Zusammenstoß
„Ich schaffe das!“, flüsterte Cathy und öffnete die Tür, die in ihren Wohnbereich führte. Es war ein großer, heller Raum. Cathy tat ein. Sie fand es wunderschön. Es gab ein großes Fenster, das direkten Blick auf die leere Pferdekoppel bot. Cathy hatte einen eigenen, auch ziemlich großen Garten mit gepflegter Terrasse.
Cathy atmete tief durch. Für sie war das ein Paradies. Zuhause hatte sie nur ein kleines Zimmer gehabt. Aber jetzt war das hier ihr Zuhause.
Sie überlegte kurz und lief schließlich die Wendeltreppe hinauf. Im oberen Stockwerk war es noch viel besser, wie Cathy fand. Die Wände waren strahlend weiß und im Zimmer verteilten sich Säulen. Die eine Seite des Zimmers war schräg gebaut und es bot ebenfalls einen wunderschönen Ausblick auf die Koppeln. So hatte Cathy sich Wohnen immer vorgestellt ...
Cathy nahm sich den ersten Karton, auf dem ihr Name stand, und legte ihn auf den Ziehhänger. Sie tastete nach der Ziehstange und nahm sie fest in die Hand. Schließlich schleppte sie den Karton hinter sich her. Cathy lief nicht weit, denn ihre Wohnung war nur circa 20Meter von dem normalen Haushalt entfernt. Cathy zog den Karton die wenigen Stufen hinauf und stellte ihn in der Wohnung ab. So ging das immer weiter ...
Nach einer halben Stunde waren alle 14 Kartons in der Wohnung und die Möbelpacker schleppten grade Cathys gesamte Zimmereinrichtung dazu.
Cathy seufzte. Sie bahnte sich einen Weg zwischen den vielen Kartons hindurch und stellte sich ans Fenster. Es war schon dunkel geworden.
Cathy sah sich nach einem Sitzplatz um. Aber überall standen nur Kartons und auseinandergenommen Möbel. Cathy kletterte über die Platte ihres alten Schreibtisches und verlies die Wohnung. Draußen war es wirklich schon stockdunkel und Cathy stolperte über den Schotterweg, als sie plötzlich gegen etwas stieß. Cathy schrie auf, denn sie konnte nichts erkennen. Erschrocken tappte sie ein paar Schritte zurück, stolperte und landete auf den Schotterweg.
„Oh! Sorry“, sagte eine ebenfalls erschrockene Stimme.
Cathy antwortete nicht, denn sie hatte sich den Kopf gestoßen und als sie mit einer Hand über ihre Stirn gefahren war, hatte sie erschrocken etwas feuchtes gespürt. Was das wohl war? Zumindest tat es verdammt weh.
Cathy blinzelte in die Dunkelheit. Der Schreck war zu groß um der Person zu antworten. Aber plötzlich ging eine Taschenlampe an und jemand packte Cathy am Arm. Die Person zog Cathy auf die Beine und führte sie rasch auf den Hof. Cathy hatte die Augen nur halb geöffnet und erkannte die Gegenstände vor sich nur in ihren Umrissen.
„Oh, man... Du blutest ja. Verdammt! Bleib hier. Ich hole schnell Hilfe“, sagte die Person und verschwand wieder.
Cathy hatte sowieso nicht vorgehabt wegzulaufen – nicht mit einer Wunde an der Stirn!
Sie setzte sich auf eine Bank in ihrer Nähe und wartete auf ihre Rettung. Sie war ganz müde und legte ihren Kopf zurück. Cathy schloss die Augen und schlief ein.
Aber genauso schnell, wie Cathy eingeschlafen war, wachte sie auch wieder auf. Erschrocken riss sie die Augen auf und wollte grade von der Bank aufstehen, als ihr auffiel, dass sie getragen wurde. Cathy sah auf und bemerkte das besorgte Gesicht von einem fremden Jungen. Cathy schüttelte den Kopf. Sie konnte doch nur träumen. Aber als sie immer noch auf den Armen des Jungen lag, zwickte sie sich in den Arm. Der Junge hatte nicht gemerkt, dass Cathy wach geworden war. Plötzlich schaute er auf das Mädchen und lächelte sie nett an. Cathy lächelte etwas gezwungen zurück.
„Ich dachte schon ich müsste einen Krankenwagen rufen!“, sagte er leise, aber dachte erst gar nicht daran , Cathy abzusetzen.
Er trug sie in eine kleine Hütte direkt neben ihrem Garten und öffnete die Tür. Der Raum war schön eingerichtet. Zwar nicht sehr modern, aber Cathy gefiel es dort.
Der Junge setzte Cathy auf das Bett und holte einen Verbandskasten aus dem Schrank. Er öffnete den kleinen Koffer und zog einen Verband heraus. Vorsichtig legte er den Verband an Cathys Wunde. Sie traute sich nicht, etwas zu sagen. Aber das musste sie auch gar nicht.
„Jetzt Zähne zusammenbeißen!“, sagte er.
Das tat Cathy auch . Der Fremde wickelte den Verband langsam und gekonnt um ihren Kopf.
„So, vorbei!“, sagte er schließlich und begutachtete Cathy.
Als ihr einfiel, dass ihre Haare nicht gekämmt waren und sie ihre alte karierte Bluse und die alte Jeanshose mit den Löchern an hatte, wurde ihr erst bewusst, dass alle Welt denken musste, sie würde Tag und Nacht im Stall bei den Pferden verbringen, was sie früher eigentlich auch so oft wie möglich, versucht hatte.
„Ich bin übrigens Alexander. Nenn mich einfach Alex.“
„Ich bin Cathy. Einfach Cathy. O.k.?“
„Klar! Tut’s denn noch weh?“
„Geht“, sagte sie. Seitdem der - jetzt nicht mehr so fremde - Junge da war, schien es Cathy besser zu gehen. Immerhin hatte sie nun keinen Grund mehr, sich verlassen zu fühlen. Und das war auch gut, denn immerhin war es spät Abends und schon stockdunkel. Da fühlte man sich schon mal einsam!
„Ich hab dir auch einen pinken Verband genommen. Ich meine, weil Pink doch so ne Mädelfarbe ist, ne?“
„Irgendwie schon. Jedenfalls danke für deine Hilfe!“
„Ich war doch praktischgesagt dran schuld!“
„Quatsch!“, meinte Cathy.
Sie strich sich eine blonde Haarsträne aus dem Gesicht.
„Wohnst du denn hier?“
„Ja! Aber ich freu mich überhaupt nicht auf die neuen Besitzer hier auf dem Hof ...“
„Warum denn nicht?“, fragte Cathy etwas betroffen, denn schließlich hatte sie den gesamten Reiterhof von ihrer Großmutter geerbt und wollte nun mit ihrer Mutter dort einziehen.
„Die alte Besitzerin war immer nett zu mir. Und, weißt du ... sie hat mich hier wohnen lassen. Immerhin gehört die Hütte zu dem Grundstück!“
„Wohnst du denn nicht bei deinen Eltern?“, wollte Cathy überrascht wissen.
„Nein. Die sind tot. Ich hab sie nie kennen gelernt. Aber für mich ist das auch gar nicht so schlimm. Ich bin aus dem Kinderheim abgehauen, als ich noch ziemlich klein war. Das Jugendamt lässt mich hier nur wohnen, weil ich jeden Monat da hin gehe und sag, dass mir nichts fehlt. Die Besitzerin hatte mich theoretisch gesagt adoptiert!“
„Oh ... Und du hast jetzt Angst, dass die Neuen dich nicht hier wohnen lassen? Und du zurück ins Kinderheim musst?“
Alex nickte stumm. „Ja. Und falls ich hier wohnen darf, brauche ich immer noch einen Job. Ich brauche ja auch was zu Essen! Sonst hab ich immer bei der Besitzerin mitgegessen.“
„Verstehe.“ Cathy wusste nicht so richtig zu antworten, denn was dieser Junge alles durchstehen musste, war bestimmt hart gewesen.
„Ich glaube aber nicht, dass ich hier bleiben kann. Die Neuen sollen ziemlich unfreundliche Stadtleute sein. Die Tochter eine Zicke, die sich immer auftakelt und die Mutter Strohdumm und soll wohl so tun als wäre sie die Herrscherin von allem“, meinte Alex ernst.
Cathy schluckte. Kaum war sie hier, schon hörte sie Gerüchte von sich und hatte einen schlechten Ruf. Na , das war ja ein toller Anfang!
„Also so ziemlich das Gegenteil von dir, Cathy!“, sagte Alex, obwohl er Cathy doch gar nicht wirklich kannte. Cathy wurde rot. Aber ihr gefiel das Kompliment. Hoffentlich würde jeder so über sie denken.
Cathy antwortete nicht auf Alex’ Kompliment und für einige Momente sagte keiner der beiden etwas.
„Kommst du öfter hier her? Manchmal kann es hier ziemlich langweilig werden und bis ins Dorf braucht man mit dem Auto eine halbe Stunde. Wohnst du denn hier in der Nähe?“, fragte Alex und sah Cathy mit seinen fröhlichen , braunen Augen an. Er lächelte nett und vertraut. Cathy mochte dieses lächeln. Es gab ihr irgendwie das Gefühl, zu Hause zu sein.
Ich kann ihm jetzt nicht sagen, dass ich die neue Besitzerin bin! Wo er doch so über meine Mutter und mich gelästert hat, dachte Cathy.
„Ne, ich wohn hier nicht in der Nähe. Bin nur zufällig hier“, stammelte Cathy. Ihr viel es nie leicht, zu lügen. Cathy war immer sehr offen und ehrlich. Sie hatte keine gute Erfahrung mit Lügen und lies das deshalb besser aus. Lügen führten nur zu Streit. Cathy brachte es auch nie wirklich übers Herz jemanden anzulügen, aber dies war dann wohl ein Notfall.
„Das heißt dann wohl, du hast keine Lust vorbei zu kommen. So, wie du dich anstrengen musstest zu lügen“, sagte Alex geknickt und starrte in eine Ecke. Vielleicht war es ihm auch peinlich, so offen gefragt zu haben, aber Cathy hatte damit kein Problem, aber das konnte Alex ja schließlich nicht wissen.
Cathy wusste nicht, was sie sagen sollte und starrte ebenfalls in eine Ecke des Raums.
„Sei ehrlich, komm ich echt immer so unsympathisch rüber? Ich glaub, ich werd hier nie richtige Freunde finden!“, sagte Alex und seufzte. In seinen Augen war dieses schöne Funkeln verschwunden, was Cathy so bewunderte. Alex’ Augen sahen stattdessen matt und traurig aus. Er musste es ernst meinen, dass er wenig Freunde hatte.
„Quatsch! Du kommst doch echt total nett rüber!“, sagte Cathy und kam sich etwas schuldig vor. Immerhin hatte sie nun so viel. Sie hatte einen Reiterhof, viel Geld, eine Familie und gute Freunde. Und Alex ... ? Was hatte er? Bestimmt nicht viel ...
„Warum willst du dann nicht mal vorbeikommen? Magst du keine Pferde?“
Wenn er nichts gegen Pferde hat, findet er es bestimmt nicht schlimm, dass ich so aussehe, als würde ich im Stall wohnen und außerdem gibt es hier eh keine Pferde!, dachte Cathy.
„Ich gehe jede Woche reiten!“, erklärte sie.
„Also magst du Pferde. Was ist es denn dann?“
„O.k.! Ich wohn hier in der Nähe und ich komm auch mal vorbei, wenn du nicht weiter fragst. O.k.?“, stellte Cathy dann den Kompromiss und ihre Schuldgefühle verschwanden ein wenig, denn Alex Miene erhellte sich sofort und seine Augen begannen wieder zu glänzen.
„Einverstanden! Wie wer´s mit morgen?“
Morgen ist meine Mutter nicht da! Dann wird sie bestimmt auch nicht bemerken, dass ich nicht da bin. Das klingt gut, dachte Cathy.
„O.k.! Wo und wann und was?“
„Hier. Morgen um 15 Uhr. Zum reiten. Gut?“
„Es gibt hier Pferde? Ich dachte die wären alle weg?“, fragte Cathy aufgeregt.
„Ich hab zwei eigene.“
„Cool! Ich bekomm demnächst auch eins bis dreißig Pferde!“, lachte Cathy. Sie hatte das wirklich ernst gemeint, denn auf einen Reiterhof gehörten eben Pferde.
„Im Ernst?“, fragte Alex ungläubig.
„Naja, wahrscheinlich erst mal ein Fohlen und vielleicht noch eine Stute. Dann werden wir mal sehen.“
„Wir?“
„Meine Mutter und ich“, sagte Cathy, „Weißt du, wie viel Uhr wir haben?“
„Halb zwölf.“
„Was?! Oh mein Gott! Ich muss nach Hause!“, rief Cathy gehetzt und sprang auf.
„Ciao!“, rief Alex ihr noch hinterher, aber Cathy stürmte ohne ein Wort aus der Hütte und in ihre Wohnung.
Ihre Mutter Christina wartete schon.
„Wo warst du denn? Ich hab mir solche Sorgen gemacht! Du kennst dich hier doch noch gar nicht aus!“, rief Christina mit Freudentränen in den Augen und schlang ihre Arme um Cathys Hals.
„Und was ist das? Ist dir was passier, mein Schatz?“, fragte Christina besorgt und zeigte auf Cathys pinken Verband.
Cathy konnte ihrer Mutter jetzt ja wohl kaum sagen, dass sie den ganzen Abend bei einem fremden Jungen verbracht hatte.
„Ich bin ausgerutscht, hab mir den Kopf angeschlagen und jemand hat mir dann geholfen. Du warst ja nicht da!“, stotterte Cathy.
Christina hatte anscheinend die kleine Lüge ihrer Tochter nicht bemerkt und sagte: „Ist es denn schlimm? Soll ich einen Arzt rufen?“
„Quatsch! Wusstest du, dass hier noch zwei Pferde unterstehen?“, versuchte Cathy das Thema zu wechseln. Es funktionierte.
„Nein. Aber du weist, dass mich dieses Thema nicht wirklich interessiert. Du bist hier die Reiterin!“
„Apropos Pferde ... Die alten Turnierpferde wurden ja verkauft und das hat ja ziemlich viel Geld eingebracht. Und das hab ich ja mitgeerbt ... Ich möchte mir ein Pferd kaufen! Ist das okay?“, sagte Cathy so schnell, dass Christina kaum mit kam, aber dann gelassen antwortete: „Du kannst mit dem Geld machen, was du willst! Es gehört ja dir, nicht mir.“
„Danke Mam!“, rief Cathy und viel ihrer Mutter um den Hals.
„Schon gut, aber jetzt gehst du besser erst mal schlafen. Dein Bett wurde im Obergeschoss aufgestellt. Nacht“, sagte Christina und gab Cathy einen Kuss auf die Stirn.
„Ja, Nacht!“
Cathy lief die Wendeltreppe hinauf und lies sich auf ihr Bett fallen.
Stormy
Draußen war die Sonne schon lange aufgegangen und die Sonnenstrahlen fielen in den Raum. Cathy blinzelte verschlafen der Sonne entgegen und schob ihre Bettdecke beiseite. Müde stand sie auf und streckte sich. Cathy tapste die Wendeltreppe hinunter und schaute auf die Uhr, die Christina ihr über die Terrassentür gehängt hatte. Sofort war Cathy hellwach. Sie hatte sehr lange geschlafen und inzwischen war es halb drei, aber Cathy dachte sich erst nichts dabei und setzte sich hinaus ins feuchte Gras. Sie überlegte, was sie in den letzten zwei Sommerferienwochen tun sollte, als sie ein freudiges Wiehern von der anderen Seite des Gartenzauns hörte. Neugierig spähte Cathy durch ein kleines Loch im Gartenzaun und entdeckte Alex. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie in einer Viertelstunde bei der kleinen Hütte sein musste. Erschrocken rannte Cathy in die Wohnung, um sich umzuziehen, aber sie hatte völlig vergessen, dass ihre Klamotten sich noch in den Kartons befanden. Gehetzt suchte Cathy nach dem Koffer mit ihren Klamotten und hatte ihn nach 10 Minuten Suchen auch gefunden. Sie schnappte sich ihre Jeans-Reithose und schlüpfte schnell hinein. Ihre Jeans-Reithose war etwas ganz Besonderes für Cathy. Die Reithose war wie eine normale Jeans, nur dass es keine Taschen gab und unten Gummis waren, die man über die Sohle der Reitstiefel zog, damit die Hose nicht beim Reiten hoch rutschte. Dann nahm Cathy sich noch ihr lieblings Top und zog es sich schnell über, wobei sie aufpassen musste, den Verband nicht zu verrutschen. Zwar waren es Winterferien ,aber es trotzdem total warm. Nur Nachts wurde es eiskalt
Cathy fand in diesem Karton nur ihren Reithelm und zog so statt ihrer Reitstiefel normale Halbschuhe an. Sie klemmte sich den Helm unter den Arm und rannte hinüber zur kleinen Hütte.
Alex wartete schon.
Er trug abgenutzte Jeans und ein dreckiges T-Shirt. Alex hatte normale .Sportschuhe an, aber keinen Helm. Cathy kam sich ziemlich komisch vor. Hätte sie doch lieber kein Reitzeug anziehen sollen?
„Hi“, begrüßte er Cathy.
„Sorry, dass ich zu spät bin ...“, entschuldigte sie sich. Es war viertel nach drei.
„Macht nichts! Ich hab schon mal die Pferde raus geholt!“, winkte Alex ab.
„Danke. Und wen soll ich denn dann nehmen?“
„Kommt drauf an ... Reitest du schon lange?“
„Seit ich acht bin.“
„Und wie alt bist du?“ Alex musterte Cathy mit prüfendem Auge und hartem Blick. Es machte Cathy fast ein weinig Angst.
„Sag du zuerst!“, meinte sie, denn wenn Alex viel jünger als Cathy wäre, würde er es bestimmt nicht mehr sagen. Aber Cathy fand, er sah sowieso älter aus.
„14.“
„Ich bin fast 13. Werde ich noch diese Winterferien“, erzählte Cathy.
Alex’ Blick wurde sanfter und erlächelte wieder. „Okay. Dann nehm doch Stormy, du hast genug Erfahrung für ihn!“
Cathy antwortete nicht, sondern lief direkt an Alex vorbei und zu den Pferden. Alex lief ihr gleich darauf hinterher und holte Cathy nach wenigen Sekunden ein.
„Der Schimmel!“ ,sagte Alex und zeigte auf ein großes und temperamentvolles Tier. Seine Flanken waren schmutzig und verklebt, so konnte man sich schon denken, dass er sehr verspielt war. Cathy trat ihm näher und Stormys Augen blitzten vor Freude. Cathy sah ihm seinen frechen Charakter an und dachte sich schon, dass es ein spannender Ritt werden würde. Sie schätzte Stormy schnell und tolerant ein. Er würde vor keinem Hindernis im Wald scheuen, sondern nur so darüber fliegen.
„Sicher, dass ich den Ausritt überleben werde?“, fragte Cathy verunsichert. Sie hatte keine Angst vor Stormy oder einem eventuellen Sturz, aber wenn ihre Mutter davon erfahren würde ...
„Du siehst ihm seine Charakter an, nicht? Das tun die meisten Menschen nicht. Es gibt nicht viele Leute die Pferde richtig einschätzen können. Das ist wie eine Gabe. Wenn du weißt, wie er so ist, kannst du dich auf den Ausritt freuen.“
„War das jetzt ein Kompliment?“
„Hmm ... Nur die Wahrheit“, antwortete Alex gelassen.
