer Mutter. Dann wurde schon wieder alles schwarz.
Waikoula kreischte entsetzt auf als Couvers Körper im Maul ihrer Mutter erschlaffte. Schnell kam sie herbeigerannt und lief im Zickzack aufgeregt vor Lisoua hin und her.
Kurz vor der Quelle zuckte Couvers Körper zusammen, er begann sich zu winden und zu zappeln. Immer wieder schrie sie, mal lang, mal kurz.
Es war schrecklich, wie dieser leblos aussehende Körper unkontrolliert, oder besser gesagt von einer fremden Macht beherrscht, um sich schlägt und versucht frei zu kommen.
Plötzlich riss sie ihre Augen auf und Waikoula sah darin nicht die sonst so schöne Farbe, sondern eine angsteinflößende Leere. Ihre Augen waren milchig-weiß.
Dann war es ruhig, zitternd hing der Körper wieder da. Dann öffnete sich das Maul: “Ihr !! Ihr !! Das Volk der Drachen wird untergehen ! Dafür werde ich sorgen !! Auch wenn ich einer von euch bin, das ist mir egal. Ich habe zu viel Leid von den Meinen erfahren.” Die dunkle Stimme hallte durch die Säle. Die Wände erzitterte und die Drachen im Raum wichen ängstlich zurück.
Das ganze Gebäude schien in einem Beben gefangen zu sein. Es hörte nicht auf zu wackeln.
Eine schwarze Energie bildete sich um Couvers Körper. Sie bildete langsam die Gestalt eines fuchsähnlichen Tieres. Nun begannen seltsame Kristalle aus diesem herauszuwachsen.
Alle starrte mit weit aufgerissenen Augen auf das Specktakel.
In einem Moment der Stille, es war eine unangenehme Stille, schrie Couver erneut auf: “Nein!”.
Urplötzlich verschwand die Energie.
“Was war denn das ? Habt ihr sie eigentlich noch alle ? Ich mein, ihr habt mich einfach abgewürgt, während ich euch euren Untergang gepriesen habe !”, platze die Stimme aus Couvers Maul heraus. “Wir wissen es doch selbst nicht,”, gab Waikoula bissig zurück.
“Ach, jetzt tu Mal nicht so unschuldig ! Das war doch sowieso alles von dir geplant, du kleines Monster.”
“Ach ja ? Woher willst du das denn wissen du Großkotz ?! Du siehst doch gar nichts”, konterte Waikoula beleidigt. Stände dieser Drache im Moment vor ihr, wäre sie wahrscheinlich auf ihn losgegangen. Eine Eigenschaft, die sie sich von Couver abgeschaut hat: Mut oder auch temperamentvoll, vielleicht auch etwas hitzig. Lisoua musste schmunzeln, als sie daran dachte, schwierig aber möglich.
Waikoula hatte sich durch ihre Schwester total verändert. Von diesem schwachen kleinem Etwas war nicht mehr viel übrig.
“Na und... lass mich doch... ich geh jetzt. Aber ihr werdet noch was von mir zu hören kriegen !”, endete die Stimme schmollend. Ein weit entferntes “Jaja, ich komme schon...”, zum Schluss ließ alle erstaunt gucken.
Was war das gerade gewesen ?
Keiner verstand diese seltsame Situation.
Couver Körper lag inzwischen schlafend in dem Wasser der Quelle, um den verklebten und von einer Anstrengung heißen Leib zu kühlen.
Die Drachen hatten sich zurückgezogen. Einzig Lisoua und Waikoula saßen neben Couver.

“Kleine, wach auf !”
Dakra rüttelte heftig an Couvers Gedanken.
“Kleine !!”
Einen Spalt breit öffnete sie ihre Lieder. “Was ist denn Dakra ?”
“Himmel !! Hast du von alle dem gar nichts mitbekommen ?”
“Wovon soll ich nichts mitbekommen haben, das einigste an das ich mich erinnere, ist, dass alles schwarz geworden ist. Dann hast du mich geweckt”, sagte Couver verwundert, nun wacher.
Bis jetzt hatte sie Dakra nur gehört, doch schnell kam ihre Erscheinung in Sichtweite.
Unruhig lief sie vor der Kleinen auf und ab.
“Ein fremder Drache hat von dir Besitz ergriffen und über dich mit den anderen kommuniziert. Seltsamer Vogel...
Naja egal, danach wurdest du für kurze Zeit von einer schwarzen Energie bevölkert... komisch...”, nuschelte Dakra.
Scheinbar war das eher ein Selbstgespräch, als eine Situationsbeschreibung für Couver.
Sie wartete.
Und wartete.
Und wartete.
Nichts geschah.
Noch immer lief die Große auf und ab. Ohne auch nur eine Gedanken an sie zu verschwenden.
Kopfschüttelnd stand sie auf und wollte aus der gemeinsamen Ebene mit Dakra verschwinden, sie hatte keine Lust mit dieser Drachendame einen Monolog zu führen - also einfach nur zuzuhören.
Still schlenderte sie über die Wiese.
Was ?! Auf einer Wiese, seit wann befindet sie sich auf einer Wiese ?! Couver blieb verdutzt stehen. Egal, hier, in dieser anderen Dimension, war einfach alles seltsam.
Lange lief sie über diese Wiese, doch sie fand kein Ende. Kein Busch, kein Baum, kein winziger Hügel und nicht ein kleines anderes Tier waren ihr begegnet. Sie war immer eben und gleich grün.
Irgendwann wurde es Couver also langweilig.
Mit genervtem Gesichtsausdruck stampfte sie inzwischen frustriert durch die Gegend.
Jetzt war es soweit, hoffnungslos schmiss sie sich rücklings auf den Boden, sie hatte keine Lust mehr. Wie sollte sie hier nur je wieder herauskommen ? Vielleicht sollte sie zurück zu Dakra gehen.
Sofort verwarf sie diese Idee, das wäre ja noch besser.
Gedankenverloren ließ sie ihren Geist streifen.
Nichts. Es war nur eine leere Ebene.
Ihr Blick glitt nach oben. Weiße Wolken zogen über sie hinweg. Eine hatte die Form einer Schlange, eine andere die eines Adlers. Auch einen Drachen entdeckte sie.
Vom Wind angetrieben veränderten sich die Wolken laufend. Erst schien der Drache zu grinsen, beim nächsten hinschauen, besaß er den Kopf eines Löwen.
Wolken sind schon faszinierend, dachte der reale Drache, sie können sanft über dich hinweg schweben oder wie der Teufel auf dich nieder brausen.
Der Drache musste lächeln, eine lustige Vorstellung.
Noch lange träumte sie so vor sich hin. Immer neue Gestalten erschienen an dem hellblauen Firmament, mal schienen sie teuflisch, mal himmlisch, mal lustig und manchmal auch gruselig. Dann schauten weit aufgerissene Augen mit winzigen Puppillen auf sie nieder und fixierten die Ihren. Ein dürrer Körper schloss an den abstoßenden Kopf. Man sah die Rippen herausstechen, und der Wind ließ diese Kreatur atmen. Lange Arme und Beine traten aus seinem Körper. Vertrocknet sahen sie aus. Die Finger besaßen scharfe Krallen.
Wieder wehte der Wind, und die Kreatur schoss auf sie nieder.
Kurz bevor sie Couver erreicht hatte, verpuffte sie. Ganz unvorhersehbar, genau vor ihrer Nase
Ein spitzer Schrei entglitt dem Drachen. Verschreckt richtete sie sich auf und lief in die Richtung, in der sie Dakra vermutete.
Was für Wolken, fragte sie sich, wie können sie so echt wirken ?
Nachdenklich grübelte sie vor sich hin.
Aber sie kam zu keiner Lösung.
Die Hitze um sie herum -Moment !! Die Hitze ?!- machte ihr ganz schön zu schaffen. Immer schwerer hob sie ihre Krallen vom Boden.
Na toll, mal wieder so ein seltsames Ereignis. Dieser Ort war echt komisch.
Schon eine ganze Weile irrte sie inzwischen durch dies Einöde, doch weit und breit sah sie keinen anderen schwarzen Drachen. Erschöpft ließ sie sich auf den staubigen Boden fallen. Ihre Augenlieder wurden schwer und die drückenden Luft schob sie in einen traumlosen Schlaf.
Sie wachte auf.
Aber nicht da wo sie eingeschlafen war, sondern woanders.
Ruckartig sprang sie auf.
Die ganze Müdigkeit war abgeschüttelt.
Um sie herum standen lauter kleine Wesen. Mit ihren großen blauen Augen schauten sie Couver von unten an.
Eigentlich sahen sie ganz harmlos aus, wie Mini-Drachen.
Nur noch süßer und tollpatschiger.
Sah sie diese kleinen Wesen jedoch genauer an, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken herunter.
Die schwarzen Pupillen waren im Verhältnis zu der Größe ihrer Augen extrem winzig. Zwei flohgroße schwarze Punkte, mehr nicht.
Einer der Wesen trat auf sie zu.
Er fiepte.
Die anderen stellten sich in einem immer enger werdenden Kreis um sie auf.
Er fiepte noch mal.
Es wurden mehr.
Der Anführer, der der vor ihr stand, riss sein süßes Mäulchen auf.
Couver stockte der Atem.
Eine Reihe weißer scharfer Zähne funkelten sie an.
Lange verbogene Reißzähne oben und unten ließen sie einen Schritt zurücktreten.
Unglücklicherweise stieß sie so gegen einen seiner Artgenossen an, dieser bleckte auch sogleich seine Prachtstücke.
Eine Panik machte die Runde. Nur ein kleiner Schritt hatte eine bittere Folge.
Die Mini-Drachen stürmten zähnefletschend auf sie zu. Seltsamerweise spürte sie keinen starken Schmerz, nur einen kleinen Pixer.
Verwundert bemerkte sie wie die Kleinen Abstand nahmen.
Doch dann verstand sie auch warum, aus den Reißzähnen der Angreifer tropfte eine gelbgrüne Flüssigkeit. Erschrocken schnellte ihr Kopf herum zu ihrer Flanke.
Ein Einstich war zu sehen.
Panisch drehte sie sich im Kreis - auf der Suche nach einem Ausweg.
Nirgends war einer zu sehen.
Die kleinen Monster hatten eine perfekte Mauer um sie gebildet.
Gerade als sie einen irren Fluchtversuch starten wollte, verschwamm ihr Blickfeld. Eine weiße Nebelwand verschleierte ihr Gehirn. Benommen knickte ihre Beine ein und der harte Boden kam ihr entgegen.
Ihre Augen waren leicht geöffnet. Sie konnte also alles - wenn auch unklar - mitbekommen.
Viele kleine Krallen betatschten ihren Körper und schlussendlich wurde sie hochgehoben. Sie spürte die Erschütterungen der tippeligen Schrittchen.
Die Wanderung führte durch die eintönige Steppe. Irgendwann erreichten sie ein Loch in der Erde. Es war erstaunlich groß. Fluchs tippelten die kleinen Kreaturen mit ihr hinein. Dunkelheit breitete sich über sie aus und eine angenehme Kühle erfüllte den Tunnel, den sie entlang getragen wurde.
Nach einiger Zeit hielten sie an. Unsanft wurde Couver fallen gelassen und knallte auf einen harten Steinboden. Noch immer konnte sie keinen Muskel bewegen. Starr lag sie dort und wartete.
Die kleinen Drachen waren fort gegangen und kamen gerade wieder. In ihren kleinen Klauen hielten sie Leuchtende Fackeln. Jetzt konnte der große Drache auch etwas erkennen. Sie befand sich in einem Raum.
Allerdings konnte man die Decke nicht erblicken, der schwache Lichtschein reichte nicht so weit.
Worte, die sie aber nicht verstehen konnte, klopften an ihre Gedanken. Das waren doch sowieso nur die Kleinen...
Genervt versuchte sie diese Stimme abzuschütteln. Doch es ging nicht. Als hätte sie sich in ihrem Geist festgekrallt. Langsam aber sicher wurde sie wütend - zum Teil war auch ihr hitziges Temperament dafür verantwortlich, dass sie des öfteren so schnell aus der Fassung geriet.
Zorn kroch in ihr hoch. Diese verdammte Stimme ließ einfach nicht locker und wurde dazu immer penetranter.
Was erlaubt die sich eigentlich ?! Das ist mein Geist und meine Gedanken ! Wenn sie könnte wäre sie vermutlich jetzt hochrot. Sie konnte es gar nicht leiden, vergriff sich ein Fremder an ihren Gedanken. Stur errichtete sie eine Mauer.
Der oder die soll doch versuchen mich zu nerven, fauchte sie in sich hinein.
Während sie von der Stimme in ihrem Kopf abgelenkt gewesen war, hatten diese kleinen Bestien einen großen Kessel angeschleppt. Wo sie dieses Zeug wohl her hatten...? Und überhaupt, was wollen die denn damit ?
Ein furchtbarer Gedanke durchzuckte sie.
Die haben doch nicht ernsthaft vor mich zu fressen ?! Erneut wurde sie von Panik ergriffen.
Aber warum von Panik ? Wieder drang Wut an ihre Gefühlsoberfläche und deckte diese vollkommen ab.
Was fällt denen nur ein, einen größeren Vertreter essen zu wollen ?!
Verzweifelt versuchte sie sich zu bewegen. Ihre Kralle zuckte leicht. Ein tückisches Leuchten erfüllte ihre Augen. Inzwischen konnte sie die ganze Klaue bewegen.
Aus dem Augenwinkel beobachtete sie die Mini-Drachen und sah wie diese Gemüse und Fleischbrocken anschleppten. Es wirkte geradezu lächerlich. Sie transportierten Stücke die doppelt so groß waren wie sie selbst.
Ihr Kopf war auch wieder bewegungsfrei und so schüttelte sie diesen verständnislos. Die Hinter- und Vorderbeine waren frei, der Körper begann sich ebenfalls aus der Starre zu lösen.
Nur noch die Flügel und dann können die Viecher ihr blaues Wunder erleben !!
Ein hämische Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Probeweise schlug sie so leicht wie es ihr nur möglich war mit den großen Schwingen.
Die kleinen Monster hatten sich alle um ein Feuer gesammelt. Wie besessen tanzten sie drum herum.
Der perfekte Augenblick.
Leise erhob sich Couver und schlich los.
Eins der Monster hockte genau vor ihr und bestaunte den Tanz seiner Artgenossen. Hinter ihm richtete der Drache sich auf und legte ihm die Krallen auf das widerliche Maul. Hecktisch versuchte er sich zu wehren, doch sie war zu stark.
Mit der anderen Klaue schnitt sie ihm sauber die ungeschützte Kehle durch. Sie ließ ihn fallen und das Letzte was sie hörte war ein ersticktes Gurgeln.
Die Stimme von vorhin erschien ihr stärker als zuvor. Sie konnte nun auch die Aura des Eindringlings wahrnehmen. Die Wut wich der Überraschung. Sie kannte diese Aura.
Das war Dakra !
Erfreut fiel die Barriere zwischen ihnen.
Meine Güte, bist du ein Sturkopf !


An dem angenervten Unterton in ihrer Stimme schloss Couver, dass es sie ganz schön viel Kraft gekostet haben musste.
Couver grinste frech.
Verkneif dir endlich dein dummes Grinsen und komm da raus !


“Und wie bitteschön ?!”, nörgelte sie rum.
Hör zu, ich werde in deinen Körper eindringen. Du selbst merkst davon gar nichts und lange dauert es auch nicht. Beweg dich aber bitte nicht, sonst klappt das nicht.


