Das hier ist ein Alptraum. Anders kann ich es nicht benennen. Am liebsten wäre es mir ich würde jetzt auf der Stelle aufwachen, mir darüber klar werden, dass mein Hirn sich da nur etwas zusammen gesponnen hat, und wieder in seinen Armen liegen. So wie heute Morgen. Das Erste, das meine Augen erblickt hatten, war sein verwuscheltes Haar und sein verschlafener Blick. Ich liebe es, wenn er mir aus halb geöffneten Augen entgegen sieht und ein leises “Morgn.” murmelt. Ich muss dann jedes Mal lächeln. Doch heute hat die Erinnerung daran einen bitteren Beigeschmack. Denn ausgerechnet heute mussteer uns sozusagen “in flagranti” erwischen.
Aus diesem Alptraum hier gibt es kein Erwachen. Weil das hier keine wirren Bilder aus konfusen Gedanken sind, die mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen. Es ist die Realität und das Wissen, dass unser Geheimnis nun keines mehr ist, die mir Angst einjagen.Meine Arme schlingen sich um meinen Körper, ziehen meine Knie noch enger an meine Brust heran, nur um nicht sofort zusammenzuklappen. Doch selbst das hilft nicht.
Mein Herz rast, und alles was ich gerade fühle ist Verzweiflung und unheimliche Angst, während meine Augen starr auf meine Zimmertür blicken.Zum wiederholten Male an diesem Abend dringen Stimmen in mein Zimmer, lassen mich zusammenzucken.
Es sind laute Stimmen. Eine davon ist die meines Vaters, der sich seine Ratlosigkeit aus der Seele brüllt, während meine Mutter versucht mit ihm eine Lösung zu finden. Eine Lösung. Wie sich das anhört.Nach einer solchen habe ich auch lange gesucht, aber keine gefunden. Weil es hierfür keine gibt.Eigentlich könnte alles so einfach sein…Ich bin verliebt. Mehr als das. Ich liebe einen ganz besonderen Menschen. Jemanden, der meine gesamte Welt auf den Kopf stellt, mich dafür aber unbeschreiblich glücklich macht. Egal was er macht oder sagt… ich liebe alles an ihm. Ich könnte ihn Stunden lang betrachten und allein das würde mir schon genügen. Denn das, oder wenn er mir morgens verschlafen entgegen blickt,… diese kleinen innigen Momente zwischen uns beiden sind es, die mein Herz schneller schlagen lassen. Ist doch alles nicht so schlimm, oder?
Wenn dieser eine besondere Mensch, den ich liebe, nicht mein großer Bruder wäre. Und genau das ist das Problem, über welches unsere Eltern gerade “diskutieren” und für welches sie nach einer “Lösung” suchen. Würde nicht dasselbe Blut durch unsere Adern fließen, dann wäre das alles hier nicht so kompliziert. Dann würde die Welt auch nicht gerade untergehen. Dann wäre alles in Ordnung und wir könnten einfach zusammen sein. So wie alle anderen eben auch, ohne uns verstecken zu müssen, was sich seit heute Morgen endgültig erledigt hat.Wieder höre ich meinen Vater schreien. Nur dieses Mal noch lauter als ohnehin schon, so dass ich glaube jetzt schon unter seiner Stimmgewalt zusammenzubrechen. Mein Körper zittert und mein Herz rast auf eine Weise, die es mir schwer macht noch einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn zu atmen. Es fühlt sich an, als würde jemand von außen gewaltsam meinen Brustkorb zusammendrücken. Ein unerträgliches Gefühl, das meine Hände, meinen gesamten Körper, erzittern lässt, während alles, was ich fühle, diese erbarmungslose Kälte ist, an der ich zu erfrieren drohe. Seit ungefähr zwei Stunden sitze ich jetzt schon hier und warte. Warte darauf, dass sie uns rufen und uns ihre “Lösung” verkünden werden. Wie ein Verurteilter, der auf seine Hinrichtung wartet. So kommt es mir zumindest vor.
Und auf gewisse Weise ist das hier auch so was wie eine Hinrichtung. Denn ich weiß bereits jetzt was auf mich… auf uns… zukommen wird. Sie werden bestimmt fordern, dass wir uns von einander trennen sollen. Oder noch schlimmer, uns beide in eine Psychiatrie stecken, damit uns dort “geholfen” wird. Dann werden die uns mit Medikamenten vollpumpen, damit wir wieder “klar” denken können. Oder sie stecken mich in ein Heim oder in eines dieser Internate, damit die mir dann noch das restliche Jahr, bis zu meinem Erwachsenwerden, Vernunft einbläuen und mir diese “kranken” Gedanken aus dem Kopf schlagen sollen. Allein bei dem Gedanken an diese Szenarien wird mir schon schlecht, so dass ich das Gefühl habe mich jeden Moment übergeben zu müssen. Ich habe furchtbare Angst. Denn all die Alpträume der letzten Monate, in denen ich genau dieses Szenario unzählige Male durchlebt habe, sind heute zur Realität geworden.
