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Zitat

Die Natur ist unerbittlich und unveränderlich, und es ist ihr gleichgültig, ob die verborgenen Gründe und Arten ihres Handelns dem Menschen verständlich sind oder nicht.

Galileo Galilei

           

Die Ulme am Hügelgrab

 

 

 

Mein Bruder verschwand an einem sonnigen Freitag im September 1921. Er hinterließ weder eine Nachricht noch Spuren, nur eine Lücke.

Bis heute, Jahrzehnte später, denke ich, dass das Merkwürdigste an diesem Vorfall nicht die Art seines Verschwindens war, sondern wie breit die Schlucht war, die er in unsere Familie riss. Es befremdet mich, dass ein Junge, der zuvor immer eine Enttäuschung für die Eltern gewesen war, auf einmal mit so viel verzweifelter Zärtlichkeit bedacht wurde. Dass man erst ihn liebte, nachdem er fort war.

 Ich erzähle die Geschichte heute nicht zum ersten Mal. Es ist jedoch das erste Mal, dass ich sie schriftlich festhalte. In der Hoffnung, dass das geschriebene Wort lauter als das gesprochene ist.

Meine Hände sind kalt, die Gelenke geschwollen. Viel Zeit bleibt mir nicht mehr, bevor mir die Gicht das Tippen auf der Schreibmaschine unmöglich macht.

Ich bin alt geworden, ohne es zu bemerken. Trotzdem will ich mich nicht beklagen. Der Winter meines Lebens ist geruhsam und friedlich. Im eigenen Haus bleiben zu dürfen, umsorgt von liebenden Verwandten, ist ein Geschenk, das ich zu schätzen weiß. Auch über meine Gesundheit will ich mich nicht beschweren. Die alten Knochen ziepen hier und da, und die Zeiten, in denen ich mit dem Rad durchs Dorf gefahren bin, sind auch vorbei. Doch solange ich mir meinen Tee zubereiten, die Rosen zurückschneiden und im Garten das Vogelhäuschen selbst auffüllen kann – rüstig, nennen mich meine Enkel -, bin ich zufrieden.

Doch soll es in dieser Geschichte nicht um mich gehen und auch nicht um den Winter. Der Frühling des Lebens ist es, von dem ich erzählen will. Von ihm und von meinem Bruder.

 

Rudolph war das älteste von uns Kindern. Meine Mutter hatte ihn acht Monate nach der Hochzeit geboren, sodass manche Dorftratsche an ihren Fingern abzählte, dass er vor der Eheschließung gezeugt worden sein musste. Erst später, als Rudi heranwuchs und sich zu diesem eigentümlichen, weltfremden Jungen entwickelte, verebbte das Gerücht der unerhört frühen Empfängnis und wurde von der Vermutung abgelöst, dass meine Mutter zu früh niedergekommen war und diese Tatsache „Einfluss“ genommen hätte.

Man sprach in dieser Zeit häufig von Einflüssen.

Auch ich blieb davon nicht verschont. Ich war das zweite Kind in der Familie, das sich nicht so recht einfügen wollte. Ein kleines Mädchen, das gescheite Bücher las und sich dafür mit dem Stopfen von Socken und dem Stricken umso schwerer tat. Kein Wunder, dass man mir schon im zartesten Alter nachsagte, dass sich nie ein Mann für mich interessieren würde.

Rudi und ich waren zwei Disteln im ansonsten sorgsam gehegten Blumenbeet, und als Pflanzen gleicher Gattung waren wir uns nah.

Die anderen Blumen, das waren unsere Brüder Franz und Georg und unsere kleine Schwester Irmgard. Sie waren nicht immer brav, nicht immer gescheit, aber doch Kinder, die den Erwartungen gerecht wurden. Kinder, deren Verhalten sich an dem anderer messen ließ und für die damals üblichen Erziehungsmethoden empfänglich waren.

Sie waren formbar.

Eine meiner frühsten Erinnerungen beinhaltet ein Gespräch, das für viele andere Modell steht, die ich später belauschte. Hässliche Dornen, die die Oberfläche des Familienlebens zerrissen und mich schon als kleines Mädchen sehr nachdenklich machten.

Es geschah an einem regnerischen Abend lange nach meiner Schlafenszeit. Quälender Durst hatte mich aus dem Bett getrieben, obwohl wir Kinder uns solche Marotten gar nicht erst angewöhnen sollten. Entsprechend behutsam und mit hochgezogenem Nachthemd, damit der Saum nicht raschelte, tappte ich durch den finsteren Flur. In der Küche brannte noch Licht, sodass ich durch den Türspalt in das geräumige Innere sehen konnte.

Mein Vater – ein kräftiger Bauer mit Stiernacken und gewaltigen Pranken – saß auf dem alten Hocker vor dem Ofen. Er schrubbte sich die Hände in Lauge. Es war Schlachttag gewesen, und Mutter wollte nicht erlauben, dass ihr ein Mann mit geronnenem Blut unter den Fingernägeln ins Bett kam.

Sie selbst stand am Arbeitstisch und knetete einen Teig, der über Nacht gehen sollte. Eine schmale Frau in ausgewaschener Schürze, unter der derbe Stiefel hervorlugten. Jedes Mal, wenn sie die Hände tief in den Teig trieb, bebten in ihrem Nacken die silberblonden Locken, die sich aus ihrem Knoten gelöst hatten.

„Schläge vom Herrn Lehrer hat Rudolph wieder bekommen“, knurrte der Vater in sich hinein, während die Seifenlauge über den Rand der Blechschüssel spritzte und den ordentlich geschrubbten Fußboden benetzte. „Der Färber-Jockel hat’s von seinen Töchtern. Aber denkst du, der Bursche hat was gesagt? Nein, kein Wort. Na, den werd ich mir vornehmen.“

Unwillkürlich kauerte ich mich hinter der Tür zusammen, als wäre ich es, die Schläge zu erwarten hatte. Ich mochte es nicht, wenn Rudi Ärger bekam.

„Das muss wohl sein“, erwiderte Mutter bedauernd. „Haben die Mädchen vom Jockel gesagt, warum?“

Grimmig betrachtete der Vater seine Finger, nur um sie erneut ins Wasser zu tauchen. „Nein, die hässlichen Gören haben sich nur lustig gemacht, wie immer.“

„Ach Gott, ja. Sie sind keine netten Kinder.“ Die fleißigen Hände kamen zur Ruhe. „Ich würde gern wissen, was vorgefallen ist …“

„Soll ich vielleicht zum Herrn Oberlehrer gehen und fragen? Du glaubst doch wohl nicht, dass der Rudolph uns eine gescheite Antwort gibt. Als hätte der Junge überhaupt je etwas Gescheites gesagt! Ich sage dir, der Teufel hat …“

Der Teig schlug auf der Holzplatte auf, als meine Mutter ihn fallen ließ. „Versündige dich nicht!“, rief sie erschrocken und mit diesem merkwürdigen Unterton in der Stimme, den ich später als Schuld erkennen würde. Sie wandte sich zum Kruzifix neben dem Fenster um und schlug rasch das Kreuzzeichen.

„Schon recht, schon recht“, murrte der Vater. „Nun sei nicht gleich wieder so. Ich halt ja schon mein Schandmaul. Aber alles, was recht ist: Der Junge ist eine Plage. Nur Ärger wird es mit ihm geben. Starrt wie ein Reh auf der Lichtung umher, hört nicht zu, kann nicht zwei und zwei zusammenzählen. Ich bin nicht einmal sicher, ob er mich versteht, wenn ich ihm etwas auftrage.“

„Das wird sich noch auswachsen. Er ist doch noch so klein.“

„Papperlapapp. Red‘ dir doch nichts ein, Elsbeth! Er ist alt genug. Und wenn ich daran denke, dass er einmal den Hof übernehmen soll, wird’s mir kreuzelend! Da kann ich ja fast besser den Stall anzünden.“

Ein Laut, kaum mehr als ein Wispern, schwebte durch den Flur und ließ mich zusammenfahren. Im ersten Augenblick befürchtete ich, dass mich einer der anderen Erwachsenen – einer der Knechte oder die Magd – beim Lauschen ertappt hätte. Ich sah mich schon auf dem Bett knien, während ich auf die strafende Hand wartete, die auf mein Hinterteil niederging.

Doch es war nur Rudi. Er stand hinter mir, die nackten Füße lang und schmal auf den unebenen Steinfliesen, das Schlafhemd falsch herum am Leib, sodass die Nähte nach außen zeigten.

Es wunderte mich nicht, dass er sich so leise angeschlichen hatte. Rudi konnte sich lautlos wie eine Katze bewegen und grinste immer stolz, wenn er einen von uns erschreckt oder unbemerkt einen Happen aus der Speisekammer gestohlen hatte.

In dieser Nacht lächelte er nicht. Seine Augen schimmerten in der Dunkelheit, der unförmig große Mund stand offen, die Arme hingen schlaff herunter. Er kam mir klein vor, wo ich ihn doch sonst immer um seine Größe beneidete – und natürlich darum, dass er schon zur Schule gehen durfte.

Obwohl ich noch so jung war, begriff ich, dass der Vater etwas ganz Schlimmes gesagt hatte. Wenn ich seinen ruppigen Worten auch nicht viel Bedeutung beigemessen hatte, sah ich doch in Rudis Gesicht, wie tief die Verachtung unseres Vaters für seinen Ältesten ging. Und wie sehr sie schmerzte.

Mein Herz brach beinahe vor Mitgefühl. Aber alles, was ich tun konnte, war seine schlaffe Hand in meine zu nehmen und sie zu streicheln.

Rudi war damals acht Jahre alt, und ich fünf.

 

Seit meiner Kindheit hat sich die Welt sehr verändert. Der Fortschritt eilt voraus, und der Mensch stolpert hinterdrein.

Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass eine Zeit kommen würde, in der es den Lehrern verboten ist, die Schüler zu schlagen? Oder in der die Regierung über das Wohl der Kinder wacht und sie den Familien aus den Hand nimmt, sollte es nötig sein?

Jungen, modernen Erziehungsberechtigten kommt das Verhalten meiner Eltern sicherlich grausam vor. Doch sie waren keine schlechten Menschen. Sie führten nur ein hartes Leben und wollten ihre Kinder auf eine ebenso harte Zukunft vorbereiten. Sie haben recht daran getan. Denn wo wären wir heute in diesem Land, wenn nicht zwei Generationen verbissener Kämpfer bereit gestanden hätten, um es nach den Kriegen wieder aufzubauen?

Für Rudolph jedoch wäre die heutige Zeit ein Segen gewesen. Eine Welt, in der man auf ihn eingeht, vielleicht Ärzte konsultiert und ihm die Möglichkeit gibt, sich frei zu entfalten.

Ich rede so schnell von Ärzten. Dabei glaube ich nicht, dass er krank war. Sein Geist war nicht zerrüttet. Er dachte nur anders. Fühlte anders. Sah vielleicht auch etwas anderes in den Umrissen der Wolken am Himmel als wir. Sein Blickwinkel war verschoben. Aber war er deswegen falsch?

Alte Menschen sprechen oft und gern von ihrer Kindheit. Es heißt, die Erinnerungen an die frühesten Tage des Lebens wären die intensivsten, vielleicht die klarsten. Ich dagegen glaube, dass die lange Zeit den Farben des Vergangenen schmeichelt. Sanft verwischt sie Schärfen im Bild, webt ein Tuch über die Härten des Lebens und lässt die Erinnerung an Frühlingsmorgen zurück, an denen wir auf Tau bedeckten Wegen zur Schule gehopst sind.

Beinahe kann ich sie spüren, die Mappe unter meinem Arm, die Tafel, die darin umherrutscht, die Steinchen, die sich durch die Sohlen meiner dünnen Schuhe bohren.

Obwohl ich mir dieser Verklärung bewusst bin, glaube ich doch, dass ich eine glückliche Kindheit erlebt habe. Das haben wir Geschwister alle. Von Rudolph einmal abgesehen.

Fern von den großen Städten auf dem Bauernhof aufzuwachsen war sicher manchmal eintönig. Die umliegenden Felder und Wälder hatten uns viel zu bieten, doch die Arbeit endete nie. Auch wir Kinder wurden nicht davon verschont. Weder die Tiere des Hofs noch die Ernte fragte, ob wir lieber spielen wollten statt Eier zu suchen oder beim Heuen zu helfen.

Es gibt ein Foto von mir, wie ich als kleines Mädchen unsere Kühe auf die Weide treibe. Der Bruder meiner Mutter war damals aus der Stadt zu Besuch gekommen und hatte einen dieser hübschen neuen Fotoapparate mitgebracht, den er stolz vorführte. Er nahm mich in dem Augenblick auf, in dem ich die letzte Kuh mit einem Klaps der Weidenrute durch das Gatter scheuchte. Ich war kaum größer als die Kälbchen, die mitliefen.

 

Ich frage mich häufig, wie Rudolphs Erinnerungen ausfallen würden, wenn er heute noch bei uns wäre. Würde er von der Dunkelheit erzählen, in der er aufwuchs? Von den vielen bitteren Worten? Von all den Gelegenheiten, bei denen er enttäuschte, nur um hinterher noch strenger gefordert zu werden? Oder hätte er all das vergessen und würde wieder nur das sehen, was für ihn wichtig gewesen ist?

Er lief oft davon. Wohl tausend Mal hörte ich meine Mutter im Hof nach ihm rufen, manchmal ängstlich, manchmal zornig, je nachdem, wie groß die Gefahr war, dass der Vater Rudis Verschwinden bemerkte. Oft suchten wir ihn stundenlang, nur damit er am Abend mit einem breiten Lächeln und in zerrissenen Hosen vor uns stand, als wäre er aus dem Boden gewachsen.

Unheimlich sei er, sagten die Leute von den benachbarten Höfen. Er habe den Teufel im Leib, behauptete der Priester der katholischen Gemeinde im Dorf.

Aber das stimmte nicht. Rudi war sanft. Er war der zärtlichste Bruder, den man sich vorstellen konnte. Man sagte ihm nach, dass er dumm sei, weil er in der Schule nicht zurechtkam und selten sprach. Ich wusste es aber besser.

Einmal – da war ich selbst schon beinahe ein großes Mädchen und ärgerte mich, dass ich bald die Volksschule verlassen musste – fand ich ihn im Garten unter dem Holunderstrauch, wo er in einem Buch über die Anatomie des Menschen las. Mein Lehrer hatte es mir heimlich zugesteckt. Er war der Auffassung, dass es nicht schadete, meinen Wissensdurst zu stillen; Mädchen oder nicht.

Rudi war so sehr in seine Lektüre vertieft, dass er nicht bemerkte, wie ich mich ihm näherte. Als ich auf Knien zu ihm unter den Schutz der Blätter rutschte, sah er mich an, lächelte und schloss behutsam das Buch. Dann reichte er es mir.

Ich presste es verärgert an meine Brust. In einem Haushalt mit fünf Kindern, die sich alles teilen mussten, war es von immenser Wichtigkeit, die eigenen Schätze zu hüten.

„Du darfst das nicht nehmen“, sagte ich streng.

„Warum nicht?“, gab er zurück.

„Weil es meins ist.“

„Das ist nicht wahr.“

„Natürlich ist das wahr!“

Er warf mir unter kurzen, hellen Wimpern einen raschen Blick zu. „Nein, es gehört deinem Lehrer. Und ich will es auch gar nicht haben.“

Das war nun ebenfalls etwas, das mir nicht gefiel. Ein Schatz verliert seinen Wert, wenn ein anderer ihn nicht begehrt.

Ich legte das Buch auf meine Schürze und betrachtete den dunkelgrünen Einband. „Warum nicht?“, fragte ich nach einer kurzen Pause.

Rudi runzelte die Stirn. „Weil ich nicht glaube, dass die Wahrheit darin steht.“

Ich war empört. Bücher und überhaupt jede Art von Wissen waren mir heilig. Ich war noch viel zu jung, um zu verstehen, dass eine Wahrheit der Wissenschaft auch nur eine These ist, die manchmal durch neue Erkenntnisse ins Wanken gerät.

„Woher willst ausgerechnet du das wissen?“, keifte ich ungezogen. „Vater sagt, du bist zu dumm, um eine Kuh zu melken.“

Heiter, scheinbar unberührt, hob er die Achseln. „Wenn Vater das sagt, wird er wohl recht haben, nicht?“ Um seinen Mundwinkel lag ein feines Lächeln, als lache er über einen Witz, den ich nicht verstanden hatte.

Für ein paar Minuten schwiegen wir. Ich starrte auf das Buch, während langsam die Scham in mir hochstieg und sich wie eine rote Wolke in mir ausbreitete.

Ich hasste die bösen Worte, die Rudi so oft zu ertragen hatte. Warum nur hatte ich sie wiederholt? Und warum schrie er mich nicht an, wie Georg es getan hätte oder rannte zu unserer Mutter, um sich über mich zu beschweren?

Ich würgte an meinem schlechten Gewissen, bis ich es nicht länger ertragen konnte. Dann flüsterte ich: „Entschuldige bitte, Rudi.“

Als er mir das Gesicht zuwandte, war sein Blick wässrig. „Für was? Dafür, dass du wiederholst, was alle sagen?“, fragte er leise. „Das musst du nicht. Ich bin dumm, weißt du?“

Mich überkam der gewaltige Drang, ihm zu widersprechen. Ich wünschte mir später, ich hätte es getan. Doch auch ich verstand nicht, was an ihm so merkwürdig war. Und ich konnte damals auch nicht wissen, dass er das Anatomiebuch zur Hälfte gelesen und verstanden hatte. Etwas, das außer mir keinem in der Familie gelungen wäre.

Weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, kroch ich zu ihm unter den Busch und nahm ihn in den Arm. Er weinte ein bisschen.

Als ich ihn noch einmal um Verzeihung bat, schüttelte er den Kopf und sagte: „Ich weine nicht wegen dir. Ich weine, weil morgen ein neuer Tag kommt und wieder nichts richtig sein wird.“

Irgendetwas daran tat mir sehr weh.

 

Je einsamer ein Mensch ist, desto mehr Raum braucht er, um sich zurückzuziehen. Einen Ort, an dem er mit seiner Einsamkeit allein sein kann und er nicht für sie verurteilt wird.

Ich hatte einen solchen Ort im geschriebenen Wort gefunden und brachte die Fähigkeit, mich in einem Buch zu versenken, zur Meisterschaft.

Meine Mutter war gar nicht davon begeistert, zumal ich meine Lektüre nicht so wählte, wie es einem Mädchen zu Gesicht stand. Ich wollte die Kinderbücher nicht, die mein Onkel mir schickte. Die Ratgeber zu Haushalt und Handarbeiten langweilten mich. Selbst die Romane, die von feinen Damen in England erzählten, konnten mich nicht fesseln. Ich wollte die Welt kennenlernen und fand, dass man das nicht schaffte, wenn man Erfundenes las. Ich wollte Landkarten und Beschreibungen von fernen Ländern, wollte wissen, wie die Sterne an den Himmel kamen und was die Vögel jedes Jahr zur rechten Zeit in den Süden ruft.

