Cover

Kapitel 1

Ich schaute aus dem Fenster auf das aufgewühlte Meer. Der Wellengang hatte bereits deutlich zugenommen. Die schaumige Gischt peitschte immer wieder gegen die schroffe Felsküste, die nur wenige Meter hinter dem Haus ins Wasser ragte. Wie kleine Schafe trieb der Wind die Wolken am Himmel vor sich her. Eigentlich liebte ich dieses Wetter im Herbst. Es war die beste Zeit, um den kleinen Holzofen zu befeuern und es sich mit einer Tasse Tee und einem guten Buch auf dem Sofa gemütlich zu machen. Oder auch, um mit Torri eine kleine Partie „Mensch-ärgere-dich-nicht“ zu spielen. Doch diesmal war es anders.

Die Meteorologen warnten bereits seit zwei Tagen vor einem starken Sturm und auf der Insel herrschte bei den Bewohnern eine Unruhe, die ich bisher noch nie gespürt hatte. Alle waren damit beschäftigt, ihre Häuser wetterfest zu machen und sich mit Vorräten einzudecken, für den Fall, dass wir hier ein paar Tage von der Zivilisation abgekapselt sein sollten. Das ganze Szenario bereitete mir ein ziemlich ungutes Gefühl, obwohl ich meinte, mich schon gut darauf vorbereitet zu haben. Ich schaute zu Torri, die ganz versunken und zufrieden mit ihren Puppen spielte und keine Ahnung von dem hatte, was mich gerade in meinem Inneren umtrieb.

Seit wir hierhergezogen waren, erblühte meine kleine Tochter richtig. Die Ruhe und die Spaziergänge in der Natur taten ihr gut. Es gab immer etwas Neues zu entdecken. Und wenn sie mit ihren gelben Gummistiefeln und ihrer rosaroten Matschhose ins Haus gestolpert kam, um mir eine Muschel zu zeigen, die sie wie einen Schatz in ihren Händen trug, waren das die Momente, die mich wirklich glücklich machten. Und trotzdem kämpfte ich immer noch mit den Zweifeln, ob es die richtige Entscheidung gewesen war: Ein kleines Leuchtturmwärterhaus auf einer schwach besiedelten Insel am Ende der Highlands.

Davor hatte ich mit Gavin in einer großzügigen Wohnung in Glasgow gewohnt. Wir hatten gute Jobs und ein angenehmes Leben. Schon lange hegten wir den Wunsch, die Stadt zu verlassen und irgendwo ans Meer zu ziehen, was sich dann mit der Geburt unserer Tochter vor fünf Jahren noch verstärkt hatte. Und trotzdem blieb es lange nur ein Traum. Und manchmal wünschte ich mir, dass es tatsächlich nur ein Traum geblieben wäre. Denn die Umstände, die uns hierhergeführt hatten, waren keineswegs erfreulich gewesen.

Knapp zwei Jahre war es her. Gavin hatte noch einen späten Geschäftstermin bei einem Kunden in Edinburgh, was nichts Ungewöhnliches war. Wie gewohnt brachte ich Torri ins Bett und machte es mir dann auf der Couch vor dem Fernseher gemütlich. Es lief ein leichter Liebesfilm, dessen Ende ich nicht mehr mitbekam, weil ich eingeschlafen war. Eine Marotte, die ich mir bis heute noch nicht so richtig abgewöhnt hatte. Mitten in der Nacht war ich dann plötzlich wieder erwacht. Ich dachte, ich hätte eine Tür gehört und meinte, dass Gavin endlich nach Hause gekommen war. Normalerweise weckte er mich dann mit einem zarten Kuss kurz auf, sodass wir gemeinsam ins Bett gehen konnten. Doch

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Eireen McGowan
Tag der Veröffentlichung: 25.09.2023
ISBN: 978-3-7554-5671-1

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Jeder Sturm zeigt Dir ein Stück mehr, wer Du wirklich bist.

Nächste Seite
Seite 1 /