Cover

Vorwort

Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie sich dazu entschieden haben, mein Manuskript zu lesen. Richtig, es ist ein Manuskript und kein fertiges Buch. Dieses werden Sie sicher schnell merken. Da ich bisher keinen Verlag für mein Manuskript finden konnte, dachte ich mir, versuche ich es über diesen Weg.

Da mein Skript niemand Korrektur gelesen hat, werden sich dort einige Fehler finden. Eventuell wird auch die Handlung nicht ganz schlüssig sein, aber darum geht es in einem Manuskript. Wenn jeder nur ein Manuskript schreiben müsste und das eins zu eins gedruckt wird, bräuchte es keine Lektoren und auch keine großen Verlage mehr. Dann könnte jeder sein Manuskript » ganz einfach « online als Buch vermarkten.

Daher bitte ich um Nachsicht beim Lesen. Mir geht es ausschließlich darum den Inhalt einer breiten Leserschaft zur Verfügung zu stellen. Über konstruktive Kritik freue ich mich genauso wie über Lob.



Vielen Dank!

Susanne Anonymus

1

Was, wenn wir alle gefragt wurden?

Was, wenn wir uns alle dafür entschieden haben?

 









 













» Keiner will frei sein,

denn keiner will die Wahrheit wissen. «

Weißer Bär, Hopi



1

 

» Ich habe mich entschieden. «, sagte er aufgebracht. » Ich will leben! «

Gespannt wartete er auf die Reaktion von Sael.

Doch diese blickte ihn nur ungläubig an und erwiderte schließlich, » Hast du dir das gut überlegt? Willst du das - hier - alles aufgeben? Du weißt, was alles passieren kann, oder? «

Er nickte. » Ja, das habe ich und die Risiken sind mir bekannt. «

Sie wusste, dass der Tag kommen würde. Sie konnte seinen Hunger nach Leben regelrecht spüren und wand ein, » Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll? Du musst vorher mit drei der Waisen sprechen, wovon du zwei selbst wählen darfst. «

Er schüttelte mit dem Kopf. » Das einzige was ich weiß, ist das ich als Mensch geboren werden möchte. « Er lächelte Sael an.

Skeptisch wiederholte sie leise, » Als Mensch? «

» Ja. Natürlich als Mensch... «

» Wieso natürlich? «, unterbrach sie ihn. » Nicht nur der Mensch besitzt eine Seele. Du kannst als alles geboren werden in dem eine Seele lebt. «

» Das mag schon sein, aber für mich war es immer klar, dass ich als Mensch geboren werden möchte. Andere Möglichkeiten habe ich nie ernsthaft in Betracht gezogen. «

» Siehst du, deshalb ist es so wichtig welche Waisen du wählst. Sprich doch mit einen der Schamanen. « Denn Sael wusste, wenn einer es schaffen konnte ihn umzustimmen als Mensch geboren zu werden, dann einer der Schamanen. Trotzdem versuchte sie es selbst. » Hast du dir die Erde in letzter Zeit einmal genauer angesehen und was die Menschen dort machen und wie sie leben? «

» Ja, das habe ich und ich will, wenn ich geboren werde und alt genug bin, ihnen zeigen, dass es so nicht weiter geht. «

» Da bist du nicht der Erste, der das versuchen möchte. «

» Ich weiß. Aber es gibt etwas das ich unbedingt voll und ganz fühlen möchte und das ist Liebe. «

Sael überlegte, sie wusste, dass es nicht so einfach war. » Dir ist schon bewusst, das du nicht sicher gehen kannst, dass dir Liebe widerfahren wird. «

» Das du immer so pessimistisch bist. «, warf er ein.

» Und du so optimistisch sein musst. « Oder besser naiv, dachte sie.

Sie lächelten sich an. » Es ist deine Entscheidung. «, sagte Sael nur.

Er dachte kurz nach. » Eventuell hast du Recht, dass ich mit einen der Schamanen sprechen sollte. Aber am liebsten würde ich mit Jesus sprechen. « Sie blickte ihn an.

» Das wollen die Meisten. Du musst sehr lange auf ein Gespräch mit ihm warten. «

Sael fuhr erschrocken hoch. Sheran hatte sich von hinten angeschlichen. » Musst du dich immer so anschleichen? «, fragte sie verärgert. Sheran und er kicherten über Saels Schreckhaftigkeit. » Ha,ha, sehr lustig. «, kommentierte sie das alberne Gekicher leicht wütend.

» Du willst mit Jesus sprechen? », fragte Sheran neugierig.

Er nickte und antwortete, » Aber das wird wohl zu lange dauern. «

» Denke ich auch. «, sagte Sheran. » Das gleiche Problem habe ich mit Mohammed. Ich will ihn so vieles Fragen. «

Saels Ärger war verflogen und sie pflichtete bei, » Selbst für die Ewigkeit wartest du ewig. «, über ihre Wortwahl musste sie herzhaft lachen. Auch er und Sheran lachten lauthals über die Vorstellung. » Ja, genau, die Schlange der Wartenden ist unendlich lang. « Alle lachten erneut. Als sie sich wieder beruhigt hatten, blickten sie gemeinsam auf die Erde. » Hier, ich möchte euch etwas zeigen. Ich habe sie vor einiger Zeit entdeckt. « Sael rutschte neugierig näher. Er fuhr mit einer Handbewegung über die Ebene und das Bild eines Paares erschien. Er lächelte Sael an. » Was ist an den Beiden so spannend? «, fragte sie.

» Siehst du es denn nicht? «, fragte er verwundert.

» Ich kann auch nichts entdecken. «, meinte Sheran.

» Seht ihr es wirklich nicht? «

» Was denn? «, Sael sah sich das Paar noch einmal genauer an und staunte nicht schlecht. » Seelenverwandte?! «, fragte sie flüsternd.

Er nickte.

» Das passiert nicht sehr häufig, dass sich zwei füreinander bestimmte Seelen unter Milliarden finden. «, stellte Sheran sachlich fest.

Sael zog eins und eins zusammen. » Ist das der Grund warum dein Wunsch nach dem Leben so stark geworden ist? «

» Na hör mal, Sael, wir leben doch schon. «, warf Sheran ein. » Zumindest ich für meinen Teil fühle mich sehr lebendig. « Er grinste frech. Sael verdrehte die Augen, » Du weißt, was ich meine. « Er ignorierte die Kabbeleien der Beiden und antwortete, » Ich weiß es nicht genau. Leben wollte ich schon immer! «

» Dann solltest du dir wirklich langsam klar darüber werden, ob du wirklich als Mensch geboren werden möchtest. « Sael blickte noch kurz auf die Seelenverwandten und flog als Schmetterling davon.

» Na toll, so schnell wie Sael immer auftaucht, ist sie mir nichts dir nichts auch wieder verschwunden. «

» Genauso wie Maria. «, stimmte Sheran zu. » Hast du sie in letzter Zeit gesehen? «

Er schüttelte mit dem Kopf.

Schließlich verabschiedete sich auch Sheran. Gedankenverloren blickte er wieder auf das Paar und war sich sicher, dass er als Mensch geboren werden möchte. Als nichts Anderes. Denn er wollte unbedingt fühlen, was es heißt zu lieben. Trotzdem gab er Sael Recht, vielleicht war es wirklich sinnvoll mit einen der Schamanen zu sprechen. Die Verlockung mit Jesus, Mohammed, Gandhi, Buddha oder einen der anderen großen Waisen zu sprechen war zwar groß, aber die Geduld auf sie zu warten, brachte er nicht auf. Dazu war sein Wunsch geboren zu werden viel zu stark. Noch bevor er den Entschluss für seinen ersten Waisen in Worte fassen konnte, spürte er, wie er davon getragen wurde.

Um ihn herum erschien ein idyllisches Tal. Eingerahmt von Bergen und Wäldern. In der Ferne konnte er auch einen See entdecken. Er war verwirrt. Er wusste nicht einmal, dass es diesen Ort hier überhaupt gab. Er blickte sich um und war von der Schönheit und Reinheit der Natur ganz ergriffen. Aus der Entfernung hatte er sich schon ähnliches auf der Erde ansehen können, aber selbst ein Teil davon zu sein, dass war ein ganz neues Gefühl für ihn. Er fühlte das Gras unter sich. Doch als er versuchte aufzustehen, konnte er sich nicht bewegen. Panisch blickte er sich um. Plötzlich, wie aus dem Nichts, saß ein sehr alter Mann mit geschlossenen Augen neben ihm. Sofort überkam ihn eine innere Ruhe und der Anfall von Panik war verflogen. Der Mann schien zu meditieren, daher wagte er es nicht ihn anzusprechen. Da er sich immer noch nicht erheben konnte,blieb ihm nichts anderes übrig, als still sitzen zu bleiben. So entdeckte er im Tal Bisons, die sich näherten um dann auf einer Lichtung zu verweilen um zu grasen. Nach einiger Zeit hatte er sich an der Landschaft und den Tieren satt gesehen. Er blickte wiederholt zu den Schamanen neben ihm. Doch der saß unverändert an seinem Platz. Er wurde zunehmend ungeduldiger, wagte aber immer noch nicht, den alten Mann in seiner Meditation zu stören.

Als dieser plötzlich zu ihm sprach, » Das Erste an dem du arbeiten musst, ist deine Geduld. Versuche geduldiger zu werden! « Er errötete und nickte nur baff. Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. » Sage mir was du siehst! «, forderte der Mann ihn auf. Ohne sich groß zu wundern beschrieb er den Schamanen die Landschaft. Nachdem er geendet hatte, schwieg der Mann und fragte schließlich, » Ist das alles? « Unsicher blickte er sich erneut um und antwortete, » Ja, ich denke schon. « Zur Sicherheit sah er sich ein weiteres Mal um. Konnte aber nichts Neues entdecken. » Ja, das ist alles. « Wieder Stille. Er wurde nervös. Bis ihm einfiel, dass vergessen hatte hinter sich zu blicken. Da er sich immer noch nicht bewegen konnte, drehte er sich im Sitzen um und sah einem Grizzlybär direkt in die Augen. Erschreckt schrie er auf und versuchte aufzuspringen, doch er konnte sich einfach nicht rühren.

» Keine Angst, das sind nur meine Erinnerungen die du siehst. Dir kann nichts passieren. « Nachdem der Schamane die Worte gesprochen hatte, verschwand der Bär sofort. Erneut fragte der Mann, » Ist das alles was du siehst? « Und wieder sah er sich um und versuchte nichts zu vergessen. Doch er konnte nur das wiederholen, was er dem Mann schon mitgeteilt hatte. Und wieder schweigen. Er wurde ungeduldig. Bis ihm einfiel, dass er ja an seiner Geduld arbeiten sollte und versuchte gleich entspannter zu sein. In der Hoffnung, dass der alte Mann nichts bemerkt hatte.

Doch zu spät. » Versuche deine Ungeduld zu zügeln und lerne das große Ganze zu sehen und nicht nur dass, was du glaubst zu sehen. Gebe dir Mühe dahinter zu blicken, denn die Wirklichkeit liegt hinter den Dingen. Wenn du als Mensch geboren werden willst, ist das die wichtigste Lektion, die ich dir mit auf den Weg gebe. Lerne die Wirklichkeit hinter den Dingen zu sehen! « Verblüfft sah er den Schamanen an, woher wusste er, das er als Mensch geboren werden wollte? Das hatte er nur seinen Freunden anvertraut. Ohne, das er die Frage laut stellte, antworte ihm der Mann. » Genauso wie ich deine Ungeduld spüre, fühle ich dein Verlangen nach Leben und deinen Durst nach Liebe. Doch eines muss dir immer bewusst sein, das Leben hält auch eine andere Seite bereit. Zu jedem Stück gibt es ein Gegenstück. Es gibt Liebe und es gibt keine Liebe. Hass nennen es die Menschen. Doch das ist eine ganz einfache Gleichung, die nicht aufgeht. Liebe und Hass können viele verschiedene Formen annehmen. Haben viele Farben und Gesichter. So kann gutes aus Liebe entstehen aber auch schlechtes. «

Er nickte betrübt. » Das sehe ich jeden Tag, wenn ich auf die Erde blicke. Gerade deshalb möchte ich geboren werden, um den Menschen zu zeigen, wie schön das Leben ist. Sie wieder an die Liebe erinnern. «

» Das ist eine sehr große Aufgabe, die du dir stellst und du bist nicht der Erste, der mit diesem Wunsch geboren werden möchte. Doch nur wenige schaffen es, die Verbindung zum großen Geheimnis aufrecht zu erhalten. «

» Das große Geheimnis? «, fragte er gleich neugierig.

» Das große Geheimnis hat viele Namen. Mein Volk nennt es das große Geheimnis. Es gibt Menschen auf der Erde, die auch nach ihrer Geburt noch mit uns verbunden sind. Bäume, Pflanzen, Tiere, alles was eine Seele besitzt und nicht menschlich ist sind mit uns verbunden. Nur allein der Mensch ist es, der die Verbindung verliert. «

» Von welcher Verbindung sprichst du? «, fragte er verwirrt.

» Die Verbindung zum großen Geheimnis. «

» Ja, aber was genau ist das große Geheimnis? «, fragte er abermals.

» Wir alle gehören dazu. Alle, die wir eine Seele besitzen sind miteinander verbunden. «

Danach schwieg der Schamane.

Er blickte sich in der Landschaft um und ließ das Gesprochene auf sich wirken. Es schien eine halbe Ewigkeit zu vergehen. Wieder sah er den Bisons beim friedlichen grasen zu. Als er es plötzlich sehen konnte. Er erblickte das Große und Ganze. Er konnte nicht in Worte fassen was er da sah und fühlte. Es war einfach zu groß. Er sah einen Adler über sich kreisen und verstand, das hinter allem Leben eine Verbindung steht. Alles war unwiderruflich miteinander verbunden.

Aufgeregt fragt er den Mann, » Heißt das also, es gibt Menschen auf der Erde, die noch mit uns in Verbindung stehen? «

Der Schamane nickte zustimmend.

» Aber wie ist das möglich? «, fragt er erstaunt.

» Indem sie versuchen Ihre Seele rein zu halten. Das kann bewusst aber auch unbewusst geschehen. Es gibt Künstler, die durch ihre Kunst zu den Menschen sprechen ohne das sie wissen, dass es ihre Verbindung zu uns ist, die ihr Schaffen beeinflusst. Alle Menschen die Gutes tun oder es zumindest versuchen. Eine Ärztin, ein Krankenpfleger, ein guter Freund oder jemand der jemand anderen seine Zeit, ein offenes Ohr oder ein einfaches Lächeln schenkt. Alle, die in den kleinen und großen Dingen versuchen das Leben für alle Lebewesen lebenswert zu gestalten. Sie halten ihre Seele rein. Spüren dass da mehr ist, können es aber nicht benennen. Sie alle stehen noch indirekt mit uns in Verbindung. «

» Was ist mit den Menschen, die noch bewusst mit uns in Verbindung stehen? Können wir mit ihnen reden? «

» Die Menschen, die noch bewusst mit uns in Verbindung stehen, sind leider nur noch sehr wenige. Meist sind es die Menschen, die ein einfaches Leben führen. Die versuchen im Einklang mit allen was lebt zu leben. Friedlich versuchen gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen. Aus meinem alten Volk gibt es noch einige, die den ursprünglichen, traditionellen Weg leben und mit uns in Verbindung treten können. Doch ihre Zahl schwindet und sie finden auf Erden kein Gehör. Oft wird ihnen nicht geglaubt, weil viele Menschen, die behaupten noch mit uns in Kontakt zu sein, obwohl sie es nicht sind, nur ihren eigenen Nutzen daraus ziehen. Das macht es für die Wenigen, die wirklich mit uns in Verbindung stehen umso schwieriger Gehör zu finden. Außerdem sind die Menschen zu sehr von dem Wesentlichen abgelenkt. Zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, als das sie versuchen, sich wieder auf das zu besinnen, was sie hier gelernt und erlebt haben. Du siehst es doch selbst, wenn du auf die Erde blickst, dass die Menschen den Wert des Lebens verloren haben. Sie rechnen alles in Geld und Zahlen auf und merken dabei nicht, dass das Leben nicht diese Art von Wert besitzt. «

Er nickte zustimmend und bemerkte nicht, das der Kern seiner Frage nicht ausreichend beantwortet wurde. » Genau das ist es, was ich den Menschen wieder lehren möchte. Ihnen wieder bewusst machen, was Leben überhaupt bedeutet. Wie einfach das Leben sein kann. Ihnen zeigen, dass die Welt schön ist. So wie sie ist. «

» Aber du weißt, dass die Welt nicht nur schön ist?! «

» Das weiß ich, aber wenn ich mir die Erde ansehe, denke ich immer, dass sie tief in ihrem Inneren besonders schön ist. «

Lange hatte der Schamane so eine Antwort nicht mehr erhalten und antwortete, » Das was du hier siehst ist schön. Es hat wirklich existiert. Meine Kindheit war schön. Sehr schön sogar. Doch das Bild hat sich über die Jahre verändert. Wenn du wirklich geboren werden willst, musst du dir auch die nicht schönen Dinge ansehen. Ich muss dich auf die hässlichen Seiten des Lebens vorbereiten. Bist du dazu bereit? Ich werde sie dir zeigen und werde dir alles zeigen. Nichts weglassen. Nichts verschönigen. «

Er atmete tief durch und versuchte sich auf das Schlimmste gefasst zu machen. Doch was war das Schlimmste? Er verschloss nur zu gern die Augen vor dem was die Menschen schlechtes anrichten. Das wusste er selbst. Hatte schon oft gesehen zu was der Mensch fähig ist. Doch er wollte sich auf das Gute konzentrieren. Denn das war es, worauf es ankam.

Der Schamane spürte, dass er bereit war und die noch zuvor so friedliche und idyllische Szenerie änderte sich schlagartig.

Sie kamen mit Pferden und zu Fuß. Als erstes fielen ihnen die Bisons zum Opfer. Einem nach dem anderen schlachteten sie nieder und das nicht um sie als Nahrungsquelle zu nutzen. Nein. Sie töteten sie nur wegen ihrer Felle. Nicht um sich damit zu wärmen. Nein, um Handel damit zu treiben. Die Kadaver ließen sie achtlos zurück. Dann wurden die ersten Bäume gefällt um Häuser zu bauen. Das vorher freie Land wurde mit Zäunen eingegrenzt. Das was vorher allen gehörte, wurde nun zum Eigentum einiger wenige.

Danach machten sie sich das Wissen der Ureinwohner zu Nutze und dankten es ihnen damit, dass sie ihnen das Land und ihre Jagdmöglichkeiten nahmen. Sie brachten sie dazu Alkohol zu genießen und machten das einst freie Volk damit abhängig. Das friedliche Volk wurde durch den Alkohol aggressiv, denn sie waren ihn von Natur aus nicht gewohnt. Das führte dazu, dass sich ein und dasselbe Volk, zum ersten Mal in ihrer Geschichte, untereinander bekriegte. Aber damit nicht genug. Sie brachten fremde Krankheiten über sie, indem sie ihnen, mit virenverseuchte Decken und Kleidung, als Geschenke getarnt, überreichten. Diejenigen die sich wehrten wurden einfach getötet, denn nur ein toter Indianer war ein guter Indianer.

Doch das Schlimmste stand ihnen noch bevor. Sie wurden dazu gezwungen sesshaft zu werden und dies obwohl es ihrer Lebensweise widersprach. Sie wurden in Reservate zusammengepfercht. Per Gesetz wurde ihnen verboten ihre traditionelle Lebensweise auszuführen. Sobald sie sich zu wehren versuchten, wurden sie mit Gewalt daran gehindert.

Es herrschte eine große Resignation und Hoffnungslosigkeit unter dem ehemals so stolzen Volk.

Die Szene änderte sich wieder. Er sah das Dorf des Schamanen. Die Kinder spielten auf einer Wiese. Die Frauen und Männer saßen bei einander und gingen ihren Arbeiten nach.

Plötzlich bemerkte er, wie sich weiße Männer von hinten an das Dorf schlichen. Er konnte ihre bösen Absichten geradezu spüren. Er wollte das Volk warnen, doch dann überrannten sie das Dorf einfach. Er sah die ersten Tipis brennen. Noch bevor die Natives zu ihren Waffen greifen konnte, wurden sie vom weißen Mann niedergestreckt. Die Männer und Alten wurden sofort getötet. Die Frauen wurden vor den Augen ihrer Kinder vergewaltigt um sie dann zu töten oder zu verschleppen. Selbst vor den Kindern machten sie nicht halt. Er sah wie zwei der Männer sich jeder einen Säugling schnappten. Er hörte ihr verzweifeltes Schreien nach ihren toten Eltern. Plötzlich drehten die Männer die Babys nach unten und hielten sie kopfüber an den Füßen. Sie nickten einander zu und grinsten. Sie holten Schwung. In dem Moment schloss er die Augen und hörte nur noch wie die Köpfe aufeinander schlugen und das weinen augenblicklich verstummte.

Sein Herz zog sich zusammen. Er spürte wie sich eine kalte Faust um seine Seele legte und einfach zudrückte. Er öffnete erst wieder seine Augen als er nur noch das wütende Feuer hörte. Das Dorf war dem Erdboden gleichgemacht und zum ersten Mal roch er den Tod. Der Geruch nach verbrannten Fleisch und nach Blut drang bis zu ihnen vor. Das hatte er noch nie zuvor wahrgenommen. Er sah zwar die Bilder, aber bis dahin war ihm nie bewusst gewesen, dass Krieg auch einen üblen Geruch mit sich brachte. Er musste tief schlucken.

Die wenigen, die sich vor den Angreifern in Sicherheit bringen konnten, fanden Zuflucht bei befreundeten Stämmen. Als sie ihnen von den erlebten Grausamkeiten berichteten, entfachte ein letzter Widerstand. Die lang geglaubte, verlorene Kampfeslust war wieder da und die letzten freien Stämme machten sich zu ihrer großen Schlacht bereit.

Doch die Übermacht des weißen Mannes war einfach zu stark. Mit ihren Pfeilen und Äxten waren sie chancenlos gegen die Schusswaffen der Weißen. Doch der Glaube an Gerechtigkeit und ihre Rache ließ sie weiterkämpfen. Auch als schon alles verloren war.

Die geringen Überlebenden wurden zu ihren anderen Leidensgenossen in die Reservate gesperrt. Viele kamen vor das Kriegsgericht des weißen Mannes und wurden gehängt. Jedoch die weißen Männer, die so viel Leid über die Natives brachten blieben unbescholten und konnten ihr Leben weiterleben als sei nichts geschehen.

Den ehemals so stolzen und freien Völker wurde alles genommen. Sie waren nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Ihr Lebensfunke war erloschen. Ihr Leben war gekennzeichnet von harter Arbeit, Armut und Entbehrungen. Obwohl sie noch lebten, hatte der weiße Mann das geschafft, was niemand sonst vor Ihnen geschafft hat.- Ihre Seelen zu töten.

Notgedrungen stellten sie sich auf ihr neues Leben ein. Doch erst nach Jahrzehnten des Kampfes und der Anhörung ihrer Belange, schien es als ob eine Art Ruhe in die Reservate einkehrte. Einige der geschundenen Seelen erholten sich.

Doch dann fingen die weißen Männer und Frauen an die Kinder der Natives in Autos und Flugzeuge abzutransportieren. Sie wurden in Schulen, weit weg ihrer Heimat gebracht. Die Weißen meinten, dass sie die Kinder zivilisieren müssten.

Einige der Kinder wurden an weiße, kinderlose Paare gegeben obwohl ihre leiblichen Eltern noch lebten. Diesen erzählte man, ihr Kinder seien an Krankheiten verstorben. Er spürte die Verzweiflung und tiefe Trauer der Eltern und auch die der Kinder, die nicht begriffen, was mit ihnen geschah.

Sie schoren den Kindern die Haare, nahmen ihnen ihre Kleidung und zu guter Letzt ihre Sprache und ihren Namen und damit ihre Identität.

Er sah wie sie die Kinder schlugen und bestraften sobald sie ihre eigene Sprache in den Mund nahmen. Sie ließen die Kinder hungern und dann musste er wieder mit ansehen, wie einige der Männer und vereinzelt auch Frauen die Kinder missbrauchten und vergewaltigten. Er schloss die Augen doch umso stärker hörte er das weinen der Kinder und das flehen um Gnade. Hörte die Verzweiflung, weil sie nicht wussten, wie sie dem Bösen entfliehen konnten. Sie waren hilflos. Wo waren ihre Eltern? Warum halfen sie ihnen nicht? Warum kamen sie nicht um sie nach Hause zu holen? Die Saat des weißen Mannes ging auf. Zwietracht war gesät. Gerade als er sich auch die Ohren zuhalten wollte, hörte er das entfernte Lachen von Kindern. Langsam öffnete er die Augen. Er sah, wie eine der Frauen die in der Schule lehrte, den Kindern heimlich zu essen gab. Sie ermahnte die Kinder zur Ruhe. Doch diese waren so glücklich von dem guten Essen der Priester und Nonnen zu essen, dass sie ihre Freude nur schwer zurückhalten konnten.

Er sah wie zwei der Kinder fliehen konnten und mit unerwarteter Hilfe von Weißen sich nach Hause durchschlagen konnten. Sie und die Kinder, die zu alt für die Schule wurden, berichteten ihren Eltern, was wirklich vorging. Doch erst nach Jahren des Wiederstandes und Protestes wurden die letzten Schulen geschlossen.

Als er die Babyleichen in den Keller unterhalb der Schule sah, kamen ihn wieder Zweifel, ob er das Leben nicht doch mit den falschen Augen sah.

Noch immer, war das Volk des Schamanen nicht gleichberechtigt. Noch immer verbaten Gesetze ihnen ihr traditionelles Leben zu führen. Ganz zu schweigen von dem ganzen Land, was ihnen gestohlen wurde. Noch heute wird ihnen das Land, das ihnen heilig ist, genommen sobald sich herausstellt, dass es wirtschaftlich doch wertvoller ist als angenommen. Selbst vor den heiligen Ruhestätten der Natives macht der weiße Mann nicht halt, wenn sie herausfinden, das dort wertvolle Mineralien liegen. Noch immer wird den Natives genommen was ihnen zugesprochen wurde. Doch mittlerweile konnten sie vom weißen Mann lernen und fingen an sich zu wehren. Doch eines ist geblieben, der weiße Mann ist noch immer der Übermacht.

Die Erinnerungen des Volkes des Schamanen enden mit seinem Tod.

» Bevor ich dir deine Fragen beantworte, möchte ich dir noch zeigen, was mit der Landschaft, die du hier siehst geschehen ist. «

Die Bisons waren bereits ganz verschwunden, als auch der Wald zu schwinden anfing. Die Bäume wurden erst gefällt um weitere Häuser zu bauen, dann um mit dem Holz Handel zu treiben. Die ersten Straßen wurden gebaut. Dann kamen die Kutschen mit Pferden. Bis schließlich die ersten Autos Einzug erhielten und schließlich wurde alles aus Beton hergestellt. Die Häuser wurden immer größer und höher gebaut. Doch jetzt aus Stahl und Beton anstatt aus Holz. Immer mehr Menschen kamen in die Stadt und diese wurde größer und größer.

Der See hatte seine Reinheit verloren, weil ansässige Firmen ihre Abwässer in den See pumpten. Als die Fische anfingen zu sterben, fingen die ersten Menschen an zu protestieren. Sie versuchten gegen die Umweltverschmutzer vorzugehen. Doch die Firmen waren gleichzeitig die Arbeitsplätze der Menschen und ohne ihre Arbeit verdienten sie kein Geld und mussten Hungern. Der Mensch hatte längst verlernt mit und von der Natur zu leben. Gerade als sie anfingen Teile des Berges zu sprengen, weil sie dort Mineralien abbauen wollten, fror das Bild ein. Das war die letzte Erinnerung des Schamanen.

» Das war meine Geschichte. «, sagte er traurig. » Ich will deinen Wunsch nach Leben in keinsterweise schmälern, aber das ist es, was in der Welt vor sich geht. Und das ist nur ein Ausschnitt der Geschichte meines Volkes, wie ich sie erzählt bekommen und selbst erlebt habe. Bedenke wie viele verschiedene Völker es auf der Erde gibt und all ihre Geschichten verlaufen ähnlich bis zum heutigen Tage. «

Er nickte stumm. » Du hast Recht, aber der Mensch scheint aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Heute versucht der Mensch wieder mit der Natur zu leben. Es werden Gesetze erlassen um die Umwelt zu schützen und zu bewahren. Menschen dürfen einander kein Leid zufügen und niemand darf einen anderen Menschen das Leben nehmen. « Bevor der Schamane etwas erwidern konnte, sagte er schnell, » Natürlich weiß ich, dass es immer noch Leid und Krieg gibt, aber der Mensch scheint aus seiner Vergangenheit zu lernen. » Er sagte, dass laut und mit Nachdruck, um sich selbst davon zu überzeugen.

Traurig erwiderte der Schamane, » Wenn du dir das nächste Mal die Erde ansiehst, dann befolge meinen Rat und sieh genau hin. Ich will dich nicht zu sehr enttäuschen, aber die Schlechtigkeit herrscht weiter. Sie hat nur andere Formen angenommen. Der Mensch weiß sie nur besser zu verkleiden. «

» Das mag wohl stimmen, aber deine Geschichte und deine Erinnerungen sind von Leid geprägt. Heute gibt es viele gute Dinge auf der Welt. Die Menschen helfen einander. Sie akzeptieren keine Kriege mehr. Es herrscht in den meisten Ländern Gleichberechtigung. Weltweit gibt es keine Sklaverei mehr. Ich glaube der Mensch ist auf einen guten Weg. «

» Vielleicht muss ich dir in einer Hinsicht Recht geben. Meine Erinnerungen bestehen zum größten Teil aus Leid, aber nicht nur und ich sehe die Welt wie sie ist, weil ich schon gelebt habe, unter einen anderen Gesichtspunkt als du. Ich will dir deine Illusionen nicht nehmen, aber ich muss dich auf das Leben mit seinen, möglichen Schattenseiten vorbereiten. Vieles von dem, was du gesagt hast, ist wahr aber doch auch wieder nicht. In vielen Ländern herrscht noch Krieg und Terror. Es sind lange noch nicht alle Menschen gleichberechtigt und auch die Sklaverei ist noch nicht abgeschafft. Sie ist noch da. Wohl nicht in dem Ausmaß wie sie es damals war, aber sie besteht noch. «

Er schüttelte vehement mit dem Kopf. » Nein, das stimmt einfach nicht! «

» Soll ich es dir zeigen? «, fragte der Schamane sanft.

Er atmete tief durch. Wollte er das wirklich sehen? Er hatte in den letzten Stunden schon so viel gesehen. Schließlich nickte er nur schwach.

Der Schamane machte eine Handbewegung und erklärte, » Dass sind die Sklaven der heutigen Welt. « Er sah hauptsächlich Frauen und Kinder, konnte aber keinen Zusammenhang sehen. Gerade als er der Schamanen fragen wollte, erinnerte er sich was ihm der alte Mann geraten hat und er sah genau hin. Und er sah es. Sah die Erinnerungen der Frauen und Kinder. Sah wie die Frauen unter falschen Voraussetzungen aus ihren Dörfern und Ländern gelockt wurden und nun ihre Körper verkauften mussten. Sah wie die Kinder auf Plantagen und Mienen arbeiteten und sogar zu Soldaten ausgebildet wurden. Kinder, die lernten zu töten bevor sie richtig lesen und schreiben konnten. Bevor sie Kind sein konnten. Er sah wie Mädchen verschleppt und an reiche Männer verkauft wurden. Sah wie Kinder getötet wurden um ihnen Ihre Organe zu entnehmen.

Wieder schloss er die Augen. » Eines möchte ich dir noch zeigen «, sagte der Schamane. Er merkte, dass er ihn nicht überfordern durfte. Aber es war seine Aufgabe, den Ungeborenen die nicht schönen Seiten des Lebens zu zeigen.

» Sieh hier. «, forderte er ihn auf.

Er machte eine weitere Bewegung und nun konnte er die Straßen der großen Stadt sehen und er sah auch hier, wie die Frauen verkauft wurden. Die nichts weiter als Ware waren. Er sah die Obdachlosen und Drogenabhängigen um die sich niemand kümmerte. Sah ihre Hoffnungslosigkeit.

» Du weißt, dass ich hier nicht enden muss. Es gibt noch sehr viel mehr Ungerechtigkeiten auf der Erde. Was ist mit den Menschen, die achtzehn Stunden und länger arbeiten müssen und sich am Ende doch nichts leisten können, weil sich einige wenige an ihnen bereichern? Glaubst du, dass diese Menschen frei sind? Sich nicht als Sklaven fühlen? «

Er nickte nur stumm. Sah nur die um Hilfe flehenden Augen der Kinder. Sah wie ihnen Stück für Stück das Leben genommen wurde, bis sie komplett abgestumpft waren. Wie ihre Seele Stück für Stück daran zerbrach. Ihnen wurde die Seele genommen. Das Wichtigste, was der Mensch besaß. Das wichtigste, neben der Liebe, was dem Mensch zum Mensch werden lässt. Ein Schauer lief über seinen Rücken. Ihm wurde zum ersten Mal bewusst, das der Mensch dazu fähig ist, Seelen zu töten. Seelen, von Menschen, die noch lebten.

» Ein Schamane meines Volkes, prophezeite, “Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.” Wie du siehst, hat die Prophezeiung bereits vor langer Zeit begonnen wahr zu werden. Da ich immer noch deinen Hunger nach Leben verspüre, zeige ich dir jetzt das Heiligste meines Volkes. «

Er erhob seine Hände in Richtung Himmel und sprach in seiner Sprache und die ursprüngliche Szene war wiederhergestellt. Doch es fehlten die Tiere. Der Schamane sprach leise weiter und begann dabei in einen Gesang über zu gehen.

Er schloss seine Augen um sich auf den Gesang zu konzentrieren. Der Gesang war wunderschön. Es fühlte sich an, als könne er fliegen. Als der Schamane verstummte, öffnete er seine Augen und er sah ein weißes Bison, das auf einer Weide lag und graste. Das Bison hob seinen Kopf und er spürte wie es ihm ansah und er fühlte eine Leichtigkeit, die er noch nie zuvor gespürt hatte.

Das Erste was er feststellte, war dass das Bison wunderschön war. Er hatte noch nie zuvor so etwas Schönes gesehen. Es strahlte geradezu.

Der Schamane lächelte, » Sieh genauer hin. «

So sah er, dass das Bison nur noch ein Bein hatte und der Großteil seines Felles ausgefallen war. Und trotzdem war es wunderschön. Ihm fiel kein besseres Wort ein um es zu beschreiben. Wunderschön.

» Was hat das zu bedeuten? «, fragte er den Schamanen ehrfurchtsvoll.

» Sie ist das letzte von vier Bisons, dass die Wasser zurückhält um die Erde zu überschwemmen. Sobald sie ihr letztes Bein verliert und ihr letztes Haar ausfällt, wird das Zeitalter der Welt von Neuem beginnen. «

Bestürzt sah er den Schamanen an, » Heißt dass, das die Erde so wie sie ist, nicht bestehen bleibt? «

» Ich will dir nichts vormachen, wenn die Menschen so weitermachen wie bisher, dann wird es nicht mehr lange dauern und das heilige Bison verliert ihr letztes Bein. Sie ist die letzte von Vieren und muss die Geschicke der Menschen nun alleine ertragen. «

» Kann sie nicht wieder gesund werden? «, fragte er ängstlich.

» Doch das kann sie. Wenn die Menschen es schaffen, die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, besteht die Hoffnung auf Heilung. Das letzte Mal, wo sie spürbar stärker wurde, war als Jesus geboren wurde. Damals hatte sie noch drei Beine und das vierte wuchs nach. Doch nach nur dreiunddreißig Jahren verlor sie zwei Ihrer Beine. «

» Aber das bedeutet, dass noch Hoffnung besteht? «

» Hoffnung besteht immer. Doch irgendwann tritt die Grenze ein, wo die Hoffnung beginnt zu sterben. «

Er zweifelte und doch tief in seinem Inneren wusste er einfach, dass es noch nicht zu spät war.

» Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde den Menschen wieder begreiflich machen, was es bedeutet zu leben. Wieder Respekt und Achtung vor sich selbst, seinen Mitmenschen und gegenüber der Natur und den Tieren zu haben. Ich werde nicht aufgeben, denn ich Glaube daran, dass der Mensch, der zu etwas so wunderbaren wie der Liebe fähig ist, noch nicht verloren ist. «

» Wie ich sehe, verspürst du noch immer den Wunsch geboren zu werden. «

Er nickte. » Oh ja, das möchte ich und ich möchte als Mensch geboren werden, weil ich glaube, dass ich als Mensch am Meisten bewirken kann. «

» Du nimmst dir etwas sehr Großes vor und ich wünsche dir von Herzen, das du es schaffst. Versuche deine Seele rein zu halten, damit du mit in uns in Verbindung bleibst. Das Wichtigste, was ich dir mit auf die Reise geben kann ist mein Rat. Siehe hinter den Dingen! «

Dann war der Schamane plötzlich verschwunden und auch das Bison verschwamm vor seinen Augen. Das Letzte, was er meinte zu sehen, war, dass dem Bison neue Haare wuchsen.

2

  » All Love Is Equal! «

Braden Summer

 

 2

 

Als er wieder an seinen gewohnten Platz saß, war er wütend. Wie konnte der Schamane ihn mit seinen ganzen Fragen einfach so alleine lassen. Er hatte ihm nicht einmal gesagt, wie er die Verbindung bewusst aufrechterhalten konnte. Außerdem wollte er wissen, warum die Menschen, die noch mit ihnen in Verbindung waren, nichts unternahmen um die anderen Menschen zu warnen. Oder taten sie das und wurden nicht erhört?

Er war ratlos, was sollte er nur tun? Eine Weile betrachtete er die Welt von weitem und dachte, wie schön es doch wäre ein Teil davon zu sein. So sehr sehnte er sich danach. Doch was ihm der Schamane gezeigt und anvertraut hatte, stimmte ihn traurig. So traute er sich momentan nicht einmal die Erde vom nahen anzusehen.

Wie aus dem Nichts tauchte ein junger Welpe neben ihm auf, sprang an ihm hoch und forderte ihm zum spielen auf.

Er lachte laut auf. » Du merkst immer, wenn ich Ablenkung brauche, oder? « Er kraulte den Welpen im Nacken und setzte ihm neben sich. Sofort wurde aus dem Welpen Sael.