Ich konnte reisen, wenn ich las. Und ich reiste oft.

Rudis Rückzugsort war von ganz anderer Art. Ich entdeckte ihn im Frühjahr 1917.

 

Es war ein schweres Jahr für uns. Obwohl der erste Weltkrieg uns räumlich nicht berührte, fehlten uns doch der Vater und die Arbeitskräfte. Mutter weinte viel. Ich bin bis heute nicht sicher, ob sie Angst um ihren Ehemann hatte oder davor, dass er nicht zurückkam und sie den Hof allein führen musste. Wie meine Eltern gefühlsmäßig zueinander standen, wusste und weiß ich bis heute nicht. Wenn sie ihre Ehe als liebendes Paar lebten, taten sie es fern von uns Kindern.

An jenem Tag kämpften wir mit dem Regen oder vielmehr mit dem Mangel daran. Der Frühling war zu trocken gewesen, der Winter hatte nur wenig Schnee gebracht. Die Böden brauchten Wasser, wenn Kräutergarten und Gemüsebeet nicht eingehen sollten. Außerdem hatten wir den Schmied rufen müssen, damit er sich das Bein unseres Ackergauls ansah, die Wäsche wollte gelegt werden, im Lager hatten sich faulige Äpfel gefunden, die von den anderen getrennt werden mussten, und überhaupt war die Arbeit kaum zu bewältigen.

Meine Mutter scheuchte die Magd und meine Brüder mit einer Aufgabe nach der nächsten umher. Selbst Irmgard, unser Nesthäkchen, musste mithelfen, obwohl sie sonst häufig geschont und verhätschelt wurde.

Da war es nicht verwunderlich, dass bald auffiel, dass Rudolph wieder einmal verschwunden war. Seine Grabgabel lag verlassen vor der Pforte zum Kräutergarten, der Blecheimer daneben. Meine Mutter stand mit gesenktem Kopf und geballten Fäusten vor den zurückgelassenen Gerätschaften.

Als sie endlich aufsah, versetzte die Kälte in ihrem Blick mir ein Brennen im Magen. Ihr Blick bohrte sich in meinen, als wäre es meine Schuld, dass Rudi seine Arbeit und uns alle im Stich gelassen hatte.

„Geh ihn suchen“, befahl sie mir kaum hörbar. „Bring ihn mir in die Küche.“

Es war die Schlichtheit ihrer Worte, die mich ahnen ließ, dass sie zum Besenstiel greifen würde. Sie war selten hart gegen uns, aber selbst mir war an jenem Tag klar, dass Rudi zu weit gegangen war und sie sich gezwungen sah, ihm den Vater zu ersetzen.

Die Verlockung, mich auf eine fruchtlose Suche zu machen – den Blick auf den Feldweg gerichtet, um meinen Bruder auch dann nicht zu entdecken, wenn er direkt vor mir stünde -, war groß. Zu einer anderen Zeit hätte ich ihr nachgegeben.

Doch auch ich empfand einen Schatten des Zorns, der meine Mutter umtrieb. Meine Hände waren ebenso zerschunden wie die ihren, meine Knie schmerzten von den Stunden, die ich auf ihnen zugebracht hatte. Dass sich einer von uns vor der Arbeit drückte und den anderen dadurch mehr aufbürdete, erschien mir nicht gerecht.

So machte ich mich auf den Weg, jeder Schritt in meinen durchgelaufenen Schuhen ein weiterer Grund, meinen Bruder zu finden.

Ich suchte ihn hinter den Stallungen und auf dem viel zu leeren Heuboden, im Buschwerk, das unsere beiden Felder umgab, und in dem kleinen Waldstück, das unser Land von dem des Nachbarn trennte. Selbst bis in den alten Steinbruch lief ich, in dem vor Urzeiten die Menschen der Gegend Steine für ihre Häuser geschlagen hatten.

Dort hielt ich in meiner Suche inne. Längst lief mir der Schweiß über die Stirn. Ich versuchte am Stand der Sonne abzuschätzen, wie lange ich bereits unterwegs war und wie viele meiner Aufgaben dadurch unerledigt geblieben waren. Ich kam zu dem Schluss, dass es klüger gewesen wäre, Rudolph seinen Willen zu lassen. Ihn zu suchen, hatte uns nur noch weiter ins Hintertreffen gebracht.

Ich entschied, einen letzten Rundgang über die Hänge zu machen, die unser Land nach Westen begrenzten. Sie ragten wie die Ränder einer Schüssel vor mir auf. Eine Welle im Erdreich. Nicht groß genug für einen Berg, doch immer noch steil genug, um den Weg zum fernen Dorf anstrengend zu machen.

Mit gerafften Röcken keuchte ich den staubigen Weg entlang. Steine, die aus dem trockenen Erdboden brachen, gerieten mir vor die Füße und hinterließen braune Wölkchen, wenn sie nach einem Tritt von mir am Wegesrand zu liegen kamen.

Auf der Kuppe des Hügels angekommen trocknete ich mir mit dem Hemd das Gesicht und blinzelte in die Frühlingssonne. Der Himmel war so blau, dass es mir in den Augen wehtat. Der geschwungene Weg, der sich zwischen den Feldern entlangschlängelte und die Hügel in zwei Hälften schnitt, erinnerte mich an die Bilder, die Irmgard manchmal malte. Und wie auf ihren Bildern fehlte es auch nicht an einem Baum, der einsam am höchsten Punkt der Erhebung stand und seine gewaltigen Äste in den Himmel streckte.

Die Feldulme war uralt. Mein Großvater hatte einmal erzählt, dass sie schon alt gewesen war, als sein Urgroßvater mit dessen Eltern in diese Gegend gekommen war, um sich ein neues Leben aufzubauen. Ich sah keinen Grund, ihm nicht zu glauben.

Zu den Füßen des Baumriesen befand sich eine Anhäufung merkwürdig geformter Steine, von denen unser Lehrer behauptete, dass es sich um das Grab eines Germanenfürsten aus ferner Zeit handelte. Das war der Grund, warum ich die Feldulme stets mied. Wie ich auch nicht auf einem Friedhof gespielt hätte, war mir, als schuldete ich dem toten Fürsten Respekt und damit Abstand von der Welt der Lebenden. Selbst wenn seine Knochen längst vergangen waren und sich inzwischen Kaninchen ungerührt ihre Bauten kreuz und quer unter den Steinen gegraben hatten.

Auch an diesem Tag wäre ich wohl an der Ulme vorbeigegangen, wären ihre Blätter nicht noch so spärlich und damit das Paar Beine, das an ihrem Stamm nach unten baumelte, nicht so offensichtlich gewesen. Die Füße darunter waren nackt. Die langen Zehen hatten sich in eigenartiger Verkrümmung in die Rinde gegraben.

Ich dachte an meine eigenen geschundenen Knochen und bahnte mir einen Weg durch das halbhohe Gras. Rudi saß auf einem der breiten unteren Äste, halb verborgen von einer Vielzahl Zweigen. Ich war ernsthaft versucht, ihn am Bein von seinem Ausguck zu ziehen, doch ich unterließ es. Immerhin war er mein Bruder, und ich liebte ihn, auch wenn ich gerade nicht gut auf ihn zu sprechen war.

„He!“, rief ich zu ihm hoch, die Hände in die Seiten gestemmt. „Weißt du, wie lange ich dich schon suche?“

Ein Ast raschelte, als Rudi ihn sanft beiseite bog, sodass er freie Sicht auf mich hatte. Er lächelte versonnen. „Oh ja. Ich habe dich gesehen“, erklärte er sanft. „Hinten am Feld und später auf der Straße.“

„Und du bist nicht auf den Gedanken gekommen, mir entgegen zugehen?“, fauchte ich. „Glaubst du, ich habe nichts Besseres zu tun, als dir nachzulaufen?“

„Ich wusste ja nicht, dass du mich suchst.“

Ich schlug nach seinem nackten Fuß. „Du hast doch gerade gesagt …“

Rudi strich behutsam über die Rinde über seinem Kopf. „Ich habe es vermutet, aber nicht gewusst.“ Dabei lächelte er mir so liebevoll zu, dass ich meinen Ärger schwinden spürte – und gleichzeitig zornig auf mich selbst wurde, weil er mich so leicht besänftigen konnte.

Er seufzte tief und legte den Hinterkopf an den Stamm der Ulme. Mir fielen die grünen Flecken auf seinem Hemd auf und wusste, dass es Stunden dauern würde, sie aus dem Stoff zu scheuern. Nie scherte Rudi sich darum, wie viel Arbeit es uns machte, seine Kleidung zu flicken und zu waschen.

