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1.Kapitel

Ich drücke die Tür auf und schmeiße meine Schlüssel auf die Kommode. Laut klirrend landen sie auf dem Eisenteller.
„Ich bin da!“, rufe ich meiner Mutter zu. Sie sitzt wahrscheinlich mal wieder vorm Fernseher und guckt heulen irgendwelche Schnulzen. Seit Marco sich schon wieder von ihr getrennt hat sitzt sie den ganzen Tag nur noch vor der Glotze.
Ich schlüpfe aus meinen Schuhen und lasse sie im Flur stehen.
Einen Blick ins Wohnzimmer durch die geöffnete Tür. Tatsächlich sitzt meine Mutter heulen auf dem Sofa. Erbärmlich!
Ich renne mit meinem Ranzen die Treppe hinauf und schleudere meinen Rucksack vors Bad.
Ich öffne das Fenster um frische Luft hineinzulassen. Im Sommer ist es hier immer unerträglich warm. Die Zimmertür wird von einem Luftzug aufgedrückt und ich gehe in mein Zimmer.
Gelangweilt lasse ich mich auf die neue Couch fallen und lege meine Beine auf den kleinen Wohnzimmertisch. Ich lege meinen Kopf zurück und schließe die Augen. Ein ungewohnt kühler Luftzug weht in mein Zimmer und ich genieße diesen Moment. Ich atme langsam ein. Wie sehr ich es liebe, nach der Schule einfach in meinem Zimmer rumzuhängen.
In Gedanken liege ich draußen auf der kühlen Wiese. Die Wolken ziehen über mir entlang und ich höre das leise Rauschen des Meers.
Ein lautes Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken und erschrocken falle ich von der Couch. Genervt stehe ich auf und renne die Treppe hinunter.
Noch mal dieses scheußliche Geräusch.
„Jaja. Ich komm doch schon!“, rufe ich.
Endlich erreiche ich die weiße Tür und öffne.
„Hallo Nicole. Ist deine Mutter daheim?“
„Marco?!“, quietsche ich laut.
Aus dem Wohnzimmern kommt ein leises, aber gut hörbares Schluchzten.
„Wer weint da?“, fragt mein Ex-Stiefvater.
Ich überlege. „Eine Freundin! Und.. Äh.. Besuch ist grade ganz ungünstig.“
Ich schmeiße die Tür zu.
„Wer war das, Mausi?“ Die Stimme meiner Mutter ist ganz heiser vom vielen Weinen.
Ich verdrehe die Augen, rufe meine Mutter schnell „Eine Freundin!“ zu und verschwinde wieder in meinem Zimmer.
Inzwischen es schon kühler geworden und ich lege mich zum Entspannen auf den Lamynahtboden.
Wieder bin ich ganz versunken in meiner eigenen Welt.
Die warmen Sonnenstrahlen geben mir ein angenehmes Gefühl. Ich mache meine Augen auf und werfe einen Blick aus dem Fenster. Die weißen Wolken ziehen langsam über den Himmel.
Ich rapple mich auf und strecke meinen Kopf hinaus. Der Rasen umgibt unser ganzes Haus und an den Bäumen wachsen hübsche Kirschblüten in einem Hellrosa. Der Pool liegt mitten im großen Garten und die zwei Liegestühle stehen zur Sonne ausgerichtet. Mein kleiner Hund liegt unterm Sonnenschirm auf seiner eigenen, kleinen Sonnenliege. Die unechten Kristalle am Princess’ kirschblütenfarbenen Halsband glitzern in der Sonne.
Ich schnappe mir ein Buch und meinen Bikini und renne die Treppe hinunter. Ich öffne leise die Tür ins Wohnzimmer und schleiche hinter der besetzten Couch entlang. Ich stupse die Glastür mit meinem Fuß auf und springe auf unsre hübsche Terrasse. Princi hat mich schon erkannt und bellt zwei mal zur Begrüßung. Ich mache die Tür vorsichtig wieder zu und laufe zu den Kabinen. Unfassbar, aber wahr: Wir haben Umziehkabinen in unsrem Garten!
Innerhalb weniger Sekunden stehe ich in meinem hellrosa Bikini mit der großen, weißen Schleife am Oberteil auf dem Rasen. Ich lasse meine Anziehsachen fallen und renne vergnügt auf den Pool zu. Meine blonden Haare fliegen nach hinten.
Mit einem gekonnten Köpper gleite ich ins kühle Wasser. Princi rennt auf mich zu und springt ebenfalls ins Wasser. Sie paddelt zu mir und versucht auf meine Schulter zu springen.
