Cover


Meine Zeit zwischen Kuhmist und König Drosselbart

Alle hatten mir von dieser Berufsausbildung abgeraten. Allen voran meine Mutter. Was willst du denn in der Landwirtschaft, hatte sie spöttisch gefragt. Du kriegst ja schon Panik, wenn du nur eine Spinne siehst. Und nun sollten es Kühe sein – richtige große Kühe. Dabei hatte ich vorher noch nie eine Kuh aus der Nähe gesehen. Ich kannte nur das Bisonrind aus unserem städtischen Tierpark. Du musst ganz früh aufstehen, hatte meine Mutter gesagt. Dabei schläfst du doch so gern lange. Du musst schwere Sachen heben, das bist du doch gar nicht gewöhnt. Meine Mutter hatte sich für mich eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich gewünscht, was ja auch nahe lag, da ich in meiner Freizeit am liebsten am Schreibtisch saß. Sie hatte die Vorstellung, dass in den LPG nur solche Leute arbeiteten, die nichts Besseres finden konnten – Säufer, Asoziale, hoffnungslose Seelen ohne Schulabschluss – das hätte ich doch wohl nicht nötig. Nun, in gewisser Weise empfand ich es aber genauso – dass ich nichts Besseres finden konnte. Mit einem Notendurchschnitt von 2,1 auf dem Halbjahreszeugnis der 9. Klasse hatte ich mich um eine Lehrstelle beworben. Mit 2,1 stand ich nicht sonderlich gut da, die meisten Mädchen aus meiner Klasse hatten einen besseren Notendurchschnitt. Ich hatte mich auf Anraten meiner Mutter im gerade neu erbauten Kernkraftwerk als Wirtschaftskaufmann (damals gab es noch nicht die Unterscheidung in Kaufmann und Kauffrau) beworben. Das hat Zukunft, hatte meine Mutter gesagt, da hast du prima Aufstiegschancen und bekommst später eine Neubauwohnung. Ich wurde abgelehnt. Zu viele bessere Bewerber. Das tat mir weh und ich fasste den Entschluss, nicht mehr auf meine Eltern zu hören.
Es waren vor allem drei Gründe, aus denen ich mich um eine Lehrstelle als Zootechniker (was nichts anderes als Melker bedeutete) am Volkseigenen Gut in Billberge bewarb. Erstens bedeutete es, im Internat zu wohnen, also weg von zu Hause. Zweitens rechnete ich bei diesem Beruf mit vielen männlichen Mitlehrlingen. Drittens hatte ich Tiere immer gern versorgt, obwohl sich meine Erfahrungen hier auf Katzen und

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 30.10.2012
ISBN: 978-3-95500-569-6

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /