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Zum dritten Mal öffne ich meinen großen schwarzen Reisekoffer und gehe die Liste mit den Dingen durch, die ich heute Nacht brauchen werde: Zwei lange Messer. Eine kleine Axt. Handschellen. Ein Seil. Die Pistole (mit Schalldämpfer). Der Bohrer. Eine Zange Mehrere Bettlaken. Ein sehr dicker Matratzenschoner. Putzmittel (sehr ätzend, aber effektiv). Und meine Hände.
„Alles da!“ denke ich zufrieden mit einem Blick auf meinen zweiten (noch größeren) Trolley und kann mir ein gehässiges Grinsen nicht verkneifen. Ich nutze die mir noch bleibende Zeit, um den Plan vor meinem geistigen Auge abzuspielen. Das Haus von Thomas Bergmann liegt viele Kilometer außerhalb der Stadt, direkte Nachbarn hat er keine. Ein unbemerktes Eindringen sollte also kein Problem darstellen. Um zwei Uhr früh dürfte das Opfer bereits in seinem Bett liegen (schließlich muss Thomas morgen früh zur Arbeit). Ihn im Schlaf zu überwältigen wird mir nicht schwer fallen.
Dann beginnt der interessante Teil. Meine Klienten haben sich nämlich gewünscht, dass der Auftrag auf keinen Fall zu schnell ausgeführt werden darf. Ich sehe die beiden immer noch vor mir, wie sie mit zittriger Stimme ihre Geschichte erzählen. Die Frau sieht mit ihren Tränensäcken aus, als hätte sie nächtelang nicht geschlafen. Ihr Mann ist eine ausgemergelte kleine Gestalt, die zwanzig Jahre älter wirkt, als sie in Wahrheit ist. Man kann den beiden das Leid, das ihnen widerfahren ist, ansehen. Die Frau hält mir das Foto eines ungefähr 18 Jahre alten Mädchens entgegen. „Das ist …war… meine Tochter Erika“, erzählt sie mir mit tränenerstickter Stimme. Ich reiche ihr mit einer beiläufigen Geste ein Taschentuch. Langsam berichtet sie mir von ihrem Kind. Von der strahlenden Zukunft, die ihrer Tochter bevorstand. Von ihrem freundlichen Wesen. Das alles hatte das Zielobjekt in nicht einmal sechs Stunden zunichte gemacht. Irgendwann an diesem verfluchten Abend vor zwei Monaten muss er sie angesprochen und in sein Auto gezerrt haben. Stundenlang hat er sie missbraucht. Sie vergewaltigt. Ihr die Zunge herausgeschnitten. Sie gefoltert. Und am Ende erschlagen. Spuren und Hinweise, die auf Thomas Bergmann hinwiesen, gab es mehr als genug. Aber die Polizei hat trotzdem keinen Finger gerührt. Als dann der Chef der Abteilung für Sexualverbrechen plötzlich einen neuen Porsche fuhr, war auch klar warum. In ihrer Verzweiflung haben sich Erikas Eltern schließlich an mich gewandt. Jetzt stehen sie vor mir und wollen, dass ich dem Peiniger und Mörder ihres einzigen Kindes seine eigene Medizin kosten lasse. Emotionslos betrachte ich Erikas Foto und anschließend ein Bild von Thomas Berger. Seine Adresse steht auf der Rückseite. Ich verspreche den beiden, dass das Zielobjekt in einer Woche nicht mehr am Leben sein wird, nenne ihnen meinen üblichen Preis und empfehle ihnen, sich für den fraglichen Abend ein Alibi zu verschaffen. Das war vor sechs Tagen.