„Nicht, dass ich Angst hätte runterzufallen, aber meine Mam ...!“
„Verstehe. Ich hab das Problem ja nicht“ ,sagte Alex und grinste Cathy an. „Fangen wir mit Putzen an? Das Putzzeug ist dahinten in der Ecke“, erklärte er und zeigte auf einen kleinen, blauen Putzkasten.
Cathy nickte und holte sich das, was sie brauchen würde.
Sie begann über das weiße Fell zu striegeln. Stormy hatte den Kopf zu Cathy gedreht und beobachtete folgsam, wie sie ihn putzte. Er traute Cathy nicht wirklich, aber ihm schien die Massage zu gefallen und er schloss beruhigt die Augen. Cathy begann ihn hinter den Ohren sanft zu massieren. Das hatte sie von einer alten Freundin gelernt. Die meisten Pferde beruhigten sich dadurch und waren viel lockerer, als zuvor, nach so einer Massage. Ihre Freundin hatte diese Methode oft vor Turnieren benutzt.
Aber Stormy brauchte es eigentlich nicht, denn er war sowieso schon locker.
Cathy putzte über Stormys Fell bis es einen matten Glanz hatte und so sauber war, wie wahrscheinlich noch nie. Nachdem Cathy auch die Hufe ausgekratzt und die Mähne gekämmt hatte, begann sie mit dem Satteln. Stormys Sattel war ein einfacher und schon ziemlich abgenutzter Sattel und auch die Trense war nicht mehr die beste. Die Sachen waren schon alt und teilweise leicht beschädigt, aber noch benutzbar. Cathy legte den Sattel vorsichtig auf den Rücken des Hengstes und zog die Satteldecke glatt um Falten zu vermeiden. Als sie den Sattelgurt befestigte schnaubte Stormy wütend. Ihm hatte Cathys führsorgliche Pflege gut gefallen ,aber auf Arbeit hatte er wohl wenig Lust. Als Cathy ihm schließlich auch noch dass Gebiss ins Maul schob, begann Storys unruhig auf dem sandigen Boden zu scheuern.
„Er liebt das Ausreiten, vertrau mir!“, meinte Alex ermutigend und klopfte Stormy den Hals.
Cathy nickte.
Alex band seine Fuchsstute los und führte sie an Cathy und Stormy vorbei. Sie band Stormy ebenfalls los und beide folgten Alex bis zum Wald. Vor einer Wiese blieben sie stehen.
„Wir können aufsteigen. Kommst du selbst rauf?“
„Klar!“, sagte Cathy schnell. Sie stellte ihren Fuß in den Steigbügel und schwang sich gekonnt hinauf in den Sattel.
Cathy fühlte sich wohl. Sie wollte in diesem Moment nirgendwo anders sein. Sie atmete tief ein und nahm schließlich die Zügel auf, als Alex auch auf seiner Sabeander saß. Die Fuchsstute hatte die Ohren freudig gespitzt und war bereit , jeden Augenblick los zu galoppieren. Auch Stormy machte nun einen glücklichen Eindruck. Nervös scharrte er mit dem Huf .Cathy spürte seine Ungeduldigkeit und nahm die Zügel auf. Das Pferd zog unruhig seinen Kopf nach vorn und legte die Ohren an. Er konnte es wohl kaum erwarten ...
„Geht’s los?“, fragte Cathy aufgeregt und versuchte ihre Arme zu entspannen, denn Cathy wusste, dass, wenn sie so steif blieb, Stormy sie als ängstlich annehmen würde und versuchen würde , sie spielerisch herunter zu buckeln.
„Okay. Wir müssen immer gradaus. Du kannst springen, oder?“
„Klar!“
„Okay, dann reiten wir den Rundweg. Also nur geradeaus reiten, alles klar?“
Cathy hatte keine Zeit mehr gefunden um zu antworten, denn Stormy war stürmisch los galoppiert. Cathy nahm schnell die Zügel auf und lehnte sich zurück. Er reagierte erst nicht, blieb dann aber brav stehen. Seine Reiterin klopfte ihm lobend den Hals.
„Wow, der hat aber ganz schön Feuer im Blut!“, sagte Cathy ohne die Konzentration von Stormy abzuwenden und lenkte ihn damit ab, dass sie locker mit den Zügeln wackelte und leichten druck auf den Waden gab. Stormy verstand Cathys Trick nicht und blieb irritiert stehen.
„Ja, er hat seinen eigenen Kopf, aber du kommst doch spitze mit ihm klar, Pferdeflüsterin!“, rief Alex und lies Sabeander angaloppieren. Die junge Stute raste voran. Diesmal blieb Stormy brav stehen und wartete auf Cathys Hilfen.
„Pferdeflüsterin?“, rief Cathy Alex fragend nach und drückte ihre Waden leicht gegen Stormys Bauch. Und schon rannte der Hengst los. Cathy spürte den Wind um ihre Nase pfeifen und lies die Zügel lockerer. Stormy machte seinen Hals lang und vergrößerte seine Galoppsprünge. Er ritt immer schneller und galoppierte nach nur wenigen Sekunden an Alex und Sabeander vorbei. Stormy wieherte vergnügt in den stillen Wald hinein und lies einen harmlosen Freudenbuckler los. Cathy lächelte und dirigierte Stormy an den dichten Tannen vorbei. Hinter ihnen verblassten die Hufschläge von Sabeander, aber Cathy nahm das Tempo nicht auf.
Als sie auf eine kleine Springstrecke zukamen , spitzte Stormy belustigt die Ohren. Er ritt die Mitte des umgestürzten Baumstamms an und sprang perfekt ab. Er landete weich und bremste nicht ab, aber buckelte wieder kurz. Cathy saß den kleinen Freudensprung von dem verspielten Pferd gut aus.
Das nächste Hindernis war mit Absicht, im Gegensatz zu den anderen Hindernissen, denn die bestanden nur aus umgestürzten Bäumen, aufgebaut und ziemlich hoch. Stormy wurde unsicherer und so trieb Cathy ihn weiter. Direkt vorm Sprung trieb Cathy noch einmal kurz und Stormy flog über das Hindernis. Er hatte die Beine nah an seinen Bauch gezogen und kam gut auf. Die nächsten Sprünge waren eher harmlos und Stormy hatte keinerlei Mühen sie zu überwinden.
Als Cathy und Stormy den Parcours abgeschlossen hatten, wollte Stormys Reiterin durchparieren und auf Alex warten, aber Stormy reagierte nicht. Er preschte einfach weiter geradeaus und kam vom Weg ab. Stormy raste mitten über eine Wiese. Cathy hörte nicht weit entfernt Autos und versuchte hilflos ihn zum Stehen zu bringen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte und nahm die Zügel kürzer. Stormy aber gefiel das gar nicht und blieb abrupt stehen. Er rammte die Füße in den Boden und rissen den Kopf hoch. Cathy versuchte mit all ihrer Kraft , die Zügel nicht los zu lassen, aber Stormy war der Stärkere. Er zog Cathy die Zügel aus den Händen und sie rissen durch. Stormy galoppierte weiter in Richtung Autobahn. Seine Reiterin hielt sich mit der linken Hand in der Mähne fest und versuchte wieder eine grade Position einzunehmen, denn das war ihre einzige Chance, das Pferd vor dem Zusammentreffen mit einem Auto zu schützen. Sie versuchte Stormy mit Gewichtsverlagerung zu lenken, aber er reagierte nicht. Hilflos angelte Cathy schließlich nach den Zügeln, aber immer, wenn Cathy zu nah an Stormys Kopf kam riss er seinen Kopf in die andere Richtung. Cathy beugte sich vom Sattel und lag halb auf Stormys Hals. Sie griff nach dem Zügel, aber Stormy drehte den Kopf blitzartig in Cathys Richtung und biss ihr in die Wade. Erschrocken lies Cathy den Zügel wieder fallen. Ihr lief eine Träne über die Wange. Sie war daran Schuld, wenn Stormy etwas passierte. Cathy hatte schon fast aufgegeben nach den Zügeln zu fassen, als Stormy stehen blieb. Sie hatte zum Glück noch den festen Griff in der Mähne um nicht über Stormys Hals zu rutschen.
Cathy blickte auf und vor ihr stand Alex auf Sabeander. Er war mit der Stute vor Stormy geritten und hatte ihm den Weg versperrt.
Cathy hatte sich immer noch nicht von dem Schreck erholt und ihr lief eine weiter Träne über die Wange. Zitternd hielt sie sich in Stormys Mähne fest. Ihr war eiskalt, obwohl es im Schatten mindestens 35° sein mussten.
Alex sprang von seiner Stute und rannte auf Cathy zu.
„Ist mit dir alles okay, Cathy?“, fragte er besorgt.
Cathy antwortete nicht.
Alex packte sie am Arm und zog sie vom Pferd. Sie zitterte an ganzen Körper. Der Schweiß tropfte ihr von der Stirn und sie klammerte sich hilflos an Alex Arm fest um nicht zusammenzubrechen.
„Hey, es ist alles okay“, versuchte Alex sie zu beruhigen, als Cathy anfing zu weinen. Alex nahm Cathy in den Arm und sie weinte weiter.
Cathy hatte solche Angst um Stormy gehabt. Was, wenn er auf die Straße gerannt wäre ...? Jetzt war zwar alles wieder gut ,aber sie hatte die Vorstellung von einem Zusammenstoß mit einem Auto immer noch in ihrem inneren Auge gefangen. Die einzelnen Bilder liefen an ihr vorbei. Cathy hatte immer noch solche Angst!
Nach ein paar Minuten löste Cathy sich von Alex und lies sich ins Gras fallen.
Die Pferde hatten angefangen in einem kleinem Bach zu trinken.
Alex setzte sich neben Cathy.
„Danke, Alex“, schniefte sie und wischte sich eine Träne aus den Augen.
„Ist doch Heldensache. Es ist dir nichts passiert, oder?“
„Nein“, sagte Cathy und schüttelte heftig den Kopf.
„Wollen wir langsam nach Hause? Es ist schon wieder acht Uhr ...“
„Okay“, sagte Cathy und versuchte zu lächeln. Sie wischte sich über die Augen und lief auf die Pferde zu.
„Wollen wir zusammen auf Sabeander reiten? Ich glaube du packst das jetzt nicht mehr ...“
Cathy nickte dankbar. Nach dem Vorfall wollte sie im Moment auch gar nicht allein reiten. Erst recht nicht auf Stormy.
Alex band Stormy die Zügel ab, knotete sie aneinander und band das eine Ende an Sabeanders Sattel und das andere Ende an Stormys Trense fest.
Alex schwang sich auf den Rücken der Stute.
„Komm her. Ich helf dir hoch“, sagte Alex.
Er streckte seine Hand aus und zog Cathy hinter sich auf Sabeander.
Cathy saß stumm hinter Alex und stützte sich an Sabeander ab.
„Nun halt dich schon an mir fest! Oder willst du von Pferd rutschen?“
Das war ein gutes Kommentar für Cathy und zögerlich klammerte sich um Alex Bauch. Alex drehte sich über die Schulter und lächelte Cathy aufmunternd zu. Dieses Lächeln war so vertraut und Cathy klammerte sich fester an Alex. Nun fühlte sie sich auch sicherer.
Sie hatte wirklich etwas Angst.
Normalerweise hatte sie ja keine Angst vor dem Runterfallen, aber diesmal war Cathy überhaupt nicht darauf eingestellt gewesen. Stormy hatte am Anfang so gut gehört und Cathy hatte nicht damit gerechnet , dass er durchgehen würde ...
Alex spürte, wie Cathy zitterte und man sah ihm an, dass er sich Sorgen machte.
„Hast du Angst, Cathy?“, fragte er leise.
Cathy zuckte mit den Schultern.
„Soll ich dich gleich nach Hause bringen?“
„Nein!“
„Dir ist es peinlich. Hmm?“
„Quatsch. Ich finde mein zu Hause super! Ich wette, du auch, aber das hat zwei Gründe. Den ersten kann ich dir im Moment noch nicht sagen und beim zweiten Grund würdest du es nicht verstehen.“
„Sag doch einfach mal den zweiten Grund!“
„Ne, du. Ich erzähl´s dir wann anders. Okay?“
„Okay.“
Alex dirigierte Sabeander im Schritt durch den Wald. Stormy lief brav hinter der Fuchsstute her.
Cathy war es immer noch schlecht und sie wollte nicht weiter reiten, aber anders würden sie viel länger brauchen und Christina würde wieder eine Antwort auf die Frage „Wo warst du bloß?“ erwarten.
Cathy hatte beim reiten ihre Wunde am Kopf völlig vergessen, aber nun tat es wieder weh und Cathy verzog schmerzhaft das Gesicht.
Als sie vor der kleinen Hütte angekommen waren, sprang Alex vom Pferd und half Cathy auf den Boden.
Cathy ging es schon besser. Sie zitterte nur noch ein wenig.
Sie lief auf Stormy zu und klopfte ihm den Hals. Es war immerhin nicht seine Schuld, dass Cathy ihn immer wieder getrieben hatte. Wie Alex es schon gesagt hatte, er hatte seinen eigenen Kopf.
„Ich muss jetzt gehen! Vielleicht sehen wir uns morgen.“
„Alles klar. Bis dann“, sagte Alex und führte seine Pferde vor die Boxen. Cathy sah ihm noch ein wenig nach und drehte sich dann auch um. Sie lief zu ihrer Wohnung und drehte den Schlüssel im Schloss. Cathy war ziemlich müde und lies sich in Reitklamotten aufs Bett fallen ...
„Ich bin schuld!“
Cathy strampelte die Decke von sich und hüpfte vergnügt die Wendeltreppe hinunter. Es war erst acht Uhr morgens. Fröhlich griff Cathy in ihren Klamottenkarton und zog ihre kurze Jeanshose und ein Bauchfreies Top heraus. Sie schlüpfte schnell in ihre Sachen und suchte schließlich nach einer Bürste. Als sie auch die gefunden hatte, war Cathy 10 Minuten damit beschäftigt, sich die Haare zu kämmen, denn mit dem Verband, war jeder Bürstenstrich schmerzhaft .
Christina hatte Cathy ihr Frühstück vor die Tür gestellt und Cathy biss herzhaft in das Marmeladenbrot hinein.
Als Cathy fertig war mit Essen , stellte den leeren Teller wieder vor die Tür und bahnte sich einen Weg zwischen den Kartons durch, um zur Terrasse zu gelangen. Sie öffnete die Tür und lies sich ins feuchte Gras fallen.
Von der anderen Seite des Gartenzauns hörte Cathy ein hilfloses Bellen und neugierig stellte Cathy sich auf einen Gartenstuhl, um über den Zaun zu schauen.
Vor der Hütte saß ein bellender und jaulender Hund neben einem weinenden Jungen. Cathy konzentrierte sich auf den Jungen und erkannte ... Alex! Warum er bloß weinte?! Cathy währe am liebsten auf der Stelle zu Alex gerannt und hätte ihn getröstet, aber dass sie so früh morgens auftauchte, käme bestimmt verdächtig rüber und Alex würde rausfinden, dass Cathy die neue Besitzerin des Hofes war.
Cathy lief zurück in die Wohnung um nicht zusehen zu müssen, wie Alex weinte. Also beschloss sie ihren Schrank schon mal aufzubauen.
Zum Glück waren die Schrankteile schon im Obergeschoss und Cathy brauchte die Teile nur zusammen zu setzen.
Nach circa einer Stunde war sie fertig und rückte den Schrank in die richtige Ecke. Schnell rannte Cathy die Wendeltreppe hinab und trug ihre Klamotten nach oben. Nachdem sie ihre Sachen in den Schrank gehängt hatte , lief sie die Wendeltreppe wieder hinunter und sah auf die Uhr. Es war halb zehn.
Cathy verlies ihre Wohnung und ging zu Alex kleiner Hütte, aber er war nicht mehr vor der Hütte.
Cathy öffnete langsam die Holztür und betrat den Raum. Auch dort war Alex nicht. Nur ein Brief. Sie las ihn stumm durch:
Hi, Cathy. Du wolltest mich ja heute besuchen und ich wollte dir nur mal sagen, dass ich nicht mehr da bin, was du bestimmt schon gemerkt hast. Ich erzähle dir besser mal die ganze Geschichte: Stormy und Sabeander sind gar nicht meine eigenen Pferde. Die alte Besitzerin hatte mir die beiden nur zur Verfügung gestellt und sie wurden nicht weggegeben, weil die zwei sozusagen zum Hof gehören. Ich hatte das total vergessen, aber jetzt sind die zwei der neuen Besitzerin. Ich möchte nicht, dass mir jemand Sabeander wegnimmt! Sie ist doch so ziemlich das einzige, was ich habe! Ich hoffe du verstehst mich .LG Alex.
Sie wusste nicht, was sie tun sollte und rannte gezwungen zum Stall, denn so, wie Alex es beschrieben hatte, dürfte er nur Sabeander mit genommen haben .Und so war es auch. Stormy stand unschlüssig im Stall. Cathy überlegte kurz und schnappte sich den Hengst. Sie zog ihm seine Trense über und klopfte ihm beruhigend den Hals.
„So, mein süßer. Du musst mir jetzt helfen, Alex zu finden. Das wird ernst. Also schön brav sein, ja?“, flüsterte Cathy Stormy zu. Wie als ob er sie verstanden hätte, wieherte Stormy zustimmend.
Cathy riss sich zusammen und zog sich auf Stormys Rücken.
Stormy spitzte aufgeregt die Ohren.
Seine Reiterin nahm eine halbwegs gute Position ein und lies Stormy angaloppieren. Sie konnte gut aussitzen und lies die Zügel lockerer, damit Stormy sich lang machen konnte. Stormy vergrößerte seine Galoppsprünge und raste über den Hof und einen schmalen Waldweg entlang.
Cathy sah nach Alex Ausschau ,aber er war nirgends zu sehen. Er hatte einen ziemlich großen Vorsprung und Cathy überlegte, wo er bloß hinreiten könnte.
Der kleine Fluss gestern! Sabeander hat bestimmt Durst bekommen!, überlegte Cathy.
Sie galoppierte den selben Weg, wie am vorigen Tag entlang und kam schließlich auch an den Fluss. Aber weder Alex, noch Sabeander waren dort. Cathy ritt dem Fluss nach, bis sie an einen großen See kam.
Sie sah am anderen Flussufer eine kleine Hütte, aber der Weg dorthin war mit einem Gitterzaun versperrt. Cathy band Stormy ohne zu überlegen an einen Baum und kletterte über den Zaun. Sie sprang in das eiskalte Wasser und schwamm bis zum anderen Ufer, denn der Weg um den See war umgeben von Brennerselen und Disteln auf einem ziemlich steilen Abhang und außerdem durfte Cathy jetzt keine Zeit verlieren, denn wenn Alex nicht dort war und stattdessen immer noch mit Sabeander davon raste, hatte Cathy nur wenig Chance ihn zu finden .
Als Cathy aus dem Wasser gestiegen war, schüttelte sie sich und zupfte eine Alge aus ihren Haaren. Cathy drehte sich um und schaute, was Stormy so machte. Er stand immer noch brav vor dem Baum. Er schien verstanden zu haben, wie wichtig es war, keinen Unsinn zu machen.
Cathy näherte sich der Tür und hörte plötzlich ein Bellen aus der Hütte kommen. Genau das Bellen, dass sie an diesem morgen schon einmal gehört hatte! Cathy lächelte. Sie war hier also richtig. Langsam öffnete sie die Tür. Alex saß auf einer kleinen Matratze und schlug die Hände vors Gesicht. Der kleine Jack Russel Terrier saß vor Alex und bellte. Alex hatte Cathy nicht bemerkt.