“Hm... okay”
Sie stand gefühlte Stunden an Ort und Stelle ohne sich zu bewegen. Wahrscheinlich waren es erst wenige Sekunden, dennoch fiel es ihr schwer still zu bleiben.
So, das wars. Du musst nach rechts.
Stopp.
Vor dir ist eine Wand, nicht gegen laufen.
Rechts.
In den Gang.
Und laufen, laufen, laufen.
Das kann etwas dauern.
An-


Weiter kam Dakra nicht.
Couver war direkt in eine der Steinwände gerannt. Verärgert fühlte sie nach einer Verletzung.
“Na toll. Du hast es geschafft, dass ich mir den Kopf anstoße.”
Beleidigt wischte sie sich das Blut der kleinen Platzwunde weg und folgte dem Wandverlauf.
Zum Glück führte der Weg ohne Abzweigungen zur Oberfläche. Die Luft hier oben war so rein und frisch. Erleichtert nahm sie einige tiefe Atemzüge.
“Und nun ?”, missmutig lief sie in irgendeine Richtung los.
Halte dich links...


“Ah ja... jetzt, wo ich da raus bin, kommst du an und sagst mir wie es weitergeht... Warum hast du nichts mehr gesagt, nach meinem... wie sag ich das nett... hm...
BEKLOPPTEN UNFALL ???”
Reg dich doch nicht so auf, das kann doch passieren. Und meine Schuld war das nicht. Du bist zu dumm um auf mich zu hören...


Entsetzt blieb Couver stehen.
“Ach, jetzt ist das meine Schuld ?! Wer kann denn sehen wo ich hingehe und mir sagen ob da gleich eine Wand kommt ?”
Okay, okay es tut mir Leid... aber beeil dich. Sie haben gemerkt, dass du weg bist und einen ihrer Artgenossen umgebracht hast.


Beleidigt trabte sie an, breitete ihre Flügel aus und hob ab. Schnell flog sie über die Einöde hinweg.
Durch Dakras Hilfe fand sie sicher den Weg zurück zu ihr.
Direkt nachdem sie gelandet war, schnauzte sie Dakra an:” Wie komme ich hier raus ?! Ich habe keine Ahnung, in welcher Richtung der Ausgang liegt.”
“Hallo Couver, mich freut es auch dich wieder zu sehen”, spottete Dakra ironisch.
Ein missbilligender Blick von ihr strafte Couver.
Diese glotzte sie nur blöd an.
“Hör mal Schätzchen, du bist hier in MEINER dimensionalen Ebene. Sie liegt sehr weit über deinen. Hier kommst du nicht einfach so raus. Außerdem hat es einen Grund warum du hier bist-”
“Ach, und der wäre ?”, platzte sie dazwischen.
Dakra seufzte.
“Das weiß ich leider auch noch nicht so ganz”, gestand sie.
“Na super. Kann ich dann gehen ?”, fragte sie ungeduldig.
“Ja... aber willst du nicht wissen was mit dir los war, als du ‘weg’ warst ?”
“Nein”
“Aber-”
“NEIN”
“Na gut...”, jetzt war Dakra beleidigt.
Der Drache war um einiges größer als Couver. Ihre Augen waren gelblich und ein bläulicher Glanz lag auf ihren schwarzen Schuppen.
Normalerweise war sie ruhig und nachdenklich, führte gerne Monologe. Manchmal jedoch schien sie etwas verrückt und wie ein kleines Drachenjunge.
Couver war anders. Für ihr Alter war sie sehr reif und hatte ein feuriges, hitziges Temperament. Ihre Kampflust war enorm. Wenn es ging bekriegte sie sich mit ihrem Bruder, was ihr besonders Spaß machte. Eine komische Angewohnheit.
“Es ist eigentlich ganz einfach in deine Dimension zurück zu gelangen. Komm mit.”
Wortlos folgte sie Dakra.
Dei Steppe war inzwischen wieder eine Wiese und das Gras verformte sich durch das Gewicht der Drachen.
Eine große ovale Scheibe erschien vor ihnen. Sie war schwarz und viele bunte Punkte ruhten in ihr. Weiße Schleier zogen sich durch die Scheibe.
Sie sah hübsch aus. Fasziniert streckte Couver ihre Kralle aus.
“Nein ! Warte !”, schrie Dakra.
Erschrocken sah sie Dakra an. Ihre Augen wurden groß.
“Wenn du das berührst gelangst du zu dem Ort zurück, von dem ich dich hergeholt habe.”
“Oh” War das einzigste was sie sagte.
“Brauchst du meine Hilfe, rufe mich, ich bin da.” Liebevoll lächelte Dakra sie an.
“Okay. Danke.” Auch sie lächelte aufrichtig.
“Dann gehe nun.”
Vorsichtig trat sie auf die Scheibe zu.
Sie drehte sich noch einmal um.
“Du, Dakra ?”
“Ja, Kleine ?”
“Was waren das für Mini-Drachen ?”
“Dragumis”
“Sie waren süß... und gruselig”, flüsterte Couver schaudernd.
“Ja, so sind sie... aber man gewähnt sich an sie. Jetzt geh Schätzchen, es ist spät. Hier vergeht die Zeit schneller, als bei dir.”
Dakra zwinkerte ihr frech zu und leckte ihr flüchtig über die Platzwunde. Keine Ahnung wie sie das gemacht hatte, aber sie war vollkommen verschwunden.
Couver stellte sich auf die Hinterbeine und strich mit der Zunge über Dakras Schnauze. Dann ging sie.
Gleißendes Licht umhüllte sie.
Es zog sich zurück, nur um eine tiefe Schwärze hervorzubringen.
Ein Augenzwinkern später lag sie auf weichen Stoff. Neben ihr schliefen Waikoula und Lisoua.
Zufrieden fiel Couver in einen traumlosen Schlaf.

Die Sonne schien ihr fröhlich ins Gesicht und weckte sie auf. Lisoua war schon unterwegs, Waikoula lag noch neben ihr.
Couvers Magen begann lautstark zu protestieren. Sie hatte lange nichts mehr gegessen. Ihre Schwester öffnete die Augen, blinzelte und schmatzte.
“Na ? Hast du gut geschlafen ?”, fragte Couver.
“Ja. Du... Oooh !! Du bist wieder bei Bewusstsein ! Das ist tooooll !!! Du hast bestimmt fünf Tage geschlafen !!”
Couver war zwar etwas entsetzt über die lange Schlafenszeit. Schnell jagte sie den Gedanken fort.
Waikoula sprang sofort auf und gemeinsam rannten sie unter Drachenbäuchen zu dem Futterraum.
Schnell schnappten sie sich ein besonders großes Stück Fleisch und ließen es Krossen. Bevor der Feueryuánsù es verbrennen konnte, rissen sie es ihm vom Tisch.
Genüsslich verspeisten sie es auf einer kleinen Steinerhebung. Dabei lachten und alberten sie fröhlich herum.
Die Sonne stieg immer weiter. Die beiden bekamen das gar nicht mit und wäre Lisoua nicht gekommen, wären sie zu spät zum Unterricht erschienen.
Außer Atem stürzten sie in den Klassenraum. Chila schaute sie genervt an. “Das hat ja gedauert. Setzt euch bitte.”
Schnell huschten sie auf ihre Plätze.
“So, da wir alle anwesend sind kann es losgehen. Ich denke es ist bald soweit, dass ihr euren Elementtyp erfahren werdet, und das praktisch. Bereitet euch also darauf vor, dass das Element in euch, zum Vorschein kommt.”
Begeisterung brach in der Klasse auf. Es war ein unvergesslicher Moment, wenn plötzlich sein Element aus einem herausbrach.
Wildes Gebrabbel erfüllte den Raum. Chila lächelte. Sie wusste wie es ihnen erging.
“Also, jetzt kehrt bitte wieder Ruhe ein. Ihr müsst ja wissen wie das alles abläuft.
Sobald ihr euer Element habt, kommt ihr in eine spezielle Lerngruppe. Dort wird euch eure Kraft nahegebracht und ihr lernt mit ihr umzugehen. Bei einigen von euch es sicher länger dauern, bis ihr es habt. Bis dahin unterrichte ich euch weiter.”
Erneut wurde es laut.
“Haay !!! Seid leise ! Ich rede und ihr seid still. Wir beginnen mit dem Unterricht”, tadelte Chila die kleinen Drachen.
Nach qualvollen vier Stunden hatten sie endlich Sport. Begeistert rannten alle, gefolgt von Chila, auf die große Wiese.
Sie war größtenteils eben, nur eine Fläche war bergig. In einer anderen Ecke stand ein Wald.
Heute sollten sie ihre Schnellflug-Künste verbessern. Dazu errichtete Chila einige Eissäulen. Um diese mussten sie dann so schnell wie möglich herumfliegen.
Damit wurde die ganze erste Stunde gefüllt. Zum Glück würden sie jetzt gegeneinander fliegen. Die Übung machte allen Drachen am meisten Spaß. Als Erster war Kaajo dran. Er trat gegen einen etwas älteren, aus einem anderen Wurf an. Mit Leichtigkeit ließ Couvers Bruder seinen Gegner hinter sich. Eingebildet rühmte er sich für seinen schnellen Flug und achtete gar nicht auf die Wettkämpfe der anderen. Waikoula verlor gegen Ginger, ihre Schwester.
Dann folgten die anderen.
Zu letzt flog Couver gegen ihre Schwester Fou. Sie war die Schnellste aller Schlüpflinge und ein ehrbarer Gegner. Nie schummelte sie, einzig ihr Geschick und ihre Schnelligkeit führten sie zum Sieg. Sogar Kaajo wagte es nicht sie herauszufordern, aus Angst zu verlieren.
Gleichgültig nickte Fou Couver zu.
Der Startschuss - eine blaue Feuerfontäne - erhellte kurz die Umgebung. Blitzartig schossen die beiden davon. Zuerst lag Couver vorne, doch langsam holte Fou auf.
Und schon flog sie an ihr vorbei. Verbissen schlug Couve noch schneller mit den Flügeln. Der Wendepunkt kam. In einer eleganten Drehung zischten die beiden um die Eissäule. Nur noch ein Bisschen bis zum Ziel.
Noch einmal legte sie zu. Gleichzeitig rasten sie über die Ziellinie.
Erschöpft lagen sie auf dem Boden.
“Das war wohl ein Unentschieden. Aber ihr ward heute eindeutig die Schnellsten”, flötete Chila.
“Ihr könnt auch gehen. Morgen wieder um die selbe Zeit an der Klasse. Wer allerdings sein Element im Laufe des Tages bekommt, geht bitte zu den Sonnenfelsen, weiter im Süden.”
Keuchend hatte Couver sich aufgesetzt. Waikoula kam auf sie zu und lobte sie großzügig für das Ergebnis.
Der Rest des Tages verlief ereignislos, keiner hatte das Glück sein Element zu bekommen.
Auch die nächsten Tage waren nichts besonders spannend.
Doch der Jetzige brachte einige Überraschungen mit.
Morgens rannte Fou überglücklich über die große Wiese vor dem Höhleneingang. “Was hat die denn ?”, fragte Couver Waikoula daraufhin.
“Weißt du es etwa noch nicht ? Fou ist eine Wasseryuánsù !! Ist das nicht cool ?! Ginger ist übrigens eine des Typs Feuers !”
Verdattert suchten Couvers Blicke nach ihren Schwestern. “Glaubst du bei uns ist es auch bald soweit ?”
“Bei mir vielleicht schon, ich spüre so ein Kribbeln im Bauch”, strahlte Waikoula.
Neugierig horchte sie in sich hinein.
Nichts.
Enttäuscht schüttelte sie sich.
Bald, bald, sagte sie sich.
“Couver !”
Angewidert fuhr sie herum.
Vor ihr stand Kaajo mit seinen Anhängseln.
“Was willst du, Kaajo ?”
“Ach, das weißt du nicht ? Schau her !!”
Ein blödes Grinsen lag auf seinen Lippen.
Misstrauisch musterte sie ihn.
Plötzlich erhob sich unter ihr ein Hügel.
Erschrocken starrte sie nach oben und stolperte zurück.
“Was war das ?”
“Das war ich du Dummerchen.” Kaajo schaute sie verächtlich an. “Ich habe mein Element schon, und duuu ??”
“Nein, hab ich nicht.” Kühl sah sie ihm in die Augen.
Hochnäsig trat er auf sie zu. Felsen bildeten sich aus dem Boden heraus und stiegen in die Luft. Gefährlich rauschten sie schnell auf Couver zu.
Mit einem geschickten Sprung zur Seite konnte sie sich retten.
“Och, wie schade. Da hab ich dich wohl verfehlt...”
Erneut bildeten sich Felsen.
Plötzlich ertönte eine Stimme.
“Hör sofort damit aus !! Lass sie in Ruhe !!”
Ein matt-roter Drache stellte sich schützend vor die Schwarze.
“W-Waikoula...”, stotterte sie.
“Nein, Couver, jetzt beschütze ich DICH. Zu lange hast du MIR immer geholfen, ich bin dir was schuldig.”
“DU willst MICH aufhalten ? Das will ich sehen !!” Höhnisch lachte er auf.
Waikoula schrie auf. Feuer explodierte um sie herum und eine Hitzewelle erfasste alle. Erstaunt wurde sie angegafft.
Sicher schritt sie auf Kaajo zu. Ihr Maul öffnete sich, ein Feuerstrahl schoss auf ihn zu.
Kurz bevor das Feuer ihn traf errichtete er eine Mauer aus Gestein. Verärgert stieß sich Waikoula vom Boden ab und flog um ihn herum. Wieder und wieder krachten Feuersalven auf ihn nieder, immer konnte er knapp ausweichen.
Wütend stieß sie ein Kampfgebrüll aus. Dann sauste sie auf ihn zu. Kurz vor ihm hielt sie an, hing für eine Millisekunde in der Luft. Doch das reichte um ihren Bruder aus der Fassung zu bringen, diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte sie und spie ein letztes mal Feuer.
Ein direkter Treffer.
Die Luft roch nach verbranntem Fleisch.
Wimmernd lag Kaajo am Boden, seine Schuppen schwarz, seine Würde weg.
Mit offenem Mund wurde Waikoula angeschaut.
“Na los, bringt ihn zur Heilerin.”
Emotionslos ging sie davon. Der Kampf war kurz gewesen, aber er hatte seine volle Wirkung entfaltet.
Couver rannte ihrer Schwester nach.
“Das war klasse !! Du hast ihn richtig zerstampft !! Ich bin echt stolz auf dich.”
Zuerst war sie still, dann platzte es aus ihr heraus: ”Ich weiiiiß !! Ich war selbst überrascht von mir !!”
Sie alberten den ganzen Tag herum und machten Faxen.
Abends kam ihre Mutter auf sie zu.
“Kleine ?”
“Ja Mama ?”
“Komm mal mit, ich muss dir was erzählen...”
“Hm... okay.” Couver trottete etwas verwirrt hinter ihr her.
Sie saßen auf den Sonnenfelsen. Kein Mond erhellte die Nacht.
“Meine Kleine, du bist nicht normal. Vor langer Zeit lebte ein Drache, er war schwarz. So wie du. Ihr seid nur sehr selten.
Damals hatte Cosidor mit den Anführern der anderen Welten gemeinsam die Achte versiegelt. Bis heute hält diese Barriere.
Doch Cosidor wurde verrückt und größenwahnsinnig. Er wollte die Herrschaft Aller übernehmen. Die anderen Welten hatten aber nicht vor ihm zu folgen, also versuchte er sie mit Gewalt zu unterdrücken.”
Völlig gebannt lauschte Couver ihrer Mutter. “Und dann ?”
“Wir haben ihn getötet. Es ging nicht anders...
Du bist auch schwarz. Schizo hat Angst du wirst auch so. Er wird dich nachher holen, es dauert nicht mehr lange.
Er wird dich verbannen.”
Geschockt starrte sie Lisoua an. Wie kann das sein ? Nie würde sie versuchen andere zu unterdrücken...
So als hätte Lisoua ihre Gedanken gelesen, sagte sie liebevoll: “Ich würde niemals glauben, dass du so werden würdest. Aber dein Vater hat den Hass der anderen gegen dich geschürt. Hier würdest du nicht glücklich werden. Suche dein Glück woanders. Ich werde immer für dich da sein.”
Lisoua leckte ihr ein letztes Mal über die Schnauze. Couver tat es ihr gleich. Dann ließ sie die Kleine einfach so stehen, mit tausend Fragen auf den Lippen.
Tränen kullerten ihr über die Wangen. Hemmungslos fing sie an zu weinen. Lange lag sie so da und wurde immer und immer wieder von Heulkrämpfen geschüttelt.
Irgendwann kam Schizo auf sie zu. “Komm”, zischte er knapp.
Noch immer heulte sie heftigst. “Sei still”
An einem Vorsprung blieb er stehen.
“Flieg weg”
Zögernd stieß Couver sich ab, schlug kräftig mit den Flügeln und glitt dann über die Ebene.
Ihr Vater stürmte hinter ihr her.
“Schneller, oder willst du Schmerzen ?”
Verängstigt flog sie noch schneller.
Schizo war dicht hinter ihr.
Warum machte er das denn nur ? Alles ging so schnell, gerade erst hatte Waikoula ihr Element bekommen und nur wenig später bin ich weg...
Wieder wollte sie weinen, doch ihre Tränen waren versiegt.
Das war alle viel zu schnell. Ich hätte doch noch dableiben können, aufwachsen können.
Verzweifelt folgte sie ihrer Intuition. Sie besaß keinen blassen Schimmer, wo sich das Tor der Welten befand - es war der Zugang zum Tunnel der Zeit -.
Lange flog sie. Ihre Flügel wurden lahm, ihr Atem ging schneller.
Warum ? Warum nur ? Innerlich jammerte sie auf. Dieses Schicksal war so grausam, wie sollte sie nur Überleben ? Was war mit Waikoula ?
Fragen ohne Antworten schwirrten ihr durch den Kopf.
Verschwommen konnte sie ein schwaches Licht sehen. Das Tor der Welten !
Endlich, sie hatte es geschafft. Um ihre Kräfte zu sammeln schlug sie leichter mit den Flügeln und verlor Tempo.
Schizo kam näher und schnappte nach ihren Beinen.
Jetzt war es nicht mehr weit.
Sie flog nun so schnell sie konnte. Ihr Atem ging unregelmäßig und ihre Flügel schlugen ruckartig.
Hinter sich hörte sie das zornige Brüllen ihres Vaters.
Ein letzter kräftiger Ruck der großen Schwingen, ein letzter verhasster Schlag ihres peitschenartigen Schwanzes, der doppelt so lang war wie sie selbst und eine fatale Wirkung hatte, dann schoss sie durch das Tor. An ihrer Schwanzspitze klebte Blut. Das interessierte sie nicht.
Sie war im Tunnel der Zeit.
Allein.
Alles ging so plötzlich.
Gerade lag sie noch neben Waikoula.
Jetzt war sie im Tunnel der Zeit.
Wieder musste sie weinen.
Wieder kamen keine Tränen.
Die Lust am Leben verloren, wurde sie vom Lauf des Stroms, der hier floss, erfasst.


