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Andy und Mandy waren sehr traurig. Täglich spürten sie, dass das Geld knapp war, da die Eltern schon vor langer Zeit ihren Arbeitsplatz verloren hatten und deshalb keine solchen Geschenke machen konnten, wie sie Andys und Mandys Mitschüler bekamen. So trugen Andy und Mandy keine modernen, zerfransten und ausgewaschenen Jeans, erhielten kaum Taschengeld, und einen Computer gab's schon gar nicht.

Eines Tages wurde es sehr laut in der Wohnung. Andy und Mandy lauschten. Sehr schnell bemerkten sie, dass sich ihre Eltern stritten. Das dauerte einen ganzen Tag und zog sich hin, bis zur Nacht. Andy und Mandy konnten nicht schlafen. So entschied sich Andy die Eltern zu bitten, den Streit doch zu beenden. Schließlich mussten ja Andy und Mandy am frühen Morgen in die Schule und eine Mathearbeit stand auch noch an.
So begab sich Andy zum Wohnzimmer der Eltern. Durch den Türschlitz sah er, wie sich Vater und Mutter in den Armen lagen, sich aber nicht etwa trösteten. Nein, sie schüttelten sich, sie knufften sich. Die Mutter weinte. „Ich weiß nicht mehr, wie ich die Kinder noch ernähren soll“, jammerte sie.
„Dann müssen sie eben weg!“, sagte der Vater. „Dann müssen sie raus hier.“
„Aber wohin sollen sie denn gehen“, flehte die Mutter.“ „Was weiß ich! Sind doch immer so schlau. Die finden sich schon zurecht. Die sind doch heute viel weiter als wir damals in diesem Alter waren. Denen fällt schon was ein. Und wenn es gar nicht anders geht, dann müssen wir sie in ein Heim geben. Da geht es ihnen auf jeden Fall besser als hier bei uns, wo es vorne und hinten nicht reicht. Oder sollen wir die Kinder betteln schicken? Ich glaube nicht, dass uns das gut zu Gesicht stünde.“
„Nein, das nicht", klagte die Mutter. Das kann doch nun wirklich nicht dein Ernst sein. Die Kinder einfach wegschicken, sich selbst überlassen oder in ein Heim geben. Wie stellst du dir das vor? Sie fortjagen wie einen Hund. Nein. Nein. Da mache ich nicht mit. Wir sind doch ihre Eltern und müssen für sie sorgen.“ „Aber wenn es doch nicht mehr geht“, warf der Vater erregt ein. „Wenn es doch nicht mehr geht! Was sollen wir denn machen? Dann schlag du doch was Besseres vor.“
„Lieber Mann, ich verstehe dich ja. Aber wir reden hier über unsere Kinder wie über die Verschrottung eines alten Autos. Glaube mir, wir werden schon wieder Arbeit finden.“ „Frau, wir sind beide über 50 Jahre alt. Wer gibt uns alten Leuten heute noch eine Arbeit, wenn nicht mal die jungen Leute welche bekommen“, versuchte der Vater sie zu beruhigen. „Nein“, warf die Mutter ein. Ich mache da nicht mit. Ich gebe die Kinder nicht einfach so her und überlasse sie dem Schicksal. So nicht!“ „Was redest du da“, zürnte der Vater. „Willst du es denn nicht begreifen. Es geht nicht anders! Nun gib endlich Ruhe, sonst …“ „Was sonst?“, fragte die Mutter. „Ach, lass mich in Ruhe!“, tobte der Vater. „Was soll das ganze Gerede. Am Ende trennen wir uns noch.“ Wie vom Teufel besessen schrie der Vater plötzlich: „Dann hänge ich mich eben auf!“
Die Mutter weinte bitterlich und schüttelte nur noch den Kopf. Zusammengekauert hockte sie auf dem Stuhl und zittert am ganzen Leib. „Was soll nur aus uns werden?“, fragte sie sich schluchzend in die vor das Gesicht gehaltenen Hände.“

Andy begab sich sodann zurück zu Mandy. „Du Mandy, ich glaube, die bringen sich um. Die sind am Ende. Vater will uns wegschicken, oder sich aufhängen. Mutter will, dass wir bleiben. Das geht nicht gut. Ich denke, wir sollten das Haus verlassen. Vielleicht ist es besser so.“
„Aber wo sollen wir denn hingehen? Und die Schule und so“, fragte Mandy traurig.
„Uns wird schon etwas einfallen. Lass uns einfach gehen. Wir finden schon was. Vielleicht bei Freunden oder irgendwo.“

So schlichen sich Andy und Mandy nächtens aus dem Haus. Sie wohnten in einer großen Stadt. Dort gab es viele Geschäfte, Autos, große Häuser, Spielplätze, Kinos, Discos, Bäume und Sträucher, ein herrliches Fußballstadion und noch vieles mehr. Ihnen gefiel es in dieser Stadt und sie wohnten gerne dort. Doch so ohne Geld. Wie sollten sie da zurechtkommen.
Es war finster und ruhig auf den Straßen, obwohl in gleichmäßigen Abständen große bunte Leuchtreklamen aufblitzten. Andy und Mandy hatten Hunger und froren. Mandy war verzweifelt und weinte.
„Du musst doch nicht weinen“, sagte Andy. „Lass uns zum Kinder- und Jugendnotdienst gehen. Dort finden wir bestimmt eine Unterkunft und bekommen Essen und was zum Trinken. Vielleicht helfen die uns dort auch weiter, wenn wir erzählen, was passiert ist. Vielleicht gibt es ja auch eine Möglichkeit Mutter und Vater zu helfen. Lass es uns doch einfach mal versuchen.“ „Du bist so gut, Andy. Du hast immer eine gute Idee. Ja lass uns dorthin gehen.“