Das hier, diese Warterei, erscheint mir jetzt schon unerträglich. Dabei weiß ich genau, dass das erst der Anfang ist. Gerade als ich es am wenigsten aushalte, mich schon aufrichten will, um ziellos durch mein Zimmer zu laufen, so wie ich es immer tue, wenn ich nervös bin oder Angst habe, spüre ich plötzlich Svens Hand, die nach der meinen tastet. Langsam löst sich mein Griff um meine Knie, bis sich unsere Finger schließlich in einander verhaken, während sich unsere Augen stumm begegnen.Sven sieht zerbrechlich aus, auch wenn er versucht es sich nicht anmerken zu lassen. Doch ich sehe es. In seiner Körperhaltung, aber vor allem in seinen Augen, die mir, brennend vor Schmerz und Verzweiflung, entgegen blicken.Sven ist so vollkommen anders als ich. Auf den ersten Blick wirkt er stark und erscheint den Meisten so, als wäre er unantastbar oder als gäbe es nichts auf dieser Welt, das ihn aus der Bahn werfen könnte. Dabei ist er das nicht. Wenn man genauer hinsieht, kann man erkennen, dass er in seinem tiefsten Inneren gerade zerbricht. Das sehe ich deutlich vor mir. Allein wie er da liegt. Mit angewinkelten Beinen ruht er, flach auf dem Rücken liegend, auf der rechten Seite meines Bettes und ist angestrengt darum bemüht möglichst gleichmäßig und ruhig zu atmen. Er versucht gerade für uns beide stark zu sein. So wie immer eben. Aber heute ist das was anderes. Denn, er weiß genauso gut wie ich, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch dieser Moment, in dem er meine Hand leicht drückt und wir einander auf eine Weise nahe sind, wie wir es ein Leben lang schon immer waren, bald schon Vergangenheit sein könnte. Als ich meinen Kopf leicht schief lege und mich sachte über ihn beuge, um ihm eine seiner dunklen Strähnen aus der Stirn zu streichen, fühle ich, dass seine Haut eisig kalt und sein Gesicht kreidebleich ist.
Fast so, als würde er, so wie ich, in gerade diesem Moment tausend kleine innere Tode sterben. Auch wenn alles in mir vor Verzweiflung nur so schreit, versuche ich diesen wahr gewordenen Alptraum noch so weit es geht von mir zu schieben und mir selbst einzureden, dass es nicht dazu kommen wird, dass das hier unser letzter gemeinsamer Moment als Paar sein soll. Denn irgendwo, tief in mir, habe ich noch diesen kleinen Funken Hoffnung, dass wir doch zusammen bleiben können… irgendwie.Ich will gerade etwas sagen, da höre ich sie auch schon… Die Schritte meines Vaters, die sich bedrohlich meinem Zimmer nähern. Wie in Zeitlupe hallen diese durch den Flur und hinterlassen ihr Echo in meinen Gehörgängen, so dass mir erbarmungslos klar wird, dass uns jetzt nur noch ein paar gemeinsame Sekunden bleiben. Sekunden, in denen die Angst in meiner Brust wächst, bis diese mich schließlich vereinnahmt.Meine Augen haften noch immer auf Sven, versuchen in den seinen Halt zu finden, während ich mit meiner Hand die seine noch ein Stück fester umklammere. Doch, kaum dass sich mein Herzschlag wieder für einen Sekundenbruchteil beruhigt hat, ist es das laute Knarren meiner Zimmertür, das mich hart schlucken lässt.Ich hasse dieses Geräusch. Als unser Vater schließlich vor uns steht und uns aus zusammen gekniffenen finsteren Augen entgegen sieht, steht mein Herz für einige Sekunden still. “Florian, Sven, wir haben zu reden.” verkündet er mit dunkler Stimme, während seine Augen noch immer auf uns beiden haften, uns durchbohren. Sein Blick ist finster, tadelnd und prüfend, als er erkennt, dass Svens Hand noch immer die meine fest hält. Doch, statt meine Hand loszulassen, drückt er die meine noch ein bisschen fester. Einige Sekunden sehen wir unserem Vater schweigend entgegen, bis er mich plötzlich am Arm packt und mit einem harten Ruck von Sven weg zieht. Während ich versuche mich aus seinem Griff zu lösen, bohren sich seine Finger nur noch tiefer in mein Fleisch. So tief, dass es weh tut und ich deutlich das Pulsieren meiner Adern unter meiner Haut spüren kann. “Das hat ab jetzt ein Ende!” donnert unser Vater uns eiskalt entgegen, als er abfällig zwischen uns beiden hin und her blickt. Ich weiß genau, was er damit meint. Nur weil wir uns…
“Wir haben doch nichts gemacht! Das war nur eine--” versucht Sven zu unserem Vater durchzudringen, es ihm zu erklären, doch ohne Erfolg. “ Noch habt ihr nichts gemacht! Wer weiß, was ihr sonst noch alles vor hattet!” schneidet sich die dunkle Stimme unseres Vaters mitten in Svens Worte und lässt somit jegliche weiteren Erklärungsversuche bereits im Keim ersticken. Es nutzt nichts. Wahrscheinlich wird er es nie verstehen, ganz egal, wie oft wir ihm zu erklären versuchen, dass wir uns lieben…Unbehagliches Schweigen und ein pulsierender Schmerz in meinem Oberarm ist alles, was ich in diesem Moment wahr nehme, während eine Flut verschiedenster Gefühle durch mein Inneres jagt.
Verzweiflung mischt sich mit Panik, weicht Wut und mündet schließlich wieder in Angst. Währenddessen kann ich beobachten, wie Sven beginnt all seine noch vorhandene Kraft aufzuwenden, um sich gegen unseren Vater aufzulehnen. Alles nur in dem Versuch ihm Parole zu bieten, ihn nicht erkennen zu lassen welche Gefühle tatsächlich in gerade eben diesem Moment durch seine Adern schießen. Einige stillschweigende Sekunden vergehen, in denen sie sich beide aus düsteren Höhlen entgegen sehen, bis mein Vater ein Einsehen hat und mich endlich aus seinem Griff entlässt. Mein Arm schmerzt noch immer. Doch, noch bevor ich mich wirklich auf dieses Gefühl einlassen kann, ist da etwas anderes, das meinen körperlichen Schmerz bei Weitem übersteigt. Es ist nur ein kurzer Moment. Doch allein dieser reicht schon aus, dass mein Herz von Neuem gegen meinen Brustkorb zu donnern beginnt.Ich weiß, was jetzt kommt. Und ich will es nicht hören…
“Eure Mutter und ich haben uns lange mit einander unterhalten,” beginnt er und macht eine kurze Pause, in der er uns beiden abwertend entgegen blickt, bevor er das Unvermeidliche auszusprechen beginnt: “Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass es nur eine angemessene Lösung für dieses Problem gibt.” Wieder diese Pause, die mich an den Rand des Wahnsinns treibt und meinen Herzschlag um einige unbändige Takte beschleunigt. Ich weiß nicht, ob ich mir die Ohren zu halten, oder am besten davon laufen sollte? Denn gerade jetzt wird mir alles einfach nur noch zu viel. Ich kann spüren, wie sich eine unbezähmbare Hitze in mir ausbreitet und jede Zelle meines Körpers zum Zittern bringt, so dass ich mich mit einem Mal so schwach fühle, wie noch niemals zuvor in meinem Leben. Beinahe erscheint es mir wie ein Wunder, dass ich überhaupt noch aufrecht stehe und nicht schon zusammen gebrochen bin.