Ich parke den gestohlenen Wagen nicht direkt vor Thomas‘ Haus und gehe die letzten Meter mit meinem Gepäck zu Fuß. Es ist mittlerweile 1 Uhr 52. Als ich die Wohnung des Zielobjektes erreiche, verschlechtert sich meine Laune augenblicklich. Mein Ziel ist erstens noch wach und zweitens nicht allein. Durch das offene Schlafzimmerfenster im ersten Stock höre ich lautes Lachen und Gläserklirren. Offenbar hat Thomas Damenbesuch. Eigentlich kein Problem, aber ich musste meinen Klienten versprechen, dass bei der Aktion keine Unbeteiligten getötet werden. Dann höre ich folgenden Satz aus dem Fenster: „Ich gehe nach unten und hole noch eine Flasche!“ verkündet eine noch sehr junge Frauenstimme. Das ist meine Gelegenheit. Mit einiger Mühe springe ich mit dem Gepäck über den Gartenzaun. Ein offenes Kellerfenster erleichtert mir meine Arbeit ungemein und keine 30 Sekunden später stehe ich im Keller des Zielobjekts. Die offene Kiste mit den Champagnerflaschen verrät mir, dass mit „nach unten“ offensichtlich nicht die Küche gemeint war. Ich verstecke mich hinter dem Kellereingang und lausche ihren langsam die Treppe hinunterkommenden Schritten. Die Tür geht auf und bevor sie das Licht einschalten kann, raube ich der jungen Frau mit einem dosierten Hieb auf den Hinterkopf das Bewusstsein. Sanft fange ich ihren zusammensackenden Körper auf. Als ich einen der großen Wandschränke öffne, um sie hineinzulegen, trifft mich fast der Schlag. Thomas, du perverses Schwein! Wenn ich gewusst hätte, was du hier für ein beeindruckendes Sortiment versteckst, hätte ich meine eigenen Folterinstrumente daheim gelassen. „Wahrscheinlich habe ich dir heute dein Leben gerettet, weißt du das?“ murmle ich der immer noch bewusstlosen Kleinen zu, während ich sie in den Schrank lege. Einer Eingebung folgend entscheide ich mich dafür, dass Thomas‘ präparierte Nagelrolle und seine Peitsche heute Nacht ebenfalls zum Einsatz kommen. Ich verschließe die Schranktüren und schiebe einen Besenstiel zwischen die Türgriffe um sie zu blockieren. Dann ziehe ich noch schnell mein Gepäck durch das Fenster, schraube den Schalldämpfer auf meine Pistole und warte darauf, dass Thomas sich auf die Suche nach seiner Freundin macht. Es dauert keine fünf Minuten, da höre ich ihn schon: „Schatz? Was dauert denn so lange? Schatz?“ Thomas betritt den Keller und ich halte ihm von hinten meine Waffe an den Kopf: „Wenn du dich umdrehst, bist du tot!“ Thomas lässt vor Schreck sein Champagnerglas fallen. Tausend kleine Scherben verteilen sich über den Fußboden. „W…W…Wo…ist Sandra?“ stammelt er. „Die macht es sich im Schrank bequem“, antworte ich lapidar, „Wir zwei gehen jetzt ins Schlafzimmer. Und merk dir eins: Eine falsche Bewegung und ich schieße dir in den Hinterkopf.“ Thomas glaubt offenbar, dass er die Sache überleben könnte, wenn er tut was ich sage und setzt sich langsam in Bewegung. „Mein Geld befindet sich in einer Schatulle im Wohnzimmer. Sie können es haben, nehmen sie es sich!“ fleht er mich an. Ich antworte nicht und drücke ihm die Pistole in den Rücken, während ich ihm mit meinem Trolley und seinen beiden Spielsachen folge. Oben angekommen betreten wir ein luxuriös eingerichtetes Schlafzimmer mit einem großen Bett in der Mitte. Thomas hat, bevor er nach unten ging, noch das Fenster geschlossen und die Jalousien heruntergelassen. Sehr nett von ihm. Ohne mein Zielobjekt aus den Augen zu lassen, öffne ich den Reißverschluss meines Gepäckstücks, hole meinen Koffer heraus und öffne auch diesen. Ich krame die Bettlaken sowie die Matratzenschoner hervor und werfe die Sachen Thomas an den Kopf. „Du wirst jetzt sämtliche Decken und Kissen vom Bett räumen und die Matratzen damit beziehen.“ „W…W…Wieso…?“ Während Thomas seine Frage stottern möchte, spanne ich den Hahn meiner Waffe und verleihe meiner Forderung so etwas Nachdruck. Er verstummt mitten im Satz und beginnt, sichtlich irritiert, damit, meinen Befehl auszuführen. 15 Minuten später ist er fertig. „Ausziehen. Bis auf die Unterhose“, sage ich mit einem leicht belustigten Tonfall. Thomas rührt sich nicht. „H…H…H…Hören sie, ich h…h…h…habe ihnen doch schon gesagt, wo mein G...G….Geld…“, „Thomas“, unterbreche ich ihn ruhig. Beim Klang seines Namens fährt er erschrocken und überrascht zusammen. „Thomas, lass mich dir eine Frage stellen. Wie groß ist deiner Meinung nach die Chance, dass eine Frau, die einen Schalldämpfer auf ihrer Waffe hat und dich dazu zwingt, dein Bett frisch zu beziehen, nichts weiter ist als eine gewöhnliche Diebin?“ Thomas gibt mir keine Antwort, aber der sich schnell vergrößernde dunkle Fleck im Schritt seiner Hose verrät mir, dass er mich verstanden hat.