Die Elfe

Langsam blickte sie um sich. War da nicht eben ein Geräusch gewesen? Nein, das konnte nicht sein, sie war allein hergekommen.
Ihre Bogensehne war straff gespannt und bereit, jeder Zeit einen Bogen von der Sehne schnellen zu lassen.
Wieder raschelte es. Diesmal hinter ihr.
Ruckartig drehte sie sich um und hob den Bogen vor ihr Gesicht.
Nichts.
Skeptisch ließ sie den Bogen sinken. Irgendetwas war hier doch faul. Normalerweise zwitscherten zu dieser Jahreszeit die kleinen bunten Vögel, die sie so liebte, in den Bäumen.
Sowieso hielt sie sich viel lieber im Wald auf. Früher, als sie noch klein gewesen war, hatte sie ihre Mutter immer um Erlaubnis gebeten in den Wald gehen zu dürfen. Damals hatte sie daraufhin gelacht und ihre Tochter mit einem Klaps auf den Hintern ihre Einverständnis gegeben.
Dann rannte die Prinzessin immer so schnell sie konnte. Am Waldrand blieb sie erschöpft stehen, nur um kurz darauf freudig in den Wald zu stürmen.
Nachdem sie sich dann zur Mitte durchgekämpft hatte, erreichte sie einen kleinen Hain. Er wurde dem Waldgeist geweiht.
Noch nie hatte jemand diesen gesehen.
In den Legenden und Geschichten besaß er keine feste Gestalt. In einer war er ein mächtiger schillernder Vogel, in einer anderen ein durchscheinender Elf. Manchmal wurde er sogar dem weiblichen Geschlecht zugeordnet, dies wurde jedoch meistens vehement abgestritten.
Wie gerne wollte sie damals den Geist kennen lernen.
Inzwischen hatte sie es aufgegeben. Nie hatte sie auch nur eine Haarspitze von ihm gesehen.
Heute gab sie sich damit zufrieden. Er wollte einfach nicht, dass irgendwer von seiner Gestalt wusste. Sie kam damit klar. Es reichte ihr seine Anwesenheit zu wissen.
Eine ihr unbekannte Kraft lag zwischendurch in der Luft. Zu dieser Zeit wehte eine sanfte Briese, das Gras wirkte saftiger und die Tiere hüpften fröhlich über die Lichtung vor dem Hain.
Wie schön das immer war, fiel ihr ein. Sie musste lächeln.
Doch so schnell ihr Lächeln gekommen war, schwand es wieder.
Ein erneutes Rascheln war der Grund.
Sie wurde ungeduldig. Wann zeigte sich das verdammte Vieh endlich ?!
Ihr Wunsch wurde erhört, ohne Vorwarnung sprang eine ekelige Kreatur aus dem Busch neben ihr.
Sofort reagierte sie, wirbelte in einer eleganten Spirale zur Seite und wich so geschickt aus.
Angewidert schaute sie sich das Vieh genauer an. Es hatte schwarze große Augen und einen sabbernden Mund. Sein Körper bestand aus kaum Etwas. Nur dünne Knochen.
Innerlich stöhnte sie auf. Es war ein Gyrack und wenn einer in der Nähe war, dann konnten die anderen nicht weit sein.
Um also nicht in den Genuss seiner Artgenossen zu kommen, näherte sie sich ihm.
er begann laut zu knurren. Fies grinste sie ihn an. “Jetzt ist es aus du Biest”, fauchte sie.
Verängstigt legte er die Ohren an und duckte sich, so als hätte er ihre Worte v erstanden.
Sie zögerte. Sollte sie den Gyrack wirklich töten ?
Der Pfeil sirrte durch die Luft. Er traf sein Ziel, der Gyrack brach zusammen.
Sein Brustkorb hob und senkte sich dennoch leicht. Zweifelnd trat sie auf ihn zu.
Unsicher kniete sie sich hin. Ihre langen silbernen Haare fielen auf die haarlose Haut des Wesens unter ihr.
Unter der Berührung zuckte es leicht zusammen. Beruhigend legte sie ihm die Hand auf die Stirn. Sein Atem ging schneller und seine Augen blickten sie irritiert an.
“Schhh, ist gut, ich werde dir helfen”, flüsterte sie.
Den Bogen legte sie zur Seite und nutzte die freie Hand um sie an den Pfeil zu legen, der aus der Flanke des Tieres herausragte.
Mit einem Ruck riss sie den Pfeil raus. Der Gyrack schrie auf vor Schmerz.
Wimmernd lag er dort am Boden.
Ein Wind wehte und die silbernen Haare des Mädchens schlugen ihr ins Gesicht. Eine Träne lief ihr die Wange herunter und tropfte auf das wimmernde Tier.
Der Wind, diese Kraft...
Erwartungsvoll hob sie den Kopf. Sie spürte ihn, der Waldgeist war hier. Ihr Bauch begann zu kribbeln.
Würde sie ihn heute wirklich zu Gesicht bekommen, die Aura war stärker als sonst, das soll doch was heißen, freute sie sich.
Ein Fiepen holte sie aus ihrer Aufregung. Ihr Blick glitt nach unten und wurde traurig.
Die Wunde blutete stark. Sie konnte es hier doch nicht sterben lassen !
Entschlossen zerrte sie an ihrer Bluse und riss einen Streifen Stoff ab. Feste drückte sie ihn auf die Wunde. Nach einer stoppte die Blutung. Vorsichtig hob sie den schlaffen Körper an und wickelte den Stoff um die Verletzung.
Der kleine Gyrack war inzwischen eingeschlafen und sah so friedlich, aber immer noch abstoßend aus.
Sie betrachtete ihn genauer. Dem Körperbau zu Folge schien er noch sehr jung zu sein. Alleine würde er nicht überleben.
Wenn ein Gyrack schwer verletzt war, ließen seine Rudelmitglieder ihn liegen. So würde er verenden. Dann fiel ihr das Rudel wieder ein. Hektisch schaute sie sich um. Keine Bewegung, keinen Mucks vernahm sie. Erleichtert kehrte sie zurück zu dem verletzten Tier.
Nein, das geht nicht. Ich kann ihn doch nicht mitnehmen, dachte sie. In der Stadt sind diese Tiere verhasst. Warum hat es nicht ein Hund oder so sein können, jammerte sie innerlich, und im Keller kann ich ihn ja auch nicht halten.
Schweren Herzens stand sie auf und wollte sich umdrehen. Ein kräftiger Windstoß ließ sie anhalten. Ihre fast hüftlangen Haare flogen nach hinten und offenbarten ihre spitzen Ohren.
“Neiin”, hauchte der Wind. Irritiert sah sie sich um. Doch da war niemand.
Die Kraft kehrte mit dem Wind zurück und eine leise Ahnung beschlich sie. “Soll ich den Gyrack aufnehmen?”
“Jaa.”
“Aber das geht nicht, das würde mein Familie nicht dulden. Ich kann nicht”, erwiderte sie traurig.
“Dooch”
“Waldgeist, du verstehst nicht. Würde ich das tun hätte ich Probleme am Hals und der Gyrack würde getötet werden.”
“Waartee”, säuselte der Wind.
“Was denn ?!”, sie schrie inzwischen.
“Waartee”
Plötzlich erstrahlte die Sonne. Sie musste blinzeln.
Zwischen zwei Bäumen erschien eine Gestalt. Das grelle Licht verwehrte ihr den Blick. Aber sie wusste genau was das für eine Gestalt war. Unglaublich ! Sie würde den Geist des Waldes kennen lernen. Es war eine große Ehre. Diesen Moment wollte sie sich unbedingt ins Gehirn brennen, so wichtig war er ihr.
Sie spürte die Anwesenheit des Geistes direkt vor ihr.
Langsam wich das Grelle im Licht und sie konnte Schemen erkennen.
Ein kräftiger Körper trat auf sie zu. Große Flügel breiteten sich zu beiden Seiten aus. Eingeschüchtert durch dieses eindrucksvolle Auftreten schaute sie ehrfürchtig zu Boden. Dieser Anblick klappte ihr den Mund auf.
Mächtige Adlerklauen vorne und samtige Löwentatzen hinten kamen Schritt für Schritt näher.
Bei genauerem Hinsehen entdeckte sie etwas atemberaubendes. Jede Berührung mit dem Boden ließ Gras und Blumen unter seinen Pfoten und Klauen aufblühen. Verließen sie dann wieder die Erde, um im nächsten Moment wieder aufgesetzt zu werden, verwelkte alles was zuvor erstrahlt war.
Nun stand er direkt vor ihr. Vorsichtig hob sie den Kopf.
Sie blickte in große dunkelblaue Augen.
Nachdem sie sich von seinen Augen gelöst hatte, fiel ihr auf, dass sie in ein kluges Adlergesicht schaute. Seine Halsfedern waren dunkler als der Rest der Federn. Ein stark aussehender Schnabel säumte sein Gesicht.
Erneut schweifte ihr Blick zu seinen Augen. Sie glitzerten im Dämmerlicht wie Kristalle.
Während sie immer noch mit offenem Mund dastand, schaute der Waldgeist auf den junge Gyrack.
“Ich werde dir helfen”, sagte er, ohne auch nur mit den Mundwinkeln zu zucken. Die Worte schienen vom Wind herangetragen, es klang eher wie ein sanftes Rauschen.
Der Waldgeist schritt an ihr vorbei, auf den Gyrack zu. Vorsichtig legte er sich neben ihn. Die schwarzen Augen des Kleinen öffneten sich. Leise fiepte er den Gott vor ihm an und sein kahler Schwanz wedelte.
“Schau zu”, richtete der Waldgeist das Wort an das Mädchen. Diese war in der Zwischenzeit herangetreten.
“Du wirst ihn mitnehmen.” Eine gewisse Schärfe lag in seinen Worten, sodass sie erschreckt zurückstolperte und ein Widerwort einreichen wollte.
“Stell dich nicht so an Elfe...”, brummte der Wind genervt. Der missbilligender Blick des Greifs traf sie strafend. Danach wandte er sich jedoch dem Gyrack zu. Sein Schnabel berührte den Brustkorb an der Stelle an der das Herz saß.
Nach und nach veränderte sich die Gestalt des Tieres. Der Körper wurde kräftiger, die Beine stärker. Auf seiner schwarzen Haut begannen sich weiße Haare zu bilden und entwickelten sich zu einem weichen Plüschfell. Auch sein Kopf wurde breiter und die Augen verkleinerten sich etwas, das Schwarz der Augen wich der Farbe des Bernsteins. Der Schwanz bekam ebenfalls weißes Fell und wurde länger.
Die Schnauze wurde durch eine schwarze Nase geschmückt. Blitzende Zähne lugten aus dem Maul des Gyracks. Nun sah er vollkommen anders aus, eher wie ein Hund...
Da leuchtete ihr die ganze Aktion ein. So konnte sie den Kleinen mit nach Hause nehmen. Ihre Miene hellte sich auf.
Der letzte Teil der Verwandlung hatte begonnen, wie die Elfe bemerkte. Der Hund wurde größer. Es war sicher unglaublich anstrengend die ganzen Knochen wachsen zu lassen, dachte sie ehrfürchtig.
“Es ist vollendet, jetzt kannst du ihn mitnehmen. Doch beschütze ihn, er trägt ein Geheimnis in sich, dass du brauchen wirst. Also nutze seine Macht nicht für falsche Zwecke und hilf ihm sie zu kontrollieren.”
Er hielt eine Kralle seiner Adlerklauen in einem kleinem Abstand vor die Brust des Hundes. Ein rotbraunes Licht erhellte die Lichtung von neuem und eine winzige grüne Kugel wanderte von der Kralle zur Brust. Dort verschwand sie mit einem leisem Zischen.
Völlig von der Rolle starrte sie dieses sonderbare Geschehen an. Eine sirrende Aura lag in der Luft.
Der Waldgeist erhob sich und wollte gehen. Der neu geborene Junghund schlief friedlich auf einem dicken Büschel Gras.
“Warte !!”, rief die Elfe dem Geist hinterher.
Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um.
“Ja, kleine Elfe ?”, hauchte der Wind.
“Wie heißt du ?”
“Ich habe viele Namen, aber mein Schöpfer nannte mich Laholay. Ich bin der Gott und Geist des Waldes und der Natur. Du, junge Elfe, hast die Kraft der Natur. Auch du musst lernen, genau wie dein neuer Freund, diese Gabe die du von mir erhalten hast, zu beherrschen”, erklärte er.
“I-ich habe eine Gabe... von dir ?!”, stotterte sie.
Laholay nickte: “Du wirst eine Reise antreten und meine Geschwister werden die sicherlich begegnen. Übrigens, ich denke du wirst meiner Schwester Ninouka begegnen, du wirst bestimmt überrascht sein”, bei diesen Worten zwinkerte der Geist ihr schelmisch zu, “wenn es soweit ist, mit deiner Gabe, wirst du erfahren was geschieht. Und solltest du irgendwann einmal in großen Schwierigkeiten stecken, zögere nicht mich zu rufen. Ich werde kommen.”
“Aber wie wirst du mich hören ?”, fragte die Elfe besorgt.
Der Wind begann zu tosen und es klang wie ein weiches tiefes Lachen. “Elfe, ich bin ein Gott !!”
“Aber...”, mehr konnte sie nicht sagen, denn der Wind legte an Kraft zu. Die Bäume bogen sich stark und fast hätte es sie von den Füßen gerissen. Schnell hockte sie sich neben den schlafenden Hund und schlang schützend die Arme um ihn. Die Blätter und Blüten flogen wie ein wildes Feuer um sie herum. Schwach konnte sie noch erkennen, wie Laholay sie mit einem letzten liebevollen Blick streifte und dann zu Tausenden von weißen Blüten verwehte. Zusammen mit den Blüten der anderen Bäume bildeten sie einen Wirbel um die Elfe.
Mitten in diesem Blütentornado hockte sie verloren neben ihrem Hund.
Als sie schon dachte, er wolle sie umbringen ließ der Sturm nach. Wie auf Kommando flogen alle Blüten in eine andere Richtung und tobten spielerisch über den Baumkronen.
Eine einzige, rosa Blüte landete leicht auf der ausgestreckten Hand der Elfe. Bei der Berührung erschien ein Bild in ihrem Kopf. Ein schwarzer Drache mit grünvioletten Augen stand majestätisch auf einem Berg vor der untergehenden Sonne.
Verdutzt versuchte sie dieses Bild festzuhalten.
“Findeee siee”, dröhnte es in ihrem Kopf. Verwirrt schüttelte sie ihn. Das war doch die Stimme des Waldgeistes gewesen.
Egal, redete sie sich ein, ich muss mich um den Kleinen hier kümmern.
Sie schaute nach unten und wollte die Blüte abschütteln.
Doch ein Schreck durchfuhr sie. Die Blüte wurde von einer wunderschönen Kristallschicht umgeben. Behutsam nahm sie sie vom Boden auf und steckte sie in ihre Tasche.
“So, gehen wir nach Hause. Du musst ja schließlich gesund werden.”
Lächelnd hob sie den Hund auf und rannte los.