“Ihr werdet euch trennen!” höre ich diese Worte, dunkel ausgesprochen, ausgedehnt durch den Raum hallen. Meine Augen sind geweitet. Denn, obwohl ich eigentlich wusste was auf mich zu kommen wird, will ich es nicht wahr haben. Ich will hören, dass das hier nur ein schlechter Scherz ist. Also flüstere ich ein leises “Trennen?”. Doch, was ich mir dabei denke ist mir gerade selbst nicht einmal bewusst. Wahrscheinlich will ich noch ein weiteres Mal in dieses Messer rennen, nur um den dadurch ausgelösten Schmerz in seiner vollen Tragweite auszukosten. “Ja, trennen! Ihr werdet euch ab heute gefälligst wieder normal verhalten!” wettert die Stimme meines Vaters mit Eiseskälte auf mich ein. Er hält die Arme vor der Brust verschränkt und auch sein Blick, eigentlich seine gesamte Körperhaltung, verrät mir, dass er in diesem Entschluss keinesfalls mit sich reden lassen wird. Dennoch, weil ich mir nicht eingestehen will, dass es aussichtslos ist oder vielleicht, weil ich es so liebe in dieses Messer zu rennen, versuche ich es von Neuem und donnere ihm ein: “Das könnt ihr nicht machen!” entgegen. Meine Stimme ist zwar laut, aber dennoch kann ich nicht verbergen, dass es langsam hinter meinen Augen zu brennen beginnt und sie deshalb einen brüchigen Klang hat. Wie angewurzelt stehe ich da, sehe meinem Vater entgegen, der mir unbeirrt aus kalten Augen entgegen sieht, während sich mein Brustkorb in schnellen Zügen hebt und wieder senkt. “Doch, können wir!” hält mein Vater mit dunkler Stimme dagegen, so dass mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter jagt. Das habe ich nun davon. Das wars dann wohl… endgültig.“Ihr könnt uns gar nichts verbieten!” hallt Svens Stimme plötzlich durch mein Zimmer und reißt mich aus meiner Resignation. Einen kurzen Moment kann ich es wieder fühlen, dieses kleine Bisschen Hoffnung, das jedoch augenblicklich wieder im Keim erstickt wird, als ich meines Vaters frostige Stimme höre: “Was ihr da macht ist krank! Und das hat gefälligst ein Ende zu haben!” “Wir sind nicht krank! Wir lieben uns und --” versucht Sven es von Neuem. Doch plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung, ist da ein lauter Knall, der den Raum erfüllt und jedes noch so leidenschaftlich gesprochene Wort erstickt. Svens Wange ist gerötet. Und für einen kurzen Moment weiß ich nicht, was ich tun oder sagen soll, bis es aus mir heraus bricht: “Wir werden uns nicht trennen! Auf gar keinen Fall! Wir haben uns nicht ausgesucht, uns in einander zu verlieben und--” “Ihr spinnt doch! Alle beide!” schneidet sich die dunkle Stimme meines Vaters sofort in meine Worte, bevor er noch hinzu fügt: “Ihr seid Brüder und habt euch gerade deshalb nicht in einander zu verlieben! So einfach ist das!” Klar, das ist alles so einfach. Man drückt nur einen Schalter und sofort lösen sich all diese Gefühle in Rauch auf. Ich kann nichts weiter tun, als ungläubig den Kopf zu schütteln. “Du kannst uns unsere Gefühle für einander nicht verbieten!” höre ich noch dumpf Svens Stimme in meinen Gehörgängen wider hallen, bevor sich die raue Stimme unseres Vaters, wie ein Echo durch meinen Schädel zieht: “Doch, kann ich! Sollte ich euch noch einmal bei euren Abartigkeiten erwischen, werde ich dich anzeigen!”Was? Nein, das ist nicht sein Ernst.Mein Herz steht still, denn ich weiß genau was das bedeutet.Bitte, lass das hier nur ein schlechter Traum sein, aus dem ich gleich wieder aufwache! Bitte!Doch der da oben erhört mich nicht. Stattdessen schneidet sich die Stimme unseres Vaters noch ein Stück tiefer in meine Eingeweide und bringt mein Herz zum bluten: “Sollte ich noch einmal so etwas wie heute Morgen sehen, dann wird mir nichts anderes übrig bleiben! Das ist nur zu eurem eigenen Schutz!”“Zu unserem eigenen Schutz?! Wir wollten es beide! Da gibt es nichts, das beschützt werden muss!” donnere ich verzweifelt auf ihn ein. Doch, er nimmt weder mein Flehen, noch die Tränen in meinen Augen wahr. “Du bist noch ein Kind! Du weißt doch nicht einmal was du da für einen Stuss redest!” “Das ist kein Stuss!” halte ich aufgebracht dagegen, bis das Einzige, das ich noch wahr nehme, ein pochender Schmerz an meiner Wange ist. Und mit einem Mal ist mir alles scheißegal. Es ist mir egal, welche Konsequenzen das für mich haben wird. Doch in dem Moment, als ich aus zusammen gebissenen Zähnen so laut als irgend möglich “Ich hasse dich!” heraus schreie, fühle ich so etwas wie Linderung. Denn, als ich in die Augen meines Vaters blicke, kann ich erkennen, dass ihm das einen Stich versetzt. Dies zu sehen ist meine Rache, für das was er da von uns verlangt. Eine Art kleiner Genugtuung für den unheilsamen Schmerz, den diese Forderung in meinem Herzen hinterlassen hat…
Über alles hat der Mensch Gewalt, nur nicht über sein Herz...
Es ist Freitag Mittag, Punkt dreizehn Uhr, als ich hier am Esstisch sitze und in meinen Teller, gefüllt mit Gemüseeintopf, starre. Ich habe dieses Gericht noch nie gemocht. Aber, es ist weniger das Essen, das mir die Laune verdirbt. Vielmehr ist es der strafende Blick meines Vaters, der mich einmal mehr streng beäugt und mir auf seine Weise damit sagen will, dass ich das Essen meiner Mutter gefälligst schätzen soll.
Eigentlich hab ich schon seit Monaten keinen wirklichen Hunger mehr. Da spielt es keine Rolle, ob es nun Gemüseeintopf oder Pizza zum essen gibt. Das Zeug schmeckt eh immer gleich. Fast so, als würde ich auf Styropor herum kauen.
Mit der Gabel in meiner Hand stochere ich lieblos in dieser Pampe rum, während mein Vater mir mit seinen Blicken, über den Tisch hinweg, ziemlich eindeutig zu verstehen gibt, dass ich mich gefälligst zusammenreißen soll. So wie ich es die letzten vier Monate bereits tue - mich zusammenreißen, meine Gefühle hinunterschlucken und ein braver Sohn sein. Ich fühl mich mehr wie eine Maschine, die zu funktionieren hat, als wie ein Mensch mit Emotionen.
Tag ein, Tag aus stehe ich auf, lasse mich von meinem Vater vor der Schule absetzen und wieder von ihm Nachhause kutschieren. Meine Freunde, besonders mein bester Kumpel Pat, wundern sich schon, was ich ausgefressen habe. Nach mehrfachem Nachhaken habe ich ihnen erzählt, ich hätte ein Mädel kennengelernt, das mein Vater für nen schlechten Umgang für mich halten würde. Deshalb diese Überwachung. Und irgendwie ist es ja auch die Wahrheit… irgendwie.
Mein Vater hat sogar seine Arbeitszeiten meinem Schulalltag angeglichen, um mich noch besser kontrollieren zu können. Und, wenn er nicht da ist, dann ist es meine Mutter, die ein Auge auf mich hat. Alles nur, damit ich ja nicht auf die Idee komme “Mist” zu bauen. Das hier ist so ätzend, unerträglich, Mehr als das. Alles in mir schreit danach hier mal rauszukommen. Hauptsache weg von hier. Am liebsten würde ich einfach meine Sachen packen und verschwinden. Aber ich wüsste nicht wohin - ohne Geld, ohne alles. Außerdem ist das keine Lösung. Zumindest nicht auf Dauer. Dank Sven habe ich das irgendwann auch mehr oder minder eingesehen. Also beuge ich mich, tue was mir aufgetragen wird und spiele den braven Sohn. Trotz aller Kontrollen und Kontaktsperren können sie mir eines jedoch nicht nehmen: Meine Gedanken, meine Erinnerungen und erst recht nicht meine Liebe zu Sven…
Ich weiß noch, wie Sven und ich draußen auf der Veranda gesessen und den Sternenhimmel beobachtet haben. Er war damals 10, oder 11 und ich 7, oder 8. So genau weiß ich das nicht mehr. Doch an eines erinnere ich mich dafür umso deutlicher. Wir lagen auf dieser Liege. Zu breit für einen allein, aber auch irgendwie zu klein für zwei. Doch für uns genau richtig. Mein Kopf lag auf seiner Brust, als ich mit meinen Augen einen der funkelnden Sterne am Himmel fixierte. Seine Hand strich sanft durch mein Haar und, wenn ich genauer darüber nachdenke, erinnere ich mich noch daran, wie ich seinem Herzschlag gelauscht habe.
Bei dem Gedanken daran muss ich lächeln.
Es war eine milde Sommernacht. Nicht zu heiß, nicht zu kalt. Genau richtig eben. Unsere Eltern saßen mit ein paar Bekannten drinnen im Wohnzimmer, tranken zusammen Wein und unterhielten sich. Ich weiß noch, wie einer der beiden Söhne dieser Bekannten zu uns raus gekommen ist und mit uns spielen wollte. Er meinte, dass ihm langweilig wäre. Aber Sven und ich dachten nicht daran mit einem der beiden zu spielen. Wozu auch? Wir hatten ja uns. Und mehr brauchten wir nicht. Der Junge war zwar beleidigt und zog eine schmollende Schnute, als wir beide den Kopf schüttelten, doch uns war das egal.
Unser Verhältnis zu einander war schon immer sehr innig. Seit ich denken kann, habe ich schon zu ihm aufgesehen. Egal was er tat, ich habe ihn dafür bewundert. Und Sven… er hat mich immer schon beschützt. Egal was auch war, ob unser Vater mich angeschrien hat, oder ob mich die anderen Kinder geärgert haben, er war immer da. Wenn ich geweint habe, war er es, der meine Tränen getrocknet und mich wieder zum lachen gebracht hat. Wenn ich nachts vor lauter Angst wegen dem Gewitter draußen zusammengekauert, unter meiner Decke verkrochen, da lag, war er es, der sich zu mir gelegt und mich so lange festgehalten hat, bis ich wieder einschlafen konnte. Ich habe ihn schon immer geliebt. Mein ganzes Leben schon. Eigentlich bereits ab dem Moment, als ich ihn das erste Mal gesehen habe…
“Erinnerst du dich eigentlich an alles in deinem Leben?” fragte ich ihn irgendwann. Ich weiß nicht, wie ich darauf kam, aber irgendwie glaube ich, dass ich wissen wollte, ob er auch so empfindet, wie ich. Langsam drehte ich meinen Kopf in seine Richtung, so dass ich ihm direkt entgegen sehen konnte, während seine Hand noch immer sanft durch meine Haare fuhr. “Nein.” meinte er und schüttelte den Kopf. “Ich schon.” gab ich ihm zu verstehen und lächelte. “Das glaub ich nicht.” Einen kurzen Moment sah er mir, den Kopf schief gelegt, irritiert entgegen. Doch ich ließ mich davon nicht beeindrucken, richtete mich auf und hockte mich ihm gegenüber auf meine Knie. “Doch, ist aber so.” sagte ich überzeugt und konnte beobachten, wie seine Augenbrauen einen Satz nach oben machten. “Ja klar.” “Nein, im Ernst. Ich erinnere mich noch, wie ich dich das erste Mal gesehen hab.” “Unmöglich.” “Doch möglich.” “Unmöglich. Niemand erinnert sich daran, was er als Baby gesehen hat.” blieb er seinem Standpunkt treu, schüttelte lächelnd den Kopf. “Ich aber schon.” Eine kurze Weile schwiegen wir, sahen uns direkt in die Augen, bis das Lächeln auf seinen Lippen breiter wurde. “Du wolltest am Anfang nicht mal deine Augen auf machen.” gestand er mir schließlich mit einem Funkeln in seinen Augen. Und, als ich mich wieder auf seiner Brust nieder ließ, gab er mir noch einen zärtlichen Kuss auf den Hinterkopf, bevor er wieder sanft mit meinen Haaren spielte und seine Fingerspitzen in ihnen vergrub.