„Alex!“, freute sich Cathy ihn zu sehen.
Langsam schaute Alex auf und wischte sich über die Augen. Er antwortete nicht.
Cathy lief auf ihn zu und setzte sich neben ihn. Der bellende Hund störte Cathy nicht. Sie hatte keine Angst vor Hunden.
„Das ist alles nur meine Schuld!“, seufzte Cathy.
„Was?! Nein!“
„Doch ... Erinnerst du dich noch daran, was du über die neue Besitzerin gesagt hast?“
„Ja. Und ich denke immer noch so über sie!“
„Das hoffe ich mal nicht, weil - Du hast ja so über die Neuen gelästert und da hab ich mich halt nicht getraut, dir zu sagen, dass ich die Besitzerin bin!“, flüsterte Cathy schnell und konnte Alex dabei nicht in die Augen sehen.
„Du ... Du bist die neue Besitzerin?!“, stotterte Alex und schluckte. Ihm war das ziemlich peinlich, denn er hatte jemanden schon verurteilt, bevor er die Person gekannt hatte und dass er dann auch noch total falsch gelegen hatte ...
Cathy nickte schweren Herzens.
„Ich hätte es dir von Anfang an sagen sollen!“, schniefte sie.
„Das ist doch nicht so schlimm! Immerhin hast du dich getraut, mir die Wahrheit zu sagen. Aber mir tut das echt Leid, dass ich so über dich geredet hab. Aber ich finde das gar nicht so. Du denkst jetzt bestimmt eh, dass ich unfreundlich bin, aber ich konnte ja nicht wissen, dass du die Person bist. Und ich hatte halt irgendwie Angst. Ich wollte dich ja nicht verletzen oder so, aber ...“
„Hey, alles gut. Du hast mich nicht verletzt. Die anderen haben doch auch so gedacht! Das nennt man Gruppenzwang und ich finde das gar nicht mal so schlimm! Immerhin ging es ja um den Hof und du hast meine Omi schließlich echt gemocht ...“
„Aber ich hätte wirklich nicht gleich so denken sollen! Und noch eine Frage: Darf ich weiter auf dem Hof wohnen?“, fragte Alex hoffnungslos, denn er dachte, dass Cathy nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte.
Cathy nickte und Alex sah sie glücklich an. Er wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen, aber das traute er sich schließlich doch nicht.
„Wollen wir langsam zurück gehen?“, fragte Alex.
Wieder nickte Cathy nur.
„Warum bist du eigentlich so nass?“
„Ich bin rüber geschwommen ...“
„Und wie bist du hier her gekommen?“
„Mit Stormy.“
„Du hast dich auf Stormy gesetzt?!“, fragte Alex etwas ungläubig, aber er fand es total toll, dass Cathy ihre Angst für ihn überwunden hatte ...
„Ja. Mir ist doch nichts anderes übrig geblieben! Ich wollte doch nicht, dass du weg gehst und womöglich zurück ins Kinderheim musst! Und das nur wegen mir ...! Und ist dir schon mal aufgefallen, dass du außergewöhnlich viele Fragen stellst?“
„Ich stelle viele Fragen ...?“
„Schon wieder!“, sagte Cathy und grinste Alex an.
„Hast Recht. Hey, alles wieder in Ordnung?“
„Klar. Freunde?“, fragte Cathy und sah Alex erwartungsvoll an.
„Freunde“, rief Alex und schüttelte Cathy lachend die Hand.
Cathy, Alex und Pushi , Alex’ Hund, verließen im Gänsemarsch die Hütte und Alex führte sie zu Sabeander. Sie stand hinter der Hütte und wieherte freudig, als sie Alex sah.
„Sie hat dich echt lieb!“, sagte Cathy.
Alex zuckte mit den Schultern. „Sie gehört ja auch fast mir. Stormy ist am anderen Seeufer?“
„Ja.“
Alex zog Sabeander ihr Zaumzeug über und zog sich auf die Stute.
„Komm, steig auf!“, sagte er und streckte seine Hand aus.
Cathy lies sich auf Sabeander ziehen und klammerte sich an Alex Bauch.
„Es gibt eine flache Stelle im Fluss, da kann Sabe mit uns durch.“
Alex lenkte Sabeander auf die flache Stelle im See zu und die drei überquerten den See ohne jegliche Mühe. Aber auch Pushi schwamm ihnen freudig hinterher.
Stormy stand noch am Baum und wartete auf Cathy. Als er Alex auf Sabeander sah wieherte er zur Begrüßung.
Alex ritt ganz nah an Stormy heran und band ihn los. Ohne vom Pferd abzusteigen befestigte er Stormys Zügel an Sabeanders Trense. Cathy blieb hinter Alex auf dem Pferd und Stormy lief brav neben Sabeander her. Pushi rannte den vier nach.
In der Stadt
Als alle fünf auf dem Hof angekommen waren sprang Cathy als erste vom Pferd und band Stormy los. Vorsichtig brachte sie ihn in den Stall und zog ihm die Trense ab. Stormy schnaubte friedlich.
Alex kam hinterher und führte Sabeander ebenfalls in die Box.
„Warum hast du es denn so eilig? Wir haben erst viertel vor zwei!“, fragte Alex etwas verwundert.
„Ich zeig dir meine Wohnung!“, rief Cathy und griff nach Alex’ Hand. Sie zog Alex bis vor ihre Haustür und schloss auf.
„Es ist noch ziemlich unordentlich, aber...“
Cathy unterbrach sich selbst, denn die Kartons waren weg, ihre Möbel aufgebaut und in ihrem „Wohnzimmer“ hatte sie noch eine neue Couch, einen Flachbildfernseher und einen Couchtisch.
„Meine Mam hat wohl aufgeräumt!“, erklärte Cathy.
„Wow, du hast es hier aber toll!“
Alex war begeistert und lief hinaus in den Garten. Der Stuhl stand noch vorm Zaun und neugierig stieg Alex darauf und sah über den Zaun.
„Spionierst du mich aus?“, fragte Alex ernst.
„Nein, aber ...“, stotterte Cathy. Ihm zu sagen ,dass sie ihr Treffen erst vergessen hatte, schien ihr nicht so gut zu kommen.
„Vergiss es einfach. Du hast Recht, ich frag zu viel.“
„Gibt es hier in der Gegend eigentlich so was, wie eine Jugenddisco?“, versuchte Cathy das Thema zu wechseln.
„Klar!“
„Gehen wir morgen Abend da hin?“
Alex zögerte kurz und sagte dann: „Ich war da zwar noch nie, aber ich weiß, dass man sich für dort schick macht und ich hab halt nicht viel ...“
„Yeah! Dann fahren wir heute in die Stadt!“
„Einkaufen?!“
„Was denn sonst?“
Alex zuckte mit den Schultern.
„Aber ich hab doch gar kein Geld!“, versuchte er sich aus dieser Shopping-Situation zu befreien.
„Aber ich! Komm schon. Bitte. Ich bezahl dir doch auch die Sachen. Ich hab genug Geld!“
„Wenn´s denn sein muss.“
„Danke!“, rief Cathy und machte einen Freudensprung. „Fahren hier denn Busse?“
„Nicht wirklich, aber wir holen uns einfach ein Taxi. Die sind bis in die Stadt ganz billig. Ich kann schnell eins bestellen. Für wann denn?“
„In einer halben Stunde?“
„Alles klar. Bis dann!“, rief Alex während er die Wohnung verließ.
Cathy joggte schnell zu ihrer Mutter.
„Mam, kann ich shoppen gehen?“
„Klar, Schatz!“
Christina wühlte in ihrer Tasche nach Cathys Kreditkarte und drückte sie ihr zusammen mit einem Kärtchen, auf dem der Code stand, in die Hand.
„Hab viel Spaß!“, meinte Christina noch und verschwand dann wieder im Bad.
Cathy verstaute die Karte in ihrer Hosentasche und lief zurück in ihre Wohnung. Sie lief die Wendeltreppe hinauf und fand einen Zettel an der Wand.
Roten Knopf drücken, stand auf dem Blatt.
Cathy fand tatsächlich einen kleinen ,roten Knopf an der Wand und drückte ihn. Plötzlich drehte sich die Wand und auch ein Stück Boden, auf dem Cathy stand. Und Cathy befand sich im Bad. Es war groß und hatte zwei Waschbecken. Cathy fand es toll! Sie lief auf den großen Spiegelschrank zu und öffnete ein Fach. Der ganze Schrank war voller Schminke! Normalerweise war Cathy nicht so auf Schminke angezogen, aber das war einfach zu viel für ein 12-jähriges Mädchen!
Cathy riss sich wieder zusammen und musste sich schmerzhaft von ihrer Schminke trennen, da schon fast eine halbe Stunde vorbei war.
Sie hüpfte die Treppe hinunter und sah, dass das Taxi schon wartete. Alex stand vor dem Auto und öffnete Cathy höflich die Tür.
Cathy rutschte einen Sitz weiter und Alex lies sich auf den Platz neben ihr fallen und schloss dann die Tür. Beide kurbelten die Scheiben ganz runter und der Fahrer drehte die Musik voll auf. Cathy streckte ihren Kopf aus dem Fenster und genoss den frischen Wind.
Als sie eine habe Stunde später in der Stadt angekommen waren sprang Cathy sofort aus dem Taxi. Alex hatte schon während der Fahrt bezahlt und so hatte er Cathy auch gleich wieder eingeholt.
„Wir gehen zu H&M!“, befahl Cathy.
„Ich weiß gar nicht, wo das ist!“, meinte Alex verzweifelt.
Cathy blieb stehen und schaute nach oben.
„Genau hier!“, sagte sie und stürmte ins Geschäft.
Cathy steuerte auf die Rolltreppe zu um in die Herrenabteilung zu kommen. Alex lief ihr atemlos hinterher.
„Also, was Einkaufen angeht, kenn ich mich nicht so gut aus ...“
„Dachte ich mir irgendwie. Los, komm mit!“, sagte Cathy und lief zu einem Ständer mit Hemden.
„Was hast du für eine Größe?“, fragte Cathy.
„S“
Cathy zog ein weißes Hemd mit Knöpfen hervor. Die Ärmel waren bis kurz unter die Ellebogen hochgekrempelt.
„Probier das an, aber ich muss erst noch eine Hose für dich finden. Die selbe Größe?“
„Ja.“
Cathy lief durch die Regale und fand schließlich eine dunkle Jeanshose die teilweise aufgerissen und ein Stück hochgekrempelt war. Cathy drückte Alex die Hose ebenfalls in die Hand und schickte ihn in die Anprobe.
Als Alex aus der Kabine kam, bestaunte Cathy ihr Werk. Alex sah wirklich super aus. Seine dunkelbraunen Haare waren ihm zerzaust ins Gesicht gefallen und seine Augen glänzten.
„Wow!“, staunte Cathy.
„Ich finde die Sachen ja auch toll, aber hast du mal auf den Preis geschaut?“
„Das ist doch unwichtig! Passen die Sachen denn gut?“
„Ja, schon. Aber ich kann das einfach nicht, annehmen, dass du mir die Sachen schenkst!“
„Seh´s als frühes Geburtstags Geschenk! Zieh dir wieder deine normalen Sachen an und komm dann in die Frauenabteilung, okay?“
„Alles klar, Boss!“, lachte Alex. Zum ersten Mal in seinem Leben, machte Shoppen ihm so richtig Spaß.
Cathy grinste ihn an und verschwand dann auf der Rolltreppe.
Sie lief durch die Regale und hielt Ausschau nach den perfekten Sachen, aber fand nichts.
Plötzlich stand Alex neben ihr und hielt Cathy einen schwarzen Minirock mit weißem Ledergürtel und schwarzen Strasssteinchen und ein enges, weißes Top, das ziemlich lang sein musste, mit fünf Trägern , einem weiten Ausschnitt und einfacher Stickerei vor die Nase. Cathy riss ihm die Sachen aus der Hand.
„Wow. Das ist toll! Ich bin gleich wieder da!“, rief sie und rannte in die Umkleiden.
Als Cathy heraus kam, begutachtete sie sich im Spiegel.
„Sieht super aus!“, sagte Alex.
Cathy fand das auch so. Sie strich sich ihre blonden, leicht gewellten Haare über die Schulter und schob ihren Pony vom linken Auge weg. Ihre Haare kitzelten Cathy bis ans untere Ende des Schulterblatts, denn das Top war am Rücken nur mit Schnüren zusammengehalten .
„Danke, Alex!“, sagte Cathy und verschwand wieder in die Umkleide.
Als Cathy ihre normalen Sachen an hatte und mit Alex zur Kasse lief, schnappte sie sich schnell noch eine neue Kette. Alex und Cathy legten ihre Sachen auf die Kassenablage und warteten auf den Betrag.
„Das macht dann 234¤“, sagte die Kassiererin.
Cathy reichte ihr die Kontokarte und gab den Code ein.
Als die zwei das Geschäft verlassen hatten setzten sie sich auf eine Bank.
„Das war ganz schön teuer! Also, danke für die Sachen.“
„Gern geschehen. Wollen wir jetzt gehen oder gibt es hier noch was interessantes?“, fragte Cathy.
„Es gibt ein Reitsportgeschäft ...“
„Wo geht´s lang?“, fragte Cathy und sprang auf.
Alex führte Cathy zu dem kleinen Laden.
Sie hatte sofort die ersten Sachen gefunden: ein Fohlenhalfter, ein normales Halfter, drei Stricke, Putzzeug, Fliegenspray und eine Pferdedecke.
„Hast du eigentlich einen Reithelm?“, erkundigte Cathy sich bei Alex.
„Nein, ist mir zu teuer!“
„Such dir einen aus. Ich bezahl!“
„Ach, Quatsch! Ich brauch nicht unbedingt einen.“
„Sonst kauf ich dir den ganz teuren dahinten!“, sagte Cathy und zeigte auf ein Delux-Model.
„Ja , ja!“, sagte Alex schnell und ging Reithelme anprobieren.
Cathy suchte weiter. Sie fand noch eine neue Gerte, Reithandschuhe und auch noch einen neuen Helm für sich.
Cathy brachte die Sachen an die Kasse und bezahlte einen Betrag von 361¤.
Alex hatte inzwischen ein Taxi bestellt und beide warteten vor dem Reitgeschäft, dass es kommen würde.
„Danke, für die Sachen!“
„Du braucht dich nicht ständig zu bedanken.“
„Doch.“
„Vergiss es einfach.“
„Hä?“
„Kein Wort mehr , wie ‚danke’, abgemacht?“
„Na gut!“, sagte Alex und sah schon das Taxi kommen.
Cathy und Alex kletterten in das gelbe Auto und der Fahrer fuhr los.
Paulinchen
Cathy war schon wach und zog sich um, während draußen die Sonne aufging. Es war 6 Uhr früh. Cathy hatte schon gefrühstückt und lief glücklich aus ihrer Wohnung auf den Hof. Von Alex’ Hütte hörte sie ein Wiehern kommen und joggte fröhlich dort hin.
Alex saß in Sabeanders Box und streichelte sie über den Bauch.
„Es geht los!“, rief er besorgt.
„Was? Hä?“
„Sabe fohlt!“
„Sie war trächtig? Ich bin davon ausgegangen, sie wäre etwas kräftiger!“, fragte Cathy überrascht.
„Ja, aber ich weiß nicht ,was ich tun soll und ich hab schon probiert einen Tierarzt zu holen, aber es geht niemand ran!“
„Bring Sabeander auf die Weide und bind sie ganz locker an. Sie braucht genug Platz um sich hinzulegen!“, befahl Cathy.
„Warum kennst du dich so gut aus?“, fragte Alex, während er Sabeander das Halfter aufzog.
„Hab früher oft bei so was geholfen!“, sagte Cathy und verschwand nach draußen, kehrte aber sofort wieder zurück.
„Wo ist das Strohlager?“, fragte sie gehetzt.
„Hinterm Stall!“
„Und der Stall?“
„Hinterm Wohnhaus!“, sagte Alex nervös und brachte die Stute aus der Box.
Cathy lief los. Das Wohnhaus war groß und Cathy brauchte eine Weile um den Weg zu finden, war aber nach wenigen Minuten im Strohlager angekommen. Cathy schnappte sich eine Schubkarre und füllte sie mit Stroh auf.
Sie lief so schnell sie konnte zurück auf die Weide zu Sabeander und Alex.
„Hol was zu trinken und etwas für Sabeander!“, rief Cathy und Alex rannte in den kleinen Privatstall neben seiner Hütte. Cathy schüttete in dieser Zeit das Stroh neben Sabeander und klopfte der Stute den Hals.
„Es wird alles gut, Süße!“, flüsterte Cathy leise.
Als Alex kam , nahm sie ihm das Wasser ab und stellte es Sabeander vor die Nase.
„Sie muss jetzt viel trinken. Kümmre dich darum, dass sie es auch tut!“
Alex lief stumm zu der Stute und planschte leicht mit den Fingern im Wasser um Sabeanders Aufmerksamkeit auf den Eimer mit Wasser zu lenken. Sabeander sank den Kopf und hatte mit nur einem Zug den halben Eimer leer getrunken.
„Warum warst du schon so früh im Stall?“, wollte Cathy schließlich wissen.
„Ich weiß nicht. Ich dachte einfach, dass etwas passieren würde. Sabes Abfohltermin ist eigentlich erst in ein paar Wochen. Ich hatte ja keine Ahnung! “, sagte Alex und zuckte mit den Schultern.
„Wann bist du in den Stall gekommen und wie hat sich Sabeander da verhalten?“
„Circa um vier Uhr. Sabe lag auf dem Boden, sie sah krank aus, aber ich wusste, dass es nur das Fohlen sein konnte! Wird das hier ein Verhör?“
„Das ist ja schon ein paar Stunden her!“, rief Cathy aufgeregt und hatte Alex dämlich Frage einfach ignoriert. Cathy beugte sich unter die Stute und begutachtete ihren Euter. Die erste harzige Milch kam schon zum Vorschein und der Euter war prall gefüllt.
Cathy überlegte, was das zu bedeuten hatte. Sie konnte sich nicht mehr so genau daran erinnern, wie es früher gewesen war, als sie noch in der Stadt gewohnt hatten , aber ihr war klar, die Geburt konnte schon in wenigen Minuten statt finden. Cathy wurde durch ein lautstarkes Wiehern unterbrochen. Sabeander atmete hektisch. Die junge Stute hatte die Augen weit und ängstlich aufgerissen. Von einer Sekunde auf die andere hatte Sabeander stark angefangen zu schwitzen und der Schweiß lief ihr langsam über die Flanken. Plötzlich knickten ihre wackeligen Vorderbeine ein und Sabeander lies sich langsam ins Stroh sinken. Sie versuchte den Kopf zu heben, aber sie war zu schwach. Nervös schlug sie mit dem Schweif um sich und immer wieder stoß sie schmerzhafte ‚Schrei’ aus.
Cathy sah hilflos zu Alex. Er wusste es anscheinend besser als Cathy und kniete sich neben die schwache Stute. Sanft legte er Sabeanders Kopf auf seine Oberschenkel und strich ihr beruhigend über die Nüstern. Und es half tatsächlich . Sabeander wurde ruhiger.
„Keine Angst. Dir und deinem Fohlen wird es bald besser gehen“, flüsterte er zu Sabeander.
Cathy stand neben ihm und sah zu, wie Alex Stück für Stück das Vertrauen des Pferdes gewann. Alex sah hilfebittend zu Cathy auf, aber die schüttelte nur den Kopf.
Das muss er selber schaffen, dachte sie.
