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Teufelskreis

Mein Bein wippte nervös zitternd auf und ab, während ich meine feuchtkalten Hände am Stoff meiner Anzugshose abrieb. Neben mir saß eine Frau, die dauernd niesen musste. Inständig hoffte ich, dass mein Name bald aufgerufen würde. Das Wartezimmer war lediglich durch eine gläserne Wand von den restlichen Räumen abgetrennt. Ich konnte direkt zur Anmeldetheke blicken. Ein moderner weißer Klotz, der durch eine silberfunkelnde Kristalllampe aufgewertet wurde. Im Hintergrund befand sich eine Fototapete, die den Eiffelturm in Schwarz-Weiß-Optik zeigte. Daneben stand ein großgewachsener Gummibaum. Wüsste ich nicht sicher, dass ich in einer Arztpraxis war, man hätte es wohl auch für ein Reisebüro halten können. Was sich der Innenarchitekt wohl dabei gedacht hatte?

So richtig krank fühlte ich mich eigentlich gar nicht. Aber Ines meinte, es wäre besser, wenn ich mich mal vom Doktor durchchecken lassen würde. Etwas widerwillig hatte ich ihren Vorschlag zur Kenntnis genommen. Ich hatte die letzten Wochen ziemlich viel Stress bei der Arbeit gehabt. Wir steckten mitten in einer großen Werbekampagne für einen namhaften Autohersteller. So was erforderte einfach vollen Einsatz. Nicht umsonst hatte ich es beruflich so weit geschafft. Tagsüber war ich etwas müde. Und nachts ließen mich die Grübeleien nicht so richtig los. Ein blöder Teufelskreis. Aber doch nichts, was einen Arztbesuch rechtfertigte. Das hatten doch viele Leute. Und die Schlaftabletten hatten mir schon sehr geholfen. Doch Ines ließ mir keine Ruhe. Sie war besorgt um mich, was ja irgendwie nett war, aber manchmal auch ziemlich anstrengend sein konnte. Also hatte ich schließlich ihrem Bitten nachgegeben und diesen Termin ausgemacht, auch wenn ich mir etwas deplatziert vorkam.

Mittlerweile war das Wartezimmer gut gefüllt, was mich nur noch nervöser machte. Ich wollte mir lieber nicht ausmalen, was die Leute alles an Viren, Keimen und Bakterien hereinschleppten. Auch wenn hier alles klinisch sauber und rein zu sein schien, beschlich mich doch ein Gefühl des Unbehagens. Am liebsten wäre ich einfach wieder gegangen. Um mich abzulenken, blätterte ich in einer Men‘s Health, die auf dem kubischen Tisch in der Mitte des Raumes gelegen hatte.

„Herr Schindelbeck“, rief endlich eine kleine hübsche Sprechstundenhilfe asiatischer Abstammung.

Schnell legte ich die Zeitschrift auf den Tisch zurück und verließ, ohne zurückzuschauen das Wartezimmer mit dem darin befindlichen Elend und folgte meiner Erlöserin ins Behandlungszimmer.

„Der Herr Doktor kommt sofort“, meinte sie mit einer lieblichen Stimme und platzierte mich auf einem Stuhl vor einem Schreibtisch.

Noch ehe ich die minimalistische Einrichtung, bei der die Farbe Weiß dominierte, richtig begutachten konnte, ging schwungvoll die Tür auf und ein großer hagerer Mann Ende 40 betrat den Raum. Er streckte mir seine Hand zur Begrüßung entgegen, die ich reflexhaft annahm.

„Sie sind also Herr Schindelbeck. Ich glaube, Sie waren noch nie hier“, meinte er mit einem Zahnpastalächeln zu mir. „Was kann ich denn für Sie tun?“

„Meine Verlobte findet, dass ich mich mal durchchecken lassen soll von Ihnen“, meinte ich recht gelassen zu dem Doktor.

„Aha. Was fehlt Ihnen denn?“, hakte er recht interessiert nach und schaute mich über die Gläser seiner Brille hinweg musternd an.

„Ich bin tagsüber ein bisschen müde, während ich nachts nicht so gut schlafen kann. Blöde Sache. Sollte aber mit ein paar Schlaftabletten wieder in den Griff zu bekommen sein.“

„Oh. Sie haben also schon einen Behandlungsplan erstellt“, meinte der Doktor mit leicht ironischem Unterton zu mir. „Na, dann lassen Sie uns mal schauen, ob ich zum gleichen Ergebnis komme. Machen Sie den Oberkörper frei.“

Der wollte doch jetzt nicht das komplette Programm durchziehen? Etwas widerwillig zog ich mein Jackett aus, das ich noch von der Arbeit trug, löste meine Krawatte und knöpfte mein Hemd auf.

„Wo arbeiten Sie?“, wollte er neugierig wissen, während er sein Stethoskop aus einer Schublade aus dem Schreibtisch zog.

