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Brigitte und ich

Es war früh am Morgen und noch dunkel. Zu früh. Zu dunkel. Und vor allem zu kalt. Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht hatte, mich um diese Uhrzeit mit meiner Freundin Brigitte zum Joggen im Stadtpark zu verabreden. Die letzten Wochen hatte ich wieder ein paar Pfund zugelegt, da der Fitness-Club geschlossen hatte. Naja, so redete ich es mir zumindest ein. Tatsächlich war ich dort schon seit längerem eher als Karteileiche bekannt, denn als Sportskanone. Aber die Abbuchung des Monatsbeitrags gab mir wenigstens das gute Gefühl, dass ich könnte, wenn ich nur wollte.

Meine Freundin ist eine echt tolle Frau. Sie ist mittlerweile 39 Jahre alt, sieht aber keinen Tag älter aus als 30 und das, trotz fünf Kinder. Außerdem bekommt sie Karriere und Familie locker unter einen Hut und ist total hip. Und was soll ich sagen… Sportlich ist sie auch noch. Jedes Jahr machte sie beim Altstadtmarathon mit.

Als ich am verabredeten Treffpunkt ankam, wie immer zu spät, stand Brigitte schon da und machte lockere Stretching-Übungen, während ich bereits von den 50 Metern von der U-Bahn zum Stadtpark kurz vor der Hyperventilation stand. Es war wirklich allerhöchste Zeit etwas für meinen Fitness-Level zu tun.

Brigitte trug stylisch sportliche Tights, die ihre perfekte Figur betonten, dazu ein bauchfreies Trägertop, das ihren Sixpack zum Vorschein brachte. Schon beim Anblick ihres luftigen Outfits bekam ich Frostbeulen. Aber den vorbeilaufenden Männern schien es zu gefallen, so wie sich ihre Blicke an Brigitte festsaugten.

Gelegentlich schaute auch mal einer zu mir her. Wohl aber nicht, weil ich mit Brigittes sexy Sportkluft mithalten konnte. In Windeseile hatte ich heute Morgen versucht Sportklamotten im Schrank zu finden. Ganz hinten kam noch eine angestaubte Retro-Knopfdruck-Jogginghose aus den 90gern zum Vorschein, dazu ein ausgewaschenes, schwarzes Schlabbershirt und eine Flokati-Trainingsweste. Wobei der Flokati-Look hauptsächlich darauf zurückzuführen war, dass sich darauf regelmäßig unsere Katze Tinkerbell zum Schlafen nieder ließ. Mit der Fusselrolle konnte ich wenigstens einen Teil der Pelzschicht entfernen.

Nach einer kurzen freundschaftlichen Begrüßung, spurtete Brigitte auch schon los durch den Park. Ich versuchte irgendwie mit ihr Schritt zu halten.

„Alles klar bei dir?“, fragte sie mich ganz entspannt, während mir bereits die Zunge bei den Knien hing.

„Klar. Und bei dir so?“

„Alles bestens. Bernd hat ein riesiges Mandat an Land gezogen. Patentberatung. Dax-Unternehmen. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen. Mandantengeheimnis.“

Dabei zwinkerte sie mir locker lässig zu, während sich unter meinen Achsel bereits Niagarafälle aus Schweiß gebildet hatten.

Bernd war Brigittes Ehemann. Ein toller Typ. Ein regelrechter Traummann. Tagsüber arbeitete er in der Kanzlei in der auch Brigitte arbeitet und abends widmete er sich mit voller Hingabe den Kindern und half Brigitte mit dem Haushalt. Er konnte super kochen, machte die Wäsche und brachte jede Woche Blumen mit. Zudem war er ein guter Liebhaber, wie Brigitte schon öfter vorgeschwärmt hatte. Mein Stefan war diesbezüglich ganz anders. Unser romantischer Höhepunkt war der, abends gemeinsam vor der Glotze einzuschlafen. Was hatte Brigitte doch bloß für ein Glück.

„Wow“, war alles, was ich lechzend auf Brigittes Statement hervorbrachte. Meine Knie zeigten bereits erste Jogging-Abnutzungs-Spuren.

„Und danach haben wir noch recht patent gefeiert, wenn du weißt, was ich meine.“

Ihr verheißungsvoller Blick, ließ es mich erahnen.

„Patent“, hechelte ich sinnbefreit vor mich hin.

Glücklicherweise machte Brigitte gerade eine kleine Verschnaufpause, während sie nebenher Qigong-Übungen praktizierte. Ich stand, nach Atem ringend und die Hände in die Hüfte gestützt, neben ihr und wäre am liebsten zu Boden gegangen vor Erschöpfung.

„Zuerst hat Bernd eine Flasche Dom Perignon geöffnet“, begann sie angeregt zu erzählen.

Nach der Arbeit öffnete mein Stefan höchstens noch eine Flasche Augustiner.

„Danach hat er mich auf Händen ins Schlafzimmer getragen.“

Kurz stellte ich mir vor, wie das wohl bei uns aussehen würde. Vor meinem inneren Auge sah ich Stefan, wie er auf halben Weg nach oben unter meinem Gewicht zusammenbrach. Nein, keine schöne Vorstellung. Unweigerlich musste ich an unsere Hochzeitsnacht zurückdenken, als er über eine Bodenerhöhung gestolpert war, beim Versuch mich über die Schwelle zu tragen. Als seine ausgekugelte Schulter schließlich behandelt war, war die Romantik irgendwie auch dahin.

„Danach, Tantra-Massage nach allen Regeln der Kunst. Bernd ist ein Meister darin. Er hat dazu neulich einen 14-tägigen Workshop bei einem Yogi besucht. Mindful Sex ist der neueste Trend im Bett“, schwärmte mir Brigitte vor.

Die einzige Massage-Technik, die mein Stefan beherrschte, war die Brust-Massage. Wobei Massage übertrieben war. Es war eher eine spastisch anmutende Fummelei.

„Obwohl ich bereits bei der Tantra-Massage voll auf meine Kosten gekommen bin, hat Bernd nochmals nachgelegt. Mit Slow Sex.“

„Slow Sex?“

Lasziv blickte sie mir in die Augen. Zwischen Slow Sex und einem Quickie waren bei meinem Stefan die Grenzen fließend. Wenn es überhaupt dazu kam.

„Ein summender Affe umfängt den Baum und die schwebende Vereinigung. Danach, der glühende Wacholder“, fügte Brigitte noch hinzu und verwirrte mich vollends.

„What?“, fragte ich etwas außer Puste.

„Kamasutra.“

„Aha.“

Fix und fertig kam ich, zusammen mit Brigitte, wieder am Ausgangspunkt an. Meine Klamotten waren nass geschwitzt, während meine Freundin immer noch aussah, wie frisch aus dem Beautysalon. Wie macht Brigitte das bloß? Sie ist einfach die perfekte Frau. Wenn nur alle Frauen so wären, wie Brigitte?

Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedete ich mich von meiner Freundin. Ich musste es ehrlich zugeben, ihre Ausführungen von Slow Sex, Tantra-Massage und Kamasutra hatten mich echt ein bisschen heiß gemacht. Nachher würde ich nach Hause gehen und mir holen, was mir zustand... Ich würde mich nackt ausziehen und mir erst mal eine ausgiebige, heiße Dusche gönnen. Mit meinem Womanizer. Ganz slow…

Ich musste nur noch das USB-Ladekabel für ihn finden, dass ich schon seit zwei Wochen verzweifelt suchte…

Impressum

Texte: Coco Eberhardt
Cover: Coco Eberhardt
Lektorat: Coco Eberhardt
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2020

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für den Macher des Womanizers...

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