Zögernd stand sie am Tor von Cynth. Das war die größte Stadt in Elesmython, dem Land der Elfen.
Sie fasste allen Mut zusammen und stolzierte sicheren Schrittes durch den mit Blumen geschmückten Torbogen. Kaum hatte sie einen Fuß hinein gesetzt wurde sie auch schon stürmisch begrüßt.
“Zooooooola !!!!!”, brüllte eine kleine Elfe und kam auf sie zugerannt. Zola verdrehte gespielt die Augen. So war Zita nun mal. Man muss aber sagen, dass sie auch erst acht Jahre war, also noch ein Kind.
Zita war Zolas kleine Schwester.
Seit zwei Jahren hatte ihre Mutter, die Königin, kaum Zeit sich um Zita zu kümmern. So blieb der kleine Quälgeist an der Sechzehnjährigen hängen. Zwar sorgte Zola gerne für ihre Schwester, jedoch war es zumeist ziemlich anstrengend mit ihr. Sie steckte voller Energie und könnte jederzeit spielen.
“Zolazolazolazolazolazolazolazolaaaa !!!”, ertönte Zitas aufgeregte Stimme.
“Was ist denn ?!”, fragte Zola genervt. “Du siehst doch, dass ich keine Zeit habe, ich muss den kleinen Hund hier retten.”
Ohne auf eine Antwort zu warten rauschte sie davon und ließ die verdutzte Zita einfach stehen.
Am Palast angekommen blieb sie kurz stehen um Luft zu holen. Wieder bei Kräften lief sie erneut los.
Zwei Wachen waren vor dem Tor postiert. Sie nickten ihr zu und ließen sie passieren.
Schnell trat sie ein und ging in die Vorhalle. Sie war riesig und ging weit in die Höhe. Dort endete sie in einer großen Glaskuppel. Große Fenster, die durch ihre Mosaike das Licht brachen, erhellten den ganzen Raum. Die Wände waren schneeweiß und erstrahlten in der untergehenden Sonne so rot wie Blut. Zwei große Treppen links und rechts führten weiter nach oben. Zielstrebig nahm sie die Linke. Nun lag eine Reihe Türen vor ihr. Wieder bog sie nach links ab und nahm die letzte Tür. Sie war, anders als die anderen, aus Holz. Die Tür knarrte unheimlich unter ihrem Gewicht. Schließlich öffnete sich die schlichte Tür doch noch und es ging weiter. Ein gerader Flur lag vor ihr. Zur Rechten waren bunt bemalte Wände, die eine lange Geschichte erzählten und zur Linken konnte sie einen Blick auf den Kräutergarten ihrer Mutter werfen.
Nach einer schier unendlich langen Zeit erreichte sie eine weitere Tür. Dahinter führte eine schmale Wendeltreppen nach oben. Sie führte in ein weiteres Geschoss des Palastes.
Mehrere Türen flogen an ihr vorbei, denen sie aber keine Beachtung schenkte.
Endlich kam sie ganz oben an und stemmte eine Klappe über ihr hoch. An einer Leiter die dort hinaufführte stürmte sie hektisch in ihr Zimmer. Mit einem lauten Knall fiel sie hinter der Elfe zu.
Das Zimmer indem sie jetzt stand war sehr geräumig und rund. Die Wand bestand ebenfalls aus Glas. Von hier oben konnte sie den Garten, die Stadt, die Sonne und den Wald sehen. Ein perfekter Platz, da sie aber niemand sehen konnte.
Eilig legte sie den Hund auf dem flauschigen Teppich in der Mitte des Zimmers ab und holte aus einem Schränkchen eine braune Holzkisten. Damit kniete sie sich neben den Hund.
Aus der Box holte sie zuerst eine kleine Flasche mit einer bläulichen Flüssigkeit darin.
Die freie Hand nutzte sie um sein Maul zu öffnen und tropfte einige Tropfen der Medizin hinein. “Ich denke das wird dir helfen, es lindert die Schmerzen”, flüsterte Zola.
Daraufhin legte sie ihre linke Hand auf die klaffende Wunde, schloss die Augen und murmelte einige Worte. Auf einmal fing ihre Hand gelblich an zu glühen. Die Wunde wurde immer kleiner, bis nichts mehr von ihr zu sehen war.
Erschöpft erhob Zola sich und brachte alles zurück, wo es hingehörte. Schleichend, um den kleinen Hund nicht aufzuwecken, lief sie zur Boden Tür und kletterte hinab. Die Klappe schloss sie ab, nicht dass dem Hund etwas passiert, dachte sie, immerhin ist er noch nicht vollkommen genesen.
Unten in der Vorhalle nahm sie die mittlere Tür. Der Gang war nicht so lang und nicht so hübsch wie der zu ihrem Teil des Palastes. Schlicht gehalten und nur von einigen Öllampen erhellt, wirkte er düster.
Als sie dann schließlich den Ausgang erreichte, führten einige Stufen nach unten. Danach erreichte sie endlich das Arbeitszimmer ihrer Mutter, das ihres Vaters lag nebenan.
“Zilanda, Mutter”, fragte Zola außer Atem.
“Ja, mein Kind ? Wie kann ich dir behilflich sein, aber bitte beeil dich. Ich habe viel zu tun.”
Seufzend verdrehte Zola die Augen. “Ich wollte nur fragen, ob ich ein Haustier haben darf”, gurrte sie scheinheilig.
“Jaja, von mir aus. Frag bitte noch deinen Vater und jetzt verschwinde, ich haben zu tun.”
Missmutig trottete die Prinzessin zu der Tür rechts von ihr. Vater wird mir nie erlauben ein Haustier zu halten, ärgerte sie sich innerlich.
Das Zimmer indem sie nun stand sah genau so aus wie das ihrer Mutter, nur, dass es ein bisschen anders eingerichtet war.
“Vater ?”, brummte sie.
“Was ist Zola ?”
“Darf ich ein Haustier ?”
“Natürlich, warum nicht”, antwortete Gallas ruhig.
Die Augen seiner Tochter strahlten.
“Aber, Vater. Das hätte ich gar nicht erwartet. Früher warst du immer gegen die Tiere aus dem Wald !!”
Sie wollte schon fröhlich ihre Schwester suchen gehen als ihr Vater entsetzt aufsprang.
“Was ?! Aus dem Wald ?! Keinesfalls Zola ! Von mir aus irgendein Straßenköter aus einem nicht ganz so schönem Teil der Stadt, aber kein und wirklich nicht mal ein verletztes Vögelchen, aus dem Wald des mächtigen Waldgottes !!” Er war hochrot angelaufen und schnaufte aufgebracht, sodass Zola eingeschüchtert zurücksprang.
“Aber warum ?! Das Tier ist auch ganz lieb”, versicherte sie. Wieder näher herangetreten, erwartete sie einen weitern Anfall ihres Vaters.
“Bist du denn noch bei Verstand, Kind ?! Der Waldgott wird außer sich sein vor Wut, wenn er erfährt, dass du eines seiner Schützlinge an dich genommen hast. Bring es gefälligst zurück !! Und das ist ein Befehl, also keine Widerworte, verstanden junges Fräulein ?!”
Er schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass er fast zerbrochen wäre. Entgeistert schaute Zola Gallas an. Wie konnte er deshalb nur so ausrasten ?
Wütend stellte sich Zola vor ihn.
“Ich bin kein kleines Kind mehr !! Ich kann selbst entscheiden, ob ich mich um ein anderes Lebewesen kümmern kann und möchte ! Dagegen kannst DU gar nichts machen. Dieses kleine Tier habe ich selbst verletzt ! Zuerst wollte ich es töten, aber dann wurde ich davon abgehalten. Mir wurde gesagt, ich solle ihn mitnehmen. Ich habe jedoch erwidert, das gehe nicht, meine Familie würde das nicht dulden !! Und ich hatte Recht.
Aber weißt du was ? Er hat mir geholfen, jetzt kann ich den Kleinen behalten, es ist meine Aufgabe. ER hat ihn mir anvertraut.”
Gallas` rot wich einem gruseligen violett. Ein Grollen stieg aus seine Kehle hervor.
Langsam kam er um seinen Schreibtisch herum und stellte sich direkt vor seine Tochter.
Zu ihrem Unglück war er ein kräftiger Mann, er überragte sie mindestens um zwei Köpfe. Gegen ihn wirkte sie wie eine einfache Maus.
Ängstlich blickte sie empor in das wutverzerrte Gesicht ihres Vaters.
“Wie kannst du mich so anlügen ?! Das gehört sich einer Prinzessin nicht, nicht einmal einer Bauerstochter. Ich bin enttäuscht von dir Zola.”
Sein Gesicht war plötzlich um Jahre gealtert. Tiefe Falten lagen in seiner Stirn, dunkle Augeringe hingen unter seinen Augen, die Wangen waren eingefallen und die Haare grauer als sonst.
Wie oft wollte er sie denn noch erschrecken, fragte sich Zola ärgerlich.
“Ich habe dich nicht angelogen. Du weißt das würde ich nie tun. Irgendwann weder ich auf unserem Thron sitzen. Auch wenn mir das missfällt. Ich werde Verantwortung tragen, und glaube mir, im Moment lastet viel auf mir.
Unterschätze mich ja nicht, Vater.
Ich habe den Waldgott gesehen. Und er ist mächtig, wunderschön und Stolz. In der Gestalt eines Greif kam er auf mich zu und als er ging, wurde er zu Tausenden von Blüten verweht. Er selbst hat mich davon abgehalten das Tier im Wald liegen zu lassen.
Er hat es möglich gemacht, dass ich ihn mit nach Hause nehmen kann.”
Ernst sah sie Gallas in die Augen. Unter ihrem Blick schien er dahinzuschrumpfen.
“Aber... warum hat er sich dir gezeigt, nicht mir ? Früher war ich oft im Wald und habe auf ihn gewartet.
Nie kam er.
Nie.
Und du hast ein Tier verletzt und er kommt. Ohne einen erbärmlichen Grund”, fluchte er.
“Hör auf so über ihn zu reden !! Er ist so gut... er hat dem kleinen Tier das Leben gerettet, indem ich ihn mitnehmen konnte”, regte sich Zola auf.
“Warum konntest du ihn denn vorher nicht mitnehmen und nachdem er gekommen war schon”
“Er war ein Gyrack, Vater”, sagte sie kühl.
“Ein... ein Gyrack ?”
“Ja.”
“Und jetzt ?”
“Ein schneeweißer Hund.” Ihre Augen leuchteten bei dem Gedanken an den Kleinen auf.
Die müde Stimme ihres Vaters riss sie aus ihren Tagträumen: “Du... du darfst ihn behalten... Tut er je jemanden, der nichts verbrochen hat etwas an, ist er tot. Merke dir das !
Sage mir noch eins mein Kind, wie heißt er ?”
Eine Tonart, die sie an Hoffnung und Glück erinnerte, schwangen bei seinen Worten mit.
Zola lächelte.
“Laholay.”
Sie drehte sich um und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.
So schnell sie konnte rannte sie zu Stadttor. “Zita ?! Zita, bist du hier ?!”
Ihre Stimme hallte durch die leeren Gassen. Es war inzwischen dunkel draußen geworden und um diese Zeit sollte man im Haus sein.
Schließlich war es nicht allzu schön von einem Rudel Gyracks zerfetzt zu werden.
Hektisch suchte sie die Straßen ab, eilte durch die Stadt, zu den Lieblingsorten ihrer kleinen Schwester, den Feldern und dem Palastgarten.
Nirgendwo fand sie auch nur den einen einzigen Anhaltspunkt.
Verzweifelt ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Der Hund lag immer noch genau wie vorher auf dem Teppich.
Ihr Bett war rund und voller weicher Kissen bevölkert. Sie liebte es abends zwischen den ganzen Kissen einzuschlafen.
Was sollte sie nur machen ? Zita war weg.
Von den Wachen hatte sie erfahren, dass Zita den Palast nicht betreten hatte, seit ihrer Ankunft.
Da lag sie also, planlos und mit schlechtem Gewissen.
Es war ihre Schuld. Wegen ihr ist Zita weggelaufen.
“Zola ?”
“Ja ?” Erschrocken richtete sie sich auf. Wer hatte da gerade mit ihr geredet ? Misstrauisch schaute sie sich in ihrem Zimmer um. Niemand war da.
“Komisch”, nuschelte sie.
“Was hast du gesagt ?”
Schon wieder ! Spielte ihr Gewissen ihr etwa einen Streich ?
Das kann doch nicht sein...
“Meine Güte, ist das denn so schwer zu begreifen ? Wer ist sonst noch in diesem Raum außer du ?”
Langsam dachte Zola sie würde verrückt werden vor Schuldgefühlen und die Geister ihrer verärgerten Urahnen hören.
Ein letztes mal ließ sie den Blick durch ihr Zimmer schweifen.
Da saß er.
Der Hund.
Erwartungsvoll und mit wedelndem Schwanz blickte er sie an.
“Nein, das das kann nicht...”, murmelte sie ungläubig.
“Und ob das kann”, flötete eine Stimme in ihrem Kopf. Währenddessen erschien auf dem Gesicht des Hunde ein breites Grinsen.
Moment, konnten Hunde überhaupt Grinsen.
Nun ja, dieser hier scheinbar schon.
“Wie heißt du denn ?”, fragte Zola laut.
“Ninouk”, antwortete Ninouk in ihrem Kopf.
“Aha, Ninouk also... das hört sich fast so an wie Ninouka, nur ohne a. Der Waldgott hat mit erzählt er hat eine Schwester, die so heißt. Wusstest du das ?”
“Neiöööön”, entgegnete er überrascht.
“Na ja, hat der Waldgott dich so genannt ?”, fragte sie weiter.
“Jap”
“Und kannst du dich noch daran erinnern, dass du ein Gyrack warst ?”
“Jap, aber an mehr nicht. Gyrack sind dumme Kreaturen. Sie sind nur zum Töten und Fressen da, sonst können sich nichts. Nicht denken, keine Gefühle außer Schmerz empfinden und das Schlimmste ist: sie haben keine Namen !! Zum Glück bin ich jetzt ein hübscher Hund und habe einen hübschen Namen von Laholay bekommen. Toll oder ?!”
Ninouk erinnerte Zola etwas an ein Kleinkind, das noch die ganze Welt entdecken muss. Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
“Also, soll ich dir jetzt helfen ?”, unterbrach er ihre Gedanken.
“Was... ähm... ich... wobei den helfen ?”, stotterte sie.
“Na, deine kleine Schwester zu finden !!”
“Du kannst mir da echt helfen !!”
“Klar, ich hab doch eine super Schnüffelnase.”
“Stimmt, wo du es gerade sagst... du bist ja ein Hund.”
Zola öffnete die Bodenluke und hielt sie offen. Ninouk schlüpfte, dich gefolgt von ihr, hindurch und rannte die Treppe runter.
“Wo hast du sie zuletzt gesehen ?”, fragte er sicher.
Knapp antwortete sie: “Unten vor dem Haupttor.”
Dort angekommen lief der hübsche Hund quer über den Platz und folgte dann einer eindeutigen Spur.
Zola stockte der Atem.
Sie führte in den Wald.
Zu dieser Tageszeit wurden die Gyrack aktiv.
Und jagten.
“Wir müssen uns beeilen, Ninouk !”
Er legte daraufhin einen Zahn zu und gemeinsam spurteten sie den Waldweg entlang.
Immer wieder hörte sie ein Rascheln neben sich, ignorierte es aber.
Dann, plötzlich, ein Schrei.
Laut und klar.
Erschüttert blieb die Elfe stehen. Der Schrei fuhr ihr durch Mark und Bein. Unkontrolliert fing sie an zu zittern. Ihr Hund kam zurück und drückte sich tröstend gegen ihre Beine. Dann bedeute er ihr jedoch weiterzulaufen.
“Sonst passiert ihr noch etwas.”
Neuen Mut schöpfend rannte sie erneut los.
Nur wenig später erreichten sie die Lichtung, an der sie sich kennen gelernt hatten.
“Wir müssten gleich da sein”, hechelte Ninouk.
Und tatsächlich, Zita kam in Sichtweite.
“Zita !! Zitaaa !!”, brüllte Zola ihrer Schwester entgegen.
“Zolaaa !!! Hilf mir !! Ich habe Angst !!”
Unglücklicherweise stellte sie fest, dass Zita umzingelt war.
Umzingelt von einem Rudel Gyrack.
Ihre schwarzen Leiber tummelten sich, dürstend nach dem Blut des kleinen Mädchens, um sie herum.
“ZOLAAA !!!!!”, kreischte Zita in einem Ausbruch purer Angst. Ein Gyrack kam zischend auf sie zu. Und stand nun genau vor ihr. Ihr ganzer Körper war von Schweiß bedeckt und zitterte.
Mit einem mörderischem Kampfgeschrei zog Zola ihre zwei Schwerter und stürmte aus dei Horde dieser Monster los.
Die Schwerter bestanden aus leuchtendroten Kristall und waren edel geschwungen, unglaublich schmal. Die Griffe wurden jeweils von einer silberschimmernden Wölfin verziert. Ihre Auge stachen eisblau hervor.
Selbst der weiße Hund schoss vor.
Er stützte sich mutig auf den ersten Gegner. Dieser war völlig überrascht und vergaß sich zu wehren. Ninouk tötete ihn mit einem gezielten Biss in den Nacken.
Knochen knackten.
Schon stürmte er auf sein nächstes Opfer zu.
Auch Zola kam zu ihrem ersten Kampf. Mit der linken Klinge hielt sie den Gyrack kurz auf Abstand, dann stieß sie sich vom Boden ab und flog über ihn drüber. Gleichzeitig nahm sie das rechte Schwert und schnitt ihm damit die Rückenhaut von den Knochen. Denn sofort nachdem die Klinge im Rücken des Gyrack Halt gefunden hatte, hatte sie das Schwert leicht gedreht. Schmerzergriffen schrie er auf und sackte zusammen.
Ein weiterer Sprung und Zola stand inmitten von sechs dieser Biester. Geschickt drehte sie sich auf der Zehenspitze und zog ihre Schwerter zu sich an den Körper.
Ruckartig stieß sie sie dann vom Körper ab und riss, wie ein Klingesturm, alle Fratzen und andere Körperteile erbarmungslos nieder.
In der Zwischenzeit wurden von Ninouk zahlreiche Gyrack niedergestreckt.
Nun befanden sich noch etwa Zehn auf der Wiese.
Elfe und Hund standen Rücken an Rücken.
Ein eingespieltes Team.
“Jetzt !”, rief Zola.
Ninouk preschte los.
Zola ebenfalls.
Die Klingen flogen von einem zum nächsten Gegner. Einem schnitt sie die Kehle durch, einem anderen zertrümmerte sie mit dem Griff die Knochen.
Alle fünf waren erledigt und lagen regungslos auf dem blutgetränkten Boden.
Der Hund hatte es etwas schwieriger. Alle Gyrack griffen ihn auf einmal an. Tapfer schlug und biss er um sich, ohne Erfolg.
Plötzlich wurde einer von ihm herunter geschleudert und er sah die Elfe durch die Luft sausen. Ein Augezwinkern später kniete sie über dem Opfer, er hatte die Klingen im Schädel stecken.
Ninouk fasste neue Energie und trat den Feind über ihm mit aller Kraft weg. Schnell schraubte er sich hoch, landete auf seine blutigen Pfoten, sprang, landete auf dem Nächsten und drückte ihn mit seinem Gewicht nieder. Ein tödlicher Nackenbiss, der Gyrack erschlaffte.
Die anderen drei jaulten entsetzt auf und ergriffen mit eingezogenem Schwanz die Flucht.
Zola eilte sofort zu Zita, während Ninouk sich das überschüssige Blut abschüttelte.
“Zita ?! Geht es dir gut ?! Ist dir etwas passiert ?” Krank vor Sorge musterte Zola ihre Schwester.
Sie nickte nur stumm. Ihre Augen waren weit aufgerissen, vor Angst. “Geht es ihr gut ?”, kam Ninouks Frage bei Zolas Gedanken an.