„In einer Werbeagentur“, antwortete ich cool, aber mit einer Portion Stolz in der Stimme. „Wir arbeiten gerade an einem Großauftrag. Dem gebe ich auch die Schuld an meiner Müdigkeit. Das wird schon wieder.“

Kurz blickte er mich mit großen Augen an, sagte aber nichts darauf und drückte mir das kalte Bruststück seines Stethoskops an meinen Oberkörper, der sich dank regelmäßiger Fitnessclubbesuche auch mit 37 Jahren noch gut sehen lassen konnte.

„Machen Sie mal Aaaaahhhhh“, forderte er mich weiter auf, bevor er mir so ein Holzplättchen auf die Zunge legte und mit einer Lampe meinen Hals ausleuchtete.

Ich kam mir vor wie ein Zehnjähriger beim Kinderarzt. Danach holte er auch noch das Blutdruckmessgerät hervor und quetschte mir pumpend den Oberarm kurzzeitig ab. Artig ließ ich das Prozedere über mich ergehen, welches abgerundet wurde vom obligatorischen Messen und Wiegen. Aber auch hier hatte ich nichts zu befürchten.

„Sie können sich wieder anziehen“, meinte der Doktor schließlich zu mir und ich war erleichtert, dass die Untersuchung nun hoffentlich bald ein Ende haben würde.

Konzentriert hackte der Doktor etwas in seinen Computer. Hoffentlich das Rezept für meine Schlaftabletten.

„Hm“, meinte er schließlich und sah wieder zu mir auf. „Herr Schindelbeck, ich fürchte, ich kann da nichts mehr für Sie tun.“

Ich fiel aus allen Wolken und wusste nicht so recht, was er damit sagen wollte. War ich etwa unheilbar krank? Das konnte doch nicht sein.

„Was soll das heißen?“

Völlig perplex schaute ich ihn an.

„Ähm. Also, so war das jetzt nicht gemeint“, stammelte er vor sich hin. „Ich meine, Sie müssen da zu einem anderen Arzt.“

„Einem Facharzt?“, hakte ich nach.

„Sozusagen“, erwiderte er. „Sie sollten sich einen guten Psychiater suchen. Alles deutet auf einen zumindest im Anfangsstadium befindlichen Burn-out hin.“

Diese Worte muss ich erst einmal sacken lassen. Ich und einen Psychiater? Ein leises Lachen kroch meine Kehle herauf, welches sich immer weiter steigerte.

„Damit ist nicht zu scherzen“, meinte der Doktor mit ernster Miene.

„Deswegen lache ich auch gar nicht“, sagte ich kopfschüttelnd und immer noch von einer Ungläubigkeit gepackt.

„Weswegen denn dann?“, wollte der Arzt wissen.

„Meine Mutter ist Konstanze Sen, falls Ihnen das etwas sagt“, erklärte ich ihm kurz und knapp.

Nun war er es, der komisch schaute.

„Sie sind der Sohn von Konstanze und Navin Sen? Dem berühmten Psychologenehepaar?“

„Genaugenommen nur der Sohn von Konstanze.“

„Ah“, meinte er kurz. „Na, da sind Sie ja in besten Händen. Ich habe einige Bücher von Ihrer Mutter gelesen und bin absolut begeistert von ihr.“

Sofort schritt er zu einem Regal hinter mir und zog drei mir wohlbekannte Bücher heraus. Allerdings musste ich ehrlich zugeben, dass ich noch nie eines davon gelesen hatte, obwohl sie regelmäßig in den Bestsellerlisten der Republik zu finden waren. Auch sonst hatte ich es die letzten Jahre ganz gut geschafft, mich aus dem Schatten meiner ruhmreichen Mutter zu befreien und war von der schwäbischen Provinz in die Bundeshauptstadt Berlin gezogen, wo ich mir mittlerweile auch ohne ihre Hilfe einen respektablen Lebensstandard aufgebaut hatte.

Vor wenigen Jahren hatte ich mir ein Loft in einem alten Industriedenkmal in Berlin Mitte gekauft, wo ich nun zusammen mit Ines wohnte. Außerdem flog ich dreimal im Jahr in den Urlaub und hatte bisher nichts vermisst. Woher sollte ich nun also einen Burn-out haben? Mir fehlte doch nichts.

 

Burn-out

Burn-out. Die Worte des Doktors hallten wie ein Mantra in meinem Kopf. Wie sollte ich das bitte meiner Mutter erklären? Der Sohn der großartigen berühmten Psychologin Dr. Konstanze Sen hatte Burn-out. Schwermütig fläzte ich mich in der freistehenden Badewanne, von wo aus man durch eine große Panoramascheibe einen wunderbaren Blick in die Stadt hatte. Die Sonne war nur noch ein orangefarbener Lichtstreifen am Horizont. Der Schaum in der Wanne hatte sich längst aufgelöst und das Wasser war bereits kalt. Doch ich war nicht in der Lage aufzustehen. Mir fehlte es an Kraft und Motivation. Derweil kreisten meine Gedanken immer wieder um dieses Unwort, welches mir der Arzt heute um die Ohren geknallt hatte.

