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Begegnung mit Thorsten

Thorsten war mittlerweile 43 Jahre alt. Es fehlte ihm an nichts. So dachte er zumindest. Doch dann trat Ellen in sein Leben und stellte alles auf den Kopf. Thorsten wohnte noch zusammen mit seiner Mutter in seinem Elternhaus. Sie unten. Er oben. Er hatte sein eigenes Reich. Sein Vater war vor einigen Jahren gestorben. Die Aufgaben waren klar verteilt. Er macht die Gartenarbeit und alles rund ums Haus. Seine Mutter kochte ihm, machte ihm die Wäsche und räumte auf. Nein, es fehlte ihm wirklich an nichts. Sonntags fuhr er mit Mama immer ins Café. Das hatte sie sich auch verdient. Sie tat so viel für ihn. Er hatte einen soliden Job in der Bank. Dort hatte er mit 16 eine Lehre angefangen und war bis heute geblieben. Eine Führungsposition hatte er bisher nicht ergattern können, doch hatte er sich mittlerweile in die Kreditabteilung hochgearbeitet. Er vergab zwar nur Kredite an Kleinanleger, doch das sollte ihm erst mal einer nachmachen. Und dann war plötzlich Ellen aufgetaucht. Sie war neu in der Bank und er sollte sie einlernen. Sie fand ihn nett. Er hatte sich zwar schon manchmal gewünscht, eine Freundin zu haben, aber er konnte ja Mama nicht im Stich lassen. Nach allem, was sie für ihn getan hatte. Trotzdem hatte sich das mit Ellen einfach so entwickelt. Letztes Wochenende hatte er sie Mama vorgestellt. Es war eigentlich ein schöner Nachmittag.

„Und wie findest du sie?“, hatte er Mama erwartungsvoll gefragt, als Ellen wieder gegangen war.

„Ach, Bub. Meinst du nicht, dass du noch was Besseres findest? Ich weiß nicht. Ist die was für dich? Kann die dir überhaupt was Gescheites kochen? Die sieht nicht gerade so aus. Überleg´s dir gut.“

Genau in diesem Augenblick keimte in ihm etwas auf. Ein komisches Gefühl, das er nicht so recht unter Kontrolle hatte. Kurz darauf tauchte zum ersten Mal dieser Typ auf. Er hatte eine kahle Stelle auf dem Kopf, war etwas untersetzt und blickte ihm ernst in die Augen. Er war ihm noch nie begegnet und doch war er ihm so vertraut.

„Du musst sie umbringen“, sagte er bestimmt, „sie zerstört dein Leben.“

Anfangs wollte er das nicht hören. Er versuchte sich zu wehren. Doch der Typ kam immer wieder zu ihm.

„Willst du, dass sie dein Leben zerstört?“

„Nein. NEIN. ICH WILL NICHT, DASS SIE MEIN LEBEN ZERSTÖRT“, hatte er ihn schließlich angeschrien.

„Dann bring sie endlich um!“

Es war leichter als gedacht. Sie stieg freiwillig in sein Auto ein. Ohne ihr Wissen, hatte er ihr KO-Tropfen verabreicht, war in ein abgelegenes Waldstück gefahren und hatte sie dort erst mal gefesselt. Es war bereits dunkel. Von zu Hause hatte er das scharfe Küchenmesser mitgenommen.

„Glaub mir, du machst das Richtige“, bestätigte ihn der Typ in seinem Tun.

Er wollte gerade zustechen, als er jemanden rufen hörte.

„Was tun Sie denn da?“

Es war ein Passant, der mit seinem Hund unterwegs war. Er hatte gespürt, dass hier etwas nicht stimmte. Mutig hatte er diese Frage an den Mann gerichtet, der gerade im Begriff war, auf eine Frau einzustechen. Er ließ von ihr ab und brach in Tränen aus.

„ER hat mir gesagt, ich soll Ellen umbringen.“

Doch dort, wo Thorsten hinzeigte, war niemand.

Impressum

Texte: Coco Eberhardt
Lektorat: Coco Eberhardt
Korrektorat: Coco Eberhardt
Tag der Veröffentlichung: 24.08.2021

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Selbst dein Schatten verlässt dich in dunklen Zeiten. (Unbekannt)

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