„Kleine Mathilde“, raunte er, als ich ihn gerade auffordern wollte, endlich seinen Hochsitz zu verlassen und mit mir nach Hause zu gehen. Er verrenkte den Kopf und starrte mich aus blassen Augen auf eine Weise an, die mich an die Heiligenstatuen in der Kirche denken ließ – leer und gleichzeitig seelenvoll. „Du siehst aus wie Mutter. Und du sprichst auch wie sie. Wann bist du erwachsen geworden, kleine Schwester? Und willst du das überhaupt sein?“

Ich wischte seine Worte mit unwirscher Geste beiseite. Es war nicht die Zeit für seine merkwürdigen Überlegungen. „Du solltest dir weniger Gedanken über mich machen als darüber, was dich zuhause erwartet. Komm schon, wir müssen gehen. Je länger du fortbleibst, desto wütender wird Mutter sein. Und glaub mir: Sie ist jetzt schon zorniger, als dir recht sein kann.“

Ein weiterer Seufzer löste sich tief aus Rudolphs Brust. Beinahe zärtlich schlang er den Arm um den Stamm der Ulme, bevor er sich langsam an ihm herabgleiten ließ. „Dann sollte ich es wohl hinter mich bringen, nicht wahr?“, sagte er leise, als er vor mir stand. Seine Hand ruhte immer noch auf der Rinde, und in seinen dunkelblonden Haaren hing das Laub vom Vorjahr.

Erleichtert nickte ich und wandte mich zum Gehen. Ich spürte seine Anwesenheit hinter mir, als ich dem Pfad folgte, den ich ins Gras geschlagen hatte, auch wenn ich seine Schritte nicht hörte.

Einträchtig wanderten wir zurück zum Hof. Erst vor kurz vor dem Tor fiel mein Blick auf Rudolphs Füße.

„Ach du Narr“, stöhnte ich und klang in diesem Moment tatsächlich wie meine Mutter. „Wo hast du nur deine Schuhe gelassen?“

 

Über Rudolphs Worte an jenem Tag dachte ich später sehr oft nach. Zum ersten Mal in der Nacht danach. Wahrscheinlich ist das allein Beweis genug dafür, wie recht er hatte. Ich wuchs an mir selbst vorbei. Verantwortung und Wissensdurst ließen mich rascher reifen, als es meinem Alter entsprach.

Doch auch Rudolph selbst trug dazu bei, dass ich in eine Rolle schlüpfte, die mir ein Stück meiner Kindheit raubte. Da er seinen Platz als ältester Spross der Familie nicht einnahm, musste ein anderer seine Last tragen. Meistens war ich das, obwohl unser Bruder Georg vom Alter zwischen uns lag.

Ob ich ihm das übelnahm? Nein, das tat ich nicht. Denn ich fühlte mich dadurch nützlich. Ich war mehr als eine Tochter des Hauses, die fleißig und folgsam zu sein hatte und hoffentlich eines Tages in eine Familie in der Nähe einheiratete, damit man sie nicht gänzlich aus den Augen verlor. Ich trug Verantwortung. Sie machte mich stark.

Als mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause kam und still an seinen körperlichen und seelischen Wunden litt, war ich von einem einfachen Glied in der Kette unseres Bauernhofes zu einem Verschlussstück herangewachsen.

Das war 1919. Ich war zwölf Jahre alt, hatte die Schule hinter mir gelassen und verhandelte auf dem Markt mit den Kunden wie eine Erwachsene, während mein fünfzehnjähriger Bruder in die Wolken starrte und milde lächelte. Und immer wieder verschwand.

 

Es war im selben Jahr, als mir zum ersten Mal aufging, dass etwas Merkwürdiges an Rudolphs Verhältnis zu der Ulme war.

Seitdem ich seinen Rückzugsort entdeckt hatte, hatte ich nie jemandem verraten, wohin es ihn zog. Es herrschte ein stilles Einverständnis zwischen uns, dass ich sein Geheimnis bewahrte und er dafür immer dort war, wenn ich ihn brauchte. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, sich ein anderes Versteck zu suchen, um der Arbeit zu entgehen. Doch das tat er nie. Stets fand ich ihn am selben Ort, und immer folgte er mir bereitwillig zurück nach Hause, wenn ich ihn rief.

An jenem warmen Augustabend ging es jedoch nicht um Arbeit, vor der Rudolph sich drückte. Ganz im Gegenteil. Auf einem der benachbarten Bauernhöfe fand ein großes Fest statt, und wir waren alle eingeladen. Da es sich bei den Gastgebern um eine reiche Familie handelte, trugen wir unsere schönsten Kleider. Das Fuhrwerk stand vor dem Stall, das Pferd schnaubte. Wir waren bereit zur Abfahrt, doch nicht vollzählig.

Ungehalten schickte der Vater mich los, um Rudolph zu holen. Beschwingt von der Vorfreude auf Musik, Spiele und ein gutes Essen hüpfte ich den Weg entlang. Wie immer hielt ich mich im Schatten der Kastanien auf der Zufahrt zu unserem Heim, damit man nicht sehen konnte, an welcher Stelle ich mich nach Westen wandte.

Der kräftige Geruch frischen Heus lag in der Luft. Die ersten Glühwürmchen schwebten umher und warteten auf die Nacht. Die tiefstehende Sonne streute weiches Licht über die Hügel und ließ mich glauben, dass unser Zuhause der wunderbarste Ort der Welt sein musste. Weit herrlicher als die fernen Städte und die fremden Länder, von denen die Zeitungen manchmal berichteten.

Schon bevor ich die Ulme erreichte, bemerkte ich den dunklen Fleck, der sich von den Steinen des Hügelgrabs abhob. Im Näherkommen erkannte ich darin einen Haufen Kleider, die unordentlich übereinander lagen. Ein Ärmel schleifte sogar im Staub, sodass der dunkle Stoff aussah, als wäre er in Mehl getaucht worden.

Im ersten Augenblick verdrehte ich lediglich die Augen und hoffte, dass Rudolphs Unachtsamkeit unseren Aufbruch nicht weiter verzögern würde. Dass mein Bruder bar jeder Kleidung im Baum saß, ging mir erst einen Moment später auf.

Es war ein höchst befremdlicher Anblick, der sich mir bot. Ein Anblick, der mich erschütterte, verwirrte und zugegebenermaßen auch ein wenig neugierig machte. Dabei tat Rudolph gar nichts Anstößiges. Er saß einfach nackt auf seinem Lieblingsplatz zwischen zwei der knorrigen Hauptäste und ließ seine bloße Haut vom Abendwind streicheln. Seine Hände lagen auf den Oberschenkeln, die Augen waren geschlossen. Er lächelte. Nur seine Brust hob und senkte sich ein wenig rascher, als ich mir erklären konnte.

Aus einem Grund, den ich nicht verstand, versuchte ich mich ungehört zurückzuziehen. Ich dachte nicht darüber nach, was ich meinen Eltern sagen sollte, wenn ich ohne Rudolph zurückkam. Ich fragte mich auch nicht, was ihn getrieben hatte, sich derart unziemlich zu verhalten. Das eine lag in der Zukunft, das andere in der Vergangenheit. Ich aber – verankert in der Gegenwart – spürte nur, dass ich mich am falschen Ort befand. Dass ich nicht willkommen war.

Ob mich ein falscher Schritt verriet oder ob Rudolphs Gehör ausgeprägter war als meines, kann ich nicht sagen. Doch er bemerkte mich. Für einen Herzschlag war mir, als husche ein Ausdruck von Schuld über seine Miene. Schnell erschien jedoch ein herzliches Lächeln auf seinem Gesicht. Er winkte mir und rief: „Ist es schon so spät? Müssen wir los?“ Auch ihm war die Vorfreude auf das Fest anzusehen.

„Aber ja doch“, gab ich zurück. „Was tust du nur hier?“

Und das war eine gute Frage, wie ich fand. Dass Rudolph gern der Arbeit auswich, war leicht zu verstehen. Doch warum es ihn selbst an einem solchen Freudentag in sein Versteck trieb, konnte ich nicht begreifen. Besonders, da er bereits von dem saftigen Braten und den Kuchen schwärmte, die uns bei den Nachbarn erwarteten, während er sich eilig ankleidete. Ungestüm umarmte er mich, kaum dass er in seine Schuhe geschlüpft war.

„Wir tanzen heute Abend miteinander, ja?“ Liebevoll kniff er mir in die Wange.

Ich wehrte ihn kopfschüttelnd ab und machte mich daran, den Staub von seiner guten Jacke zu klopfen. „Du bist unverbesserlich“, schimpfte ich mit ihm, wenn auch im milden Tonfall. Der Abend war viel zu schön, als dass ich ihm lange böse sein konnte.  „Du siehst aus wie unsere Sau, wenn sie sich im Dreck gesuhlt hat. Warum bei der guten Jungfrau hast du dich nur ausgezogen?“

Rudi lachte mich an. In seinen Augen funkelte der Schalk. „Um mich nicht schmutzig zu machen, wenn ich auf den Baum steige natürlich. Ich habe da eine kleine Schwester, die mir dann immer die Ohren langzieht, weißt du?“

Ich lachte mit ihm, doch mir entging die Röte nicht, die sich über seine Wangen zog. Ganz so, als hätte er mir nicht die ganze Wahrheit gesagt.

Gemeinsam liefen wir nach Hause.

Rudi war unverbesserlich. Er brachte mich dazu, zu rennen, über Gräben zu springen und ihn zu jagen. Ich liebte ihn dafür. Das Leben war so viel leichter, wenn er in der Nähe war.

Erst auf den letzten Metern wurde er langsamer, bot mir höflich den Arm und zwinkerte mir zu. Ich ließ mich von ihm zum Fuhrwerk führen, als wäre ich in eine wohlerzogene Dame und er ein galanter Herr. Es war ein wunderbares Spiel, wenigstens bis die wütende Stimme des Vaters erklang und eine Sekunde später ein glühender Handaufdruck auf Rudis Wange auftauchte.

Es war ein derber Schlag. Mir war, als würde ich ihn selbst spüren. Und doch streifte ich ihn ebenso gelassen ab wie Rudolph.