Er hatte mich eine Woche krankgeschrieben, meinte aber gleichzeitig, dass es damit noch lange nicht getan wäre und ich mir dringend professionelle Hilfe suchen müsse. Ich konnte doch jetzt nicht einfach eine Woche krank machen. Wir steckten in der Agentur mitten in diesem Großprojekt, welches von mir geleitet wurde. Wusste er eigentlich, was er mir damit antat? Außerdem tat ich mir schwer damit, diese Schwäche einzugestehen. Nein, ich musste morgen auf jeden Fall bei der Arbeit erscheinen. Ich würde das schon hinbekommen. Wenn das Projekt abgeschlossen war, könnte ich mir ein paar Tage Urlaub gönnen. Dann würde sich das mit der Müdigkeit auch ganz schnell wieder legen. Burn-out. Das war doch sowieso bloß ein Modewort. Kaum war mal einer nicht ganz auf der Höhe, bekommt er gleich den Burn-out attestiert. In Gedanken versunken, hatte ich vor mich hingegrummelt und dabei gar nicht realisiert, dass Ines sich ins Badezimmer geschlichen hatte. Ich erschrak kurz, als sie sich neben die Wanne kniete.

„Willst du nicht langsam mal rauskommen? Das Wasser ist ja schon eiskalt“, meinte sie vorwurfsvoll zu mir.

Ines war gerade mal 29 und somit ein paar Jahre jünger als ich, was mir ganz recht war, denn so fühlte auch ich mich irgendwie jünger. Die grauen Haare, die ich zunehmend zwischen dem Braun in meinem Bart und an meinen Schläfen registrierte, versuchte ich dezent zu ignorieren. Wir hatten uns in der Agentur kennengelernt. Ines war schlank, durchtrainiert und hatte blondes langes Haar. Schon allein ihretwegen konnte ich mir keine Schwächen leisten. Nicht auszudenken, wenn das bei der Arbeit die Runde machen würde.

Mit einem apathischen Knurren signalisierte ich ihr, dass ich meine Ruhe wollte. Aber hartnäckig, wie sie nun mal war, ließ sie sich davon nicht abschrecken und machte munter weiter.

„Du solltest mit deiner Mutter reden. Sie kennt sich doch mit so was aus“, goss Ines Öl ins Feuer und schaute mich mit ihren ozeanblauen Augen unschuldig an.

„Boah, Ines“, meinte ich gequält und tauchte einfach komplett mit dem Kopf unter Wasser, als könne ich damit meinen Problemen entkommen.

Der Wasserdruck in den Ohren ließ mich Ines Stimme nur noch gedämpft wahrnehmen. Ich wünschte mir, ich könnte für immer hier abtauchen und einfach alles vergessen. Aber schon nach wenigen Sekunden zwang mich das Sauerstoffdefizit wieder aufzutauchen.

„Sorry Cornelius, aber du kannst das doch nicht einfach so abtun. Du tust so, als wäre nichts“, machte sie augenblicklich weiter mit ihrer Standpauke.

„Was ist denn auch schon? Ich bin ein bisschen müde. Ist das verwunderlich? Ich habe gerade echt Stress bei der Arbeit. Aber das geht auch wieder vorbei“, herrschte ich sie etwas unsanft an.

„Wir hatten schon seit Wochen keinen Sex mehr“, konfrontierte sie mich mit der bisher ungesagten und unangenehmen Wahrheit.

„Ich bin ja auch kein Zuchtbulle, Ines. Ich habe einfach ein bisschen Stress. Mehr nicht. Alles andere kommt dann schon wieder, wenn das Projekt abgeschlossen ist. Ich verspreche es dir. Wir machen dann einen schönen Urlaub. Du darfst dir auch aussuchen, wo wir hinfahren“, versuchte ich sie zu beruhigen.

„Magst du mich überhaupt noch“, konterte sie mit der Killerfrage schlechthin. „Du musst mir bloß sagen, wenn du mich nicht mehr magst.“

Als sie das sagte, zog sie eine Schnute wie eine 13-Jährige, der man gerade das Smartphone abgenommen hatte.

„Ines. Bitte. Es ist nur ein bisschen Stress. Ja.“

Schmollend blickte sie zu mir, ließ sich aber dennoch durch mein gutes Zureden etwas besänftigen.

„Soll ich uns Sushi bestellen?“, lenkte sie schließlich ein.

„Mach das“, stimmte ich zu, obwohl ich eigentlich keinen großen Hunger hatte, aber so würde ich wenigstens wieder meine Ruhe bekommen.

Mein Plan ging auf. Ines verließ das Badezimmer. Die Sonne war mittlerweile komplett untergegangen. Lediglich der schwache Schein einer LED-Kerze beleuchtete noch den Raum. Noch einmal ließ ich meinen Kopf unter das kalte Wasser gleiten. Burn-out. So ein Schwachsinn.

 

Moralpredigt

„Du solltest wirklich zu Hause bleiben, Cornelius. Hör auf den Arzt“, mahnte mich Ines.