Eine halbe Stunde später stand Cathy fasziniert neben Alex. Das kleine Fohlen von Sabeander war vor wenigen Sekunden auf die Welt gekommen und lag schnaufend im Stroh.
Als das Pulsieren in der Bauchnabelschnur aufhörte, griff Cathy nach einer Schere und schnitt sie ab.
Sabeander war geschwächt, schaffte es aber trotzdem ihr Fohlen sauber zu lecken.
„Es ist dein Fohlen, Cathy“, sagte Alex leise und kniete sich neben das neugeborene Stutfohlen. Sabeander legte die Ohren an und sah auf. Aber als sie merkte, dass es Alex war, der ihr Fohlen freundlich beobachtete, beruhigte sie sich schnell wieder.
Alex hob seine Hand und wollte das Kleine streicheln , aber Cathy rief schnell: „Alex. Nein!“
Erschrocken blickte er auf und sah Cathy fragend an. Sie gab ihm ein Zeichen, dass er mit ihr kommen sollte.
Cathy lief mit Alex ein Stück weiter weg.
„Warum darf ich es nicht streicheln?“
„Ich habe es vergessen , aber ich erinnere mich noch , dass man das besser sein lassen sollte. Wir müssen die zwei erst mal allein lassen. Beide brauchen jetzt ihre Ruhe und dem Fohlen geht es auch gut.“
„Oh! Wie heißt es eigentlich? Du musst ihm einen Namen geben – es ist dein Fohlen!“
„Ich kann das doch nicht annehmen. Es ist deins!“
„Du musst es nicht annehmen. Es gehört dir schon“, sagte Alex und drehte Cathy um, damit sie das Fohlen ansehen konnte.
Cathy starrte tatsächlich lange auf das Neugeborene. Sein dunkelbraunes Fell stand verstrubbelt und lang ab und es hatte eine große, weiße Blässe. Die schwarze Mähne klebte noch an seinem langen Hals.
„Es soll Paulinchen heißen!“
„Paulinchen? Klingt komisch.“
„Ich bin mal ein Pferd geritten, es hieß Paul!“, sagte Cathy scharf.
„Was ist mit ihm?“
„Er wurde erschossen“, sagte Cathy gequält. Sie sprach nicht gerne darüber.
„Oh! Das tut mir Leid – Ich sage immer das Falsche!“, sagte Alex ernst und sah Cathy entschuldigend in die Augen. „Ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich bin mal einen Wallach geritten. Cheas-Nut ..“
„Cheas-Nut?” Cathy grinste.
Alex nickte. Ihm gefiel dieses Thema ebenso wenig.
Cathy und Alex waren so in ihr Gespräch vertief, dass sie nicht mitbekommen hatten, was sich auf der Weide abspielte, bis Cathy auf sah.
„Sieh! Sieh! Pauli steht! Sie steht!“, rief Cathy begeistert und das kleine Paulinchen zuckte erschrocken zusammen.
Paulinchen stolperte vorsichtig über die Wiese bis zum Euter ihrer Mutter. Hungrig begann Paulinchen zu trinken , während Sabeander zufrieden an ihrem Heunetz zupfte.
Alex beobachtete Paulinchen eine Weile und nahm vorsichtig Cathys Hand.
Cathy wollte ihre Hand erschrocken zurück ziehen, aber schon zog Alex sie hinter sich her.
Sie setzten sich auf eine kleine Bank und starrten auf den Hof.
Alex hatte Cathys Hand schon längst los gelassen und keiner der beiden sagte auch nur ein Wort.
Cathy saß am einen Ende der Bank und Alex am anderen. Das war ein komisches Gefühl. Plötzlich lag etwas zwischen ihnen. Cathy sah sich nervös um. Warum Alex sie wohl hier her gebracht hatte?
„Wegen dieser Disco heute ...“, sprach Alex zögernd und brach damit das unerträgliche Schweigen. Cathy war etwas froh, dass er etwas sagte, denn wenn etwas zwischen ihnen stand, könnte Cathy es nicht ertragen. Waren sie nicht schon gute Freunde? Alex konnte ihr alles erzählen, aber ob er das wohl wusste? Cathy fühlte so eine freundschaftliche Verbindung zu ihm. Alex war wohl im Moment der einzige Mensch, dem sie ihr komplettes Leid erzählen könnte. Aber Cathy hatte nichts zu erzählen. Alex vielleicht schon ...
Er will doch nicht etwa absagen, dachte Cathy sauer nachdem sie kurz überlegt hatte.
„Ich habe Angst!“, sagte Alex schnell und leise.
Cathy lächelte. Alex schüttete ihr wohl auch sein ganzes Leid aus. Aber eins machte Cathy Sorgen: Vor was hatte er bloß Angst?
„Vor was?“ Cathy sprach langsam.
„Meine frühere Freundin ist inzwischen meine größte Feindin und sie hat mich überall mit einer alten , peinlichen Geschichte zur Lachnummer gemacht ... Das ist noch nicht lang her und ich möchte nicht, dass alle über mich lachen!“
Alex schien verzweifelt. Er sah Cathy mit leerem Blick in die Augen, aber Cathy sah seine Wut heraus. Alex sah von außen immer gleich aus und lies sich nichts anmerken, auch wenn er so hilflos, traurig und wütend war. Wer ihn nicht so kannte, wie Cathy es tat , wusste wahrscheinlich nie , was in ihm vorging.
„Ich bin doch dabei! Ich sag denen allen mal so richtig die Meinung, wenn sich jemand über dich lustig macht!“, sagte Cathy aufmunternd. Ihre Augen trieften nur so voller Mitleid und Alex wich schnell ihrem Blick aus. Er wollte kein Mitleid.
„Bitte, komm mit! Bitte! Tu es für mich! Nur ein mal. Bitte ...“, flehte Cathy ihn an und schließlich nickte er.
Disco
Cathy öffnete das große Holztor und verlies die Weide. Paulinchen sah ihr neugierig nach. Cathy drehte sich noch einmal um, lächelte und lief dann in ihre Wohnung.
Sie schlüpfte in ihr neues Outfit und betrachtete sich im Spiegel. Noch nicht überzeugt griff Cathy nach einer großen Haarspange und einem Kamm. Gekonnt steckte sie sich die Haare hoch. Cathy suchte ein helles Lipgloss heraus und trug es auf. Auch Wimperntusche durfte nicht fehlen. Mit einem Schwämmchen rieb sie noch ein wenig Make-up in ihr Gesicht und pinselte sich Rouge auf. Jetzt erst war Cathy fertig und lief an die Wand. Sie drückte den kleinen, roten Knopf und die Wand drehte sich. Cathy lief stolz die Treppe hinunter und verließ ihre Wohnung wieder.
Sie hatte ihre weißen Riemchensandalen mit leichtem Absatz an und stolperte über den Schotter.
Das Taxi wartete schon, aber von Alex war keine Spur.
Cathy beschloss kurz zu warten, aber als nach fünf Minuten immer noch niemand da war, lief sie zu Alex’ Hütte.
Cathy öffnete langsam die Tür.
Alex stand in seinen neuen Klamotten vor einem großen, aber auch dreckigen, Spiegel.
Cathy betrachtete ihn in seinem Spiegelbild. Seine Haare fielen ihm wie immer zerzaust ins Gesicht. Nur seine Augen leuchteten nicht so fröhlich und offen wie sonst. Cathy machte sich Sorgen.
Vielleicht ist es doch keine so gute Idee gewesen, ihn zu überreden, mit zu kommen, dachte Cathy.
Alex drehte sich um und sah Cathy im Raum. Er fuhr sich verlegen durch die Haare, als er bemerkte, dass Cathy ihn beobachtet hatte.
Cathy lächelte ihm aufmunternd zu. Alex trat vor und lächelte etwas gequält zurück. Zusammen liefen sie zum Taxi und stiegen ein.
„Du siehst super aus!“, meinte Cathy.
Alex wurde rot. Er antwortete erst nicht, sagte aber dann nach kurzem Zögern: „Du auch!“
Cathy lächelte ihn an.
Was ist nur mit ihm los? Normalerweise hätte er das doch zu gleich zu mir gesagt!, dachte Cathy und machte sich immer mehr Sorgen.
„Du möchtest nicht mit, oder?“
Alex zuckte mit den Schultern und sah Cathy tief in die Augen.
Cathy hoffte, dass sie nicht zu nervös aussah, denn das war sie!
Als das Taxi angekommen war, bezahlte Cathy schnell und sie kletterten aus dem Auto.
Cathy erkannte sofort die Jugenddisco. Vor dem Eingang standen viele andere in ihrem Alter und nicht alle wurden hinein gelassen.
Cathy seufzte.
„Das letzte mal bin ich erst gar nicht hinein gekommen!“, meinte Alex und drängte sich ungefähr in die Mitte der Menge. Cathy folgte ihm.
„Hey, ihr da!“, rief der Türsteher und zeigte auf Cathy und Alex, die sich eng aneinander gestellt hatten, um sich nicht aus den Augen zu verlieren.
Cathy sah auf.
„Kommt rein!“, schrie der junge Türsteher gegen den Lärm an.
„Wir?“, rief Cathy zurück.
Der Mann nickte.
Alex sah Cathy ungläubig an und lief ihr hinterher zum Eingang.
Der Türsteher nickte ihnen freundlich zu und öffnete die Tür.
Die Disco war auf einem großen Hof und die Musik dröhnte. Alles war voll und die Leute tanzten vergnügt. Es war eine tolle Stimmung und der DJ legte nur die besten Songs auf.
Alex lächelte in die Menge und Cathy bemerkte, dass das Leuchten in seinen Augen wieder eingesetzt hatte.
„Ich hab Durst! Holen wir uns was?“, rief Cathy gegen die laute Musik an.
Alex nickte.
Er lief voran. Cathy folgte ihm automatisch.
Alex öffnete eine große Holztür und trat ein. In dem Raum war ein kleiner Getränkestand und ein Essensstand aufgebaut. Die Schlange war nicht lang und nur so um die 20 Personen standen an den Tischen.
Alex stellte sich an und wollte etwas zu Trinken holen, während Cathy sich an einen Tisch gesetzt hatte.
Plötzlich zeigte ein kleines, blondes Mädchen, das etwas jünger als Cathy war, auf Alex und flüsterte dem Mädchen neben ihr etwas ins Ohr. Die Mädchen begannen leise zu kichern und flüsterten etwas weiter. Nacheinander begannen immer mehr zu kichern. Als jemand Cathy etwas zuflüstern wollte, wollte Cathy zuerst weg gehen, hörte aber schließlich zu.
„Der Alexander ... Der hat ja mal ne Lehrerin geküsst!“, flüsterte der Junge kichernd und fing plötzlich laut an zu lachen. Auch die anderen stimmten mit ein, aber Cathy nicht.
Ob das wohl stimmt?, fragte Cathy sich.
Alex hatte das Kichern noch nicht gehört gehabt, aber als alle laut angefangen hatten zu lachen, hatte Alex sich neugierig umgedreht. Als dann wieder das kleine Mädchen auf ihn zeigte, wurde ihm alles klar. Alex schoss die Röte ins Gesicht. Er überlegte nicht lang und rannte aus dem Raum. Cathy saß hilflos auf der Bank. Sie wusste im Moment nicht, was sie tun sollte. Vielleicht brauchte Alex ja jetzt ein wenig Ruhe?
Eine Gruppe von Jungs schlenderte auf Cathy zu und lies sich lässig neben sie fallen.
Einer der Jungs fragte freundlich: „Tanzen?“
„Ne, du. Im Moment nicht“, sagte Cathy nett und lächelte ihm zu.
Auch ein anderer forderte Cathy zum Tanzen auf, aber Cathy winkte wieder ab.
Die Jungs sahen sich verblüfft an.
Als Cathy aufstand um Alex zu suchen hörte sie, wie einer der Jungs zu einem anderen flüsterte: „Die kleine ist echt süß!“
Cathy lächelte. Sie wusste, dass sie damit gemeint war. So etwas hatte Cathy noch nie jemanden zu ihr sagen hören.
Cathy verließ den Raum und stand ratlos auf dem Hof. Sie kämpfte sich durch die Menge. Als sie plötzlich am Mädchen-WC vorbei kam, kam ihr eine Idee. Cathy suchte die Jungstoilette auf.
Als Cathy den WC gefunden hatte, zögerte sie kurz, trat aber schließlich ein.
Cathy hatte sich das Jungenklo dreckig und stinkend vorgestellt, aber es war genauso, wie das Mädchenklo.
Cathy blieb vor der Tür stehen und sah sich vorsichtig um.
Ein paar Jungs sahen Cathy verwirrt an, aber lächelten ihr nach kurzem Überlegen auch zu. Cathy lächelte zurück.
Sie lief zu den Kabinen und klopfte an jede Tür. Alex war nicht dort.
Cathy verließ das Klo wieder und suchte die Menge ab. Kein Alex.
Hoffnungslos schlenderte sie zum Ausgang und wollte grade die Disco verlassen, als sie etwas an der Schulter packte. Überrascht drehte sich Cathy um. Der nette Türsteher stand hinter ihr.
„Suchst du deinen Kumpel?“
Cathy nickte.
„Komm mit“, sagte der junge Mann und lief davon. Cathy folgte ihm ohne groß nach zu denken.
Als der Türsteher stehen blieb, schob er Cathy vor sich. Sie standen am Rande des Hofes vor einem alten Holzzaun. Der Mann schob eine Latte beiseite und nickte Cathy aufmunternd zu.
„Früher saß er dort immer stundenlang“, erklärte er.
„Sie kennen ihn?“, fragte Cathy ungläubig.
„Lass das ‚Sie’! Sag ‚Du’. Und ja. Wir kennen uns. Aber wir haben uns nie wirklich gut verstanden.“
„Denkst du ich soll zu ihm gehen?“, fragte Cathy.
Der Mann nickte.
„Wie heißt du eigentlich?“, erkundigte er sich.
„Cathy. Ich bin 14. Und du?“
„Marco. 18.“
„Ah –„, meinte Cathy und verschwand hinterm Zaun.
Cathy blickte sich um. Plötzlich bemerkte sie Alex in einer Ecke sitzen. Er weinte nicht, aber er hatte hilflos den Kopf auf seine Knie gelegt. Er hatte Cathy , wie sonst auch , nicht bemerkt.
Cathy lief leise auf ihn zu und streichelte ihm über den Oberarm. Erschrocken sah Alex auf.
Cathy setze sich neben ihn ins feuchte Gras . Keiner sagte etwas, bis Alex das Schweigen brach.
„Warum hast du mich gesucht? Hast du nicht gehört, was alle erzählt haben?“
„Doch. Aber ich dachte, wir währen inzwischen schon irgendwie befreundet!“
„Und?“
„Freunde halten zusammen!“, meinte Cathy.
„Hier ist das wohl nicht so -“
Alex schluchzte.
„Was? Warum? Wie kommst du denn darauf?“
„Ich hab hier überhaupt keine Freunde, weil -“
„Du eine Lehrerin geküsst hast?“
„Das ist doch so bescheuert!“, rief Alex laut und schlug die Hände vors Gesicht.
„Beruhig dich doch! Komm schon. Wir gehen jetzt da raus!“
Alex schüttelte schnell den Kopf.
„Tu’s für mich“, bat Cathy und sah ihn mit großen Augen an.
„Okay!“, sagte Alex schließlich.
Cathy packte ihn am Arm und zog ihn vor den Zaun.
Marco war schon an seinen Platz zurückgekehrt. Als er Cathy mit Alex sah, lächelte er Cathy zufrieden zu.
Cathy zog Alex bis vor den kleinen Raum. Alex sah sie bittend an ,aber Cathy musste das jetzt durchziehen.
„Man muss sich seinen Ängsten stellen, Alex!“, flüsterte sie und hackte sich bei Alex unter. Da standen sie. Arm in Arm vor der Tür. Cathy öffnete langsam die Tür und nebeneinander traten sie ein.
Die vielen Jungs sahen Alex verblüfft an. Sie beneideten ihn um Cathy. Auch die Mädchen begannen nicht zu kichern. Alles war still.
„Wie hat der bloß so ne hübsche abbekommen? Die hat doch bestimmt ne Wahl von tausend Jungs! Vielleicht is der Alexander ja doch nicht so schlimm, wie die Jolly immer sagt “, meinte eines der Mädchen zu ihrer Tischnachbarin.
Cathy lächelte glücklich, als sie das hörte.
Sie lief mit Alex an einen Tisch und beide setzten sich. Plötzlich begannen alle wieder zu reden. Das Hauptthema an diesem Abend waren Cathy und Alex. Der Lehrerkuss war total vergessen und alle drängten sich nur so um Cathy und Alex, aber trauten sich auch nicht sie anzusprechen. So wusste noch niemand Cathys Namen - außer Alex.
Arme Pferd
Als die zwei nach Mitternacht nach Hause kamen , war es schon Stockdunkel und Cathy war eiskalt.
„Ich sehe noch schnell nach Paulinchen!“, meinte sie und suche den Weg zur Koppel.
Cathy kletterte über den Zaun und hielt Ausschau nach den Pferden.
„Alex! Alex!“ ,rief Cathy besorgt.
Sofort kam Alex angerannt. Atemlos blieb er neben Cathy stehen.
„Was ist den los?“, fragte Alex.
„Die Pferde sind weg! Paulinchen ist nicht mehr da! Sabeander!“, keuchte Cathy.
Cathy war blass geworden und sie sah Alex verzweifelt an.
Er stieg ebenfalls über den Zaun und suchte die Weide ab. Keine Sabeander. Keine Paulinchen. Auch keine Möglichkeit abzuhauen für die zwei.
Stormy stand dösend in seiner Box. Er war also noch da. Aber die Stute und ihr Fohlen?
Aufgelöst rannte Cathy vor den Wohnbereich ihrer Mutter. Ungeschickt kramte sie nach ihrem Schlüssel und drehte ihn im Schloss, während sie Alex zu sich rief. Nebeneinander rannten sie durch den Flur. Vor dem Schlafzimmer ihrer Mutter blieben sie stehen. Cathy wollte die Tür erst langsam öffnen, aber als ihr einfiel, dass sie ihre Mutter sowieso wecken wollte, riss sie die Tür auf und schaltete das Licht an. Plötzlich hörten sie einen lauten knall und verschlafen rappelte sich Christina vom Boden auf. Sie trug nur einen BH und Schlafanzugshose. Wütend rieb sie sich die Augen.
„Was ist denn hier los?“, fragte Christina aufgeregt mit einem Blick auf die Uhr. „Tickst du noch ganz richtig, Cathy? Es ist nach Mitternacht!“, schimpfte Cathys Mutter weiter. Sie hatte Alex wohl nicht bemerkt.
„Mama, die Pferde sind weg!“, schrie Cathy wütend zurück. Ihre Mutter musste sich ja auch nicht gleich so aufregen. Immerhin war Cathy auch noch nicht im Bett.
Nachdenklich lies Christina sich aufs Bett sinken.
„Im Stall?“, fragte sie vorsichtig.
„Wie sollen die Pferde denn da hin gekommen sein?“, schnaufte Cathy wütend.
Christina strich sich ihr langes, blondes Haar hinter die Ohren.
„Wir sollten nachsehen“, flüsterte Alex.
Cathy nickte zögernd.
„Ich sehe nach!“, rief Cathy ihrer Mutter zu und lies die Tür zufallen.
Cathy war noch nie im Stall gewesen. Sie hatte einfach nie Zeit genug gehabt.
Alex öffnete die Tür in den Stall und beide hörten ein äußerst bekanntes Schnaufen aus der zweiten Box.
Während Alex das Licht einschaltete, näherte Cathy sich der Box und fand staunend Sabeander vor.