Ab da wusste ich genau, dass er auch so empfindet wie ich und, dass das zwischen uns etwas ganz Besonderes ist…
“Florian, reichst du mir bitte das Salz?” reißt mich die Stimme meiner Mutter ziemlich unsanft aus meinen Gedanken. Verwirrt blicke ich um mich, versuche mich in der Kälte dieser Realität, die mich zunehmend erdrückt, zurecht zu finden. Es sind vielleicht nur ein paar Sekunden, doch diese reichen schon aus, um erneut den Zorn meines Vaters herauf zu beschwören. “Florian! Deine Mutter hat nach dem Salz gefragt!”
Wieder diese dunkle, kalte Stimme, die er in den letzten vier Monaten perfektioniert zu haben scheint. Und, obwohl ich das mittlerweile gewohnt sein sollte, bewirkt sie dennoch immer wieder, dass sich mein Herzschlag für eine kurze Weile ins unermessliche beschleunigt.
Wortlos und mit aufeinander gepressten Lippen, reiche ich meiner Mutter den Salzstreuer, sehe meinem Vater währenddessen durch den Augenwinkel finster entgegen.
Ich hasse ihn noch immer, wenn nicht sogar noch mehr. Ich hasse das alles hier. Seine ständige Überwachung, seine tadelnden Blicke, seine Stimme. Alles!
Das hier ist schlimmer als jedes Gefängnis. Dabei war das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir einmal ein gutes. Doch, dieser eine Vormittag hat alles verändert. Seitdem sieht er Sven und mich mit anderen Augen. Als wären wir plötzlich nicht mehr seine Söhne, sondern irgendwelche Kreaturen.
Ich weiß, dass es schwer zu verstehen ist. Aber dennoch ist es so, dass Sven und ich uns, trotz aller Überwachung und Skepsis, noch immer lieben. Und das wird sich auch nicht mehr ändern.
Sven ist mittlerweile, auf Drängen unseres Vaters, ausgezogen. So bin jetzt nur noch ich übrig. Ich mache Sven keine Vorwürfe. Er hat sein Bestes gegeben und kann nichts dafür, denn es war mehr so, dass unser Vater ihn mitten in der Nacht rausgeschmissen hat. Mit der Begründung, dass er für mich eine Gefahr darstelle, mich ausnutzen und zu Dingen “zwingen” würde, die ich nicht selbst entscheiden könnte. Und das alles nur wegen eines Kusses. Wegen eines einzigen sanften Kusses!
Ich weiß nicht, ob ich froh darüber sein soll, dass unser Vater in dieser Nacht seine Drohung mit der Anzeige nicht wahr gemacht hat? Oder ob ich wegen der räumlichen Trennung von Sven vor Sehnsucht und Trauer schreien oder weinen soll? Vielleicht hat unser Vater Sven nicht angezeigt, weil er Muffensausen bekommen hat? Oder er hat doch noch irgendwo in seiner Brust ein gutes Herz versteckt, das er aber nicht zeigt? Ich weiß es nicht. Und eigentlich ist es mir auch egal.
Ich weiß noch genau, wie ich unserem Vater in dieser Nacht, die Treppe hinunter, hinterher gehetzt bin und ihn angeschrien habe, dass er damit aufhören soll. Doch er schaute mir nur aus zusammen gekniffenen Augen entgegen und meinte, dass er mich beschützen müsse. Doch wovor beschützen?! Vor der Liebe?! Vor Gefühlen, die ich schon ein Leben lang in mir trage - seit ich denken und fühlen kann?! Immer und immer wieder habe ich auf ihn eingeschrien, bis Sven sagte: “Lass gut sein. Ist wohl besser, wenn ich geh.” Eine Weile sah ich ihm verzweifelt entgegen, während es hinter meinen Augen zu brennen begann. Ich konnte erkennen, dass es ihm genauso ging wie mir. Aber dennoch lächelte er mir sanft entgegen und nickte, was so viel heißen sollte, wie “wir packen das schon.” Dann griff Sven sich schließlich seine Sachen, die quer auf der Straße verstreut herum lagen, und ging.
Seit diesem Abend ist mir offiziell jeglicher Kontakt zu Sven untersagt. Ich darf weder mit ihm telefonieren, noch ihn besuchen. Doch inoffiziell sieht das Ganze anders aus. Wir schicken uns regelmäßig SMS, ab und an, in einem sicheren Moment, telefonieren wir auch, oder manchmal taucht er auch mal kurz auf dem Schulgelände auf, wenn ich Pause habe. Unsere Begegnungen sind kurz, doch dafür umso intensiver. Aber auf Dauer reicht das nicht. Deshalb werden wir uns morgen treffen… endlich.
