Cover

Bauern hierzulande

In einer Zeit, in der man aufpassen muss, welches Wort man benutzt, um auch politisch korrekt zu bleiben, ist es fraglich, ob man noch von einem Bauern reden darf. Ist es nicht auf gewisse Art abwertend, als Bauer bezeichnet zu werden? Sind die Bauern hierzulande mittlerweile nicht viel mehr, als nur Bauern? Landwirte, Agrarwirte, Viehwirte, Forstwirte, Energiewirte?

Der Bauer ist nicht mehr nur Bauer, weil er als Sohn eines Bauern geboren wurde. Er ist auch viel mehr als nur bauernschlau. Das Wissen, wie der Beruf des Bauern funktioniert, ist nicht nur die generationenübergreifende Weitergabe alter Regeln und Vorgehensweisen. Nein, im besten Fall hat der Bauer heutzutage studiert und ein Diplom im Stall hängen.

Er ist auch EDV-Fachmann, Mechaniker und Tüftler. Während man früher den Bauern oft am Geruch erkannte, so lässt der moderne Landwirt seinen Roboter durch den Freiluftstall fahren, der dort Sojafutter (ohne oder doch eher mit Gentechnik) mischt und verteilt. Die Kühe melken sich selbst. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach ist fast schon obligatorisch. Staatliche geförderte High Tech. Zumindest bei dem, der groß genug ist, es sich leisten zu können. Wer braucht auch schon Bauernregeln, wenn er eine App hat?

Er ist Großgrundbesitzer, Fuhrunternehmer und Logistiker. Schon die Reifen seines Fuhrparks sind angsteinflößend groß. Erst recht die Maislandschaften, die mancherorts bereits an die Ausmaße einer LPG erinnern. Vielleich wird Silphie hier bald wieder auflockern und Insekten anlocken. Die Industrialisierung der Landwirtschaft wird insbesondere im fortschrittlichen Bayern stark vorangetrieben. Das kann auch so mancher Tierwohlskandal nicht erschüttern.

Manch ein Bauer hat mittlerweile sogar Kultur. Und das nicht zu knapp. Einen ganzen Fermenter voll. Das bringt nicht nur das Gemüt zum Erhitzen. Nein, es elektrisiert gar. Nicht nur Mist ist hier gut aufgehoben. Maissillage wurde gepeppt und heißt jetzt auch Corn-Cob-Mix. Sag noch einer, der Bauer sein nicht modern und aufgeschlossen. Kultur pur!

Dann gibt es noch den Idealisten unter den Bauern. Oft belacht von seines Standes, baut er eventuell auf ökologische Werte, füttert gar gentechnikfreies Futter und setzte vielleicht auf mechanische Methoden zur Unkrautbeseitigung. Im besten Fall weidet sein Vieh sogar noch auf altmodische Weise auf der Weide. Die Milch stammt vielleicht noch von nicht enthornten Kühen. Und man fragt sich, wozu der ganze Aufwand, wo er seine Produkte zu teureren Preisen verkaufen muss, um überhaupt etwas daran zu verdienen. Eventuell muss er seine Erzeugnisse sogar noch selbst vermarkten.

So hat sich beim Bauern hierzulande viel getan. Der kleine Hof, der früher zwei bis drei Generationen genährt hat, ist heute höchstens noch ein Nebenerwerb, wenn er nicht schon aufgegeben ist. Hof und Altenteil verfallen, während auf dem Areal der großen Hofstelle genug Platz ist, um ein modernes Toskanahaus in den Garten zu bauen. Soll noch einer sagen, der Bauer geht nicht mit der Zeit. Auf dem zum Baugrund erhobenen Acker ist mehr mit Wohnungsbau verdient, als mit dem Heu. Wer braucht schon die Kleinen? Groß, größer, am größten. Das ist die Zukunft. Sind somit die Bauern hierzulande nicht viel mehr, als nur Bauern? Doch trotz all dem hört man bei den Leuten immer noch die alte Leier: Bauer bleibt Bauer, selbst wenn er auf seidenem Kissen schläft.

Impressum

Texte: Coco Eberhardt
Cover: Coco Eberhardt
Lektorat: Coco Eberhardt
Tag der Veröffentlichung: 18.08.2020

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für den Milchautomaten meines Vertrauens!

Nächste Seite
Seite 1 /