Die junge Stute war am ganzen Körper verschwitzt und das eine Bein belastete sie nicht.
Paulinchen stand verängstig hinter ihrer Mutter und beobachtete Cathy verstört.
Cathy blieb der Mund offen stehen.
„Alex!“, versuchte Cathy so laut wie möglich zu schreien, aber ihre Stimme war fast weg und es hörte sich eher wie ein leises flüstern an.
Alex hatte Cathy fast überhaupt nicht verstanden, aber er hatte auch sofort die Angst in Cathys Stimme erkannt. Sofort joggte er auf Cathy zu.
Als er die Pferde sah, blieb er wie angewurzelt stehen und starrte auf Sabeander.
Alex versuchte ebenfalls etwas zu sagen, aber er bekam keinen einzigen Ton heraus. Seine Knie wurden weich und ängstlich hielt er sich an Cathys Arm fest.
Sabeander trat einen Schritt zurück und legte die Ohren an. Als Cathy näher an die Box trat, wieherte Sabeander schrill auf und schnappte wütend in die Luft. Als Sabeander sich schließlich auf die Hinterbeine stellte und wild mit ihren Hufen in der Luft herumwirbelte, sprang Cathy erschrocken zurück und knallte mit dem Kopf an die Box hinter sich. Für kurze Zeit war Cathy schwarz vor Augen, aber als sie die donnernden Hufschläge gegen die Boxentür hörte, sprang Cathy sofort wieder auf.
„Was ist nur mit ihr los?“, fragte Alex leise. Seine Stimme zitterte .Er hatte wirklich Angst um Sabeander.
Cathy schüttelte wütend den Kopf.
„Wer so was macht, gehört ins Gefängnis!“, meinte Cathy. Ihr war sofort klar geworden, dass die Tier nicht umsonst so verängstigt im Stall standen ...
„Wie meinst du das?“, fragte Alex laut. Er hatte sich beruhigt und sah vorsichtig zu Sabeander. Die junge Stute trat wütend gegen die Boxentür und Paulinchen versteckte sich in der hintersten Ecke.
„Denkst du, die sind hier ganz allein in die Box gelaufen , Alex?“
„Nein, aber - “
Cathy schüttelte wieder den Kopf.
„Wir müssen sie beruhigen!“, sagte Cathy leise und näherte sich der Stute.
Sabeander sich wütend die Augen auf und trat wieder gegen die Boxentür. Der Boden bebte und Cathy zuckte zusammen. Bei jedem Schritt wurde sie ein Stück ängstlicher und Sabeander wütender.
Cathy blieb aber nicht stehen. Sie würde am liebsten sofort umdrehen, aber wenn sie das täte, wüsste das Pferd, dass es gewonnen hätte.
Cathy machte sich groß. Sie sah Sabeander tief in die Augen und legte ihre Hand langsam an die Tür.
Erschrocken sprang Sabeander zurück und stieg in die Luft.
Cathy schob schnell die Tür auf und schlüpfte in die Box, während Alex ihr ungläubig zusah.
„Cathy! Was machst du da? Komm sofort aus der Box raus!“, rief er ihr ängstlich , aber auch bestimmt , zu.
Sabeander drehte Cathy das Hinterteil zu, aber Cathy reagierte genauso schnell und ging mit Sabeanders Bewegung mit. Cathy packte den Fuchs am Halfter und drückte ihren Kopf nach unten. Aber Sabeander gab nicht auf und mit aller Kraft zog sie ihren Kopf hoch. Cathy schaffte es nicht die Stute weiterhin fest zu halten und Sabeander riss ihr das Halfter aus der Hand. Die Stute stieg hoch auf die Hinterbeine und Cathy fiel erschrocken auf den Boden. Über ihr wedelten die tödlich starken Hufe, der durchgehenden Stute. Cathy wurde blass.
Als Sabeander plötzlich direkt über Cathy mit ihren Hufen wieder auf den Boden sinken wollte, drehte Cathy sich schnell weg. Nur um Haaresbreite hatte Sabeander Cathys Kopf verfehlt. Die Stute legte die Ohren an und wollte sich auf Cathy zustürzen, aber Cathy war schneller und sprang auf. Gehetzt schlüpfte Cathy wieder aus der Box und schloss schnell die Tür.
Alex am sofort auf sie zu und umamte sie ängstlich.
„Weist du, was alles hätte passieren können?“, sagte er.
Selbst noch geschockt nickte Cathy. Plötzlich lief ihr eine Träne über die Wange.
Alex sah auf.
„Hast du dich verletzt?“
„Nein“, schluchzte sie. „Was, wenn die Pferde so bleiben, Alex? Müssen sie dann eingeschläfert werden?“, stotterte Cathy leise.
Alex zuckte mit den Schultern und auch ihm lief etwas Kühles über die Wange. Eine Träne.
Cathy lehnte sich gegen eine der Boxen und lief sich auf den Boden sinken. Alex setzte sich zu ihr. Er nahm Cathy fest in den Arm . Er verstand Cathy, denn ihm ging es genauso.
Streit
Cathy öffnete langsam die Augen. Sie saß im Reitstall. Verschlafen blinzelte sie zu den Boxen. Auch Alex wachte gerade auf.
„Morgen“, sagte er zu Cathy. „Gut geschlafen?“
„Ja. Danke der Nachfrage. Du?“
„Auch.“
Alex lächelte Cathy freundlich zu und streckte sich.
Cathy sah sich um. Ihr Blick fiel auf Sabeander. Cathy überfiel das schlechte Gewissen. Die Stute stand mit weit aufgerissenen Augen, hoch erhobenen Kopf und angelegten Ohren in der Box und beobachtete Cathy und Alex bei jeder Bewegung. Die Arme musste die ganze Nacht wach gewesen sein.
„Oh je!“, schimpfte Cathy laut mit sich selbst.
Alex kam zu ihr gelaufen und sah sie unwissend an. Dann folgte er Cathys Blick und seufzte. Ihm war sofort das selbe klar geworden, wie Cathy.
„Das arme Ding!“, sagte er leise.
Sie nickte.
„Was können wir bloß tun?“
Alex zuckte mit den Schultern, während Cathy auf die beunruhigte Stute zu lief und sie am Halfter schnappte. Die Stute wieherte schrill und blähte ängstlich ihre Nüstern auf.
Cathy lief ein Schauer über den Rücken und sie wusste, dass es so nicht weiter gehen konnte. Sie musste das Vertrauen der Hübschen wieder gewinnen. Oder bessergesagt, die Stute das Vertrauen in die Menschen.
„Was machst du denn da?“ ,fragte Alex und schon wieder war der Glanz in seinen Augen verschwunden.
„Ich hole Sabeander aus der Box“, erklärte Cathy und zuckte mit den Schultern.
„Spinnst du? Sie ist gefährlich!“, rief Alex aufgebracht. „Mir passiert schon nichts!“, meinte Cathy wütend.
„Und Gestern hast du das doch auch gemeint!“
Alex kickte wütend einen kleinen Stein aus dem Weg.
„Reg dich nicht so auf. Du bist ja wie meine Mutter, aber du hast mir gar nichts zu sagen! Ich mache was ich will!“, schrie Cathy aus der Box. Sabeander zog ängstlich und wütend zu gleich ihren Kopf in die Höhe und Cathy hatte Mühe, den schweren Pferdkopf nach unten zu drücken.
„Immer geht es nur um dich! Du machst – wie du sagst – was du willst! An die anderen denkst du überhaupt nicht!“, schrie Alex sauer. Er drehte sich auf dem Absatz um und verschwand.
Cathy sah ihm einen kurzen Moment nach und schrie dann: „ Verdreh doch nicht alles, so wie du es willst!“
Aber er antwortete nicht. Wahrscheinlich hatte Alex sie noch nicht einmal mehr gehört. Es war totenstill im Stall nur das unruhige Tänzeln von Sabeander war überall nicht zu überhören.
Cathy seufzte. Warum benahm Alex sich bloß so beherrschend? Er hatte Cathy doch überhaupt nichts zu sagen ...
Cathy riss sich zusammen und befestigte den Karabinerhaken vom Strick an Sabeanders Halfter.
Cathy hielt den Strick kurz unterm Halfter fest und führte Sabeander aus der Box. Cathy schloss schnell die Tür, bevor Paulinchen ihrer Mutter hinterher eilen konnte.
Cathy führte Sabeander schnell bis zur Koppel.
Als Cathy das Tor öffnete, stieg Sabeander in die Höhe.
Cathy konnte den Strick nicht mehr kurz halten und lies ihn bis zum unteren Ende locker. Sabeander ließ sich auf den Boden fallen und wälzte sich im Gras.
Cathy fand das normalerweise immer schrecklich süß, aber diesmal machte es ihr etwas Angst.
Als Sabeander wieder auf ihren 4 Hufen stand, zog Cathy den Fuchs auf die Koppel und löste den Strick. Geschickte sprang Cathy über den Zaun, bevor Sabeander nach ihr austreten konnte.
Die Stute preschte wild über die Koppel. Cathy gefiel das. Sie sollte ihre Wut nicht an Cathy oder Alex auslassen. So konnte sie sich mal richtig austoben.
Cathy sah Sabeander kurz zu. Das Pferd sauste wie wild geworden über die Koppel. Sie hatte sogar einen Funken von Freude in ihren Augen, aber die Angst war größer. Was wohl in dieser einen Nacht geschehen war?
Cathy lief zurück in den Stall. Paulinchen stand gegen die Wand gedrängt in der Box.
Cathy holte das neue Fohlenhalfter und trat in die Box. Sie ging langsam auf Pauli zu und schnappte sie am Schopf. Wiederwillig schüttelte das Fohlen den Kopf und schnaubte wütend, aber Cathy sah in Paulis Augen den freundlichen Charakter heraus und die Erleichterung, die im Moment in ihren Augen zu finden war, gab Cathy die letzte Hoffnung.
Sie streifte Paulinchen das Halfter über. Es passte , wie angegossen.
Cathy führte Paulinchen aus der Box. Sie war aufgeregt. Cathy hatte ihr Fohlen noch nie geführt. Pauli drängte ebenso aufgeregt nach vorn, aber Cathy blieb stehen. Sie überlegte, was sie jetzt tun sollte. Paulinchen zu ihrer Mutter zu stellen, wäre nicht die beste Idee. Mit Pauli zu trainieren? Aber was? Cathy wollte und wollte einfach nichts einfallen, bis sie beschloss die Kleine einfach auf eine andere Weid zu stellen.
Dort angekommen, hüpfte Paulinchen vergnügt über die Wiese. Cathy lächelte. Sie sah Pauli zu, wie sie ihren Spaß hatte. Das zwei Tage alte Fohlen war kräftig gebaut und es war toll zu sehen, dass Pauli schon so gut zu Fuß war.
Cathy dachte an Alex.
Was er wohl grade tat?
Ob Alex wohl in seiner Hütte ist?, fragte sich Cathy, aber eine einzige Sache, hielt sie davon ab, zu ihm zu gehen: Sie hatten Streit. Ja, sie hatten tatsächlich Streit! Beide kannten sich zwar erst seit kurzem, aber es kam Cathy schon wie eine Ewigkeit vor.
Sie hatte noch nicht einmal die Zeit gefunden, ihren alten Freunden zu schreiben. Cathy nahm sich es fest vor.
Cathy strich sich eine blonde Haarsträne aus dem Gesicht.
Alex war noch nie wütend gewesen. Nicht auf Cathy. Wie konnte man sich bloß innerhalb von fünf Minuten so stark zerstreiten? Waren es überhaupt fünf Minuten gewesen?
Alex hätte einfach nicht überreagieren sollen. Es ist doch nichts passiert. Ich weis schon, was ich tue!, dachte Cathy.
Sie war sich so sicher, dass sie im Recht lag, bis ihr plötzlich die Aktion vom vorigen Tag einfiel. Es hätte wirklich schlimm ausgehen können. Da hatte sie auch gedacht, dass sie es schaffen würde.
Wenn Alex das selbe dachte ...?, überlegte Cathy. Vielleicht hätte ich ihm nicht sagen sollen, dass er mir gar nichts zu sagen hat! Das muss sich so blöd angehört haben. So, als ob mir seine Meinung überhaupt nicht wichtig wäre und vielleicht denke ich ja auch manchmal an mich, aber ich wollte Sabeander doch nur helfen! Damit wäre Alex doch auch geholfen.
Cathy fühlte sich wirklich schuldig, aber ob sie nach Alex suchen sollte?
Cathy dachte, dass er sich eventuell noch mal bei ihr melden würde und so lief sie zurück in ihre Wohnung. Die Pferde lies sie über die Nacht auf der Koppel.
Besuch
Als Cathy am nächsten Morgen wach wurde, hatte Alex sich immer noch nicht gemeldet. Cathy beschloss, ihn gleich nach dem Frühstücken in seiner Hütte zu besuchen und sich zu entschuldigen. Vielleicht würde dann alles so , wie vor dem Streit.
Cathy hatte noch keinen Menschen erlebt, der bei so einer Kleinigkeit wütend wurde. Aber das mochte Cathy ja so an ihm. Er war anders , als die andern. Einfach was besonderes. Er hatte so viel durchmachen müssen, war aber immer noch stark. Oder sah er nur so aus? Alex war so offen ihr gegenüber und bestimmt auch zu allen anderen. Cathy wusste nicht genau , warum er keine Freunde hatte. Er war doch so nett. Aber seine Ex-Freundin hatte wohl einen großen Einfluss auf alle anderen, denn an Alex’ peinlichem Erlebnis durfte das wohl kaum liegen. Oder waren auf dem Land alle so komisch?
Cathy schob ihre Decke bei Seite, setzte sich aufrecht und schüttelte den Kopf. Hatte Alex ihr etwas über sich verschwiegen?
Nachdem Cathy sich umgezogen und gefrühstückt hatte, ging sie noch schnell ins Bad. Cathy putzte ihre Zähne strahlend weiß. Irgendwie wollte sie das Treffen mit Alex verzögern , aber sie war auch total aufgeregt. Einer musste sich ja entschuldigen. Und diesmal würde das ganz klar Cathy übernehmen müssen.
Cathy begann sich langsam die Haare zu kämmen und griff schließlich zu etwas Make-up und Rouge.
Cathy war mit sich nicht zufrieden und pinselte sich noch etwas Liedschatten und Wimperntusche auf.
Sie seufzte. So musste es gehen.
Cathy betrachtete sich noch ein mal m Spiegel.
Sie trug einen schwarzen Minirock und ein ebenfalls schwarzes Top. Auf das bauchfreien Oberteil waren dunkelrote Blumen gedruckt .
Cathy hatte sich schon etwas zurecht gemacht, denn sie wollte doch ,dass Alex sich wieder mit ihr vertrug. Und auf dem Land war ja alles etwas anders, wie Cathy es fand.
Cathy stolperte über den Schotterweg und blieb vor Alex’ Hütte stehen.
Reiß dich zusammen, befahl sie sich selbst.
Cathy atmete langsam tief ein. In ihrem Bauch war so ein komisches Gefühl. Was das bloß war? Cathy bekam innerhalb von 3 Sekunden heftiges Seitenstechen.
Sie klopfte. Nichts. Cathy klopfte wieder. Wieder nichts. Ob sie einfach hereingehen sollte, so wie immer? Oder war das falsch? Cathys Kopf brummte.
Mit Kopfschmerzen lief sie zur Koppel. Vielleicht war Alex ja dort. Auch wieder mal falsch. Nur Sabeander graste friedlich auf der Weide. Hatte Cathys Idee geholfen?
Aber als Cathy näher auf die Wiese zusteuerte, riss der Fuchs panisch den Kopf in die Höhe und raste zum anderen Ende der Koppel.
„Heute ist wirklich alles gegen mich!“, murmelte Cathy genervt.
Plötzlich spürte Cathy etwas nasses an ihrem Arm. Überraschte sah sie sich um. Da war niemand. Und wieder etwas nasses. Cathy sah nach oben und plötzlich begann es zu schütten. Für einige Momente blieb Cathy so im Regen stehen. Jetzt war sowieso alles egal. Ihr Leben war völlig zerstört, aber plötzlich fiel Cathy ihre beste Freundin aus der Stadt ein und sie rannte aufgeregt in ihr Wohnung.
Verfroren wählte Cathy Annas Nummer.
„Anna“, meldete sie sich.
Cathy fiel ein Stein vom Herzen. Sie war da!
„Anna!“, heulte Cathy in den Hörer.
„Oh, Cathy! Ich dachte schon, du hättest mich vergessen! Was ist denn los?“
„Mein Fohlen ist total verängstigt, seine Mutter aggressiv und verstört und mein bester Freund hat sich mit mir wegen irgendeiner Kleinigkeit Gestritten!“
Cathy war am Boden zerstört. Sie brauchte jetzt wirklich Aufmunterung.
„Dein bester Freund? Ich dachte wir sind beste Freunde!“, maulte Anna.
Cathy wollte grade etwas entgegnen. Zu spät.
Anna hatte aufgelegt.
Cathy schnappte sich ein Taschentuch und lies sich von der Trauer überschüttet auf ihr Bett fallen. Cathy schnäuzte in das verkrumpelte Tuch und wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Wie konnte sie bloß so tief sinken?
Plötzlich klingelte das Telefon.
Cathy hob das Telefon vom Boden auf und erkannte sofort die Nummer.
Es war Anna!
Erleichtert hob Cathy ab.
„Hör mir mal zu, Cathy. Ich hätte nicht so reagieren sollen. Du hast neue Freunde und ich hab mich auch besser mit Sophie befreundet. Sein nicht böse, ja?“
Anna klang so vertraut und das erinnerte Cathy an Alex. Sie schniefte.
„Alles gut!“, nahm Cathy die Entschuldigung an.
„Klingt nicht so!“, meinte Anna. „Was ist mit deiner neuen Freundin los?“
„Alex“, erklärte Cathy.
„Alexandra?“
„Was? Hä? Nein! Alexander!“, rief Cathy in den Hörer. Sie musste lachen. Vielleicht musste sie sich doch ein wenig besser ausdrücken.
„Ein Typ?“, fragte Anna erstaunt.
„Ein netter. Ausnahmezufall!“, kicherte Cathy.
Anna stimmte mit ein.
Als die zwei sich wieder gefasst hatten, fragte Anna weiter: „Was ist jetzt mit ihm?“
„Wir haben uns gestritten und jetzt ist er weg!“
„Untypisch für einen Jungen, einfach abzuhauen“, meinte Anna abweisend.
„Genau das ist es ja! Er ist anders , als die anderen Jungs, die ich kenne!“, erklärte Cathy. „Anna, komm bitte vorbei! Es sind doch noch Ferien. Dann kann ich dir alles zeigen, wir können mal wieder einen richtig schön langen Ausritt machen und in ich kann dir Alex vorstellen!“
„Wie wär´s mit heute Nachmittag?“
„Au ja!“, rief Cathy laut jubelnd.
„Und? - Du und Alex? Du scheinst ihn ja richtig zu mögen ...“, stichelte Anna.
„Was? Quatsch, wir sind nur Freunde!“
Anna kennt sich auf dem Land ja nicht wirklich aus ; hier sind alle anders , als in der Stadt. Aber kenne ich mich denn schon besser aus?, über legte Cathy , als sie aufgelegt hatte.
Ihrer Mutter musste Cathy nicht bescheid sagen, Christina machte Besuch nie etwas aus.
Der Brief
Cathy stand auf dem Hof und wartete aufgeregt auf Anna.
Was Alex wohl macht?, fragte sie sich und beschloss, noch heute zu seiner Hütte gehen.
Cathy war so in ihren Gedanken vertief, dass sie gar nicht merkte, wie in Auto zehn Meter vor ihr hielt.