“Ja.” War die knappe Antwort.
“Lass uns zurück zum Palast gehen... sonst kommen sie noch zurück.”
Ninouk schaute sie wartend an.
Sie stand auf und nahm Zita auf den Arm.
Schnell rannten sie durch das Dickicht.
Manchmal wäre sie fast gegen einen Baum gerannt, hätte ihr Hund sie nicht gewarnt. Seltsamerweise konnte er für einen Hund unglaublich gut sehen, auch im Dunkeln.
Durch seine Nase und sein Sehrvermögen kamen sie heil am Haupttor an. Zwischendurch sahen sie in den Gassen funkelnde Augen, die sie bedrohlich anblitzten.
Im Palast nahmen sie die rechte Treppe, eigentlich war es egal welche, da beide am Ende zusammenliefen.
Dann die Tür ganz rechts. Schnell, ohne viele Stufen, erreichten sie Zitas Zimmer.
Vorsichtig legte Zola sie auf das kleine Bett und deckte sie zu.
Sie pfiff kurz leise durch die Zähne und Ninouk ging zur Tür. Sie löschte noch das Licht, dann wollte sie die Tür schließen.
“Zola ?”. flüsterte Zita ängstlich.
Zola drehte sich noch mal um.
“Ich will nicht alleine sein...”
Wortlos, aber mit einem beruhigenden Lächeln auf den Lippen, nahm sie
Zita und trug sie in ihr eigenes Zimmer, Ninouk lief hinter ihr her.
Die enge Wendeltreppe hinauf, durch die Luke und wieder legte sie die kleine Elfe in ein Bett. Schnell schlüpfte sie noch ins Bad und duschte unter dem heißen Wasser einer nahegelegenen Quelle, zog sich etwas anderes an und badete den roten Hund.
Nachdem er trocken war, hüpfte Zola ins Bett. Sie wollte schon einschlafen, als sie Ninouks bettelnden Blick bemerkte.
“Na komm schon”, murmelte sie.
Freudig sprang er zu ihr unter die Decke.
Alle kuschelten sich eng zusammen und schliefen beruhigt ein. Das letzte was Zola spürte, war das gleichmäßige Atmen von Zita und Ninouks kuscheliges Plüschfell.
Am nächsten Morgen durchflutete die Sonne das Glaszimmer. Zufrieden räkelte sich der weiße Hund in dem warmen Licht.
Gemächlich stand er auf und streckte sich. Sein Magen gab ein unzufriedenes Brummen von sich.
Eilig stupste er Zola an, die auch sogleich ins Badezimmer schlenderte. Dort wusch sie sich das Gesicht und schaute sich anschließend im Spiegel an. Ihre Haare hingen leicht lockig bis fast zu ihren Hüften herab und glänzte silbern. Ihr Gesicht sah jedoch ganz anders aus. Sie machte einen müden Eindruck. Na toll, innerlich stöhnte sie auf. Das musste sie unbedingt wegkriegen.
In eine große Wanne aus schönem Stein ließ sie das eiskalte Wasser einer Grundwasserquelle einlaufen.
Währenddessen ging sie mit Ninouk durch die Bodenluke und nahm die Tür weiter rechts. Auch dieser Raum war, wie so ziemlich jeder ihres Bereichs, lichtdurchflutet. Sie ging zu einem großen Schrank, öffnete ihn und holte ein eiskaltes Stück Fleisch heraus. Auf einem Brett schnitt sie es klein und füllte die Würfel in eine große Schale.
“Du hast bestimmt Hunger, oder, mein Kleiner ?”
Lachend stellte sie die Schale auf den Boden und schaute zu wie Ninouk sie gierig leer fraß.
“Eine Schüssel Wasser stell ich dir gleich oben hin, okay ?”
Erfreut nickte er.
“Komm einfach gleich nach, ich lasse die Bodentür offen.”
Damit verließ sie die Küche und ging zurück ins Bad, dort entledigte sie sich ihrer Kleider und tauchte ein in das kalte Nass.
Ninouk hatte endlich aufgefressen und sprang durch die Bodentür in Zolas Zimmer. In einer Ecke fand er dann auch den Wassernapf. Das Wasser war köstlich, kalt und klar.
Die Pfützen aus denen er früher getrunken hatte waren dreckig und voller Schlamm. Er hätte nicht gedacht, dass er in so einen Genuss kommen würde.
Zufrieden lief er zu dem flauschigen Teppich, drehte sich mehrmals um sich selbst und legte sich dann zusammengerollt hin.
Einige Zeit später sah er wie Zola erfrischt aus dem Bad kam. Sie hatte sich neue Sachen angezogen. Eine violette Bluse und eine kurze Lederhose. Ihre Schwerter hingen fest an ihrer Seite, eins links, das andere rechts. Um ihren Hals hing eine wunderschöne silberne Kette. Sie besaß einen ebenfalls silbernen Anhänger, der einen fein gearbeiteten Wolfskopf darstellte. Nur ihre Haare waren noch etwas verwuschelt.
Als hätte sie gehört, was er gedacht hat, griff sie sich an den Kopf und verschwand schon wieder im Bad.
Der Bogen und der Köcher lagen an der Bodentür. Jederzeit griffbereit.
Zita schlief noch immer tief und fest im Bett.
Neugierig betrachtete er sie näher. Auch ihre Haare waren silbern, aber glatt und nicht so lang.
Ihre Haut war leicht rosig und das Gesicht noch rund.
Sie war ein aufgewecktes Mädchen, pfiffig und eigenwillig. Vermutlich ging sie Zola oft auf die Nerven. Wenn sie etwas nicht bekam, was sie haben wollte, nörgelte sie anscheinend nur rum. Belustigt grinste Ninouk in sich hinein.
Schneller als erwartet, erschien Zola aus dem Bad. Ihre Haare glänzten wie Seide und fielen leicht lockig über ihren Rücken. Ein Seitenscheitel verdeckte eines der wunderhübschen eisblauen Augen. Leichte silberne Sprenkel stachen aus ihnen hervor.
Wie wohl meine Augen inzwischen aussehen mögen, fragte er sich.
Interessiert dies herauszufinden stand er auf. In seiner Wasserschüssel erblickte er sein Spiegelbild.
Sein Fell, reinweiß.
Seine Augen, bersteinfarben.
Hübsch, dachte er.
Mehr wollte er nicht wissen.
“Ninouk, kommst du Süßer ?”, rief Zola ihm zu.
Der weiße Hund stürmte freudig hinter ihr durch die Bodentür.
Die Stadt war voll von Elfen, die Geschäfte und Marktstände gut gefüllt. Zola schlenderte gelassen die Straßen entlang. Vor dem Wirtshaus “Zum schwarzen Pferd” blieb sie stehen. Zuerst wollte sie weitergehen, dann entschied sie sich doch dort hineinzugehen. Dei Luft war stickig und rauchig. An den runden Holztischen saßen teils seltsam aussehende Gestalten. Misstrauisch beobachtete er sie. Es schien, als sei Damenbesuch hier nicht oft vertreten. Gierige Blicke schlängelten sich an Zolas zierlicher, aber doch starker Figur entlang.
Ninouk schloss eilig zu ihr auf und legte die Ohren an. Jedem der sie auch nur ansah warf er einen giftigen Blick zu. Manchmal unterstützte er ihn zusätzlich mit einem tiefen Knurren.
Selbstsicher schritt Zola vorbei an den Gaffern. Freundlich grüßte sie den Wirt. Dieser nickte ihr gleichgültig zu.
“Könntest du mir gleich ein Brot, ein Stück Wurst und ein Glas Purasaft und für ihn hier eine Schüssel Wasser bringen ?”, fragte sie den Wirt.
“Natürlich, Zola”, brummte er.
Ganz hinten in der Ecke war noch ein Tisch frei. Hungrig setzte sich Zola auf den Stuhl. Den anderen rückte sie etwas vom Tisch ab. Erfreut hüpfte Ninouk auf den Stuhl.
Ein magerer Mann, nein, eher ein Bengel, kam auf sie zu und stellte ein Tablette mit den bestellten Sachen auf dem Tisch ab.
“Dankeschön”
“J-Ja gerne”, stotterte er.
Schnell huschte er davon.
Zola nahm die Schüssel und stellte sie vor Ninouk ab. Mit dem Messer schnitt sie ein Stück Brot ab. Die Wurst halbierte sie.
Zu Ninouks Freude erhielt er die andere Hälfte und verschlang sie mit wenigen Bissen. Zola schmunzelte, dann aß auch sie.
Das Frühstück war einfach, aber sie mochte es nicht morgens mit ihren Eltern zu frühstücken. Es gab immer irgendwelche kulinarischen Köstlichkeiten. Der jungen Elfe war das zu viel. Ihr war es nicht einleuchtend, warum sie, als Prinzessin, etwas anderes als die anderen Elfen essen sollte.
Zola schob den Stuhl zurück und pfiff kurz durch die Zähne. Sofort sprang Ninouk auf und lief hechelnd an ihre Seite. An der Theke suchte sie nach dem fleischigen Wirt.
Er war nirgends zu sehen.
Missmutig wartete sie.
Auf einmal verdeckten ihr zwei starke Hände die Sicht. Erschreckt fuhr sie zusammen.
Alarmiert legte Ninouk die Ohren an, sträubte sein Nackenfell und richtete seine Route auf.
Er fing bedrohlich an zu knurren und schlich auf den fremden Mann, der Zola belästigte, zu.
Der Mann, obwohl, er war noch sehr jung, fiel ihm auf, wich zurück und stellte sich schützend vor Zola.
Was soll das, fauchte Ninouk in sich hinein, sie gehört mir ! Ich bin da um sie zu beschützen !
Sein Fell sträubte sich mehr und mehr, seine Augen glühten vor Zorn. Ein wildes Knurren entfuhr seiner Kehle und ohne Vorwarnung warf er sich, zähnefletschend, gegen diesen Kerl.
Er würde Zola vor dem Typen beschützen, komme was da wolle !
Der Typ schrie auf. Ninouk hatte sich fest in seinen rechten Arm verbissen. Vergeblich wollte der Kerl ihn abschütteln. Doch er ließ nicht los, knurrend und sabbernd kämpfte er um seine Zola.
Blut floss an seinen Lefzen herab.
Dies bewirkte, dass er nur noch mehr angestachelt wurde.
Ein Schlag traf ihn am Kopf.
Benebelt lockerte er seinen Biss. Der Typ versuchte den Arm aus diesem zu lösen, sofort war Ninouk wieder voll da und packte fester zu als zuvor.
Schon wieder begann der Typ auf ihn einzudreschen.
Mutig hielt er den Prügeleien stand.
Blut klebte an der Hand des Typen, vermutlich hatte er fest auf seinen Kopf geschlagen.
“Nínouk, aus !! Filjan, hör sofort auf !!” Zola stellte sich entschlossen zwischen die beiden. “Seid ihr eigentlich völlig verrückt geworden ?!!” Außer sich vor Wut stellte sie sich genau vor den Typen, den sie gerade Filjan genannt hatte, und knallte ihm eine. Ninouk wollte schon triumphierend grinsen, als sie sich umdrehte. “Und du mein kleiner Freund, für dich wird das auch noch ein Nachspiel haben ! Jetzt kommt.” Erhobenen Hauptes stolzierte Zola aus der Tür und ließ eine starrende Meute zurück. Ergeben trotteten ihr Hund und der Typ gesenkten Kopfes hinter ihr her.
Irgendwann befanden sie sich in einem kleinen Häuschen. Es roch alles nach Kräutern und Mixturen. Auf großen Regalen standen Flaschen mit seltsamen Inhalten, teilweise zierten auch Beine, Eingeweide oder Köpfe von Tieren sie. Angeekelt verzog Filjan das Gesicht. Also echt, dachte sich Ninouk, was hat der denn für einen schwachen Magen, wenn ihn das schon anwidert.
Grinsend schüttelte er den Kopf. Zola war inzwischen hinter einem Algenvorhang verschwunden und der Typ warf ihm, Ninouk, giftige Blicke zu. Schnaubend erwiderte er sie bevor er sich letzten Endes demonstrativ wegdrehte und ihm die kalte Schulter zeigte. Langen, für Ninouks Geschmack zu lange warteten sie.
Der Erlös folgte kurz nachdem ihm diese Gedanken zu Kopf stiegen, wahrscheinlich hatte Zola seine ungeduldigen Gedanken aufgeschnappt. Schwanzwedelnd sprang er ihr entgegen, doch sie stieß ihn erbarmungslos weg. Entsetzen spiegelte sich in seinen geweiteten Hundeaugen wieder, kurz darauf folgte Ärger. Warum tat sie das ? Er hat doch nur versuch sie zu beschützen ! Ein leises Knurren entglitt seiner Kehle. Bockig legte er sich hin und faltete die Pfoten übereinander, natürlich erst nachdem er einen bösen Blick kassiert hatte. Warum musste sie auch seine Gedanken und Gefühle verstehen ? Jetzt grinste sie ihn an, woraufhin er verärgert die Augen verdrehte. Diese fixierten von nun an den Algenvorhang, dieses Zeug stank wirklich fürchterlich. Als hätten sein Starren etwas gebracht, betrat einen Moment später eine kleine dicke alte Frau den Raum. Ihr Rücken war zu einem Buckel verkommen, ihre grauen Haare waren lang und strähnig, die trüben Augen wirkten seltsam abweisend und das Kleid schien an ihrem Körper zu verrotten. Sie sah aus wie eine alte Hexe und dieser Glaube bestätigte sich nun, als sie anfing zu Sprechen. Wie Gift strömten die beißenden Worte zwischen ihren spröden Lippen hervor. Ein Schauder rutschte Ninouks Rücken herab, sie war gruselig, nein, mehr als das... Nur er fand kein passendes Wort für diese Hexe. “Was willst du, Mädchen ?”, fragte sie schon fast vorwurfsvoll.
Eine kühle Antwort folgte: “Kannst du dich um die Verletzungen der Beiden kümmern ?” Geschockt starrten Ninouk und Filjan Zola an. “Warum ??”, entfuhr es ihnen wie aus einem Munde. Ein gehässiges Lachen umspielte die Lippen der Hexe, böse Vorahnungen schlichen sich bei den zu Behandelenden ein. “Gerne, Schätzchen. Ich hatte schon viel zu lange keine Patienten mehr.” Selbstgefällig schrittete die junge Prinzessin an allen vorbei. Gleichzeitig flüsterte sie zuckersüß: “Viel Spaß, ihr wolltet es ja nicht anders.”
Angst stand in zwei der drei anwesenden Augenpaaren geschrieben. Ninouk musste zuerst dran glauben. Die Hexe packte ihn barsch am Nacken und schleifte ihn hinter sich durch den Algenvorhang. Hinter diesem war die Luft angenehmer, er schien gut durchlüftet. Bis jetzt hatte sich der Hund noch nicht wirklich um seine Verletzung gekümmert, aber nun, da es ihm bewusst wurde, flammte ein stechender Schmerz an seinem Kopf auf. Winselnd ließ er sich auf den Boden fallen und rieb mit seinen Pfoten über die Wunde. Schleimiges, bereits geronnenes, Blut verklebte sein Fell. Dieses Gefühl war widerlich, ein weiterer Schauder überkam ihn. Ohne ein Wort griff die Hexe nach seinem Nackenfell und hiefte ihn auf einen Tisch. Lederbänder schnürten seine Beine an dem schlichten Holztisch. Panisch versuchte er seinen Kopf zu drehen, unglücklicherweise wurde auch der schnell an den Tisch gebunden. Also lag er nun dort. Gefesselt. In seinem Willen eingeschränkt. Seiner Freiheit beraubt. Vielleicht gleich auch seines Lebens. Angst. Panik. Flucht. Angst. Die Furcht überwiegte. Angst. Ruhe. Ja, Ruhe. Eine beschwichtigende Ruhe breitete sich in seinem Geist aus. Langsam gebot er seinem Widerstand Einhalt, die Hexe würde ihm nichts tun. Tief blickte er in ihre Augen. Ein schwaches Leuchten erfüllte sie, ein kleines Lächeln huschte über ihre spröden Lippen.
Ruhe.
Ruhig schloss Ninouk die Bernsteinaugen. Kein Schmerz. Alles war weg. Nur Ruhe.
Vorsichtig schlug er die die Lider auf. Er lag vor dem Häuschen der Hexe auf einem Stück Leder. Erstaunt richtete er sich auf. Um seinem Kopf prankte ein weißer Verband, der die Wunde vor Dreck schützte. Neugierig tappte er ins innere des Häuschens und wartete auf eine Reaktion Filjans. Dieser war inzwischen ebenfalls zu der Hexe geschliffen worden. Er hörte aus dem Nebenraum nämlich wimmernde Geräusche. Natürlich konnte und wollte der Hund sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Neugierig schlich er auf die Algen zu, langsam schob er sie zur Seite, lugte hinein.
Filjan lag, genau wie er vorher, festgebunden auf dem Tisch und wand sich unter den Fesseln. Die Hexe beugte sich über ihn, versuchte ihn zu beruhigen. Doch er weigerte sich ihr zu fügen, woraufhin die Hexe ihm einem saftigen Schlag verpasste.
Und schon war er still.
Ninouk konnte sich vor Lachen kaum halten, winselnd lag er auf dem Boden. Eigentlich müsste die Hexe das bemerkt haben, schien es aber wohlwissend zu ignorieren. Gespannt betrat der Hund den Raum. Kühle Luft schwappt zu ihm herüber und vertrieb die widerliche Fäule des Eingangsraum aus seiner Nase. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, widmete er sich wieder Filjan und der Hexe. Diese hatte begonnen das verdreckte Fleisch aus seinem Arm zu schneiden, Ninouk erbrach sich fast bei dem Anblick. Ob sie das bei ihm auch gemacht hatte ?! Entsetzt betastete er mit der Pfote seinen Schädel, kein Stück fehlte. Misstrauisch beäugte er weiter das Geschehen. Die Hexe schlurfte zu einem Regal, mit wo sie ein Gefäß mit einem komischen Matsch heraus nahm. Anschließend trug sie den Matsch auf Filjans Arm auf. Kurz danach bildeten sich Sehnen, als sie fertiggestellt waren kamen Muskeln und Fleisch. Zum Schluss wurde das ganz mit Haut versiegelt. Neugierig geworden trat Ninouk näher, nun stand er Schnauze voran an dem Tisch, so konnte er erkennen wie ein seltsam unnatürliches Pochen den ‘neuen’ Arm durchzog. Dann bildeten sich Adern, die leicht aus der Haut hervorschimmerten. Das Werk schien vollendet, die Hexe ging aus dem Raum. Ninouk stand jetzt alleine dort herum. Plötzlich vernahm er ein minimalen Schmerzensschrei. Ruckartig drehte er seinen Kopf zu dem jungen Mann auf dem Tisch.
Filjan krümmte sich um seinen neuen Arm. Der Hund sah genauer hin und erspähte viele kleine feine Risse. Erschrocken stürmte er hinter den Algenvorhang. Hektisch schaute er sich um. Wo war sie nur ? Wo war die alte Hexe ?
Seine Frage verpuffte, als er sie in einer Ecke erblickte. Schnell rannte er auf sie zu, packte sie am Ärmel ihres Gewands und zog sie mit sich. Vor dem Tisch blieb er erwartungsvoll stehen, wartete auf ihre Hilfe.
Doch es geschah nichts. Sie blickte Ninouk nur gleichgültig an. “Diesen Kampf muss er alleine überstehen. Du hast es ja auch geschafft.” Schulterzuckend wollte sie gehen. Ninouk setzte sich fassungslos hin. Warum hat sie die Wunde nicht einfach reinigen und verbinden können ?