» Das stimmt schon. Wobei es bei dir eher ungewöhnlich ist, dass du eine Aufmunterung brauchst. Wie war deine Begegnung mit dem ersten Waisen? «, fragte sie voller Neugier.

Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Musste das Erlebte erst noch sortieren und verarbeiten. Schließlich blickte er sie an und erwiderte fragend, » Was ist eigentlich mit dir? Wolltest du nie leben? «

Sie lachte, » Aber wir leben doch. «

» Du weißt genau, wie ich das meine. «, unterbrach er sie ernst.

Sael schwieg. » Doch, das wollte ich, aber nach dem Gespräch mit der dritten Waisen habe ich mich dagegen entschieden. «

Verwundert blicke er sie an. » Wieso hast du mir nie davon erzählt? «

» Wir sprechen nicht über die dritte Waise. Jeder von uns muss ihr unvoreingenommen gegenübertreten. Du wirst sie kennenlernen, wenn du nach den ersten beiden Waisen immer noch geboren werden möchtest. « Sie spürte schon die Neugier ihn ihm aufsteigen und versuchte mit der Frage aller Fragen abzulenken. » Willst du immer noch so sehr geboren werden wie vor deinem Gespräch mit dem Schamanen? « Trotz seiner vorherigen Zweifel, brauchte er nicht lange überlegen und lächelte müde, » Ja, das möchte ich. «

» Du weißt, dass du nicht zwingend als Mensch geboren werden musst, das was bestimmst du. «

»Ich weiß, aber ich glaube immer noch, dass ich als Mensch am Meisten bewirken kann. « Er dachte an das große Geheimnis, was für ihn immer noch ein Geheimnis war. Doch er wusste nun, dass alles im Leben einen Grund hatte von der kleinsten Bakterie bis zum größten Berg. Das alles unwiderruflich miteinander verbunden war. Doch, er war sich ganz sicher, wenn er sich zu dem Schritt des Lebens entscheiden würde, dann als Mensch. «

Um seinen Entschluss zu festigen, zeigte er Sael, die Seelenverwandten. Er machte eine Bewegung mit seiner Hand und sie sahen wir das Paar einträchtig beieinandersaß. Die Liebe, die sie für einander empfanden, war fast spürbar.

» Sie haben darüber gesprochen, Kinder zu bekommen. «, verriet er Sael.

» Du hast keinen Einfluss darauf, wer dir das Leben schenkt nur das was kannst du bestimmen. «

» Ich weiß, aber… «

Auf einmal war Maria an seiner Seite. Sie schien immer dann aufzutauchen, wenn ihre Stimmung den absoluten Tiefpunkt erreicht hatte.

» Welche Laus oder besser Elefant ist dir denn über die Leber gelaufen? «, versuchte er zu scherzen.

Der warnende Tritt von Sael kam zu spät. Maria blickte ihn böse an.

» Die Menschen, was sonst? Ich kann nicht verstehen, warum du mit den Gedanken spielst, geboren zu werden. Sieh sie dir doch genau an…« Er wusste genau was jetzt kam. Maria machte sich schon zu ihrer Ansprache bereit, als sie das Paar entdeckte und kurz innehielt. » Seelenverwandte «, merkte er an, » Ist das nicht unglaublich? «

Doch selbst das konnte Maria nichts besänftigen. » Weißt du, was dein Problem ist? Du willst immer nur das Gute sehen. « Um ihren Worten Nachdruck zu geben, machte sie die gleiche Handbewegung wie er zuvor. Das Bild änderte sich. Sie sahen einen jungen Mann, der misshandelt in einer Gefängniszelle saß. Bedrückt sahen sie zu den Mann. » Warum…?«, noch bevor er die Frage stellen konnte, holte Maria wütend aus, » Weil er den falschen Menschen liebt. Er und sein Partner werden gehängt. « Das Bild änderte sich und sie sahen wie ein zweiter Mann gerade geschlagen und bespuckt wurde. » Siehst du das seine Hose nass ist, weißt du warum? Weil sie auf ihn gepinkelt haben! Die Beiden müssen das durchmachen, weil sie einander LIEBEN! «, sagte sie fuchsteufelswild. Die Menschen in dem Land, glauben tatsächlich, dass es Sünde ist, einen Menschen des gleichen Geschlechts zu lieben. « Sie lachte erbost auf. » Die Menschen strafen einander sogar für das höchste Gut, was Ihnen gegeben wurde „die Liebe“ und das ist mehr als Traurig. Und einer von denen willst du werden? «, fragte sie verächtlich.

Sael mischte sich ein, » Na hör mal Maria, so wie er immer nur das Gute siehst, siehst du meist nur das Schlechte.« Sie biss sich sogleich auf die Zunge.

Noch schockiert, was sich gerade vor seinen Augen abspielte, überkamen ihn die Erinnerung an die First Nation. All die misshandelten, vergewaltigten, ermordeten Frauen, Kinder und Männer. Hörte den Knall der Köpfe der Säuglinge. Spürte die Angst und Verzweiflung der Kinder. Seine Zweifel waren wieder da und doch sprang er wütend auf. » Ja, genau einer von denen möchte ich werden! «, schrie er gerade zu, » um ihnen zu zeigen, das ihr Handeln falsch ist, verstehst du? Ich will genauso wie du, dass das aufhört. «, und zeigte auf die Männer. » Das die Menschen wieder begreifen, was es heißt zu leben und zu lieben. «

» Amen.«, unterbrach ihn Maria. » Und du glaubst, du bist der Erste der das will? Komm wach auf, es hat in der Vergangenheit nicht geklappt, jetzt nicht und wird auch in Zukunft nicht funktionieren. «

» Das weißt du nicht! So viel wie es Hässliches gibt, gibt es auch Schönes und ich werde dafür kämpfen, dass die Menschen wieder das Schöne sehen und danach handeln. Im Gegensatz zu dir, die hier nur herumsitzt und alles schlecht macht. « Der erneut warnende Tritt von Sael kam abermals zu spät. Maria lachte. » Sei nicht so anmaßend. Ich mache hier gar nichts schlecht. Das machen die Menschen schon selbst und wie du siehst sind sie sehr gut darin. Hast du dich noch nie gefragt, warum ich, obwohl ich die meisten Menschen verabscheue, immer in Gestalt eines jungen Mädchens erscheine und nicht zum Beispiel als Vogel? Meine Gestalt wie Sael ändere? Oder auch Sheran, hast du ihn jemals als was anderem gesehen als als Jungen? «

Sael versuchte schlichtend einzugreifen, » Maria, bitte, er kann es nicht wissen,…«

» Dann wird es Zeit, das er es erfährt. «

Verwirrt hörte er den Mädchen zu. » Kann mich bitte jemand aufklären, worum es hier überhaupt geht? «

Er spürte Trauer in Maria aufsteigen. » Sael verändert ihre Gestalt, weil sie wie du ungeboren ist und ich wünschte, ich könnte das Gleiche von mir sagen,…« Erschöpft setzte er sich wieder hin. » Ich habe gelebt und muss daher immer in der Gestalt erscheinen, in der ich gelebt habe. Sie haben mir mein Leben genommen, obwohl meine Zeit noch nicht gekommen war…« Sie sprach nicht weiter, ließ die gesprochenen Worte wirken.

» Es tut mir leid, das wusste ich nicht…warum hast du nie was gesagt? «, stammelte er fassungslos.

» Du hast mich nie gefragt. «

» Dann erzähle mir bitte jetzt davon, wenn du magst. «, schloss er unbeholfen.

» Das ist eine lange Geschichte. Ich müsste dir die Geschichte meiner ganzen Familie erzählen. «

» Ich habe Zeit, wie du weißt. «, sagte er lächelnd.

Versöhnlich lächelte Maria zurück. » Leider kann ich dir nicht davon erzählen, dann kannst du der dritten Waisen nicht mehr unvoreingenommen gegenübertreten. Außerdem magst du Zeit haben, aber die Beiden, haben es nicht. «, sie zeigte auf die Männer.

» Jemand muss sie in der Sekunde ihres Todes begleiten. Aber wenn du meine Geschichte wirklich hören willst, kann dir einer meiner Onkel von meinem Leben berichten. Sie gehören zu den Waisen. «

Im gleichen Moment sahen sie wie die beiden Männer zum Galgen geschleift wurden und Maria war verschwunden.

Er verstand gar nichts mehr und blickte verwirrt zu Sael. » Was hat das alles zu bedeuten? « Sael überlegte lange und fasste einen Entschluss. Sie seufzte aus tiefem Herzen und gab sich einen Ruck. » Das Maria schon gelebt hat, wusste ich, weil du unter anderem bei der dritten Waisen erfahren wirst, dass wenn du schon gelebt hast und wieder zurück kommst, du zwischen den… « Sie suchte nach den richtigen Worten. » Ebenen wechseln kannst. Maria hat die Möglichkeit, die Ebene der Ungeborenen zu verlassen, um den Seelen zu helfen, die wieder zu uns zurückkommen. Oder den Seelen zu helfen, die noch nicht so weit sind. « Unglaublich blickte er Sael an. » Kannst du das auch und was ist mit Sheran? Sie lächelte, » Ja, das kann ich. Sheran ebenso, weil er schon gelebt hat. «

» Und warum seid ihr dann so oft bei mir? « Sie boxte ihm neckisch in die Seite, « Weil du unser Freund bist und wir bei dir Kraft tanken können, aber das wirst du verstehen, wenn du mit der dritten Waisen gesprochen hast. Ich hoffe, dass ich dir nicht schon zu viel verraten habe. «

» Wohl kaum. Ich stehe immer noch vor einem großen Rätsel und was ist mit Sheran? Ist er auch vor seiner Zeit wieder zu uns zurückgekommen, wie Maria sich ausgedrückt hat? « Sael nickte traurig.

» Ja, das ist er. Aber er ist einigermaßen wieder mit sich in Reinem und nicht so wütend wie Maria. «

» Was genau ist passiert? «

» Hast du dich schon für die zweite Waise entschieden? «

» Ich denke, dass ich mich für Marias Onkel entscheide, wenn du mir von Sheran erzählst. «

» Frag ihn doch selbst. Ich werde ihn suchen gehen. «

Nur einen winzigen Augenblick später, kam Sael mit Sheran zurück.

» Du hast also schon gelebt? «, fragte er Sheran geradewegs.

» Ja, das habe ich. «

» Wie war es und was ist passiert? «, fragte er aufgebracht.

» Ich war vierzehn als ich mit meinem Vater einen Markt besuchte, das war in Afghanistan. Als wir uns gerade an einem Stand auf dem Markt aufhielten, hat sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Ich war sofort tot. Zum Glück kann ich das sagen. Mein Vater musste noch lange leiden. Außerdem starben noch zehn andere Menschen und zweiundfünfzig wurden verletzt. «

» Das heißt du wurdest von einer Bombe getötet? «, fragte er fassungslos.

» Genauer gesagt, von mehreren Splittern. «

» Oh mein Gott. « Ihm fiel einfach nichts anderes ein, wie er darauf reagieren sollte. Innerhalb von Minuten musste er erfahren, das zwei seiner engsten Freunde schon gelebt haben und einer davon von einer Bombe getötet wurde. Er kam sich hintergangen vor und fragte daher nur » Wie kann es sein, dass du nicht zornig bist? «

» Ich war am Anfang wütend. Sehr wütend sogar. Fast so wütend wie Maria. « Er lachte frech. » Aber ich habe schnell gelernt mit mir ins Reine zu kommen. Ich habe immer daran geglaubt, dass es mit dem Leben auf der Erde nach unserem Tod nicht zu Ende ist. Daher fiel es mir in gewisser Weise „leichter“ von meinem irdischen Dasein Abschied zu nehmen. Wütend war ich darauf, was der Selbstmordattentäter meiner und den anderen Familien und Freunden angetan hat. Ich kann bis heute nicht verstehen, was Menschen dazu treibt unschuldigen das Leben zu nehmen. Ich versuche es hier immer noch zu begreifen, aber ich verstehe es einfach nicht. Und natürlich vermisse ich hin und wieder mein Leben. Ich sehe meine Schwester nicht aufwachsen. Werde nicht wissen, wie es ist sich richtig zu verlieben. Einen Beruf zu erlernen. Ich kann meine Mutter, Schwester und Verwandten nicht trösten. Ich vermisse es, mir mit meinen besten Freund Streiche auszudenken. Ein gutes Buch zu lesen. Also, wenn ich so Recht darüber nachdenke, werde ich doch wieder zornig und traurig. Aber es hilft mir, ein kleines bisschen zumindest, dass ich weiß, was dem Attentäter widerfahren ist. «

» Was ist mit ihm passiert? «, fragte er neugierig.

» Er bekommt sein versprochenes Paradies. Ein Land in dem Milch und Honig fließen mit 72 Jungfrauen. «

» Also, das kann ich nicht glauben. «

» Das kannst du ruhig. », meldete sich Sael zum ersten Mal zu Wort.

» Überlege mal, wir können zwischen den Ebenen wechseln. Er bleibt für ewig in seinem Land. Er sieht bis in alle Ewigkeit die gleiche Landschaft mit den gleichen Frauen. Eigentlich haben wir hier kein Hunger- und Durstgefühl. Wir sowieso nicht, weil wir nicht geboren wurden, aber auch nicht mehr, wenn du zurückkommst, aber die Selbstmordattentäter verspüren in ihrem Land noch immer Hunger und Durst und müssen sich nun bis in alle Ewigkeit von Mich und Honig ernähren. «

» Ihr verarscht mich doch. «

» Nein, bestimmt nicht. » antwortete Sheran

» Stell dir nur vor, was das für eine Qual ist, sich bis in alle Ewigkeit nur von Honig und Milch zu ernähren, wenn du weißt, was es sonst noch alles Leckeres gibt. Du dich aber nur noch von Milch und Honig ernähren kannst. Glaube mir, dass würde dir schon nach drei Tagen nicht mehr schmecken. «

Ungläubig blickte er zwischen Sheran und Sael hin und her.

» Nach den Jungfrauen frage ich lieber nicht. Ich will gar nicht wissen, was ihr mir da für eine Geschichte zu auftischt. «

Beide lachten. » Das ist schnell erzählt, wenn du hier noch Jungfrau bist, dann bleibst du Jungfrau. Sprich die Attentäter bekommen zwar ihre Jungfrauen, aber sie bleiben unberührt. Er kann sich nicht einmal berühren. So bekommt er dass, was er erhofft hat zu bekommen und es stellt sich für ihn aber nicht als das heraus, was er sich vorgestellt hat. Es ist also das Gegenteil von einem Paradies. Würden die Menschen nicht immer alles blind glauben, was man ihnen erzählt und würden sie mal ein wenig mehr selber über alles nachdenken, könnte der ein oder andere vor großen Irrtümern verschont bleiben. «

» Das ist doch verrückt. «

» In gewisser Weise schon, aber es ergibt alles einen Sinn. «

» Und der Sinn dahinter ist welcher? «

» Das wirst du begreifen, wenn du mit der dritten Waisen gesprochen hast. «

» Also langsam aber sicher, macht ihr mich echt verrückt mit der dritten Waisen. Ich habe das Gefühl, dass ich hier nur Halbwahrheiten erfahre. Meine Fragen werden immer mehr anstatt weniger. «

» Du wirst es verstehen. «, sagte Sheran. » Es tut mir leid, aber ich muss wieder los.«

» Moment noch…«, aber da war Sheran schon verschwunden.

» Warte bis zu dritten Waisen und du wirst es verstehen. «, meinte Sael. » Aber vorher musst du noch mit der zweiten Waisen sprechen. «

» Ich weiß, ich wollte doch…«, bevor er den Satz zu ende sprechen konnte, verschwand auch Sael.

» Hey, warte! « Da begriff er, das nicht Sael verschwand sondern er und schon tauchte ein Mann neben ihm auf, der sich als Marias Onkel vorstellte.

Er spürte die starke Hand auf seiner Schulter und der Mann fragte ihn lächelnd. » Du willst also Marias und damit auch meine Lebensgeschichte erfahren? « Marias Onkel war höchstens Ende dreißig. » Waise muss nicht unbedingt immer etwas mit dem Alter zu tun haben. «, sagte er schmunzelnd.

Verwundert blickte er den Mann an. » Ich kann genau wie die anderen, deinen Wunsch nach Leben regelrecht spüren. Wie wäre es, wenn ich dir unsere Familiengeschichte nicht einfach erzähle sondern du sie miterlebst? Doch einmal angefangen, lässt sie sich nicht mehr stoppen und du musst sie bis zum Ende auf dich wirken lassen. «

» Was heißt miterleben? «, fragte er zaghaft.

»Es ist wie das, was du mit den First Nation erlebt hast. Du wirst Angst, Trauer, Hass, Verzweiflung genauso wie Mut, Freude und Liebe spüren. Natürlich nur den Hauch dieser Gefühle, denn es sind nur unsere Erinnerungen. Alles ist schon geschehen. Es werden viele Emotionen aufeinander prallen. Lass dir Zeit darüber nachzudenken. Du hast viel mitgemacht in den letzten Tagen. Nimm dir all die Zeit, die du brauchst. «

Das stimmte allerdings. Ein Erlebnis nach dem Anderen fiel über ihn herein. Erst die Geschichte des Schamanen, dann Marias Bekenntnis und das angedeutete Leben von Sheran. Er hatte so viele Fragen. Doch er dachte an das Bison und war sich nicht sicher, ob er tatsächlich noch so viel Zeit hatte.

Außerdem wusste er, dass die Geschichte von Maria und ihrem Onkel kein gutes Ende nehmen würde. Er war sich unschlüssig. Doch wenn er wirklich geboren werden wollte, dann musste er sich auf das Schlechte vorbereiten. » Es war nicht alles schlecht, was du sehen wirst. «, erwähnte Marias Onkel und lächelte aufmunternd.

» Kannst du das bitte sein lassen? «, bat er.

» Was denn genau? «, fragte Marias Onkel verwundert.

» Na, meine Gedanken lesen. « Er grinste frech.

Marias Onkel lachte beherzt, »Oh, da muss ich dich enttäuschen. Ich kann keine Gedanken lesen. Ihr Ungeborenen könnt eure Gefühle nur nicht gut verbergen. Daher war es leicht zu erahnen, was dich zweifeln lässt. Zu Beginn wird es viele Dinge geben, die du nicht verstehen wirst, aber wie vieles im Leben wird sich das Meiste am Ende zueinander fügen. «

Schließlich willigte er ein. » Wann beginnt die… «, noch bevor er die Frage zu Ende stellen konnte, fand er sich in einem Schloss wieder.

Marias Onkel erklärte ihm, » Denke daran, all dieses, ist bereits Geschehen. Es sind nur die verschiedenen Erinnerungen der gelebten Seelen. Wir haben keinen Einfluss mehr auf das was passiert. Wir sind nur Zuschauer. «

Und die Lebensgeschichten nahmen ihren Lauf.

Schwer atmend, klopfte die Zofe an die Tür zu den Gemächern der Königin und trat ein. Schnell ging sie auf die Königin zu. » Es ist so weit. Wir können die Kinder in Sicherheit bringen. «

Die Königin nickte traurig. Zwei Kinder, ein Junge von dreizehn Jahren und ein Mädchen, ein Jahr älter als der Junge, betraten den Raum. Unter Tränen sprach die Königin zu ihnen.

» Meine lieben Kinder, ihr wisst, das ich euch versprochen habe, euch vor euren Vater zu schützen. Heute ist der Tag gekommen… «, die Königin verlor ihre Stimme.

Der Junge begann zu schluchzen. Das Mädchen hingegen blieb teilnahmslos. Die Königin nahm ihre Kinder in die Arme. » Ihr werdet euer bisheriges Leben aufgeben und an dem Leben des gewöhnlichen Volkes teilnehmen. Von nun an seid ihr kein Prinz und keine Prinzessin mehr sondern einfache Müllers Kinder. Und zwar so lange, bis die Getreuen euch zurückholen. Habt ihr das verstanden? « Die letzten Worte waren nur noch ein flüstern. Während sie sprach, drückte sich der Junge weinend an seine Mutter. » Ich will nicht ohne dich gehen. «, brachte er mit erstickter Stimme hervor. Die Königin blickte ihn voller Liebe an. Nahm seinen Kopf in Ihre Hände und fuhr ihm durch seine Haare. » Doch du musst und du wirst! Auch mir fällt es nicht leicht euch gehen zu lassen, aber uns bleibt keine andere Wahl. « Eine weitere Zofe betrat das Zimmer und nickte der Königin zu. » Du musst jetzt mit den Zofen gehen. Sie werden dich neu einkleiden. « Schweren Herzens löste sich der Junge von seiner Mutter und ging mit den Zofen hinaus. Die Königin bewegte sich auf ihre Tochter zu. » Du weißt, was ich dir versprochen habe? « Sie blickte ihre Tochter fest in die Augen. Bei der sich nicht der Hauch eines Gefühles bereitmachte. Diese nickte kaum merkbar. » Er wird nie wieder Hand an dir legen. Hörst du? « Wieder nur ein nicken. Sie nahm ihre Tochter in den Arm ohne dass diese die Umarmung erwiderte. » Ich liebe dich, vergiss das nie! Euer Vater wird nach euch Suchen sobald er euer Verschwinden bemerkt. « Die Tochter zuckte zusammen. » Sie werden nach einen Jungen und einem Mädchen suchen. Daher werden wir dich als Jungen aus der Stadt bringen müssen. « Verständnislos blickte die Tochter ihre Mutter an. » Komm her und setz dich. Wir müssen deine Haare kürzen. Danach wirst du in Hosen gekleidet. Es ist zu deinem Wohle. «, schloss die Mutter ihre Ausführungen.

Ohne Widerworte setzte sich die Prinzessin. Die Königin selbst, nahm die Schere zur Hand um die schönen Haare ihre Tochter abzuschneiden. Kurz darauf kam schon die Zofe mit dem nun völlig veränderten Prinzen wieder. In der Zwischenzeit verließ die Prinzessin mit eine der zweiten Zofe den Raum. » Hat euch auch niemand gesehen? «, fragte die Königin besorgt.

» Niemand, meine Herrin. « Der Prinz war nicht wiederzuerkennen. Auch seine Haare waren kurz geschnitten und in den Kleidern eine Müllers hatte sich sein Erscheinungsbild komplett geändert. » Komm her, mein Sohn. « Sie breitete ihre Arme aus, in der sich ihr Sohn liebevoll begab.

Schließlich kam seine Schwester zurück. Nur bei genauem Hinsehen war der vermeintliche Junge als Mädchen zuerkennen. Aber man musste die Prinzessin schon sehr gut kennen um sie in den Jungen zu sehen, der nun vor ihnen stand. Beiden setzte die Königin eine alte Mütze auf und zog sie ihnen tief ins Gesicht. Tapfer lächelnd blickte sie ihre Kinder an und nahm sie ein letztes Mal in die Arme. » Ich liebe euch, vergesst das bitte nie. Ihr müsst jetzt stark sein und auf all das Hören, was euch die Zofe befiehlt. Genauso wie auf die Familie, die euch aufnehmen wird. Versprecht ihr mir das? « Beide Kinder nickten stumm. Ein letzter Kuss von der Mutter und die Kinder verließen mit den Zofen die Gemächer.

Unter Tränen nahm die Königin die Haare ihre Tochter zur Hand und band sie zu einem Zopf. Roch daran und sprach, » Hätte ich nur schon früher davon erfahren. Es tut mir so leid. So unendlich leid. « Sie weinte bitterlich. Sie weinte um ihre Kinder und dass sie ihre Kinder heute zum letzten Mal in die Arme nehmen konnte. Immerhin konnte sie sich noch von Ihnen verabschieden, was ihr viel bedeutete. Schließlich versteckte sie die Haare ihrer Tochter in einer Schatulle und löschte das Licht.

In die tiefe, der schwarzen Nacht verschwanden ihre Kinder ungesehen mit der Zofe.

Karl war noch immer tieftraurig als Anne ihm zur Eile bewog. Sie wollte so schnell wie möglich, dass ihr verhasste Schloss hinter sich lassen. » Ach halt doch den Mund, du dumme Gans, wenn wir wieder bei Mutter sind, werde ich ihr alles sagen. «

» Seid ihr wohl still. «, mahnte die Zofe. » Seid nicht so laut und hört auf zu streiten. « Um die angespannte Stimmung zu entschärfen sagte sie mit einem lächeln, » Deine Schwester hat Recht, wir haben keine Zeit zu verlieren und vergiss nicht, Anne ist für die nächsten zwei bis drei Tage Thomas und damit auch keine dumme Gans, verstanden? « Sie gab ihm einen liebevollen Klaps auf dem Po und ermahnte die Beiden sich zu vertragen.

» Was genau ist unser Ziel? «, fragte Anne.

» Das kann und werde ich euch nicht sagen, aber ihr werdet sicher sein. « Kalt lachte Anne auf. » Ha; das ist doch nicht euer Ernst, oder? « Ängstlich sah Karl zu seiner Schwester. » Als ob Vater nicht das ganze Land nach uns absuchen wird. Wir sind zu Fuß und er zu Pferd. Wie sicher können wir da sein? Er wird uns gleich wieder eingefangen haben. « Abrupt blieb die Zofe stehen und sah Anne an. » Wenn ihr eines glauben könnt, dann, das euer Vater ein für alle Mal die Macht über euch verloren hat.«, sagte sie mit Nachdruck. Noch bevor Anne etwas erwidern konnte, fing sie an zu begreifen. Erschüttert blieb sie stehen. » Das wird sie nicht tun. « Karl schaute verständnislos zwischen den beiden Frauen hin und her. » Wer wird was nicht tun? «, fragt er.

» Doch das wird sie. Sie hat es euch versprochen und nun eilt euch. Trotzdem müssen wir genug Raum zwischen euch und euren Vater bringen. Wir haben keine Zeit zu verlieren. «

» Kann mir einer sagen, was hier los ist? «, fragte Karl erneut.

» Schon gut. «, erwiderte Anne, » Du hast die Zofe doch gehört. Wir sollen uns beeilen. « und zum ersten Mal lächelte sie.

Zwei Tage und zwei Nächte marschierten sie unbehelligt und ließen das Schloss weit hinter sich. Gelegentlich rastend gingen sie ihrem Ziel entgegen. Beide Kinder waren so sehr erschöpft, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnten. Das Fuhrwerk bemerkten sie erst, als es fast neben ihnen zu stehen kam und schreckten auf.

Doch als sie das glückliche Gesicht der Zofe sahen, verfielen sie gleich wieder ihrer Müdigkeit. Der Mann nahm sie alle auf seinen Wagen mit und die Kinder fielen sofort in einen tiefen Schlaf. Auch die Zofe konnte sich nur schwer wach halten, doch sie war so froh, dass ihr Plan bisher so gut funktioniert hatte und sie nun glücklich mit ihren Bruder zu seiner Mühle fahren konnte. » Ich bin dir so dankbar, dass du Kinder aufnimmst. «, sagte sie leise.

» Das ist kein Problem. «

» Du riskierst viel, wenn sie bei dir entdeckt werden… «

» Mach dir keine Sorgen, das werden sie nicht. Wer wird dann schon glauben, dass sie sich noch im Königreich aufhalten? Jeder wird annehmen, dass sie sich zu einem der benachbarten Königreiche aufgemacht haben. Von daher hat die Königin viel Klugheit bewiesen. « Die Zofe lächelte und nickte. Trotz seiner Worte war der Müller sehr besorgt. » Wenn es nur so einfach wird. «, dachte er still bei sich. Er blickte auf die schlafenden Kinder.

» Sie wissen nicht, wo wir hinfahren, oder? «

» Nein. Auch nicht, dass du mein Bruder bist. So kann niemand Rückschlüsse ziehen und sie können nicht verraten, was sie nicht wissen. Ihnen wurde nur gesagt, das sie Müllers Kinder werden. «

» Das ist gut zu hören. «

Seine Schwester nickte zustimmend.

Währenddessen kam der König mit seinem Jagdgefolge zum Schloss zurück. Noch voller Euphorie von der erfolgreichen Jagd betrat er zusammen mit seinem Bruder und dem Gefolge das Schloss um sich an der gedeckten Tafel zu laben. Er verlangte nach seiner Frau und seinen Kindern. Die Königin schritt zum Saal. » Wo sind die Kinder? Wollen sie ihren König nicht begrüßen? «, fragte er wütend als nur seine Frau auf ihn zutrat.

» Sie sind noch mit dem Bediensteten zum Markt. Wir hatten euch erst morgen zurück erwartet. «, entgegnete die Königin und setzte sich zu ihren Mann. Grob zog er seine Frau zu sich und zischte, » Begrüßt man so seinen König? « Sie erwiderte nichts. Der König ließ unter hässlichem Lachen von ihr ab und verlangte nach mehr Wein. Kaum merklich nickte die Königin dem Diener zu, der den letzten Wein der Karaffe in den Kelch des König schüttete.

Dieser schluckte den Wein gierig hinunter und verlangte nach mehr. Die Königin atmete erleichtert auf.

Nach einiger Zeit wurde dem König schwindelig. Dieses nicht weiter beachtend leerte er einen Kelch nach dem anderen und die Stimmung wurde aggressiver. Als er sich von seinem Thron erhob, versuchte er schwer schwankend, die Tafel zu verlassen. Doch schon nach wenigen Schritten brach er zusammen. Lachend eilte ihm sein Bruder und einige aus dem Gefolge zur Hilfe. » Der König hat mal wieder zu viel von dem köstlichen Wein getrunken. «, merkte sein Bruder salopp an. Die Bedienstete schleppten den König in seine Gemächer und legten ihn unsanft auf das Bett. Halfen ihn aus seinen Kleidern und ließen ihn schlafend zurück. Niemanden fiel auf, dass die Atmung des Königs zunehmend schwächer wurde.

Gleich nachdem der König die Runde verlassen hatte, zog sich auch die Königin zurück. Eine ungewohnte Ruhe legte sich über die Königin. Sie betete, dass ihr Mann die Nacht nicht überleben würde.

Nach einigen Stunden auf dem Fuhrwerk erreichten Karl und Anne ihr Ziel. Unsicher blickten sie sich vor der Mühle um. Doch in der zunehmenden Dämmerung war, außer der Mühle, nicht mehr viel wahrzunehmen. Während der Müller seine Pferde auf die Koppel brachte, betraten Anne und Karl - zusammen mit der Zofe - das angrenzende Haus der Müllers.

Marie und Johannes warteten schon gespannt auf die Neuankömmlinge, mit denen sie, wohl möglich die nächsten Jahre Tisch und Bett teilen mussten. Sobald Anne eintrat, schaute Marie fragend zu ihrer Mutter, » Ich dachte es kommt ein Mädchen und ein Junge? Wo ist denn das Mädchen? « Verwirrt blickte sie wieder zu den beiden Neuen.

» Das erklären wir euch später. « Elisabeth ging auf die beiden Kinder zu um sie in Empfang zu nehmen. » Ihr seid sicher sehr müde und hungrig, kommt setzt euch zu uns an den Tisch und esst. «

Gerade als sie sich an den Tisch gesetzt hatten, wandte sie sich an ihre Kindern und befahl,

» Ihr Zwei geht jetzt zu Bett. «

» Aber,...«

» Kein aber, Abmarsch. «

Unter Protest zogen sich Marie und Johannes zurück. Auf ihrem Zimmer erklärte Johannes, seiner kleinen Schwester, dass der größere Junge, das Mädchen sei. Sie sah ihren Bruder mit großen Augen an und grinste dann verschmitzt, » Veräppeln kann ich mich auch alleine. «

Johannes lachte, » Nein wirklich, aber warum das so ist, kann ich dir auch nicht sagen. « Die beiden stellten die wildesten Spekulationen an um sie dann doch alle, unter Lachtränen, wieder zu verwerfen. Schließlich kamen sie auf Karl zu sprechen. » Der sieht nicht aus wie dreizehn, oder? «, meinte Johannes, der selbst nur ein Jahr älter war. » Ganz schön schmächtig, der kann die Mehlsäcke bestimmt nicht alleine tragen. «

» Kann nicht jeder so kräftig sein wie du. «, erwiderte Marie mit einem Knuff in die Oberarme ihres Bruders. » Na ja, so viel mehr hast du auch nicht...«

» Na warte,...«, liebevoll schnappte er sich seine Schwester und warf sie feixend durch die Luft.

Außer Atem schwang er seine Schwester ins Bett. » Wird Zeit zum schlafen. Morgen geht es wieder früh raus. «

Marie nickte zustimmend und gähnte. » Dann. Gute Nacht. Schlaf gut. «

» Du auch. Träum was schönes. «

Trotz der Aufregung schlief Marie rasch ein. Johannes schlich zur Treppe um zu schauen, was unten vor sich ging. Doch zu seiner Enttäuschung passierte nichts spannendes. Er beobachtete die beiden beim Essen, so dass er die besorgten Blicke der Erwachsenen nicht wahrnahm.

Als Elisabeth schließlich Anne und Karl zu einem Bad aufforderte mit anschließendem zu Bett gehen, machte er sich schleunigst vom Acker.

Anne durfte als Erstes in die Badewanne steigen oder sollte sie besser Wäschewanne sagen, vielmehr war es nicht. Doch in diesem Moment war es ihr egal. Hauptsache sie konnte sich richtig waschen. Sie beeilte sich um ins Bett zu kommen. Während Karl sich wusch, erklärte ihr Elisabeth, dass sie so früh noch nicht mit ihrer Ankunft gerechnet hatten und ihre Betten noch nicht fertig seien und sie sich daher für diese Nacht, dass Zimmer mit ihren Kinder teilen müsse.

Wäre Anne nicht so erschöpft gewesen, hätte sie lautstark protestiert, da aber die Müllers Kinder schon beide Betten belegten, blieb ihr nichts anderes übrig als sich das Bett mit Marie zu teilen. Eigentlich war sie froh darüber, dass es nicht ihr Bruder war, der neben ihr schlief. Sobald sie im Bett lag, fielen ihr die Augen zu. Kurz darauf folgte Karl ins Zimmer. Der musste sich seinem Platz neben den schlafenden Johannes erst noch erkämpfen, da dieser das ganze Bett für sich in Anspruch nahm. Schließlich rückte Johannes beiseite und Karl legte sich dazu und schlief kurze Zeit später ein.

Im Morgengrauen erwachte Johannes. Es blieb ihm nicht mehr viel Zeit bis die Arbeit rief. Wie gewohnt streckte er sich, dabei traf er Karl versehentlich am Rücken. Der stöhnte auf, schlief aber gleich weiter. » Mist. «, dachte Johannes, der hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass er nicht alleine mit seiner Schwester war. Er drehte sich zur Seite und erstarrte. Karls Hemd war hoch gerutscht und er sah, dass Karls Rücken grün und blau geschlagen war. Ohne Nachzudenken berührte er die Stellen auf den Rücken.

Auf einmal war Karl hellwach. » Lass das. «, sagte er schroff, schlug Johannes Hand beiseite, stand auf und steckte sein Hemd in die Hose.

» Was ist das? «, fragte Johannes.

 » Nichts.«, gab Karl schnippisch zurück. » Lass mich in Ruhe. «

Doch Johannes ließ nicht locker. » Was ist passiert? «

» Nichts, sagte ich bereits. « Johannes stand ebenfalls auf. Er stand Karl nun direkt gegenüber. Er war ein bisschen größer als Karl und blickte Karl fragend an. Der wich den Blicken aus. » Leg dich wieder hin. «, Johannes zeigte auf das Bett und verschwand. Die Mädchen bekamen von der kleinen Auseinandersetzung nichts mit.

Kurz darauf kam Elisabeth ins Kinderzimmer und sprach leise zu Karl um die Mädchen nicht zu wecken. » Ich werde nicht wieder gehen ehe du mir deinen Rücken gezeigt hast. « Schweren Herzens beugte er sich den Willen der Müllers Frau.

Nachdem sich Elisabeth die Wunden angesehen hatte, verließ sie das Zimmer um nach einer geeigneten Salbe zu sehen. Karl war froh, dass sie nur seinen Rücken begutachtet hat. Fast sein ganzer Körper trug die Male seines Vaters. Die Arme nutzte er um seinen Kopf zu schützen und dann war seine Vorderseite ungeschützt. Er versuchte sich zusammen zu rollen, doch das hielt seinen Vater nicht zurück. Elisabeth war wieder im Zimmer. Sanft trug sie die Salbe auf Karls Rücken auf. Ihm kamen die Tränen, aber nicht vor Schmerzen, sondern vor Trauer. Die Berührungen erinnerten ihn an seine Mutter. » Lege dich wieder schlafen. «, forderte Elisabeth ihn auf. Sie wachte so lange an seiner Seite bis er wieder eingeschlafen war.

Danach war es bereits Zeit sich für die Arbeit fertig zu machen. Ihr Mann war schon auf den Beinen. Sie ging zu ihm und Johannes in die Küche, wo sie gerade mitbekam, was ihr Mann Johannes erzählte, » … das ist einer der Gründe, warum die Kinder bei uns sind. Wir müssen sie vor ihren Vater schützen. Er ist nicht nur zu uns tyrannisch sondern auch zu seiner eigenen Familie und denkt daran, was wir euch gesagt haben. Kein Wort zu niemanden darüber. Anne und Karl sind die Kinder von entfernten Verwandten, die sich nicht mehr um sie sorgen können, verstanden? «

Johannes nickte. » Verstanden. « Er wusste wie wichtig es war, dass niemand davon erfuhr. Ihrer aller Leben stand auf dem Spiel. Er dachte an Karl. Er konnte nicht begreifen, wie ein Vater so etwas tun konnte. Karl tat ihm leid. Doch das nützte alles nichts, die Arbeit rief.

Elisabeth kümmerte sich um den Abwasch vom letzten Abend und bereitete das Frühstück für die Zofe und Marie vor.

Als am späten Morgen die Kunde vom plötzlichen Tod des Königs durch das Reich ging, schliefen Karl und Anne noch tief und fest.

Am Hofe war das Verschwinden der Königskinder nun nicht mehr zu verbergen. » Zum letzten Mal frage ich dich, wo sind die Kinder? « Voller Wut blickte Richard seine Schwägerin an. Doch die Königin schwieg eisern. Er gab den Befehl nach den Kindern zu suchen. » Dich bekomme ich noch zum Sprechen. «, sagte er zur Königin, schlug sie nieder und ließ verlauten sie in die Folterkammer zu führen. » Die Streckband hat noch jedem zum Sprechen gebracht. «, lachte er höhnisch.

