Heute schon rasiert? Beine? Achseln? Es wird höchste Zeit. Die Bikini-Figur-Saison naht.
Laut einer von mir durchgeführten Baggerseestudie aus dem Jahr 2020 sind es immer noch 90 % der Frauen, die sich Beine, Achseln und Bikini-Zone rasieren, während der Mann seine Haarpracht auch mit Stolz auf dem Rücken trägt und aus den Nasenlöchern sprießen lässt. Sieht so Gleichberechtigung aus? Warum ist die Achselbehaarung bei Männern weitestgehend akzeptiert, während sie bei Frau seit geschätzt 30 Jahren als absolutes No-Go gilt. Und wozu dient das Entfernen der Achselhaare bei Frauen überhaupt? Das Achselhaar hat immerhin eine wichtige Funktion, die gerade in der Bikini-Saison wichtig wäre, nämlich der Aufnahme von Schweiß. „Be brave, don´t shave“ lautet ein Motto heutiger Feministinnen. Doch brav wird weiter rasiert, gewachst und epiliert und der Jugend in Tutorials zelebriert wie eine Entjungferung. Und wieso heißt es Bikini-Figur und nicht Badehosen-Figur?
Wie viel Männer lassen sich eigentlich die Augenbrauen zupfen? Aua. Es heißt immer, Schönheit muss leiden. Doch bei Theo Waigel sind die vollen Augenbrauen bis heute sein akzeptiertes Markenzeichen. Aber stell dir mal vor, Heidi Klum würde so rumlaufen. Ungeschminkt sieht die übrigens auch nur aus wie Nachbars Adelheid, wie ihre Insta-Fotos beweisen. Trotzdem wird sie auch bei der heutigen Jugend als das Maß der Dinge gesehen. Vier Schwangerschaften und immer noch ein erfolgreiches Topmodel mit Topfigur, das mit einem 16 Jahre jüngeren Mann verheiratet ist. Na, welche Frau träumt denn nicht davon? Kinder und Karriere sind bei Heidi auf jeden Fall kein Problem, im Gegensatz zur Durchschnitts-Teilzeitmutti, die sich weder einen Fitnesscoach noch ein Kindermädchen und erst recht keine Putzfrau leisten kann. Mit ihrem Gehältchen leistet die einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Kinderbetreuungskosten, den sie berappen muss, um arbeiten gehen zu können. Die streitbare Alt-Feministin Alice Schwarzer gab immerhin in einem Interview zu, dass sie mit Kindern wohl nicht zur erfolgreichen Emma-Herausgeberin geworden wäre.
Jahrelang haben Feministinnen dafür gekämpft, dass die Frau ihre Brötchen selbst verdienen darf. Wobei hier das Credo „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ immer noch eine Utopie ist. Ja, ich möchte sogar behaupten, nicht mal der Spruch „Gleiche Anerkennung für gleiche Arbeit“ ist ansatzweise erfüllt. Und dies weiß wohl jede Frau, die trotz Kinder versucht an Ihren beruflichen Erfolg vor der Familienplanung anzuknüpfen. Wenige Ausnahmen dürften die Regel bestätigen. Die Frau wollte sich mit ihrer beruflichen Unabhängigkeit emanzipieren. Doch werden ihr durch die gesellschaftlichen Standards dieser Tage, insbesondere an Menschen mit Gebärhintergrund, neue Fesseln angelegt. Am besten wäre es, das Neugeborene direkt nach der Abnabelung in den Hort zu schicken. So wäre der Schaden für die Volkswirtschaft am geringsten. Aber man gesteht dann den meisten Müttern doch noch ein Jährchen zu Hause zu. Auch der Mann ist mittlerweile privilegiert, sich in der Anfangsphase mit dem Nachwuchs zu beschäftigen. Zwei Monate gönnt er sich zumeist. Doch ein Kind ist nach einem Jahr eben noch nicht aus dem Gröbsten raus. Nein, da beginnt der Spaß erst richtig und das geht Minimum bis zu 18 Jahre. Bei Elternabenden befindet sich der Anteil der Männer meist auf besorgniserregendem Niveau. Wieso wird eigentlich nicht mal über eine Männerquote für solche Veranstaltungen diskutiert? Männerquoten braucht das Land. Aber nicht im Dax-Unternehmen, sondern dort, wo vornehmlich Frauen ihren Mann stehen müssen.
