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Zehn Jahre

Und wieder mal bin ich zu Hause und alles ist so vertraut. In der Küche steht deine Kaffeetasse im Schrank. Dein Lieblingsrock liegt sauber zusammen gefaltet im Kasten. Ich drücke „Play“ auf der Stereoanlage und Nana Mouskouri singt „Aber die Liebe bleibt“. Dein Lieblingslied. Die Aquarellfarben von dir sind immer noch im untersten Fach der Kommode und die Bücher, die du gelesen hast, stehen im Regal. Deine Bilder hängen an der Wand, genauso wie das Herz, das ich dir mal geschenkt hab und auf dem steht „Ich hab dich lieb“. Und irgendwie ist noch so vieles genauso, wie es früher war. Und doch ist alles anders, denn du bist nicht mehr

Zehn Jahre. Das ist schon verdammt lang her. Zehn Jahre habe ich dich nicht mehr gesehen, dich nicht mehr gehört, mit dir keinen Kaffee mehr getrunken. Aber das ist egal, ich trink eh keinen Kaffee mehr. Ohne dich schmeckt er mir nicht. Trotzdem steht die kleine blaue Kanne noch im Regal.

Obwohl es mir eigentlich nicht so vorkommt, habe ich mich in diesen zehn Jahren doch irgendwie verändert. Musste lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, für mich zu kämpfen, ohne dass mir jemand den Rücken stärkte oder einen mütterlichen Rat hatte. Musste allein durch die Hölle. Hab viel geweint. Konnte irgendwann auch wieder lachen. Nicht jeder Tag ohne dich ist traurig. Und doch schlummert die Traurigkeit in mir. Wird manchmal unsanft wachgerüttelt. Nicht wenn es laut ist. Nein, wenn es leise ist und die Leere sich ausbreitet wie ein juckender Ausschlag.

Ein zerbrochenes Herz lässt sich nur schwer wieder reparieren. Und auch wenn man es wieder hinbekommt, so bleiben doch immer ein paar Narben. Manche sind tief und an bestimmten Tagen schmerzen sie. Strecken mich nieder mit all ihrer Wucht. Es ist nicht so, dass es nur besondere Tage sind, an denen ich an dich denke. Es ist der Alltag, in dem ich dich immer noch spüre und du mir fehlst. Ein Zettel, auf den du meinen Namen geschrieben hast. Wahrscheinlich ohne dir viele Gedanken darüber zu machen. Hättest du wohl etwas anderes darauf geschrieben, wenn du gewusst hättest, dass er mich an dich erinnern wird?

Manchmal wünschte ich mir, es wäre anders gekommen. Du warst viel zu jung. Doch das Leben ist kein immerwährender Hollywoodstreifen mit Happy-End-Garantie. Es endet anders, als man es sich ausmalt. Was wäre, wenn? Diese Frage stelle ich mir nicht mehr, denn sie kann nichts ändern. Es ist, wie es ist und es kam, wie es kommen mussten. Niemand konnte oder wollte es sehen, bis es schließlich so war. Zurückspulen geht nicht. Die Zeit läuft nur vorwärts und wenn wir stehen bleiben, rennt sie an uns vorbei.

Zehn Jahre. Das ist schon verdammt lang her. Zehn Jahre habe ich dich nicht mehr gesehen, dich nicht mehr gehört, mit dir keinen Kaffee mehr getrunken. Aber das ist egal, ich trink eh keinen Kaffee mehr. Ohne dich schmeckt er mir nicht. Trotzdem steht die kleine blaue Kanne noch im Regal. Wer weiß, vielleicht trinke ich ja irgendwann mal wieder eine Tasse Kaffee daraus. In liebevoller Erinnerung an die gemeinsame Zeit mit dir. In zehn Jahren vielleicht? Wie schnell sind doch zehn Jahre vergangen…

 

Impressum

Texte: Coco Eberhardt
Lektorat: Coco Eberhardt
Korrektorat: Coco Eberhardt
Tag der Veröffentlichung: 10.01.2022

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Pour vous.

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