» Warte. «, sagte die Königin leise, noch immer am Boden liegend.

» Na bitte, es geht doch. «, erwiderte Richard boshaft grinsend.

» Sie sind tot. « Die Königin schluchzte auf. Richard erstarrte.

» Sprich die Wahrheit, wo sind die Kinder? «

» Tot und mehr habe ich nicht zu sagen. « Daraufhin schwieg sie wieder.

» Werft sie in den Kerker. « Die Ritter zögerten, immerhin war sie ihre Königin. » Habt ihr sie nicht gehört, sie hat den Mord an ihren Kindern gestanden. Oder wollt ihr euch zu ihr gesellen? « Sofort ergriffen die Soldaten die Königin und führten sie ab.

Richard schenkte seiner Schwägerin keinen Glauben. Jeder wusste, dass ihre Kinder über allen standen. Doch dann wurde ihm bewusst, dass wenn sie doch die Wahrheit sprach, er der nächste Erbe der Krone war. Er lächelte. Wandte sich dem Thron zu und setzte sich wie selbstverständlich darauf. » Ja,das fühlt sich gut an. «, sagtet er zu sich selbst. Um den Schein zu wahren ließ er weiter nach den Kindern suchen, doch sie blieben am Hofe unauffindbar. Er machte sich nicht weiter die Mühe im Reich nach ihnen zu suchen, wenn sie Verschwunden blieben, konnte er die Königin auch die Morde an ihrer Kinder bezichtigen. Damit dürfte das gemeine Volk keine Probleme, mit ihm als Thronfolger, haben. Immerhin hatte sie die Tat vor Zeugen gestanden. Zumindest konnte er ihre Aussage, dass sie tot seien, so auslegen. Es war außer Frage, dass sie seinen Bruder auf den Gewissen hatte, das war allerdings kein zu großer Verlust. Doch das Volk würde erst richtig entsetzt sein, wenn sie erfuhren, dass sie auch ihre Kinder ermordet hatte.

Anne und Karl wurden von der Zofe geweckt. » Es wird Zeit. Ich muss mich wieder auf den Rückweg zu Hofe machen und wir haben noch einiges zu besprechen. Verschlafen nickten die Beiden. Nur langsam wurden sie wach. Als sie alle Informationen zu ihren Verbleib erhalten haben, holte die Zofe tief Luft und berichtete den Beiden vom Tod ihres Vaters. Erst waren die Kinder geschockt. Doch dann spürten sie nur noch Erleichterung. » Dann können wir ja wieder zu Mama zurück. «, stellte Karl freudig fest. Die Frauen blickten sich traurig an. Keine wollte den Anfang machen, als Anne ihnen die Entscheidung abnahm. » Du bist so ein Dummkopf. Schon als Mutter uns hierher geschickt hat, war klar, dass wir sie nicht wiedersehen werden. «

Fassungslos blickte Karl seine Schwester an. » Was redest du da? Das ist doch Unsinn. «

» Was glaubst du wohl, was Onkel Richard denkt, wenn Vater tot ist und wir nicht mehr da sind? «

Karl verstand noch immer nicht und zuckte nur mit den Schultern, » Was soll er schon denken? «

Anne antwortete mit nur einem Wort. » Hochverrat. «

Karl sprang geschockt auf. » NEIN, NEIN. Das kann nicht sein. Mama hat versprochen, dass sie uns abholen kommt. « Er klammerte sich an die Worte seiner Mutter. » Hat sie doch? « Hilfesuchend blickte er die Zofe an. Diese zog Karl zu sich auf die Bank um ihn zu beruhigen. Nahm ihn in den Arm, strich ihm vorsichtig über seinen Rücken und sagte sanft, » Nein, das hat die Königin nicht gesagt…«

» Doch das hat sie. «, unterbrach Karl sie quälend.

» Sie sagte, dass sie euch holen lässt, wenn ihr volljährig seid und das werdet ihr. Deine Schwester… «, ihr versagte die Stimme, bei den Gedanke daran, was ihrer Herrin noch bevorstand.

» … hat Recht. «, beendete Elisabeth schweren Herzens den Satz. Still schluchzend sank Karl in sich zusammen. Selbst Anne schossen Tränen in die Augen. Doch dann hörte sie die Stimme ihres Vaters, » Bedank dich bei deiner Mutter. Sie ist schuld, dass…« Augenblicklich spürte sie nichts mehr und blendete jegliche Erinnerung an ihre Eltern aus. Ohne ihre Eltern war sie besser dran. Sie atmete erleichtert auf. Sie war frei und nur das zählte.

Karl schrie auf, » Das lasse ich nicht zu! « und stürmte wütend nach draußen. Direkt in die Arme von Heinrich. » Ihr dürft das Haus doch nicht verlassen. « Dann sah er das verstörte Gesicht von Karl und begriff. Karl versuchte sich aus den Armen des Müllers zu befreien. Er schlug wie wild um sich. Doch gegen den starken Heinrich war er haushoch unterlegen. Der schnappte sich Karl kurzerhand und trug ihn, wild protestierend, ins Haus zurück. » Lass mich runter! Sofort! «, brüllte er wütend. Doch ehe er sich versah, saß er schon wieder am Küchentisch.

Nachdem sich die Zofe verabschiedet hatte, brachte Heinrich seine Schwester bis zum zweiten Dorf vor das Schloss zurück. So dass niemand am Hofe erfuhr, dass sie bei ihm gewesen war. In der Zwischenzeit kümmerte sich Johannes um die Mühle. Anne nahm alles teilnahmslos hin und blieb wie Karl die meiste Zeit in ihrem Zimmer, das sie sich mit Marie teilte.

Karl grübelte ununterbrochen darüber nach, wie er seiner Mutter helfen konnte und kam zu dem Entschluss, dass er erst mal wieder an den Hof muss um alles weitere zu planen. Zur Not würde er seinen Anspruch auf die Krone geltend machen, auch wenn das den Anordnungen seiner Mutter und die der Zofe widersprach. Er konnte nicht einfach nur hier bleiben und darauf warten, dass sie seine Mama umbrachten. Allein der Gedanke machte ihn immer betrübter und sobald Johannes schlief, lies er seinen Gefühlen freien Lauf und weinte sich still in den Schlaf. Nur um dann von seinen Träumen gebeutelt wieder aufzuschrecken und weiter darüber nachzudenken, wie er schnellstens wieder ins Schloss kommt.

Johannes legte sich unter einem Baum im Garten schlafen. Marie kam auf ihn zu und ließ sich neben ihm nieder. » Was schläfst du in letzter Zeit so viel? « Unter gähnen antworte er, » Schön wärs. Ich schlafe kaum noch. Karl wälzt sich die halbe Nacht lang hin und her und die andere Hälfte flennt er rum. Echt nervig! «

» Wieso tröstest du ihn nicht einfach? « Johannes blickte seine Schwester verdutzt an.

» Wieso denn ich? Anne ist seine Schwester, die kann sich doch um ihn kümmern. «

» Na hör mal, Bruder, es dürfte dir wohl nicht entgangen sein, dass sich die beiden total ignorieren. Außerdem teilt ihr euch ein Zimmer. Mich tröstest du auch immer, wenn es mir schlecht geht. «

» Das kannst du doch gar nicht vergleichen. Immerhin bist du meine Schwester. «

Sie überlegte kurz, » Na und? Karl gehört jetzt zur Familie. Also, wenn er das nächste Mal Kummer hat, dann tröste ihn einfach. «

» Bei dir piept's wohl und jetzt sei still. Ich will schlafen. « Marie verdrehte die Augen. Ließ ihren Bruder aber in Ruhe. Sie konnte sich gut vorstellen, das Johannes ohne seinen erholsamen Schlaf zu erschöpft für die Arbeit in der Mühle ist. Sie mussten ihren Vater nun mal so gut es ging unterstützen. Dafür ermöglichten ihnen ihre Eltern, dass sie die Schule besuchen konnten. Einige Kinder im Dorf gingen schon nicht mehr hin, weil sie voll arbeiten mussten um die Familie zu ernähren. Demnach hatten sie es wirklich gut.

An diesem Abend wartete Karl darauf, dass Johannes einschlief. Kurz darauf stand er auf, holte den Beutel mit Proviant unter dem Bett hervor, nahm seine Decke und schlich leise aus dem Zimmer. Da ihm das Haus noch nicht so vertraut war, schaffte er es nicht geräuschlos nach unten. Beim hinuntergehen der Treppe knarrten einige der Stufen. Jedes Mal blieb er stehen doch es alles blieb ruhig. Erst als er vor der Tür stand, wagte er es erleichtert aufzuatmen.

Zunächst besorgte er sich Sattel und Zaumzeug um dann in Richtung Koppel zu verschwinden. An der Koppel angekommen versuchte er die Pferde ausfindig zu machen, da es bewölkt war, dauerte es seine Zeit. Doch dann sah er sie ganz am anderen Ende der Koppel. Er nahm einen der Äpfel, die er sich eingepackt hatte um eines der beiden Pferde anzulocken. Langsam ging er auf die Beiden zu. Er war froh, dass die Stute sich für ihn interessierte und ihm entgegen kam. Das hatte er sich wesentlich schwieriger vorgestellt. Nur gut, dass er sich immer selbst um seine Pferde am Hofe gekümmert hat. Sie waren seine einzigen Freunde gewesen. Nachdem er gut auf Annabell eingeredet hatte, legte er ihr das Zaumzeug an und verließ mit ihr die Koppel. Als er einige hundert Meter gegangen war, wagte er sich auf das Pferd zu setzen und trabte langsam los. Er hoffte nur, dass er in die richtige Richtung ritt. Den letzten Teil ihrer Reise zu den Müllers hatte er schlafend verbracht, aber so schwer konnte es nicht sein, den richtigen Weg zu finden. Der Gedanke an seine Mutter ließ ihn an sein Unterfangen glauben.

Johannes wachte auf. Er hatte sich schon so an Karls unruhigen Schlaf gewöhnt, dass ihm die Ruhe wach werden ließ. » Das ist doch zum verrückt werden. «, dachte er, » Jetzt kann ich nicht schlafen, weil er ausnahmsweise mal nicht rumheult. « Er horchte auf und konnte rein gar nichts hören. Er drehte sich um, stand auf und ging zu Karls Bett. Leer. » Verdammt. « Er lief zu dem Schlafzimmer seiner Eltern und weckte seinen Vater. Zusammen machten sie sich auf die Suche. » Was denkt er sich eigentlich dabei? «, schimpfte Johannes.

» Vermutlich denkt er an seine Mutter. «, antwortete Heinrich verständnisvoll. Johannes verstummte.

» Es ist für uns alle schwierig in letzter Zeit. Es passiert ein bisschen viel auf einmal, so dass wir ein wenig nachsichtiger mit ihnen sein müssen. Die beiden wurden über Nacht aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen und dann soll auch noch ihre Mutter hingerichtet werden. Das ist nicht einfach zu verarbeiten. Stell dir vor, wie du reagieren würdest. «

» Ich weiß, entschuldige, aber es halt alles so ein durcheinander. « Sein Vater lächelte aufmunternd. Sie erreichten den kleinen Stall und beide stellten auf den ersten Blick fest, dass einer der Sattel fehlte. Sie liefen in Richtung Koppel. » Ich hoffe, wir kommen nicht zu spät. «, sagte Heinrich nach Luft holend.

Johannes rief nach Annabell und Mister. Doch nur Mister kam herangaloppiert. » Kannst du Annabell irgendwo sehen? «, fragte Heinrich

» Nein, nirgends. «

» Schnell renn zu deiner Mutter und sag ihr, sie soll mir Verpflegung für den Ritt in die Stadt fertigmachen. Ich werde Mister satteln und versuchen Karl einzuholen. «

Karl hatte vier Tage um rechtzeitig ins Schloss zu kommen. Zu Pferd müsste er schaffen. Er trieb Annabell bis zur Erschöpfung an. Er rastete nur um Annabell zu tränken und grasen zu lassen. Sich selbst gönnte er keine Ruhe. Er war viel zu aufgebracht.

Er machte erst Halt als er das Dorf vor den Schlossmauern erreichte. Da er mehrmals in die falsche Richtung geritten war, lief ihm die Zeit davon. Zum Glück hatte er daran gedacht, einige der Taler, die er von der Zofe erhalten hatte, mitzunehmen um ein Zimmer zu mieten.

Die Frau des Wirts fragte ihm, woher er das Geld und das Pferd hätte. Doch er konnte sich damit rausreden, das sein Vater jeden Moment nachkommen müsse. Die Wirtin nahm gerne das Geld des Knaben und beachtete ihn nicht weiter.

Nachdem sich Karl gestärkt hatte machte er sich zu Fuß Richtung Schlossmauern auf.

Durch den langen Ritt und seiner optischen Veränderung wurde er von niemanden erkannt. Seine Kleidung strotzte nur so vor Dreck und war an einigen Stellen verschlissen, so dass es keiner in Betracht zog, das dieser Junge der verschwundene Prinz hätte sein können.

Einige Stunden nach ihm kam tatsächlich Heinrich im Gasthaus an und fragte, wie schon in allen anderen Gasthäusern auf dem Weg, nach Karl.

Nachdem die Wirtin ihm bestätigte, dass er da gewesen sei und Heinrich sich Annabell angesehen hatte, folgte er Karl in Richtung Schloss und hoffte inständig, dass er nicht zu spät kam um Karl vor Dummheiten zu bewahren. Sein Leben und das seiner ganzen Familie lag nun in seinen Händen.

Sein Glück war es, dass das ganze Königreich auf den Beinen war. Jeder wollte der Hinrichtung der Königin beiwohnen. Gerade als er die Schlossbrücke betrat, sah er, wie einer der weißen Soldaten des Königs einen Jungen aus den Tor warf und wütend sagte, » Wag es noch einmal und jetzt mach dass du davon kommst. « Es war Karl.

So schnell ihm die Füße trugen lief Heinrich los. Doch Karl hatte sich sofort an den Ritter vorbei geschlichen und war schon wieder Richtung Marktplatz unterwegs. » Nur nicht aus den Augen verlieren. «, dachte Heinrich.

Gerade als er glaubte, dass er ihn verloren hatte, sah er, wie Karl versuchte auf eine der Statuen zu klettern auf der schon andere Schaulustige saßen. Heinrich konnte Karl abfangen als einer der Männer ihm wiederholt von der Statue schubste.

Noch bevor Karl begriff, was ihm widerfahren war, spürte er, wie sich Heinrichs starke Arme um ihn legten. Wild zappelnd schlug er um sich als er Heinrichs Stimme erkannte. » Komm jetzt ruhig mit, das ist viel zu gefährlich. «

Karl schüttelte mit dem Kopf. » Niemals. «

Heinrich ging in die Knie und nahm Karls Kopf in seine Hände und blickte ihn lange an, » Wir können nichts unternehmen. Sobald du dich zu erkennen gibst, werden sie dich töten. «

» Das ist mir egal. «, sagte Karl todernst.

» Mir aber nicht. «, erwiderte Heinrich.

» Auch wenn es jetzt hart klingt, aber sieh dich um. Das Volk ist angestachelt, sie sind hergekommen um einer Hinrichtung beizuwohnen. Egal, was du versuchen wirst, du wirst es nur noch schlimmer machen. «

» Das ist nicht wahr. «

Heinrich holte tief Luft, » Dann bedenke, was es für deine Mutter bedeutet. Sie hat das alles auf sich genommen, damit ihr in Sicherheit aufwachsen könnt, wenn sie dich jetzt sieht, weiß sie, das alles umsonst gewesen war und das möchtest du doch nicht, oder? Sie hat sich mit ihren Tod abgefunden. Sie konnte sich von euch verabschieden und wollte immer nur das es euch gut geht und das möchtest du ihr in den letzten Stunden ihres Lebens doch nicht nehmen, oder? «

Karl ließ die Worte auf sich wirken. Er weinte schmerzvoll an Heinrichs Schulter und flüstere leise,

» Bitte, lass mich Mutter noch einmal sehen. Bitte. «

Heinrich nickte nach einiger Zeit. Trotzdem hielt er Karl fest, so dass er nicht wieder abhauen konnte.

Wenn man die beiden sah, dachte man, dass es Vater und Sohn seien, die der Hinrichtung beiwohnten. Niemand bemerkte Karls inneren Kampf und tiefe Traurigkeit.

Nach einiger Zeit wurde die Königin im Gefangenenwagen durch die Menge gefahren.

Karl konnte nichts sehen und so nahm ihn Heinrich auf seinem starken Arm. Karl blieb gefasst und ruhig. Sie standen viel zu weit weg, als seine Mutter ihn in der Menge, hätte erkennen können.

In dem Moment wo König Richard, die Tat zur Vollstreckung frei gab, nahm Heinrich Karl aus seinem Arm und drückte ihm mit seinem Gesicht zu sich.

Er fühlte wie sein Hemd nass, von Karls Tränen, wurde.

Erst wehrte sich Karl gegen Heinrich, der verhinderte, dass er seine Mutter sah. Doch als er das schwache Einsetzen und dann den Jubel des Volkes hörte, wusste er, dass dem Volk, der Kopf seiner Mutter präsentiert wurde. Ihm wurde schwarz vor Augen. Heinrichs starke Armen fingen ihn auf.

Das nächste an was er sich erinnern konnte war, wie Heinrich ihm zum Gasthaus trug.

Am Abend und die ganze Nacht wachte Heinrich über Karl. Nur um sicher zu gehen, dass er alles verkraftet hatte und nicht wieder weglief. Doch Karls Widerstand war gebrochen, wo sollte er schon hin? Er hatte nun niemanden mehr. Er war allein.

Früh am nächsten Morgen machten sie sich auf den Weg in Richtung Mühle.

Karl brachte während des ganzen Heimweges kein einziges Wort hervor.

Sicher kamen sie zu Hause an. Besorgt kam Elisabeth ihnen schon entgegen. Auch die tröstenden Worte Elisabeths brachten Karl nicht zum Reden.

Unter den besorgten Blicken der Müllers ging er gleich auf sein Zimmer und legte sich, zur Wand gedreht, in sein Bett. Immer wieder hatte er das Bild seiner Mutter vor Augen. Wie sie vor der Guillotine stand. Er hatte sie kaum wiedererkannt. Sie war bis auf die Knochen abgemagert und ihr Gesicht war zugeschwollen. Trotzdem stand sie aufrecht und voller Stolz vor ihrem Volk. Dann hörte er wie das Volk jubelte und wieder sah er seine Mutter vor der Guillotine stehen. In endlos Schleife liefen die Ereignisse in seinem Kopf ab.

Am Abend betrat Johannes vorsichtig das Zimmer. Blickte zu Karl, der unverändert auf seinem Bett lag. Johannes legte sich wortlos in sein Bett. In Karls Kopf war er wieder an der Stelle wo er, das das vereinzelte Entsetzen aus der Menge hörte, als der Henker den Kopf der Königin hochhielt. Doch der Jubel, des Großteils, des Volkes übertönte alles. Das war das Letzte woran er sich erinnern konnte. Mittlerweile war er Heinrich sehr dankbar dafür, dass er ihm daran gehindert hatte hinzusehen.

Die Tränen kamen schließlich von ganz alleine. Johannes wachte, durch das unterdrückte schluchzen von Karl, auf. Diesmal überlegte er nicht lange und ging zu Karl.

» Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken. «, stammelte er leise vor sich hin.

» Kein Problem. Soll ich heute Nacht bei dir schlafen? «, frage Johannes. » Wenn Marie Kummer hat machen wir das auch so. « Karl reagierte nicht. Schließlich legte sich Johannes neben ihm, nahm ihn in den Arm und sagte, » Ist schon gut. « Weinend drehte sich Karl zu Johannes und erwiderte, » Nichts ist gut. « und ließ seinen Tränen freien Lauf. Johannes dachte an Maries Worte und gab Karl kurzerhand einen Gute Nacht Kuss auf die Stirn und sagte abermals, » Ist schon gut. « Die halbe Nacht hielt er Karl in seinen Armen und versuchte ihn zu beruhigen. Erst in den frühen Morgenstunden schlief Karl erschöpft ein, so dass auch Johannes ein wenig Ruhe fand.

Elisabeth ließ ihre Männer schlafen. Dann wurde das Korn eben später gemahlen. Die Mädchen waren schon mit dem Frühstück fertig, als Heinrich übermüdet in die Küche schlurfte. Nachdem er den ersten Schluck Kaffee genommen hatte, erkundigte er sich nach Johannes. Marie wollte schon aufspringen um ihren Bruder zu wecken, als Elisabeth sie aufhielt. » Nichts da junge Dame! Du gehst die Hühner füttern und die Eier einsammeln. Ich sehe nach den Jungs. « Der Ton ihrer Mutter ließ keine Widerworte zu und so machte sie sich widerwillig an die Arbeit. Nur zu gerne hätte sie ihren Bruder die Bettdecke weggezogen und geweckt. Elisabeth öffnete leise, die Tür zum Schlafzimmer der Jungen und blieb kurz in der Tür stehen um sie dann genauso leise wieder zu schließen. Zu ihren Mann sagte sie nur, » Da es Karl nicht gut geht, war es für Johannes bestimmt auch eine kurze Nacht. Lassen wir ihn heute länger schlafen. « Heinrich nickte nur schwach. Er selbst hatte kaum Schlaf gefunden, da er nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Auch Elisabeth war besorgt, versuchte sich aber, vor Anne, nichts anmerken zulassen. Anne machte ihr ebenso Kopfzerbrechen. Sie gab nicht den Hauch einer Gefühlsregung von sich. Es ließ sie einfach kalt, was mit ihrer Mutter geschehen war. Zwar wusste Elisabeth, dass auch sie unter ihren Vater leiden musste, doch was genau vorgefallen war, hatte ihr die Zofe nicht mitgeteilt. Sie meinte nur, dass sie es genauso schwer wie Karl hatte, wenn nicht schwerer.

Erst nach drei Tagen verließ Karl das Bett. Die unbeschwerte Marie nahm sich ihn seiner an und triezte ihn so lange bis er sich endlich dazu überreden ließ, das Zimmer zu verlassen. Doch ein weiteres Problem gesellte sich zu den anderen. Anne und Karl durften das Haus nach wie vor nicht verlassen. Karl der sich nicht ablenken konnte wurde immer betrübter. Auch in den darauffolgenden Nächten schlief Johannes bei Karl, der, so schien es, dadurch besser zur Ruhe fand.

Nach dem Tod der Königin blieben die befürchteten Maßnahmen des neuen Königs aus. Nach elf Wochen durften Karl und Anne das Haus schließlich verlassen, so dass sie voll und ganz in der Mühle und auf dem Hof mitarbeiten konnten. Anne blieb weiterhin nur für sich. Zunächst wurde Karl noch mit Samthandschuhen angepackt, doch schließlich fand Johannes, dass es Zeit war, das Karl härtere arbeiten übernehmen konnte. Auch Heinrich übergab ihm nach und nach mehr Aufgaben.

Dadurch lebte Karl sich mehr und mehr in das Familienleben der Müllers ein. Er verstand sich mit allen gut und die harte Arbeit lenkte ihn ab. Die Wochen vergingen und durch die tägliche, körperliche Arbeit, nahm Karl an Kraft zu. Außerdem machte er einen guten Schuss in die Höhe, dass er nun fast so groß wie Johannes war. Alles ging seinen gewohnten Gang. Unter der Woche wurde gearbeitet und sonntags ging es zum Gottesdienst. Danach wurden die Tiere versorgt und der Tag stand ihnen oft zur freien Verfügung. Meist wurden die Nachbarn besucht. An den Besuchen nahmen die Kinder aber nicht immer teil. Nach dem ersten Gottesdienst, den Karl und Anne besuchten, was das Gerede über die beiden Neuen im Dorf groß. Vor allem wollten die Mädchen wissen, warum Anne ihre Haare so kurz geschnitten trug. Sie gab nur immer kurz und knapp, » Kopfläuse «, an. Damit hielt sie sich die Kinder vom Leib, die dann schnell das Weite suchten. Doch nach einiger Zeit ebbte das Gerede ab und niemand sprach mehr über die Beiden, als die Neuen. So gingen die Wochen ins Land und gegen Ende des Herbstes fing die Schule wieder an.

Seitdem Anne und Karl bei den Müllers waren, konnte Anne so gut es eben ging die Erinnerungen an ihren Vater verdrängen. Doch hin und wieder ging es nicht und ihre Gefühle mussten raus. Heute war wieder einer dieser Tage. Anne hatte das Gesicht ihres Vaters vor Augen, wie er sich zu ihr niederbeugte. Sie versuchte das Bild zu verdrängen. Schaffte es aber nicht. Sie fühlte eine Aggression in sich aufsteigen und suchte nach einem Ventil. Da erblickte sie Karl, der allein in Richtung Scheune ging. Sie folgte ihm. Grob schubste sie Karl gegen die Wand der Scheune und grinste, als Karl sich vor Schmerzen, die Schulter hielt. Anne wartete bis Karl wieder aufstand und schubste ihn abermals gegen die Wand. Mit seinem Arm streifte er einen raus stehenden Nagel, so dass er zu bluten anfing. Unter Schmerzen blieb er diesmal an der Wand gelehnt stehen. Er wusste, dass Anne sonst keine Ruhe geben würde. Anne blickte ihn nur verachtend an, drehte sich um und ging. So als ob nichts gewesen wäre. Auch wenn sie sich es nicht eingestand, aber sie hasste sich dafür, dass sie ihren Bruder leiden ließ. Nichtsdestotrotz fühlte sie sich danach erleichtert und hatte sich damit erfolgreich gegen die Erinnerung ihres Vaters gewehrt.

Karl blieb noch einige Minuten in der Scheune, setzte sich schlaff gegen die Wand und presste seine Hand auf den verletzten Arm. Unbemerkt schlich er sich ins Haus um sich das Blut abzuwaschen und sich den Arm zu verbinden. Schließlich hörte die Blutung auf und er machte sich mit pochender Wunde und neuem Hemd wieder an die Arbeit.

Erst beim Abendessen bemerkte Johannes, das Karl angespannt war, dachte sich aber nichts weiter dabei. Karl hatte öfters solche Tage.

Des Nachts legte sich Johannes wie selbstverständlich zu dem unruhigen Karl. Als er seinen Arm im Halbschlaf um Karl legte, fühlte er eine befremdliche Nässe an Karls Hemd. » Was ist das? «, fragte er geradeaus und legte seine Hand genau aufs Karl Wunde. Dieser zuckte merklich zusammen. » Es ist nichts. «

Johannes stand auf und zündete die Petroleumlampe an. In der Zwischenzeit versuchte Karl seinen Oberarm so gut es ging vor Johannes prüfenden Blick zu verstecken. Was ihm leider nicht gelang. » Es ist alles in Ordnung. «, sagte er matt.

» Nichts ist in Ordnung. Du blutest! «

» Ist nicht so schlimm. Das hört gleich wieder auf. «

» Gut, lassen wir das Mama entscheiden. «

» Ich bin heute in der Scheune gefallen und habe mich dabei am Arm verletzt. Ist alles nur halb so schlimm wie es aussieht. «

» Wenn es nur halb so schlimm ist, kann Mama sich das ja angucken. « und damit war er schon verschwunden.

Karl seufzte, ständig machte er den Müllers Umstände. Bevor er den Gedanken überhaupt zu Ende bringen konnte, stand Elisabeth im Zimmer. Karl wiederholte seine Geschichte von dem Sturz. Zum Glück schenkte ihm Elisabeth Glauben und ging mit ihm zum Waschraum, wo sie die Wunde erneut säuberte und desinfizierte. » Warum bist du nicht gleich damit zu mir gekommen? Wir können nur hoffen, dass sich die Wunde nicht entzündet. Es mag zwar nur ein Kratzer sein, aber ich vermute, der Nagel war rostig, richtig? «

Karl nickte.

» Also, ich höre. «

» Ich will nicht, dass ihr euch ständig um mich sorgt. «, sagte Karl.

» Ach so ein Blödsinn. Du und deine Schwester gehören jetzt zur Familie und da kümmern wir uns umeinander, verstanden? « und strich ihm dabei durchs Haar. Karl nickte lächelnd über die schönen Worte. » Und das nächste Mal kommst du gleich zu mir, verstanden? «, mahnte Elisabeth.

» Verstanden! «

» Dann ist gut und ab ins Bett. « Das brauchte sie Karl nicht zweimal sagen.

Johannes war wach als Karl zurück ins Zimmer kam. Er hatte wieder Karls Rücken vor Augen. Der war noch immer nicht ganz verheilt und durch den Sturz hatte er neue, blaue Flecken an der Schulter bekommen.

» Sag mal, kommst du eigentlich nie mit zum schwimmen, damit wir deine Narben nicht sehen? «, fragte er Karl wie aus dem Nichts.

» Das hat damit nichts zu tun. «

» Ach so, ich dachte, ob das der Grund ist. «

Karl gab sich einen Ruck und sagte, » Na ja, ich kann nicht schwimmen. «

» Was? Du kannst nicht schwimmen? «, fragte Johannes ungläubig.

» Nein, kann ich nicht. «, gab Karl kleinlaut zu.

» Bei uns am Hofe haben wir gar nicht die Möglichkeit gehabt schwimmen zu gehen. Bis diesen Sommer habe ich nicht mal im entferntesten daran gedacht überhaupt schwimmen zu gehen. «

» Was habt ihr denn sonst so gemacht? «

» Wir hatten Unterricht im Reiten, Sprachen, Geografie und so weiter und ich musste täglich zum Fechtunterricht. «

» Wie, du kannst fechten? Kannst du dich richtig duellieren? « Johannes war Feuer und Flamme.

» Ja, so richtig, weiß ich auch nicht. Eigentlich habe ich das nur lernen müssen, weil mein Vater das wollte. Mich hat es nicht interessiert. Das war dann mit Theoriestunden verbunden also Kriegskunde. «

» Kannst du mir was beibringen? «, fragte Johannes, » Also keine Theorie aber wie man mit dem Schwert umgeht? «

» Ich weiß nicht, außerdem haben wir doch gar keine Schwerter, oder? «

» Da lasse ich mir schon was einfallen. «, meinte Johannes.

Karl war nicht besonders begeistert, » Ich überlege es mir. «

» Na schön. Wenn du Lust hast, kann ich dir nächstes Jahr das schwimmen beibringen. Jetzt wird es schon zu kühl. «

» Das wäre toll. «, murmelte Karl und schlief sorglos ein. Denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass alles gut werden würde.

Weitere Wochen vergingen ohne das Johannes nochmal auf das Thema kämpfen zurück kam. Es gab einfach noch zu viel zu tun, denn der Winter nahte.

Karl wurde zunehmend trauriger je näher das Weihnachtsfest rückte. Es war sein erstes Weihnachten ohne seine Mutter und ihm wurde schwer ums Herz. Er versuchte sich nichts anmerken zulassen. Doch in den Nächten wurde er wieder unruhig. Im Schlaf wälzte er sich hin und her, so dass er Johannes den Schlaf raubte. Dieser schlief daraufhin wieder bei Karl. Durch seine Anwesenheit schien es, als ob er Karl, beruhigen konnte. So fand zumindest Johannes seinen Schlaf .

Anne blieb weiterhin unterkühlt und auf Abstand. Selbst in der Schule war sie die Unnahbare und die Kinder machten einen großen Bogen um sie. Sehr zu Annes Zufriedenheit. Sie zählte schon die Tage, bis sie endlich achtzehn werden würde und von hier verschwinden konnte.

Mittlerweile waren es nur noch drei Jahre. Schon unter der Herrschaft des alten Königs bildete sich der Widerstand der Schwarzen Ritter im Untergrund. Das war auch das einzig Gute, was ihre Mutter vollbracht hatte, dachte sie. Sie bangte darum, dass ihre Hoffnung nicht enttäuscht wurde und die Ritter wirklich dazu in der Lage waren, König Richard zu stürzen, der seinen Vorgänger in Nichts nachstand. Damit wäre er der Letzte seiner Reihe und sie würde endlich frei sein. Bisher hatte König Richard, trotz zahlreicher Affären, noch keinen Thronfolger gezeugt. » Hoffentlich wird er das auch nicht. «, murmelte sie.

Karl hingegen wurde gerne gemocht, obwohl er sich im Hintergrund hielt. Die Schule machten den beiden Geschwistern keine Schwierigkeiten, da sie mit ihrem Lernstoff schon sehr viel weiter waren als die Kinder im Dorf. Sie ließen sich aber nichts anmerken, denn das würde nur auffallen. Inzwischen sprach schon niemand mehr von den Kindern der Königin. Zunächst waren alle verwundert, dass die Leichen nicht gefunden wurden. Bis man sich schließlich damit zufrieden gab, dass sich das Rätsel um die verschwunden Kinder nicht lösen ließ, da die Königin nichts mehr dazu sagen konnte. Hier und da wurde noch hinter vorgehaltener Hand getuschelt, aber da sich nie etwas konkretes ergab, gerieten die Kinder schnell in Vergessenheit. Und wurde gelegentlich doch eine Stimme laut, das die Kinder eventuell noch am Leben seien, hatte König Richard seine Methoden diese zum schweigen zu bringen. Die Tage und Wochen gingen ins Jahr als schließlich Weihnachten vor der Tür stand.

Das Weihnachtsfest bei den Müllers war eine ganz neue Erfahrung für die Beiden. Im Schloss wurde Weihnachten immer sehr groß gefeiert. Mit einem riesigen Tannenbaum und reichlich Geschenken. Bei den Müllers gab es eine kleine Tanne, die liebevoll geschmückt wurde und nur eine Handvoll Geschenke für alle zusammen. In den letzten Tagen hatten die Frauen viel gebastelt um das Haus und den Baum zu verschönern.

Nach der Christmette wurde das Festmahl gehalten. Marie war ganz nervös und blickte wieder und wieder zu dem Weihnachtsbaum unter denen schon die wenigen Geschenke bereit lagen. Das Christkindchen war wohl während der Christmette schon gekommen und hat die Geschenke abgelegt. » Du hast das Christkindchen wirklich nicht gesehen, Mutter? « ,fragte Marie erneut. Heinrich schmunzelte.

» Nein, wirklich nicht. Ich war so darin vertieft das Essen vorzubereiten als ich plötzlich ein Glöckchen klingeln hörte und als ich mich umdrehte lagen da die Geschenke. «

» Du konntest wirklich gar nichts sehen auch nicht als du das Glöckchen gehört hast? «, ließ Marie nicht locker.

» Leider nicht, es ging alles so schnell. Das einzige, was ich sehen konnte, als ich mich umdrehte, war eine Art goldener Glanz der in der Luft hing, so wie... «, Elisabeth überlegte kurz, »... wie der Schweif einer Sternschnuppe. So in etwa. Es ist schwer zu beschreiben. «

Marie war ganz ergriffen. » Nächstes Jahr bleibe ich hier und lege mich auf die Lauer. «

» Oder auch nicht. «, warf Heinrich ein, » Du kannst doch nicht die Messe schwänzen, wo wir die Geburt des Christkindes feiern, dann ist es sicherlich ganz traurig. «

Marie dachte kurz nach, und seufzte. » Da hast du auch wieder Recht, Papa. Aber ich überlege mir was. «

» Ganz bestimmt. «, meinte Elisabeth.

» Daran besteht kein Zweifel. «, stimmte auch Johannes zu.

» Aber jetzt ist Zeit für die Bescherung! «

Das brauchte Elisabeth nicht nochmal sagen. Marie stürmte zu den Geschenken. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Dennoch vermisste Karl seine Mutter wie schon lange nicht mehr. Aber den Müllers zuliebe ließ er sich nichts anmerken. Schließlich ging die Familie geschlossen zu Bett. Johannes, der schon die ganze Woche bei Karl geschlafen hatte, legte sich gleich zu ihm. Wohl ahnend was der Tag für Karl bedeuten musste. Er schlief gleich ein. Doch Karl fand keine Ruhe. Er weinte nicht. Sein Herz aber fühlte sich wie ein einzelner, riesiger Stein an. Er legte Johannes Arm beiseite und stand geräuschlos auf. Leise verließ er das Zimmer und ging still die Treppe hinunter. Nach einiger Zeit bemerkte Johannes Karls Abwesenheit. Schnell kam er zu den Entschluss, das Karl vermutlich alleine sein wollte. Er ging rüber in sein Bett und schlief gleich wieder ein. In der noch aufgewärmten Küche setzte sich Karl auf das Fensterbrett um sich die verschneite Landschaft anzusehen und erinnerte sich an die unbeschwerte Zeit seiner frühen Kindheit. Wo er und Anne sich noch verstanden haben. Zusammen mit seiner Mutter einen Schneemann gebaut haben und sich wilde Schneeballschlachten geliefert haben. Als die Gedanken zu seinen Vater abschweiften und wie er das erste Mal den Reimen auf seinen Rücken spürte bevor es schon fast zu Normalität für ihn wurde, zwang er sich wieder an die guten Zeiten zu erinnern und ganz besonders an seine Mama.

» Ich vermisse dich so sehr. «, sprach er leise in die Nacht und ging nach einiger Zeit wieder zurück in sein Zimmer.

Während des Winters gab es nicht viel zu tun. Anne und Karl konnten sich endlich für die ganze Hilfe revanchieren und halfen Marie und Johannes bei den Schulaufgaben. Johannes freute sich, das für ihn das letzte Schuljahr bevorstand. Marie brachte Anne das ausbessern der Kleidung bei und Elisabeth zeigte ihr, wie sie Kleidungsstücke selber nähen konnte. Die Jungs halfen Heinrich bei der verbleibenden Arbeit und erledigten, kleinere Reparaturen, die über den Sommer und Herbst liegengeblieben waren. Anfang des neuen Jahres feierte Johannes seinen fünfzehnten Geburtstag. Karl sein vierzehnter Geburtstag wurde im ganzen Trubel um die Flucht der Geschwister ganz vergessen. Er hatte nicht einmal selbst daran gedacht.

» Das ist so ätzend, das ich im Winter Geburtstag habe. «, merkte johannes an.

» Wieso denn das? «, fragte Karl.

» An unserem Geburtstag brauchen wir nichts helfen und haben den ganzen Tag frei und im Winter ist eh nicht viel zu tun. Ich hätte lieber im Sommer Geburtstag. «

» Man kann eben nicht alles haben.«, konterte Karl und grinste frech dabei.

