Monserrat war meine Lieblingsmücke. Ich bekam sie zwar lange nicht zu Gesicht, aber es gab nie irgendeinen Zweifel an ihrer Existenz. Nacht für Nacht sang sie mir ihr leises, sirrendes Schlaflied. Das war allerdings recht monoton. Öfters mal bat ich sie: „Sing doch auch mal ein anderes Lied.“ Aber Monserrat blieb ihrem Lied treu.
Oft dachte ich, es ist an der Zeit, dass wir uns persönlich kennen lernen. Ich machte das Licht an. Sofort hörte der Gesang auf. Ich suchte überall nach Monserrat, an den Wänden, Schränken, und auf dem Fußboden. Aber ich fand sie nicht. Machte ich dann das Licht wieder aus und legte mich gemütlich zurück in meine Kissen, war nach kurzer Zeit auch das vertraute Sirren wieder da. So konnte ich beruhigt schlafen.
Monserrats Tisch war reich gedeckt. Sie holte sich, was sie für den gerechten Lohn für ihre Gesangs- darbietungen hielt, wobei man darüber allerdings streiten könnte. Sie ernährte sich nämlich von meinem Blut. Das ist gute Nahrung, voll von Choles- terin und Hämoglobin, außerordentlich sättigend und nahrhaft. Zwei- bis dreimal saugte Monserrat sich voll mit Vorsuppe, Hauptgericht, und manchmal auch Nachtisch. Dann war sie gesättigt und begab sich zur Ruhe.
Der Blutverlust machte mir nichts aus. Ich habe reichlich davon. Aber zu sagen, es juckte mich nicht, trifft auch nicht des Pudels Kern. Erstens wusch Monserrat sich nie den Stachel vor der Mahlzeit. Dabei weiß doch jedes Kind, dass man sich vor dem Essen waschen muss. Zweitens fühlte ich mich irgendwie ausgesaugt. So kratzte ich mich an jedem neuen Morgen an den Futterstellen der nächtlichen Mahlzeiten und wurde immer schlechter gelaunt. Monserrat hätte das eigentlich bemerken können, aber es interessierte sie nicht.
Eines Nachts, ich schlief längst nicht mehr ein bei Monserrats sirrendem Gesang, machte ich wieder das Licht an und begab mich auf die Suche nach ihr. Ob Monserrat dachte, wir verstünden uns mittler- weile so gut, oder ob sie einfach von ihrer fetten Mahlzeit träge war, ich weiß es nicht. Jedenfalls saß sie dort auf der Wand hinter meinem Bett und schaute mir arglos lächelnd ins Gesicht. Ich war nicht sonderlich überrascht.
„Schönen guten Abend, Monserrat“, sagte ich, „das wird ja auch Zeit, dass wir uns endlich persönlich kennen lernen. Es gibt da nämlich etwas zwischen uns zu klären.“
Dann schlug ich zu.
Volltreffer!
Einen Moment lang philosophierte ich darüber, ob das Blut an der Wand nun eigentlich Monserrats oder meines war. Die Besitzverhältnisse sind überaus verwirrend. Dann ging ich wieder ins Bett und schlief wunderbar tief und traumlos ohne jeden störenden sirrenden Gesang. Ich genoss das sehr.
***
In der folgenden Nacht trat Susanna in mein Leben.
Texte: Alle Rechte am Text beim Verfasser.
Bild: Peashooter/PIXELIO
Tag der Veröffentlichung: 08.03.2010
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Widmung:
All jenen, dank derer es mich vor lauter Liebe juckt...