Plötzlich hielt ein großes schwarzes Auto. Ein freundlicher und gut gekleideter Mann begrüßte die Beiden und lud sie ein, ein Stück mit ihm zu fahren.
„Na ihr! So spät noch unterwegs. Seid wohl von zu Hause abgehauen? Keine Angst. Ich bin nicht von der Polizei. Ihr habt doch bestimmt Hunger und Durst. Kommt. Steigt ein. Ich fahre mit euch zum Bistro. Dort könnt ihr euch aufwärmen, und so viel essen und trinken, wie ihr wollt. Geht alles auf meine Rechnung. Nun steigt schon ein. Ihr seit doch schon richtig durchgefroren.“
Mandy lächelte. Das Glück, auf einen lieben Menschen getroffen zu sein, der ihren Hunger stillen und ihren Durst löschen könnte, sprang ihr förmlich aus den Augen.
„Komm, Andy, lass uns einsteigen“, flehte Mandy. „Bitte komm, Andy. Zum Jugendnotdienst können wir ja immer noch gehen.“
„Ich weiß nicht, ob das gut ist“, zauderte Andy.
„Was soll schon passieren, Andy“, flüstert Mandy. „Der Mann ist doch nett. Nun komm schon.“
Andy ließ sich überreden und so stiegen sie ein. Nach einer kurzen Fahrt erkannten die Beiden, dass der Mann doch nicht so freundlich war, wie er anfangs tat. Er fuhr auch nicht zum Bistro, sondern zu einem Gehöft, welches außerhalb der Stadt lag. Dort sperrte er Andy in eine Kammer und Mandy trug er auf, das Haus aufzuräumen. Beim Aufräumen fielen Mandy plötzlich einige interessante Zeitungsausschnitte in die Hand. „Kinderschänder“ gesucht, stand mit großen Buchstaben über einem Bild, welches aussah, wie eine Bleistiftskizze.
„Ach, ja“, überlegte Mandy. Das ist ein Phantombild, mit dem die Polizei einen Mann sucht: einen Kinderschänder. Mandy erschrak. „Aber das ist doch. Ja, genau. Das ist doch der hier, der uns gefangen hält. Das ist der „Kinderschänder. Wir müssen hier sofort weg. Wir müssen raus hier. Aber wie?“, überlegte Mandy. Sie lugte um die Zimmerecke. Der Mann telefonierte und Mandy hörte, wie er sagte: „Ja, du kannst kommen. Ich habe zwei Kinder und sogar Mädchen und Junge. Komm morgen um 15:00 Uhr. Du kannst sie dir ansehen und wir können dann alles Weitere klären.“
Mandy überlegte, wie sie es anstellen könne, den Mann dingfest zu machen. Sie dachte: „Ich werde erst einmal so tun, als ob ich nichts mitbekommen hätte. Mandy versteckte den Zeitungsausschnitt unter ihrem T-Shirt und räumte weiter auf. Im Bad fand sie in einem Medizinschränkchen eine Packung mit Schlaftabletten. „Das ist es. Das ist es“, jubelte sie leise vor sich hin und steckte die Packung ein. In einem unbeobachteten Augenblick warf sie einige der Tabletten in das Whiskyglas, welches der Mann gerade auf den Tisch gestellt hatte. Alsdann trank der Mann den Whisky mit einem Zug aus und kurze Zeit später schlief er auch ein.
Während der Mann tief und fest schlief, nahm Mandy das Handy und rief die Polizei.
Als etwas später die Polizei eintraf, wurde Andy aus der verschlossenen Kammer befreit und der Mann festgenommen.
Andy und Mandy waren die Helden der Nacht und auch der nächsten Tage, denn es stellte sich heraus, dass es sich bei diesem Mann um den Kopf einer lange gesuchten Verbrecherbande handelte, die Kinder verschleppten und missbrauchten.
Durch die Polizei war auch für die Unterstützung bei der Ergreifung dieser Bande oder Bandenmitglieder, eine hohe Belohnung ausgesetzt.
Natürlich erhielten Andy und Mandy diese Belohnung. Mit dem Geld kehrten sie nach Hause zu ihren Eltern zurück und lebten wieder glücklich und sorgenfrei zusammen.

Impressum

Texte: Copyright (2008) BookRix-Edition Alle Rechte bei Karl-Heinz Wienke Coverbild: © S. Hofschlaeger
Tag der Veröffentlichung: 05.09.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Die Geschichte entstand nach der Idee eines bekannten Märchens. Es handelt sich hierbei aber nicht nur um ein eventuell modernes Märchen.

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