» Was gesagt, Kleiner? « und die Beiden lieferten sich ein freundschaftliches Gerangel. Beim sonstigen Kräfte messen war immer Johannes als Gewinner hervorgetreten, doch diesmal konnte Karl von Anfang an mithalten. Die harte Arbeit zahlte sich aus. Lachend und erschöpft lagen beide auf dem Boden. » Nicht schlecht, du hättest mich fast geschlagen. «, gestand Johannes ein.

» Dann zieh dich für die Revanche mal warm an. «

» Ich sagte fast. Werde mal nicht überheblich. «

Das ließ Karl nicht auf sich sitzen und schon hatte er den überraschten Johannes in der Mangel. Der wehrte sich mit Händen und Füßen. Schließlich waren beide so verknotet, dass sie sich auf ein unentschieden einigten. Karl stand auf und reichte Johannes, die Hand um ihn beim aufstehen zu helfen. Der strich ihm durchs Haar und sagte, » Wirklich nicht schlecht, wenn uns Dirk und seine Kumpels, das nächste mal wieder doof kommen, dann weiß ich jetzt, dass du sie in die Schranken weisen kannst. «

Karl runzelte die Stirn. » Wie wäre es, wenn du dich von Dirk nicht immer provozieren lässt?. «

» Ach, der kann mich mal. Der meinst doch immer, wer er ist. Einer muss ihn ja Paroli bieten. «

» Das musst ausgerechnet du sein? «

» Außer mir und Ben macht’s ja keiner. «

Karl zuckte nur mit den Schultern. Bisher konnte er Dirk immer gut aus dem Weg gehen.

» Du solltest mir dankbar sein, dass wir uns um ihn kümmern. «

» Wieso? «, fragte Karl verblüfft.

» Na, weil seine süße Sabine ein Auge auf dich geworfen hat. « Er grinste.

Karl verdrehte nur die Augen. » So ein Quatsch. «

» Kein Quatsch. «

» Ach und woher willst du das wissen? «

» Wenn du mich nicht verpfeifst, sag ich es dir. «

» Ich höre. «

» Von Lisa und die muss es ja wissen. Die beiden sind beste Freundinnen. «

» Selbst wenn, Sabine interessiert mich nicht. «

» Und was ist mit Lisa? «

» Auch nicht, wie kommst du denn jetzt darauf? «

Johannes atmete erleichtert auf. » Das wollte ich hören. Ich möchte Lisa fragen, ob sie mit mir zum Frühjahrsfest geht. «

Karl spürte einen Stich in seinen Herzen. Ließ sich aber nichts anmerken. » Ich wusste gar nicht, dass du... « Dann unterbrach ihn Johannes auch schon, » Meinst du sie geht mit mir hin? «

Karl nickte. » Natürlich. Warum sollte sie nicht wollen? «

» Keine Ahnung, also meinst du, ich kann sie fragen? «

» Ja, natürlich. «

» Danke! « Johannes gab Karl einen Klaps gegen seinen Oberarm. » He, lass uns versprechen, dass wir uns nie wegen einem Mädchen streiten! « und hielt Karl seine Hand hin.

Nach kurzem zögern ergriff er diese und sagte » Versprochen! «

» Dann bin ich mal weg. «

» Wo willst du denn hin? Magtha und Bruno kommen doch gleich? «

» Na, zu Lisa.«

Damit war er frohen Mutes verschwunden und ein trauriger Karl blieb zurück.

In den nächsten Wochen war Johannes häufig bei Lisa. Karl hielt sich alleine in der Mühle und wie zu alten Zeiten am Hofe viel bei den Pferden auf.

Als endlich der Frühling eintrat, waren alle glücklich. Doch die Freude hielt nicht lange an. König Richard ließ verlauten, dass die Abgaben mit der neuen Ernte erhöht werden. Das Volk stöhnte auf. Doch der König ließ sich nicht belehren und seine weißen Ritter wurden damit beauftragt die Abgaben ohne Rücksicht auf Verluste einzutreiben.

Die Müllers bestellten ihr eigenes Feld und einen großen Gemüsegarten direkt hinter dem Haus. Da sie nun vier weiter Hände zur Hilfe hatten, wurde nach getaner Arbeit noch auf den umliegenden Höfen geholfen. Was auch für Johannes von Vorteil war, so konnte er ab und an Lisa besuchen gehen. Seitdem er sie zum Frühjahrsfest eingeladen hatte, waren die beiden ein Paar. Doch Johannes musste sich hin und wieder eingestehen, dass ihm die gemeinsame Zeit mit Karl fehlte. Früher hatten sie alles zusammen unternommen. Seit er mit Lisa zusammen war, kam es ihn so vor, als ob etwas zwischen ihnen stand. Doch den Gedanken schob er beiseite, denn die Vorfreude auf das nahende Frühjahrsfest überwog. Schließlich war es so weit. Auf dem Marktplatz wurde eine kleine Bühne errichtet auf der die Musikanten spielten. Jeder brachte das mit, was er an Essen und Trinken aufbringen konnte. Der Pfarrer eröffnete das Fest mit einem Gebet und Segensspruch und die Musiker begannen zu spielen. Es wurde viel getanzt und gelacht. Selbst Heinrich schwang mit Elisabeth das Tanzbein. Marie tanzte wie jedes Jahr mit ihrer besten Freundin Isabell.

Anne saß abseits der Menge und erblickte ihren Bruder, der allein unter einem Baum saß. Er blickte traurig und ganz in Gedanken zu den tanzenden Paaren. Als sie ihm eine Zeitlang beobachtet hatte, bemerkte sie, dass er scheinbar Johannes mit Lisa nicht aus den Augen ließ. Hin und wieder blickte er seufzend beiseite.

Sie grinste und ging seitlich auf Karl zu. Karl bemerkte wie sich Anne ihm näherte und war verwundert. Ihm überkam eine böse Vorahnung. Anne setzte sich zu ihm. Marie, die sich gerade was zu essen holen wollte, fragte Isabell, » Hast du eigentlich Karl und Anne irgendwo gesehen? «

Sie nickte und zeigte auf den Platz, wo Anne eben noch saß. » Also, vorhin saß Anne noch da und... « sie drehte sich und zeigte zu den Bäumen, » Karl sitzt unter der Linde. Ach, da ist auch Anne. «

Marie blickte kurz zu den Geschwistern. Das war ein seltenes Bild der Beiden und ihr überkam ein ungutes Gefühl.

» Ich versuche Karl mal zu einem Tänzchen zu bewegen. «

» Mach das. Ich brauche eh eine Pause. «

Unterdessen machte Anne kein Hehl daraus, dass sie Karl beobachtet hatte. » Kann es sein, dass du eifersüchtig bist? «

Karl blickte seine Schwester verständnislos an.

» Na, du beobachtest doch die ganze Zeit Johannes mit seiner tollen Lisa. « Sie beugte sich näher zu ihm. » Bist wohl selbst hinter Lisa her? «

Karl zuckte zusammen. » So ein Blödsinn... «

Anne lachte boshaft, » Mehr wollte ich gar nicht wissen. Was wohl der gute Johannes dazu sagt, wenn er erfährt, das sein bester Freund ein Auge auf seine Freundin geworfen hat?! «

» Das stimmt doch gar nicht! «, verteidigte sich Karl.

Anne stand auf. » Wir werden sehen. «

Karl sprang auf und lief seiner Schwester hinterher. » Was soll das, solche Lügen zu verbreiten? «

Sie drehte sich nur kurz um und erwiderte, » Bist du denn nicht eifersüchtig? «

» Nein, bin ich nicht! «

Sie grinste gehässig, » Dann hast du ja nichts zu befürchten. « Drehte sich um und verließ das Fest. Karl ging zurück zur Linde und haute wütend gegen den Stamm. Atmete tief ein und ließ sich wieder unter dem Baum nieder. » Was soll ich nur tun? «, dachte er.

Marie kam laufend auf ihn zu, » Was ist passiert? «, fragte sie ganz außer Atem.

» Ach, Anne erzählt Schwachsinn. «

» Was denn? «, fragte sie neugierig.

Karl, der noch immer ganz aufgebracht war, vertraute sich Marie an. » Sie behauptet, dass ich auf Lisa stehe und will das Johannes sagen. «

Marie lachte. » Also, ich finde das nicht lustig. «

» Entschuldige, aber deshalb machst du dir Sorgen? Was meinst du denn, wem Johannes mehr glaubt, dir oder deiner Schwester? «

Sie legte seinen Arm um seine Schulter, » Und jetzt wird getanzt! «

» Auf gar keinen Fall. «

» Und ob. « und schon zog sie lachend an seiner Hand damit er aufstand. Schnell ließ sich Karl von Maries guter Laune anstecken.

» Sonst hat Johannes mit mir getanzt, aber das wird dieses Jahr wohl nichts mehr. « Sie blickte zu Johannes und Lisa. » Ehrlich, ich weiß nicht, was er an ihr findet? «

Karl blickte Marie überrascht an. » Was soll das denn heißen? Magst du Lisa etwa nicht? «

» Sie ist zwar sehr schön, aber die behandelt mich wie ein kleine Kind. «

Karl grinste. Das Marie noch ein kleines Kind war, behielt er lieber für sich. » Na los jetzt. «

Schließlich ließ er sich von Maries unbändigen Willen auf die Tanzfläche schleifen und fing ein flottes Tänzchen mit ihr an. Karls Laune verbesserte sich schlagartig. Nachdem der erste Tanz mit Marie vorbei war, wollte er die Fläche verlassen, doch da stand schon Elisabeth lächelnd an der Tanzfläche und Karl legte eine weitere Runde aufs Parkett. » So schnell wirst du die Tanzfläche wohl nicht wieder verlassen. «, scherzte Elisabeth.

» Und ob, ich brauche dringend eine Verschnaufpause. «

» Na, da hast du aber die Rechnung ohne die Frauen gemacht. «, lachte Elisabeth.

» Jeder sieht, dass du ein guter Tänzer bist und die sind selten bei uns im Dorf. «

» Na, hör mal. « entgegnete Karl, » Die anderen tanzen doch auch gut. «

Elisabeth grinste schelmisch. » Glaube einer alten Frau. « Da stand auch schon Magtha neben Elisabeth um abzuklatschen. » Lass das mal nicht Bruno sehen. «, scherzte Elisabeth und schnappte sich kurzerhand ihren protestierenden Sohn, » Freundin hin oder her. Mit deiner Mutter wird getanzt. «

» Wenn, die alte Frau das sagt. «, stimmte Johannes lachend ein.

Erst als die Musiker eine Pause einlegten, konnte auch Karl die Tanzfläche wieder verlassen. Er war schon ganz außer Atem. Er schaffte es sich zu Heinrich und Bruno an den Tisch zu retten. Kurze Zeit später kam Johannes dazu. » Du scheinst ja heiß begehrt zu sein. «, grinste Johannes.

» Magtha schwärmt auch schon die ganze Zeit von deinen Tanzkünsten. «, pflichtete Bruno mit leichtem Unterton bei.

» Selbst schuld, Bruno, wenn du nicht in die Puschen kommst. «, neckte Johannes ihn.

» Da muss ich meinen Sohn Recht geben. «

» Jetzt fängst du auch noch an, Heinrich?! «, fragte Bruno.

» Ja, es wird Zeit, das du den ersten Schritt wagst, frag Magtha, ob sie mit dir tanzen möchte? «

Entsetzt sah Bruno Heinrich an. » Das ist doch nicht dein ernst??? Ich habe zwei linke Füße, da mache ich mich nicht zum Deppen. Schon gar nicht vor Magtha. «

Karl und Johannes blickten sich kurz an und nickten sich zu. Standen beide auf und Karl sagte, » Wir sind gleich wieder da. «

» Ich kann einfach nicht tanzen. «, sagte Bruno abermals.

» Ach was, jeder kann tanzen und du hast doch selbst gesehen, dass Magtha gerne tanzt. «

Bruno schüttelte mit dem Kopf. » Auf keinen Fall. «

In dem Moment spielten die Musiker erneut auf. Marie lief auf ihren Vater zu und rief nur, » Jetzt bist du dran. » und fiel Heinrich um den Hals. Das ließ Heinrich sich nicht zweimal sagen und war mit seiner Tochter auf der Tanzfläche verschwunden. Bruno wandte sich den verbliebenen Männern am Tisch zu, so dass er nicht sah, dass Johannes und Karl mit Magtha auf ihn zukamen. » Na, ihr macht es aber ganz schön spannend. «, sagte Magtha. Karl ließ sich neben Bruno nieder, legte seinen Arm um Brunos kräftige Schultern und sagte, » Dieser junge Mann wollte dich was fragen. « Magtha blickte erfreut und abwartend auf Bruno. Ehe er sich versah, spürte er Johannes Hände auf seinen Schultern und hörte nur, » ... will unbedingt mit dir tanzen. « Bruno wusste zugleich, dass er aus der Nummer nicht wieder raus kam und druckste herum. » Ja, genau. Die Jungs haben Recht, also würdest du mit mir tanzen? «

» Sehr gerne. «

Bruno blickte erleichtert auf. Bevor ihm bewusst wurde, dass er jetzt tatsächlich tanzen musste. Doch da hatte sich Magtha schon bei ihm untergehakt. Karl und Johannes klatschen sich ab. Lisa winkte Johannes heran und damit war er wieder weg. Karl blickte den Beiden kurz hinterher und nahm dann den freien Platz von Bruno ein. Er lauschte den Gesprächsthemen am Tisch. » Es gibt Gerüchte, dass König Richard neue Gesetzte erlassen wird. «, sagte Brunos Vater.

» Wer erzählt das? «, fragte der Schmied.

» Es soll heißen, dass die weißen Ritter wieder vermehrt unterwegs sind. « Karl horchte auf.

» Das bedeutet meist nichts Gutes. «, bestätigte der Schmied.

Elisabeth kam an den Tisch und schnappte die letzten Gesprächsfetzen auf. » Männer, heute wird gefeiert. Wir wollen uns den Tag doch nicht durch die weißen Ritter vermiesen lassen, oder? «

» Na ja, Gedanken wird man sich ja wohl machen dürfen. « erwiderte einer der Männer.

» Wird Zeit, dass König Richard das Handwerk gelegt wird. «

» Richtig, aber wer soll das machen? «, fragte einer der Männer.

» Na, die schwarzen Ritter. « Augenblicklich war es still am Tisch. Auch Elisabeth schwieg. » Das ist doch nur eine Legende oder hast du jemals einen dieser schwarzen Ritter gesehen? «, fragte Brunos Vater.

» Nein, aber... «

» Es gibt kein aber. Wir sollten unsere Hoffnung nicht an eine Lüge verschwenden. «

» Und wenn es sie doch gibt? «, fragte Karl vorsichtig.

» Siehst du...«, sagte der alte Schmied, » wenn selbst die Jugend daran glaubt, dann ist vielleicht was Wahres dran. «

» So ein Blödsinn. «, widersprach Elisabeth. » Karl, weiß gar nicht worum es geht. « Warnend blickte sie ihn an.

» Das sind doch alles nur Lügenmärchen. «, meinte Brunos Vater.

Das Gespräch wurde jäh unterbrochen als der Pfarrer an den Tisch trat. » Na, meine lieben Brüder und Schwestern ist das nicht ein wunderbares Fest? «

» Ja, wirklich, ganz wunderbar. «, stimmte der Schmied ihm zu. Elisabeth war froh, dass das Gesprächsthema gewechselt wurde.

Abends im Bett, berichtete Karl von der Unterhaltung. » Aber was genaueres hast du nicht raus bekommen? «

» Leider nicht. «

» Na ja, das ist ja nicht gerade viel. Das neue Gesetze erlassen werden, ist doch ständig Gesprächsthema, aber das die Leute von den schwarzen Rittern wissen, ist mal was Neues. Darüber habe ich bisher niemanden sprechen hören. Wir sollten uns genauer umhören. «

» Ja wohl, lass uns das machen. «. Danach schliefen beide schnell ein. Doch schon am nächsten Tag waren die Schwarzen Ritter vergessen.

» Stimmt das?! «, fragte Johannes erbost. Karl wusste gar nicht wie ihm geschah.

» Was meinst du? «

» Frag nicht so blöd! «

» Was ist los? Ich habe keine Ahnung. «

» Stehst du auf Lisa? «, fragte Johannes aggressiv.

» Hat Anne das erzählt? «, entgegnete Karl unüberlegt.

» Also stimmt es! «

» Nein, natürlich nicht! « Jetzt wurde Karl wütend. » Aber gut zu wissen, dass du Anne plötzlich mehr glaubst als mir! « Damit drehte er sich um und ließ Johannes zurück.

» Verdammt. « Er lief Karl hinterher und hielt ihn zurück. Karl blickte ihn enttäuscht an. Johannes kamen gleich Gewissensbisse. » Tut mir leid, aber ich musste das einfach klar stellen. «

» Schon gut. «, meinte Karl nicht ganz überzeugend.

» Aber ich verstehe nicht, warum du Anne den Unsinn abnimmst? «

» Ehrlich gesagt, Lisa hat mich das auch schon gefragt? «

» Was hat sie gefragt? Ob ich auf sie stehe? «, hakte Karl verwirrt nach.

» Nicht so direkt, aber sie wollte wissen, was in letzter Zeit mit dir los ist, du wärst so komisch. «

» Ach und das weiß Lisa, weil sie mich so gut kennt oder was? «, fragte Karl pampig.

» So war das jetzt auch nicht gemeint. Lass uns das Ganze vergessen. «

» Gut. Außerdem war es dein Vorschlag, dass wir uns nie wegen eines Mädchen streiten wollen und jetzt fängst du mit so einem Schwachsinn an. « Karl war noch immer verletzt, dass Johannes tatsächlich Anne mehr glauben schenkte als ihm.

» Du hast ja Recht. Entschuldige. «

Karl nickte nur. Doch ein fader Beigeschmack blieb. In den nächsten Tagen gingen sich die Beiden so gut es ging aus dem Weg.

Einige Tage nach dem Streit fragte Johannes seinem Vater, » Sag mal Papa, woher wusstest du eigentlich, dass Mama die Richtige für dich ist? « Er wurde rot. » Also, ich meine, wie kann ich wissen,...? « Ihm fehlten die Worte.

Heinrich kam ihn grinsend entgegen, » Du möchtest also wissen, ob Lisa die Richtige ist? «

» Na ja, ehrlich gesagt, denke ich, dass sie eventuell nicht die Richtige ist, irgendwie in letzter Zeit, ach ich weiß auch nicht so Recht. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es nicht richtig passt, irgend etwas fehlt.«

Heinrich sah seinen Sohn verständnisvoll an, » Lass mich kurz überlegen, wie ich dir das am Besten erkläre... Also mein Rat ist, mache das, was dein Gefühl dir sagt. Natürlich ist nicht immer alles eitel Sonnenschein und man streitet sich auch mal, das muss aber nicht heißen, das man sich nicht mehr liebt. Als ich deine Mutter das erste Mal um ein Treffen bat, kannten wir uns schon länger und ich hatte einfach die weit verbreiteten „Schmetterlinge im Bauch“. Außerdem ist deine Mutter immer mein Halt in der Brandung und mit ihr konnte ich damals „Pferde stehlen“. Wie sind so was wie beste Freunde. Ich kann ihr blind vertrauen und vor allem kann ich mit ihr Schweigen, was mir sehr wichtig ist. «

Johannes blickte seinen Vater verwundert an. Doch der fuhr einfach fort, » Und als sie damals meinen Heiratsantrag angenommen hatte, war ich der glücklichste Mensch auf Erden. Wir hatten das Glück, das wir aus Liebe heiraten konnten und nicht weil es unseren Eltern einen Vorteil verschafft hätte. Als Müller konnte ich deine Mutter und ihre Eltern gut versorgen, daher war ich wohl eine gute Partie. « Heinrich lachte beherzt » Aber Spaß beiseite, wenn du meinst oder du fühlst, das Lisa nicht die Richtige ist, dann solltest du ihr das sagen. Ihr seid noch jung. Nur weil ihr jetzt zusammen seid, heißt es das nicht, dass ihr den Rest eures Lebens miteinander verbringen müsst. Aber eines mein Freundchen sage ich dir, sollte Lisa schwanger sein, heiratest du sie und das meine ich ernst! «

Johannes wurde knallrot. » Nein, nein, wie kommst du denn jetzt darauf? «, fragte Johannes mit hochrotem Kopf.

» Ich meine ja nur. «

» Nein, nein, alles gut. «

» Ich glaube du hast mir schon sehr geholfen. «, versuchte Johannes das für ihn nun peinliche Gespräch zu beenden.

» Du kannst jeder Zeit zu mir kommen, wenn was ist und das weißt du hoffentlich auch, oder? «

Johannes nickte. » Ja, danke Papa. «

» Da nicht für. Und wenn du nicht willst, das Lisa schwanger wird...«

» Papa! Ist gut. «

» Ich meine ja nur. « Heinrich lachte herzlich. » Ab und zu muss man seinen Sohn auch mal in eine peinliche Situationen bringen. «, dachte er bei sich und legte seine Arbeit grinsend fort.

Einige Zeit nach dem Gespräch mit seinem Vater musste sich Johannes eingestehen, dass er und Lisa wirklich nicht gut zusammen passten. Sie erzählte ständig den neuesten Dorfklatsch, wollte nicht mit zum schwimmen und versuchte ständig Sabine mit Karl zu verkuppeln ohne dabei zu merken, dass Dirk zunehmend aggressiver gegenüber Karl wurde, der nicht mal was dafür konnte. Letztlich fasste er sich Mut und beendete die Beziehung. Marie war natürlich die erste die darüber Bescheid wusste, da sie gleich von Isabell informiert wurde. Die wiederum ganz genau wissen wollte, was Vorgefallen war.

» Wieso hast du mit Lisa Schluss gemacht? «, fragte Marie direkt.

Johannes verspürte überhaupt keine Lust sich mit seiner kleinen Schwester über seine Beziehung zu unterhalten. » Du brauchst doch nur was um mit Isabell zu tratschen. «

» Stimmt doch gar nicht! Also? « Johannes ignorierte sie einfach.

» Also, warum hast du mit ihr Schluss gemacht? Hallo, ich habe dich was gefragt! « Marie konnte ganz schon hartnäckig sein, Johannes gab sich einen Ruck, denn die schnellste Art seine Schwester los zu werden, war, ihr das zu geben, was sie haben wollte.

» Hört sich vielleicht blöd an «, sagte er, » aber wenn wir zusammen saßen und sie ihren Kopf an meine Schulter gelegt hat, hatte ich immer das Gefühl, dass wir nicht zusammen passen. «

» Aha. « Marie dachte kurz nach, » Wenn du das meinst, dann wird es wohl so sein. Du wirst schon noch jemanden finden der richtig zu dir passt. «

Johannes verdrehte genervt die Augen. » Wie schön, dass sich meine kleine Schwester so gut damit auskennt. «

» Ich wollte nur nett sein. «

» Na, vielen Dank auch. « Bevor der Streit zu eskalieren drohte wurden sie von den Ruf ihrer Mutter unterbrochen. » Abendessen! «

Nach und nach bekamen auch die restlichen Familienmitglieder mit, dass Johannes und Lisa nicht mehr zusammen waren. Schnell fanden Karl und Johannes zu ihrer alten Vertrautheit zurück. Die Tage wurden wärmer und immer mehr Arbeit fiel an. Anfang des Sommers feierte Karl seinen fünfzehnten Geburtstag und Johannes konnte endlich sein Versprechen einlösen und Karl das Schwimmen beibringen.

» Was ist? Kommst du? «, fragte Johannes.

» Ja, klar. «

» Warte, ich frage die Mädchen, ob sie mit möchten. «

Nur Marie schloss sich den Jungen an. Die anfänglichen Schwimmversuche waren ein Graus. Karl wollte schon nach kurzer Zeit hinschmeißen. Doch das ließen Johannes und Marie nicht zu. Letztere amüsierte sich nämlich prächtig über Karl. Nach den erfolglosen ersten Wochen kam Johannes zu dem Entschluss, Karl das schwimmen ohne Marie beizubringen, die brachten Karl mit ihren Sprüchen und Gelache ständig aus dem Konzept. Wobei er sich das ein oder andere Grinsen echt verkneifen musste. Karl sah einfach zu komisch aus.

Die Tage verstrichen schnell und schließlich schaffte Karl überglücklich seine ersten, eigenständigen Schwimmzüge ohne dabei unterzugehen. Danach schien der Knoten geplatzt. Karl war jede freie Minute am Teich und war aus dem Wasser nicht mehr heraus zu bekommen. Erst nach einigen Wochen fiel Johannes auf, dass Karl schon vor dem Frühstück zum schwimmen ging, da sie es tagsüber durch die viele Arbeit nicht mehr schafften. Johannes schlief lieber länger. Karl war einfach glücklich im Wasser, wenn er im Wasser war, fühlte er sich irgendwie frei. Er dachte an nichts mehr und konnte seine Seele baumeln lassen. Am Sonntag begleitete Johannes ihn zum Teich. Beide legten sich ans Ufer um sich von der Sonne trocknen zu lassen. Johannes berührte Karls Rücken. » Irgendwie komisch, dass du trotz der langen Zeit bei uns immer noch so viele blaue Flecken hast. Einige deiner Narben werden wohl bleiben, aber deine blauen Flecke müssten doch schon längst verheilt sein. «

» Das wird schon. «, blockte Karl sofort ab. » Das ist sicher von dem Mehlsäcke tragen. «

Johannes wusste, dass er mit der nächsten Fragen sehr dünnes Eis betrat, aber er stellte sie trotzdem. » Hat dich dein Vater oft geschlagen? «

» Nicht oft, aber wenn dann richtig. « Karl wollte nicht darüber reden. Er hatte das Bild seines Vaters vor Augen, wie er erst auf ihn einprügelte und danach auf seine Mutter einschlug. Sobald diese versuchte ihren Mann daran zu hindern, Karl zu schlagen, aber meist passte sein Vater ihn so ab, dass niemand etwas mitbekam. Ganz genauso wie Anne es machte. Doch die trostlosen Gedanken wollte er Beiseite schieben und meinte, » Ich wünschte, ich könnte immer hier bleiben. «

Johannes erwiderte, » Das wird kaum möglich sein. Wir müssen zum Abendessen wieder zu Hause sein. Ganz zu schweigen von dieser dämlichen Ausgangssperre. Heute morgen waren schon wieder weiße Ritter im Dorf. «

Karl lachte, » Nein, ich meinte doch, für immer bei euch im Dorf bleiben. «

» Das geht doch auch nicht. Du bist der zukünftige König. « Erschreckt blickte sich Karl um. Zum Glück war niemand in der Nähe.

» Spinnst du, dass so laut zu sagen? «

» Entschuldige! Ist mir so raus gerutscht. « Und Johannes sah sich ebenfalls besorgt um.

Schließlich entspannten sich die Beiden wieder. Karl beugte sich zu Johannes und flüsterte, » Was, wenn ich kein König sein möchte? «

Verwundert fragte dieser, » Aber warum denn nicht? «

» Ich will es einfach nicht. «

» Das kannst du dir aber nicht aussuchen und außerdem...«, Johannes stockte.

» Was? «, fragte Karl neugierig.

» Es wird Zeit, das wir wieder einen guten König bekommen. «

Karl lachte hysterisch auf » Und du meinst, dass ich das sein kann? Sieh mich doch an. «

Johannes setzte sich Karl gegenüber hin und sagte ernst, » Ja, das meine ich. Ich glaube, du wirst ein guter König sein. «

Genauso ernst dachte Karl, » Ich will kein König sein! «

Bevor er darauf antworten konnte, wurden sie von sich schnell nährenden Schritten unterbrochen. Marie kam außer Atem durch das Gehölz. » Es sind weiße Ritter ins Dorf gekommen. Ihr sollt sofort nach Hause kommen. « Johannes und Karl warfen sich schnell ihre Kleider über, Johannes nahm seine Schwester an die Hand und die Drei liefen eilig nach Hause. Dort warteten sie nervös auf Heinrich, der alleine ins Dorf ist um zu hören, was die Ritter zu verkünden hatten. » Können wir nicht auch zum Marktplatz? «, quengelte Johannes.

» Auf keinen Fall und jetzt ist Schluss mit der Fragerei. Papa wird sicherlich jeden Moment kommen. «, erwiderte Elisabeth streng.

Er kam erst Stunden später wieder zurück. Heinrich berichtete von der neuen Regelung der Ausgangssperre , » und das ist noch nicht alles. Das Schlimmste habe ich euch noch nicht gesagt. Viermal im Jahr werden die weißen Ritter in die Dörfer kommen um sich die Volljährigen Knaben anzusehen um darüber zu entscheiden, wer von ihnen, sich den weißen Rittern anschließen muss. « Entsetzt sahen sich alle an. Sogar Anne war betroffen. » Das lasse ich nicht zu. Mein Sohn wird keiner diesen Halunken. «, sagte Elisabeth kalt. Jetzt erst begriff Marie und ließ einen Entsetzensschrei los. Die Jungen wussten nicht wie ihnen geschah. » Es ist noch Zeit, aber ich werde nächste Woche zu Hofe fahren und versuchen Kontakt mit der Zofe aufzunehmen. Wir müssen erfahren wie wir weiter vorgehen. Karl kann so unmöglich bis zu seinem achtzehnten Geburtstag hier bleiben. Er wird jetzt sicherlich früher von den schwarzen Rittern abgeholt und «, er stockte, » und vielleicht können sie Johannes auch in Sicherheit bringen. «

» Aber Vater, das geht doch nicht. Wie willst du denn die Arbeit alleine schaffen? «, fragte Johannes traurig.

» Wir werden schon eine Lösung finden. Noch haben wir Zeit. «, meinte dieser nur müde.

» Es nützt nichts, hier weiter Spekulationen anzustellen. «, entgegnete Elisabeth. » Wir müssen abwarten, was die Zofe sagt. «

» Richtig. Wir sollten alle zu Bett gehen und morgen sehen wir weiter.«, pflichtete Heinrich ihr bei.

Als alle in ihren Zimmern lagen, schlich sich Marie in das Zimmer der Jungen. Doch auch nach langem diskutieren fanden sie keine Lösung. Die Einzige, die in dieser Nacht ruhig schlief war Anne. Der Rest der Familie saß am nächsten Tag übermüdet zusammen. » Wir sollten wirklich erst abwarten, was die Zofe uns sagt. «, meinte Elisabeth.

Heinrich nickte zustimmend. » Nächste Woche ist Markt am Hofe, da können wir versuchen Kontakt mit ihr aufzunehmen. Nach der Nachricht wird sie sicherlich davon ausgehen, dass wir sie aufsuchen werden. «

» Ich werde dich begleiten, Vater. «, meinte Johannes.

» Ich auch. «, sagte Karl.

» Du Karl, auf gar keinen Fall. Das ist immer noch viel zu gefährlich. «

Gerade als er Widersprechen wollte, » Da brauchen wir gar nicht drüber zu diskutieren.«, stimmte Elisabeth ihren Mann zu.

» Bisher sind Heinrich und Johannes immer zusammen zum Markt gefahren, das wird dieses Mal nicht anders sein. «

» Doch «, stellte Marie fest. Die Erwachsenen blickten sie überrascht an.

» Na ja, kann es sein, das ihr die neue Ausgangssperre vergessen habt? Papa und Johannes werden sicherlich viel länger als sonst unterwegs sein. Oder etwa nicht? «

Heinrich fluchte, » So ein Mist. «

» Nicht vor den Kindern fluchen. «, mahnte Elisabeth nicht besonders nachdrucksvoll. Ihr war selbst zum Fluchen zumute.

» Normalerweise sind wir mit unseren Sachen drei Tage unterwegs, da wir ja meist nur den letzten Tag bis tief in die Nacht gefahren sind, dürften wir ja nur einen Tag länger unterwegs sein oder was meinst du Vater? «

Dieser nickte nur, » Stimmt, in fünf Tagen können wir es schaffen. Dann wären wir mit zwei Tagen Markt fast eine Woche unterwegs. Bekommst du das hin, Karl? «, fragte Heinrich.

» Wie, was denn? «, fragte dieser überrascht.

» Na, du bist dann der Mann im Haus und die Verantwortung liegt bei dir. « Anne lachte nur hämisch und Marie warf ein, » Na hör mal, Mama, Anne und ich sind schließlich auch noch da. «

» Du hast ja Recht! «, lachte Heinrich, » Entschuldige. «

» Außerdem seit ihr nicht zum ersten Mal unterwegs. «, merkte Elisabeth Augenzwinkernd an.

» Schon gut. Schon gut. «, ergab sich Heinrich seinen Frauen. » Ich habe nichts gesagt und nun an die Arbeit. «

Das brauchte er nicht zu wiederholen. Karl wollte es nicht zugeben, aber er war schon Stolz, dass Heinrich ihn die Verantwortung geben wollte. Dieser hielt ihn zurück. » Und Karl, was sagst du? «

» Was denn jetzt? «, fragte dieser ganz verwirrt.

» Na, ob du meinst, dass du das hinbekommst? Du schuldest mir noch eine Antwort. «

Karl der auch seinen Teil dazu beitragen wollte, antwortete mir Zuversicht, » Ja, das denke ich. « Heinrich klopfte ihn auf die Schulter, » Ich habe auch nichts anderes erwartet. «

Auf dem Weg zur Mühle zählte Heinrich die Aufgaben auf, die Karl währen ihre Abwesenheit übernehmen sollte. In der darauffolgenden Woche machten sich Heinrich und Johannes früh morgens in die Stadt auf. » Passt gut auf euch auf. «, sagte Elisabeth. Auch Karl war besorgt.

» Das wird ein Marktbesuch wie jeder andere, wir werden versuchen am Sonntag Abend wieder da zu sein. «, entgegnete Heinrich und umarmte alle zum Abschied.

Schon in der ersten Nacht spürte Karl, dass er Johannes vermisste. Er schlief wieder schlecht und machte sich große Sorgen um die Beiden. Was, wenn ihnen etwas passierte? Die Vorstellung war zu schrecklich. Tagsüber konnte er sich mit der vielen Arbeit ablenken, aber jeden Abend kamen die Gedanken zurück. Auch Johannes, der sonst immer gut schlafen konnte, wälzte sich abends von einer auf die anderen Seite, ohne zu wissen warum. Elisabeth bemerkte zwar Karls Veränderung, machte sich selbst aber genauso viele Sorgen um ihren Mann und Sohn. » Für die Beiden besteht keine Gefahr. Du brauchst dir nicht so viele Sorgen machen. «, sagte sie aufmunternd.

» Du machst dir doch selber Sorgen. «, sagte Karl und blickte Elisabeth liebevoll an.

» Ertappt. «, lächelte sie.

» Du solltest dir lieber Sorgen um deine Schwester machen. «

» Warum? «, fragte er verwundert. Seine Schwester war doch wie immer.

» Komm mal ans Fenster. «, forderte ihn Elisabeth auf. Karl trat zu ihr. Sie legte ihren Arm um seine Schulter und zeigte auf seine Schwester, die draußen im Garten saß. » Sieh dir Anne an und sage mir, was dir auffällt. «

Er hatte keine Ahnung worauf Elisabeth hinaus wollte, » Ist halt meine Schwester. «

» Sieh noch mal genau hin. « Wieder tat er wie ihm geheißen. Diesmal schaute er Anne länger und genauer an. Sie strich eine Strähne von ihrem wieder langem Haar zurück. Und in der Bewegung wurde ihm klar, was Elisabeth meinte. Er sah nicht nur seine Schwester sondern auch eine große Ähnlichkeit zu seiner Mutter. Das war ihm vorher nie aufgefallen. Er blickte zu Elisabeth. » Sie ähnelt unserer Mutter. «

» Genau und daher denken wir, dass es das Beste ist, wenn deine Schwester schon dieses Jahr zu den Schwarzen Rittern geht. Alles andere ist zu gefährlich. Es muss nur einer, der deine Mutter richtig gut kannte, deine Schwester sehen und eins und eins zusammenzählen. «

» Du meinst, jemand könnte tatsächlich annehmen, dass Anne, Anne ist? Die Bewohner des Reiches halten uns doch für Tod. «

» Das mag schon sein, aber da eure Leichen nie gefunden wurden, könnte der ein oder andere doch auf die Idee kommen, dass ihr noch am Leben seid. Wir dürfen nichts riskieren. Außerdem war es ein Fehler von uns, euch damals nicht neue Namen zu geben. Wir haben da einfach nicht dran gedacht. «

Karl nickte zustimmend. » Da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. « Aber eine Frage brannte ihn auf der Seele, » Was ist mit mir? «, fragte er nervös. Sein Herz pochte wie wild.

» Was soll mit dir sein? «

» Sehe ich Mutter auch ähnlich? «, fragte er und hoffte inständig, dass er nicht seinem Vater ähnelte. Elisabeth entgegnete, »Ja, man kann die Züge deiner Mutter erkennen, aber nicht so deutlich wie bei deiner Schwester. Von der Seite aus dürfte dir keine Gefahr drohen. Sorgen machen uns nur die weißen Ritter. « Karl war erleichtert, dass Elisabeth seinen Vater nicht einmal erwähnte und sagte nur, » Ja, die weißen Ritter. Die sorgen ständig für Ärger. «

Beide hingen ihren Gedanken nach. Als Karl sich schließlich wieder seinen Aufgaben bewusst wurde und zurück an die Arbeit ging. Trotz allem verflog die Woche nur so. Heinrich und Johannes kamen mit guten Neuigkeiten zurück. Sobald sie den Hof betraten fiel ihnen Elisabeth und dann auch Marie um den Hals. Selbst Karl war die Erleichterung anzusehen und drückte die Beiden überglücklich.

» Was ist denn mit dir passiert? «, fragte Johannes ungläubig.

» Was denn? «, grinste Karl.

» Na, das hier. « und Johannes fasste Karl an seinem Bart. » Hast du unsere Rasierklinge verlegt oder was? «

Karl lachte. » Nein, aber ich dachte, so verändere ich mein äußeres nochmal und es gefällt mir. Elisabeth hält das auch für eine gute Idee. «

» Das stimmt. «, pflichtete Elisabeth bei.

» Außerdem steht ihm das richtig gut. «, gab Marie ihre Meinung kund.

Damit war Johannes einstimmig überstimmt. Denn auch Heinrich fand, das Karl mit Bart ganz verändert aussah. Und kam dann aber sofort auf das eigentliche Thema zu sprechen.

» Wir konnten mit der Zofe sprechen. Sie wird alles Notwendige in die Wege leiten, dass Karl und Anne ein oder zwei Jahre früher zu den schwarzen Rittern gelangen. Nach Verkündigung des neuen Gesetzes war allen sofort bewusst, dass Karl nicht bis zu seinem achtzehnten Geburtstag bei uns bleiben kann. Wir müssen sehen, wie sich die Lage entwickelt. « Anne frohlockte innerlich. Elisabeth hatte sie in den letzten Tagen über ihr Vorhaben aufgeklärt. Sie konnte nicht glauben, dass sie ihrer Mutter so sehr ähnelte. Einerseits war sie froh darüber, so konnte sie eher gehen doch andererseits hasste sie sich dafür. Sie konnte ihr eigenes Spiegelbild nicht mehr ertragen.

Abends im Bett berichtete Johannes von ihrer Reise. » Die Menschen sind alle unzufrieden und ängstlich. Wie können froh sein, hier draußen zu wohnen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele weiße Ritter am Hofe herumlaufen. Die stehen an jeder Ecke und verbreiten Angst und Schrecken. Sie betrinken sich und fangen dann an die Leute zu misshandeln. Die Frauen versuchen sich so gut es geht vor Ihnen zu verstecken. Schrecklich. « Karl konnte sich das nur zu gut vorstellen, wie es am Hofe aussah. » Wir können froh sein, hier draußen zu wohnen. », wiederholte Johannes. Karl stimmte müde zu. Erschöpft von der Woche schliefen beide schnell ein. Doch in seinem Schlaf kamen Karl die ganzen Kindheitserlebnisse wieder hoch und er schreckte auf. » Alles in Ordnung? «, fragte Johannes schläfrig.

» Ja, alles gut. «, erwiderte Karl schwer atmend und legte sich zurück. Gerade als er die Augen geschlossen hatte, hörte er nur wie Johannes sagte, » Rutsch rüber. « Karl machte ihm Platz und beide schliefen wieder ein. Erst jetzt wurde Karl bewusst, dass sich der Todestag seiner Mutter näherte und Johannes schlief nun fast jede Nacht bei ihm. Auch wenn ihm Karls Bart hin und wieder kitzelte. Doch er gewöhnte sich schnell daran und ließ sich schließlich selbst einen drei Tage Bart stehen. Eines Abends sagte dieser um ihn abzulenken. » Ich glaube, die Sabine steht wirklich auf dich. «

» Wie kommst du da denn jetzt drauf? «, fragte Karl überrascht.

Johannes lachte, » Mensch,Karl, sie hält sich doch ständig in deiner Nähe auf. «

Er blickte Johannes nur verständnislos an. Außerdem hatte er keine Lust mit Johannes über Mädchen zu sprechen. » Blödsinn, die ist doch mit Dirk zusammen. «

» Genau, dem größten Arsch des Dorfes. Du müsstest vermutlich nur mit den Augen klimpern und schon lässt sie alles für dich stehen und liegen. «

Karl lenkte sofort ab, » Konntest du in der Stadt, wirklich nichts über die schwarzen Ritter erfahren? « Das Thema sprachen sie in den letzten Tagen oft an.

» Leider nein. Hinter vorgehaltener Hand wird über den König geschimpft und alle hoffen endlich darauf, dass ihn jemand stürzt. « Karl drehte sich automatisch zur Wand, da er genau wusste, das Johannes jetzt wieder von der Schlacht anfing. Nach Johannes gewohnten Ausführungen, dass eine Schlacht unumgänglich war, meinte Karl nur genervt, » Ich finde man braucht keine Schlacht zu schlagen um sich Macht zu verschaffen. «

» Du schon wieder. Wie willst du den König denn sonst stürzen? «

» Man muss einfach nur an den König rankommen, dann fällt auch alles andere in sich zusammen. «

» Das glaubst du doch selbst nicht. Dann stehen doch schon potenzielle Nachfolger in den Startlöchern. Du musst sie schon alle erwischen. «

Karl blieb stumm. » Nicht, dass du mich jetzt falsch verstehst, natürlich würde ich auch keine Schlacht wollen, wenn sie sich verhindern lässt, aber du musst doch selbst einsehen, dass es keine andere Möglichkeit gibt. «

» Es gibt bestimmt eine andere Möglichkeit. «

» Wann zeigst du mir mit einem Schwert umzugehen? «, lenkte Johannes ein.

» Ohne Schwert geht das schlecht. «

» Sehr witzig, wir können uns doch welche aus Holz schnitzen, dann wüsste ich mich wenigstens theoretisch zu verteidigen. «

Karl dachte darüber nach und seufzte innerlich, » Er wollte Johannes einfach nicht Recht geben, aber ihm wurde langsam bewusst, dass er vermutlich Recht hatte. « Er tat einfach so als ob er schlief.

Johannes drehte sich zu Karl, » Karl, mal ehrlich, wie willst du dich in der Schlacht behaupten, wenn du dich nicht mal darüber unterhalten willst? « Ratlos zuckte er mit den Schultern. » Du weißt, dass du da nicht drum rum kommst? «

» Ich weiß. «, entgegnete er nur.

Johannes lenkte ein und sagte schließlich, » Gute Nacht. «

Dankbar nahm Karl das Angebot an. » Gute Nacht. «

Am nächsten Tag, noch dass Gespräch von der Schlacht in Gedanken, machte Karl sich auf um die Pferde zu tränken. Anne passte ihn ab. » Na, was macht der zukünftige König? «

Karls Alarmglocken klingelten. Er versuchte Anne zu ignorieren, doch er wusste nur zu Gut, egal was er jetzt sagte oder tat, es würde Anne nur wütender machen. Anne schubste ihn grob. Karl ließ den Eimer, den er in der Hand hielt fallen. Er wehrte sich, wie gewohnt, nicht gegen die Attacken seiner Schwester. » Muttersöhnchen. «, sagte sie boshaft.

» Halt einfach nur den Mund und lass mich in Ruhe. «

» Na, du heulst doch gleich schon wieder, weil dir Mamis Rockzipfel fehlt. «

» Ich warne dich, halt den Mund. «

» Du warnst mich? Das ich nicht lache. « Anne getrieben von Gedanken an ihren Vater, überschritt eine Grenze. » Oder soll ich die lieber Memme nennen? «, so wie Vater. Sie schnappte sich den Eimer und schlug ihn mit voller Wucht auf den Rücken ihres Bruders.

» Hör auf damit! « forderte Karl sie schwer keuchend auf. Plötzlich war sein Vater wieder voll da. Zum ersten Mal sprach er das aus, was er sonst nur gedacht hatte. » An dir hat er doch nie Hand angelegt «, entfuhr es Karl wütend, » Du warst doch immer sein Prinzesschen. «

Das war zu viel, Anne langte zu ihm rüber und ohrfeigte ihm mit aller Gewalt. » Sag das nie wieder zu mir! « Von dem harten Schlag fing Karls Nase an zu bluten. Gerade als Anne zum zweiten Schlag ausholen wollte, erfasste Karl ihr Handgelenk und hielt es mit seiner ganzen Kraft fest. Anne schrie, überrascht vor Schmerz, auf. Ihre schossen Tränen in die Augen. Karl löste den Griff etwas und sagte, » Und du legst nie wieder Hand an mir! « Ließ sie los, drehte sich um und ging.

Anne sank auf die Knie, hielt ihr pochendes Handgelenk und stammelte, » Tut mir leid. «, doch die Worte konnte Karl schon nicht mehr hören.

Er ging in den Wald, Richtung Teich um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sein Rücken und seine Nase schmerzten, doch er hatte nur einen Gedanken. Er konnte selbst nicht glauben, dass er seiner Schwester weh getan hat. » Ich habe mir immer geschworen niemals meine Hand gegen jemanden zu erheben. «, dachte er verzweifelt, so dass er die Jungen, die im Wald ihre Fallen aufstellten nicht wahrnahm.

» Na, wen haben wir denn da? Das hat wohl schon jemand Vorarbeit für uns geleistet oder wie seht ihr das Jungs? «, meinte Dirk gehässig.

Karl schreckte auf. Dirk, Martin und zwei weitere Jungen standen einige Meter vor ihm entfernt.

» Hast dich an mein Mädchen ran gemacht. «, stellte Dirk fest.

Karl spürte, das die Jungs auf Krawall aus waren und erwiderte nur, » So ein Blödsinn. « Gerade als er sich abwenden wollte, schoss Dirk auf ihn zu und er bekam den ersten Faustschlag in den Magen. Vom schnellen Angriff überrascht, sackte er, nach Luft ringend, zu Boden. Dirk beugte sich zu ihm runter. Zog ihn in die Haare und zischte, » Schwänzelst doch immer um sie herum. Meinst wohl, ich würde das nicht mitbekommen? «

» Das stimmt doch gar nicht. «, presste er mühsam hervor. Doch da spürte er schon den nächsten Schlag. » Na los, Martin jetzt bist du dran. «, forderte Dirk seinen Kumpel auf. Der ließ sich nicht lange bitten und trat zu. Karl versuchte die Schläge und Tritte abzuwehren indem er seine Hände schützend über seinen Kopf legte und versuchte sich zusammen zu rollen. Doch die Jungen stachelten sich immer weiter an und einer nach dem anderen trat und schlug zu. Karl konnte dem nichts entgegensetzen und ließ die Tortur stöhnend über sich ergehen, bis er nicht mehr in der Lage war noch einen Ton hervorzubringen. Sein Körper fühlte sie wie ein, einziger großer Schmerz an. Doch die Tritte, Schläge und Beschimpfungen hörten nicht auf. Schließlich verlor er das Bewusstsein.

Marie, die im Wald nach Pilzen suchte, hörte die lauten Rufe verschiedener Jungen. Was da wohl wieder los war? Angelockt von dem Tumult, ging sie den Stimmen nach. Sie ließ ihren Korb mit den Pilzen fallen und rannte so schnell sie die Füße trugen zur Mühle. Vollkommen außer Atem rief sie nach ihrem Bruder. » Johannes, Johannes! «, alarmiert von den Rufen seiner Schwester, eilte er ihr entgegen, » Was ist denn los? « Marie schnappte nach Luft, zeigte Richtung Wald » Karl...verprügelt von...Dirk und...liegt am Boden. «

» Wo genau sind sie? «, fragte er schnell, » und wie viele? «

» Vier. Auf den Weg zum Teich ...« Marie gab ihm eine grobe Beschreibung. » Hol Papa zur Hilfe. «

Damit lief Johannes los. Dicht gefolgt von Heinrich, den Marie mittlerweile informiert hatte. Noch eh die Jungen wussten, wie ihnen geschah, stürmte Johannes auf Dirk zu und riss ihn von Karl weg. » Du verdammter Hurensohn. «, rief Dirk wütend und ging auf Johannes los. Der schon einen weiteren Jungen zu Boden gerissen hatte. Immerhin hatte er es geschafft, dass die vier von Karl abließen. Gerade als die vier auf Johannes losgehen wollten, kam sein Vater angelaufen und die Jungen nahmen reiß aus. Johannes beugte sich zu den ohnmächtigen Karl. Heinrich nahm den Jungen vorsichtig auf den Arm. » Laufe vor und hole Hilfe zur Mühle. « Johannes spurtete los und informierte als erstes seine Mutter. Die ihn besorgt zu Magtha schickte. Diese wiederum ließ die Dorfälteste von Johannes holen und machte sich schleunigst auf den Weg zu den Müllers. » Wenn man einen Bader braucht ist keiner im Dorf. « sagte die Dorfälteste nur sachlich. Überlegte kurz und machte sich ein Bündel mit Kräutern und Tinkturen zurecht um Johannes zur Mühle zu folgen.

Heinrich war in der Zwischenzeit mit Karl angekommen und legte ihn vorsichtig in sein Bett. Selbst Anne war besorgt. So zusammengeschlagen hatte sie ihn nicht mal von ihrem Vater gesehen. Die drei Frauen versorgten Karl nach Bestem Wissen und Gewissen. Die nächsten Tage hüteten sie abwechselnd an Karls Bett. Johannes schlief unter Protest in der Scheune. Doch schließlich musste er sich eingestehen, dass er den Frauen mehr im Weg stand, als das er half. Jede freie Minute sah er bei Karl vorbei. Unterdessen wurden die anderen Jungen von ihren Eltern zur Rechenschaft gezogen und handelten sich selbst eine ordentliche Tracht Prügel ein. Nach den ersten besorgten Nächten fing Karls Körper an sich zu erholen. Zwischenzeitlich war er bei Bewusstsein. Fiel dann aber wieder in den erholsamen und gesund bringenden Schlaf zurück. Die Tage vergingen, bis Karl schließlich wieder voll ansprechbar war. Sehr zur Freude der ganzen Familie. Johannes der sich mit Karls zunehmender Genesung weniger Sorgen machte, konnte die Geschehnisse Revue passieren lassen und wurde zunehmend wütend auf Karl.

Als Karl wieder aufstehen konnte, brodelte es nur so in Johannes. Gerade als Karl das Zimmer verlassen wollte, hielt er ihn zurück.

» Verdammt nochmal, warum hast du dich nicht gewehrt? «, schrie Johannes wütend. Der überrumpelte Karl erwiderte nichts. » Ich kann dich nicht ständig raus hauen, und überhaupt, du hättest es locker mit denen aufnehmen können, verdammt. «, fluchte er. » Wehr dich, gefälligst! «, forderte er ihn immer noch wütend auf.

Karl schüttelte nur schwach mit dem Kopf.

» Warum in Gottes Namen nicht, erklär es mir, verdammt! « Karl setzte sich stumm aufs Bett zurück. Johannes nahm Karls Kopf in seine Hände, so dass er ihn nicht ausweichen konnte, » Erklär es mir! «, forderte er ihn erneut auf, » Immerhin bin ich es, der seinen Hals für dich riskiert, meinst du nicht, dass du mir eine Erklärung schuldest? «, fragte er nun etwas ruhiger und lies Karls Kopf los. Karl wusste einfach nicht, wie er Johannes begreiflich machen konnte, was in ihm vorging. Karl fühlte seine kaum verheilten Wunden wieder. Es war schon lange her, dass er sich so schlecht gefühlt hatte und jäh fühlte er sich an seinen Vater erinnert. Hörte seine verachtenden Worte, » Was bist du nur für ein Sohn? Und du sollst eines Tages mein Königreich führen, dass ich nicht lache, so eine Memme wie du es bist. Memme! « Einigermaßen wieder beruhigt, nahm Johannes die Salbe zur Hand um Karls Handgelenk einzureiben, als dieser unter der kühlen Salbe zusammenzuckte. »Tut mir leid, ich wollte dir nicht weh tun. «, entschuldigte sich Johannes und hörte auf die Salbe zu verteilen. » Du hast mir nicht weh getan. «, antwortete er. » Hast es nie getan. «, dachte Karl und sprach leise, » Ich will nicht wie mein Vater werden. « Karl zog die Beine an sein Gesicht und wiederholte leise, » Ich will nicht wie er werden. « Im ersten Moment begriff Johannes den Zusammenhang nicht, als er sich an daran erinnerte, wie er das erste Mal die Wunden, die blauen und grünen Flecken aufs Karl Körper sah. Über zwei Jahre waren seitdem vergangen. » Oh mein Gott. Karl. «, sagte er sanft, » Aber das wirst du nicht. « Aufmunternd legte er seinen Arm um Karls Schulter. » Du bist doch ganz anders als dein Vater. Du bist... «, nach einiger Überlegung, fügte er »...gut.« hinzu. »Ja, das bist du ein guter Mensch. «

Karl blickte ihn zweifelnd an. » Was wenn ich zuschlage und mich nicht mehr stoppen kann? «, fragte er flüsternd.

» Das wirst du nicht. «, widersprach Johannes, » So bist du nicht. «

» Das weißt du nicht. «, sagte Karl traurig. » Doch das weiß ich. Das bist nicht du, das könntest du nicht. Glaube mir, du bist nicht und wirst nie wie er sein. «

Karl blickte ihn traurig an, » Was, wenn doch? «

» Das wirst du nicht! Du musst einfach mehr an dich glauben! Vor allem, darfst du nicht einfach hinnehmen, wenn dir jemand weh tut. Verspreche mir, dass du dich ab jetzt wehrst, wenn dir jemand weh tut. « Er hielt Karl die Hand hin und wiederholte, » Verspreche es! «

Zögernd ergriff Karl die Hand und murmelte, » Versprochen. « Erschöpft legte er seinen Kopf an Johannes Schulter und Johannes legte seinen Kopf an Karls, wie schon so viele Male bevor. Doch schlagartig wurde ihm bewusst, dass es Karl war. Johannes sprang wie von der Tarantel gestochen hoch, » Ich muss los. « stammelte er, » Ich habe ganz vergessen, dass Papa in der Mühle auf mich wartet. «

» Alles gut. Ich leg mich kurz wieder hin und Johannes? «

» Ja? «

» Danke für deine Hilfe. «

Noch bevor Karl die Dankesworte zu ende gesprochen hatte, war Johannes schon verschwunden. Leicht irritiert legte sich Karl auf die Seite, die am wenigsten schmerzte und stöhnte auf. Sein Vater war wieder präsenter als lange zuvor. Sein Erbe schien ihm doch wieder einzuholen. Ob er es wollte oder nicht. Er dachte an Johannes und wie dieser sagte, dass er gut sei. Er wusste nicht warum, aber es machte ihm froh, dass es Johannes war, der ihm das sagte. Bei allen anderen hätte er den Worten gezweifelt aber nicht bei Johannes. Er hörte wie sich die Tür zu seinem Zimmer öffnete und er sah wie Anne eintrat. » Wie geht es dir? «, fragte sie ruhig.

» Schon besser. «, gab Karl verwundert zurück. Er wusste nicht, wann Anne sich das letzte Mal nach seinem Wohlbefinden erkundigt hatte.

» Ich werde in ein paar Tagen abgeholt. «, sagte sie.

» Aha. « Sie hatten verlernt sich normal zu unterhalten. Anne dachte lange nach, sie hatte sich die Worte bereits viele Male zurechtgelegt, doch jetzt kamen sie ihr nicht über die Lippen. » Ich...«, Karl wartete ab. » Es tut mir leid, was ich dir angetan habe. «, ihr schossen Tränen in die Augen. » Aber das was du zu mir gesagt hast, stimmt nicht.« Karl versuchte sich zu erinnern. » Was habe ich gesagt? «

» Das, das,... Vater mich nie angerührt hat. « Jetzt gab es für Anne kein zurück mehr. Sie weinte qualvoll. Karl wusste nicht wie er darauf reagieren sollte. Das war für ihn eine unbekannte Situation. Er konnte es nicht länger mit ansehen, stand auf und setzte sich zu Anne, die wie ein Häufchen Elend auf dem Boden saß. Zögernd legte er seinen Arm um ihre Schulter. Selbst daran konnte er sich kaum noch erinnern, wie es war, seine Schwester in den Arm zu nehmen. Das musste Jahre her gewesen sein. Im ersten Moment erstarrte sie unter der Berührung Karls, doch dann brach alles aus Anne heraus und Karl hörte ihr mit wachsenden Entsetzen zu.

» Warum hast du nie was gesagt? Ich hätte den Mistkerl umgebracht. «, äußerte sich Karl wütend.

» Ich konnte einfach nichts sagen. «

» Du hättest es mir sagen sollen! «

» Wie denn? Wie waren noch so jung. Wir konnten nichts tun. « Er traute sich nicht zu fragen, doch dann kam die Frage über seine Lippen, » Wusste Mutter davon? « Anne nickte schwach, » Deshalb hat sie uns so schnell weggeschickt, nachdem sie es wusste, hatte er nichts mehr unternommen. Mama muss geahnt haben, dass es nur eine Frage der Zeit war bis er wieder...«, sie stockte sie konnte nicht weiter sprechen.

» Hast du es ihr gesagt? «

Anne schüttelte mit dem Kopf. » Eines Morgens kam die Zofe in mein Zimmer. Sie hatte Vater vorher das Zimmer verlassen sehen, als sie mich und die blutigen Laken sah,...« Sie konnte nicht weiter sprechen. Schlug den Kopf gegen ihre Faust um die Bilder aus ihren Kopf zu bekommen. Karl musste sich zwingen zu handeln und sagte schließlich, » Ich habe als Bruder versagt, kannst du mir verzeihen? «

Anne erwiderte nichts. » Du konntest es nicht wissen. «, sagte sie. » Außerdem habe ich dich immer so schlecht behandelt. Leise sprach sie weiter, » Ich möchte nicht, dass jemand davon erfährt, hörst du? «

Karl nickte schwach.

» Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich genauso gelitten habe wie du. «

» Nein, hast du nicht. Du hast viel mehr ertragen müssen als ich...«, ihm versagte die Stimme. Dabei musste er jetzt der Stärkere von den ihnen sein. » Ich hoffe, ich kann es eines Tages wieder gut machen. «

» Du kannst doch nichts dafür. « Die Annäherung der Geschwister wurde unterbrochen als sie hörten wie die Müllers das Haus betraten. Anne wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. » Zu niemanden ein Wort, verstanden? « und verließ das Zimmer als die alte Anne.

Karls Kopf drohte zu zerplatzen. Am liebsten hätte er ihm gegen die Wand geschlagen um all das zu vergessen, was Anne ihm gerade anvertraut hatte. Doch das würde er nicht vergessen, nie vergessen können. Er hörte wie Johannes die Treppe hoch kam. Er legte sich ins Bett und schloss die Augen. Er musste jetzt alleine sein.

Bevor die Müllers zu Bett gingen, sahen sie noch einmal nach Karl. Sie waren so froh, dass er wieder ganz gesund wird.

Johannes legte sich schlafen ohne das er Schlaf fand. Er drehte sich von der einen auf die anderen Seite. Er setzte sich an sein Bettende und blickte rüber zu Karl, der scheinbar ruhig schlief. Karl lag schon die ganze Nacht ruhig zur Wand guckend. Nur hin und wieder streckte er sich.

Die Erkenntnis hämmerte noch immer in Johannes Gedanken. Er versuchte sich seiner Gefühle zu wehren. Das konnte und durfte nicht sein. Wieder blickte er zu Karl und sein Herz pochte wie wild. » Nein, das kann nicht sein. « Ihm wurde schlecht, er ertrug Karls Nähe nicht mehr. Er stand auf, nahm seine Decke und ging zur Scheune um dort ein bisschen Schlaf zu bekommen. Doch auch dort kamen seine Gedanken nicht zur Ruhe. Er legte sich ins Heu und blickte gedankenverloren in die Dunkelheit.

Karl hörte wie Johannes das Zimmer verließ und war zum ersten Mal froh darüber das Zimmer für sich zu haben.

Eine weitere Aussprache unter den Geschwistern fand nicht statt. Denn schon in der nächsten Nacht stand plötzlich ihre alte Zofe an der Tür um Anne abzuholen. Johannes wunderte sich sehr, dass Karl sich mit einer langen Umarmung von Anne verabschiedete. Das passte nicht zusammen. Er versuchte sich zu erinnern, wann er die beiden jemals so gesehen hatte und kam zu dem Schluss, das es heute zum ersten Mal war.

» Wir sehen uns nächstes Jahr. «, sagte Anne zu Karl.

» Sicher, bis in einem Jahr. «, aufmunternd lächelte er ihr zu. Nachdem sich auch die Anderen von Anne verabschiedet hatten, machten sich die Beiden vorsichtig in die Nacht auf.

Schon am nächsten Sonntag fiel den Kirchenbesuchern auf, dass Anne nicht in der Messe war. Dafür wurde Karl um so herzlicher empfangen. Die Müllers erzählten, dass Anne zu Heinrichs Schwester in die Stadt gegangen sei um dort zu arbeiten. Da sie nicht wirklich am Dorfleben teilgenommen hatte, war die Neuigkeit von keinem langen Interesse.

Die Wochen vergingen und der Winter hielt Einzug. Johannes versuchte, mit allen Mitteln, Karl aus dem Weg zu gehen. Der wiederum machte es Johannes ziemlich einfach. Er konnte einfach nicht vergessen, was Anne ihm erzählt hatte. Nach einiger Zeit war er zumindest froh darüber es zu wissen, denn so ergab einiges einen Sinn. Annes Verhalten, dass sich von einem auf den anderen Tag verändert hatte. Sie war ständig aggressiv und wollte nur noch mit Licht im Zimmer schlafen. Das seine Mutter ihren Vater getötet hatte, er hätte nicht anders gehandelt. Er liebte seine Mutter nur noch mehr.

Elisabeth und Heinrich machten sich zunehmend Sorgen um ihre Jungs. Der eine war kaum noch zu Hause und der andere war so grüblerisch wie in den Tagen als er bei ihnen einzog. Schließlich nahmen sich beide ein Herz und Elisabeth sprach mit Karl und Heinrich mit Johannes.

Elisabeth schnappte sich Karl, als er Annabell striegelte und fiel gleich mit der Tür ins Haus. » Karl, ich möchte gerne wissen, was mit dir los ist? Irgendwas bedrückt dich doch. « Bevor er überhaupt antworten konnte, sagte sie noch » Und komm mir nicht damit, das alles in Ordnung ist, dass ist es nicht. « Sie vermutete, dass es einen Streit zwischen ihm und Johannes gegeben haben muss, da sich beide Jungs in letzter Zeit komisch benahmen. Karl wollte das Versprechen, das er Anne gegeben hatte, nicht brechen. » Ach, ich muss in letzter Zeit so oft an Mutter denken. « Elisabeth, konnte nicht glauben, dass das alles war und antwortete. » Was genau ist denn der Grund, dass du so oft an deine Mutter denkst? «

Karl atmete tief durch, » Darüber möchte ich nicht sprechen. « Ihm fiel auf die Schnelle keine passende Antwort ein.

» Karl, das kann so nicht weitergehen. Du bist genauso traurig wie in den ersten Wochen, als du zu uns gekommen bist. Da muss doch etwas vorgefallen sein. Hat es mit dem Überfall auf dich zu tun oder was ist der Grund? Du musst uns verstehen. Wir machen uns einfach große Sorgen. «

Er setzte sich auf einen der Heuballen und bat Elisabeth sich neben sich zu setzen. Er schwieg. Sollte er sein Versprechen zu Anne brechen? Karl gab sich einen Ruck und vertraute sich Elisabeth an.

Mit Grauen hörte Elisabeth den Schilderungen Karls zu. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Ihr stiegen Tränen des Zorns und der Trauer in die Augen. Als Karl geendet hatte, nahm sie ihn in den Arm. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Es war einfach zu schrecklich. Gerne hätte sie jetzt auch Anne in den Arm genommen, aber das ging nicht mehr. Karl war froh, sich Elisabeth anzuvertrauen. Eine Schwere Last fiel von ihm ab. Er bat Elisabeth darum niemanden davon zu erzählen. » Das musste ich Anne versprechen. «

» Das kann ich nicht tun. Es tut mir leid. «

Karl blickte sie verletzt an. » Keine Angst, ich werde es nicht herumerzählen. Das weißt du! Aber Heinrich werde ich das nicht verschweigen. Er machst sich um dich genauso Sorgen wie ich und er hat ein Recht das zu erfahren, meinst du nicht? «

Karl nickte. » Ist gut. Aber sonst niemanden. Bitte. «

Elisabeth nickte. » Wenn so etwas schlimmes passiert, muss man darüber reden und sich Hilfe holen. «, meinte sie. » Du hast doch jetzt selbst erfahren, wohin es führt, wenn man so etwas Schreckliches für sich behält. Denke nicht, dass ich dir und Anne einen Vorwurf mache. Ihr wart noch Kinder. Ihr wusstet es einfach nicht. Mein Gott, er tut mir so leid. «

Sie nahm Karl erneut in den Arm. » Ich kann deine Mutter jetzt noch besser verstehen. Ich hätte nicht anders gehandelt. Ich bin sehr stolz auf sie und auch auf dich. «

Karl war ganz gerührt. » Ich bin auch stolz auf Mama. «

Für den Moment wurde genug gesprochen und Beide blieben einfach in ihrer Umarmung sitzen. Schließlich machte sich Annabell bemerkbar, die immer noch angekettet war um zu Ende gestriegelt zu werden.

» Vielen Dank! Elisabeth. «

Elisabeth lächelte ihn an. » Jederzeit. Das weißt du, oder? «

» Ja, natürlich. Das sagst du mir oft genug. «, er lächelte, zum ersten Mal, wieder.

» Ach komm her. « und wieder umarmte sie ihn. Bis sie ihn schließlich frei gab. Auf dem Weg zum Haus, machte sie sich die gleichen Vorwürfe wie Karl. Sie hätte doch was ahnen müssen und wieso in Gottes Namen hat ihnen Heinrichs Schwester nichts gesagt. Sie hätten sich mit Anne dann noch mehr Mühe gegeben. Sie musste dringend mit Heinrich sprechen. Als sie das Haus betrat, war Heinrich in der Küche und sagte gleich, » Mir hat Johannes leider nichts gesagt. Er meinte nur, dass nichts wäre und er einfach viel zu Arbeiten habe. Es tut mir leid. Eventuell solltest du... « Erst jetzt bemerkte er, wie aufgewühlt Elisabeth war.

» Was ist passiert? «, fragte er aufgebracht. Sie eilte zu ihrem Mann und weinte voller Leid. Heinrich, dem nicht wusste wie ihm geschah, nahm seine Frau tröstend in dem Arm. Die ihm langsam und stockend erzählte, was sie von Karl erfahren hatte. Heinrich war einfach nur fassungslos und schlug wütend mit der Faust auf den Tisch. » Dieser verdammte Drecksack. «

Über das was mit Anne geschehen ist, vergaßen sie, erneut mit Johannes zu sprechen.

Karl konnte den nötigen Abstand gewinnen und dank Elisabeths Hilfe fand er zu seiner alten Leichtigkeit zurück. Zwar nicht ganz, es war einfach zu viel passiert, aber er konnte wieder anfangen sein Leben zu leben. Leider musste er feststellen, dass sein Verhältnis zu Johannes gelitten hatte. Doch bevor er mit Johannes sprechen konnte stand bereits das Frühjahrsfest mit Hochzeit an. Und Bruno kam jeden Abend vorbei um Tanzstunden bei Karl zu nehmen. Marie war natürlich wieder mit vollen Tatendrang dabei. Nur Johannes machte sich rar. Während Karl krank im Bett lag, hatte Bruno endlich den Mut gefunden Magtha einen Antrag zu machen.

Am Morgen des Frühjahrsfestes machten sich alle gemeinsam zur Kirche auf. Heute würde die Trauung stattfinden. Im Dorf war es die erste Hochzeit seit langem. Das Fest mit Hochzeit fand dieses Jahr auf Grund der Ausgangssperre direkt nach der Messe am Vormittag statt. Überglücklich eröffneten Magtha und Bruno den ersten Tanz. Die Leute staunten nicht schlecht mit welcher Leichtfüßigkeit der Bräutigam sich plötzlich über die Tanzfläche bewegte. Auch Magtha war angenehm überrascht. » Das steckte also hinter deinen täglichen Ausflügen zur Mühle. «, stellte sie glücklich fest.

» Erwischt, was habe ich nur für eine schlaue Frau. « Unter den argwöhnischen Augen von Johannes und Karl versuchte einer der jungen Knaben Marie zum Tanz zu gewinnen, doch diese tanzte wie gewohnt mit Isabell.

Beide atmeten erleichtert auf und mussten laut darüber lachen. Ganz wie ihn den alten Zeiten verstanden sie sich blind. Doch die Annäherung der Beiden wurde sofort unterbrochen, da sich weiße Ritter näherten. Als Karl Johannes Arm streifte um ihn auf die ankommenden weißen Reiter aufmerksam zu machen, durchfuhr ihm ein leichtes kribbeln. Besorgt blickten sie den Rittern entgegen. » Weiße Ritter bedeuten nichts Gutes. «, flüsterte Johannes.

Karl nickte zustimmend.

Die Musik wurde unterbrochen als die sechs weißen Reiter deutlich zu erkennen waren. Der Lärm der Feste erstarb ganz, als sie auf dem Marktplatz halt machten. Karl stand einem der Reiter direkt gegenüber. Er brauchte nur die Hand auszustrecken um das Pferd des Ritters zu berühren. Die Atmosphäre wurde schlagartig angespannt. Einer der Reiter lenkte lautstark die Aufmerksamkeit auf sich. » Heute muss unser Glückstag sein. Unser König wird sich sicherlich freuen, dass wir sein neues Gesetz gleich umsetzen können. « Dabei grinste er das Brautpaar höhnisch an.

» Wir verlesen nun das neue Gesetz des Königs. Mit sofortiger Wirkung gibt der König bekannt, dass sobald eine Hochzeit in seinem Königreich vollzogen wird. Er von dem alten Brauch des Brautpfandes Gebrauch macht, was heißt, das jede Braut die Hochzeitsnacht mit dem König verbringen muss. Jeder der sich gegen das Gesetz stellt wird aufs äußerste bestraft. «

Ein erbosten Raunen ging durch die Menge. Sofort stellte sich Bruno schützend vor seine Frau als der Reiter, der vor Karl stand und ein weiterer von ihren Pferden abstiegen und auf das Brautpaar zuschritten.

» Das können die doch nicht machen. «, kamen vereinzelte Rufe. Der Reiter zu Pferd blickte sich nach den Leuten um und ließ und laut und deutlich vermerken, » Wer sich gegen das Gesetz stellt wird bestraft. Sonst noch jemand? «, wütend blickte er in die Menge. Augenblicklich herrschte Stille. Einer der beiden Reiter fackelte nicht lange und streckte Bruno mit einem festen Hieb zu Boden. Der andere erfasste Magtha grob. Diese wehrte sich mit Händen und Füßen gegen den weißen Ritter. Die anderen Ritter behielten die Dorfbewohner im Auge, die ihren Unmut Luft machten. Karl sah die verzweifelte Angst in den Augen der Braut. Als der weiße Ritter mit Magtha auf seiner Höhe war, entzog er ihm blitzschnell sein Schwert.

Karl legte die Klinge des Schwertes an die Kehle des Ritters, der Magtha mit sich schleifte. Der Reiter, der die kühle Klinge an seiner Ader spürte, hielt abrupt inne.

» Sie wird nicht mit euch gehen. «, sagte Karl in einem ruhigen Tonfall. Mit einem Schlag war es mucksmäuschenstill. Nur das Schnaufen der Pferde war zu hören. Die Stille wurde durch das höhnische Lachen des weißen Ritters zu Ross unterbrochen. » Du hast uns nichts zu sagen. «

» Ich vielleicht nicht, aber euer König. «, unterbrach ihn Karl, der gar nicht wusste woher er den Mut nahm.

Den Müllers gefror das Blut in den Adern.

Die Augen des Reiters verengten sich zu hasserfüllten Schlitzen, » Euer König, hat das Gesetz mit sofortiger Wirkung erlassen, was bedeutet, dass es heute morgen als die beiden getraut wurden, noch nicht Rechtens war. Somit befiehlt euch, euer eigener König, die Braut hier zulassen oder willst du dich deinem König widersetzen? «, fragte Karl nun nervös. Der merkte, das seine Aussage gar keinen Sinn ergab, aber was sonst sollte er tun?

» Richtig. «, schrie es von hinten aus der Menge und es kam Bewegung auf. Drei Freunde Bodos fielen überraschend über den anderen Ritter her, der mit den Rücken zu ihnen stand und entrissen ihm sein Schwert. Zwei weitere Ritter konnten überrumpelt werden. Der Reiter zu Ross merkte, dass ihm die Situation entglitt. Sein Hass war spürbar. Nur er und noch ein anderer Ritter waren zu Ross und hatten ihre Waffen. Er wusste wozu ein Mob fähig sein könnte. » Lass sie los. «, befahl er den Ritter, der trotz der Klinge am Hals, Magtha noch immer festhielt. Er gehorchte.

» Jetzt gebt uns eure Schwerter. «, forderte Karl die verbleibenden Ritter auf. Da sie bereits verloren hatten, lagen die beiden Ritter ihre Waffen nieder. Danach ließen die Dorfbewohner die Ritter wieder zu ihren Pferden. Noch im wegreiten drohte der weiße Ritter, » Das wird euch noch leid tun. « und zu Karl sagte er warnend, » Glaube mir, dein Gesicht werde ich nicht vergessen. «

Nachdem die weißen Ritter nicht mehr zu sehen waren, fiel Magtha Karl erleichtert um den Hals. Beide purzelten erschöpft zu Boden. » Vielen, vielen Dank. Ich weiß nicht wie ich dir danken soll. «, flüsterte sie ihm weinend zu. Nach und nach löste sich die Menge auf und jubelten Karl und den Männern zu. Marie machte es Magtha nach und fiel Karl stürmisch um den Hals.

» Mach nie wieder so einen Scheiß. «; raunte ihm Johannes zu und umarmte ihn. » Hörst du? «

Karl erwiderte nichts.

Auch Elisabeth und Heinrich schlossen sich den Worten Johannes an. » Erschrecke uns nie wieder so sehr. Wir dachten schon, wir würden dich verlieren. «, schluchzte Elisabeth und ließ ihren Tränen freien Lauf. Erst wurde Karl zusammen geschlagen und jetzt legte er sich auch noch mit den weißen Rittern an, das war selbst für Elisabeth zu viel.

Als sich die erste Aufregung gelegt hatte, war niemanden mehr nach feiern zumute. Sorge machte sich bereit, was wenn die weißen Ritter ihre Drohung wahr machten? Sie wurden unruhig. » Was hätten wir denn anderes tun sollen? «, fragte Brunos Vater wütend. » Ihnen Magtha etwa mitgeben??? «

» Nein, natürlich nicht, aber... «

» Es gibt kein aber...«, unterbrach ihn Bruno.

» Jeder geht jetzt nach Hause und besorgt sich Waffen, mit denen er sich zur Not wehren kann. Und wir stellen Wachen auf, sollten die Ritter zurückkommen, können wir uns untereinander warnen. «, meinte der Dorfälteste.

» Aber kaum jemand von uns hat Waffen. «, warf jemand ein.

» Nehmt alles, was ihr habt, Mistgabeln, Äxte, Hammer, alle womit ihr euch irgendwie verteidigen könnt. «

» Diejenigen von euch die alleine leben oder zu alt sind, geht zu euren Nachbarn. Wir müssen jetzt zusammen halten. «, meinte ein anderer.

Überall herrschte Zustimmung und die Bewohner machten sich auf den Weg zu ihren Häusern.

Zwei der Schwerter schnappte sich Johannes. Auch mit der Hoffnung, dass er Karl endlich davon überzeugen konnte ihm zu lehren, diese zu benutzen.

Am gleichen Abend nahmen sich Elisabeth und Heinrich Karl zum Einzelgespräch vor.

» Was hast du dir nur dabei gedacht? « Sie und Heinrich konnten noch immer nicht Glauben, was sich heute zugetragen hatte.

» Als ich die Angst in Magthas Augen sah, musste ich an Anne denken und ich musste einfach handeln. Ich habe schon als Bruder versagt. «

» Aber nicht doch! Du warst doch selber noch ein Kind, du konntest es nicht wissen. «, erwiderte Elisabeth. Heinrich nickte zustimmend.

» Ich hätte es merken müssen. «

» Bitte mache dir keine Vorwürfe. Du hattest selbst dein Kreuz zu tragen. «, schloss Elisabeth.

Karl schüttelte mit dem Kopf. » Das entschuldigt nichts. Ich hätte es merken müssen. «

Besorgt blickte Elisabeth zu Heinrich. » Bürde dir nicht die Dinge auf, für die du nichts kannst. «, sagte Heinrich. » Einzig und allein dein Vater wird sich verantworten müssen. «

» Für das was er getan hat, wird er hoffentlich in der Hölle schmoren. «, fügte Elisabeth hinzu. Karl nickte nur » Hoffentlich. Kann ich jetzt zu Bett gehen? Ich bin total erschöpft «

» Nein, noch nicht. Erst... « Karl machte sich schon auf die nächste Standpauke gefasst, doch da sah er Heinrich grinsen. » Was? «, fragte er.

» Erst gibst du uns eine ganz dicke Umarmung und verspricht uns dich nicht wieder in Gefahr zu begeben. «

Karl lachte erleichtert. » Versprochen. « Seine gekreuzten Finger versteckte er in der Hosentasche und gab den beiden ihre Umarmung. Er war froh darüber so herzlich in diese Familie aufgenommen worden zu sein. Er wischte sich die Tränen beiseite. Dafür wurde er zu alt.

Noch lange waren die Geschehnisse Gesprächsthema. Doch als auch Wochen später noch keine Vergeltung der weißen Ritter in Sicht war, gingen die Bewohner, einigermaßen beruhigt, ihren täglichen Arbeiten nach. Trotzdem bildeten einige der Dorfbewohner Gruppen um das Dorf zu bewachen. Doch es rührte sich nichts. Als sich der weiße Ritter bei König Richard beschwerte und um Vergeltungsmaßnahmen bat, wurde dieser umgehend in seinem Rang abgestuft.

» Du lässt dich von so ein paar Dorftrotteln herum schikanieren? Du hast es nicht anders verdient. Jeder andere hätte mir die Frau gebracht. Du kannst von Glück reden, das ich genügend Frauen zur Verfügung habe. Ansonsten würdest du den Raum nicht lebend verlassen und nun geh mir aus den Augen. « Eiligst verließ der Ritter den Thronsaal.

Johannes hätte sich nie verzeihen können, wenn Karl etwas passiert wäre. Allein der Gedanke daran, das Karl hätte tot sein können ließ ihn erschauern. Die Vorstellung, dass Karl nicht mehr da war stimmte ihn traurig, denn ihm wurde bewusst, dass es tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit war, bis Karl von den schwarzen Rittern abgeholt werden würde. Er vermied es wieder in Karls Nähe zu sein. Nachts kam er erst spät nach Hause oder schlief einfach in der Scheune. Als er eines Morgens in der Scheune erwachte, erschrak er. Karl stand mit verschränktem Armen vor ihm.

» Habe ich dir irgendwas getan? «, fiel Karl gleich mit der Tür ins Haus.

» Oh Mann erschrecke mich doch nicht so und nein. Wie kommst du darauf? « Er stand auf und versuchte sich an Karl vorbei zu schieben, doch der versperrte ihm den Weg.

» Ich habe das Gefühl, dass du mir aus den Weg gehst. «

» Das ist doch Quatsch. «

» Ist es nicht, selbst jetzt weichst du mir aus. « Er machte einen Schritt auf Johannes zu, so dass, sie sich Auge in Auge gegenüberstanden. » Ach was, das bildest du dir ein, « versuchte Johannes seine Unsicherheit zu überspielen, » Ich habe in letzter Zeit einfach viel zu tun. «

» Das haben wir alle «, unterbrach ihn Karl. » Trotzdem, wir arbeiten nicht mehr zusammen. Du schläfst in der Scheune. «

» Ist mir gar nicht aufgefallen. «

» Mir schon. «, bohrte Karl nach. Johannes fühlte sich in die Enge getrieben und sagte schroff, » Ist vielleicht auch besser so, du bist eh nicht mehr lange da, dann muss ich die ganze Arbeit sowieso wieder alleine machen. « Dabei schubste er Karl beiseite, verließ die Scheune und ließ Karl verblüfft und ratlos zurück. Immer noch wütend ging Johannes ins Haus um sich für den Tag fertig zu machen. Marie fing ihn ab als er an ihrem Zimmer vorbei ging.

» Was ist in letzter Zeit nur los mit dir? «, fragte sie.

» Fang du nicht auch noch an. Nichts ist los. «

» Und ob, du bist so unausgeglichen und mürrisch, so kenne ich dich gar nicht, also...? «

» Ist momentan halt viel Arbeit. «

» Genau wie sonst auch. Das kann es nicht sein. « Fragend blickte Marie ihren großen Bruder an. Da, der immer noch keine Anstalten machte, sich zu äußern, dachte sie laut, » Wenn ich so Recht überlege, bist du so seit dem Frühjahrsfest. Ja, genau, das ist es. «

» Das hat damit gar nichts zu tun. «, unterbrach Johannes sie sofort.

» So, wenn also nicht mit dem Fest, mit was dann? Kannst du es nicht haben, dass Karl wie ein Held gefeiert wird? «

» So ein Blödsinn, das hat er sich doch verdient. «

» Was ist es dann? Ach, komm schon Brüderchen muss ich dir alles aus der Nase ziehen? « Johannes schwieg eisern. » Du kannst mir nichts vormachen, also sag schon, was ist los? «, bohrte Marie weiter nach.

» Lass mich einfach in Ruhe. Noch Fragen? Oder kann ich mich endlich fertig machen? «, sagte er launisch und ließ Marie einfach stehen. Elisabeth und Heinrich konnten den Gespräch der Beiden in ihrem Zimmer mit anhören.

» Elisabeth, kannst du nicht mal mit unseren Sohn sprechen?, fragte Heinrich. » Mir sagt er genauso wenig wie Marie. «

» Ich werde es versuchen. « Elisabeth ahnte nur zu Gut, was in ihrem Sohn vorging. Doch Heinrich würde sie erst davon erzählen, wenn sie Gewissheit hatte. Sie legte sich eine Taktik zurecht, wie sie ihren Sohn aus der Reserve locken konnte.

Als Johannes zu später Stunde versuchte sich ins Haus zu schleichen, erwartete ihn schon seine Mutter.

» Tut mir leid, ich war noch bei Bruno und Magtha «, fing er an.

» Komm setz dich zu mir. Ich würde dich ja wie früher, wenn dich was bedrückt hat, auf den Schoss nehmen, aber leider bist du dafür mittlerweile zu groß. «, lachte sie. Damit war das Eis gebrochen. » Also, was bedrückt dich? «

Kurz zögerte er. Doch dann fiel ihm ein Stein vom Herzen. Endlich konnte er mit jemanden darüber sprechen. Leise fragte er seine Mutter, » Was, wenn ich jemanden liebe, den ich nicht lieben darf? «

» Aha. Da drückt der Schuh. «, seine Mutter lächelte.

Johannes verdrehte die Augen » Ich habe nichts gesagt. « und wollte schon gehen, als Elisabeth ihn aufhielt.

» Du musst schon genauer werden, mein Sohn, warum darfst du jemanden nicht lieben? Das ergibt für mich keinen Sinn. « Als ihr lächeln plötzlich erlosch, » Doch wohl keine verheiratete...«

» Nein! Mama. «

Elisabeth atmete auf. » Du bist in letzter Zeit ganz schön oft bei Bruno und Magtha..«

» Ich sagte nein. «

» Tja, wenn es das nicht ist. Meinst du nicht, dass ein verheiratetes Paar auch mal Zeit für sich braucht? «

Johannes wurde rot, darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht.

» Da könntest du Recht haben. «, räusperte er sich.

» Bleiben wir beim Thema, wen liebst du den du nicht lieben darfst? «

Johannes schluckte. Eventuell sollte er die Sache doch lieber für sich behalten. Als ihr Sohn keine Anstalten machte sich zu äußern, ergriff Elisabeth das Wort. » Dann bleibt nur noch eines. « Johannes Herz pochte wie wild, » Wusste seine Mutter etwa Bescheid? «

» Sie ist nicht aus unserem Stand, oder? « Johannes nickte, » Immerhin stimmte das auch. Irgendwie. «, dachte er.

Elisabeth überlegte bevor sie ihrem Sohn antwortete »Wenn du sie wirklich liebst, dann wird es eine Lösung geben. Liebt sie dich denn auch? «, fragte Elisabeth neugierig.

Johannes blickte sie erstaunt an und zuckte nur mit den Schultern.

» Wie? Du weißt es nicht? «

Johannes stammelte, » Ich habe, « ,er stockte, » ihr noch nichts gesagt. «

Elisabeth lachte, » Aber du glaubst schon, dass sie dich auch liebt? «

Johannes runzelte die Stirn. » Das habe ich mich, ehrlich gesagt, nicht gefragt, weil es doch sowieso sinnlos ist. «, schloss er traurig.

» Sag das nicht, Liebe ist nie sinnlos. Es wird einen Grund haben, warum du dich ausgerechnet ihn das Mädchen verguckt hast. « Bevor Johannes etwas erwidern konnte, nahm ihm seine Mutter in den Arm. » Oder soll ich besser Jungen sagen? « und blickte ihm liebevoll an.

Sofort stieg Johannes die schamesröte ins Gesicht und stammelte, » Wie kommst du denn darauf? «

» Weil ich deine Mutter bin. « Sie küsste ihn auf die Stirn. » Und wenn ich mich nicht komplett täusche, empfindet er dasselbe für dich. « Johannes wusste nicht wie er reagieren sollte, seine Gedanken schlugen Purzelbäume. » Sieh mich nicht so entsetzt an, man muss schon blind sein um nicht zu sehen, was ihr füreinander empfindet. «

» Du glaubst,...«

Elisabeth lächelte, » Ja, das glaube ich. «

Erleichtert und ängstlich zugleich fiel er seiner Mutter um den Hals. » Danke. Und du hasst mich jetzt nicht? «

» Oh mein Gott. Natürlich nicht. Du bist mein Sohn wie könnte ich dich hassen? « Johannes fiel ein riesengroßer Stein von Herzen. » Aber ihr müsst vorsichtig sein, du weißt, dass nicht alle Menschen so denken und es steht Strafe darauf und ich will keinen von euch Beiden wegen einer Dummheit verlieren! Hast du mich verstanden? «

»Ja, natürlich. Mach dir keine Sorgen. «

Das war einfacher gesagt als getan. Sie hatte den Eindruck, das sie mehr Sorgen in ihrem Leben hatte als jemals zuvor. Zum einen musste sie damit rechnen, das die weißen Ritter ihnen ihre Sohn wegnehmen, wenn König Richard bis dahin nicht gestürzt war. Dann stand der Putschversuch in den nächsten Monaten an. In dem Karl die wichtigste Rolle spielte. Ihre Sorgen um Anne und wie Anne jemals wieder glücklich werden sollte und jetzt musste sie ihren verliebten Sohn und Karl davor beschützen, dass sie nicht verletzt wurden. Ganz zu schweigen von den hohen Abgaben, die sie zu leisten hatten. Sie betete jeden Abend zu Gott, das er ihre Familie beschützte und sie hoffte inständig, das er sie erhörte. Es standen schwere Zeiten bevor.

Johannes wollte nur noch so schnell wie möglich zu Karl, doch als er auf den Weg ins Zimmer war, überkamen ihm wieder die Zweifel. Was, wenn Mama sich irrte? So machte er kehrt und schlief wieder in der Scheune. Gebeutelt von der kurzen Nacht gab er sich schließlich einen Ruck. Heute würde er mit Karl sprechen. Doch während des Tages fand er keinen guten Zeitpunkt um sich Karl anzuvertrauen. Am Abend machte wie gewohnt seinen Abstecher zu Magtha und Bruno um ihnen zu sagen, dass sie ab jetzt mehr Zeit für sich hätten. » Ach so ein Unsinn, Johannes. Du bist hier gerne gesehen. «, sagte Magtha gleich.

So kam er, trotzdem, wieder spät zurück. Wie immer musste er aufpassen, dass ihn niemand erwischte, da die Ausgangssperre schon lange überschritten war. Nervös betrat Johannes das gemeinsame Zimmer, musste aber feststellen, das Karl nicht da war. Unruhig ging er zur Scheune, wo sonst, sollte er um diese Zeit sein? In der Scheune stieg er zum Heuboden auf. Johannes sah wie Karl an der Heuklappe saß und gedankenverloren in den klaren Sternenhimmel blickte. Er ging auf ihn zu und setzte sich neben ihm. Schweigend saßen sie da. Johannes legte seine Hand auf Karls Stirn, ein wohliges Kribbeln durchfuhr seinen Körper. » Erzählst du mir, was darin vorgeht? «, fragte er und nahm seine Hand zurück.

Verwundert blickte ihn Karl an. » Du sprichst mit mir? «

» Tut mir leid.«, sagte Johannes.

Sie schauten sich an. Johannes lächelte ihn an und für Karl war alles wieder gut. » Wieder Freunde? «, fragte Johannes und hielt ihm seine Hand hin. Karl ergriff diese, nickte und ließ sie wieder los. » Also, fragte Johannes, an was denkst du? «

» Erinnerst du dich noch an dem Tag am See, als ich dir sagte, dass ich kein König sein will? «

Johannes nickte.

» Ich meine das ernst, ich will kein König sein. «, sagte er mit Nachdruck und verfiel wieder ins Schweigen. Innerlich machte er sich schon auf die gewöhnliche Standpauke von Johannes bereit, als dieser überraschend fragte, » Sondern? « Karl blickte ihn verständnislos an. » Na was willst du werden, wenn nicht König? Irgendwas musst du ja machen. «

» Verspreche mir nicht zu lachen. «

» Versprochen. «

» Ehrenwort? «

» Ehrenwort! «

»Ich wäre lieber, äh,... Müller. « Johannes konnte sich das grinsen nicht verkneifen. Karl gab ihm einen freundschaftlichen Klaps gegen die Schulter » Du hast es versprochen. « und musste selber schmunzeln. So dass beide gleichzeitig laut los lachten. Erst nach einigen Minuten beruhigten sich die beiden wieder. Johannes wischte sich die letzten Lachtränen aus dem Gesicht und wurde wieder ernster. » Aber warum ausgerechnet Müller? «

» Mir gefällt die Arbeit, auch wenn mit oft am Abend alle Knochen weh tun, aber wenigstens weiß ich, dass ich was sinnvolles geschafft habe. Außerdem...«, er stockte. Er wusste, dass er jederzeit von dem Gefolge seiner Mutter abgeholt werden konnte. Sollte er?

Als Johannes nachhakte, » Und außerdem? «

Karl warf alles in die Waagschale, auch wenn er die gerade wieder gewonnene Freundschaft zu Johannes riskierte. » Außerdem kann ich dann in deiner Nähe sein. «

Karl war so froh, dass es endlich raus war. Gleichzeitig machte sich angst in ihm breit. Sein Herz pochte wie wild. Johannes saß verstummt neben ihm. Er verfluchte sich innerlich, wie konnte er nur so dumm sein und versuchte die Situation zu retten. » Ich meine, also... «

» Das halte ich für einen sehr guten Grund. «, unterbrach ihn Johannes.

Karl verschlug es die Sprache. Schüchtern blickten sich die beiden an. Langsam näherten sie sich und küssten sich zaghaft. Lächelnd blickten sich die beiden an, küssten sich erneut. Nun mit der ganzen Liebe die sie füreinander empfanden. Zärtlich lösten sie sich von einander. Noch ganz benommen von den ihnen ausgesprochenen Gefühlen füreinander. » Uns fällt schon was ein, wenn es soweit ist. «, sagte Johannes. » Aber jetzt sollten wie zu Bett gehen, wir werden kaum noch Schlaf bekommen. « Er griff nach Karls Hand. Der konnte sein Glück kaum fassen. Hand in Hand gingen sie zurück in ihr Zimmer. Dort legten sie sich in Johannes Bett. Küssten sich lange und schliefen eng umschlungen und glücklich ein. Als Karl am nächsten morgen erwachte hielt Johannes ihn immer noch in seinen Arm. Karl war verunsichert, ihm kam es vor, als hätte er alles nur geträumt. Doch der Morgenkuss von Johannes wischte alle seine Zweifel beiseite. » Guten Morgen. «

» Wir müssen aufstehen. «

» Ich will noch nicht. « und Karl kuschelte sich an Johannes

» Ich auch nicht. «

Schweren Herzens lösten sie sich voneinander. Als sie leicht verspätet, in gemeinsamer Zweisamkeit zum Frühstück erschienen, blickten die anderen sie verwundert an. » Was? «, fragte Johannes.

» Das gleiche wollte ich auch gerade fragen. «, sagte Heinrich.

» Ihr strahlt richtig. «, merkte Marie an.

Sie lächelten sich an. » Wir haben und wieder vertragen. «

» Na, das wurde aber auch Zeit. «, sagte Elisabeth schnell und dachte, wie sollen die Beiden nur schaffen nicht aufzufallen oder fiel es nur ihr so extrem deutlich auf, dass die beide ineinander verliebt waren?

Von nun an waren die Beiden noch enger verbunden als zuvor. Sie genossen jede freie Minute die sie miteinander hatten. Verstecktes Hand halten unterm Esstisch. Heimliche Küsse während der Arbeit. Ein streicheln hier, ein lächeln da. Von nun an schliefen sie jede Nacht zusammen ein. Elisabeth erzählte ihrem Mann, das Johannes und Karl ineinander verliebt seien. Er fiel aus allen Wolken. Er hatte mit einigem gerechnet, aber ganz bestimmt nicht damit. Nach einer anfänglichen Distanziertheit Heinrichs gegenüber seinen Jungs, lernte er mit der Situation umzugehen. Elisabeth machte ihm klar, dass das ganz normal sei und er sich für die Beiden freuen sollte. Was er nach einigen Wochen auch aus ganzen Herzen tat. Marie nahm die Sache ganz gelassen hin und freute sich ebenfalls riesig für die Beiden.

Der Herbst ging ist Land und es dauerte nicht mehr lange und Johannes siebzehnter Geburtstag stand ins Haus, was auch bedeutete, das Karl bald von den schwarzen Rittern abgeholt werden würde. Langsam mussten sie sich mit den Gedanken auseinander setzten, getrennt zu werden.

» Bringst du mir bei mit einem der Schwerter zu kämpfen? «

» Nein. «

» Aber ich habe dir auch das Schwimmen beigebracht. «

» Das kannst du doch nicht miteinander vergleichen. «

» Wenn es zur Schlacht kommt, kann ich mich wohl schlecht mit einer Holzlatte oder nen Hammer verteidigen, oder? « Über das Argument dachte Karl lange nach.

Die Vorstellung das Johannes etwas passieren könnte war unerträglich. Er gab sich einen Ruck. » Na schön. Du hast Recht. «

Johannes glaubte sich verhört zu haben. » Wie bitte? «
» Ich sagte, du hast Recht. Ich bring es dir bei...« Das brauchte Karl kein weiteres Mal sagen und Johannes lief los.

» Was ist denn jetzt? Wo willst du hin? «, rief er ihm hinterher.

» Die Schwerter holen. « Weg war er.

Karl atmete tief durch. Zwei Minuten später stand schon Johannes mit dem Schwertern vor ihm und forderte ihn auf. » Lass uns anfangen. «

» Also gut. » Karl nahm das Schwert. Es fühlte sich schwer an, er musste sich erst wieder an ein Schwert in seiner Hand gewöhnen. Mit einem Schwert wie diesen hatte er noch nie trainiert. Die meiste Zeit hatte er nur gefochten und weil er noch jung gewesen ist, mit sehr viel kleineren Waffen. Aber schnell fand er die Mitte des Schwertes.

Johannes wurde ungeduldig, » Was ist denn jetzt? «

Karl nickte. » Als erstes, muss du dich mit deinem Schwert vertraut machen. Es fühlen. Es muss sich quasi mit dir verschmelzen. Nicht dein verlängerter Arm werden, sondern Teil von dir. «

Johannes blickte Karl entgeistert an. » Meinst du das ernsthaft? «

» Natürlich. Dein Schwert wird ab jetzt dein bester Freund und dein größter Feind zugleich werden. «

» Du wirst jetzt aber nicht verrückt, oder? «

Karl schritt schnell auf Johannes zu, küsst ihn und sagte, » Mach jetzt. « und holte zum ersten Angriff aus. Damit begann das Training.

Gleich am Abend merkte Heinrich an, » Ihr seid zu laut, wenn eure Schwerter aufeinander treffen. Das ist nicht gut. Wenn euch weiße Ritter hören, bekommen wir richtig Ärger. Ihr müsst in der Scheune trainieren und euch was überlegen, damit der Hall der Schwerter nicht zu laut wird. «

Johannes fragte überrascht, » Dann hast du nichts dagegen, das wir üben? «

Heinrich, der genau wie Karl gegen jegliche Art von Waffen ist, erwiderte, » In diesen Zeiten nicht. Ich bin froh, wenn wir uns verteidigen können. «

» Wir? «, fragte Johannes

» Ab morgen trainiere ich mit euch, wenn ihr nichts dagegen habt. «

» Nein, natürlich nicht. «, äußerte sich Karl sofort.

Und so trainierten die Männer jeden Abend nach getaner Arbeit und die Jungen sobald sie zwischendurch Zeit fanden. Einschließlich Sonntags, was Elisabeth gar nicht gerne sah. Nach einigen Tagen gesellte sich auch Bodo dazu und Karl führte sie alle in die Kunst des Kämpfens mit dem Schwert ein. Oft sah Marie den Männern dabei zu. Sie selbst konnte nicht daran teilnehmen, weil die Schwerter zu schwer waren. Hin und wieder blickte auch Elisabeth vorbei. Immerhin hatte sie die Idee, die Schwerter mit Leinen zu umwickeln, damit das Schlagen von Stahl auf Stahl nicht mehr so laut zu hören war. Dadurch erfuhr niemand, was in der Scheune der Müllers vor sich ging.

Eines Abends in Bett meinte Karl » Schon komisch, dass mir das mit dem Schwertkampf noch so leicht fällt. «

» Wenn dir das von klein auf an immer eingetrichtert wurde. Geschadet hat es dir nicht. Aus dir ist noch ein anständiger Kerl geworden. «, sagte Johannes schelmisch.

» So, so meinst du? «, kontere Karl

» Selbstverständlich oder meinst du ich hätte mich sonst in dich verliebt? «, sagte er nun zärtlich.

Karl lächelte ihn glücklich an. » Dann habe ich ja Glück einen ebenso anständigen Kerl wie dich gefunden zu haben. «

»Das hast du wohl. « und vernichtete Karls Antwort mit einem langen Kuss.

Karl blickte Johannes an. » Wollen wir heute in der Scheune schlafen? «

Johannes hauchte Karl einen Kuss auf den Mund, stand auf, reichte ihm seine Hand und sagte, » Komm schon. «

Während Johannes, Heinrich, Bruno und Karl täglich mit den Schwertern übten, stieg die Schar der schwarzen Ritter kontinuierlich an. Viele junge Männer, die sich nicht den weißen Rittern anschließen wollten, machten sich auf den Weg um die schwarzen Ritter zu suchen. König Richard wurde immer tyrannischer. Seit dem Verhängen des Brautpfandes wurde in seinem Königreich nicht mehr geheiratet oder die Paare ließen sich heimlich trauen. Der erhoffte Thronerbe war immer noch nicht geboren. Zudem liefen viele der jungen Männer, trotz verstärkter Patrouillen seiner Ritter, davon. Er hatte eine böse Vorahnung. Er vermutete mittlerweile, dass die schwarzen Ritter noch ein Ass in Ärmel haben und schickte verschärft seine Ritter hinaus. Sie nahmen wahllos Bürger fest und misshandelten sie um an Informationen zu kommen. Doch bisher konnten sie nur einige wage Vermutungen anstellen, wo sich das Lager der Widerständler befand. Gefunden hatten sie es noch nicht. Richards Berater spürten, dass etwas in der Luft lag, als ob die schwarzen Ritter nur auf irgendetwas warten würden. Richard selbst war wie vernarrt darin, einen Thronfolger zu zeugen, das er seinen Beratern nur ein halbes Ohr schenkte. Die Bader, die andeuteten, dass er eventuell unfruchtbar sei, ließ er gleich hängen. So nahm er sich die Frauen seines Reiches einfach. Eine würde schon dabei sein, die ihm endlich einen Sohn schenkte.

Johannes und Karl versuchten möglichst viel Zeit miteinander zu verbringen. In den letzten zwei Wochen vor Karls siebzehnten Geburtstag, fragte Johannes, » Versprichst du mir was? «

» Kommt darauf an, was du möchtest? «

» Das du mich nicht vergisst. « Karl blickte ihn verwundert an, küsste ihn liebevoll und erwiderte, » Das werde ich nicht. Als ob ich dich vergessen könnte. «

» Sobald die Schlacht gewonnen ist und Anne Königin ist, komme ich zu euch zurück. «

Johannes seufzte, » Was, wenn du es dir doch anders überlegst. «

Karl nahm Johannes Hand. » Warum zweifelst du? «

Johannes zuckte mit den Schultern. » Was, wenn Anne die Thronfolge nicht antreten will oder wir die Schlacht...« Er brachte den Satz nicht zu Ende. Sie mussten sich zwingen es in Betracht zu ziehen, dass sie oder einer der Beiden die Schlacht nicht überleben würden.

» Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen. «, sagte Johannes traurig.

» Als ob ich ohne dich sein könnte. « Karl lächelte. » Du musst mir auch etwas versprechen? «

 Johannes zog die Stirn in Falten. » Was denn? «

» Das du auf mich wartest. «

Johannes antworte mit den gleichen Worten Karls. » Als ob ich ohne dich sein könnte. «

Der Tag der Abholung rückte näher. Mit jedem Tag wurden die beiden betrübter. Als am späten Abend die Zofe an der Tür klopfte gab es kein zurück mehr. Als letztes verabschiedete sich Karl von Johannes. Die Erwachsenen ließen die beiden alleine. Sie umarmten sich lange und Karl flüsterte nur für Johannes vernehmbar und zum ersten Mal, » Ich liebe dich. «

» Ich liebe dich. «, erwiderte Johannes. Die beiden küssten sich zart.

Schließlich lösten sie sich voneinander. Wie schon zuvor Anne, verließ auch Karl zusammen mit seiner alten Zofe die Müllers. Er spürte Johannes Abwesenheit mit jedem Schritt. Die Stunden in denen sie rasteten, kam er nicht zur Ruhe, weil er die Nähe zu Johannes vermisste. Nach drei Tagen gab die Zofe Karl in die Hände von vier Reitern. Nach weiteren vier Wochen zu Pferd erreichten sie schließlich erschöpft ihr Ziel hinter den Bergen des Königreiches. Karl war über die Größe des Lagers überrascht. Da sich König Richard durch seine harten Auflagen und Gebote zunehmend unbeliebter gemacht hatte, hatten sich die Anhänger der schwarzen Ritter vervielfacht. Er wurde sogleich von dem obersten Befehlshaber begrüßt und über den aktuellen Stand der Dinge in Kenntnis gesetzt. Nun machte sich seine frühe Ausbildung in Kriegsführung bezahlt, so dass er den meisten Plänen des oberen schwarzen Ritters folgen konnte und für den Moment rückte Johannes in den Hintergrund. Zu viele neue Eindrücke prasselten auf ihn nieder. Zu viele Anforderungen wurden an ihm gestellt, dass er des Nachts nur noch müde ins Bett fiel und sofort einschlief. Er hatte tatsächlich ein richtiges Bett. Schnell bemerkte er, dass ihm die ganzen Annehmlichkeiten die er schon zu Hofe erfahren hatte auch hier widerfuhren und trotzdem spürte er täglich, dass dies nicht mehr seine Welt war.

Erst nach einer Woche fand er Zeit mit Anne zu sprechen. Sie schien leicht verändert, wenn er es nicht besser wüsste, würde er fast sagen, dass sie einen glücklichen Eindruck machte. Nachdem sie alle Geschehnisse ausgetauscht hatte fragte er schließlich, » Anne? «

» Ja? «

» Es gibt etwas, um das ich dich bitten möchte. «, er holte tief Luft, » Ich möchte dich bitten, die Thronfolge anzutreten. «

Anne sah ihren Bruder entgeistert an. » Niemals! Du bist der Thronfolger! «

» Du bist die Erstgeborene. «

» Und du der Stammhalter. «

» Ich möchte nicht an den Hof zurück. «

» Denkst du etwa, dass ich in das Schloss zurückkehren will. Auf gar keinen Fall! «, sagte sie wütend.

» Natürlich nicht, du kannst den Kasten abreißen und dir ein neues Schloss bauen. « Innerlich klatsche er sich selbst gegen die Stirn über ein solch kindisches Argument.

» Mache dich nicht lächerlich. Wo gedenkst du zu leben? «, fragte sie kühl.

» Bei den Müllers. « Ein Stich der Eifersucht durchfuhr sie.

» Und ich soll die Bürde der Krone alleine auf mich nehmen? «

» Nein, natürlich nicht. Ich würde dir mit Rat und Tat beiseite stehen. Nur dass ich nicht am Hofe bin. Bitte überlege es dir. «, flehte er schon fast. » Denk wenigstens darüber nach. «

Anne seufzte ,» Na schön, aber ich kann das nicht allein entscheiden. «

» Wie meinst du das? «

» Ich habe jemanden kennengelernt. «

Karl blickte Anne erstaunt und dann besorgt an, » Wie schön, wie heißt er denn?

» Felix. «

Karl runzelte die Stirn. » Felix? Was macht er? Wie ist sein Stand? «

» Er ist ein Lord und ein Unterstützer der schwarzen Ritter. Seit der ersten Stunde! «

» Ist er gut zu dir? «

» Sag mal, wird das hier ein Verhör? «

» Nein, entschuldige...«

Karl ergriff die Hand seiner Schwester, » Versprich mir, wenn er dir böses tut, dass du...«

» So einer ist er nicht. «, unterbrach sie ihn.

» Versprich mir, dass wenn dir jemand, egal wer, wieder böses antut, du es mir sofort sagst. «

Anne schluckte und nickte. » Versprochen. «, sagte sie leise. » Können wir bitte das Thema wechseln. Ich will nicht darüber reden, hörst du? «

» Entschuldige, ja natürlich. Wann stellst du ihn mir vor? «

» Wenn du möchtest, können wir gleich morgen zusammen zu Abend essen. «

» Schön. Das lässt sich sicherlich einrichten. «

» Es wird Zeit. Ich werde in meine Zelt zurück gehen. Der Tag morgen beginnt früh. «

» Du hast Recht. Die Wachen werden dich begleiten. «

» Gute Nacht. «

» Gute Nacht. «

» Felix, also. « Er versuchte sich all die Namen in Erinnerung zu rufen. Doch es waren zu viele gewesen. Er konnte ihn nicht zuordnen. Das musste bis morgen warten. Erschöpft schlief Karl ein.

Am nächsten Morgen erzählte Anne Felix von Karls überraschender Bitte.

Felix spürte schon die Krone auf seinem Haupt. » Aber Anne, was gibt es da lange zu überlegen? «

» Du weißt doch, dass ich nicht zurück ins Schloss möchte. «

» Du wolltest nicht als Schwester des Königs an den Hof zurück. Nun wärst du die Königin. «

Sie schüttelte mit den Kopf. » Nein, ich kann nicht wieder zurück. Zu viele schlechte Erinnerungen. «, sagte sie leise.

Er nahm sie zärtlich in den Arm. Anne ließ ihn geschehen. » Wer sagt denn, das du in das Schloss zurück musst? «

Sie sah ihn verwirrt an. » Wir lassen einfach ein neues Schloss nach deinen Wünschen errichten und das alte reißen wir ab. Samt der schlechten Erinnerungen. Was hältst du davon? So lange kommst du mit auf meinen Landsitz und regierst von dort. «

» So was ähnliches hatte Karl auch gesagt, aber, ehrlich, ich weiß es nicht. «, sagte sie verzweifelt.

Wie schon am Abend zuvor ihr Bruder, sagte Felix, » Denk wenigstens darüber nach. «

Es war nicht nur das Schloss sondern das Ganze Drumherum was mit schlechten Erinnerungen behaftet war. Doch auf jedes Argument von Anne hatte Felix ein Gegenargument. Bereits zum Abend hatte Felix es geschafft Anne davon zu überzeugen, dass die Thronfolge genau das Richtige für ihre gemeinsame Zukunft sei. Ihre letzten Zweifel wischte Karl beiseite, der von Felix einen, ersten guten Eindruck hatte.

Nachdem Felix das Zelt verlassen hatte, fragte Anne ihren Bruder.

» Und wie findest du ihn? «

» Der erste Eindruck ist, ganz gut. Er ist sehr höflich und redegewandt. «

» Was meinst du mit ganz gut? «

» Findest du nicht, dass er ist ein bisschen zu alt ist? «, fragte Karl direkt.

» Aber nein, das Alter sagt doch nichts über einen Menschen aus. Es sind doch nur dreizehn Jahre Unterschied. Das ist nicht viel. «

» Du musst das für dich selbst entscheiden, aber wie gesagt, verspreche mir...«

» Ja, ich verspreche es dir. Können wir das lassen? «

» Ja, entschuldige. «

Die beiden schwiegen sich an. Karl hatte sich vorgenommen seine Schwester heute nicht nochmal wegen der Thronfolge zu fragen. Doch dann kam Anne ganz von alleine darauf zu sprechen.

» Ich werde die Thronfolge annehmen. « Ungläubig und erleichtert zugleich fiel ihr Karl um den Hals.

» Woher der schnelle Sinneswandel, Schwester? «

Sie lächelte. Felix hat mir einige Anregungen gegeben. So werde ich auf keinen Fall in unser altes Schloss zurückkehren. «

Karl nickte zustimmend. » Du bist die zukünftige Königin, du entscheidest. «
Er dachte an Johannes und wünschte sich sehnlichst ihm davon zu erzählen. So, dass es ihm gar nicht merkwürdig vorkam, dass Felix es geschafft hatte, seine Schwester innerhalb nur eines Tages davon zu überzeugen, die Thronfolge anzutreten. Ihnen fehlte es an Menschenkenntnis und Erfahrung um zu bemerken, dass Felix es nur auf die Krone abgesehen hatte. Karl war einfach nur froh darüber, dass er nach der Schlacht wieder zu den Müllers zurückkehren konnte. Doch erst hatte er noch diese, eine verdammte Schlacht zu schlagen. Die Vorbereitungen waren bereits in der Endphase und nun würde es nicht mehr lange dauern, bis sie zuschlagen würden. Er redete sich noch immer ein, dass es nur eine Schlacht geben würde. Doch tief in seinem Innern wusste er, dass auf eine Schlacht eine weitere Schlacht folgen konnte. Und eine weitere. Aber er hoffte, dass sie König Richard mit ihrem Überraschungsangriff schnell bezwingen würden. Nach und nach verließen die Ritter unbemerkt das Lager. Immer nur in kleinen Gruppen als normale Bürger getarnt um nicht aufzufallen. Die Nacht bevor Felix das Lager verließ, schlief er das erste Mal mit Anne. Diese brach danach seelisch zusammen. Vor Felix ließ sie sich nichts anmerken. Doch sie wusste, dass sie das nicht noch einmal tun konnte. Ihr Vater hatte einfach zu viel kaputt gemacht. Das was sie anfänglich als Glück begriffen hatte, musste sie feststellen, war nichts weiter als eine Illusion. Sie konnte die Nähe eines anderen Menschen einfach nicht ertragen. Was sie da noch nicht ahnte, war, dass in dieser Nacht eine Seele den Himmel verließ um sich den Weg in das Leben und zu ihrem Herzen zu bahnen.