Als das Fuhrwerk sich in Bewegung setzte und wir auf den grob gezimmerten Bänken von links nach rechts schaukelten, lachten wir schon wieder und mit uns unsere Geschwister. Nicht ahnend, dass unsere gemeinsame Zeit sich dem Ende näherte.

 

Wie anfangs schon geschildert, war das Verhältnis zwischen Rudolph und unserem Vater nie gut. Es war von Enttäuschung und Unverständnis geprägt, von tiefen Verletzungen auf der einen und ernsthafter Empörung auf der anderen Seite. Allerdings glaube ich heute, dass vonseiten meines Vaters auch viel Verzweiflung im Spiel war.

Ich bin jetzt eine alte Frau. Ich habe drei Kinder bekommen, sie großgezogen und manchmal auch mitansehen müssen, wie sie Wege beschritten, die mich in Sorge versetzten. Ich weiß daher inzwischen, wie hilflos sich Eltern manchmal fühlen. Wie verzweifelt sie hoffen, dass ihre Kinder auf dem rechten Weg bleiben, glücklich werden und alles haben, was sie brauchen, um ein gutes Leben zu führen.

Für meinen Vater muss es schwer gewesen sein, Rudolphs Andersartigkeit und Merkwürdigkeiten zu ertragen. Wahrscheinlich hat er sich machtlos gefühlt und daher so oft die Beherrschung verloren.

Ich möchte aber nichts entschuldigen. Es gibt einen Zeitpunkt, an dem man seine Kinder annehmen muss, wie sie sind. Diesen verpasste mein Vater. Stattdessen versuchte er mit wachsender Brutalität, Rudolph zu formen. Er trieb ihn immer weiter von uns fort, bis er für uns alle verloren war. Das habe ich ihm nie verziehen.

 

Es gibt einen Vorfall, an den ich mich besonders gut erinnere. Seltsamerweise kann ich ihn zeitlich nicht genau einordnen. Obwohl meine Erinnerungen im Allgemeinen sehr bildlich sind, fehlen mir in diesem Fall Einzelheiten wie Witterung oder Jahreszeit. Vielleichte will ich mich nicht erinnern, stellte dieser Abend doch den Anfang vom Ende dar.

Es begann mit einem gebrochenen Sensenblatt, das mitten in der Stallgasse lag. Der Zorn des Vaters war verständlich. Dass die Sense zersprungen war, konnte er Rudolph nicht vorwerfen. Es war ein altes Stück gewesen. Wohl aber, dass er die scharfkantigen Bruchstücke nicht weggeräumt hatte. Wären sie Georg nicht aufgefallen, bevor er die Kühe in den Stall trieb, hätte sich eines unserer Tiere schwer verletzen können.

Irmgard und ich saßen bereits am Esstisch, als der Vater in die Küche gehinkt kam. Seine Wangen waren dunkelrot vor Zorn, während sein restliches Gesicht gespenstisch blass war. In der Hand hielt er einen Rest des gesprungenen Sensenblatts, als wäre es eine Trophäe.

„Wo ist der Bursche?“, brüllte er. „Bringt ihn mir. Bringt ihn mir sofort her!“ Er warf das Bruchstück auf den Tisch. Einer der bereitgestellten Teller wurde getroffen und ging zu Boden. Die Scherben flogen bis zum Herd, an dem meine Mutter stand; die rechte Hand ängstlich vor dem Mund zusammengeballt.

Hinkend umrundete der Vater den Tisch und packte mich grob an der Schulter. Er schüttelte mich. „Bring mich zu deinem verdorbenen Bruder. Hörst du? Du weißt doch, wo er steckt. Du Luder verrätst mir sofort, wo der Saukerl sich verkriecht! Ich dulde dieses Versteckspiel nicht mehr, hörst du? Na? Wirst du wohl reden? Ich sage dir …“

Wie ein Koloss ragte er über mir auf. Ich hatte furchtbare Angst vor ihm. Mehr als je zuvor. Ich spürte, dass das Gewebe seiner Selbstbeherrschung bis zur Unkenntlichkeit zerschlissen war und jeden Augenblick reißen würde. Dann würde es nicht mehr darauf ankommen, ob Rudolphs Schlamperei oder die Schmerzen seiner Kriegsverletzungen ihn zur Weißglut trieben. Sein Zorn würde den ersten Menschen treffen, dessen er habhaft werden konnte.

Mir war auf einmal so übel, dass ich selbst dann nicht hätte sprechen können, wenn ich es gewollt hätte. Ich würgte an meiner eigenen Zunge, die viel zu groß für meinen Mund war, und bekam durch meine enge Kehle kaum noch Luft.

Gerade noch gelang es mir, meiner Mutter einen hilflosen Blick zuzuwerfen. Aber wie so oft in der letzten Zeit ließ die Wut ihres Mannes sie erstarren. Auch Irmgard saß reglos neben mir. Tränen liefen ihr über die Wangen.

Die Faust des Vaters kam auf mich zu. Er stieß mir gegen das Kinn. Kein Schlag, aber doch eine grobe Berührung. Ich ahnte, dass unser Schweigen ihn rasend machte. Dass er solange Püffe und Hiebe verteilen würde, bis er eine Antwort bekam.

Und dann? Was würde er mit Rudolph machen? Ihn wieder grün und blau schlagen? Oder Schlimmeres? Wie weit würde er dieses Mal gehen?

Ich konnte nichts sagen. Nicht nur wegen des unausgesprochenen Versprechens zwischen Geschwistern oder meiner gelähmten Zunge. Nein, ich konnte Rudi nicht verraten. Ich wollte nicht schuld sein, wenn der Vater endgültig zu weit ginge.

Es war eine bleischwere Erkenntnis, die mich zu zerquetschen drohte. Angst vor Schlägen zu haben ist immer schlimm. Doch den Punkt zu erreichen, an dem man einem Familienmitglied zutraut, jede Grenze der Menschlichkeit hinter sich zu lassen und zu verstümmeln, vielleicht sogar zu töten …

In diesem Augenblick ließ ich Teile meines Wesens hinter mir, die kein Kind je verlieren sollte.

„Ist etwas geschehen?“ Rudis Stimme war leise und zitterte.

Wir fuhren zu ihm herum. Er stand im Türrahmen, die Hände in den Hosentaschen und die Schultern gebeugt. Ihm war anzusehen, dass er den Ernst der Situation erkannt hatte und sich ebenfalls fürchtete.

Ich bewunderte ihn grenzenlos dafür, dass er sich trotzdem stellte und die Aufmerksamkeit des Vaters von uns anderen ablenkte. In diesem Augenblick erschien er mir trotz schlaksiger Gestalt, überlangen Händen und Füßen und spitzer Nase wie der strahlende Held einer Rittergeschichte. Und der Vater war das übermächtige Ungetüm, das selbst mit Feenschwert und Zaubertrank nicht zu bezwingen war.

„Du!“, brüllte er, dass die Schmuckteller im Wandregal zitterten. Er sprang Rudi geradezu an, packte ihn im Nacken und schüttelte ihn, dass ich dessen Zähne klappern hörte. „Du hirnlose, nutzlose Missgeburt! Haben wir es nicht schon schwer genug? Mit dem Hof? Mit meinem lahmen Rücken und deinem leeren Kopf? Kannst du nie etwas richtig machen?“

Rudis fahler Blick streifte meinen. Ich erkannte Schmerz darin, aber auch Ahnungslosigkeit. Ja, ich bin überzeugt, dass er nicht wusste, was zu diesem Ausbruch geführt hatte. Selbst wenn er das zerborstene Metall auf dem Tisch bemerkt hätte, bezweifle ich, dass er sich erinnert hätte, woher es stammte.

Es war ihm egal, glaube ich. Nicht, weil es ihn nicht kümmerte, was aus uns wurde oder ob wir in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Er hatte nur den Punkt erreicht, an dem ihm bewusst war, dass er – um die Worte meines Vaters zu gebrauchen – nichts richtig machen konnte. Was sollte es ihn da noch scheren, für was er umhergeschleudert wurde wie ein junger Hund, der ein Stück Wurst vom Tisch gestohlen hat?

Es war diese Gleichgültigkeit, die sich in seinen Zügen spiegelte. Sie führte ins Unglück.

Als Rudolph nicht auf die wütend hervorgestoßenen Worte reagierte und stattdessen beinah unbeteiligt in die Leere starrte, verlor der Vater die Beherrschung.

„Ich lass mich von dir nicht foppen, Bursche!“ Ein erstickter Laut verriet mir, dass auch meine Mutter spürte, dass uns Schreckliches bevorstand. „Von dir nicht!“

Dann riss er Rudolph herum, packte dessen Linke und drückte sie auf die heiße Herdplatte.

 

Ich muss an diesem Punkt meiner Erzählung unterbrechen. Denn weder möchte ich mir die folgenden Augenblicke ins Gedächtnis rufen, noch einen Leser dieser Zeilen mit der Gewalt meiner Eindrücke quälen. Unfassbares ist an jenem Abend geschehen, und mehr gibt es dazu nichts zu sagen. Die Folgen, von denen ich gleich berichten werde, sind grausam genug.

 

Mutter sagte dem pensionierten Dorfarzt, dass es ein Unfall gewesen sei. Sie tat es mit zitternder Stimme und weit aufgerissenen Augen. Und weil man einer Mutter zugesteht, dass sie entsetzt ist, wenn das eigene Kind solche Verletzungen davonträgt, fragte er nicht weiter.

