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Brigitte und ich

Vor Weihnachten war mein Terminkalender immer ziemlich vollgestopft. Eine Weihnachtsfeier jagte die nächste. Außerdem war auch noch das Krippenspiel in der Schule von Fyn und die weihnachtliche Tanzvorführung von Mias Cheerleadergruppe. Trotzdem war es höchste Zeit, dass ich mich mal wieder mit meiner Freundin Brigitte traf.

Meine Freundin Brigitte war einfach klasse. Fünf Kinder, beruflich erfolgreich und mit einem echten Traummann verheiratet. Und obwohl sie schon Ende 30 war, sah sie jugendlich frisch aus und hätte jeder Zeit einen Modeljob annehmen können, was sie allerdings nicht nötig hatte.

Kaum, dass ich die Klingel gedrückt hatte, öffnete sie auch schon die Türe. Mit ihrem süßen roten Minikleid, den roten Stiefeletten und der lustigen Zipfelmütze auf dem Kopf, sah sie aus wie die sexy Frau vom Weihnachtsmann, was bei mir sofort weihnachtliche Gefühle auslöste, welche sich bei mir zu Hause bisher noch nicht eingestellt hatten, weil ich von einem Termin zum nächsten hetzte.

„Komm herein, meine Liebe“, umarmte sie mich mit einem Küsschen links, Küsschen rechts und duftet dabei nach einer dezenten Parfummischung aus Zimt und Vanille. „Ich liebe Weihnachten.“

„Na ja, geht so“, antwortete ich ihr. „Ich bin eher froh, wenn es nach der besinnlichen Zeit wieder ruhiger wird.“

Sie lächelte verständnisvoll und bat mich in die große offene Wohnküche, die aussah wie aus der „Schöner Wohnen“. So sauber wie es dort war, hätte man nicht vermuten können, dass hier eine Familie mit fünf Kindern wohnte. Außerdem war der Raum bereits herrlich weihnachtlich geschmückt. Dekomäßig hatte ich bei mir zu Hause lediglich Wäsche- und Geschirrberge zu bieten, die sich dank der vielen vorweihnachtlichen Verpflichtungen bereits meterhoch stapelten. Vielleicht konnte man mit etwas Fantasie die Staubmullen auf dem Boden als dekoratives Schneegestöber ansehen.

„Möchtest du Plätzchen?“, fragte mich Brigitte augenklimpernd.

„Eigentlich nicht. Ich hab schon wieder zugenommen“, jammerte ich, doch es war schwer den perfekt gebackenen und gut duftenden Leckereine zu widerstehen.

„Ich kann essen was ich möchte, an mich kommt einfach kein Gramm dran“, meint sie lächelnd und biss in eines der Plätzchen. „Die Kinder haben auch mitgeholfen beim Backen. Es war so süß. Wie in der Weihnachtsbäckerei.“

Ich hatte seit Jahren keine Plätzchen mehr gebacken, weil ich schon gar keine Zeit dazu hatte mit lauter Vorweihnachtsstress. Und falls mich die Kinder doch mal dazu überredet hatten, war das meistens nicht unbedingt eine vergnügliche Beschäftigung. Wenn nicht bereits schon der Teig in den Förmchen und am Brett kleben blieb, dann war der Spaß spätestens vorbei, wenn der beißende Geruch von Verbranntem aus dem Ofen stieg. Wenn ich diese beiden Hürden tatsächlich mal gemeistert hatte, gab es auf jeden Fall bei der Dekoration der Backware Probleme. Aber Hauptsache sie schmeckten halbwegs.

„Und was macht ihr Weihnachten so?“, wollte ich von Brigitte wissen.