Princi ist ein kleiner Malteser von der Größe her etwas kleinwüchsig mit ihren 15cm.
Ich nehme sie mit beiden Händen hoch und streichle ihr über das weiße, nasse Fell.
Princi zappelt ungeduldig und ich lasse sie wieder ins Wasser fallen. Sie ist eine echte Wasserratte.
Ich schwimme ein Wenig durch die Gegend und mein kleiner Liebling folgt mir. Nach ein paar Runden klettre ich aus dem Wasser. Princi springt auf den Beckenrand und beobachtet mich neugierig.
Ich verschwinde kurz in der Garage und komme mit zwei hellrosa Luftmatratzen zurück.
Princi wedelt aufgeregt mit dem Schwanz.
Ich lege die zwei Matratzen ins Wasser, klettre selbst auf die große und setze Princi auf die, die ungefähr halb so groß ist wie meine.
Mit einem kleinem Seil binde ich die Matratzen aneinander und lege mich entspannt hin. Auch Princi schaltet ab. Sie legt sie auf den Bauch und streckt alle Viere von sich. Ich schließe meine Augen und genieße die Wärme.
„Hi Nicci!“
Ich zucke zusammen und erschrocken plumpse ich ins Wasser.
Princi macht einen großen Sprung und landet neben mir im Wasser.
Ich sehe auf. Leonie kommt auf mich zugelaufen. „Hi Leo!“
Zusammen mit Princess schwimme ich an den Beckenrand.
„Du wohnst hier echt?“, fragt sie erstaunt.
Ich hatte Leo noch nie gezeigt, wo ich wohne. Ich hatte es niemandem gezeigt. Ich wohne jetzt nämlich erst seit circa einem Monat hier. In der Klasse habe ich echt schnell neue Freunde gefunden und wir treffen uns auch regelmäßig. Aber ich wollte nicht, dass sie denken, ich wäre so eine reiche Tussi in teuren Designerklamotten. Ich wollte, dass sie denken, ich wäre ein normales Mädchen in teuren Designerklamotten.
Ich ziehe mich auf den Beckenrand und werfe meine Haare nach hinten.
„Klar!“, sage ich cool.
Leo lässt sich vor mir ins Gras fallen.
„Sag mal, wie bist du hier eigentlich rein gekommen?“ Ist die Tür etwa offen?!
Leo nuschelt irgendetwas unverständliches und hustet dann zwei mal.
Ich nicke, obwohl ich kein Wort verstanden habe. Ok, denke ich. Sie wird schon kein Verbrechen begangen haben!
„Komm doch auch in den Pool“, sage ich nach einer kurzen Redepause.
Leo sieht mich entgeistert an. „Denkst du, ich geh in meinem neuen Outfit schwimmen?!“
Ich starre mit einem verwirrten Blick zurück. „Muss ja nicht gleich so überreagieren!“
„Das war doch nur ein Spaß!“ Sie beginnt zu grinsen.
Leo und ihre Witze!
„Hätte ich mir irgendwie denken können.“ Jetzt muss ich auch grinsen. „Nehm doch einen Bikini von mir!“
„Hast du denn noch welche? Deine hellrosa Bikinis gibst du ja nicht her!“
„Ich müsste noch einen Roten haben. Der selbe wie der den ich grade an habe.“
„Eigentlich mag ich Bikinis ohne Träger nicht so.. Aber egal!“
Ich springe auf und laufe zusammen mit Leo und Princi zu den Umkleiden. Was für ein Glück, dass der rote Bikini immer in einem Fach im Garten steht. Ich drücke Leo die zwei roten Teil in die Hand und lehne mich außen gegen die blauen Kabinen. Wenige Minuten später öffnet sich die schmale Tür und Leo tritt auf den Rasen. Der Bikini steht ihr wirklich außergewöhnlich gut. Das knallige Rot passt gut zu ihren dunkelbraunen Haaren und die schwarze Schleife am trägerlosen Oberteil gut zu ihren dunklen Augen.
„Das steht dir Leo!“
„Meins du wirklich?“ Sie dreht sich vor mir ein paar Mal im Kreis, so dass ihre Haar nach hinten fliegen.
Ich beginne zu lachen.
„Was ist daran denn so lustig?“
„Du tust so, als wärst du ein Modell, dass alle sehen müssen!“ Ich grinse sie an.
„Es hat eben nicht jeder deinen Luxus und kann sich so tolle Sachen leisten!“
„Ach, das war überhaupt nicht so teuer“, verteidige ich mich.