Dann geht plötzlich alles sehr schnell. Mit einem verzweifelten Aufschrei versucht Thomas, an mir vorbeizulaufen. Der Schalldämpfer macht den Schuss in sein Knie zu einem leisen „Plopp!“. Thomas bricht vor meinen Füßen zusammen. Mühsam zerre ich ihn hoch und breche ihm mit einem gezielten Ellbogenschlag die Nase. Mit einem Wimmern geht Thomas in die Knie. Ich packe das Häufchen Elend mit beiden Händen an der Kehle und trage ihn zum Bett. Seine verzweifelten Faustschläge verpuffen wirkungslos. Auf dem Bett knie ich mich auf seine Oberarme und verpasse ihm mehrere Faustschläge. Dann fessle ich seine Handgelenke mit den beiden Handschellen an die Bettpfosten und verschließe mit dem Klebeband seinen Mund. Schwungvoll werfe ich meinen Koffer auf die Matratze und breite langsam und für Thomas gut sichtbar meine Mitbringsel aus. Angewidert bemerke ich, wie ihm die Tränen kommen. „Thomas, willst du, bevor ich beginne, wissen, warum das hier geschieht?“ Nach einer langen Pause antwortet er mit einem Nicken. „Gut. Kennst du dieses Mädchen?“ Ich halte ihm das Foto von Erika unter die Nase, das mir ihre Eltern gegeben hatten. Wieder ein zögerliches Nicken. „Weißt du auch noch, was du Erika angetan hast?“ frage ich ihn. Thomas bekommt einen Weinkrampf, den ich als „Ja!“ deute. „Dann weißt du ja, was dir jetzt bevorsteht. Ich soll dich übrigens schön von ihren Eltern grüßen. Sie haben, wie du dir sicher denken kannst, ein besonderes Interesse daran, dass du Sache hier ganz besonders lange genießen kannst.“
Mit einem Ruck ziehe ich ihm seine eigene Nagelrolle über den linken Oberschenkel. Die Wunden, die ich in sein Fleisch reiße, sehen aus wie hässliche rote Krater. Thomas schreit und windet sich wie ein Regenwurm. Ein Schlag in die Magengrube bringt ihn wieder zur Besinnung. Ich merke, dass er etwas sagen will und entferne das Klebeband von seinem Mund. Er weiß, dass Schreien ihn nicht retten wird. Sein Blick ist von Tränen der Todesangst verschwommen. „M…M…Meine F..F…Familie i…i…ist r…reich, i..ich k…könnte…“ Mit einem ruhigen aber bestimmten Kopfschütteln beende ich all seine Hoffnung, sich aus dieser Sache befreien zu können. „W….Wie….Wieso t…tun sie das? M…Macht i…ihnen d…d…das S…S…Spaß?“ „Du meinst so wie dir? Nein, Thomas. Ich erledige hier nur meinen Job“, erwidere ich ruhig. Dann knebele ich ihn wieder. „Betrachte es einfach als Katharsis-Erlebnis“, flüstere ich ihm noch ins Ohr, bevor ich zum Bohrer greife…
Eineinhalb Stunden später, es ist mittlerweile 4 Uhr früh, ist Thomas tot. Ich mache ein Foto als Beweis für die Klienten, dass der Auftrag ausgeführt wurde. Zwischendurch gehe ich immer wieder in den Keller. Sandra wird anscheinend langsam wieder wach, also muss ich mich beeilen. Ich wickle Thomas in die Bettlaken und den Matratzenschoner. Anschließend verstaue ich seinen leblosen Körper in meinen Trolley. Jetzt kommt das Putzmittel zum Einsatz. Mit einem Lappen entferne ich jeden noch so kleinen Blutfleck auf dem Boden und den Bettpfosten (das meiste wurde wie geplant von meinen Laken aufgesaugt) und reinige, obwohl ich natürlich Handschuhe trage, jeden Gegenstand, den ich im Haus berührt habe. Das Putzen dauert, da ich darin geübt bin, nicht sehr lange. Mit Thomas im Trolley in der linken und meinem Koffer mit den Folterwerkzeugen in der rechten Hand verlasse ich schließlich das Schlafzimmer. Unten im Keller bemerke ich, dass Sandra immer heftiger gegen die Schranktür tritt. Dennoch wird sie noch einige Zeit brauchen, um sich zu befreien. Bis dahin bin ich weg. Seelenruhig verfrachte ich mein Gepäck in den Kofferraum des Wagens. Thomas‘ Leiche werde ich mitsamt dem Koffer von einer 20 Kilometer entfernten Brücke werfen und so im Fluss versenken. Die Strömung wird dafür sorgen, dass er – wenn überhaupt – erst ein paar dutzend Kilometer weiter stromabwärts angespült wird. Bevor ich einsteige, betrachte ich das Foto von Ziel Nummer Zwei. Der Mann dürfte nicht schwer zu finden sein. Schließlich gibt es hier in der Gegend nur einen korrupten Bullen, der neuerdings Porsche fährt. Ich schätze, ich werde ihm morgen bei seinem Jagdausflug einen Besuch abstatten.

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Tag der Veröffentlichung: 22.10.2011

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