Wieder mal ein Umzug. Die Wohnung ist bis auf eine Kiste ausgeräumt. Verlassen steht sie im Zimmer, als wolle sie mir zum Abschied eine Geschichte erzählen. Ja, Geschichten befinden sich viele darin. Es ist meine Spielkiste und ich behüte sie seit meiner frühesten Kindheit. Wichtiges und Schönes aus meinem Leben packe ich da hinein.
Neugierig beginne ich in der Kiste, zu kramen.
Ah, mein Malbuch. Schon ganz schön abgenützt ist es. Interessiert schaue ich hinein, beginne zu schmunzeln, aber auch nachzudenken. Hm, wie habe ich damals als Kind nur gemalt? Eine grüne Sonne, einen blauen Rasen, gelbe Wolken. Pferde und Hunde und mit ungeheuerlichen Ohren, langen dicken Schwänzen und kurzen Beinen. Bunte Blumen, die orangenfarbene Felder übersäen. Schwarze Bäume, so groß, dass sie die gelben Wolken berühren. Einen lachenden, silberglänzenden Mond und lilafarbene Sterne. Wenige dünne und dicke, schwarze, blaue, rote Striche zeigen Männer und Frauen, die sich an den Händen halten. Kinder, die fröhlich im Kreis tanzen. Bälle und Kreisel hüpfen daher.
Alles scheint so durcheinander, aber doch auch irgendwie geordnet zu sein. Na ja, es waren Kinderaugen, die es sahen. Kinderhände, die es so malten. Manche Bilder verstehe ich nicht, oder nicht mehr? Aber schön bunt sind sie alle.
Heute, mit den Augen des Erwachsenseins, frage ich mich: „Warum habe ich damals, als Kind, so gemalt?“
Nein, ich muss mir die Frage anders stellen: „Warum male ich heute nicht mehr so?“
Texte: Copyright (2008) BookRix-Edition
Alle Rechte bei Karl-Heinz Wienke
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2008
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