Es war noch dunkel draußen. Ich trug bereits meinen Anzug und ließ mir eine Tasse Espresso aus meiner roten italienischen Siebträgermaschine. Hunger hatte ich keinen. Stattdessen spülte ich den kleinen starken Kaffee zusammen mit einer Schmerztablette hinunter. Mein Kopf pulsierte und es fühlte sich bereits grenzwertig zu einer Migräne an. Doch ich konnte mir jetzt keine Schwächen leisten. Es stand ein Meeting an mit hochrangingen Vertretern der Marketingabteilung unseres Großkunden. Doch Ines begriff ganz offensichtlich nicht so recht, was das für die Agentur und letztlich auch für mich bedeutete.

„Bitte hör auf, mir eine Moralpredigt zu halten, Ines. Ich bin 37 und weiß selber, was gut für mich ist“, knurrte ich leicht genervt zu meiner Freundin, die bereits an dem Stehtisch aus Akazienholz in der Küche lehnte und ihr veganes Chiasamen-Müsli frühstückte.

„Sei doch nicht gleich so gereizt. Ich meine es ja bloß gut“, meinte sie schnippisch zu mir.

„Wenn du es gut mit mir meinst, dann sei am besten ruhig mit deinen Hobbypsychologenratschlägen“, motzte ich genervt zurück. „Und beeil dich lieber mit dem Essen, wir müssen heute wirklich pünktlich sein.“

„Ist ja schon gut“, meinte sie zu mir und verdrehte kurz ihre Augen.

Schnell schob sie die leere Müslischüssel in die Spülmaschine der lindgrünen Designerküche des Lofts und spurtete zu mir. Ich hatte mir bereits meinen Trenchcoat angezogen und wartete ungeduldig an der schweren Metalltür, um endlich Richtung Arbeit fahren zu können.

Im Laufschritt hechtete ich die Betontreppe des Industriebaus hinunter in die großzügige Parkgarage, wo mein Porsche Cayenne auf mich wartete. Wortlos stieg Ines auf den Beifahrersitz und ich startete den tief brummenden Motor meines Autos.

Um diese frühe Uhrzeit war der Stadtverkehr noch recht human. Wie auf Autopilot lenkte ich den Wagen durch die Großstadtstraßen der aufgehenden Sonne entgegen. Drei Parkplätze hatte die Werbeagentur angemietet. Einer davon war für mich reserviert, was ein großes Privileg war. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Ines das alles viel zu locker sah. Erfolg war nichts, was einem einfach in den Schoß fiel. Es war harte Arbeit.

„Beeil dich“, trieb ich sie an.

„Nerv mich nicht“, konterte sie eingeschnappt, während wir nebeneinander in die Agentur gingen.

Ohne weitere Worte eilte ich in mein Büro, wo ich augenblicklich den Computer hochfuhr. Ein Hauch von Schmerz hämmerte sich langsam durch meinen mit Medikamenten vollgepumpten Kopf. Nervös tastete ich nach der Tablettenschachtel in meiner Hose. Nein, mir ging es wirklich alles andere als gut, aber das durfte ich mir jetzt einfach nicht anmerken lassen. Nicht jetzt. Nicht hier. Alles wird gut, redete ich mir ein und hackte wild auf meinen Computer ein.

„Herr Schindelbeck, die Kundschaft ist soeben eingetroffen“, riss mich schließlich meine Sekretärin aus meinen Gedanken.

„Jetzt schon?“, meinte ich erstaunt.

„Also bitte. Die sind immerhin schon eine viertel Stunde zu spät, Herr Schindelbeck“, widersprach mir meine Kollegin mit strengem Blick.

„Echt?“, fragte ich verwundert nach und ein Blick auf die Uhr meines Laptops sagte mir, dass sie recht hatte.

Wie hatte mir das entgehen können?

„Ich komme sofort“, meinte ich etwas verwirrt zu ihr und kramte hastig meine Unterlagen zusammen, bevor ich in den Besprechungsraum mit dem großen Glasfenster hetzte, das Ausblick auf den Fernsehturm gab.

„Herr Schindelbeck. Guten Tag“, begrüßte mich sofort einer der Herren mit Anzug und Krawatte und streckte mir seine Hand entgegen.

„Guten Tag“, meinte ich zu ihm und mir wollte und wollte nicht mehr sein Name einfallen, obwohl ich ihn kannte und schon mehrere Male mit ihm zu tun gehabt hatte.

Derweil war mein Namensgedächtnis normalerweise wirklich gut ausgeprägt und hatte mich noch nie im Stich gelassen. Eine Delegation von Marketingexperten saß bereits auf den Designerbürostühlen um den großen Besprechungstisch und blickte erwartungsvoll zu mir. Zum Glück kam in diesem Moment meine Sekretärin mit einem Tablett Kaffeetassen und einer Thermoskanne herein. Nervös steckte ich meinen Laptop an den Beamer an und suchte die Dateien für die Präsentation. Mein Chef war mittlerweile auch dazugestoßen. Er war nur wenige Jahre älter als ich.

