Fernseher steht in der Ecke,
Bilder hüpfen hinter Glas.
Gegenüber sitzt zum Zwecke
fern zu sehen – was ist das?
Kaum ein Mensch mehr, nur noch Hülle,
Blicke, die ins Leere geh’n,
Augen, die des Lebens Fülle
nur noch in der Kiste seh’n.
In der Flimmerkiste spricht
zum Publikum ein Fernsehstar,
und er singt zur Freude aller
gern aus seinem Repertoire.
Jetzt singt er, das kennt ein jeder,
gerade seinen neusten Hit,
und das Menschlein vor der Kiste
singt voll Wehmut lauthals mit.
Und der Star erstarrt, er lauscht,
er runzelt fragend seine Stirn.
Und dem Menschlein vor der Kiste dämmert,
Mann, der kann mich hörn.
Und schon richtet seine Blicke
aus der Kiste unser Star
auf das Menschlein gegenüber,
und er spricht: „Was seh ich da?
In der Hand die Zigarette,
auf dem Tisch ein schales Bier,
und dazu noch eine fette
Wurst auf Brot, so haust du hier?
Mensch, sag an, willst du so leben?
Soll das wirklich alles sein?
Ganz der Glotze hingegeben,
Rauchen, Bier und Völlerei’n?
Ich beschere dir tagtäglich
buntes Leben, prall und wild.
Selber aus der Kiste seh ich
nur dich elend Jammerbild.
Du benutzt mich nicht zum Leben,
sondern nur noch als `ne Flucht.
Dich tatsächlich zu erheben
hast bisher du nicht versucht.
Es ist wirklich an der Zeit, dass
ich aus dieser Kiste komm,
dich fass, Mensch, bei deinen Händen,
und dann laufen wir davon,
und dann zeigst du mir das Leben
draußen wie es wirklich ist.
Es muss dich noch anders geben
als du vor der Glotze bist.“
Wie kann der so zu mir sprechen,
denkt der Mensch, vor Angst erstarrt,
und er fragt sich allen Ernstes,
ob ihn sein Verstand wohl narrt,
während vor ihm in der Kiste
fragend ihn der Star ansieht,
der so gerne aus der Traumwelt
in die Wirklichkeit entflieht.
Und der Mensch, er sagt: „Du siehst es,
draußen ist es gar nicht toll.
Mir scheint eher, dass ich zu dir
in die Flimmerkiste soll!“
Sprach’s, und öffnet flugs die Scheibe,
springt schnell in die Kiste rein,
sagt dann zu dem Star im Fernsehn:
„Was geht ab hier mit uns Zwein?“
Der besieht ihn sich ganz kritisch,
spricht zu ihm: „So geht das nicht.
Du hast viel zu fette Hüften
und auch Falten im Gesicht.
Wie du dort bisher gelebt hast,
so darf es doch hier nicht sein.
Hier ist alles eitel Wonne,
hier ist alles Glitzerschein.
Mensch, ich sehe, du brauchst Hilfe
hier in meiner Kistenwelt.
Du kamst schon bei euch nicht klar,
wie ist’s dann hier um dich bestellt?
Wie du dort für dich gelebt hast,
hat doch niemanden empört.
Hier ist alles völlig anders,
nur erlaubt, was sich gehört.
Doch dafür ist hier bei uns dein
grauer Alltag niemals grau.
Mit Besaufen muss jetzt Schluss sein,
das sag ich dir ganz genau.
Völlerei und Kistenkonsum,
damit ist es jetzt genug.
Du gehst in die Schwarzwaldklinik,
speckst mal ab und machst Entzug.“
Das ist fein, denkt sich der Mensch,
ich habe längst die Nase voll,
von dem Leben, das ich führte.
Wusst’ nicht, wie ich’s ändern soll.
Ich geh zu Professor Brinkmann,
der bringt mich auf Vordermann,
und dann fängt hier in der Kiste
ein ganz neues Leben an.
Unser Mensch, der zog es durch,
erhob sich zu ganz neuer Pracht,
hat dann in der Lindenstraße
großen Geldgewinn gemacht.
Und er heuert auf dem Traumschiff
an als Maat in Uniform,
setzt sich ab in die Karibik,
liebt sein Leben ganz enorm.
Und der Star sieht sich das Schauspiel
an und zieht sich schnell zurück.
Hier wird’ ich nicht mehr gebraucht.
Der Mensch macht selber nun sein Glück.
Ich kam leider selber niemals
im realen Leben an.
Dafür hab ich diesem Menschen
eine gute Tat getan.
Während dessen ganz woanders
sitzt in einer anderen Stadt
Stumm ein Mensch in seinem Zimmer,
der `ne Flimmerkiste hat.
Kaum ein Mensch mehr, nur noch Hülle,
Blicke, die ins Leere geh’n.
Augen, die des Lebens Fülle
nur noch in der Kiste seh’n.
Texte: Foto Birgit H./PIXELIO
Tag der Veröffentlichung: 03.02.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Allen jenen gewidmet,
denen die Augen bereits brennen.