Nach dem Essen und einigen Stunden stillem vor mich hin Vegetierens, ist es nun genau 19:12 Uhr. Und wieder liege ich nur stumm da und starre an die Decke. Wüsste nicht, was ich sonst tun sollte, damit die Zeit etwas schneller vergeht. Denn momentan erscheint es mir eher so, als würden sich die Zeiger auf jeder Uhr rückwärts bewegen. Eine Zeitvorspulmaschine wäre vielleicht keine so schlechte Erfindung. Dann könnte ich, statt jetzt hier zu liegen und vor mich hinzustarren, einfach die Zeit vordrehen und wäre jetzt bereits bei Sven, würde jetzt in seinen Armen liegen, mit ihm sprechen und... Aber leider gibt’s so eine Maschine nicht. Leider.
“Florian, Schatz?” vernehme ich plötzlich, leise im Hintergrund, die Stimme meiner Mutter. Als ich meinen Kopf zur Seite drehe, kann ich sehen, wie sie im Türrahmen steht und mich mit ihren besorgten Augen ansieht.
Sie macht sich Sorgen, Gedanken, wie sie mir helfen kann. Alles nur, weil ich mich immer mehr zurück ziehe, kaum noch esse und mit ihnen spreche. Bis auf das Nötigste eben. Sie wissen nicht, was in mir vor geht, haben keine Ahnung, was mir Freude und was Schmerz bereitet. Und das soll auch so bleiben. Ich habe aufgegeben es ihnen zu erklären. Wozu auch? Sie verstehen es sowieso nicht.
Noch immer sieht sie mir aus sorgenvollen Augen entgegen. Doch ich reagiere nicht, gebe keinen Mucks von mir. Langsamen Schrittes bewegt sie sich auf mich zu und lässt sich schließlich neben mir an der Kante meines Bettes nieder. Einen kurzen Moment blickt sie mir nur stumm entgegen, bevor sie sich überwindet und nach meiner Hand, welche auf meinem Bauch ruht, tasten will. Doch ich will ihre Nähe nicht, entziehe ihr deshalb sofort meine Hand und wende meinen Blick von ihr ab. Nur um starr aus dem Fenster zu blicken, wo mich ein klarer Sternenhimmel willkommen heißt. Und da sehe ich ihn wieder - diesen einen funkelnden Stern von damals. Vielleicht ist es auch ein anderer? Aber das spielt keine Rolle, denn in meinen Gedanken sitze ich gerade mit Sven draußen auf der Veranda. Er streicht mir durchs Haar, während ich dem ruhigen Klang seines Herzschlages lausche und mich von diesem in schöne Erinnerungen, als die Welt noch in Ordnung war, hineinziehen lasse…
“… Wir wollen doch nur dein Bestes.” werde ich irgendwann durch die Stimme meiner Mutter aus meiner Gedankenwelt gerissen. Ich weiß weder, wovon sie gerade spricht, noch wie lange sie mir schon aus ihren grünen Augen entgegen sieht. Ich weiß nur eines: Ich bin lieber in meiner Gedankenwelt, als hier in dieser kalten Dimension, die sich Realität schimpft.
“Florian Schatz, ich kann verstehen, wenn du auf deinen Vater wütend bist. Aber, auch wenn du es jetzt vielleicht nicht so siehst, aber so ist es am Besten. Für euch beide.” vernehme ich ihre sanfte Stimme. Und mit einem Mal verstehe ich, wovon sie da redet. “Klar, am besten.” zische ich abfällig, während ich noch immer starr aus dem Fenster blicke. “Ja. Schatz, so ist es wirklich am besten. Wir wollen euch nichts böses. Aber, was ihr beide da getan habt, ist nicht normal.” höre ich meine Mutter sanft auf mich einreden. Einen Moment setzt mein Herz aus, bevor ich tief einatme, mich überwinde und ihr schließlich doch entgegen blicke. “Klar, ihr wollt uns nichts böses. Und das hier ist besser, oder was?!” zische ich und mache eine kreisförmige Handbewegung. “Du bist noch so jung und hast noch dein ganzes Leben vor dir. Wie sollte eine gemeinsame Zukunft für euch beide denn aussehen? Das geht nicht. Desto früher ihr das einseht, desto besser ist es für euch. Ihr würdet euch so auf Dauer nur euer ganzes Leben verbauen. Glaube mir, es ist besser für euch beide, wenn ihr jetzt erst einmal etwas Abstand zu einander gewinnt und wieder zur Vernunft kommt.” erklärt sie und lächelt mir, wie immer, sanft entgegen, während es in mir abermals zu brodeln beginnt.
Klar, Abstand gewinnen, um wieder zur “Vernunft” zu kommen. Das einfachste Rezept zum Entlieben. Wenn das alles so einfach ist, warum träume ich dann trotzdem jede Nacht von ihm?! Warum wälze ich mich dann Nacht für Nacht in meinen Laken herum und will nur noch schreien?! Und warum, wenn das alles doch so verflucht einfach ist, fühle ich mich selbst jetzt, nach endlosen 122 Tagen, kein Bisschen besser, sondern mit jedem weiteren Tag nur noch schlechter, verdammt?! Warum?! Ihr wisst doch sonst auf alles eine Antwort, tobt es in mir, während meine Mutter mich noch immer liebevoll ansieht, darauf wartet, dass ich etwas sage. Doch ich schweige.
“Im Moment siehst du das vielleicht nicht so, aber irgendwann wirst du einen Menschen finden, den du lieben wirst und mit dem du dir eine gemeinsame Zukunft aufbauen kannst. Und dann wirst du all das hier vergessen haben.”
Einige Sekunden sehe ich ihr stumm entgegen, beobachte wie ihre Lippen noch immer dieses mütterlich sanfte Lächeln umspielt.
“Ja, vielleicht könnte ich irgendwann mit jemand anderem zusammen sein. Und ja, vielleicht könnte ich mir mit diesem Menschen dann auch eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Aber dennoch wird das niemals etwas daran ändern, dass ich Sven trotzdem immer lieben werde… Immer.” ist meine Antwort.