„Cathy, Cathy!“, rief jemand aufgeregt in sprang aus dem Wagen.
Sofort war Cathy wieder in der Gegenwart.
Es war Anna, die angekommen war. Es war ja auch nicht anders zu erwarten.
Cathy grinste ihrer Freundin zu und lief auf sie zu.
Anna rannte sofort auf Cathy zu und drückte sie.
„Wow, du hast dich ja Verändert!“, rief Anna aus.
Ja, Cathy hatte sich verändert. Aus dem unauffälligen , natürlichen Mädchen war eine völlig andere Person geworden. Cathy trug hier immer ihre Haare offen und lief in den neusten Klamotten herum. Außerdem schminkte sie sich. Früher war es genau das Gegenteil. Cathy lief hier zwar nie aufgetakelt rum, aber sehr , sehr verändert.
Und Anna? Anna hatte sich nicht verändert.
Sie hatte nach wie vor glätte, dunkelbraune Haar mit Pony. Sie war ziemlich schlank, aber nicht dünner als Cathy und ihre Augen waren ebenso braun , wie ihre Haare.
Cathy nickte ihr zustimmend zu.
„Ich dachte immer, auf dem Land läuft man eher so rum , als wäre man im Moment das komplette Gegenteil von dir!“, meinte Anna.
„Dachte ich ja auch! Da sieht man, wie man sich täuschen kann!“
Das erinnerte sie irgendwie an Alex. Er hatte sich doch auch so sehr mit seiner Einschätzung der neuen Besitzerin vertan.
Cathy bekam komischerweise schon wieder Seitenstechen. Hatte es etwa was mit Alex zu tun? Sie waren doch nur Freunde. Mehr war da nicht. Oder?
Cathy schüttelte gedankenverloren den Kopf.
„Warum schüttelst du den Kopf?“, fragte Anna nachdenklich.
„Hä? Was? Ich hab nur nachgedacht“, erklärte Cathy.
Anna zuckte mit den Schultern.
„Ich zeig dir mein Pferd!“, rief Cathy und rannte davon. Anna eilte ihr hinterher. Cathy war wirklich schnell.
An der Koppel von Paulinchen angekommen, öffnete Cathy das große Holztor und beide liefen auf die große Wiese.
Paulinchen sah zu Cathy auf und spitzte die Ohren. Freudig trabte es auf ihre Besitzerin zu. Pauli hatte die Nacht auf der Weide also gut getan.
Plötzlich trat Anna hinter Cathy hervor und erschrocken sprang Paulinchen nach hinten.
„Ich hab dir ja davon erzählt. Aber es geht ihr schon besser!“
Cathy duckte sich etwas und lief langsam auf Paulinchen zu.
Das kleine streckte ihre Nase gegen den Wind und wieherte verspielt.
Das war Cathys Chance! Sie tapste leise auf das Fohlen zu und packte es m Halfter. Paulinchen riss zuerst unwillig den Kopf hoch, lief aber schließlich brav neben Cathy zum Tor. Als sie in Annas Nähe kamen, zögerte Pauli zuerst. Aber es fühlte sich bei Cathy wohl und folgte ihr.
Cathy band das süße im Hof an und streichelte das Stutfohlen über die Stirn.
„Sie ist erst drei Tage alt und heißt Paulinchen!“, erklärte Cathy Anna. Sie hörte gespannt zu.
„Darf ich sie auch mal streicheln?“, fragte sie.
Cathy nickte.
Langsam näherte Anna sich der kleinen und streichelte schließlich über Paulis wuscheliges Fell.
„Ich sollte sie zu ihrer Mutter bringen nicht?“
Anna überlegte kurz. „Pferde sind nicht aggressiv. Nur halt Fluchttiere. Gegenüber ihres Fohlen sollte sie sich gut verhalten“, meinte Anna.
Dankend nickte Cathy ihr zu. Anna wusste immer die richtigen Antworten, aber dass sie manchmal falsch lag, war nicht zu vermeiden.
Cathy knotete den Strick ab und führte Pauli zur Koppel ihrer Mutter. Anna folgte ihnen.
Je näher sie der Koppel kamen, desto nervöser wurde Paulinchen. Hatte sie Angst?
Als die Weide in sichtweite kam und Sabeander die Kleingruppe ins Blickfeld bekam, fixierte sie ihren Blick auf Paulinchen. Sabeander wieherte böse zu ihrem Fohlen.
„Was soll denn das? Ich dachte , sie hätte vor den Menschen nicht vor ihrem Fohlen Angst!“
Cathy blieb stehen uns starrte entgeistert auf die Fuchsstute. Anna stellte sich neben sie.
„Siehst du nicht? Sie hat keine Angst, sie ist wütend, warum auch immer!“
„Du hast Recht – wie immer!“, sagte Cathy ohne die Aufmerksamkeit von den Tieren zu lenken.
„Ich sollte sie vielleicht doch nicht zusammen stellen!“
„Aber das Fohlen braucht Milch!“, rief Anna besorgt aus.
„Wo ist Alex bloß, wenn man ihn braucht?“, sagte Cathy leise und stampft mit dem Fuß auf den Boden.
Anna sagte nichts.
„Ich stelle die zwei nebeneinander! Und dann gehen wir Alex holen“, befahl Cathy .
Anna nickte stumm. Sie schien zu überlegen.
Cathy brachte Pauli auf die Nachbarkoppel und schnappt Anna am Handgelenk.
Sie zog sie zu Alex’ Hütte.
„Was´n des für ne Bruchbude?“, meinte Anna verächtlich.
„Da wohnt Alex!“, erklärte Cathy ohne auch nur eine Miene zu verziehen .
„Er ist bei dir eingezogen?“, fragte Anna verwirrt.
„Er hat hier schon vorher gewohnt!“
„Achso“, sagte Anna schnell und öffnete die ‚Bruchbude’.
„Du kannst da doch nicht so einfach rein gehen!“, maulte Cathy. „Das ist sein Privatbereich!“
„Privatbereich?“, meinte Anna und lachte künstlich auf. „Das ist hier so winzig, ich kann mir nicht vorstellen , dass jemand hier private Sachen hin tut. Man kann noch nicht mal abschließen!“
„Hier ist eben alles anders. Auch die Leute!“, verteidigte Cathy Alex.
Anna öffnete eine kleine Schublade und zog einen Stapel Bücher und Briefe heraus.
„Jugendamt. Jugendamt. Steffi Müller. Jugendamt. Jugendamt. Wie langweilig!“, las Anna die Absender der ersten Briefe vor.
„Steffi Müller?“, fragte Cathy vorsichtig und wollte nach dem Brief greifen, aber Anna war schneller und zog ihn weg.
„Du bekommst den Brief, wenn du mir sagst , was wirklich zwischen dir und diesem Alex läuft!“, stellte Anna ihre Forderung.
„Da ist nichts!“, zischte Cathy.
„Nicht gleich sauer werden!“, sagte Anna besänftigend und hielt Cathy den Brief hin.
Cathy griff nach dem Umschlag. Er war nicht geöffnet, aber das würde sich gleich ändern ...
Cathy riss den Brief auf und zog das Papier heraus.
Lieber Sohn,
Ich weis, dass ich mich schon sehr lange nicht mehr gemeldet habe, aber nachdem ich dich zur Adoption frei gegeben hatte, verbat mir dein Vater jeglichen Kontakt zu dir. Er wollte nie ein Kind. Erst jetzt, wo er gegangen ist, habe ich deine Adresse ausfindig machen können. Ich hoffe du verzeihst mir ...
Der Brief ging noch unendlich viele Zeilen weiter und Cathy überflog den Rest des Briefes schnell. Ganz unten stand eine Telefonnummer.
Hatte Alex nicht gesagt, seine Eltern wären tot?, überlegte Cathy wütend. War Alex doch nicht ehrlich ihr gegenüber? Hatte er viele Geheimnisse? Wollte er Cathy noch alles sagen, oder es noch nicht ein mal erwähnen wollen? ,die Fragen schwirrten ihr durch den Kopf. Ihr brummte der Schädel und Cathy hielt sich die Hand an die Stirn. War sie daran Schuld, dass Alex ihr nicht vertraute?
„Und? Was steht im Brief?“, fragte Anna neugierig, als Cathy nicht von allein berichtet.
„Er hat mir erzählt, seine Eltern wären tot – Das hier ist ein Brief von seiner Mutter. Sie hatte ihn zur Adoption frei gegeben!“, flüsterte Cathy. Ihr war es immer noch nicht wirklich bewusst, was das alles hieß. So etwas verheimlichte man doch nicht. Vor allem nicht, wenn man gut befreundet war!
„Er hat dich angelogen? Was für ein Arsch!“
„Nein! Er hat halt einen Fehler gemacht, denke ich jedenfalls“, murmelte Cathy verunsichert.
„Na, wenn du meinst!“, sagte Anna kühl und riss Cathy den Brief aus der Hand.
Nachdem Anna den Brief durchgelesen hatte, rief sie begeistert aus: „Du muss dort anrufen!“
„Quatsch! Alex würde mich umbringen. Es wird schon einen Grund haben, warum er den Brief nicht geöffnet hat!“
„Das ist doch die Idee, sich bei ihm zu rechen!“
„Ich will mich nicht rechen!“
„Seit du hierher gezogen bist, hast du dich total verändert. Du bist nicht mehr die alte Cathy. Normalerweise hättest du diese Chance sofort angenommen! Ich weiß nicht , was mit dir los ist, Cathy“, sagte Anna kühl.
„Ich kann da nichts für. Ich habe mich halt verändert, aber ich reche mich nicht an Freunden! An anderen Leute vielleicht schon, aber ich bin nun mal mit Alex befreundet. Innerlich habe ich mich nicht verändert. Und ich will jetzt nicht streiten. Bitte, Anna.“ Cathy atmete tief ein.
„Ist gut! “
Cathy sah auf das Datum auf dem Stempel des Briefes.
„Gerstern?!“, rief Cathy laut.
„Hä?“
„Der Brief ist gestern gekommen. Gestern hatten wir doch Streit, dann kam noch das mit den Pferden dazu und der Brief von seiner Mutter gab Alex dann den Rest. Verdammt! Ganz klar, er ist weg gelaufen!“
„Hast du daran gezweifelt?“
„Mittel. Du hast – mal wieder – Recht. Wir rufen Alex’ Mutter an , aber nicht als Rachezug!“
„Wir?“
„Ich“, verbesserte sich Cathy.
„Wow, ich bin grade mal eine Stunde hier und wir sind schon auf der Suche nach einem Verschwundenen Jungen und durchsuchen sein Zimmer! Apropos Zimmer – Zeig mir deins!“
Cathy nickte und sprang auf. Sie hatten wenig Zeit.
Telefongespräch
Cathy rannte los. Anna folgte ihr.
Vor ihrer Wohnung blieben sie stehen und Cathy schloss auf.
Anna trat hinter ihr in den Raum.
„Cooles Haus! Jetzt zeig mir dein Zimmer!“
„Das ist mein Zimmer.“
„Was?“, rief Anna laut. „Dein Zimmer?“
Cathy nickte schnell. „Geh doch schon mal nach oben. Die Wendeltreppe hoch“, erklärte Cathy und zeigte auf die schmale Treppe. „Ich telefoniere derweil mit Alex’ Mutter.“ Cathy schluckte. Würde sie überhaupt ein Wort hinausbekommen?
Anna nickte ihr zu und machte sich auf den Weg ins obere Stockwerk. Anna musste eine Menge zu schauen haben, was Cathy genug Zeit für das Telefonat bieten würde.
Sie zog den gefalteten Brief aus ihrer Rocktasche und wählte mit zittrigen Finger die Nummer.
Aufgeregt lauschte sie den Piepton.
Jemand hob ab.
„Hallo“, sagte eine freundliche Stimme. Es war eine Frau.
„Äh ... Hallo!“
Reiß dich zusammen!, befahl sich Cathy.
„Ich bin Cathy Miller -“
„Kenne ich Sie?“
„Nein, wohl eher nicht , aber ich muss mit ihnen sprechen!“
„Um was geht es denn?“ Die Frau klang ernst.
„Um ... Ich bin eine gute Freundin ihres Sohns und -“
„Meines Sohns?“, hauchte die Frau. „Alexander?“
„Ja“, sagte Cathy entschlossen. Vor was hatte sie eigentlich Angst? Alex’ Mutter konnte ihr durchs Telefon ja nicht viel antun.
„Was ist mit ihm?“, fragte die Frau mit ängstlicher Stimme.
„Na ja, das ist eine lange Geschichte , möchten Sie sie denn hören?“
„Sag bitte ‚Du’ zu mir, ich heiße Steffi. Und erzähl bitte!“
„O. k.“, sagte Cathy und begann von der ganzen Geschichte zu erzählen, sogar, dass sie nie gedacht hätte, er würde sie anlügen und von dem Vorfall in der Disco, wie glücklich er gewesen war, einfach von allem.
„Das ist ja schrecklich. Mir tut das wirklich Leid, Cathy. Ich hoffe ihr vertragt euch wieder und die Pferde werden sich erholen, ganz bestimmt!“
Cathy mochte die junge Frau. Sie war so nett und sie verstand Cathy , wie niemand anders. Sogar besser als Alex ...
„Ich würde dich gerne besuchen. Würde das gehen? Ich möchte helfen Alexander zu finden. Ich habe ihn schrecklich vermisst, all die Jahre!“
„Natürlich, das geht in Ordnung!“ Cathy verriet Alex’ Mutter noch schnell ihre Adresse und legte auf.
Cathy rannte die Treppe hoch zu Anna.
„Steffi will morgen kommen!“
„Steffi?“
„Alex’ Mutter“, erklärte Cathy ihrer begriffsstutzigen Freundin.
„Alex wird dich hassen!“, rief Anna alarmiert aus.
„Ich weiß ,aber das ist es mir wert! Er hatte noch nie wirklich Familie.“
„Er wird seine Mutter verletzen und dir das Herz brechen!“
„Das Herz brechen?“
„Ihr seit doch nicht nur Freunde ,so wie du über ihn redest!“
„Da ist echt nichts“, zischte Cathy kühl. Wie oft musste sie es ihrer Freundin eigentlich noch erklären.
„Ich weiß es wohl besser als du. Aber ihr seit doch gut befreundet und du bist doch schon am Boden zerstört, wenn ihr euch nur streitet, was ist dann wohl, wenn er dich völlig ignoriert?“
Cathy wusste keine passende Antwort. Anna hatte direkt ins Schwarze getroffen. Was würde Cathy dann tun?
Steffi
Cathy sprang hellwach auf und schüttelte ihre Freundin wach. Anna strafte sie mit einem missbilligendem Blick.
„What´s up? “ ,fragte das Mädchen muffig.
„Aufstehen!“, rief Cathy laut , während sie sich schon ihrem großen Spiegel gewidmet hatte. Ihr leicht gewellten Haare fielen ihr zerzaust über die Schultern.
Nervös strich sich Cathy über ihre wunderschöne Haarpracht. Sie wollte einen guten Einruck gegenüber Steffi machen. Cathy wollte nicht, dass sie ihren Sohn womöglich noch mit nach Hause nahm. Sie sollte merken, dass er es nur mit Leuten zu tun hatte, die ihn wirklich respektierten.
Anna rappelte sich mühsam auf und sah Cathy skeptisch an. „Was ist denn bloß mit dir los?“
„Ach, nichts“, flötete Cathy und lächelte sich im Spiegel an. Ihre Nervosität war ihr wirklich nicht anzusehen.
„Na, wenn du meinst!“ Anna klang uninteressiert und verschlafen. Man musste schon ziemlich blind sein , wenn man ihr das nicht ansah .
Cathy drückte auf den roten Knopf , während Anna sich müde die Augen rieb. Als sie schließlich verschlafen in die Gegend blinzelte, war Cathy wie vom Erdboden verschluckt. Anna hatte ja keine Ahnung von dem geheimen Bad. Verwirrt sah sie sich um.
Cathy hingegen begann sich fröhlich zu schminken. Dezent , aber schön. Die Augen betont und die Lippen helle geschminkt. Die nicht vorhandenen Pickel mit Make-up abgedeckt. Cathy war zufrieden.
Glücklich stellte sie sich wieder an die Wand und drückte den Knopf. Als die Wand sich gedreht hatte und Cathy wieder im Zimmer stand, sah Anna sie ungläubig an. „Ich glaub ich träume. Mit mir geht die Fantasie durch. Hat sich da grade die Wand gedreht?! Zwick mich, Cathy!“
„Kein Problem!“ Cathy schlenderte auf Anna zu und zwickte sie in den Oberarm.
„Aua!“, kreischte Anna überrascht auf.
Cathy sah sie belustigt an.
„Hey, du hast dich ja geschminkt! Willst wohl keinen schlechten Eindruck hinterlassen, hmm?“, spottete Anna scherzhaft.
Cathy beugte sich wieder vor und zwickte Anna. Sie rieb sich gespielt verletzt den Arm.
Cathy begann zu lachen und fiel ihrer Freundin um den Hals.
„Freundinnen für immer!“, schwor sie.
Anna begann zu kichern. „Dito.“
Als Cathy fertig mit umziehen war , stellte sie sich vor den großen Spiegel - Das war inzwischen Routine geworden. Cathy sah perfekt aus. Ihr Gesicht strahlte nur so von Fröhlichkeit und von Nervosität war keine Spur. Sie trug ein hautenges Trägertop in hellblau und einen weißen Minirock dazu . Miniröcke waren momentan ihre lieblings Kleidung.
Auch Anna hatte sich ordentlich zurechtgemacht. Genauso wie Cathy hatte sie das Beste aus sich heraus geholt.
Als Cathy eine Stunde später Reifenbremsen auf dem Hof hörte riss sie die Wohnungstür auf. Und tatsächlich: Da stand Alex’ Mutter unschlüssig neben ihrem PKW und starrte in die Leere. Es war auf jeden Fall Alex’ Mutter. Sie sahen sich so ähnlich! Steffis Haare waren in dem selben dunklen Nussbraun und ihre Augen hatten auch diesen vertrauten Glanz, nur dass in dem Glanz auch noch ein Anflug von Furcht steckte. Cathy sah es genau.
Sie überwindete sich und lief auf die junge Frau zu.
„Hallo“, grüßte Cathy freundlich.
„Guten Tag. Ich suchte eine Cathy Miller“, stammelte Steffi.
„Das bin ich!“, sagte Cathy voller Überzeugung , einen guten Eindruck zu machen. Und tatsächlich. Steffi begutachtete sie eine Weil und lächelte ihr dann höflich zu.
„Wo wohnt Alex denn?“
„Also wohnen kann man das ja nicht grade nennen!“, platzte es Anna heraus, während sie die Wohnung verließ und auf Steffi und Cathy zusteuerte.
„Wieso? Was ist denn?“
„Sie meint, dass Alex eh nie bei sich ist und den ganzen Tag nur bei den Pferden steht!“, versuchte Cathy die Situation zu retten. Ihr war äußerst klar, dass Anna auf die kleine , alte Hütte anspielte , aber würde das zu einem guten Eindruck führen? – Mit Sicherheit nicht – das stand fest!
„Achso. Hast du ein Bild von ihm?“, fragte Steffi hoffnungsvoll.
„Nein, tut mir Leid, aber ich kann Ihnen ... äh ... dir versichern, er sieht dir ganz genau ähnlich, Steffi.“
Die junge Mutter lächelte erleichtert.