Ob er doch etwas ahnte? Wenn ja, hat es ihn nicht genug gerührt, um eine Konsequenz daraus zu ziehen. Er versorgte die Brandwunde, gab Rudolph etwas gegen die Schmerzen, erklärte meiner Mutter, dass sie einen ausgesprochen starken und tapferen Sohn hätte, und verschwand von unserem Hof, ohne sich umzublicken.

Ich hockte noch lange, nachdem er fort, zusammengekauert unter der Treppe. Meine Schürze, die ich mir in den Mund gestopft hatte, um mein Schluchzen zu unterdrücken, war nass. Ich weinte um die Hand meines Bruders, um meiner eigenen Feigheit willen, um meine Mutter und um unser Familienleben, das an diesem Abend irreparablen Schaden genommen hatte. Ich weinte, weil der Vater ins Dorf geritten war und weil ich hoffte, dass er nicht zurückkehren würde.

Wir brauchten ihn nicht, befand ich in zorniger Trauer. Wir waren ohne ihn zurechtgekommen, als er im Krieg war, und er hatte von dort nur Dunkelheit mit nach Hause gebracht.

Als ich mich beruhigt hatte, ging ich nach draußen und hielt den Kopf unter die Wasserpumpe. Wie besessen bediente ich den Hebel, bis meine Haare troffen und mein verquollenes Gesicht abgekühlt war. Erst dann füllte ich einen Eimer und holte ein weiches Tuch aus der Küche, um nach meinem Bruder zu sehen.

Rudi bot einen beinah friedlichen Anblick. Er lag auf dem Rücken in der alten Knechtskammer und hatte die Augen geschlossen. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig. Wäre nicht der scharfe Geruch der Brandsalbe gewesen, hätte man glauben können, es sei nichts geschehen.

Überzeugt, dass er schlief, huschte ich an seine Seite. Leise befeuchtete ich das Tuch und legte es ihm auf die Stirn. Er hatte gar kein Fieber, doch ich wollte irgendetwas für ihn tun. Mit Wasser gegen Feuer anzugehen, erschien mir folgerichtig.

Als ich ihn berührte, öffnete Rudolph die Augen. Sie waren merkwürdig klar. Nicht schmerzverzehrt, nicht entsetzt, nicht feucht. Auch fiel mir bei dieser Gelegenheit auf, wie ruhig er dalag.

Mein Blick wanderte zu dem verbundenen Klumpen auf der Bettdecke. Ich hatte gesehen – und gerochen -, wie tief das Fleisch verbrannt war. Keine Salbe der Welt und kein Medikament hätte diese Pein lindern können.

Zum zweiten Mal an diesem Abend bewunderte ich ihn zutiefst. Welche Stärke er bewies, dass er sich nicht krümmte und nicht jammerte, sondern einfach der Zeit Gelegenheit gab, seinen Schmerz davonzutragen …

„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht aufwecken …“, flüsterte ich kaum hörbar. Meine Kehle fühlte sich an, als säße ein Kirschkern darin fest.

Er nickte schwach. Ein Mundwinkel zuckte, als versuche er ein Lächeln, dann schloss er erschöpft die Augen. Ich fragte mich, was in ihm vorging, und wollte es eigentlich gar nicht wissen. Was geschehen war, war zu schwer für mich. Ich fühlte mich unter dem Gewicht der Ereignisse wie eine Maus, die unter den Mühlstein geraten war. Mir war schleierhaft, wie es erst Rudi gehen musste, war er doch das Opfer und ich nur die Zeugin.

Und auf einmal konnte ich Rudis Anblick nicht länger ertragen. Eine Woge raste auf mich zu und riss mich mit sich in einem Strudel aus Ungerechtigkeit, Hass, Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Ich fühlte so viel, dass ich das eine nicht mehr vom anderen unterscheiden konnte. Es war unerträglich.

Ich bin nicht stolz darauf, aber ich lief davon. Mit fliegenden Röcken eilte ich die Treppe hinunter, dachte nicht daran, die Tür hinter mir zu schließen oder leise zu sein. Ich rannte in das Zimmer, das ich mit Irmgard teilte, und warf mich auf mein Bett. Mit beiden Händen drückte ich mir das Kissen ins Gesicht, um nichts mehr zu hören, nichts mehr zu sehen, nicht mehr zu denken.

 

Wir Menschen sind wie Drucke. Wir werden von stets demselben Bildnis geprägt, doch das Material, auf das die Druckplatte des Lebens ihren Stempel treibt, ist nicht immer dasselbe. Deswegen gibt es Mann und Frau, weiß und dunkel, klug und dumm. Aber die Unterschiede zwischen den Menschen reichen noch tiefer. Sie beeinflussen auch, wie leicht wir Schaden nehmen und wie wir anschließend mit diesen Verletzungen umgehen. Wer zum Beispiel auf kräftiges, altes Pergament gedruckt wird, zeigt sich widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit, lässt aber auch wenig Licht nach außen dringen.

Ich glaube, das Problem bei Rudolph war, dass er aus einem ganz anderen Stoff war als normale Menschen. Seine Oberfläche war beschichtet wie die der neumodischen Teflonpfannen. Reize, Lehren, Ereignisse, die andere stark beeinflusst hätten, prallten an ihm ab. Das bedeutete aber nicht, dass er unverwundbar war. Es brauchte nur ein anderes Werkzeug, um zu ihm durchzudringen. Gewalt war sicherlich eines davon, aber wohin kann Gewalt je führen?

 

Wenige Nächte später wurde ich unsanft geweckt. Der nahezu volle Mond schien durch das Fenster unserer Schlafkammer genau in mein Gesicht, sodass ich nicht erkennen konnte, wer da neben meinem Bett stand. Erst, als er sprach, erkannte ich meinen Bruder Georg.

„Tilly, er ist weg“, kiekste er in der bedauernswerten, gebrochenen Stimmlage heranwachsender Jungen. „Sein Bett ist leer, und er ist nirgendwo im Haus. Mutter bricht zusammen, wenn sie es merkt.“

Erschöpft von Nächten, in denen ich stundenlang wachgelegen und geweint hatte, fiel es mir schwer, meine Gedanken zu ordnen. „Er kann nicht weg sein“, antwortete ich gähnend. „Er kann sich doch kaum auf den Beinen halten.“

Dass Georg von Rudi sprach, war mir ebenso klar, wie ich mir meiner Worte sicher war.

Unserem Bruder ging es nicht gut. Das Fieber war doch noch gekommen. Seine Hand roch streng und er hatte Schüttelfrost. Ich hatte meinen Mutter und den Arzt belauscht. Das Wort „Infektion“ war gefallen. Es war vollkommen undenkbar, dass Rudi in diesem Zustand davongelaufen war.

Georg beugte sich zu mir und griff nach meinem Nachthemd. „Und wenn ich es dir sage: Er ist nicht da. Wir haben ihn schon überall gesucht! Er ist fort!“

Er klang so dringlich und verzweifelt, dass ich ihm glaubte. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und kam auf die Beine. Im Nachbarbett richtete sich Irmgard auf und fragte, ob etwas geschehen sei. Doch wir schickten sie mit der Mär von einer kalbenden Kuh wieder in ihre Träume.

Schnell zog ich mir den Mantel über das Nachthemd und lief auf bloßen Füßen mit Georg ins Freie. Dort trafen wir auf Franz, der in der Mitte des Hofs auf der Brunnenbank saß und an den Fingernägeln knabberte.

„Habt ihr wirklich überall nachgesehen?“, fragte ich meine Brüder. „Wart ihr auch auf dem Häuschen?“

„Er hat doch einen Nachttopf …“

„Wann hat er den je benutzt?“, warf Georg ein und machte sich sofort auf den Weg, um nachzusehen.

Ich feuerte weitere Fragen auf Franz ab: „Der Heuboden? Der Stall? Die Fuhrkammer? Was ist mit den Eltern?“

„Waren wir überall. Sogar in der Scheune“, betonte er. „Und bei den Eltern haben wir nur ins Zimmer hineingelinst. Mutter ist allein. Sie hat uns nicht bemerkt.“

Ich war nicht überrascht. Es mochte kurz nach Mitternacht sein, und der Vater war seit dem Zwischenfall immer erst in den frühen Morgenstunden heimgekehrt. Der Herrgott wusste, bei welcher Dirne er sich die Zeit vertrieb und mit wem er trank.

„Dann wird er wirklich hinaufgelaufen sein“, murmelte ich in mich hinein.

Franz sah mich halb fragend, halb neugierig an. Ihn interessierte es schon seit einer ganzen Weile brennend, wohin es Rudi immer wieder zog. „Kann ich mitkommen?“

Ich zögerte. Unter Umständen war es klüger, einen der anderen mitzunehmen. Wenn Rudi im Fieberwahn zur Ulme gelaufen war, um dort Trost zu finden, war er vielleicht zu geschwächt, um den Heimweg zu schaffen. Aber ich konnte mich nicht überwinden, sein Versteck preiszugeben. Sollte es mir wirklich nicht gelingen, ihn nach Hause zu schleppen, konnte ich immer noch jemanden holen.

„Nein, ich gehe allein.“

„Aber Tilly!“, begann Franz sofort zu quengeln. Ich nahm es ihm nicht übel. Er war noch ein Junge, der den Ernst der Lage Gottseidank nicht ganz erfasste. „Lass mich doch mitgehen.“

„Nein“, wiederholte ich und streichelte seine Wange. „Ich habe es Rudi versprochen, und ein Versprechen, das man seinem Bruder gegeben hat, darf man noch weniger brechen als ein anderes.“

Er nickte widerstrebend und legte für einen kurzen Moment seinen Kopf an meine Schulter. Es sollte die erste von vielen Gelegenheiten sein, bei denen er bei mir nach einer Geborgenheit suchte, die bei meinen Eltern nicht zu finden war.