Aber nun zurück zur Körperbehaarung. Warum darf der Mann mit Stolz seinen Bart tragen, die Frau aber nicht. Ob schon mal eine Frau beim Barbier um einen Barthaarschnitt gebeten hat? Wer bei Google die Stichworte Damenbart eingibt, trifft dort auf die Begleitworte entfernen, rasieren, bleichen und epilieren. Für Männer gibt es übrigens eine Bartmeisterschaft. Sieht man sich die Bilder dazu im Internet an, liegt der Männeranteil an dieser Veranstaltung bei 100 %.
Die mexikanische Künstlerin Frida Kahlo hat sich oft selbst porträtiert. Dabei hat sie sich gemalt, wie sie sich selbst sah, mit Monobraue a la Theo Waigel und einem Oberlippenbart. Sie zeigte damit, dass wahre Schönheit nicht bedeutet, einem Schönheitsideal zu entsprechen, sondern sich seiner Einzigartigkeit bewusst zu werden. Um die derzeit angesagte Diversität aufzugreifen, hat der Spielzeughersteller Mattel im Jahr 2018 sogar eine Frida-Kahlo-Barbiepuppe entworfen. Doch das Ergebnis ist in meinen Augen Hohn und ein Schlag in die Magengrube jeder Feministin. Denn genau das, was Frida einzigartig machte, wurde von den Puppen-Designern weggelassen, da es wohl doch nicht ins Schönheitskonzept einer perfekten Barbiepuppe passt. Somit bleibt Diversität weiter ein hohles Lippenbekenntnis.
Ein ergrauter Mann ist sexy. Wer würde das abstreiten? Siehe George Clooney. Beim Sonntagsspaziergang begegnet man oft gesetzteren Pärchen. Er meliert. Sie kein einziges weißes Haar, auch wenn die Falten im Gesicht anderes vermuten lassen. Frau malträtiert das Haar Jahrzehnte lang mit gesundheitsgefährdenden Chemikalien, um irgendeinem Schönheitsideal zu entsprechen. Der Mann hat das zumeist nicht nötig und scheint sich dabei auch nichts zu denken. Frauen werden mit den Jahren alt und Männer interessant, heißt es im Volksmund. Wie gut, dass graues Haar nun wieder in Mode kommt. Vielleicht trauen sich dann auch wieder mehr Frauen zu ihrem wahren Selbst zu stehen.
Abschließend kann man sagen, dass wir zwar versuchen, gleichberechtigt zu sein, aber deswegen noch lange nicht gleich sein werden. Auch wenn Männer mittlerweile Dutt und Röcke tragen, bleiben Mann und Frau zwei Paar Stiefel. Das Geheimnis wahren Feminismus besteht meiner Meinung nach nicht darin, sich zwangsweise nach den Dogmen einer Frauenbewegung zu richten. Wahrer Feminismus beginnt dort, wo die Frau anfängt, alte Muster zu hinterfragen und versucht sie selbst zu sein. Feminismus beginnt in dir selbst und damit, wie du mit dir selbst umgehst.
PS: Auch der Mann sollte anfangen, alte Muster zu hinterfragen und versuchen er selbst zu sein. Würde das jeder machen, wäre Feminismus schon längst ein Fall für die Geschichtsbücher.
Texte: Coco Eberhardt
Lektorat: Coco Eberhardt
Tag der Veröffentlichung: 21.03.2021
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich habe nicht die Zeit, mich jeden Morgen zu schminken.
Ich brauche die Zeit, um mein Gewehr zu reinigen.
(Henriette Mantel)