„Na, dann fang mal an, Cornelius. Herr Schindelbeck ist einer unserer Besten“, prahlte er vor der Kundschaft, was mir eigentlich noch nie unangenehm gewesen war, aber mich in diesem Moment wahnsinnig unter Druck setzte, ohne dass ich es genauer erklären konnte.

Mit zittrigen Händen klickte ich auf die Präsentation, die sich augenblicklich auf der Leinwand zeigte. Was war bloß mit mir los? An Selbstbewusstsein hatte es mir doch noch nie gefehlt. Heute war irgendwie nicht mein Tag. Aber ich musste das Ding jetzt rocken. Ich blickte auf den Bildschirm meines Laptops und begann endlich zu sprechen. Na also, lief doch wie geschmiert. Doch es dauerte keine fünf Minuten, als sich mein Chef laut räusperte. Galt das mir? Ich war irgendwie verunsichert. Nein, es passte doch alles. Mein Hirn spielte mir einen Streich. Ohne mich irritieren zu lassen, redete ich weiter.

Dann wieder dieses Räuspern. Das machte mich wirklich noch verrückt. Nun schaute mich auch der eine Typ so komisch an, dessen Name mir nicht mehr einfallen wollte.

„Cornelius“, unterbrach mich nun mein Chef.

„Ja“, meinte ich in seine Richtung.

„Cornelius, das ist aber doch nicht die richtige Präsentation“, merkte er emotionslos an.

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich die falsche Datei geöffnet hatte. Verdammte Scheiße. So ein Fauxpas war mir in meiner ganzen Karriere noch nie unterlaufen. Nervös suchte ich nach der richtigen Präsentation. Wo war die bloß abgeblieben? Da. Schnell klickte ich. Verwechselte dabei allerdings die linke mit der rechten Maustaste und… Löschen? Ja. Fuck! Die Datei war weg. Aber sie musste doch noch irgendwo im Papierkorb sein. Wo war denn dieser verdammte Papierkorb? Meine Nervosität war mittlerweile zu einer Schüttellähmung angewachsen und ich konnte nichts dagegen tun.

„Cornelius“, hörte ich nochmals die Stimme meines Chefs wie durch eine Gießkanne. „Geht es dir nicht gut?“

„Doch. Doch“, hörte ich mich noch sprechen, aber ich konnte gar nicht so recht sagen, woher die Worte eigentlich kamen.

Und dann hörte ich noch ein lautes Piepen im Ohr und konnte mich nicht mehr erinnern, was danach geschah.

 

Keine Probleme

Benommen irrte mein Blick umher. Mein Körper fühlte sich an, als hätte man ihn mit Blei ausgegossen. Wo war ich? Was war passiert? Erst langsam begriff ich, dass ich in meinem Schlafzimmer auf dem Boxspringbett lag, lediglich bekleidet mit meinen Boxershorts und einem Unterhemd. Ich versuchte die Betonwand vor mir zu fixieren, doch meine Augenlider waren viel zu schwer, um sie für längere Zeit offen zu halten. Hatte ich alles nur geträumt?

„Ines“, leise krächzend startete ich den kläglichen Versuch, nach meiner Freundin zu rufen, was jedoch keinen Erfolg hatte.

Schwerfällig drehte ich mich zur Seite und versuchte die Uhrzeit auf meinem Wecker zu erkennen, doch alles war irgendwie verschwommen. Durch das gekippte Fenster drang ein leichter Wind und ließ die dünnen Vorhänge wie Gespenster aufwehen. Mir war eiskalt, was mein Körper mit einem leichten Zittern zum Ausdruck brachte. Auf dem gläsernen Nachttisch entdeckte ich mein Handy. Meine Rettung. Aber auch der Griff zum Telefon war ein ungeahnter Kraftakt. Mein Arm war so schwer, als hätte man Gewichte an ihn gebunden. Ich mobilisierte meine letzten Kraftreserven, um an das Gerät zu kommen. Desorientiert tippte ich auf dem Display herum, bis ich endlich die Nummer von Ines gefunden hatte. Erleichterung machte sich in mir breit, als ich nach einer gefühlten Ewigkeit das heiß ersehnte Tuten am anderen Ende der Leitung vernahm.

„Hallo?“, hörte ich schließlich ihre vertraute Stimme durch das Telefon.

„Ines. Wo bist du? Irgendetwas stimmt nicht mit mir“, wimmerte ich mitleidig zu ihr.

Nach geschätzt fünf Sekunden stand Ines schließlich vor mir. Sie hielt noch das Handy am Ohr. Ihr Haar hatte sie locker zu einem Pferdeschwanz gebunden und aus ihrem Blick sprach Besorgnis. Mit ihren stechend blauen Augen blickte sie zu mir, schüttelte den Kopf und legte apathisch das Telefon zur Seite. Wortlos hockte sie sich zu mir ans Bett.

„Du hättest wirklich zu Hause bleiben sollen, Cornelius“, meinte sie nach einer ganzen Weile schließlich zu mir, was mich kurz aufstöhnen ließ.