Nachdenklich verschwamm seine Sicht, sodass er nicht bemerkte, dass die Hexe stehen geblieben war. Langsam drehte sie sich um. “Du kannst Gedanken übertragen ?” Verwirrt zuckte Ninouk bei ihrer Stimme zusammen. Nein, eigentlich nicht, nur mit Zola reden wie auch ihr untereinander redet.. Warum hörst du meine Gedanken ? Wie gesagt war Zola bis jetzt die einzigste Elfe, mit der ich mich verständigen konnte. Und da du es scheinbar auch kannst, würdest du mir bitte deine Antwort gereichen ?

Wartend schaute er sie aus seinen klugen Augen an. Unerwartete fing sie an zu lachen.
Entgeistert starrte der Hund die Hexe mit geöffneten Maul an. Machst du dich über mich lustig ?!

, dachte er erbost. “Nein, nein. Keines Falls. Ich find es einfach nur amüsant, was du für ein neugieriger und noch dazu kluger Hund bist. So einer ist mir noch nie über den Weg gelaufen.” Beleidigt wandte Ninouk den Kopf ab. Beantworte meine Fragen und hilf Filjan. Ich will Antworten und er schafft das sowieso nicht alleine. Ich frag mich sowieso was Zola von den Typen will !

Missmutig schnaubte er abfällig.
Sich ein weiteres Lachen verkneifend, kam die Hexe endlich seinen Forderungen nach: “Ich höre deine Gedanken, weil ich es gelernt habe, und nein ich werde dir nicht sagen von wem und es ist kein Leichtes das zu lernen, man brauch eine gewisse Veranlagung. Warum Zola eine Verbindung zu dir hat, weiß ich nicht, das kannst nur du wissen. Na gut, ich werde gnädig sein und deinen Freund von seiner Qual befreien. Ach und...” Bist du von allen guten Geistern verlassen ?! Filjan ist nicht mein Freund ! Ich helfe ihm nur, weil Zola etwas, was auch immer, an ihm liegt !


“Der kleine Ninouk ist also eifersüchtig, ja ?” Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Nein !! Ich bin nicht eifersüchtig ! Ich bin ihr schließlich viel wichtiger, als dieser... dieser... diese Schweinebacke !


“Oh, jetzt wir er auch noch verbal verletzend. So geht das aber nicht, hat Zola dir keine Manieren beigebracht...” Die Hexe machte eine kurze Pause. Ninouk hatte inzwischen eine leicht rötliche Färbung im Fell, seine Augen schienen Funken zu sprühen.
Das Grinsen der Hexe wurde noch breiter und fieser, als es eh schon war. Und dann brachte sie Ninouk zum platzen : “Ach, und nein, du bist gaaar nicht eifersüchtig.” Unschuldig lächelte sie ihn an. Oooooh, wie kannst du nur !!