„Wie findest du Alexander so?“
Cathy sah sich hilfesuchend nach ihrer Freundin um. Was sollte sie bloß antworten? Anna zwinkerte Cathy zu. Cathy wusste was das Zwinkern bedeutete. Anna wollte , dass Cathy sagte, sie wäre in ihn verliebt. Das konnte sie vergessen! Zumal Cathy niemals lügen würde.
„Alex? Och, er ist super nett und lustig. Man kann ihm leicht vertrauen und er einem auch. Es ist nur so, er hat viel durchgemacht. Das macht alles etwas schwieriger. Aber Alex ist echt ein toller Typ! Sie können froh sein ihn zu haben“, sagte Cathy, aber den letzten Satz hätte sie besser lassen sollen, dann das Glitzern in Steffis Augen verschwand.
„Ich will seine Pferde sehen!“, sagte Steffi beherrscht. Wollte sie so ihre Tränen unterdrücken? Es schien so zu sein.
„O.k.“, stammelte Cathy und lief voran.
Als sie zu Sabeanders Weide kamen wieherte die Stute leise. War sie doch über den Schock hinweg? Cathy machte sich immer noch schreckliche Sorgen. Nicht nur um die Pferde. Auch um ihren Besitzer.
Cathy blinzelte traurig. Wäre Alex doch bloß hier, dachte sie. „Das ist Sabeander. Sie hat kürzlich gefohlt“, erklärte Cathy höflich. „Das nebenan ist Paulinchen, das Kleine von ihr.“
„Paulinchen?“, lachte Steffi. „Ein schrecklicher Name!“
Cathy lief vor Wut rot an .
„Jetzt hören Sie mal, sie sind hier – wie ich – nur zu Gast. Wenn ihnen etwas an Ihrem Sohn liegt, dann benehmen sie sich wenigstens höflich. Immerhin sind ihm die Pferde, aber auch Cathy. Und schließlich sie die zwei befreundet. Ohne Cathy wären Sie überhaupt nicht hier!“, schnaubte Anna laut.
„Entschuldigung“, sagte Steffi und lächelte wieder mit diesem Vertrauen in den Augen. Cathy konnte nicht anders , am liebsten hätte sie Steffi ignoriert, aber nahm dann doch ihre Entschuldigung mit einem stummen Nicken an.
„Jetzt zu Stormy“, sagte Cathy und lief zu Alex’ kleinem Privatstall .Stormy wieherte zu Begrüßung. Er hatte sich an Cathy gewöhnt. Steffi trat näher und strich ihm sanft über die Stirn. Stormy konnte die nettgemeinten Streicheleinheiten überhaupt nicht wirklich genießen, denn er war immer skeptisch gegenüber Fremden. Cathy hatte auch sein Vertrauen erst erobern müssen. Bei ihr hatte es ziemlich kurz gedauert, aber inzwischen kannte Cathy den Hengst gut genug um zu wissen, dass es ich bei ihm auch in die Länge ziehen konnte , sein Vertrauen zu gewinnen. Da war jedes Pferd unterschiedlich.
2. Telefonat
Während Cathy Steffi alles zeigte, verging der Tag wie im Flug und sie hatten überhaupt keine Zeit gefunden nach Alex zu suchen. Er war immer noch nicht wieder da. Als Cathy am nächsten morgen fertig umgezogen war, schlief Anna noch. Auch Steffi musste noch schlafen. Christina hatte Steffi erlaubt, im Wohnzimmer zu übernachten für die nächsten paar Tage. Die zwei Mütter verstanden sich gut. Es erinnerte Cathy an sich und Anna. So unterschiedlich, aber trotzdem befreundet.
Cathy schlenderte noch etwas müde die Wendeltreppe hinunter, als plötzlich ihr Handy klingelte. Wer rief bloß so früh am Morgen an?
Cathy hob ab.
„Hallo? Wer ist da?“
„Cathy, ich bin ja so froh, dass du ran gehst! Ich bin´s – Alex.“
Cathys Herz machte einen Sprung. Schnell lief sie hinaus auf die Terrasse und setzte sich in einen Gartenstuhl.
„Alex!“, rief Cathy begeistert in ihr Handy.
„Mir tut das ja so Leid. Ich hab das nicht so gemeint. Mir war nicht klar, dass es ohne dich der totale Albtraum ist. Ich hab mir einfach nur Sorgen gemacht und mich verhalten wie der letzte Idiot“, erklärte Alex leise. Irgendwie war es ihm schon peinlich. Wie als ob er alles auf einen Zettel geschrieben hätte, verstand man ihn kaum, da er so schnell sprach.
Cathy rührte das, was Alex alles sagte. Sie war ihm wichtig. Er hat sich Sorgen um sie gemacht. Cathy schluckte. Sie war wirklich gemein zu ihm gewesen.
„Ich dachte in dem Moment, ohne dich wäre ich besser dran. Aber du bist inzwischen meine beste Freundin geworden. Ich brauch dich, Cathy. Sei mir bitte nicht mehr böse. Ich wollte dir nichts verbieten!“, sagte Alex. Seine Stimme bebte.
‚Ich brauche dich, Cathy’, hatte Alex gesagt. Cathy war ihm überhaupt nicht mehr böse. Das war nur am Streittag gewesen. Jetzt machte sie sich doch nur schreckliche Sorgen. Sie war so froh, aber plötzlich fiel ihr Steffi ein. Sollte sie ihm das erzählen? Trotz des Steffi-Problems lief ihr eine Freudenträne über die Wange.
Sie schluchzte.
„Hey, was ist los?“, fragte Alex besorgt.
„Wie konntest du mich bloß mit den Pferden allein lassen?“, fragte Cathy mit gespielter Wut.
„Ich war einfach so sauer. Ich dachte, du kämst ohne mich besser zurecht und ich würde nur im Weg sein. Das ist doch nicht so, oder?“, fragte Alex eingeschüchtert. Cathy hatte eigentlich nur einen Witz gemacht, aber das zu erfahren, war auch ganz interessant. Er fühlte sich anscheinend unnützlich. Alex nahm nach diesem Streit wahrscheinlich alles ernst , was Cathy sagte. Er war wirklich traurig.
„Im Gegenteil! Ich bin hier verrückt geworden vor Sorge, als du weg warst“, erklärte Cathy schnell. Das stimmte auch wirklich. Nachts war sie immer wieder wach geworden und hatte dann keine Auge mehr zu bekommen.
„Man, bin ich froh, Cathy. Es ist schön, sich nicht mehr zu streiten.“
„Wo steckst du überhaupt?“ Cathy wurde neugierig.
„Nicht in der Nähe, Cathy.“
„Und wo genau?“
„Du weißt eh nicht , wo das ist!“
„Na gut, dann halt nicht.“ Cathy klang enttäuscht, aber sie wusste, es würde ihr sowieso nichts bringen.
„Darf ich wiederkommen?“, fragte Alex vorsichtig.
„Wie bitte?“, fragte Cathy aufgebracht.
„Nein? Schade“, meinte Alex traurig. Er sprach leise.
„Ich würde dich eigenhändig zurückziehen , wenn du nicht freiwillig kommen würdest. Du kennst mich doch inzwischen. So fies bin ich nicht! Ich würde dich doch niemals rauswerfen“, entgegnete Cathy verblüfft. Kannte Alex sie erst so schlecht?
„Sorry, aber irgendwie ist das doch so ne reine Freundschaftssache mit dem Wohnen in der Hütte. Und nach dem Streit ... Ich meine, würdest du nicht mit mir befreundet sein, würdest du mich dann dort wohnen lassen? “, fragte Alex ernst.
Cathy überlegte kurz. „Eher nein.“
„Siehst du?“
„Rufst du deswegen an?“ Cathy wurde tatsächlich wütend.
„Nein, Cathy! Das stimmt nicht.“
Sie antwortete nicht. Cathy war zu beschäftigt mit überlegen.
„Cathy? Bist du noch dran?“
„Ja, ja.“
„Ich komme dann morgen zurück. Ist das o.k.?“
„Erst morgen?“, fragte Cathy verwirrt und traurig.
„Es fahren erst heute Abend Busse. Da würde ich erst so um 3Uhr Nachts da sein. Ich möchte euch nicht wecken!“
„Wecken?“ Cathy lachte auf. „Ich werde eh die ganze Nacht nicht schlafen können. Bitte, es macht niemandem etwas aus und ich möchte dir noch jemanden vorstellen!“
„Wen?“
„Wirst du noch sehen.“ Cathy machte ein Geheimnis darum.
„Wenn es dir wirklich nichts ausmacht ...“
„Nein, nein! Ich hab dich echt vermisst, du musst so schnell, wie möglich kommen.“
„Ja“, beendete Alex das Gespräch und legte auf.
Den ganzen restlichen Tag, versuchte Cathy , Steffi los zu werden. Anna war nicht in ihren Plan mit eingeweiht, aber sie würde es sicher verstehen. Irgendwann lies sich Steffi doch noch erweichen, ihre Sachen zu packen und zu verschwinden. Aber sie wollte wiederkommen. Nächste Woche. Also musste Cathy es Alex möglichst schnell und schonend beibringen: Sie hatte mit seiner Mutter geredet und sie war sogar schon hier gewesen. Das würde Alex nicht gefallen!
Alex und Anna
Cathy lag hellwach neben Anna auf dem Boden. Ihre Freundin schlief schon längst. Cathy konnte nicht einschlafen. Alex würde kommen.
Sie warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war viertel vor 3. Cathy stand leise auf. Sie wollte Anna nicht wecken. Cathy schlüpfte in ihre schwarzen Hotpens und ein weißes Trägertop. Zum Glück hatte sie eine Taschenlampe dabei.
Cathy lief die Treppe hinunter und trat aus der Wohnung. Es war Stockfinster. Wieder war die Taschenlampe sehr nützlich, aber nicht lange, denn die Batterie wurde leer und das Licht verschwand.
Cathy schlich den Schotterweg entlang und stieß plötzlich gegen etwas. Erschrocken schrie Cathy auf und fiel auf den Boden.
„Wer ist da?“, fragte Cathy ängstlich.
„Cathy!“, rief jemand begeistert. Es war ganz sicher Alex. „Ist mit dir alles o.k.?“
„Ja.“ Cathy war immer noch ziemlich überrascht. Es erinnerte sie an etwas. Aber ihr fiel nicht ein , an was.
„Ich bin so froh , hier zu sein!“ Alex zog Cathy wieder auf die Beine. Er hatte anscheinend eine Taschenlampe dabei und schaltete sie auch an. Er lief zu Cathys Wohnung. Sie folgte ihm.
„Na, dann bis morgen!“, sagte er und wollte grade gehen.
„Bleib doch noch ein bisschen“, rief Cathy ihm nach .
Alex drehte sich überrascht um. „Bist du denn nicht müde?“
„Ich kann sowieso nicht mehr einschlafen. Nich ohne dich!“, erklärte Cathy und schloss die Tür auf. Sie stellte ich in den Türrahmen und schaltete das Licht an. Wenn Anna erst mal schlief, war sie nicht so leicht zu Wecken.
Alex zögerte. Lief aber schließlich auf Cathy zu. Sie atmete erleichtert aus. Sie wollte sicher gehen, dass sie jetzt wieder genauso gut befreundet waren, wie vor dem Streit.
„Bist du sicher, ich soll noch mitkommen?“, fragte Alex unsicher.
Cathy nickte und trat ein. Alex kam auch in den Raum und schloss leise die Tür.
„Ich habe Besuch. Meine alte Freundin aus der Stadt ist da. Sie schläft, aber wir können ruhig normal reden. Sie lässt sich nicht so leicht wecken.“
„Ist das die Person , die du mir vorstellen wolltest?“
„Jupp“, sagte Cathy. Sie grinste Alex an. Seine Klamotten waren dreckig und kaputt. So schlimm lief er doch normalerweise nicht rum. Andererseits hatte er ja auch nicht viel zur Auswahl.
„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Cathy.
Alex sah an sich hinunter und wurde rot. „Ich wollte einen alten Kumpel von mir besuchen, aber der ist wohl weggezogen. Also hab ich im Stadtpark geschlafen“, erklärte er und setzte sich aufs Sofa.
„Wir haben Winter! Du bist doch total verrückt. Es ist draußen eisigkalt!“
Cathy musste grinsen. Sie lief auch den ganzen Tag in Minirock und Top durch die Gegend. Sie fror aber auch ziemlich und Nachts war es noch viel kälter.
„Ich weis. Das war auch keine schöne Erfahrung , aber ich hab mich irgendwie nicht mehr zurück getraut.“
Cathy seufzte. Sie stand auf und fiel Alex um den Hals. Er grinste, wie ein Honigkuchenpferd.
„Ich hab mir Sorgen gemacht .Wirklich. Du bist hier immer willkommen. Hast du wirklich gedacht, ich würde dich rausschmeißen?“, fragte Cathy und löste sich von Alex.
„Ich weis nicht. Ich hab halt gedacht, du würdest mich nicht mehr mögen ...“, stammelte er und zuckte mit den Schultern.
„Jungs halt!“, seufzte Cathy gelassen.
„Hey!“ Alex grinste und ab dem Moment wusste Cathy, alles war so wie vorher.
„Paulinchen und ihre Mutter benehmen sich völlig verstört gegenüber. Ich kann sie nicht zusammen auf der Koppel lassen. Aber Pauli braucht doch Milch!“
„Sabeander hat das Fohlen abgestoßen?“, fragte Alex verwundert und runzelte die Stirn.
„Wie´s aussieht schon.“
„Wir sollten ihr etwas anderes geben. Ersatzmilch!“, überlegte er laut.
„Das übernimmst dann wohl du. Ich hab da keine Ahnung“, meinte Cathy. „Und du bleibst hier!“
„Versprochen!“ Alex sah sie glücklich an.
Die Nacht verging schnell. Alex und Cathy erzählten sich alle ihre Erlebnisse oder Geheimnisse. Aber Alex erzählte nichts von Steffi, seiner Mutter, sondern blickte Cathy nur etwas leidend an. Er brachte es wohl nicht über´s Herz, ihr von seiner Lüge zu erzählen. Cathy dagegen lies sich nichts anmerken, denn auch sie traute sich nicht , Alex von dem Brief zu erzählen.
Während die Sonne aufging saßen die zwei sich immer noch gegenüber und erzählten Geschichten, bis Anna plötzlich die Wendeltreppe hinunter kam. Sie war schon umgezogen und setzte sich verwunderte zu ihnen.
„Hi, ich bin Anna“, stellte sie sich vor und schüttelte Alex die Hand.
„Alexander.“ Alex fühlte sich sichtlich unwohl .
„Hey, Anna ist echt voll o.k.!“, flüsterte Cathy ihm zu, als sie seinen skeptischen Blick sah. „Sie ist eine tolle Freundin.“
Alex zuckte nur mit den Schultern.
Cathy sah sich hilflos um. Das Letzte was sie jetzt wollte, war, dass die beiden sich nicht mochten.
„Du bist des also. Der, der meiner Freundin den Kopf verdreht hat“, meinte Anna ernst und musterte Alex. Sie mochte ihn wahrscheinlich nicht so als Cathys festen Freund sehen. Aber das war er ja auch nicht!
Alex wurde schlagartig rot bis über beide Ohren und starrte aus dem Fenster.
„Das stimmt doch überhaupt nicht!“, versuchte Cathy sich zu verteidigen. Dabei blieb ihr ihre Stimme fast weg. Sie rieb sich nachdenklich über die Nase. Anna hatte nicht Recht! Oder etwa doch? Sie hatte sonst immer Recht, aber jetzt ...?
Cathy gab auf. Sie wusste, ihre Freundin würde es eh nicht glauben.
„Gehen wir zu den Pferden?“, fragte sie und mied Alex’ Blick.
Anna nickte entschlossen. „Können wir einen Ausritt machen?“
„Es gibt nur zwei Pferde und Sabeander muss eigentlich zu Pauli, aber Sabe hat ihre Tochter sowieso abgeschoben. Es spricht nichts dagegen.“
„Toll!“, rief Anna begeistert.
„Es gibt doch nur zwei Pferde!“, protestierte Cathy.
„Ihr könnt doch zusammen reiten ,so wie wir´s schon gemacht haben, Cathy.“
Anna blickte Cathy lächelnd an. Sie wusste ganz genau, was Anna jetzt dachte.
„Auf einem fremden Pferd mit Cathy zusammen? Ohne Sattel?“, fragte Anna abweisend zu Alex. Cathy war gemeint. Was hatte Anna bloß? „Cathy , denkst du, du schaffst das?“, wandte sich Anna wieder ihr zu.
„Ja, ich denke schon“, sagte Cathy und zuckte mit den Schultern.
„Kann ich nicht mit dir reiten?“ Das war wieder an Alex gewandt. Er sah Cathy fragend an. Sie war selbst ziemlich verwirrt.
„Ja, schon“, sagte Alex schließlich.
„Super. Ich will den hübschen Hengst reiten!“, platzte es aus Anna heraus.
Sie glaubt wohl, sie kann alles haben, dachte Cathy.
„Tut mir Leid, aber Stormy ist schon Cathy versprochen.“
Cathy lächelte zufrieden und während Alex und Anna schon das Haus verließen ,schlüpfte Cathy noch schnell in eine lange Jeanshose.
Als sie dann zum Stall lief, hörte sie Anna etwas sagen.
„Es sind doch deine Pferde, Alex. Lass uns doch auf Stormy reiten!“, bettelte Anna. „Cathy hat doch nichts zu sagen!“ Anna trat einen Schritt vor. Sie stand direkt vor Alex und sah ihm tief in die Augen. Alex wich nicht zurück.
Cathy fasste es einfach nicht. Was bot sich Anna da eigentlich?
„Anna, ich weis zwar nicht, wie das so in der Stadt bei euch ist, aber ich bin nicht so. Cathy reitet Stormy, weil sie eine Verbindung zu ihm hat.“
Anna machte ihren Hundeblick. Da fiel jeder drauf rein.
„Willst du denn nicht, dass ich Spaß hab?“, fragte Anna mit einem zucksüßem Lächeln. Sie stand immer noch so nah an Alex. Er war einen halben Kopf größer als sie.
Alex wurde das langsam zu viel und er trat einen Schritt zurück. Anna trat einen vor. Alex begriff, es hatte keinen Sinn ihr auszuweichen.
„Mach das mit Cathy aus. Ich entscheide das nicht hinter ihrem Rücken“, sagte Alex bestimmt und drehte sich weg, um die Pferde zu holen.
Als Cathy sich gefasst hatte, kam sie auch dazu.
„Cathy, dürfte ich mit Alex Stormy reiten?“, flötete sie freundschaftlich.
„Eigentlich wollte ich Stormy ja nehmen. Du kannst ihn doch morgen nehmen, wenn wir ausreiten“, schlug Cathy gekränkt vor. Sie fühlte sich wirklich mies.
Anna verzog das Gesicht.
„Ach, reitet doch allein aus. Mir geht es im Moment nicht so gut!“, sagte Cathy. Das war noch nicht mal gelogen !
Alex legte die Stirn kraus. „Stimmt etwas nicht, Cathy?“, fragte er.
„Ich leg mich ein bisschen ins Bett!“, meinte Cathy und drehte sich um. Sie sprintete in ihren Garten und lauschte am Zaun.
„Wir nehmen aber trotzdem nur ein Pferd, o.k.?“, fragte Alex.
Cathy hätte das von Anna erwartet, aber doch nicht von Alex!
Als sie losritten, schmiss sich Cathy ins Gras und wartete.
Zwei Stunden später hörte Cathy Hufe auf dem Hof und sie lief hinaus.
Alex strahlte Cathy zu und Anna klammerte sich an Alex Bauch fest, als ginge es um Leben oder Tod.
Cathy schluckte ihre Eifersucht hinunter und lächelte höflich.