„Was ist denn eigentlich passiert? Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Was ist mit der Präsentation?“, wollte ich von ihr wissen. „Und bitte mach das Fenster zu. Mir ist schweinekalt.“

Emsig sprang Ines wieder von der Bettkante auf und eilte zu dem bodentiefen Industriefenster, um es zu schließen.

„Du hattest einen Blackout. So eine Art Nervenzusammenbruch. Das meinte zumindest der Doktor. Er hat dir etwas zur Beruhigung gespritzt. Du hast fast 24 Stunden durchgeschlafen“, erklärte sie mir kurz.

„Ich habe 24 Stunden durchgeschlafen?“, hakte ich ungläubig nach.

Sie nickte ernst.

„Dann muss ich mich jetzt sofort anziehen und zur Arbeit. Das Projekt“, meinte ich von Panik getrieben zu Ines.

„Du gehst heute nirgends hin“, meinte sie im Befehlston zu mir. „Du bist krankgeschrieben. In der Agentur wissen sie schon Bescheid.“

„Was? Wie bitte?“, entgegnete ich ihr entsetzt. „Das geht nicht!“

Ich versuchte mich krampfhaft aus meinem Bett zu befreien, aber jede Bewegung fiel mir so unendlich schwer.

„Und ob das geht“, beschwichtigte mich meine Freundin. „Der Chef ist eh nicht gut auf dich zu sprechen, wegen der verpatzten Besprechung. Er möchte, dass du dich auskurierst.“

„Ich habe jetzt aber keine Zeit für so einen Scheiß“, protestierte ich wie ein kleiner Junge in der Trotzphase.

„Und… Ähm… Da ist noch was…“, stammelte Ines etwas unsicher.

„Was?!“, warf ich ihr patzig an den Kopf.

Schocken konnte mich nun sowieso nichts mehr. Dachte ich zumindest.

„Ähm. Ich habe mit deiner Mutter telefoniert“, offenbarte sie mir schuldbewusst.

„Du hast was? Wieso das denn?“, pöbelte ich sie weiter an.

„Cornelius, so kann das doch nicht weitergehen. Und deine Mutter kann dir mit deinen Problemen sicher gut helfen. Wir werden morgen zu deinen Eltern fahren“, sagte sie fast schon emotionslos zu mir.

„Ich habe keine Probleme!“, schrie ich sie böse an. „Und die Letzte, die mir dabei helfen kann, ist meine Mutter.“

Als ich das sagte, mobilisierte ich all meine Kräfte und startete den Versuch aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Doch klatschte ich dabei unsanft auf den versiegelten Estrichboden. Als ich so da lag, fühlte ich mich mit einem Mal schutzlos wie ein Baby. Und wenn es mir nicht meine Männlichkeit verboten hätte, wären mir beinahe die Tränen übers Gesicht gelaufen. Eine Mischung aus Wut und Hilflosigkeit brodelte tief in mir.

„Oh mein Gott, Cornelius“, kreischte Ines auch noch zu allem Überfluss, während sie mir umständlich vom Boden aufhalf und mich wieder ins Bett verfrachtete. „Du bist so ein Sturschädel.“

Widerwillig fügte ich mich meinem Schicksal. Ich konnte in meiner momentanen Lage, selbst wenn ich wollte, nicht viel ausrichten.

 

All Inculusive

Mit verschränkten Armen hockte ich wortlos auf dem Beifahrersitz meines Porsches. Um meine Würde nicht ganz zu verlieren, hatte ich mir meinen Brioni-Anzug angezogen. Ines saß am Steuer und fuhr mit konzentriertem Blick über die Autobahn. Überzeugt von dieser Aktion war ich immer noch nicht und Lust darauf hatte ich noch viel weniger. Ich war nicht umsonst so weit weggezogen vom Ort meiner Kindheit. Meine Mutter besuchte mich immer mal wieder in Berlin, wenn sie auf irgendeinem Kongress war oder eine Lesung hatte. Gelegentlich telefonierten wir kurz. Mein Vater hatte mich hier erst dreimal besucht. Dafür rief er mich regelmäßig jede Woche an, um mich auf dem Laufenden zu halten, was mir weit weniger wichtig war als ihm. Aber ich ließ es über mich ergehen. Wann ich meinen Eltern zuletzt einen Gegenbesuch abgestattet hatte, wusste ich gar nicht mehr so recht. Ich glaube, es war Weihnachten. Vor drei Jahren. Ich würde nicht behaupten, dass wir ein schlechtes Verhältnis zueinander hatten. Aber unsere Welten waren einfach zu verschieden, als dass es gut wäre, diese zu oft zu vereinen. Und nun sollte genau das die Lösung sein?

„Ich bin ja schon so gespannt“, unterbrach Ines meine Gedanken.

„Gespannt? Auf was?“, wollte ich von ihr wissen.