Karl rief seine Soldaten und Reiter nochmals dazu auf, möglichst friedlich den Sturz herbei zu führen. » Ich möchte euch erneut daran erinnern, so wenig Tote und Verletze wie möglich. Es geht ausschließlich darum König Richard zu stürzen. Ihr werdet keine Zivilisten angreifen und nicht plündern. Wer sich von euch an seine Mitmenschen zu Unrecht vergeht, wird vor das Kriegsgericht gestellt. Ich werde keine Erbarmen walten lassen. «

Und so zogen sie hinaus. Die Schlacht war lang und blutig. Erst nach einigen Monaten wurde König Richard verheerend vernichtet. Auf beiden Seiten gab es große Verluste zu vermelden und König Richard machte in seiner Wut auch vor der zivilen Bevölkerung nicht halt. Selbst Karl hatte sein Schwert tödlich gegen weiße Ritter erhoben und er hatte schwer damit zu kämpfen. Das Volk atmete auf, als die Meldung vom Tod König Richards und die Übernahme des Thrones durch die schwarzen Ritter die Runde machte. Verblüfft stellten sie fest, dass sie ihrer alten Königin Unrecht getan hatten und sie zu Unrecht des Mordes an ihrer Kinder beschuldigt wurde. Doch die Freude von dem Joch des Königs befreit worden zu sein war einfach übergroß. Die jungen Menschen blickten voller Zuversicht in eine bessere Zukunft. Nur die Alten wussten, dass ein neuer König nicht gleich Besserung heißen musste und waren einfach glücklich darüber, dass der Krieg zu Ende war. Das Volk wünschte sich Karl zum neuen König. Akzeptierten aber, verwundert, die Entscheidung, dass Anne die neue Königin wurde. Auf ihrer Krönung riefen sie mit voller Hoffnung auf Besserung, » Lang lebe die Königin. «

Felix betrat den Thron an Annes Seite. Sie kamen überein dass sie nach außen als Paar auftraten und sich um ihr gemeinsames Kind kümmern würden, aber in getrennten Bereichen des neuen Schlosses leben würden. In den darauffolgenden Woche zog es Karl so schnell wie möglich wieder in Richtung Mühle. Ihm kam es nicht in den Sinn, dass seinem zu Hause etwas passiert sein könnte. Bevor er wieder zurück konnte, musste er sich erst noch um die Angelegenheiten zu Hofe kümmern. Er schrieb Johannes und den Müllers einen Brief, dass es noch einige Wochen dauern könne bis er wieder zu ihnen kam. Doch er zählte schon die Tage. Ein Wiedersehen lag in greifbarer Nähe. Als der Bote nach zwei Tagen mit dem Brief zurück kam und mitteilte, dass die Mühle niedergebrannt war und er nicht wusste, wo er den Brief sonst abgeben sollte, sei er wieder zurück gekehrt. Verzweifelt suchte Karl Anne und Felix auf. Diese sagten ihm, er solle sofort aufbrechen und nach dem Rechten sehen. Felix würde sich um alles weitere kümmern. Als Karl auf das Dorf zuritt, konnte er sich nicht an der Mühle orientieren. Er wollte nicht verstehen, was geschehen war. Doch sein Herz zog sich mit jedem weiteren Schritt, den er Richtung Mühle machte, zusammen. Er hatte den Gedanken so schnell wie möglich wieder nach Hause zu kommen, dass er nicht wahr nahm, dass ein Großteil der Häuser im Dorf niedergebrannt waren. Auch hier hatte die Schlacht seine Opfer gefordert. Von weitem konnte er sehen, das die Mühle bis zur Hälfte niedergebrannt war. Auch das Haus der Müllers war von den Flammen heimgesucht worden. Er spürte, dass es etwas schreckliches passiert sein musste. Doch er redete sich ein, dass sie fliehen konnten, das ihnen nichts passiert sei. Sie jeden Moment um die Ecke kommen würden um ihn zu sagen dass alles gut sei. Doch niemand kam. Einer der Dorfbewohner, der Karl erkannte hatte, eilte zur Mühle um ihn die traurige Nachricht zu überbringen.

» Tot? «, fragt er entsetzt.

 » Ja, das halbe Dorf ist überrannt worden. Wir wurden alle überrascht. «

» NEIN, NEIN, das kann nicht sein. « Johannes sackte zu Boden. » Das ist nicht wahr! « Er spürte die Hand des Mannes auf seine Schulter. » Ich wünschte, ich könnte dir was anderes sagen, aber... « Karl hörte die Stimme des Mannes nicht mehr. Konnte und wollte es einfach nicht glauben. Erst nach Stunden erhob er sich wieder, nahm die Zügel seines Pferdes und machte sich, zu Fuß, auf den Weg in Richtung Friedhof. Jeder Schritt schmerzte. Mit jedem Schritt den er machte verlor er einen Teil seiner Kraft. Er ging wie durch einen dichten Nebel. Er nahm nichts mehr wahr, was um ihn geschah. Es kam ihn wie Stunden vor bis er das Grab der Müllers fand. Weinend brach er am Grab zusammen. Nach langer Zeit richtete er sich auf. Blickte auf das Grab der Familie Müller. Plötzlich spürte er wieder eine Hand auf seiner Schulter. Benommen blickte er sich um und konnte Magtha schemenhaft erkennen. Er fiel ihr stumm vor Trauer um den Hals. Magtha versuchte ihm was zu sagen, doch die Worte erreichten ihn nicht. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und schüttelte ihn sanft, als er hörte, » Johannes lebt. «

Er fühlte sich wie im Delirium konnte die Worte immer noch nicht hören, als ihm bewusst wurde, dass Magtha ihm sagte, dass Johannes lebt.

» Aber er sagte mir, sie seien alle tot. «, stammelte er ungläubig.

» Johannes liegt mit schweren Verletzungen und Fieber nieder. «

Er wollte sofort zu ihm. Darüber vergaß er ganz sich nach Magtha und ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Magtha führte ihn in die Kammer, wo sie Johannes pflegte. Er lag im Bett. Wie tot. Karl trat zu ihm und nahm seine Hand. Er spürte den leichten Pulsschlag. Jetzt war es an ihm. Er legte sich zu Johannes, wie er es einst bei ihm getan hatte. Legte seinen Arm um ihn und flüsterte, » Alles wird gut. « Ihm kamen die Tränen. » Bitte verlass mich nicht. «, flehte er.» Verlass mich nicht. Hörst du? « Karl wachte Tag und Nacht an Johannes Seite.Nach drei unerträglichen Wochen des Hoffen und des Bangens, öffnete Johannes langsam die Augen. Er spürte Karl neben sich und sprach kaum hörbar » Ich hatte dir versprochen, zu warten. « Er lächelte schwach und schlief sofort wieder ein. Johannes wurde von Tag zu Tag kräftiger. Doch mit dem Fortschritt seiner Genesung fragte er immer häufiger nach seiner Familie. Schließlich konnten sie ihm die schreckliche Nachricht nicht mehr verheimlichen. Die Trauer war unendlich groß. Jetzt war Johannes ganz auf sich gestellt. Er hatte seine geliebten Eltern und seine geliebte Schwester verloren. Seine Erinnerungen kamen langsam zurück. Er musste mit ansehen, wie die weißen Ritter einen nach den anderen töteten. Er war machtlos. Johannes fiel in ein tiefes, schwarzes Loch. Karl versorgte Johannes so gut es ging. Es gab Tage da konnte Johannes selbst Karls Nähe nicht ertragen. Denn Johannes war sich sicher, das der weißen Ritter, der die Mühle angezündet hatte, der Ritter war, der ihnen auf dem Frühjahrsfest gedroht hatte. Doch das behielt er für sich, denn es war richtig gewesen, dass sie sich gegen die Ritter gestellt hatten. Es würde nur wieder alte Wunden aufreißen und Karl würde sich an allem die Schuld geben. Gemeinsam schafften es Karl und Johannes aus dem schwarzen Loch der Trauer heraus. Schließlich war Johannes kräftig genug um zu helfen, die Mühle wieder aufzubauen und viele Bewohner halfen aus Dankbarkeit gegenüber Karl mit. Natürlich waren auch Bewohner dabei, die selbst Verluste zu beklagen hatten und den Krieg in Frage stellten. Sie fragten, ob es das Wert gewesen sei nur um von einen tyrannischen König befreit zu werden? Sobald die Mühle und ein neues, kleines Häuschen standen, halfen die Beiden den anderen Bewohnern mit ihren Neuanfängen. Durch die viele Arbeit konnten beide den Schmerz des Verlustes besser ertragen zu lernen.

Das die Zeit nicht die Wunden heilt wussten beide nur zu gut. Die Zeit schaffte es lediglich sie besser zu verbergen, doch ganz verheilen würden sie nie. Es blieben immer Narben zurück.

Aber die Liebe zueinander machte sie stark. Nach einiger Zeit verbargen sie ihre Liebe nicht mehr vor ihren Freunden. Bruno und Magtha hatten Glück gehabt, dass ihnen und ihren Familien, während der Krieges nichts passiert war. Da die Dorfbewohner verwundert darüber waren, das Karl lieber in ihrem Dorf mit Johannes lebte anstatt zu Hofe, konnten die Meisten erahnen woran es lag. Nichtsdestotrotz wurden sie von fast allem in Dorf akzeptiert. Die anfängliche Befangenheit einiger Bewohner löste sich in Luft aus, nachdem die beiden sich ganz normal verhielten. Und so stellte sogar noch nach einigen Jahren der ein oder andere fest, dass wenn die beiden in trauter Zweisamkeit zusammen sind, es so scheint als ob sie von innen heraus strahlten. Sie waren überall gerne gesehen. So kehrte zumindest in Karls Leben ein Art Ruhe und Beständigkeit ein. Johannes hatte noch immer mit dem Verlust seiner Familie zu kämpfen und ergraute früh. Äußerlich ließen sich die Beiden nichts anmerken, aber jeder kämpfte mit seinen Dämonen. Doch mit der Zeit wurden die Kämpfe weniger.

Und so ging Jahr um Jahr ins Land.

Königin Anne hingegen wurde mit zunehmenden Jahren immer verbitterter. Ihr einziger Lebenssinn war ihre Tochter, die sie über alles liebte. Doch richtig zeigen konnte sie es ihr nicht. Sie hatte ständig Angst Maria zu verletzen oder zu verlieren. Von Felix ließ sie sich nicht wieder anfassen. Sie kamen überein, dass es besser sei, dass er sich Mätressen hielt. Um so selbständiger Maria wurde um so mehr stellte Anne fest, dass sie nicht gebraucht wurde und verfiel wieder in alte Verhaltensmuster. Seit dem sie erfahren hatte, dass ihr Bruder Johannes liebte und sie sogar zusammen lebten wurde ihr einiges klar. Durch die Geburt ihrer Tochter ist Anne weicher geworden. Sie war sogar froh darüber, dass Karl sich so gut um Maria sorgte. Maria schien geradezu einen Narren an ihren Onkel gefressen zu haben. Doch mit den Jahren wurde sie zunehmend eifersüchtiger auf ihren Bruder. So schaffte sie es, dass Anne ihn nur noch alle vier Monate besuchen fuhr. Ganz verbieten konnte sie ihr es nicht. Nachdem sie ihr den Umgang das erste Mal verboten hatte, nahm Maria einfach reiß aus. Die ungewissen Stunden wo ihre Tochter war und das ihr etwas passieren könnte, ließ sie zur Vernunft kommen. Trotzdem konnte sie es nicht ertragen, dass ihr Bruder scheinbar so glücklich war und so hatte sie ein offenes Ohr für den Bischof, der sie bei jedem seiner Besuche darauf aufmerksam machte, dass die Lebensweise ihres Bruders nicht die, die von Gott gegebene sei.

» Zu Hofe gibt es genügend Männer die sich mit anderen Männern vergnügen. «, entgegnete Anne den Bischof anfänglich.

» Das mag sein, aber sie leben nicht zusammen wie Mann und Frau. Denn schon in der Bibel steht geschrieben, dass Gott Mann und Frau erschuf und nicht Mann und Mann. «

So kam der Tag an dem Anne den Bischof zustimmte, dass er etwas gegen das unsittliche Leben ihres Bruders unternehmen dürfe. Der Bischof hielt Messe um Messe in den Nachbarorten von Johannes und Karl und impfte den Bewohnern seine Lehren ein. Lange blieben dieses den Bewohnern des Dorfes von Karl und Johannes nicht verborgen.

» Ach die regen sich schon wieder ab. «, meinte Johannes.

» Vielleicht sollten wir mal mit dem Bischof sprechen? «, erwiderte Karl.

» Aber der kann doch erzählen, was er will, «, meinte Magtha, » alle die euch kennen, wissen doch, dass das Humbug ist, was er predigt. «

» Mein Gott «, stimmte Bruno zu, » Du hast uns von König Richard befreit, dafür werden dir alle auf immer dankbar sein, daran können auch die Predigten des Bischofs nicht ändern. Mit Anne und Felix ist definitiv eine bessere Zeit für uns alle eingekehrt. «

» Das aber nur, weil sie sich nicht für uns interessieren. «, erwiderte Magtha Anne lebt wie schon immer sehr zurückgezogen und ihr Mann verprasst das ganze Geld mit Weibern und Spiel. «

Johannes blickte leicht betrübt rein. » Und du, Johannes. Deine Familie, mahlt seit Generationen unser Weizen zu Mehl, dass wir unser täglich Brot zubereiten können, auch das kann euch keiner nehmen. «

Beruhigt von den Worten ihrer Freunde machten sie sich auf den Heimweg. Dort wartete bereits ein Schreiben des Königshauses auf sie. » Und? «, fragte Johannes besorgt.

Endlich mal was erfreuliches, » Maria kommt zu Besuch. «

» Das ist wunderbar. «, erwiderte Johannes.

Gleich am nächsten Tag richteten sie alle her um Maria willkommen zu heißen. Johannes blickte aus dem Fenster und sah wie Karl Maria durch die Luft wirbelte. Die unter Lachen protestierte. » Onkel Karl, hör auf damit. Dafür bin ich zu alt. «

» Oh, Verzeihung, dann ist man mit dreizehn zu alt für Knuddeleien? «, machte sich dieser lustig und kitzelte Maria durch. Die sich lachend ergab.

» Wo ist denn Onkel Johannes? «

» Gute Frage. Ich vermute mal in der Mühle. «

» Dann lauf ich mal los um ihn zu begrüßen. «

» Mach das. «

Fröhlich hopsend machte sich Maria auf um ihren Onkel zu suchen.

Als Karl das Haus betrat stand Johannes immer noch nachdenklich am Fenster. » Ich dachte du bist in der Mühle. « Er trat zu ihm. Blickte ihn fragend an. » An was denkst du? «

Nach kurzem zögern, fragte er, » Bereust du es eigentlich, keine eigenen Kinder zu haben? « Ängstlich wartete er die Antwort ab.

Karl antwortete mit einem Kuss und sagte, » Was uns betrifft, bereue ich nichts! «

Johannes lächelte erleichtert auf. Karl zog ihn zu sich und sagte liebevoll, » Nach all den Jahren immer noch Zweifel daran, dass ich die liebe? «, fragte er betrübt.

» Nein, nein, aber ich denke ab und zu daran, dass du jetzt König sein könntest. «

» Wie oft noch, ich wollte nie König sein, was ist ein Königreich ohne Liebe wert? Nichts! «

» Aber das Volk liebt dich doch. «

» Was ich auch sehr schätze, aber das alles bedeutet mir nichts ohne deine Liebe. Was nützt mir ein Königreich, wenn ich nicht mit dem Menschen zusammen sein kann, den ich liebe? « Johannes spürte wie seine Zweifel augenblicklich verflogen.» Wenn ich könnte, würde ich dich sofort heiraten. «, Karl grinste.

» Ach so und ich werde nicht mal gefragt? «, konterte Johannes.

Karl wurde ernst. Er blickte Johannes tief in die Augen und fragte, » Willst du mich heiraten? «

Johannes antwortete überrascht, » Wir können nicht heiraten. «

» Also nicht? «, fragte Karl traurig.

Gerade als Karl sich abwenden wollte, hielt Johannes ihn zurück. » Ja. doch. Natürlich. Wenn wir könnten, würde ich dich sofort heiraten, was für eine Frage?! « Maria, die ihren Onkel in der Mühle nicht angetroffen hatte, kam rein und sah wie sich ihre Onkel küssten und verdrehte die Augen. » Könnt ihr das mal bitte lassen. «, sagte sie neckisch. Johannes und Karl blickten sich kurz an und riefen gleichzeitig, » Auf sie. « und Maria nahm lachend reißaus nach draußen. Sie wurde aber in windeseile von ihren Onkels eingeholt und musste die nächste Kitzelattacke über sich ergehen lassen. Lachend blieben die Drei auf dem Rasen hinterm Haus liegen. » Lass uns Wolken gucken. «; forderte Maria sie auf. Johannes nahm Karl und Maria in den Arm und zusammen schauten sie in den Himmel. Nach kurzer Zeit wurde es Maria zu langweilig und machte sich auf Bruno und Magtha zu besuchen.

» Aber zum Mittag bist du zurück, du weißt, dass deine Mutter nicht mag, wenn du zu spät nach Hause kommst und du musst heute noch zurück. « Wieder verdrehte Maria die Augen. » Ja, ja ich weiß. « und war verschwunden. Johannes kuschelte sich an Karl, blickte ihn an, nahm seine Hand und strich zärtlich über Karls Gesicht, schmiegte sich an ihm und sagte, » Schade, dass wir nicht wirklich heiraten können, dann wären wir auch ganz offiziell zusammen. Karl und Johannes Müller. «

» Ich könnte ja mal mit dem Königshaus reden, immerhin machen sie die Gesetze. «

Johannes lachte, » Na das Gesicht von dem Pater will ich sehen, der uns trauen würde. « Eigentlich ne schöne Vorstellung, dann wäre wir Mann und Mann. « Johannes küsste Karl und sagte, » Mein Mann. «

» Mein Mann. «, wiederholte Karl und war der glücklichste Mensch auf Erden.

Am Abend aßen Bruno, Magtha, ihre beiden Kinder Heini und Else, Johannes, Karl und Anne zusammen. » Ich wäre ja gerne länger geblieben. «, sagte Anne.

» Das wissen wir doch. «, sagte Johannes.

» Das nächste Mal darfst du wieder bei uns übernachten. Ich rede mal mit deiner Mutter und frage, ob du länger bleiben darfst. «, meinte Karl.

Freudig strahlten Anne und die anderen Kinder. » Das wäre schön. «, sagte Anne.

» Dann könne wir endlich mal das Baumhaus zu Ende bauen. «, sagte Brunos Sohn Heini.

» Was für ein Baumhaus? «, fragte Magtha besorgt.

» Ach nichts. «, sagte Anne und trat Heini gegen das Schienbein.

Die Männer lachten. Zur gleichen Zeit im Nachbardorf baute der Bischof sein Fundament für seine Hasstiraden weiter aus. Er überzeugte immer mehr Menschen davon, dass der Königssohn in großer Sünde lebte. Die Menschen fingen an, ihm immer mehr Gehör zu schenken. Indirekt legte er den Menschen ins Ohr, dass es von Gott gewollt ist, sich gegen diese Art von Sünde zu erheben. Zuerst schickten die Eltern ihre Kinder vor, um zu testen, wie weit sie gehen konnten. » Sünder! «, riefen die Kinder uns schmissen mit faulen Eiern nach Karl. Der lief den Kindern wütend hinterher, die sich schnell davon machten. Er fluchte und machte sich auf dem Heimweg um die stinkende Brühe loszuwerden, die an ihm klebte. Zum Glück hatte Maria nicht bei Ihnen übernachtet. Sonst hätte sie das wohl möglich noch mitbekommen.

» Was ist passiert? «, fragte Johannes besorgt.

» Ich habe keine Ahnung was in den Bewohnern der Nachbarorte gefahren ist, die Kinder haben mich mit faulen Eiern beworfen. «

» Das kommt sicherlich von diesen Predigten. Wie sollten doch mal mit den Pfarrern sprechen. «

» Und ob. Ich werde heute noch meine Schwester von den Geschehnissen informieren. «

Er nahm Tinte und Blatt zur Hand. Doch der Brief blieb unbeantwortet. Ständig mussten sie sich neuen Anfeindungen stellen. Die Stimmung gegen Karl und Johannes verschlechterte sich zunehmend. Der Großteil ihrer Dorfbewohner stand noch zu ihnen, doch hinter verschlossenen Türen wurde die Phrasen der Bewohner der Nachbarorte diskutiert. » Was, wenn sie Recht haben. Was wenn wir alle im Jenseits bestraft werden, wenn wir sie unter uns tolerieren? « Die Hetzreden des Bischofs trugen also Früchte. Dieser erstatte der Königin Bericht.

» Die Bewohner werden zunehmend aufgebrachter. Jetzt dauert es nicht mehr lange uns sie werden Taten folgen lassen. «

Anne horchte auf, » Was meinen sie damit? Mein Bruder hat mir bereits vor einiger Zeit geschrieben, dass er mit faulen Eiern beworfen wurde. «

» Sehen sie, das meine ich. Die Bewohner nehmen es nicht länger hin, dass Sünder unter ihnen leben. «

» Wie weit werden sie gehen? «

» Vermutlich bis zum äußersten. «, erwiderte der Bischof gehässig.

Anne blickte den Bischof überrascht an. » Soll das heißen, sie werden Karl und Johannes etwas antun? «

Der Bischof nickte.

Anne wurde ihre Schuld schlagartig bewusst. » Davon war nie die Rede. «, sagte diese erbost. » Das werde ich nicht zulassen. «

» Dafür ist es zu spät. «, sagte der Bischof kalt. » Der Pöbel ist bereits aufgehetzt. Es gibt kein zurück mehr. «

» Nein! Auf keinen Fall! «, entgegnete Anne. » Sie werden das auf der Stelle unterbinden. «

Der Bischof sah schon seine Felle davon schwimmen und lenkte ein. » Na, schön wie sie wünschen, meine Königin. Ich werde die Angelegenheit bereinigen. «

» Das will ich auch hoffen. Beeilen sie sich. «

Der Bischof nickte und verließ, wohl wissend, dass er nichts tun würde, das Zimmer der Königin. Anne selbst schrieb ihren Bruder einen Brief, den sie gleich noch mit einem Boten losschickte. Er würde Johannes und Karl in zwei bis drei Tagen erreichen. Maria, die zufällig im Gang stand, hörte mit Grauen, das Ende der Unterhaltung mit an. Sie musste so schnell wie möglich ihre Onkel warnen. Sie lief sofort zu den Stallungen und ließ sich ihr Pferd satteln und war verschwunden. Sie brauchte, wenn sie durch ritt mindestens zwei Tage. Sie hoffe, dass sich der Bischof geirrt hatte. Am nächsten Abend machte sich der Pöbel zur Mühle auf. Sie trugen Fackeln, Waffen jeglicher Art, Bretter, Hammer und Nägel. Sie bewegten sich leise durch die zunehmende Dunkelheit. Unterdessen trieb Maria ihr Pferd weiter an. Sie betete inständig noch rechtzeitig da zu sein, um ihre Onkel zu warnen. Den Boten von dem sie nichts wusste, hatte sie bereits überholt.

Der Pöbel verbarg sich in der Dunkelheit. Nur die Fackeln verrieten, dass etwas vor sich ging. Stumm näherten sie sich der Mühle. Es war tiefe Nacht und die Menschen schliefen. Auch Karl und Johannes lagen schlafend in ihrem Bett. Die Männer erreichten das Haus der Beiden. Sie teilten sich auf und die Stille Nacht wurde durch gezielte Hammerschläge durchbrochen. Die Anführer wiederholten in ihrem Wahn die Worte des Bischofs. » Brennen müssen sie, brennen. Brennen wie in der Hölle. Brennen.«

Der Pöbel verriegelte Türen und Fenster. Johannes erwachte durch die letzten Hammergeräusche. Doch mit den letzten Schlägen waren die Fenster im unteren Bereich und die Türen von außen mit Brettern blockiert. Für Karl und Johannes gab es kein Entkommen mehr. Johannes weckte Karl. » Hörst du das? «

» Was ist denn? Ich höre nichts. «, antwortete er verschlafen.

» Ich bin mir sicher, dass ich ein Klopfen gehört habe. «

Karl lauschte und fragte, » Sollen wir nachsehen? «

» Nein schon gut. Vielleicht habe ich mich geirrt. «

Beide legten sich wieder hin, ohne das sie von der Gefahr ahnten. Doch nur kurze Zeit später schreckten sie hoch. » Jetzt höre ich auch etwas. «, sagte Karl. » Das hört sich aber nach einem knistern an. « Sofort waren beide auf den Beinen und spürten Wärme, die von unten hoch kam. Johannes eilte zur Tür.

» Feuer. Überall Feuer. «, schrie Johannes entsetzt. Das Feuer hatte sich schon so weit ausgebreitet, dass sie es nicht mehr nach unten schaffen würden.

» Uns bleibt nichts anderes übrig als aus dem Fenster zu springen. «, sagte Karl.

Johannes blickte aus dem Fenster zur Linken und sah ungläubig auf das was er da sah. » Die haben das Feuer gelegt. « flüsterte er. Schnell fasste er sich wieder und öffnete die Truhe am Bettende und nahm sein altes Schwert zur Hand. Auch Karl seines führte er zu Tage, doch dieser weigerte sich es in die Hand zu nehmen. » Ich habe geschworen nie wieder Hand an eine Waffe zu legen. «

» Wir müssen uns verteidigen! «

Karl hatte die Gesichter der Ritter vor Augen, die durch seine Hand getötet wurden. Johannes blickte durch das Fenster, während Karl nur auf das Schwert, das Johannes ihm hingelegt hatte, starrte. Plötzlich sah er wie, die von ihn getöteten Ritter vor ihm standen. Doch die Situation war eine andere. Einer der toten Ritter schritt auf das Schwert zu, hob es auf und blickte zu Karl. Johannes versuchte Karl vor der drohenden Gefahr zu warnen. Doch Karl sah nur wie der Ritter ihm das Schwert entgegen reichte und zustimmend nickte. Auch die anderen Ritter nickten. Dann waren sie verschwunden und Karl hörte, wie Johannes rief. » Wir müssen hier sofort raus! «

Plötzlich war Karl wieder voll da. Nahm das Schwert schweren Herzens an sich und eilte zu Johannes.

Unterdessen erreichte Maria das Dorf und sah einen hellen Schein, von dort wo die Mühle stand.

» Ich komme zu spät. «, dachte sie und trieb ihr bereits kraftloses Pferd weiter an. Johannes und Karl blieb keine andere Möglichkeit, als aus dem Fenster zu springen. Karl ergriff Johannes Hand. » Wir schaffen das. « Karl nickte. Noch bevor Johannes zum Sprung ansetzten konnte, zog er ihm zu sich. Streichelte über seine Wange und küsste ihn.

» Ich liebe dich. «

» Ich liebe dich. «, erwiderte Johannes. Sie lächelten einander traurig an, wissend das ihnen ein schwerer Kampf bevorstand. Karl überschaute die Lage. » Sie scheinen das Haus umstellt zu haben. Er lief zum anderen Fenster und sah, dass auf jeder Seite bis zu zwölf Männer standen. Er machte sich einen Eindruck der beiden Lager um abzuschätzen auf welcher Seite sie eher eine Chance hätten. Johannes wurde zunehmend nervöser. » Wir müssen hier rau!. »

Karl nickte. » Wir haben zwei Möglichkeiten, entweder dieses oder das andere Fenster. Ich wäre für dieses. Die Männer, die hier stehen, scheinen älter zu sein. Eine weitere Möglichkeit ist, das wir uns trennen.«

Johannes schüttelte energisch mit dem Kopf. » Auf keinen Fall. Wir kämpfen zusammen. Seite an Seite. «

» Dann los. «

Beide sprangen sie aus dem Fenster. Karl schlug als Erster auf, rollte beiseite und hielt sich vor Schmerzen das Bein. Die Männer schlugen Alarm in dem Moment in dem Johannes folgte. Auch dieser verletzte sich bei dem Sturz. Die Anführer liefen mit voller Wut und Hass auf die Beiden los. Die anderen folgten blind. Johannes und Karl hatten nicht einmal die Möglichkeit ihre Schwerter gegen ihre Feinde zu erheben. Noch bevor sie sich richtig wehren konnten, schlugen die Männer auf sie ein und entrissen ihnen ihre Waffen. Fassungslos sah Maria wie ihre Onkel aus dem brennenden Haus sprangen. Im gleichen Moment sprang sie vom Pferd. Doch bevor sie die Beiden erreichte, wurde sie vom wütenden Pöbel mitgerissen und war mitten unter ihnen. Ängstlich versuchte sie sich aus der Masse zu kämpfen, doch sie wurde immer wieder zurück getrieben. Plötzlich blieb sie still stehen. Sie sah, wie einige der Männer auf ihre Onkel einschlugen. Sie regten sich nicht mehr. Sie kämpfte sich nach vorne. Als einer der Männer seine Axt erhob, nahm sie all ihren Mut zusammen und sprang schreiend dazwischen. Ihr letztes Wort, war ein lautes, » Nein! «

Sie spürte noch wie die Axt auf sie einschlug. Im gleichen Moment sah sie die Szene von oben und fand sich in der Mitte ihrer Onkel wieder. Die sie bereits im Danach erwarteten. Die Männer schreckten zurück. » Wo kommt das Mädchen her? «, rief einer.

» Wer ist das Mädchen? « Sie waren aufgebracht.

» Wo kommt das Mädchen plötzlich her? «, die erneute Frage. Als einer der Männer plötzlich feststellte, » Oh, mein Gott, das ist die Prinzessin. «

» Bist du dir sicher? «

» Sicher? «

» Woher willst du das wissen? «

» Das kann nicht sein. «

» Seht doch, wie sie gekleidet ist. «

» Das kann nicht sein. «

» Kommt schon, wir müssen hier verschwinden. «

Die Männer liefen in alle Himmelsrichtungen davon.

Auch die Bewohner des Dorfes kamen zu spät. Sie konnten nur noch die leblosen Körper bergen. Magtha und Bruno konnten nicht begreifen, was sie da sahen. Das Haus und die Mühle brannten lichterloh. So hatten sie die Mühle schon einmal brennen sehen und schon einmal musste sie drei Menschen beerdigen, die sie liebten. Einer der Dorfbewohner befahl die königliche Familie zu kontaktieren. Und so gelang die Kunde vom Tod Annes, Karls und Johannes an den Hofe. Das Königspaar war bereits auf den Weg zu Karl um nach ihrer Tochter zu suchen. Die Boten, die sie vor geschickt hatten, kamen mit trauriger Kunde zurück. Anne hörte nur, wie der Bote von dem brennenden Haus sprach und das jede Hilfe zu spät kam. Auch für Anne. Das wollte sie nicht glauben. Doch als sie das Dorf erreichten und zur Kirche gingen, wo die Bewohner die Körper der Toten aufgebahrt hatten, eilte Anne zu dem leblosen Körper ihrer Tochter. Fiel neben ihr zu Boden und schrie ihren Schmerz heraus, » Was habe ich getan? «, schluchzte sie. » Was habe ich nur getan? « Mit Gewalt mussten sie ihr Marias Körper entreißen. Anne war Tag und Nacht an dem Sarg ihrer Tochter. Felix versuchte die Täter ausfindig zu machen und traf auf eine Mauer des Schweigens. Kurzerhand fing er an das erste Haus des Nachbardorfes anzuzünden. Weitere folgten und nur unter dem flehen der Dorfbewohner stellten sich einige der Männer. Sie wurden noch an Ort und Stelle hingerichtet.

Nach der Beerdigung von Maria, ging Anne den Turm des Schlosses hinauf. Als sie oben angelangt war, setzte sie sich auf Marias Lieblingsplatz. Öffnete das Fenster. Schob die Kiste mit gesammelten Schätzen ihrer Tochter an das Fenster. Entnahm der Kiste die Lieblingspuppe ihrer Tochter. Streichelte zärtlich über den Kopf der Puppe. Roch daran um nochmal den Geruch Marias zu erhaschen. Setzte den ersten Fuß auf die Kiste, zog den zweiten nach. Stellte sich auf den Sims des Fensters, machte einen Schritt nach vorne und fiel.

Mit dem Tod Annes endete die Geschichte.

Er war erschüttert und konnte lange nicht sprechen.

» Das ist, eines der Dinge, die ich nicht verstehe. «, dachte er laut.

» Was genau? «, fragte Marias Onkel.

» Warum eine Handvoll Menschen so viel Macht über so viele andere Menschen haben? «

» Es gibt so vieles, was wir an den Menschen nicht verstehen. «

Plötzlich tauchte Maria auf und sagte, » Manchmal denke ich, dass ich Nachsichtiger mir ihnen sein müsste. Doch dann werde ich wieder so wütend, dass sie über die Jahrhunderte einfach nichts dazulernen. Es scheinbar nicht mal wollen. Sieh sie dir an! Immer noch Krieg, Mord, Gewalt, Ausbeutung und Vernichtung. Dabei könnte die Welt längst eine bessere sein. «

» Es muss doch einfach einen Weg geben Ihnen Ihr Dasein wieder begreiflich zu machen. Sie können doch nicht alles vergessen haben, was sie hier gelernt haben?! «, meinte er.

Karl mischte sich ein. » Das kann keiner so genau sagen, nicht einmal wir, die wir gelebt haben. Du erinnerst dich an den Schamane? Er hat dir gesagt, dass es einige schaffen ihre Verbindung zu dem großen Geist offen zu halten. «

Er nickte. » Aber wieso schaffen es so viele nicht? «

» Wir vermuten, dass die Umstände eine große Rolle spielen. Sieh dir Anne an, wie hätte sie das schaffen sollen, bei dem was ihr widerfahren ist? «, fragte Karl.

Er wusste keine Antwort darauf. » Aber dir ist auch schlimmes widerfahren und du hast es geschafft. «

» Das stimmt, aber ich habe auch Liebe erfahren. « In diesem Moment erschien Johannes neben Karl. Ergriff seine Hand und lächelte. » Genau wie ich. « Er umarmte Maria und stellte sich ihm vor. » Entschuldige, dass ich euch unterbreche, aber ich lass es mir nicht nehmen meinen Mann zu unserem Hochzeitstag zu gratulieren. « Beide lächelten sich verliebt an. Er war verwirrt. Vermutlich, dachte er, haben sie sich einfach den Tag des Antrages als Hochzeitstag genommen und fragte geradeaus,

» Hättet ihr eigentlich gerne geheiratet? «

» Wieso hättet? «, erwiderte Karl, » Wir sind verheiratet. « und lachte glücklich. Auch Johannes strahlte.

Er runzelte die Stirn. » Wann habt ihr denn geheiratet? Das habt ihr mir gar nicht gezeigt. «, fragte er verwundert.

» Wir haben erst hier geheiratet. «, erwiderte Johannes.

» Hier wird kein Unterschied zwischen sich Liebenden gemacht. «, sagte Karl.

» Frag, wer sie getraut hat. «, forderte Maria ihn lächelnd auf.

» Wieso? «

» Frag einfach, das wird dir gefallen. «

Schließlich kam er Marias Anweisung nach und fragte gespannt, » Wer hat euch getraut? «

» Jesus. «,antworteten beide gleichzeitig stolz.

» Jesus? «, fragte er ungläubig.

Karl und Johannes lächelten glücklich. » Ja warum nicht Jesus? Hätte er zu unserer Zeit gelebt, hätte er uns bestimmt schon zu Lebzeiten getraut. Er war so was wie ein Revolutionär. Ein Revolutionär der Liebe. « Selbst hier strahlten die beiden in ihrer Liebe zueinander.

Er blickte die Beiden ungläubig an. » Kannst du den beiden ruhig glauben. «, sagte Maria und lächelte ebenfalls.

» Das bedeutet, ihr habt Jesus getroffen? « Er überlegte kurz. » Du etwa auch, Maria?? «, fragt er sichtlich aufgebracht.

Maria schüttelte mit dem Kopf. » Nein, ich nicht. Ich war damals noch wütender als jetzt und wollte ihm nicht gegenübertreten. Immerhin war die Kirche mit Schuld daran, dass wir sterben mussten. Das Jesus nichts für das Handeln der Menschen kann, ist mir erst später aufgegangen. Wie all, die anderen Waisen auch, kann er nicht in das Leben auf der Welt eingreifen. Er kann nur versuchen, durch seine Lehren Einfluss auf die Menschen zu nehmen. Was sie im Endeffekt daraus machen, liegt an ihnen. «, schloss Maria.

» Genau. «, bekräftigte Johannes. » Grob gesagt, Gott hat den Menschen bereits die zehn Gebote mit auf den Weg gegeben und Jesus hat später versucht den Menschen durch seine Nächstenliebe, den richtigen Weg zu weisen. «

» Was leider jeder anders deutet. «, schloss Karl.

Ihm verschlug es die Sprache. » Du wirst sicherlich noch viele Fragen haben. «, sagte Karl, » Doch auch wir müssen uns wieder um die Seelen kümmern, die wieder zu uns gelangen. » Natürlich wollte er wissen, wie es ist Jesus gegenüberzutreten doch er besann sich auf eine andere Frage.

» Eine wichtige Frage habe ich. «, sagte er schnell.

» Nur zu. «

» Bei allem was euch widerfahren ist, habt ihr jemals den Schritt bereut, euch für das Leben entschieden zu haben? «

Nahezu gleichzeitig antworteten Karl und Johannes, » Keine Sekunde. «

» Wer weiß, ob wir uns sonst gefunden hätten. «, sagte Karl lächelnd. Sie küssten sich liebevoll und waren verschwunden.

Maria verdrehte die Augen. » Ich schon, aber wie ich sehe, kann dich selbst die Geschichte meiner Familie nicht davon abbringen zu leben. «

» Du hast Recht. Ich gebe zu, dass einerseits meine Zweifel mit jeder Waise wachsen aber andererseits hat mich die Geschichte deiner Onkel nur bestärkt. Ich will fühlen, richtig fühlen, was es bedeutet zu lieben und zu leben. Mit allem was dazu gehört. «

» Was, wenn dir keine Liebe widerfahren wird? «, hakte Maria nach.

» Das wird wohl ein Risiko sein, dass ich eingehen muss. «

» Auch wenn es weh tut? «

» Auch wenn es weh tut! «, entgegnete er überzeugend.

Aus dem Nichts trat Sael zu ihnen, nahm beide seiner Hände in ihre und sagte, » Dann wird es Zeit für die dritte Waise. «

3

   » Bringt die Kinder zu mir, wenn ihr sie nicht wollt, doch tötet sie nicht! «

Mutter Teresa

 

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Zusammen verließen die die Ebene der ungeborenen und fanden sich in der Stadt der Traurigkeit wieder.

Er spürte eine bleierne Schwere auf seiner Seele, die ihm zu Boden drückte. Selbst Sael, die schon hier gewesen war fühlte wieder die Tiefe der Traurigkeit in sich aufsteigen. Die seit ihrem letzten Besuch noch weiter angewachsen war. Sie versuchte sich dagegen aufzubäumen und blickte sich nach der dritten Waisen um. Als hätte sie nur darauf gewartet, erschien eine kleine, gebeugte, alte Frau. Sie berührte Sael und nahm ihr damit ein Teil der Traurigkeit. Das gleiche machte sie mit ihm. Der sich dankbar wieder aufrichtete. » Was passiert hier? «, fragte er unbeholfen.

Die dritte Waise blickte ihn lächelnd an. » Du hast die Ebene der Ungeborenen verlassen und befindest dich in der Stadt der Traurigkeit.« Ihr stiegen Tränen in die Augen und sie fügte leise hinzu. »Zumindest war das hier einmal die Stadt der Traurigkeit. Mittlerweile ist es ein ganzes Land und wenn die Menschen weiter machen wie bisher, wird es bald ein ganzer Kontinent sein. «

Immer noch fragend blickte er sich um. Er sah entfernte Häuser, alles war grau und schwarz. Keinerlei Farben. Sogar die entfernten Berge waren grau. Es war als ob die Traurigkeit dem Land die Energie nahm, die es zum Leben brauchte. Selbst der Himmel war dunkel.

» Siehst du den endlosen Fluss der grauen Wolken, der nicht abreißt? «

Er nickte stumm.