„Wie viel hat der Bikini denn gekostet?“
„120Euro. Der war runtergesetzt und deshalb hab ich gleich fünf genommen.“
Leo runzelt die Stirn. „Sag mal, bist du noch ganz dicht?“ Dann bricht sie in lautes Gelächter aus und rennt zum Pool. Mit eine Arschbombe landet sie im Wasser.
Ich renne ihr sofort hinterher und schlage sie um etliche Liter Wasser, die aus dem Becken spritzen, beim Arschbombe machen.
Leo streckt mir vergnügt die Zunge heraus und spritzt mir Wasser ins Gesicht.
„Das gibt Rache!“, lache ich und wische mir über die Augen.
„Versuch es doch!“ Leo taucht unter.
„Ich kriege dich schon!“, murmle ich und sehe mich um. Plötzlich packt mich etwas am Bein und ich werde unter die Wasseroberfläche gezogen. Hektisch schnappe ich nach Luft. Als ich endlich wieder richtig atmen kann, sehe ich Leo vor mir laut lachend stehen.
Ich überlege nicht lange und taue unter. Ich schnappe ebenfalls nach ihrem Bein. Leo schreit auf und wird von mir unters Wasser gezogen.
Leo hustet ein paar mal und muss dann auch lachen. Princi bellt zustimmend in das Gelächter mit ein und wir müssen noch mehr lachen.
Mein kleiner Hund springt vom Beckenrand in den Pool und schwimmt auf uns zu. Leo nimmt sie sofort hoch.
„Wie süß die Kleine ist!“
Mich packt sofort ein stolzes Gefühl. „Sie ist ein Malteser und zwei Jahre alt. Ich hab sie als kleinen Welpen bekommen und mit der Flasche aufgezogen.“
Leo hört mir aufmerksam zu.
„Was wollen wir jetzt machen?“, fragt sie nach einer Weile.
„Wir können hoch in mein Zimmer oder an den Strand gehen..“
„Es gibt hier einen Strand?“
„Über die Straße gehen und da ist dann ein Strand. Nicht gewusst?“
„Nö. Wie cool! Ich wusste noch nicht mal, dass es im Umkreis von 20Kilometern einen Strand gibt.“
„Zwischen unserer Schule und dem Haus hier sind ja auch noch drei Städte und zwei Dörfer. Kein Wunder!“
Leo nickt. „Du hast Recht. Und falls du fragst: Ich sollte eigentlich meine kleine Cousine besuchen und da ist mir aufgefallen, dass du hier wohnst..“
„Hast du deiner Cousine denn wenigstens abgesagt?“
„Nein. Sie hasst mich eh.. Also macht das nichts.“
Ich grinse. „Warum hasst sie dich denn?“
„Ich hab früher immer ihre Barbies geköpft!“ Leo wirft ihre Haare nach hinten. „Gehen wir jetzt an den Strand?“
„Klar. Ich hole nur schnell noch zwei Handtücher und Bambusunterlagen.“
„Bambusunterlagen?“ Leo runzelt die Stirn.
„Ja. Da kann man sich drauflegen.“
„Kommt die kleine Prinzessin denn nicht mit? Dann brauchst du doch drei Bambusunterlagen und so.“ Leo deutet grinsend auf Princi.
„Klar. Hatte ich ganz vergessen!“
„Nicci! Das war doch nur ein Scherz!“
Ich zucke mit den Schultern. „Woher kennst du eigentlich ihren Namen?“
„Den von der kleinen Prinzessin? Ich kenn ihren Namen doch gar nicht..“
„Sie heißt Princess. Kurz auch Princi genannt.“
Leo verdreht die Augen. „Hätte ich mir denken können. Dich hätte mal allerdings auch Princess nennen können!“
Ich werde sofort rot. Ich heiße mit vollem Namen nämlich Nicole Princess Reine. Reine ist mein Nachname und kommt von meiner französischen Tante Marion. Übersetzt heißt Reine Königin.
„Was ist?“, fragt Leo und zieht sich an den Beckenrand.
„Nichts. Wieso?“ Ich klettre auf den Rasen und Princi tut es mir gleich.
„Du bist so rot im Gesicht!“, meint Leo etwas besorgt und stützt ihr Kinn auf den Eisenrand des Pools.
„Ach... Das... Das ist nur die Hitze.“ Ich schlucke. Ich lüge nicht gerne! „Keine Sorge. Mir geht es gut!“ Das war nicht gelogen.
„Achso.“ Leo zuckt mit den Schultern und kommt auch aus dem Wasser.
Ich hole schnell die drei Handtücher und Unterlagen.