Ein wilder Kampfschrei entfuhr ihm. Wütend rannte er auf sie zu und sprang...
...an ihr vorbei.
Lass die Schweinebacke doch sterben. Ich sag es war, ist ja auch, deine Schuld. Dann wird sie dich und nicht mich bestrafen.


Er wollte schon erhobenen Hauptes herausstolzieren, als die Hexe ihn noch für einen Moment zurückhielt. “Ich werde ihm helfen. Ich habe gedacht er würde diese Aufgabe, das Gift zu besiegen, schaffen. Um ehrlich zu sein habe ich vermutet er schafft es schneller als du. Genug davon, das ist jetzt auch egal, aber bitte, bitte beantworte du auch mir zwei Fragen.” Ernst blickte sie ihn an. Okay, aber ich verspreche nichts.


Dankend nickte sie. “Woher wusstest du, dass er es nicht schaffen wird ? Und... warum bist du anders ?” Nachdenklich fixierte er einen weit entfernten Punkt. Ich hatte es im Gefühl. Er ist armseliger als er aussieht, sein Geist ist schwächer, als der eines Gyracks.

Verächtlich schnaubte er. Du willst bestimmt wissen, woher ich denn das wieder kann, den Geist wahrnehmen und so. Tja, kann ich dir leider nicht sagen. Eins verrate ich dir dennoch:
Ich war nicht so wie ich bin,
ich wurde gerettet.
Von einer hohen Macht,
es gibt sie wirklich.
Glaube mir,
du wirst sie sehen.
Du wirst sie spüren.
Sie ist immer da,
und wunderschön.


Kühl schaute Ninouk der alten Hexe in die Augen, als er die Zeilen aus einem alten Lied der Elfen zitierte, merke dir das, ich war anders, du würdest mich hassen. Du hättest mich getötet. Ich war nicht so wie ich bin.