„Ach, da lasse ich mich so richtig verwöhnen. Bernd macht einen Gänsebraten mit frischen Knödeln und Blaukraut, nach einem Rezept von Schubeck. Meine Eltern kommen zu Besuch, da freuen sich die Kinder schon drauf. Dann gehen wir gemeinsam zum Krippenspiel. Und danach wird gesungen und es gibt die Bescherung. Ich sage zu Bernd immer, dass er mir nichts schenken soll. Aber es freut mich doch jedes Jahr wieder, wenn er mir eine hübsche Halskette unter den Christbaum legt. Wenn meine Eltern dann gegangen sind und Bernd die Kinder ins Bett gebracht hat, genießen wir immer noch die Zeit zu zweit unterm Tannenbaum. Total romantisch. Er ist einfach der beste Ehemann, den man sich wünsche kann“, schwärmte mir Brigitte begeistert vor. „Von mir aus könnte das ganze Jahr Weihnachten sein

Das ganze Jahr Weihnachten? Ein Schaudern durchzuckte meinen Körper bei dieser Vorstellung. Bei uns lief das ganze etwas anders ab. Meist begann bei meinem Mann schon eine Woche vorher die Weihnachtsdepression, angesichts der Tatsache, dass meine Eltern am Heilig Abend zum traditionellen Bratwurstessen vorbeikamen. Das bedeutete, dass ich ab diesem Zeitpunkt am besten nichts mehr von ihm erwarten sollte. Am 24. verschwand er dann in den Keller oder die Garage, um das Auto auszusaugen oder sonstige unnötigen Arbeiten zu verrichten, während ich damit beschäftigt war, den Christbaum zu schmücken, die Krippe aufzubauen, den Kartoffelsalat für die Bratwürste vorzubereiten, die Kinder im Zaum zu halten und heimlich die Geschenke noch zu verpacken. Ohne Glühwein hielt ich den ganzen Stress gar nicht aus, sodass ich dann am frühen Nachmittag, wenn meine Eltern kamen und wir gemeinsam mit den Kindern zum Krippenspiel gingen, meist schon einen Sitzen hatte, um überhaupt irgendwie in Weihnachtsstimmung zu kommen. Oder besser gesagt, um diesen Tag zu überleben. Der Versuch, vor der Bescherung durch Gesang etwas besinnliche Weihnachtsstimmung herbeizuführen, scheiterte schon immer daran, dass mein Vater keinen Ton traf und die Kinder es nicht mehr erwarten konnten, die Geschenke aufzureißen. Das ganze Spektakel war dann in geschätzt fünf Minuten erledigt. Ich kochte mir währenddessen eine weitere Flasche Glühwein auf. Ein Weihnachtsgeschenk meines Mannes suchte ich vergeblich unter dem Tannenbaum mit der Begrünung: „Wir haben doch eh schon alles.“ Ich machte ihm aber stattdessen ein schlechtes Gewissen, in dem ich ihm ein verpacktes weißes Hemd unter den Baum legte, dass er allerdings noch nie aus der Schutzfolie geholt hatte, sodass ich es ihm bereits das fünfte Jahr in Folge schenkte. Wenn meine Eltern dann endlich gegangen waren, nach dem sie immer viel zu lange dageblieben waren, torkelte ich betrunken ins Bett und schlief dann auch augenblicklich ein, um diesen Tag möglichst schnell zu vergessen. Das war mein Weihnachten und mit verwöhnen hatte das wirklich nichts zu tun.

Ein Blick auf die Uhr ließ mich zusammenzucken. Höchste Zeit zu gehen, denn in einer halben Stunde war die Weihnachtsbesinnung vom Frauenbund, wo ich unbedingt hinmusste.

„Ich muss weiter“, erklärte ich kurz, wofür Brigitte vollstes Verständnis hatte.

„Mach es gut, meine Liebe“, verabschiedete sie sich gut gelaunt von mir. „Und schöne Weihnachten!“

 

Impressum

Texte: Weihnachtsmann & Coco KG
Cover: Weihnachtsmann & Coco KG
Lektorat: Weihnachtsmann & Coco KG
Korrektorat: Weihnachtsmann & Coco KG
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2022

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
„…und wenn die stade Zeit vorüber ist, dann wird`s auch wieder ruhiger!“ (Karl Valentin)

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