Leo nimmt mir ihre ab und zu dritt marschieren wir aus dem Garten. Schon die ganze Zeit hat niemand etwas gesagt.
Princi bleibt stehen und bellt uns laut zu.
Ich fahre herum. Auch Leo dreht sich zu ihr. „Was hat sie denn?“
„Ich weiss nicht!“ Ich pfeife ein Mal. Sie reagiert nicht. „Princi!“
Leo schluckt. „Stimmt etwas nicht mit ihr?“
„Princi!“, rufe ich ein weiteres Mal nach ihr. „Princess!“
Ich sehe zu Leo. Ihr kommen fast die Tränen.
„Leo! Das ist schon nichts Schlimmes!“ Ich hoffe es zumindest. Aber nur, weil sie mal nicht hört, muss es ja kein riesiges Drama sein!
„Princess! Jetzt komm her!“, rufe ich energisch.
Wieder keine Reaktion.
Wütend gehe ich auf sie zu. Sie sieht mich mit diesen treuen, lieben Augen an. Sofort bin ich nicht mehr böse auf sie. Wie könnte man auf so ein schnuckeliges Ding auch lange sauer sein?!
Ich nehme meinen Schatz hoch und streichle ihr sanft über das weiche Fell. Sie leckt über meine Hand.
Leo findet das Ende des Dramas so schön, dass sie den Tränen mal wieder nahe ist.
„Ach, wie goldig!“, schwärmt sie. Ich sehe richtig, wie ihre Augen immer feuchter werden. Wie kann man bloß so nah am Wasser gebaut sein?
Es geht weiter. Diesmal trage ich Princi aber. Immer wieder leckt sie mir mit ihrer rauen Lunge über den Arm.
Leo muss uns ständig anstarre. „Eine Glückliche Familie!“ Langsam geht mir das wirklich auf die Nerven. Und wenn man Mal so an meine Mutter denkt.. Ich glaube, bis auf Princi ist keiner so wirklich vollkommen glücklich bei uns. Immerhin muss ich meine Mutter ja Tag für Tag ertragen. Und für ein 13-Järiges Mädchen ist es eben nicht so toll, den Abwasch zu machen und zu kochen.
Im Stillen hoffe ich immer wieder, dass Marco irgendeinen Unfall hat und danach seelischbehindert ist. Dann wäre meine Mutter ihn endlich los. Aber nein: Er muss sich ja ständig entschuldigen. Und jede Woche höre ich nur das selbe: „Marco ist doch so ein toller Stiefvater, nicht Mausi?“. Vorauf ich nur nicken kann. Das ist dann natürlich eine Lüge, aber den ganzen Abend mit meiner Mutter zu diskutieren, was denn ein guter Stiefvater für mich wäre, ist auch nicht besser!

Endlich haben wir den Strand erreicht. Wie immer ist es schön leer und wir legen uns direkt ans Meer.
Princi streckt wie sonst auch alle Vier von sich und genießt die warmen Sonnenstrahlen.
Ich und Leo legen uns nebeneinander auf unsere Handtücher und genießen die Wäre mindestens genauso wie meine kleine Prinzessin.

Ich male mit meinem Finger kleine Herzen in den Sand und Leo irgendetwas anderes. Darauf achte ich nicht so genau. Ich glaube, Princi ist inzwischen eingeschlafen. Die letzte Stunde ist wirklich schnell vergangen. Dabei haben wir einfach nur still in der Sonne gelegen. Da kommt einem alles so vollkommen vor, dass es einfach nur stören würde zu reden.
Ich klopfe den Sand von meiner Hand und setze mich hin. Leo dreht ihren Kopf zu mir.
„Lass uns ins Meer gehen!“
Leo nickt und rappelt sich auf. Sogar Princi steht schon bereit und nur ich muss noch auf die Beine kommen. Mühsam stehe ich auf und wir Drei tapsen über den heißen Boden.
Das warme Wasser spült mir über die nackten Füße und die feinen Sandkörner kitzeln zwischen meinen Zehen. Princi wälzt sich vergnügt im nassen Sand. Inzwischen ist sie schon ein wenig Brau von dem Sand, der ihr im Fell hängen leibt. Das ist kein gutes Verhalten für eine Prinzessin! Ich grinse.
Leo hat sich neben Princi in den Sand fallen lassen und beobachtet sie lächelnd. Leo braucht auch einen Hund, beschließe ich.
Ich wende mich von dem süßen Princi-Anblick ab und sehe auf das weite Meer hinaus. Die Sonne blendet und ich halte mir meine Hand als Schutz vor das Gesicht.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.10.2009

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