Dieses Lied wurde von einem der berühmtesten elfischen Barde gesungen, kurz nachdem er es komponiert hatte, verstarb er auf unerklärliche Weise. Niemand konnte den Sinn und was genau gemeint war erfassen, einzig bestimmte Kreaturen erlangen dieses Wissen.
Mit diesen Worten verschwand er aus dem Häuschen. Zielstrebig eilte er durch die Straßen, immer wieder kamen ihm Elfen entgegen, die ihm seltsame Blicke zuwarfen. Ein weißer, herrenloser (in ihren Augen) Hund war schließlich unnormal in dieser reichen Gegend.
Nach einiger Zeit kam er an einer dunklen Gosse an. Sicher schritt er hinein. “Rischko ? Bist du da ?”, rief der Hund, auf seine verklingenden Worte hin trat ein junger Kater aus dem Schatten. Sein kurzes grau schwarz gestromtes Fell schimmerte im fahlen Mondlicht, wie glatte Seide. Über sein kühl wirkendes Gesicht zog sich quer eine große Narbe, er sagte, er habe sie sich Kampf mit einem riesigen Gyrack zugezogen, aber Ninouk hatte diese Geschichte nie wirklich geglaubt. Was konnte schon ein kleines Fellknäuel gegen einen Gyrack ausrichten...
“Was willst du ?”, seine Stimme war samtig und schmeichelte jedem Gehör.
“Mir ist langweilig...”
Belustigt blitzte ein Funke in seinen steingrauen Augen auf.
“Dir ist also langweilig, willst du spielen ?” Leicht legte er den Kopf schief und wartete.
“Nein. Wir kennen uns jetzt ungefähr acht Sonnen, solange lebe ich mein Leben als Hund. Aber ich kann dich einfach nicht richtig einschätzen, glaube ich. Zeig mir was du drauf hast, Katze.” Das eine Wort betonte er absichtlich abfällig. Herausfordernd verengte Ninouk seine Augen zu Schlitzen. Rischko ging auf diese Beleidigung nicht ein, stattdessen antwortete er: “Gerne, aber ich warne dich. Unterschätze nie die Katzen des Schattens !” Während ihm diese Worte schnurrend über die Lippen kamen, traten mehr als ein Dutzend Katzen aller Farben aus dem Schatten. Misstrauisch beäugte Ninouk sie, alle waren mit Spuren des Kampfes übersät, viele Narben und frische Blutungen zierten ihre teils zierlichen, teils kräftig, von hochbeinig bis plump. Schnaubend schüttelte er den Kopf: “Glaubst ich sei so dumm ? Ich will gegen dich kämpfen, nicht gegen eine Übermacht, die ich, zugegebener Maßen, nicht schlagen kann.”
Zustimmend nickte Rischko. “Nun gut, so sei es. Die anderen werden einen Kreis bilden, so haben wir einen Kampfplatz. Ich werde deine Herausforderung also annehmen. Aber was passiert wenn du verlierst, was höchstwahrscheinlich ist ?” Ruhig blickte der Kater den Hund an. Sein Ausdruck verriet keinerlei Gefühlsregungen.
“Denk dir etwas aus, aber ich muss dich enttäuschen, dazu wird es nicht kommen. Die Frage ist eher, was tust du wenn du verlierst ?” Ninouk sah ihm unverwandt in die kalten Augen.
“Fangen wir an”, murrte Rischko, “das führt zu nichts.” Mit einem knappen Kopfnicken bestätigte Ninouk. Rasch traten sie in den Kreis und begannen sich wie zwei wilde Tier zu umkreisen. Dann schoss Rischko vor, seine Schnelligkeit übertraf Ninouks bei Weitem, unerwartet stand er auf einmal hinter ihm. Seine scharfen Krallen sausten auf Ninouk herab, wollten ihm das Gesicht aufschlitzen. Allerdings sprang er schnell nach links, somit traf der Schlag ins Leere. Jetzt startete der Hund einen Angriff, er rannte los, geradewegs auf den Kater zu, der ihn verächtlich über diese Offensichtlichkeit verhöhnte. Kurz vor Rischko blieb Ninouk stehen, Rischko sprang siegessicher auf ihn zu, Ninouk aber warf seinen Kopf nach hinten, und vollführte einen Rückwärtssalto. Verwirrt stand Rischko an Ort und Stelle, der Hund nutzte die Gelegenheit und packte sein Nackenfell. Ein beunruhigtes Raunen lief durch die Reihen der Katzen. Nun war Ninouk es, der siegessicher war. Eon letztes Mal wollte er etwas fester zupacken, damit das Blut fließen konnte, er wollte ihm ja nicht das Genick brechen. Von oben sah er die Ohren von Rischko zucken, das selbstsichere Grinsen auf seinem Gesicht nicht. Plötzlich begannen die Umrisse des Katers mit der Umgebung zu verschmelzen. Erschrocken sprang Ninouk zurück und betrachtete das Spektakel. Der Kater löste sich immer mehr auf, seine Schemen verschwammen, seine Erscheinung verblasste. Das Letzte was die Zuschauer noch sahen war das kalte Grinsen des Anführers. Hektisch stürzte Ninouk auf die Stelle zu, wo Rischko verschwunden war. Ein leichtes Zupfen am Ohr ließ ihn aufschauen. Der Täter dieser Tat war einen einzelne Pfote. Verwirrt starrte er die in der Luft schwebende Pfote an, bis er angespannt die Luft anhielt. Eine spitze Kralle legte sich an seine Kehle. Mit nur einer kleinen Bewegung konnte der Kralle konnte er sterben. Direkt vor seinem Gesicht begann Rischko Gestalt anzunehmen. Aus dem Dunkel des Schattens formte sich sein geschmeidiger Körper, mit zwei Ausnahmen war er wie vorher. Die Pfote sie Ninouk angestarrt hatte war Rischkos, sie glitt langsam zurück an sein pfotenloses Vorderbein. Die Kralle an Ninouks Kehle erlöste ihn aus der Lebensgefahr und hing nun vor ihm in der Luft. Dann zog auch sie zurück an die andere Pfote des Katers, der jetzt mit eiserner Miene vor ihm saß.
Völlig entgeistert brach Ninouk zusammen, eigentlich hatte er nur die angestaute Wut des vorherigen Geschehens frei lassen wollen, doch was stattdessen geschehen war raubte ihm den Atem. Ernst schritt Rischko auf ihn zu. “Wir tragen nicht umsonst den Namen Schattenkatzen. Wir sind der Schatten, allerdings haben wir eine Form mit Fleisch und Blut angenommen. Nur im Schatten können wir es wagen uns frei zu bewegen. Kämen wir an einen Ort wo kein Schatten wäre, wären wir auf der Stelle tot. Nur ein kleiner, schwacher Schatten könnte uns an so einem Ort das Leben retten, jedoch: die Tiefe des Schwarz ist unser Lebenselixier. In einem tiefdunklen Schatten sind wir so stark und mächtig, wir könnten einen Gott besiegen, doch in den Normalen und vor allem in den furchtbar Hellen sind wir schwach. Der Schatten der im Moment um uns herum herrscht erscheint dir als dunkel. Doch er ist für unsere Art hellt, wir können das wahre Dunkel eines Schattens erkennen. Dies hängt auch mit der Neigung zu tun. In einer friedlichen Stadt sieht man einzig helle Schatten, in einer tyrannischen sind sie meist viel dunkler, auchwenn sie dir gleich erscheinen.”
Inzwischen hatte Ninouk sich erhoben und gespannt Rischkos Worten gelauscht. “Das heißt also, wenn du oder ihr”, er wandte sich an alle Mitglieder der Gruppe, “in der heißen Mittagssonne steht, sterbt ihr ?”
“Ja, so ist es. Nun geh junger Hund, du musst viel lernen. Außerdem macht sich eine gewisse Person Sorgen um dich, die Nacht ist bereits hereingebrochen.”
Erschrocken sprang Ninouk auf die Pfoten, schnell folgte er dem Lauf der Gasse, bevor er noch einmal stehen blieb und sich umdrehte.
“Danke.” Erstaunt sah Rischko ihn an.
“Wofür ?”, fragte er.
“Dass du mir eure wahre Gestalt offenbart hast.”
Zum ersten Mal seit Ninouk Rischko kannte sah er ihn Lächeln.
“Ich werde dir helfen, wenn du mich brauchst. Und solltest du jemals andere Welten bereisen, grüße die anderen Schattenkatzen bitte von mir. Ach ja und grüße Licca besonders lieb, ja ?” Zuerst schwankte etwas Geheimnisvolles in seiner Stimme mit, dann eine bei ihm undenkbare Zärtlichkeit, als er den Namen der Kätzin erwähnte.
Rasch rannte er zum Palast der Königsfamilie. Dort angekommen rauschte er an den ihm hinterherguckenden Wachen vorbei, hinauf in Zolas Zimmer. Es war bereits dunkel, somit legten sich dunkle Schatten über den Boden. Neben dem keuchenden Ninouk erschien eine kleine mit blitzenden Zähnen ausgestattetet Schnauze.
“Nicht hier, sondern von da wo du hergekommen bist”, hauchte die herauskommende, ihm wohlbekannte, samtige Stimme belustigt. Erschöpf drehte er sich um, spurtete den Weg zurück zu dem Haus der alten Hexe. Beim Eintreten erschlug ihn beinahe dieser widerliche Gestank, der hier immer verweilte. Angeekelt atmete er flach, suchend schaute er sich um. Weder die Hexe, noch Zola, noch Filjan sah er irgendwo, sie hielten sich bestimmt im Nebenraum auf. In diesem war die Luft um einiges angenehmer, und hier fand er auch alle drei Personen.
Als Zola Pfotenschritte vernahm drehte sie sich ruckartig um. Ihr langes Haar wirbelte dabei durch die Luft. “Ninouk !! Da bist du ja. Ich hab mir schon Sorgen gemacht !” Stürmisch rannte sie auf ihn zu und nahm ihn in die Arme. Filjan stand neben der Hexe, sein beleidigter Ausdruck war unverkennbar. Schnaubend schüttelte Ninouk Zola ab und stapfte auf Filjan zu. Seine Wut auf diesen jungen Mann hatte sich ins unermessliche gesteigert. Er war nicht der Hellste, blöd, schweinebackig, viel zu eifersüchtig und einfach nur ein Idiot. Schnaubend kam der Hund vor ihm zu Stehen.
Eine lange Schimpftirade leistete Folge. Ninouk kläffte, knurrte, jaulte und jankte ihn alles Möglich an den Kopf, was der Idiot natürlich nicht verstand. Der schaute ihn nur entsetzt an. Sorgsam darauf bedacht Zola diesen Wortgang nicht mithören zu lassen, verschloss er sich vor ihr. Bei der Hexe war es ihm egal, dass sie sich ein fieses, zustimmendes Grinsen allerdings nicht verkneifen konnte, brachte ihn kurz zum Schmunzeln.
Die Nacht lag nun schon lange über der Stadt, erst jetzt beendete Ninouk seine Schimpftirade mit einem zufriedenen Nicken. Noch einmal warf er Filjan einen kalten Blick, den er nicht missverstehen konnte, zu, dann verließ er den Raum. Zola sah die lachende Hexe fragend an, doch die schüttelte nur belustigt den Kopf.
Zusammen mit Filjan verließ die junge Prinzessin ebenfalls das gedrungene Gebäude. “Soll ich dich noch nach Hause begleiten, Liebes ?”, schleimte er. Und da fiel es ihr wie Drachenschuppen von den Augen, erst jetzt vielen ihr die vielen Schleimereien auf. Verärgert schubste ihn zur Seite. Wie hatte sie so blind sein können, und das all die Jahre ?! Jetzt wusste sie auch warum ihre Eltern ihn so mochten, er umgarnte sie ja förmlich mit seiner geheuchelten Höflichkeit. Ninouk hatte es gewusst, doch sie nicht. Schnaubend stampfte sie davon, ließ einen seltsam schauenden Filjan zurück, hinter dem wohlbemerkt eine dicke Schleimspur prankte. Bei dieser Vorstellung musste sie schmunzeln.
Am Palast angekommen rauschte sie an den verdutzten Wachen vorbei, hinauf in ihren Teil des riesigen Gebäudes. Nachdem sie die Luke durchquert hatte, blickte ihr ein kaltes Paar Bernsteinaugen entgegen. Verlegen senkte Zola den Kopf.
“Verstehst du meine Abneigung ?”, ruhig fragte er Ninouk sie.
Wissend nickte sie.
“Morgen werde ich mit meinen Eltern am Frühstückstisch über mehrere Dinge reden. Ich möchte, dass du mich begleitest.”
Die Kälte wich aus den Augen des Hundes, als die Elfe ihn begann hinter den großen Ohren zu kraulen.
Zola huschte ins Bad und machte sich bettfertig. Die silbernen Haare band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen, wusch sich und zog sich leichte Kleidung an. Schließlich im Bett angekommen, sprang Ninouk neben sie. Im Gegensatz zu diesem, der schnell einschlief, lag Zola noch lange wach. Sie dachte über alles nach was geschehen war, wie sich ihr Leben mit nur einer kleinen Begegnung komplett geändert und sich noch mehr ändern wird. Morgen würde sie mit dem Königspaar sprechen. Diesen beunruhigenden Gedanken im Hinterkopf, glitt auch sie nun in das Land der Träume.
Der Morgen graute und warme Sonnenstrahlen kitzelten die Nase der Elfe. Gähnend stand sie auf, Ninouk war wohl schon auf, denn von ihm fehlte jede Spur. Müde schleppte sie sich also ins Bad, dort nahm sie vorerst eine kalte unter dem angenehmen Quellwasser. Vor dem Spiegel machte sie ihre Haare und schaute gedankenverloren in ihre eigenen Augen. Ein Schreck durchfuhr sie. Die schwarze Pupille war nur noch ein einziger Schlitz. Verwirr blinzelte sie mehrmals, wieder schaute sie zögernd in den Spiegel. Alles war wie immer. Wahrscheinlich hatte ihr benebeltes Bewusstsein ihr eine falsche Eingebung hinterlassen. Schulterzuckend verwarf die den Gedanken. Erfrischt zog sie schnell was drüber, dann verließ sie den angrenzenden Raum, um die Küche zu betreten. Hier stieß sie auch auf Ninouk, welcher sehnsüchtig auf sein Frühstück wartete. Liebevoll lächelte ihn an.
“Dein Futter bekommst gleich erst, du musst dich wohl noch etwas gedulden.”
Beleidigt verdrehte er die Augen.
“Aber wir gehen jetzt runter, ich denke es wurde bereits aufgetischt”, beruhigte Zola ihn, worauf ein leichtes Schwanzwedeln Ninouks folgte. Ihr Wort haltend gingen sie zusammen in den prunkvollen Speisesaal der Familie. Die hohe Decke war mir hübschen Bildern von fliegenden Drachen geschmückt. Die Wände waren mit goldenen Schnörkeln verziert, die sich kunstvoll ineinander verirrten.
Tatsächlich lag das Silberbesteck griffbereit zu Tisch. Hungrig begab Zola sich an einen Stuhl der langen Tafel, neben dem Stuhl stand ein kleiner Mini-Tisch, erfreut über diese Aufmerksamkeit hüpfte Ninouk auf ihn zu und setzte sich davor.
Nur wenige Zeit später traten ihre Eltern ein, überrascht, dass ihre ältere Tochter anwesend ist, hielten sie kurz inne. Doch dann betraten sie lächelnd den Raum.
“Zita darf heute im Bett frühstücken, sie hat richtig darum gebettelt. Eine ihrer Freundinnen hat übrigens hier übernachtet”, teilte Zilanda beiläufig mit. Mühsam um ein Lächeln bemüht, zwang sie ihre Mundwinkel nach oben. Diener brachten inzwischen allerlei Köstlichkeiten und tischten sie auf. Ninouk bekam einen Extrateller mit vielen verschiedenen Fleischsorten. gierig langte er zu, diese Angewohnheit hatte er wohl seinem ehemaligen Gyrackdaseins zu verdanken. Zola griff nur zögerlich zu, sie ekelten die seltsam aussehenden Dinger, die da lagen an. Eins zum Beispiel sollte wahrscheinlich einen Fisch darstellen. Eine Glischschicht überzog die purpurroten Schuppen, die Flossen lagen abgehackt daneben, die Innereien quollen aus dem aufgeschnittenen Leib heraus und die Augen starrten ängstlich ins Leere. Angewidert schob sie sich widerwillig einen letzten Happen Brot in den Mund.
Gerade wollte sie das Wort erheben, als ihre Mutter ihr zuvor kam: “Warum bringst du Filjan nicht mal mit zum Essen ? Dein Vater und ich würden uns sehr freuen.”
Nachdenklich kaute sie auf ihrer Lippe rum. “Nun ja, darüber wollte ich mit euch sprechen. Ich habe mitbekommen, dass ihr mich mit einem Jungen aus adeligem Hause vermählen wollt. Wie ich hörte soll das Filjan sein ?”, nur zögernd kamen die letzten Worte über ihre Lippen.
Ein freudiges Nicken ihrer Mutter bestätigte die bösen Vorahnungen Zolas. Enttäuscht seufzte sie. Tief holte sie Luft...
... “Ich will ihn nicht heiraten. Er ist ein kleiner dreckiger Schleimbeutel.” Stark machte sie sich auf Protest gefasst, wurde durch ein zustimmendes Kläffen Ninouks ermutigt. Ruhig legte Zilanda ihr Besteck beiseite.
“Kind, wir möchten nur dein Bestes. Doch es steht schon so gut wie fest.”
Erschrocken kippte Zola samt Stuhl nach hinten.
“Nein !! Vergesst es ! Ich werde mich weigern diesen Kerl zu heiraten.” Trotzig erhob Zola sich. “Außerdem bin ich sowieso gleich weg.”
Zilanda hatte es die Sprache verschlagen. Erst jetzt mischte sich Gallas ein. Lautstark schluckte er seinen letzten Bissen herunter. “Lass sie gehen, Zilanda. Ich denke sie hat ihre Gründe.” Ohne Augenkontakt zu suchen schwieg er weiter vor sich hin.
Die Königin hatte sich nun wieder gefasst. Lange saß sie da und blickte ihre Tochter unverwandt an.
“Geh. Aber komm heil zurück. Ich weiß ich könnte es dir verbieten, ich weiß jedoch noch besser, dass du sowieso verschwinden würdest. Tu mir den Gefallen und bringe dich nicht in gefährliche Situationen.” Zilandas Gesicht verriet keine Gefühlsregung. Vorsichtig bewegte sich Zola auf die große Flügeltür zu, kurz bevor sie sie durchtrat drehte sie sich noch einmal um.
“Danke. Ich werde immer an euch denken. Macht euch keine allzu großen Sorgen, ich kann auf mich aufpassen.”
Gerade wollte sie endgültig gehen, als ihr Vater sie zurückhielt: “Sag Zita auf Wiedersehen, sie wird dich vermissen, dann komm bitte zuletzt in mein Büro.”
Verwirrt nickte die Prinzessin, danach machte sie sich mit Ninouk auf den Weg zu Zitas Schlafzimmer.
Zita und ihre Freundin Erilia spielten auf dem Boden, als die Zwei eintraten. Zola erntete einen überraschten Blick Erilias und einen tief traurigen von ihrer Schwester, nachdem sie ihr Vorhaben preisgab. Zita stand den Tränen nahe.
“Du darfst nicht gehen ! Du musst bleiben !”
“Nein, Kleine. Das geht nicht. Ich habe meine Gründe, versteh das doch. Ich werde aber wieder kommen, dann möchte ich sehen wie du gewachsen bist, wie du dich zu einer mutigen Frau entwickelt hast. Sei jetzt stark, im Herzen bin ich immer bei dir. Lebe wohl.”
Leicht beugte sie sich runter um ihrer kleinen Schwester einen Kuss auf die Stirn zu geben. Dann verschwand sie. Ninouk folgte ihr.
In ihrem Zimmer angekommen nahm sie eine Tasche und packte die nötigsten Dinge ein. Ein letzte Mal durchstreifte sie die herrliche Stadt Cynth. Wie zum Abschied flogen ihr einige rosa Blütenblätter entgegen. Während ihres ganzen Weges wurden sie und Ninouk von den Blüten umkreist, die lustig um sie herum tanzten. In einem kleinen Laden auf der nächsten Ecke kaufte sie einige Vorräte, schließlich machte sie sich auf dem Weg zu ihrem Vater. Die Blüten schwebten sacht davon.
Noch einmal holte sie tief Luft, dann trat sie ein. Gallas saß ruhig auf seinem Stuhl. Seine Miene war ernst.
“Zola, du hast ein großes Schicksal vor dir. Ich kann dir nicht wirklich helfen auf deinen Reisen, aber ich kann dir etwas hilfreiches geben.”
Langsam stand er auf, ging auf eine große schmucke Truhe zu. Der Schlüssel, der als Kette an seinem Hals baumelte wurde seinem Hals von seiner Hand entnommen. Sorgfältig öffnete er die Truhe. Ehrfürchtig nahm er das, das sich darin verborgen hielt auf die Handflächen. Es war lang und eingewickelt in etliche Seidentücher.
“Das ist ein Erbstück. Ich habe es von deiner Großmutter und sie von ihrem Vater bekommen. Seit Jahrtausenden schützen wir es, es wurde so gut wie noch nie verwendet, aber ich habe es im Gefühl. Du wirst es brauchen.”
Vorsichtig schlug er die Tücher beiseite. Zwei blanke Schwerter blitzten ihr entgegen. Die Klingen sahen schärfer aus, als alles was Zola je gesehen hatte. Einen Griff zierte ein weißer Drache mit mächtigen Hörnern, der andere wurde, wie ihre Jetzigen, von einem schwarzen Wolf geschmückt. Allerdings war er in einer Angriffstellung. Verzaubert starrte sie die Griffe an.
“Schau dir genau die Klingen an”, wies ihr Vater.
Ihr Blick wanderte hinab, was sie sah verschlug ihr den Atem. Vorher hatte sie es nicht bemerkt, doch die Klingen waren komplementär, wie ihr jetzt auffiel die kompletten Schwerter. Das mit dem Drachen war vollkommen weiß, das mit dem Wolf gänzlich schwarz, inklusive Klinge, Griff und Symbol. Nur ein jeweils umgekehrt farbiger Edelstein zierten die Fassungen am Schaft der Klinge.
“Die Legende besagt, dass sie nicht für unrechte Zwecke benutzt werden soll. Natürlich würde ein anständiger Mensch, nie sein Schwert unrecht gegen einen anderen erheben. Das hat sich auch mein Großvater gedacht, er war ein guter Mann. Er hat eine junge Mutter vor einem rachsüchtigen Ehemann gerettet, diesen sogar nur verwundet, nicht getötet. Doch die Klingen waren damit nicht einverstanden. Sie übten eine zerstörerische Macht aus, die ihn zum Selbstmord zwangen, die damalige Königen kniete daneben. Seitdem wurde es nie mehr zur Hand genommen, auch nicht in schweren Kriegen. Alle hatten Angst so zu enden wie er”, endete Gallas.
“Warum gibst du sie mir, Vater ? Könnte ich nicht genauso sterben ?”
Lächelnd schüttelte er den Kopf. “Nein. Du bist etwas besonderes. Ich habe es im Gefühl, außerdem vertraue ich dir. Du würdest sie nie zu etwas Unrechtem missbrauchen. Schwere Zeiten werden einbrechen, du wirst sie brauchen.”
Stolz nahm sie die Erbstücke entgegen. Schnell schwang sie sie durch die Luft, schwang sie herum. Sie lagen wie angegossen in ihren Händen. Zufrieden gab sie ihre alten ihrem Vater.
“Woher weißt du, dass schwere Zeiten kommen werden ?”, fragte Zola, während sie weiter die Schwerter bewunderte.
“Ein altes Lied über diese Erbstücke besingt, dass sie zu einer bestimmten Zeit erwachen werden. Sie werden kämpfen wollen, sie werden töten wollen, sie werden retten wollen.”
“und woran hast du das erkannt ?”, sie hatte innegehalten um ihren Vater neugierig anzublicken.
“Die ganze Kiste hat randaliert. Die Klingen in ihrem Inneren haben gewütet, nur in deiner Anwesenheit waren sie ruhig. In deiner Abwesenheit, ist die Truhe ständig herumgehüpft, konnte nicht ruhig bleiben. Von da an wusste ich es, von da an wo du zu mir gekommen bist, um dein Haustier behalten zu dürfen. Jetzt geh, es wird Zeit.”
Ohne weitere Worte scheuchte Gallas seine Tochter und ihren Hund aus dem Raum. Noch völlig überwältigt stand sie im Flur. Ninouk riss sie aus ihren Gedanken.
“Wir müssen los, dein Vater hat Recht.” Es war noch sehr früh morgens, sodass sich noch keine Bürger auf den Straßen befanden, die perfekte Gelegenheit also.
Eilig rannte sie zum königlichen Stall. Dieser war leer, folglich waren die Reittiere auf der Wiese. Hinter den Ställen befand sich eine riesige Ebene, beinahe grenzenlos. Aus ihrer Tasche kramte sie ein komisch geformtes Stück Holz. Eine wunderschöne Melodie klang aus ihr, als die Elfe hineinpfiff. In weiter Ferne konnte man plötzlich ein erfreutes Geräusch hören, kurz darauf preschte der Elfe ein prächtiges Tier entgegen. Vor ihr kam es freudig zum Stehen, woraufhin Zola ihm die Stirn kraulte.
“Ninouk, das ist Yariah. Yariah, das ist Ninouk”
Der Hund starrte hinauf auf das riesige Tier. Es war vom Rücken her mehr als ein Bisschen größer, als ein Pferd. Wirkte dennoch noch viel größer, durch das gesamte Erscheinungsbild. Das rote Fell leuchtete in der aufgehenden Sonne, wie Feuer. Die Glieder waren schmal, trotzdem muskulös. Weiße Markierungen an Schwanzspitze, Ohren und Pfoten verliehen etwas niedliches, was jedoch durch das mächtige Gebiss, die giftgrünen, gefährlich funkelnden Augen mit den schmalen Pupillen und die monströsen Krallen gebrochen wurden.
Zola bemerkte den verständnislosen Blick ihre Begleiters, sodass sie ihm erklärte: “Ach ja, du weißt das gar nicht. Elfen reiten auf den Tieren des Waldes. Meine Schwester zum Beispiel wird von einem Wildschwein begleitet. (Anmerkung der Autorin: Die Tiere sind natürlich ALLE vieeeeel größer, als sie bei uns sind !) Wird ein Kind geboren setzten es die Eltern manchmal für eine Stunde in den Wald von Laholay. Teils taucht ein Tier auf und geht eine Bindung mit dem Kind ein, sie werden dann ein Leben lang zusammen reiten. Bei mir war es, wie du siehst ein Fuchs, was allerdings sehr selten ist, sie sind sie Schnellsten und Gefährlichsten unter den Waldtieren. Wölfe wurden bei uns ja ausgerottet, sie sind noch stärker.”
“Aha. Gibt es auch Tiere, die nicht so eine Verbindung eingehen ?”
“Es gibt zwei Möglichkeiten diese Frage zu beantworten, aber beidem ist ‘ja’ die Antwort. Ich erkläre dir beides kurz. Ein Kind muss nicht zwingend ein Tier vom Waldgott zugesprochen bekommen, manchen kommen ohne diese Ehre zurück. Jetzt das andere, einige Tierarten lassen sich nicht auf Elfen ein. Das wären Gyrack oder Vögel.
Die häufigsten Arten, die eine Bindung eingehen sind Hirsche, Wildschweine, Mäuse oder Hasen. Seltener kommen Rehe oder Waschbären. Füchse und Großkatzen sind zu stolz um so etwas zu riskieren. Deshalb verstehe ich Yariah nicht... warum ist sie zu mir gekommen ? Egal, lass uns aufbrechen !”
Selbstsicher schwang Zola sich mit Leichtigkeit auf ihre Füchsin.
Kannst du mithalten, oder soll ich dich auch tragen, Ninouk ?

Eine weiche und dennoch irgendwie aggressive Stimme hallte in seinem Kopf wieder.
Ähm.... ich kann nebenher rennen

, danke Yariah. Leicht verwirrt rannte Ninouk los. Die Füchsin stürmte ihm sofort hinterher.
“Ninouk, Yariah ? Strebt das Tor der Zeit an. Wir müssen in die Welt der Drachen !”
Freudig jaulten die zwei Tiere auf und preschten, die Sonne im Rücken, gen Westen.


Sooo, ich hoffe das hat euch soweit schon mal gefallen^^ Das waren die ersten zwei Kapitel. Schreibt mir doch bitte was euch gefallen hat und was nicht.
Ich deken es wird etwas dauern bis es weitergeht, ich warne ech also schon mal vor ^^

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 19.05.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch vor allem meiner kleinen Hündin, die mich immer wieder zum Lachen bringt. =)

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