„Na, hör mal. Das ist das erste Mal, dass wir zu deinen Eltern fahren. Warum haben wir das denn nicht schon viel früher gemacht? Ich bin echt gespannt, wie du so gelebt hast“, meinte sie euphorisch.

„Aber du kennst doch meine Eltern. Was ist daran so spannend?“

Genervt verdrehte ich meine Augen.

„Aber ich habe sie noch nie in ihrer natürlichen Umgebung gesehen. Ich finde das schon recht spannend“, verteidigte sie sich.

„In ihrer natürlichen Umgebung? Das hört sich an, als würden wir in den Zoo fahren“, gab ich leicht genervt zurück.

„Ach, Cornelius. Sei doch nicht immer so. Ich möchte eben alles wissen über den Mann, den ich bald heiraten werde.“

Mit einem glücklichen Lächeln schaute sie kurz in meine Richtung, während ich demonstrativ weiter geradeaus auf das Auto glotzte, welches schon seit einer gefühlten Ewigkeit vor uns dahin kroch. Davon, wie man einen Porsche richtig fuhr, hatte Ines offensichtlich keine Ahnung. Am liebsten würde ich mich selbst hinters Steuer setzen. Wir könnten schon mindestens 60 Kilometer weiter sein. Aber dass sie fährt, war die Bedingung gewesen, ansonsten hätte sie mich in den nächsten ICE gesetzt. Und auf stundenlanges Geratter mit Geschnatter hatte ich nun wirklich keine Lust.

„Aber du weißt doch, wer ich bin“, antwortete ich ihr nach einer kurzen Weile.

„In letzter Zeit hatte ich nicht dieses Gefühl.“

Ihr Tonfall war mit einem Mal ernst geworden.

„Nur, weil ich mal nicht ganz so gut drauf bin?“

Ihre Antwort ließ auf sich warten. Mein Blick folgte den Autos, die uns überholten und ich hatte das unbändige Bedürfnis, Ines zwischen die Beine zu grätschen und das Gaspedal durchzudrücken.

„Du tust es für uns“, kam schließlich aus ihrem Mund. „Du wirst sehen, in einem halben Jahr ist alles wieder in Ordnung. Dann steht auch der Hochzeit nichts mehr im Weg.“

„Wow. Wow. Wow. Nun aber mal halblang. Du glaubst doch nicht, dass ich ein halbes Jahr brauche? Ein paar Tage Auszeit und dann ist alles wieder okay. Und das mit den Seychellen ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“

Wir hatten eine romantische Strandhochzeit geplant. Und das Beste daran war, dass wir dabei keine Verwandtschaft einladen mussten, da unser Hochzeitsdomizil mehrere Tausend Kilometer entfernt im Indischen Ozean lag. Ein Umstand, der meine Entscheidung maßgeblich beeinflusst hatte. Es war bereits alles gebucht. All inclusive. Mit Romantikpaket und Flitterwochen im Anschluss.

„Na, das will ich auch hoffen“, meinte sie zu mir, doch aus ihren Worten klangen Zweifel.

Ich schaute auf das Display des Navis. Noch drei Stunden Fahrt.

 

Linsen Dahl

Gerade fuhren wir von der Autobahn ab. Es war bereits später Nachmittag. Nur noch wenige Minuten trennten mich von dem Ort, an dem ich meine Kindheit und meine Jugend verbracht hatte. Meinem Elternhaus.

„Tolle Landschaft“, meinte Ines anerkennend zu mir, als wir mit dem Porsche über die Landstraße mitten durch das Obenhauser Ried brausten.

In einem Tal zwischen Roth und Iller in der bayerisch-schwäbischen Provinz lag diese idyllische Moorlandschaft, die mir trotz der Distanz, die ich die letzten Jahre zu all dem hier aufgebaut hatte, immer noch so merkwürdig vertraut war. Wenn die Abendsonne dieses nahezu unbebaute Stück Land in sein einnehmendes Orange tauchte, hatte man manchmal fast das Gefühl, in den Highlands zu sein. Vor allem dann, wenn die Schafe des Wanderschäfers auf den Wiesen grasten. Dieser kilometerlange Flecken unberührte Natur mit Büschen, einzelnen Bäumen und wilden Wiesen bildete eine weite Barriere zwischen der Autobahn und dem Haus meiner Familie.

„Da vorne dann links“, instruierte ich Ines instinktiv und sie setzte sofort den Blinker, während ich kurz der mächtigen Buche hinterherblickte, die hier wohl schon Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte stand und bereits die ersten zartgrünen Blätter hervorbrachte, die den Frühling ankündigten.

Das Ganze war doch ein großer Kontrast zu meinem jetzigen Leben in der Großstadt. Und mich beschlichen erste Zweifel, ob ich es lange aushalten würde, zumal die Abgeschiedenheit das kleinste Problem war. Zielstrebig und unaufhaltsam fuhr der Porsche auf der von Schlaglöchern gesäumten Straße entlang und ich erkannte bereits von Weitem das Bauernhaus neben der alten Mühle am Ortsrand.