Ich brauchte lange, um die Ulme zu erreichen. Nicht nur die Dunkelheit machte mir zu schaffen, auch der Feldweg wehrte sich gegen mich. Schwere Regenfälle hatten die Erde ausgewaschen, die Räder überladener Wagen Rillen in den Grund getrieben. Ich stolperte, verfluchte mein langes Nachthemd und die Tatsache, dass ich nicht klug genug gewesen war, mich umzuziehen, bevor ich aufbrach.

Jeder Stein auf dem Pfad schien sich mir in den Weg zu werfen und gegen meine Zehen zu prallen oder sich in meine empfindlichen Fußsohlen zu bohren. Ich fluchte und weinte, rief nach Rudi, sobald ich außer Hörweites unseres Hofs war. Jedes Mal, wenn ich eine Senke erreichte, musste ich mich mit angehaltenem Atem zwingen, sie in Augenschein zu nehmen. Wieder und wieder fürchtete ich, den gestürzten Körper meines Bruders zu finden, verletzt, fiebernd, am Ende seiner Kräfte. Schlimmeres.

Ich sah ihn nicht. Auch nicht, als ich die Ulme erreichte. Längst hatten scharfe Gräser mir die Waden aufgeschnitten, und mein Nachthemd war zerrissen, als es an einem Brombeerstrauch hängengeblieben war. Ich zitterte vor Erschöpfung und Angst.

„Rudi“, flüsterte ich in die Dunkelheit, die im Umfeld der Ulme zu einem Licht fressenden Schwarzen Loch gerann.

Ein Summen schien mir zu antworten, ein belustigtes Glucksen, als amüsiere sich jemand über einen Scherz, den ich nicht verstanden hatte. Oder über mich, wie ich da stand, keuchend und ängstlich und zweifelsohne hysterisch.

Dann entdeckte ich ihn. Seine Haut war es, die ihn verriet. Sie fing das Mondlicht ein und warf es weich zurück. Wieder war er nackt, wieder hatte er sich in die Äste der Ulme zurückgezogen. Seine Schlafanzughose lag unter ihm zwischen den Wurzeln. Schlimmer als das, in langen Bahnen wehte sein Verband von einem Zweig, gefangen zwischen den Blättern.

Ich wollte ihn am Bein vom Baum zerren, ihn durchschütteln und ihn anschreien. Ich wollte ihn fragen, ob er nun endgültig seinen Verstand verloren hatte.

Doch ich tat nichts davon. Ich stand still, lauschte meinem hämmernden Herzen und fühlte mich, als läge ich in Fesseln. Es war, als hätte eine fremde Macht mich ergriffen, die mir strikt verbot, mich ihm zu nähern, in den Schutz der Krone zu treten.

Wieder wisperte etwas in der Finsternis, aber es war nicht Rudis Mund, der sich bewegte. Viel mehr glaubte ich mit einem Mal eine Gestalt zu erkennen, die hinter ihm hockte. Für einen verrückten Augenblick sah es aus, als hätte er zwei Köpfe. Seinen und einen weiteren, der über seine Schulter ragte. Auch schien er mehr Arme zu besitzen, als einem Menschen zustanden. Zwei baumelten an seiner Seite, zwei andere umfassten seine Brust.

Ich blinzelte, als mich ein würziger, äußerst befremdlicher Geruch erreichte. Er erinnerte mich an die glühende Esse des Hufschmieds, an Fieberumschläge und den beißenden Duft, der den ersten Schnee ankündigt. An Ofenwärme, Kräutertee, Pfefferkuchen und warme Wolle.

Ich wollte Rudi entgegen gehen, doch nach wie vor konnte ich mich nicht rühren. Unsichtbare Ranken schienen sich um meine Waden zu winden – oder auch Wurzeln. Ich öffnete den Mund, um meine zunehmende Angst in Laute zu fassen, doch auch meine Stimmbänder verrieten mich.

So stand ich steif und stumm und musste mit ansehen, wie Rudi mit geschlossenen Augen die Hand hob, die verletzte Hand. Er führte sie über den Kopf und drückte sie an den Stamm.

In mir verkrampfte sich etwas, ich mochte mir nicht ansatzweise vorstellen, wie sehr der Kontakt mit der groben Rinde ihn schmerzen musste. Doch ihm war kein Leid anzumerken. Ganz im Gegenteil: Ein erleichterter Ausdruck trat auf seine Züge, gefolgt von einem Lächeln, als die geisterhafte Gestalt hinter ihm ihn inniger umfasste und einen Kuss auf seinen Nacken hauchte. Nur um einen Lidschlag später aufzublicken und mich direkt anzusehen.

Was ich in diesem einen Blick las, was er mit mir anstellte, ich habe kaum Worte dafür. Auch nicht für das kantige, fast viereckige und seltsam grobe Gesicht, das über der Schulter meines Bruders schwebte. Die durchsichtig grauen Augen waren auf mich fixiert, der Ausdruck darin so finster wie eine Neumondnacht bei geschlossener Wolkendecke. Wortlos warnten sie mich. So eindringlich, dass ich sogar eine Stimme zu hören glaubte.

„Bleib fort von diesem Ort. Er gehört dir nicht – und dein Bruder gehört dir auch nicht. Ich schätze deine Mühen. Sie sind der einzige Grund, warum ich dich verschone.“

Die Schattengestalt strich über Rudis Brust und nahm dessen verletzte Hand an sich, küsste sie mit einer Zärtlichkeit, die rührend hätte sein können. Unter anderen Umständen. Zwischen Mann und Frau.

Rudi schien sich am Bruch der guten Sitten nicht zu stören, nein, er lächelte sogar mit geschlossenen Augen, schmiegte sich dem fremden Körper entgegen, und für einen Moment kam es mir vor, als würde seine Gestalt vor meinen Augen flackern und mit den Konturen der Ulme verschmelzen.

Als der Fremde zudringlicher wurde, seine kräftigen Schattenhände über Rudis Leib gleiten ließ und der sich wollüstig streckte, konnte ich nicht länger standhalten. Ich zerrte meinen Blick in eine andere Richtung, er traf das Hügelgrab am Fuß des Stamms. Die Steine glühten. Ich stieß einen tonlosen Angstschrei aus. Meine Kehle bewegte sich, mein Mund ebenso, aber wieder war kein Laut zu hören. Doch meine Bemühungen waren nicht unbemerkt geblieben waren.

Dieses Mal hörte ich tatsächlich eine Stimme. Sie war tief und ein wenig verzerrt, als würde sie mir als Echo zugetragen.

„Lass ihn gehen“, flüsterte sie eindringlich. „Zerschneide seine Fesseln. Lass ihn mir.“

Eine schreckliche Sehnsucht lag in den Worten. So zehrend wie mein Wunsch, die Untaten des Vaters wiedergutzumachen.

Als ich aufsah, blickte der Fremde mir offen entgegen. Sein Gesicht spiegelte verzweifeltes Begehren wider, ein Begehren, das weit über jede körperliche Lust hinausging, wie ich heute weiß. Es war der Hunger nach einer Kostbarkeit, die sich außer Reichweite befindet, die Zärtlichkeit eines Liebenden, der jedes Opfer zu bringen bereit ist.

Der Anblick ließ mich die Hand vergessen, die Rudi vertraulich zwischen den Beinen berührte und mit seiner Männlichkeit spielte. Ließ mich vergessen, dass Mann und Mann meiner Erziehung nach nicht zusammengehörten. Ließ mich sogar vergessen, dass ich einem Feenwesen oder Geist gegenüberstand, denn – so wusste ich tief in meinem Inneren – die wirkliche Welt hatte ich für diese Nacht hinter mir gelassen.

Eine tiefe Ruhe legte sich über mich. Kam sie von außen? Nutzte der Fremde seine Macht? Ich weiß es nicht. Ich möchte glauben, dass sie von einem tieferen Verständnis herrührte. Oder davon, dass Rudis Gesicht strahlte. Ich hatte ihn in den letzten Jahren so selten lachen sehen. Er war so in die liebevolle Umarmung versunken, dass er mich nicht einmal bemerkt hatte.

Als er den Hals reckte, um den Schatten hinter sich zu küssen, ging ich.

 

Rudi kam in dieser Nacht nicht heim. Lug und Betrug verhinderten, dass der Vater etwas davon bemerkte. Wie es meiner Mutter gelang, ihr allmähliches Zusammenbrechen zu verbergen, weiß ich bis heute nicht. Andererseits war vielleicht gar nicht so viel Schauspielkunst nötig, denn der Vater war noch am Morgen angetrunken und machte ohnehin keine Anstalten, nach Rudi zu sehen. Das hatte er seit dem Zwischenfall nicht ein einziges Mal getan.

Ich selbst sah mich mit vielen Fragen konfrontiert. Ob ich ihn nicht gefunden hätte, wollten meine Brüder wissen. Was wir jetzt tun sollten. Ob er vielleicht davongelaufen sei und wenn ja, ob er wohl die Kraft hatte, wieder heimzufinden.