» Das sind die Seelen, die vor Ihrer Zeit zu uns zurückkehren. Hier auf dieser Ebene kommen die Seelen an, die sterben bevor ihr menschlicher Körper richtig leben durfte. «

Ungläubig blickte er zu den Wolken und erkannte in den Schemen, kleine Körper, Säuglinge, jeder einzelne trug eine Wolke der Traurigkeit um sich. » Aber was ist mit ihnen passiert? Es sind so viele...«, stellte er entsetzt fest.

» Und es werden stündlich mehr. Bei einigen der Seelen haben die Mütter die Schwangerschaft bewusst unterbrochen. Abtreibung nennen es die Menschen. Doch in den letzten Jahrzehnten haben die Menschen angefangen an Embryonen zu forschen. « Es stockte ihr der Atem, wenn sie daran dachte, was das für die unzähligen Seelen bedeutete. » Weißt du was das bedeutet? «

Er schüttelte mit dem Kopf. » Nein, das sagt mir leider nichts. Ich denke, ich habe entfernt mal was davon wahr genommen aber sicher bin ich mir nicht. Mit der Wissenschaft der Menschen bin ich nicht sehr vertraut. «

Mutter Teresa lächelte, » Das kann ich spüren, dich dürstet es mehr nach dem Leben und der Liebe. Doch wenn du dich für das Leben entscheidest muss ich dich hierüber aufklären, denn das was du hier siehst, kann dir widerfahren. «

Er nickte, dass hatte er bereits geahnt. Immer noch ungläubig betrachtete er den nicht abreißenden Fluss der grauen Wolken. Mutter Teresa folgte seinem Blick. Ein Schauer der Angst durchfuhr ihn.

» Komm mit mir, ich zeige dir das Innere der Häuser.« Sie schritten dem Haus, das am nahsten stand entgegen. Mit jedem Schritt nahm die Traurigkeit zu. Als er das Fenster erreichte, konnte er nur noch kriechen. So schwer drückte ihm die Traurigkeit nieder.

Doch diesmal half Mutter Teresa ihn nicht dabei die Trauer verschwinden zu lassen. Er musste die Traurigkeit alleine ertragen. Nur mit letzter Kraftaufwendung konnte er sich am Fenstersims aufrichten und durch das graue Fenster sehen. Was er sah verschlug ihm den Atmen. Er hatte viele Seelen erwartet, doch die Größe der Traurigkeit die in niederdrückte, war die einer einzigen Seele.

» Du spürst nicht mal die ganze Kraft der Traurigkeit, stell dir nur vor, wie es sich anfühlen muss, wenn du ihr direkt gegenüber stehst. «

Er blickte zu der Seele, » Was passiert mit ihr? «, fragte er mühselig.

» Sie lebt das Leben was ihr eigentlich zugestanden hätte. Daher die tiefe Traurigkeit. Denn in ihrem Inneren weiß sie, dass sie tot ist und das was sie sieht, nie stattgefunden hat. «

Er war verwirrt. » Aber warum? Warum ein Leben leben, das man doch nicht gelebt hat. Wäre es nicht sinnvoller, den Tod zu akzeptieren und in das große Ganze einzutauchen? «

» Das ist nicht möglich. Keiner der Seelen die hier ist, sollte hier sein. Das alles fing einmal mit nur einem einzigen Haus an. «

Ungläubig sah er sich um. Das war kaum vorstellbar. Die Häuserreihen reichten unendlich lang. Er sah nicht mal ein Ende der Häuser. Sie reichten bis über den Horizont und weiter. » Ich verstehe immer noch nicht, warum es so viele sind. Ich meine, es können doch nicht so viele Mütter ihre Kinder abtreiben? «

» Die Menschen nennen es abtreiben, wir nennen es töten. «, sagte sie traurig. » Doch, viele dieser Seelen wurden von ihren Eltern umgebracht. Überlege doch nur, wie viele Menschen auf der Erde leben und bereits gelebt haben. Es gibt Seelen die hier schier eine Ewigkeit verweilen bis sie endlich Erlösung finden. Alle jene, die eine Seele töten, ob seelisch oder körperlich müssen hier die Frage nach dem „Warum?“ beantworten, bevor sie die Stadt der Traurigkeit verlassen können, denn hier treffen sie aufeinander. «

» Wie meinst du das, sie treffen aufeinander? Wer trifft wen? « Er konnte dem ganzen nicht mehr folgen.

» So, wie du und ich. Diejenigen die für den Tod der Seele verantwortlich sind und die getöteten Seele stehen einander gegenüber und die getötete Seele fragt nach dem Warum? Warum musste ich sterben bevor ich leben durfte? Warum hast du mich erschaffen um mich dann doch wieder zu töten? Warum?... «

» Also die Mutter trifft hier ihr ungeborenes Kind und muss sich der Frage nach dem Warum stellen? «

Mutter Teresa nickte stumm. » Richtig, aber nicht nur die Mutter. Ebenso der Vater. Die Ärzte, die die Unterbrechung herbei geführt haben. Die Krankenschwestern und Pfleger die assistiert haben. Jeder der die Möglichkeit gehabt hätte dem Ungeborenen zu helfen. Die Seele muss jedem einzelnen von Ihnen verzeihen. Und nicht nur die getötete Seele auch die Seelen die von dem Verlust der Seele betroffen sind müssen verzeihen. «

Er versuchte das Gesagte zu begreifen. Spürte die Traurigkeit um sich. Er erinnerte sich an die Worte des Schamanen. Versuche hinter den Dingen zu blicken. Eine halbe Ewigkeit sah er abwechselnd zur grauen Wolke und zu den Häusern der Stadt, bis er sprach, » Es gibt keine Antwort auf das Warum, oder? «

Mutter Teresa nickte traurig. » Nein, die gibt es nicht. «

» Aber wie ist es dann möglich, dass sie die Stadt der Traurigkeit verlassen? «

» Wenn die Seele, demjenigen vergibt, der sie getötet hat, ist es möglich das der Vergebende die Stadt verlässt, aber das ist nicht so einfach wie es scheint. «

» Wie meinst du das? «

» Wie ich bereits sagte, jede Seele hat ein Leben und jedes Leben, das die Seele hätte berühren können, wenn sie hätte Leben dürfen muss demjenigen vergeben, der die Seele getötet hat. Es reicht nicht aus, dass die getötete Seele vergibt. Danach müssen auch all die anderen Seelen vergeben. «

» Das verstehe ich nicht. Von welchen anderen Seelen sprichst du? «

» Eigentlich ist es ganz einfach. Nehmen wir an, eine der Seelen wäre Arzt geworden und hätte die Chance gehabt, Leben zu heilen und zu retten, dann müssen die Seelen, die nicht gerettet wurden auch vergeben. Jemand muss vergeben, das ein guter Freund nicht geboren wurde oder jemand wurde nicht geboren der jemand Fremden ein aufmunterndes Lächeln schenkt. All jene, die selbst neues Leben geschenkt hätten. Um nur einiges zu nennen. Es gibt so viele Seelen die miteinander in Verbindung stehen ohne dass die Menschen es bewusst wahrnehmen. All diese Seelen müssen vergeben. «

Ihm schwirrte der Kopf. » Aber das sind so viele. «

» Da hast du Recht. Aber die Seelen müssen begreifen was sie der ungeborenen Seele angetan haben. Müssen erfahren das ihr Handeln Konsequenzen hat. Was es bedeutet einer Seele das Leben zu nehmen. Und hier sind nur die ungeborenen. Jeder der einen Menschen und damit einer Seele schlimmes antut muss sich der Frage nach dem Warum stellen? Aber diese Seelen findest du auf anderen Ebenen. «

» Und erst wenn alle Seelen vergeben haben findet die Seele Erlösung? «

» Die zu vergebende Seele braucht nicht auf Erlösung warten, denn sie kann nichts dafür, dass ihr Leben auf Erden nie stattgefunden hat. Aber die Seelen, die um Vergebung bittend hier sind, können die Stadt erst verlassen, wenn ihnen vergeben wurde. Das gilt auch auf den anderen Ebenen. Erst wenn alle Seelen vergeben, kann die um vergebe bittende Seele Erlösung findne. Einige Missetaten der bereits gelebten Seelen sind einfach zu schwerwiegend, als das es möglich ist, das ihnen jede Seele vergibt. Nehmen wir die Diktatoren der Menschen, die die ihre Landsleute unterdrücken, misshandeln und töten oder gar einen Krieg ins Leben rufen. Für die ist es so gut wie aussichtslos Erlösung zu finden. Überlege nur mal in Zahlen, wie viele Seelen unter anderem nur einer Person verzeihen müssen. Aber wie gesagt, das findet auf anderen Ebenen statt. «

» Werde ich diese Ebenen auch sehen? «

» Nein, ihr ungeborenen Seelen, die ihr euch entschieden habt, als Mensch geboren zu werden, seht nur diese Ebene. Nicht zu vergessen die Ebenen der anderen Seelen. Ein Mensch, der ein Tier quält oder tötet, sich schwer an Mutter Natur vergeht muss sich diesen Seelen genauso stellen wie den menschlichen. «

» Also, wenn jemand zum Beispiel Massenmorde begeht, muss der Mensch oder die Seele sich jeder einzelnen Seele stellen? Nicht nur den menschlichen? «

» Allen Seelen, die diese Seele berührt haben. Nehmen wir an, jemand ist für einen Krieg verantwortlich. Derjenige muss sich jeder Seele stellen die von diesem Krieg betroffen ist oder war. Und es geht hier nicht nur um die ermordeten Seelen. Nein, auch diejenigen die unter der Herrschaft einer Macht Leiden mussten. Die misshandelt und missbraucht wurden. Die alles verloren haben was ihnen gehört hat. Die vertrieben wurden. Die jedes mal Todesängste ausstehen sobald sie Bomben fallen oder abgefeuerte Schüsse hören. Jede dieser Seelen muss vergeben. Solange nicht alle Seelen vergeben, findet die Seele keine Erlösung. Die zu vergebende Seele findet, wie gesagt, schon vorher Erlösung. «

» Aber ist es für die Seelen, die anderen Leid zufügen, denn überhaupt möglich Erlösung zu finden? «, fragte er kritisch.

» Ja, aber natürlich. Allerdings will ich ehrlich sein, die Seelen, die tatsächlich für Massenmorde, Misshandlungen und Kriege verantwortlich sind, haben kaum eine Chance. Alle anderen schon. Aber nicht zu vergessen, das sind nur die menschlichen Seelen, wie gesagt auch Tiere und Mutter Natur werden in einem Krieg verletzt und getötet auch diese Seelen müssen verzeihen. «

» Und was für eine Rolle spielt Gott dabei? Ich dachte immer, er sei derjenige der vergibt? Er hat doch sogar seinen Sohn geopfert um den Menschen zu ermöglichen sich von ihren Sünden zu befreien. «

» Das stimmt. Aber Gott spielt nicht. Gott ist da. Gott ist, wie er es versprochen hat, für alle Menschen da. Auch für diejenigen, die böses tun. Doch in den Fällen der verletzen Seelen, tritt Gott nur als Vermittler auf. Sobald ein Mensch seine Tat bereut - auch schon zu Lebzeiten - kann der Mensch Gott um Vergebung bitten. Doch er vermittelt nur, denn die Seele selbst muss vergeben und sie allein entscheidet darüber, ob der zu vergebende Seele vergeben wird oder nicht. Gott kann nur Ratschläge erteilen. «

» Was, wenn ein Mensch nicht an Gott glaubt? Wie kann seine Seele Vergebung erfahren? «

» Das macht keinen Unterschied. Er ist für alle da. Auch für die, die nicht an ihm glauben. Das ist keine Voraussetzung. Diejenigen, die nicht glauben und etwas schlimmes getan haben, können auch direkt der Seele oder den Seelen um Vergebung bitten. Gott ist in diesem Fall außen vor. Nichtsdestotrotz ist er für alle da. «

Er versuchte zu begreifen, doch es war einfach zu viel. Er sah den nicht enden wollenden Fluss der Seelen. Und das waren nur die Ungeborenen. Wie viele Seelen mehr mussten jetzt gerade noch zurück kommen? » Ich kann mir das Ausmaß nicht vorstellen. « gestand er, » Wenn das hier nur die Seelen der ungeborenen sind, wie viele mehr müssen dann die gelebten Seelen sein? «

» In den letzten Jahren ist es hier zu einem sehr hohen Anstieg gekommen, so dass, was du hier siehst, ungefähr den Seelen entspricht, die geboren wurden und gelebt haben. «

» Aber wie ist das möglich? Das hier können doch unmöglich nur die Seelen derer sein, die abgetrieben wurden, oder? «

» Das ist richtig. Es gibt eine weitere Form der Tötung der Ungeborenen. Die Menschen nennen es Gentechnik und befruchten künstlich Eizellen. Ist dir das ein Begriff? «, fragte sie erneut.

» Davon habe ich nur entfernt gehört, aber nur von jemanden der das kritisch hinterfragt hat, er nannte es Gott spielen. «

Mutter Teresa lachte traurig » Gott spielen? Gott spielt nicht mit Seelen. Was die Menschen machen, ist nicht Gott spielen, sondern schlicht und einfach Massenmord. Jede befruchtete Eizelle bedeutet neues Leben und damit eine Seele, die ihren Weg in die Welt der Menschen gefunden hat. «

» Wie meinst du das Massenmord? An Ungeborenen? Wie ist das möglich? «, fragte er geschockt.

» Das Traurige ist, das sich in den letzten Jahrzehnten eine Zwischenebene entwickelt hat, Seelen die Leben und doch nicht leben. Sie dürfen nicht leben, können aber nicht zu uns zurück, da sie gefangen sind. «

» Aber wie ist das Möglich? «, fragte er verwundert.

» Das ist schwierig zu erklären. Komm ich werde es dir zeigen. « Sie machte eine Handbewegung und sie sahen Menschen in einem Labor über Reagenzgläsern arbeiten.

» Dort sind einige der Seelen.«, sagte Mutter Teresa betrübt.

» Wo? «, fragt er verwirrt, » Ich kann sie nicht sehen. «

» Siehe genau hin. « Doch beim besten Willen, er konnte sie nicht sehen. Alles was er sah waren die Erwachsenen die über ihre Arbeit brüteten. Dann überkam ihm die bittere Erkenntnis. Genau in dem Moment, sah er wie eine der Frauen, eines der Reagenzgläser in eine Art Kühlschrank legte. Als sie die Tür öffnete, war es als, ob ihm ein bitterliches Flehen nach Erlösung entgegenkam. Mutter Teresa nickte. » Ja, dort sind sie. Gefangen in Reagenzgläsern und Kühlschränken. Und das ist nur ein Labor von vielen. Mit nur den menschlichen Seelen. Es gibt noch mal so viele mit den Seelen der Tiere und Pflanzen. «

» Aber ich verstehe nicht, warum machen die Menschen das denn? «

» Schlicht und ergreifend aus dem Grund, weil sie es können. «

» Aber das kann doch nicht sein, oder? «

» Doch natürlich. Sie sagen zwar, dass sie Krankheiten damit heilen wollen oder Paaren die keine Kinder bekommen können zu einer Schwangerschaft verhelfen, aber im Grunde ist es, weil sie es können. «

» Aber das sind doch gute Absichten, wenn sie dadurch Krankheiten heilen, dann helfen sie doch Seelen? « Bereits als er das letzte Wort gesprochen hatte, hörte er wieder das Flehen der Seelen und war sich bewusst, dass das so nicht stimmte. Als Mutter Teresa bereits antwortete » Doch wie gut ist etwas, das erst durch böses entstehen kann? Ich will gar nicht immer so viel schlecht reden. Es gibt Menschen, die das nicht gutheißen und dagegen protestieren, aber die sind in der Minderheit. Den meisten ist es einfach egal oder sie haben andere Sorgen. Jemand der selber tagtäglich ums Überleben kämpft, weil er nicht genug zu essen hat oder in einer Gegend lebt, wo er jeden Tag dem wahrscheinlichen Tod ausgesetzt ist, von denen können wir selbstverständlich nicht erwarten, dass sie sich mit der Thematik beschäftigen. Doch jene, die in den "sicheren" und "wohlhabenden" Ländern leben, sollten langsam zur Besinnung kommen. Selbst jene die in den Laboren arbeiten oder den Schwangerschaftsabbruch einleiten, sollten sich vor Augen halten, was sie eigentlich machen. «

Er versuchte all die Informationen zu verarbeiten, die auf ihn einstürzten. » Aber wenn Eltern so sehr den Wunsch nach einem eigenen Kind verspüren wie...«, er suchte nach einem Vergleich, »... wie wir ungeborenen nach dem Leben, was ist daran falsch? «

» Nichts ist daran falsch, aber die Methode diesen Wunsch zu erfüllen ist nicht richtig. Die Menschen in den Laboratorien und die werdenden Eltern werden mit jeder Seele konfrontiert, die sie jemals getötet haben. Die Menschen haben festgestellt, dass neunundreißigtausend Embryonen künstlich erzeugt werden müssen um eintausendsechshundert von ihnen zu gebären, dann kannst du dir ausrechnen wie viele Seelen ein einzelner auf den Gewissen hat. Neununddreißigtausend Embryonen bedeuten Neununddreißigtausend Seelen. Das Traurige ist, das einige wirklich denken, dass sie damit Gutes tun. «

» Aber wissen sie denn nicht, was sie tun? «, fragte er erneut,verzweifelt.

» Einige erahnen das Ausmaß und andere nicht. Aber sie verpacken es unter dem Deckmantel des Guten indem sie sagen, dass sie kinderlosen Eltern Kindern schenken oder das sie versuchen Krankheiten zu heilen. Jedes Leben bedeutet eine Seele, das müssen die Menschen sich wieder begreiflich machen. Es interessiert nicht, ob die Seele überlebt, sobald neues Leben entsteht, hat die Seele auf der Welt Einzug gehalten.«

Er konnte all die neuen Informationen kaum verarbeiten und schwieg eine Zeitlang, bis er fragte, » Kann mir das auch passieren und er zeigte auf die Reagenzgläser? «

» Ja, wie du bereits erfahren hast, du hast keinen Einfluss darauf wer dich gebiert. Sobald du dich für das Leben entscheidest, machst du dich auf den Weg. Mit unbekannten Ziel. Du weißt nur, das du als Mensch geboren wirst. «

Wieder stellte er seinen Wunsch nach Leben in Frage.

» Ich habe mich damals schon gegen Abtreibung ausgesprochen. Ich habe mich immer gefragt, wie schlimm kann eine Welt noch werden in der Mütter ihre eigenen Kinder umbringen? Hätte ich damals gewusst zu was der Mensch noch fähig ist, hätte ich gesagt, dass die Welt noch schlimmer werden kann. Anstatt abzutreiben sollen die Mütter ihre Kinder lieber zur Adoption freigeben, dann haben die Kinder wenigstens eine Chance auf Leben. All jene die keine Kinder bekommen können, sollten sich derer annehmen die keine Eltern haben und sich nicht mit den Tod unzähliger Leben belasten nur um ein Leben zu schenken. Mit ihrer künstlichen Befruchtung, der Embryonenforschung und den Abtreibungen bringen sie das Gleichgewicht des Lebens durcheinander und die Folgen siehst du tagtäglich. In einigen Ländern, gibt es mittlerweile mehr Männer als Frauen, weil die Mütter die weiblichen Kinder abtreiben. Was bedeutet das die zukünftigen Frauen in deren Länder die leidtragenden sind. Es ist nur eine Frage der Zeit. «

» Wie meinst du das? «

» Überlege selbst, was wird geschehen, wenn in einer Gesellschaft deutlich mehr Männer als Frauen leben? «

Er zuckte mit den Schultern. Er war sich nicht mal sicher, ob er die Antwort überhaupt hören wollte.

» Etwas sehr Trauriges wird passieren. Die Männer werden sich die Frauen mit Gewalt nehmen. Vergewaltigungen werden ansteigen und auch die Zwangsprostitution. Die Frauen, die jetzt die weiblichen Kinder abreiben, tragen dazu bei, dass sich die Lage der Frauen in den Gesellschaften noch verschlechtert. Es ist ein Teufelskreis. Im wahrsten Sinne des Wortes. «

Er wurde immer betrübter. Es gab so vieles, was er nicht bedacht hatte.

» Die Menschen müssen endlich wieder das Leben zu begreifen lernen sonst ist alles zu spät. «

» Zu spät? «, fragte er traurig.

» Ja. Zu spät. Du hast doch das heilige Bison gesehen? Das letzte Mal, so wurde mir berichtet, als sie in dem Tempo schwächer wurde, war kurz vor der erneuten Reinwaschung der Erde. «

» Aber es hat sich wieder erholt, oder? «

» Ja, das hat es. Denn es ist die Hoffnung, die zuletzt stirbt. Und natürlich gibt es Menschen, die das alles verstehen, was ich dir versucht habe mitzuteilen und die Welt ist nicht nur schlecht. Selbst ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ich habe so viel Leid zu Lebzeiten erlebt aber gleichzeitig auch so viel Liebe, das ich daran glaube, dass es nie zu spät ist. Eine Umkehr ist immer möglich. «, sie seufzte, » Vermutlich bin ich schon zu lange in der Stadt der Traurigkeit, das mir dann und wann Zweifel kommen. «

» Woher nimmst du die Kraft die Traurigkeit zu ertragen? «

Sie lächelte. Aus der Liebe. Der Liebe zum Leben. Aber es wird zunehmen schwerer, wie du siehst, der Fluss der Seelen reißt nicht ab und wir haben nicht genügend Seelen, die die Traurigkeit ertragen und uns helfen. Eine unserer wichtigsten Helferinnen hast du schon kennengelernt. « Mutter Teresa zeigte auf eine Frau, die sich in einiger Entfernung den Seelen der grauen Wolke annahm. Er sah genauer hin und erkannte in der Frau Anne. » Sie musste zu Lebzeiten so viel Leid erfahren, dass sie die Traurigkeit hier ertragen kann und denjenigen helfen kann, die wiederkehren. «

Er blickte zu ihr. Nach einiger Zeit schaute sie hoch und sah ihn direkt an. Nickte ihm zu und lächelte.

» Konnte sie ihrem Vater vergeben? «

» Nein, sie hat ihren Vater nicht verziehen. Das was er ihr angetan hat, war zu schrecklich. Er ist noch auf seiner Ebene. Er hat wenig Möglichkeiten auf Erlösung. Zu viele Seelen mussten unter ihm Leiden. Er erfährt nun das Leid, was er anderen angetan hat. «

Eine weitere Frage brannte ihn auf der Zunge, die er lieber nicht stellen wollte. Doch er musste einfach.

» Mutter Teresa? «

» Ja? «

» Was, wenn ich einer von denen werde, die Böses tun? «

» Alle Menschen werden gut geboren. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass jemand böse geboren wird. Es sind die Umstände, die die Menschen zu denen machen, die sie sind. Einige schaffen es noch zu Lebzeiten sich wieder auf das Gute zu berufen. Doch andere nicht. Diejenigen müssen darauf hoffen, dass ihnen die Seelen verzeihen. Aber du weißt selbst, auf der Welt gibt es genauso viel Gutes und Schönes wie Schlechtes. Hier sieht du die Schattenseiten des Lebens damit du besser darauf vorbereitet wirst, was passieren kann. Um deine Frage zu beantworten, theoretisch, durch die falschen Umstände, kannst auch du dazu fähig sein Böses zu tun. Genauso wie dazu fähig bist Gutes zu tun. «

» Aber es gibt doch auch Menschen, die krank sind und dadurch schlecht handeln. «

» Richtig, die befinden sich auf anderen Ebenen. Diejenigen die hier sind, haben vorsätzlich böses getan. Sie wussten, das was sie taten nicht richtig ist. Es gibt keine Entschuldigung für das was sie getan haben. Jeder Vater oder auch Mutter weiß, dass sie sich nicht an ihre Kinder vergehen dürfen. Das es nicht richtig ist. Nur um ein Beispiel zu nennen. Die Menschen die merken, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, müssen sich Hilfe holen. Gegen ihre Dämonen ankämpfen um nicht unschuldige Seelen weh zu tun oder gar zu töten. Natürlich müssen wir differenzieren, aber was wir nicht verstehen, warum ein Mensch, der merkt das in ihm was böses steckt, sich nicht einfach helfen lässt. Und selbst wenn das nicht hilft, dann sollten die Menschen darüber nachdenken, ob es nicht sicherer wäre, auch für ihr Seelenleben, eingesperrt zu werden.

» Sich also freiwillig einsperren lassen? «

» Warum nicht? Hätte ich gemerkt, dass mit mir was nicht stimmt und ich auch mit Hilfe nicht damit gegenan kämpfen kann, würde ich mich einsperren lassen. Dann wäre ich und die anderen Menschen sicher. Natürlich nicht so wie in einem Gefängnis aber irgendwie so, das ich anderen nicht gefährlich werden kann und trotzdem selber noch gut leben kann. «

Da er sich darüber noch nie Gedanken gemacht hat, antwortete er nicht. Darüber musste er erst einmal in Ruhe nachdenken. Er war nun völlig verwirrt. Mutter Teresa kam viel zu schnell von einem zum anderen Thema.

» Es gibt so viele Dinge, die wir nicht verstehen. Der Mensch ist zu Vielschichtig. Doch eines muss der Mensch wieder begreifen, dass das Leben an sich das höchste Gut des Lebens ist. Unbezahlbar und mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. Nicht alles Geld, Gold, Hab und Gut ist so viel wert wie eine Seele. Wenn der Mensch das wieder begreift besteht Hoffnung auf eine bessere Welt. Meinem Herz versetzt es jedes mal einen Stich, wenn ich sehe, dass die einen im Überfluss leben und nichts mehr wirklich achten und die anderen nichts haben und tagtäglich ums Überleben kämpfen müssen. Die einen können in Frieden leben während die Anderen die Abgründe des Krieges erleben. Schau, «, sie machte eine Handbewegung und er sah einen riesigen Berg an Brot. » Alles auf den Müll geworfen. «, sagte sie traurig, » Und gleichzeitig sterben diese Menschen an Hunger. Das ist genauso schlimm als würdest du dich an einer vollen Tafel laben während jemand anderes der an Hunger leidet dir dabei zusehen muss. Wer das Leben mit seinen Gaben nicht mehr zu schätzen weiß, verlernt zu leben. «

In ihm wurden die Zweifel an das Leben immer größer und dennoch, er dachte an die Seelenverwandten, hörte wie Karl und Johannes, keine Sekunde bereuten. Dachte an die Menschen, die anderen selbstlos halfen, die auf die Straße gingen um zu protestieren, sich gegen die Ungerechtigkeiten der Welt aussprachen. Er konnte und wollte einfach nicht glauben, dass es für die Menschen zu spät war. So fragte er, » Mutter Teresa, wenn du noch mal die Chance hast, die Frage nach dem Leben zu beantworten, wie würdest du dich entscheiden? «

Sie überlegte lange. Sehr lange. Erinnerte sich an ihre Zeit auf Erden, an all das Leid und Elend, was sie gesehen hatte. An die Armut und die damit verbundenen Sorgen der Menschen. Dachte an ihre Mitschwestern und das was sie erreicht hatten. An die Hoffnung in den Augen den Menschen. An die Liebe, der Menschen, die in ihren Krankenlagern Hilfe fanden oder wenigstens in Würde sterben konnten. Ebenso an die Dinge, die sie selbst falsch gemacht hatte. Die sie im Nachhinein gerne anders umgesetzt hätte und doch kam sie zu einem Entschluss. Sie blickte ihn lächelnd an. » Dafür! Danke, dass du mich daran erinnert hast, wofür es sich zu leben lohnt. «, schloss sie.

Sael war wieder an seiner Seite. » Ich wünsche dir alles Gute und dass du all das schaffst, was du dir so sehr wünscht. «

» Ich verstehe nicht? «, fragte er verwirrt.

Sie lächelte. » Du hast dich bereits entschieden, oder etwa nicht? «

Sael sah ihn nur noch nicken und damit trat er seine Reise an. Seine Reise in das Ungewisse des Lebens.

Er hatte sich entschieden. Er konnte nicht länger zusehen wie die Menschen ihr wertvolles Leben einfach so wegwarfen. Er musste es einfach versuchen. In dem Moment seines Entschlusses durchdrang ein Beben den Himmel. Ein Beben der besonderen Art, wie es nicht oft vor kam. Alle Waisen wussten, was das zu bedeuteten hatte und blickten auf, denn ein Hoffnungsträger hatte sich auf den Weg ins Leben gemacht.

Der Schamane blickte auf das Bison und spürte leicht, dass das Bison stärker wurde, aber er wagte nicht zu viel Hoffnung aufkeimen zu lassen, denn zu oft ist er schon enttäuscht worden. Doch ganz erwehren konnte er sich nicht und lächelte. Wenn auch nur traurig.

» Was war das? «, fragte Maria, Sael nach dem Beben.

» Ich weiß es nicht, dass habe ich noch nie gespürt. «

» Das bedeutete, dass ein Hoffnungsträger auf den Weg ins Leben ist. «, antwortete Karl.

» Er muss es sein! «, sagte Sael. Maria nickte zustimmend. Sie konnte keine passenden Worte finden.

» Nicht er. Sie. «, sagte Johannes.

» Sie wird als Mädchen geboren? «

Er nickte. » Wollen wir es hoffen. « Sie hatten schon einige Hoffnungsträger scheitern sehen und nicht wenige fanden sich in der Stadt der Traurigkeit wieder.

» Wenn es einer schafft, dann sie. «, sagte Sael.

Maria stimmte zu. » Wir werden ein Auge auf sie haben. « Johannes und Karl nickten zustimmend und machten sich wieder daran, die heimgekehrten Seelen zu begrüßen.

Sael und Maria verfolgten ihren Weg genau. » Oh sie nur, wie hübsche ihre Mutter ist. « Nach einiger Zeit machte sich Maria wieder auf den Weg zu den Heimkehrern. Sael versprach ihr, so bald was wichtiges passierte, Maria Bescheid zu geben. Sie fühlte das Glücksgefühl der Frau, als sie erfuhr dass sie schwanger sei. Sie sah wie die Frau ihren Partner von der Schwangerschaft erzählte.

» Schwanger, du bist schwanger? «, fragte er erschüttert.

Sie nickte.

» Du weißt, dass das nicht geht? «

» Aber...«

» Kein aber, ich habe dir immer gesagt. Keine Verpflichtungen. « Sie sah ihren Geliebten erschüttert an. » Du weißt, dass ich meine Frau nicht verlassen werde. Sorge dafür dass es verschwindet. «

» Das kann nicht dein ernst sein. «

» Oh, doch. Ich will kein Kind mit dir. Das habe ich dir von Anfang an gesagt. «

» Aber...«

» Es gibt kein aber. «

» Aber, wenn ich das Kind behalten will. «

»Auf keinen Fall oder du wirst von mir keinen müden Cent mehr sehen und was willst du dann machen? «

» Das ist doch nicht dein Ernst. «

» Glaubst du ich Scherze? » Er griff nach seiner Geldbörse warf ihr einen Haufen Scheine vor die Füße und sagte, » Mach es weg oder ich gehe. Ich meine es ernst, das war’s dann für mich. Komm mir erst wieder unter die Augen, wenn du die Angelegenheit geklärt hast. « Wütend schmiss er die Tür ins Schloss.

Weinend legte sie sich aufs Bett. Sie dachte mit dem Kind würde er endlich seine Frau für sie verlassen, da hatte sie sich wohl geirrt. Hysterisch lachte sie über sich selbst, wie sie nur so dumm gewesen sein konnte. Er hatte ihr nie was vorgemacht und doch hatte sie gehofft. Sie blickte sich in ihrer Wohnung um auf all das müsste sie zukünftig verzichten. Das würde sie können. Doch konnte sie auch auf ihn verzichten? Also blieb ihr nur eine Entscheidung und die fiel sie schweren Herzens. Doch sie haderte mit ihrem Entschluss. Vielleicht sollte sie doch endlich ihr Leben ohne ihn auf die Reihe bekommen. Jetzt hätte sie ja ihr Kind. Sie konnte es schaffen. Oder?

Sael floh eilends zu Maria. Packte sie am Arm uns schleifte sie einfach mit sich. » He, was soll das? « Sael traten Tränen in die Augen und sie zeigte auf die Frau. Maria sah ihre Gedanken und war genauso erschüttert wie Sael. » Das kann nicht sein. «, flehte sie leise. » Das darf einfach nicht sein.« Sie wurde wütend. Maria blickte bestürzt auf die Frau, die mit ihr schwanger war. » Das kann nicht sein. «, sagte sie erneut, » Wir müssen was unternehmen! «

» Wir können nichts unternehmen. Das steht nicht in unserer Macht. «, sagte ihr Karl traurig, der Sael und Maria gefolgt war.

» Doch, wir müssen aber. «

Sael und Maria versuchten alles erdenklich mögliche um mit der Frau in Kontakt zu kommen. Doch alles war vergebens. Die Frau klagte nur über zu starke Kopfschmerzen und wusste nicht, dass es Sael und Maria waren, die sie ständig versuchten davon zu überzeugen nicht abzutreiben. Doch es half alles nichts. Nach unentschlossenen Wochen, ob sie das Kind behalten sollte oder nicht, fiel sie schweren Herzens einen endgültigen Entschluss. Die Frau sah keinen anderen Ausweg als die Abtreibung. Sie vermisste ihren Geliebten einfach zu sehr. Die Sicherheit die er ihr gab und sie musste ehrlich sein, er hatte ihr nie Hoffnungen gemacht als das sie mehr als seine Geliebte sein könnte. Sie spürte das ungeborene Kind in ihr. Doch sie stellte ihre Gefühle ab und wartete darauf schnellstmöglich einen Termin in der Klinik zu bekommen. Fassungslos sahen sie wie die Frau in die Klinik ging. Maria und Sael versuchten nun Einfluss auf den Arzt zu nehmen. Doch für ihn war es ein Arbeitstag wie jeder andere. Als der Tag der Abtreibung gekommen war konnten Maria und Sael nur noch mit ansehen, wie Stück für Stück das Leben ihrer Schwester endete.

Sie fühlte, das etwas nicht stimmte. Sie spürte einen starken Druck auf ihren, noch nicht voll entwickelten Körper. Der Druck wurde stärker. Sie schrie vor Panik - doch auf Erden konnte sie niemand hören. Es tat so unendlich weh. Nichts als Schmerzen. Als erstes wurden ihre kleinen Arme durch den Sog von ihrem Körper getrennt, dann folgten ihre winzigen Beine und sie schrie.

Schrie.

Schrie.

Und schrie.

Danach wurde ihr Kopf vom Rumpf getrennt und augenblicklich verstummen ihre Schreie. Das ihr Kopf wie eine Nuss geknackt wurde damit die Bruchteile ihres Kopfes einzeln aus dem Mutterleib gesaugt werden konnten, bekam sie nicht mehr mit. Ihre Schreie verhallten noch Lange in den Ohren ihrer Freunde und all derer die so sehr gehofft hatten, dass sie es war, die die Veränderung auf die Welt brachte. Doch wieder war die Hoffnung zerstört.

Die Hoffnung auf Besserung.

Und der Himmel weinte bitterlich und für den Bruchteil einer Sekunde blieb selbst dort die Zeit stehen. In der Sekunde ihres Todes verlor das Bison sein letztes Bein und die Wasser machten sich bereit um die Welt von neuem zu überschwemmen. Um die ursprüngliche Geistigkeit wieder herzustellen, denn jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit bis sie ihrer Bestimmung walten konnten. 

Nun war sie selbst Teil der großen, grauen Wolke. Sie fand sich dort wieder, wo ihre Reise begonnen hatte. In der Stadt der Traurigkeit. Sie brauchte lange um den Schmerz zu verarbeiten. Doch schließlich trat sie aus der Stadt hinaus. Immer noch schwach auf den Beinen trat Sael zu ihr. Sie begrüßte sie, » Meine Schwester, wie schön, dass du es geschafft hast, die Stadt der Traurigkeit zu verlassen. « Alle waren sie da und blickten sie freudig an.

» Was passiert jetzt? «, fragte sie noch immer geschwächt.

» Das entscheidest ganz allein du. «, antwortete Mutter Teresa, strich ihr liebevoll über den Kopf und verschwand, denn sie wurde in der Stadt gebraucht.

» Doch erst will dich dein Bruder kennenlernen? «, sagte Maria.

» Mein Bruder? «, fragte sie matt.

» Ja, dein Bruder. «, bestätigte Sael.

In dem Moment trat Jesus auf sie zu und kniete sich zu ihr nieder. Nahm seine Schwester in den Arm und endlich spürte sie das, wonach sie sich die ganze Zeit gesehnt hatte.

Unendliche Liebe.

 

Nachwort

Hier möchte ich einige Bücher aufführen, die mich zu meinem Manuskript inspiriert haben:



"Gott spielen" von Stefan Rehder, ISBN 978-3-629-02176-2

"Unser Ende ist euer Untergang" von Alexander Buschenreiter, ISBN 3-88977-566-7

" Die Heilige Pfeife" von Schwarzer Hirsch, ISBN 3-530-80081-3



Zudem möchte ich anmerken, das ich niemanden die Wahl absprechen möchte abzutreiben, aber wir sollten uns wieder klar darüber werden, was Abtreibung wirklich bedeutet.

Die Entscheidung muss jede Frau für sich treffen und die Wahl sollte bestehen bleiben. Worüber ich zum Nachdenken anregen möchte, ist die Entscheidung nicht leichtfertig zu treffen.

 

Und ja, homosexuelle Liebe ist genauso "normal" wie heterosexuelle Liebe und ich glaube tatsächlich daran, dass wenn Jesus heute noch leben würde, dass er keine Unterschiede machen würde, wie es die Kirche noch macht. Was ich für sehr traurig halte. Denn Jesus hat eines vermittelt und das ist Liebe. Liebe ohne Unterschiede!

 

Und ja, ich glaube daran, dass so wie wir mit unserer Mutter Erde und auch wir Menschen miteinander umgehen, dass Mutter Erde dies nicht mehr lange erträgt. So wie es auch die Botschaften der Hopi sagen.

 

Ich möchte niemanden verurteilen oder mit erhobenen Zeigefinger auf Missstände zeigen. Ich möchte nur zum Nachdenken anregen und entweder ist mir das Gelungen oder nicht. Das liegt ganz an Ihnen.

 

Vielen Dank!!! an alle, die sich die Zeit genommen haben, mein Manuskript zu lesen, das bedeutet mir sehr viel!



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Tag der Veröffentlichung: 27.08.2017

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