„Wie idyllisch“, kommentierte Ines. „Schade, dass es erst einen Burn-out gebraucht hat, damit du mich hierher mitnimmst.“

„Ich habe keinen Burn-out“, murrte ich sie an. „Und hier ist es nur halb so idyllisch, wie es aussieht.“

Dabei spielte ich vor allem auf meine Familie an, die in meinen Augen alles andere als perfekt war. Ines rollte mit dem Auto die letzten Meter über die feldwegartige Einfahrt zum Haus. Ein in die Jahre gekommener Staketenzaun säumte den großzügigen Garten, der neben einem Gemüsebeet und alten Obstbäumen auch Hängematte, Trampolin und einen alten Wohnwagen zu bieten hatte. Bunte tibetanische Gebetsfahnen wehten im sanften Wind. Ein tiefes Seufzen stieg in mir auf. Ich konnte nicht so genau sagen, warum. Es war nicht so, dass ich eine schlechte Kindheit gehabt hätte. Doch irgendwie hatte ich mich in dem unorthodoxen Lebensstil, den meine Familie von jeher pflegte, noch nie so richtig wiederfinden können. Schon das selbst getöpferte Namensschild neben der alten hölzernen Eingangstür, das dort schon seit meiner Kindheit hing, gab Aufschluss, dass hier nicht unbedingt die typische schwäbische Kleinfamilie wohnte. In farbenfrohen Lettern stand dort: Hier wohnen Konstanze, Navin und Dieter mit Cornelius, Pia, Mats und Nils. Das Schild war mittlerweile noch ergänzt worden um die Namen Flo und Ida.

„Wie süß. Da steht ja noch dein Name drauf“, stellte Ines mit einem breiten Grinsen fest, was ich mit einem niederschwelligen Brummen kommentierte, bevor ich den Türöffner gegen das Türholz klopfen ließ. Sofort erschallte Hundegebell.

Wie immer dauerte es eine Weile, bis jemand zum Öffnen kam. Durch das kleine Guckfenster mit dem Bortenvorhang erkannte ich meinen Vater, begleitet von seinem Husky.

„Da seid ihr ja endlich“, meinte er überglücklich zu uns und nahm zuerst mich und dann Ines herzlich in den Arm, während der Hund vor Freude an uns hochhüpfte.

Ich wünschte, ich hätte es in gleichem Maße erwidern können, aber ich war noch nie der Typ für übertriebene Nähe. Also hatte ich meinem Vater kurz auf die Schulter geklopft.

„Hallo Papa“, hatte ich ihm dabei kurz in sein Ohr genuschelt.

„Freundchen, sitz!“, befahl der seinem Husky, der aufs Wort folgte.

Papa war barfuß, was nichts Ungewöhnliches war. Dazu trug er eine weite beige Leinenhose und das passende Hemd. Sein langes Haar war mittlerweile dünn und grau geworden, was ihn allerdings nicht davon abhielt, es zusammenzubinden.

„Hallo Herr Schindelbeck“, begrüßte ihn Ines.

„Kindchen, willst du nicht endlich Dieter zu mir sagen“, meinte er augenzwinkernd zu ihr. „Kommt rein in die gute Stube.“

Die gute Stube war ein großzügiges Wohn-Esszimmer mit Küche, welches durch einen Mauerdurchbruch im alten Bauernhaus erreicht worden war. Die Decken waren im Gegensatz zu meinem Loft in Berlin ziemlich niedrig, was dem Haus allerdings auch eine gewisse Gemütlichkeit verlieh. Holzfenster mit Sprossen ließen Tageslicht in wohldosierter Menge ins Innere fluten. Die im Haus verwendeten Materialien waren größten Teils organischen Ursprungs. Holz, Stein und Kork dominierten das Gesamtbild dieses Ökotraums. Zwar war das ganze Interieur schon in die Jahre gekommen, doch versprühte es auch gleichzeitig eine gewisse Zeitlosigkeit. Etwas verpeilt stolperte ich auch prompt über einen Haufen Bauklötzchen, die auf dem Fichtendielenboden verstreut lagen.

„Oh, sorry. Die sind von Ida“, entschuldigte sich mein Vater grinsend bei mir, bevor er zum holzbefeuerten Herd spurtete. „Ich habe euch Linsen Dahl gekocht.“

Ich ließ mich wie ein nasser Sack auf das große Sofa mit den bunten Batikkissen plumpsen. Schon jetzt hatte ich das große Bedürfnis, sofort wieder zurück nach Berlin zu fahren.

„Ich weiß wirklich nicht, warum ich so lange warten musste, hierher zu kommen. Das ist ja richtig reizend“, flüsterte mir Ines ins Ohr, was sich allerdings überhaupt nicht mit meiner momentanen Gefühlslage deckte.

„Wo sind eigentlich die anderen?“, wollte

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: C. Eberhardt
Cover: C. Eberhardt
Lektorat: C. Eberhardt
Korrektorat: C. Eberhardt
Tag der Veröffentlichung: 17.07.2022
ISBN: 978-3-7554-2301-0

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Lass es geschehen...

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