Ich glaube, so klar wie gerade jetzt, habe ich ihr das noch nie gesagt.
Den Kopf schief gelegt, sieht sie mir entgegen. Ihre grünen Augen fixieren die meinen. Ja, ich weiß was ich da gerade gesagt habe und ja, ich meine es auch so.
Einige stumme Sekunden blicken wir einfach nur in die Augen des anderen und schweigen. Und, als sie mir schließlich sanft über die Wange streicht, lasse ich ihre Nähe zum ersten Mal in den letzten vier Monaten wieder zu. Denn, ohne es aussprechen zu müssen, weiß ich, dass sie zu verstehen beginnt.
Es ist Samstag Abend, Punkt zweiundzwanzig Uhr, als ich vor diesem Hochhaus stehe und an der Fassade hinauf blicke. Das Gebäude sieht trist aus. Das hier ist so vollkommen anders als das, was ich von Zuhause gewohnt bin. Aber nichts desto trotz trennen mich jetzt nur noch wenige Meter von Sven. Mein Herz rast vor Vorfreude. Und, zum ersten Mal in den letzten vier Monaten, kann ich es wieder spüren - das Gefühl freien Glücks. Dieses sanfte Pulsieren, das die Moleküle in meinem Körper in eine angenehme Schwingung versetzt.
Ich muss lächeln.
Hier her zu kommen war alles andere als leicht. Zum Glück hat mein bester Kumpel Pat mir für heute Nacht ein Alibi verschafft. Ohne dieses wäre ich echt aufgeschmissen. Ich fühle mich schlecht dabei Pat belogen zu haben, aber ich hatte keine andere Wahl. Denn, würde mein Vater das hier herausfinden, wäre er alles andere als begeistert. Schlimmer als das. Ich will eigentlich gar nicht daran denken. Nein, heute nicht. Pat hatte glücklicherweise Verständnis für meine verfahrene Situation… mit meiner imaginären Freundin. Aber irgendwie ist das hier doch dasselbe, oder? Natürlich hat mein Vater mir gleich mal wieder hinterher spioniert und bei Pats Eltern angerufen. Was er nicht weiß ist, dass Pats Mutter in Wirklichkeit seine ältere Schwester Becca war, die am Telefon mein Alibi, dass ich heute bei ihnen übernachten würde, bestätigt hat. Und so konnte ich, nach einem einstündigen Verhör durch meinen Vater und der Auflage, mich regelmäßig bei ihm zu melden, ausnahmsweise mal raus und offiziell bei “Pat” “übernachten“.
Als ich langsam die schwere Eingangstür öffne, höre ich bereits wie, zwei Stockwerke weiter oben, eine Tür aufgeht, gefolgt von leisen Schritten, die in dem langen Flur wider hallen.
Nur noch wenige Schritte… Ein paar kurze Meter…
Schließlich oben angekommen, empfängt Sven mich auch schon mit diesem liebevollen Lächeln, während er mich sanft in seine Arme schließt. “Ich hab dich vermisst.“ höre ich ihn noch leise flüstern, als ich, so nahe bei ihm, meinen Kopf einen kurzen Moment lang in seine Halsbeuge bette und seinen Duft inhaliere, den ich so vermisst habe. Ein paar Sekunden verweilen wir so, sagen nichts. Seine Hände ziehen mich näher an ihn, fahren meinen Rücken entlang. Jede Zelle meines Körpers kribbelt, hüllt mich in eine wohlige Wärme. Und, als wir uns langsam von einander lösen, uns direkt in die Augen sehen, dauert es nicht lange, da fühle ich auch schon, wie sich seine Lippen leidenschaftlich gegen die meinen zu bewegen beginnen, während mich sein Körper ins Innere seines neuen Zuhauses zieht.
Zwei warme weiche Lippen benetzen meinen Rücken mit zärtlichen Küssen, streifen sanft meine Haut, während Fingerspitzen liebevoll durch meine braunen Haare fahren. Ich kann spüren, wie mein Körper unter Svens Berührungen zu kribbeln beginnt. Ein letzter, zart auf gehauchter Kuss mündet schließlich in meinem Nacken. als ich im Halbschlaf wahr nehme, wie die Matratze, rechts neben mir, leicht nachgibt. Ich muss nicht mal die Augen öffnen, um zu wissen, dass Sven mich gerade beobachtet, mir beim Schlafen zusieht.
Ich seufze leise, als ich wieder seine Fingerspitzen spüre, die zart über meinen Rücken fahren und sanfte Kreise auf meiner Haut ziehen. Eine angenehme Stille umgibt mich, bis sich Svens leises: “Ich liebe dich.” weich in meine Gehörgänge bettet und mein Herz schneller schlagen lässt. Eine Weile noch gebe ich mich seinen zärtlichen Berührungen und Küssen hin, seufze von Neuem, bis ich ihn schließlich ebenso leise frage: “Warum liebst du mich?”
Svens warme weiche Lippen legen sich sanft auf meinen Nacken. während seine Hand liebevoll meine linke Seite hinab streicht. “Weil mir dein Herz gehört.” ist seine Antwort, gefolgt von zwei weiteren Küssen zwischen meinen Schulterblättern. “Weil du es verdienst geliebt zu werden…”
Ich liebe den Klang seiner Stimme. Sie ist so weich, liebevoll, melodisch… Ich könnte ihr Stunden lang lauschen.
Als ich mich langsam zu ihm umdrehe und ihm in seine wunderschönen blau-grauen Augen sehe, kann ich nicht anders, als zu Lächeln. Auch seine Lippen ziert ein sanftes, vielsagendes Lächeln, das mir Wärme schenkt, mich in seinen Bann zieht.