Alex sprang vom Pferd und kam sofort zu Cathy. Anna stieg ebenfalls ab und kam mit Stormy zusammen auf beide zu.
„Geht´s dir besser, Cathy?“ fragte Alex.
Sie nickte.
Alex wollte grade den Mund aufmachen , um noch etwas zu sagen, als Anna ihn weiter zog.
Cathy stand ratlos auf dem Schotterplatz.
Wie konnte sich Anna bloß so verändern? Cathy wusste es nicht. Sie wusste gar nichts.
Cathy hielt die Luft an und rannte los. In ihre Wohnung. Sie schloss ab und lies sich auf die Couch fallen. Cathy zog sich ihre kuschelige Felldecke über den Kopf und schluchzte.
Wie konnte sie bloß so tief sinken? Wie konnte Anna sie betrügen? Und wie konnte Alex sie anlügen? Cathy kam sich von allen verraten vor.
Warum waren sie bloß hier her gezogen? Dann hätte sie dieses ganze Schlamassel jetzt nicht! Insgesamt war doch ihre Oma dran Schuld. Wäre sie nicht gestorben ... Cathy kam sich ziemlich blöd vor. Sie schob die Schuld auf jemand Toten! Aber so konnte die Person sich darüber wenigstens nicht aufregen.
In ihrem Kopf waren vier leise Stimmen die sich stritten:
„Stelle Alexander zur Rede!“
„Nein, Anna!“
„Versuch´s doch mit beiden gleichzeitig!“
„Lass die zwei fallen. Sie sind nicht deine Freunde!“
Cathy konnte sich nicht entscheiden.
Mit Alex wieder zu streiten, war das letzte was sie wollte. Beide gleichzeitig wäre für sie total peinlich, falls sie sich irrte. Beide zu verlieren , wäre auch keine gute Lösung. Und mit Anna zu sprechen? Das traute sich Cathy im Moment nicht zu , ohne in Tränen auszubrechen.
Cathy musste sich gegenüber zugeben, sie war total eifersüchtig auf Anna und verliebt in Alex. Aber es fühlte sich überhaupt nicht gut an. Cathy war noch nie verliebt gewesen, aber jetzt wollte sie das auch gar nicht mehr. Sie verstand, warum die Frauen in den Filmen immer so schrecklich weinen mussten. Verliebt sein war kein Zuckerschlecken. Oder hatte Cathy einfach nur Pech?
Immer diese Anna!
Eine halbe Stunde später klingelte es. Cathy öffnete nicht. Dann klopfte es. Wieder öffnete sie nicht. Die Person vor der Tür war geduldig. Fünf Minuten vergingen und wieder klopfte es . Cathy schüttelte sich mahnend den Kopf. Womöglich war es Anna! Das würde Cathy einfach nicht ertragen.
Cathy stand auf und sah in den Spiegel. Ihre Schminke war verlaufen und ihre Augen rot und verquollen vom Weinen.
Cathy beschloss , das Fenster zu öffnen um ein wenig frische Luft hinein zu lassen und das Radio an zu schalten. Cathy stellte sich ans Fenster und sang mit.
„Du hast eine tolle Stimme!“, meinte jemand von der ans Fenster angrenzenden Weide.
Cathy fuhr zusammen.
Sie wollte grade nachsehen, wer ihr zugehört hatte, als Alex vors Fenster trat. Als er ihr ins Gesicht sah, wurde sein Blick besorgt und ernst.
„Was ist los?“, fragte er, aber Cathy antwortete nicht sondern drehte sich um und verschwand nach oben. Alex blieb verblüfft am Fenster stehen.
„Hey, lass mich hier doch nicht einfach so stehen!“, rief er und kletterte durchs Fenster in die Wohnung.
Cathy hatte sich derweil im Bad versteckt. Alex würde sie nie finden. Und so war es auch. Alex sah sich kurz um und lief schließlich wieder die Treppe wieder hinunter. Nachdem Cathy das Zuschlagen der Haustür gehört hatte kam sie wieder aus ihrem Versteck. Cathy war erleichtert , dass sie nicht mit Alex hatte reden müssen. Dennoch würde der Zeitpunkt kommen.
Spät am Abend klopfte es. Cathy wusste, es war Anna. Ihr war klar, dass sie Anna nicht vor der Tür stehen lassen konnte und öffnete.
Anna strahlte sie glücklich an.
Beide liefen wortlos nach oben und schlüpften in ihre Betten. Es war stockdunkel im Zimmer.
„Es war total lustig , mit Alex rumzuhängen. Du findest ihn doch nicht gut, oder?“
Cathy traten Tränen in die Augen. Was für ein Glück, dass es so dunkel war. „Nein, wieso?“ Cathy wollte sich auf keinen Fall etwas anmerken lassen.
„Dann probier ich es halt mal bei ihm.“
Cathys Mund trocknete aus und sie bekam nur mühsam ein „Prima!“ hin.
„Schön!“
Am nächsten morgen beschloss Cathy sich nicht zu schminken. Es war sowieso egal. Die ganze Welt stand gegen sie. Cathy zog eine alte Jeans und ein rotes T-Shirt. Dazu steckte sie sich die Haare hoch und stellte sich mal wieder vor den Spiegel. Cathy war nicht zufrieden mit sich, aber hatte auch keine Lust, den ganzen Tag im Bad zu verbringen.
Anna hingegen sah fabelhaft aus. Fröhlich stolzierte sie mit erhobenen Kopf aus der Wohnung und zu Alex. Cathy saß währenddessen im Garten.
„Du siehst toll aus!“, hörte Cathy Alex sagen. Wahrscheinlich zu Anna und nicht zu einem seiner Pferd. Da fiel Cathy ein ,es waren ja ihre Pferde! Sollte sie einfach sagen , sie möchte nicht, dass sie die Pferde bewegten? Das wäre unsinnig. Aber etwas anderes blieb ihr wohl nicht übrig. Also lief Cathy unsicher zur Hütte. Alex sah sie mit leuchtenden Augen an. Schon wieder dieses Vertrauen! Cathy sah schnell in eine andere Ecke um nicht völlig durchzudrehen.
„Kommst du mit ,Cathy?“, fragte Alex nett.
„Ich ... Ich wollte eigentlich nicht, dass die Pferde heute geritten werden“, stammelte sie.
Alex runzelte die Stirn und sein Blick wurde finsterer. „Warum denn nicht? Stimmt etwas nicht?“
„Nein, nein. Alles in Ordnung. Ich denke nur, sie bräuchten einen Tag zum Ausruhen.“
„Oh, klar! Ich sag es Anna schnell.“
Cathy drehte sich um, um wieder in der Wohnung zu verschwinden.
„Sicher, dass mit dir alles o.k. ist?“, fragte er noch schnell.
Cathy sah über die Schulter zu ihm . „Klar!“
„Weist du, ich glaub dir das nicht. Cathy, du kannst mit mir reden, wenn was ist“, sagte Alex und kam auf Cathy zu, die aber gleich weiter lief. Alex ihr hinterher. Grade noch rechtzeitig schaffte er es in die Wohnung, bis die Tür zu fiel.
Cathy hatte sich auf dem Boden gesetzt und Alex plumpste neben sie.
„Wenn ich dir was erzähle, schwörst du, dass du nicht ausziehst?“, fragte Cathy ernst.
Alex lachte auf. „Was soll den schon so schlimmes passiert sein?“
„Also?“
„Versprochen, Cathy.“
„Als du weg warst, ist meine Freundin Anna gekommen.“ Cathy schluckte. Freundin? „Sie ist einfach in deine Hütte und hat rumgewühlt. Ich wollte sie eigentlich davon abhalten, aber dann hatte sie so einen Brief in der Hand. Von einer Steffi Müller. Ich war so neugierig und hab ihn aufgemacht.“ Cathy sah Alex an. Er hatte den Blick gesenkt.
„Ich fand es so fürchterlich ,dass du gelogen hast und Anna meinte, ich solle deine Mutter anrufen als Rache. Ich wollte das aber nicht, es gab bestimmt genug Gründe, warum der Brief nicht offen war. Aber ich hab mir solche Sorgen gemacht, dass du nicht mehr zurückkommen würdest und hab dann angerufen. Ich war doch so verzweifelt. Sie wollte gleich am nächsten Tag kommen. Ich hab mich super mit ihr verstanden, aber als du dann angerufen hast, hab ich sie nach Hause geschickt. Sie will aber diese oder nächste Woche wiederkommen. Christina und sie haben sich nämlich gut befreundet. Und das war´s.“
„Das ist hart“, sagte Alex halbherzig. Er musste sich wirklich zusammenreißen. „Ich hätte dir vertrauen sollen, aber ich habe das niemandem bis jetzt erzählt. Am Anfang dachte ich ja auch sie wären tot, aber als mir die Leute im Kinderheim gesagt haben, sie hätten mich abgeschoben, hab ich´s einfach nicht mehr ausgehalten und bin weggelaufen. Den Rest der Geschichte kennst du ja.“
„Deine Mutter ist wirklich super nett. Möchtest du sie nicht mal kennen lernen?“
„Nein, jetzt noch nicht. Ich möchte erst mal keinen Streit mehr mit dir. Sonst ist das zu viel für mich.“
„Keinen Streit mehr?“, fragte Cathy kleinlaut. Solange Anna da wäre, hätten sie doch immer wieder Streit!
„Ja. Hey, als kleine Versöhnung: Anna wollte heute mit mir zur Disco gehen. Hast du Lust mit zu kommen?“
Cathys Herz klopfte wie wild. „Denkst du, Anna ist damit einverstanden?“
„Wird sie müssen, sonst komme ich nämlich nicht mit!“
Ende gut, alles gut
Am nächsten Tag war Cathy schon um 6Uhr Morgens wach und machte sich fertig. Der Abend in der Disco war super gewesen. Alex wurde von allen Mädchen angehimmelt. Zuerst hatte er mit Anna getanzt. Beide waren vergnügt über die Tanzfläche gesprungen. Dann hatte er Cathy zum Tanzen aufgefordert. Cathy konnte wirklich gut Tanzen und alle waren an den Rand getreten um die zwei zu sehen. Die Zuschauer hatten begeistert geklatscht und als schließlich ein langsamerer Song gespielt wurde, glitten Alex’ Hände ihren Arm hinauf. Er wollte tatsächlich seine Arme um ihrem Hals legen, aber Cathy schüttelte ihn vorsichtig ab. Er schaute Cathy verwirrt an. Bevor sie mit ihm eng umschlungen tanzen würde, musste zuerst die Sache mit Anna geklärt sein. Sie saß auf einer der Bänke und schaute den beiden eifersüchtig zu.
„Du solltest auch mal mit einer andern tanzen“, hatte Cathy ihm erklärt und sich zu Anna gesetzt ,die gleich darauf zum Tanzen aufgefordert wurde. Auch Cathy tanzte mit einem anderen Jungen, dessen Namen sie vergessen hatte. Insgesamt war der Abend toll gewesen. Nur Cathy konnte es nicht glauben: Alex hatte tatsächlich mit ihr und Anna geflirtet. So kannte Cathy ihn gar nicht. Was für ein Schuft! Aber trotzdem war Cathy guter Laune. Sie wollte einen langen Ausritt mit Stormy machen. Zum Glück hatte Alex sich schon längst um die Ersatzmilch für Paulinchen gekümmert.
Cathy lief zu den Boxen und holte Stormy heraus. Sie zog ihm seine Trense über und putzte ihn schnell. Sie hatte nicht vor gehabt, ihn zu Satteln und wollte gerade aufsteigen, als ihr eine Idee kam.
Wie vom Blitz getroffen, rannte sie zur Fohlenweide und schnappte Pauli am Halfter. Die kleine Stute spitzte sofort aufgeregt die Ohren. Cathy schnallte einen langen Strick an das Fohlenhalfter und sprang auf Stormys Rücken. Pauli lief brav neben dem Hengst und Stormy schien es nicht zu stören.
Der Ausritt lenkte sie ab. Von Alex. Von diesem Schuft.
Cathy trabte an und Pauli kam gut mit, denn Cathy blieb in einem ganz langsamen Trab.
Nach einer Stunde Trab und Schritt reiten , machte Cathy eine kleine Pause und lies die zwei grasen. Sie lächelte Glücklich. So konnte man Leben. Ein Leben ohne hinterhältige Freundinnen und ohne so einen Schuft , wie Alex es war.
Plötzlich hörte Cathy Huftritte hinter sich und dreht sich um. Da kam Anna auf Sabeander angeritten!
„Bleib stehen und bind die Stute irgendwo an!“, zischte Cathy. Anna übte ihren Befehl aus und setzt sich zu Cathy.
„Du, Alex hat mich was gefragt!“, rief Anna aufgeregt. Cathy war den Tränen nahe. Er hatte sie gefragt, ob Anna mit ihm gehen wollte. Das war doch klar.
„Erzählst du´s mir wann anders? Ich muss gehen!“, schnaubte Cathy und zog sich auf Stormy. Sie verabschiedete sich nicht sondern lies den Schimmel langsam angaloppieren. Pauli rannte so schnell sie konnte mit, aber nach 10 Minuten Galopp wurde es für die braune Fohlenstute zu viel und Cathy parierte in den Schritt durch. Hatte der Ausritt nicht so gut Angefangen? Aber jetzt konnte Cathy nur noch an Alex denken. Ob sie Anna vor ihm warnen sollte? Denn was war das denn für eine Beziehung, wenn Alex immer das nächstgelegene Mädchen anbaggerte? Eigentlich konnte Cathy gar nicht richtig wütend auf Anna sein, denn immerhin hatte sie ihn für frei erklärt. Dummer Fehler!
Als Cathy zurück auf den Hof kam, zog Pauli ungeduldig am Strick. Sie hatte anscheinend großen Hunger. Auch Stormy hatte es plötzlich eiliger und Cathy beschloss die zwei einfach zusammen auf die Koppel zu stellen. Sie verstanden sich ja einigermaßen gut. Einsamkeit machte schließlich traurig. Pauli zupfte einen kleinen Büschel Gras aus der Erde und kaute zufrieden. Hatte sie wirklich so schnell angefangen zu fressen? Einfach keine Milch mehr gewollt oder war das nur die zweite Wahl?
Cathy war schon wütend, obwohl es ihre Schuld war, dass Alex nicht mehr frei war. Sie wollte ihm möglichst aus dem Weg gehen.
Sie steuerte auf ihre Wohnung zu, blieb aber abrupt stehen, als sie eine Melodie hörte. Sie kannte diese Melodie. Ganz klar, es war die Melodie von ihrem Tanz mit Alex. Dieser langsame Tanz. Cathy wurde neugierig und folgte den schönen Tönen. Je näher sie kam, desto sicherer wurde Cathy, dass es eine Gitarre war. Als sie den Gitarrenspieler hinter ihrer Wohnung erkannte , hielt sie den Atem an und wollte gerade umdrehen, als Alex aufsah.
„Hey!“, rief Alex. „Singst du? “ Er deutete auf seine Gitarre .
Eigentlich wollte Cathy nicht, aber sie fand die Melodie einfach zu verlockend und gesellte sich zu Alex. Als sie begann zu singen , leuchteten Alex Augen erfüllt mit Begeisterung und Bewunderung zugleich.
„Du hast eine tolle Stimme .Sing noch mal!“, sagte er, als das Lieb vorüber war.
Plötzlich wurde Cathy wieder klar, dass Alex begann mit ihr zu flirten und dabei doch mit Anna zusammen war.
„Ne, du“, sagte Cathy kühl und lief in ihre Wohnung.
Als sie die Terrassentür öffnete und sich auf einen langgezogenen Stein setzte, der umrandet von einer riesigen Pfütze war, hörte sie es hinter sich plätschern. Alex setzte sich neben sie auf den Stein.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte er.
„Nein, alles klar.“ Cathy lies es aus, zu fragen, wie er in den Garten gekommen war, als ihr auffiel, dass das Fenster offen stand ...
„Warum hast du dann nicht mehr gesungen? Du hast doch so eine tolle Stimme!“
„Hast du das auch zu Anna gesagt?“
„Anna? Wie kommst du da drauf?“
„Na, irgendwas wirst du ja gesagt haben. Die stahlt ja wie ein ganzer Kindergarten beim Malen. Lass es doch einfach, Alex, denkst du ist weiß es nicht?“
„Was weißt du?“
„Stellst dich jetzt auch noch dumm oder was? Du und Anna halt ...“
„Klasse, du bist eifersüchtig! Ich hab mir immer gewünscht, dass ein Mädchen mal so richtig eifersüchtig ist“, freute Alex sich. Seine Augen glänzten vor Glücklichkeit.
In Cathy begann es zu brodeln. „Ein Mädchen?! Ein Mädchen?!“
„Hab ich mich vertan und du bist ein Junge?“ Alex grinste.
„Ich bin einfach nur eine von den andern?“ ,schnaubte Cathy und wollte gehen, aber Alex packte sie an der Hand und zog sie zu sich herum.
„Ich hab mir immer gewünscht, dass die Person, die in mich verliebt ist, so richtig eifersüchtig ist. Besser?“ Alex grinste wieder.
„Ich hab mich wohl verhört! Ich in dich verliebt?“ Cathy schoss das Blut in den Kopf.
„Die Chancen stehen gering. Bist du überhaupt noch frei?“, fragte Alex mit überhaupt keinem Funken Schüchternheit.
Cathy starrte Alex ungläubig an. Hatte er wirklich gefragt, ob sie noch frei war? Aber da fiel ihr wieder Anna ein.
„Wie viele Freundinnen brauchst du eigentlich?!“
„Was?“
„Anna. Ich. Wer noch?“
„Anna?“ Langsam schien Alex zu begreifen. „Quatsch. Da hast du was missverstanden!“ Er lachte. „Anna guckt nur so, weil Stormy ihre Stute decken wird. Ich dachte sie wollte es dir gleich sagen ...“
Cathy wurde sofort rot.
„Ich hab wirklich nichts mit Anna und auch nicht mit anderen!“
„Aber ich bin trotzdem nicht deine Freundin!“, meinte Cathy scharf. Was tat sie da eigentlich?! Sie wollte doch seine Freundin sein!
„Du könntest es aber sein, Cathy. Was willst du? Soll ich vor dir auf die Knie fallen?“
Alex stand auf und hatte wirklich vor sich ins Wasser zu knien.
„Lass den Quatsch!“, rief sie lachend, aber Alex war nicht davon abzuhalten und kniete sich lächelnd in die tiefe Pfütze.
„Ich bin noch frei“, sagte Cathy entschlossen und griff nach Alex Hand. Alex stand auf und zog sie an sich. Cathy kuschelte sich an Alex und genoss es. Sie schwebte im siebten Himmel. „Möchtest du jetzt deine Mutter kennen lernen?“, fragte Cathy mit einer sanften Stimme.
„Wenn du dabei bist.“ Alex sah sie mit verliebten Augen an und Cathy mit dem selben Blick zurück. Cathy öffnete grade ihren Mund um zum ersten mal einen Jungen so richtig zu küssen, als plötzlich Anna vor ihnen stand. „Ich wusste es wohl besser als du, Cathy!“, strahlte sie und verschwand wieder in Cathys Wohnung. Komisch, dachte Cathy. Warum ist sie denn nicht eifersüchtig?
Aber Cathy kam nicht dazu, weitere Überlegungen zu starten, denn Alex drückte sie fest an sich und küsste Cathy zärtlich auf die Wange. Ihr Leben war wohl doch nicht so grausam!
Tag der Veröffentlichung: 18.10.2009
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Widmung:
Für alle Pferdefreunde, die Liebesgeschichten mögen.