Einmal äußerte Georg sogar den Gedanken, dass Rudi sich vielleicht zum Sterben verkrochen hatte. Unglücklicherweise stand meine Mutter hinter ihm, als er sprach. Die Spuren der Ohrfeige zeichneten sich den ganzen Morgen über auf seiner Wange ab. Das Schluchzen unserer Mutter drang stundenlang aus dem Kuhstall, während sie den Mist schaufelte und der Vater auf der Gartenbank seinen Rausch ausschlief.

Erst, als die Sonne unterging, kehrte Rudi zurück. Er schlich sich über den Zaun und fing mich ab, als ich hinter die Scheune ging, um den Hühnerstall zu verschließen. Trotz des schwächer werdenden Lichts fiel mir sofort auf, dass er verändert war. Weit über das offensichtlich gesunkene Fieber und den fehlenden Verband hinaus. Er stand aufrechter als ich ihn je gesehen hatte, und in seinen Augen leuchtete eine Klarheit, die nur mit großer Ruhe einhergehen kann.

Schweigend nahm er meine schmutzige Hand und führte mich ins Innere der Scheune. Dort zog er mich auf einen Strohballen und legte mir erst den Arm um die Taille, dann den Kopf auf die Schulter. Sein Haar roch nach frisch umgegrabener Erde.

Ich streichelte ihn, seine Arme, seine vernarbte, aber in Heilung begriffene Hand, seine Wangen und sogar seinen Mund. Er küsste mich auf die Nase, lächelte schwach und sah mich dann unverwandt an. Sprach kein Wort.

Ich erinnerte mich an die Bitte aus der Nacht zuvor, vorgetragen mit so viel Schmerz. Sie hatte in mir unsägliches Leid ausgelöst und eine ganz und gar selbstsüchtige Gier. Ich wollte meinen Bruder nicht aufgeben. Er gehörte an meine Seite. Er war ein Teil von mir. Und doch wusste ich, dass er unglücklich war und dass er etwas Besseres verdiente. Dass er ein Zuhause verdiente. Denn jetzt – so wurde mir mit der Wucht eines niedersausenden Fallbeils bewusst – hatte er keines.

War das die Fessel, die es zu durchtrennen galt? Und wenn ja, warum war ich diejenige, die diesen Weg beschreiten musste? Wäre es nicht viel mehr Aufgabe meiner Mutter gewesen?

Sinnlose Fragen in einem Moment seltener Klarheit, in einem Augenblick zwischen den Welten.

Ich weinte hemmungslos, und auch Rudi liefen die Tränen über das Gesicht. Der Unterschied war nur, dass er immer noch lächelte. Ganz sanft und längst entrückt. Wir umarmten uns lange, wiegten uns. Mir fiel nicht einmal auf, dass er immer noch unbekleidet war und ich eine besudelte Küchenschürze trug.

In meinen Ohren war das Ticken einer Uhr zu hören. Es wurde lauter, je länger ich ihn hielt. Es warnte mich, und irgendwann glaubte ich sogar eine Stimme wahrzunehmen, die ihn rief.

Er hörte sie auf jeden Fall. Sacht löste er sich von mir und blickte zum Scheunentor. Durch die Öffnung war der Himmel zu sehen. Er brannte längst nicht mehr in den Farben des Sonnenuntergangs, sondern zeigte nur noch das verwaschene, mit Violett versetzte Grau der hereinbrechenden Nacht. Die ersten Sterne wurden sichtbar. Einer von ihnen gleißte.

Noch einmal umfasste ich Rudis Gesicht, versuchte mir jede Einzelheit einzuprägen. Dann stieß ich ihn von mir. Er landete im losen Stroh, für einen Augenblick sichtlich überrascht, dann nickte er langsam. Lächelte schon wieder.

Wie wütend mich dieses dauerhafte Lächeln machte, kann ich nicht beschreiben. Es war ein Hohn für mein brechendes Herz. Ich spürte, wie ich innerlich entzweiriss, und er dachte nur an das, was vor ihm lag. An jene Veränderung, die er so sehr wollte, dass er mich dafür zurückließ. Als wäre ich nichts. Niemand. Nur Staub auf der Straße in sein Morgen.

Ich brauchte den Zorn. Ich brauchte ihn, um zu fauchen: „Geh! Geh jetzt! Hau schon ab!“
Mir lag noch viel mehr auf der Zunge, doch ich behielt die bösen Worte der Enttäuschung und Verlorenheit für mich. Schon damals wusste ich, dass ich sie später für immer bereut hätte.

Langsam stand Rudi auf und zog sich in einer Geste kindlicher Verwunderung etwas Stroh aus dem Haar. Seine Mundwinkel zuckten, als ob er im Stillen über mich lachte. Dann ging er zum Scheunentor. Seine Gestalt wurde zu einem schwarzen Schemen. Ich konnte sein Gesicht schon nicht mehr erkennen, als er sich zu mir umdrehte. Aber ich hörte seine Stimme, zum letzten Mal.

„Ich komme dich holen, wenn es an der Zeit ist.“

Damit verschwand er aus meinem Leben, glücklicher als er bei uns je gewesen war.

 

Sein Verlust riss ein Loch in das ohnehin schon verschlissene Gewebe unserer Familie. Die Vorwürfe wurden nicht ausgesprochen, die Angst nie in Worte gefasst. Aber beide waren da, klebten wie uralte Spinnweben in den Zimmern, verdarben den Anblick der Sommerblumen im Garten, trübten das Wasser im Brunnen.

Hilflos musste ich zusehen, wie meine verbliebenen Brüder sich veränderten. Wie sie ihr Selbst in sich verschlossen und zu Männern wurden, die nicht fähig waren, über ihren Kummer zu sprechen. Wer hätte es sie auch lehren sollen? Meine Eltern entfernten sich von uns, wurden immer dünner und fadenscheiniger, als wären sie längst nicht mehr da.

Es war eine grauenvolle Zeit, in der ich viel über Hass lernte. Denn ja, ich hasste Rudi manches Mal für das Loch, das er in unser Leben gerissen hatte. Für die Selbstsucht, mit der er uns unserem Schicksal überlassen hatte. Er hatte es genauso wenig geahnt wie ich, aber er war wichtig für unsere Familie gewesen. Manchmal enthält ein Fundament einen groben, scharfkantigen Stein, der sich nicht gut einpassen lässt. Das bedeutet aber nicht, dass er seine Aufgabe nicht erfüllt oder dass man ihn entfernen kann, ohne einen Preis zu zahlen.

Ob ich ihn suchte? Oh ja, ich kann gar nicht zählen, wie oft.

Immer wieder rannte ich davon und hinauf zur Ulme. Ich warf mich ins Gras und flehte ihn an, zu uns zurückzukommen. Ich zerrte wütend an den Steinen des Hügelgrabs, versuchte, zwischen die Spalten und ins Innere der Höhlung zu kriechen, trat den Baum und schlug auf ihn ein, bis mir die Finger bluteten.

Doch die Ulme blieb für mich immer nur eine stumme Wächterin über den Hügel, die ihre Äste schützend über ein Grab aus einer anderen Zeit breitete. Treu ergeben, reglos.

Nach einer Weile suchte ich mir einen anderen Ansatz. Ich sprach mit den Alten aus der Umgebung und mit den feinen Herren aus der Stadt, die sich mit der Heimatkunde auseinandersetzten. Doch ich fand weder einen Fingerzeig auf das, was mit Rudi geschehen war, noch gesicherte Angaben, wer unter der Ulme begraben worden war. Wenn man den Geschichten glauben wollte, war in grauer Vorzeit ein Kriegerfürst in dem Hügelgrab bestattet worden, der sich eines furchtbaren Verbrechens schuldig gemacht hatte. Doch wer er gewesen war oder welche Schuld er auf sich geladen hatte, wusste niemand mehr zu sagen.

Ich musste ohne Wissen weiterleben, aber Gewissheit hatte und habe ich bis heute.

Denn manchmal, wenn ich die Ulme besuche, ist mir, als wäre ich nicht allein. Als würde sich jemand neben mir ins Gras hocken und mir den Arm um die Schulter legen.

Gestern, bevor ich mich niedersetzte, um diese Zeilen zu verfassen, habe ich Rudi gesehen. Er saß in der Krone der Ulme, jung und schön wie damals, schaukelte mit den Beinen und lachte auf mich herab. Und seine einst verwundete Hand lag sonnengebräunt und makellos auf der Schulter eines mir fremden Mannes, dessen graue Augen voll Zuneigung und Dankbarkeit auf mir ruhten. Ich erkannte in den Zügen der beiden eine Vertrautheit, die nur gemeinsam verbrachte Jahre mit sich bringt. Sah das Glück, das ich selbst gelebt habe, die Verbundenheit, die man nur mit ganz besonderen Menschen teilen kann. Meistens nur ein einziges Mal in einem Leben.

Rudis Mund formte ein einziges Wort. Bald.

Und so mag man mich für eine verrückte Großmutter halten, die ihre Angst vor dem nahenden Tod mit Märchen zu überwinden sucht. Man mag über mich lachen und meine Geschichte ins Reich der Legenden verbannen. Es ist nicht wichtig, solange ich weiß, dass die Zeit naht, in der ich alles erfahren werde. Die Zeit, in der Rudi zu mir kommt und meine Hand nimmt, um mich fortzubringen.

Dann werde auch ich wieder jung sein und mit ihm über die Wiesen laufen. Und vielleicht stellt er mich endlich seinem Liebhaber vor.

 

 

 

Impressum

Texte: Raik Thorstad
Bildmaterialien: KWM
Lektorat: Unlektoriert, unkorrigiert, wie in der guten alten Zeit ;)
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2018

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Von mir für euch

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