Wortlos sehen wir einander entgegen. Blau-grün trifft auf dunkles, sehnsüchtiges Grau, lässt mich einige Minuten in seinen Augen versinken. Währenddessen streift seine rechte Hand sanft meine Wange, fährt sachte durch mein Haar. “Ich liebe dich, weil, wenn du mich ansiehst fühle ich mich, als wäre ich unbesiegbar… Das war schon immer so…” gesteht er mir, als sich seine Lippen den meinen zu nähern beginnen. So dicht vor mir, kann ich seinen warmen Atem spüren, der mir in einem gleichmäßigen Rhythmus verführerisch entgegen haucht. Und, als sich seine Lippen schließlich zärtlich auf die meinen legen und ich unter meinen Fingerspitzen seine seidigen Haare fühle, glaube ich zu schweben. Wärme umhüllt mich, vereinnahmt mich. Seine Lippen üben sanften Druck auf die meinen aus. Es ist ein unbeschreiblich zärtlicher Kuss, der so viel Gefühl beinhaltet, dass mein Herz vor Glück in meiner Brust auf und ab hüpft.
Es macht mich immer wieder sprachlos, wie Sven in einen einzigen Kuss so viel Gefühl legen kann. Wie er, ohne Worte zu verschwenden, mich an seiner Seelenwelt Teil haben lässt. Zwischen zwei Küssen kann ich Sven leise seufzen hören… ein wunderschön berauschendes Geräusch. Währenddessen tastet sich seine rechte Hand zu meinem Nacken vor, zieht mich noch ein Stück enger an sich. Seine warme Haut auf der meinen, kann ich seinen Herzschlag spüren, der gleichmäßig und ruhig gegen den meinen schlägt… als wären wir endlich angekommen. Ja, angekommen.
Langsam beginnt Sven sich wieder von mir zu lösen. Und, als er mir in meine Augen sieht, ist das der schönste Anblick meines Lebens. Seine Augen sind halb geöffnet und seine Lippen umspielt wieder dieses sanfte Lächeln, das ich so an ihm liebe. Im Schein des Mondes, der den Raum in warmes Blau hüllt, sieht seine helle Haut aus, als wäre sie aus Porzellan. Dieser Anblick raubt mir den Atem. Und dennoch schlägt mein Herz ruhig und selig vor sich hin. Weil es angekommen ist und nie wieder weichen wird. Nein, nie wieder.
“Ich liebe dich, weil, wenn ich dich berühre…,” fährt Sven fort, hält kurz inne und streicht mit seinen Fingerspitzen zärtlich über meine rechte Seite, “… dann fühlt es sich einfach richtig an… “
Behutsam bettet sich Sven auf meine Brust, sieht mir aus dunkelgrauen warmen Augen entgegen. Sachte berührt seine Hand meine Wange, fährt durch meine Haare, während er mich wortlos ansieht und liebevoll lächelt, so dass seine schönen weißen Zähne zum Vorschein kommen.
Sven sieht unbeschreiblich aus. Sein Anblick, seine Berührungen, alles an ihm ist… zu schön, um es mit Worten benennen zu können. Also schweige ich, verinnerliche das Bild, das sich direkt vor mir abzeichnet.
“Ich liebe dich auch.” flüstere ich schließlich leise, woraufhin sich Sven ein Stück aufrichtet und mir aus seinen warmen blau-grauen Augen entgegen sieht. “Warum liebst du mich auch?” “Ich liebe dich, weil, wenn ich dich berühre..,” kurz halte ich inne, lächle ihm entgegen und fahre mit meinen Fingerspitzen sanft seine Seite hinab, “… fühlt es sich einfach richtig an…” Kurz lacht Sven auf, beugt sich über mich und blickt mir sanft entgegen. “Ich liebe dich, weil man, um unsere Liebe verstehen zu können, die Welt auf den Kopf stellen müsste…” fahre ich leise fort, lasse mich von seinem Lächeln und seinen warmen Augen von Neuem vereinnahmen. Seine weiche Haut schmiegt sich behutsam an meine Brust, während meine Fingerspitzen mit seinen Haaren spielen, zu seinem Nacken wandern. Sein Kopf in meinen Händen, ziehe ich ihn enger an mich, mache kurz vor seinen Lippen Halt. “Ich liebe dich, weil ich weiß, dass du zwar mit jemand anderem zusammen sein könntest, mich aber trotzdem immer lieben wirst… Weil mir dein Herz gehört...”
Sachte über mich gebeugt, sieht Sven mir aus sehnsuchtsgetränkten dunkelgrauen Augen entgegen, während meine Hände seinen Nacken berühren, ihn enger an mich ziehen. Kurz vor meinen Lippen angekommen, hält Sven einige Sekunden inne. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Meine Atmung geht flacher. Auch Svens Brustkorb beginnt sich in immer schneller werdenden Zügen auf und ab zu bewegen, bis er die letzten zwischen uns liegenden Zentimeter überbrückt und mich zu einem leidenschaftlich und doch zärtlichen Kuss zu sich heran zieht, in den ich nur allzu gerne versinke.
Seine rechte Hand fährt meine rechte Seite entlang, macht an meiner Hüfte Halt. Auch meine Hände gleiten seinen Rücken hinab, dann wieder seine Wirbelsäule hinauf, bis ich nicht mehr an mich halten kann und Sven, mit einem sanften Ruck, unter mich befördere. Unsere Hände gehen auf Wanderschaft, ertasten Zentimeter für Zentimeter weicher pulsierender Haut, während ich seine Zunge willkommen heiße, die die meine anstupst, umkreist.
Svens rechte Hand fährt zärtlich meinen Rücken hinab, streift meine Seite, während sich seine andere Hand in meinen Haaren vergräbt und schließlich in meinem Nacken Halt macht.
Als wir uns noch ein letztes Mal von einander lösen, uns intensiv entgegen sehen, durchzuckt mich ein elektrisierender Stromschlag, so dass ich meine Lippen erneut auf die seinen lege, ihn leidenschaftlich und fordernd zu küssen beginne, so dass wir beide nicht mehr anders können und uns einander hingeben…
Tag der Veröffentlichung: 18.03.2013
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