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Prolog

 

Meine Welt ist zerbrochen. Sie liegt genauso in Scherben, wie der Spiegel in der Ecke dieses Raumes. Momentan kann ich den Raum und den zerbrochenen Spiegel nicht sehen, denn es ist dunkel. Dunkel und kalt. Ich liege hier nackt und gefesselt auf einem Operationstisch und warte auf meine Operation. Ich bin ganz allein. Niemand hörte meine Schreie, deshalb habe ich mit Schreien aufgehört. Auf meinen Wangen spüre ich noch meine, bereits getrockneten, Tränen. Doch jetzt habe ich keine Tränen mehr für mich übrig. Verzweiflung hat begonnen sich in mir auszubreiten. Ich kann an meiner Situation nichts ändern und ich bin ja selbst Schuld, dass ich hier liege, selbst wenn es nicht absehbar war jemals so enden zu müssen. Wie gern würde ich doch die Zeit zurückdrehen und an diesem einen Tag alles anders machen. Wäre ich einfach nach Hause gefahren, anstatt mit ihm mit zu gehen, dann würde ich jetzt nicht hier liegen. Doch nun liege ich hier und habe nicht einmal mehr Angst. Zu Beginn hatte ich noch panische Angst, dann war ich verzweifelt, doch nun bleibt mir nur noch Resignation. Jetzt habe ich nichts mehr von meinem Leben, nicht einmal Tränen. Alles wurde mir von ihm genommen. Er nahm mir meine Liebe, mein Vertrauen, meine Würde, mein Leben und meine Tränen. Doch er will noch mehr von mir. Er will den Rest von mir haben.

Rechts von mir, neben meinem Knie befindet sich ein kleiner Metalltisch, auf dem schon das Operationsbesteck bereitgelegt wurde. Vorhin als das Licht noch an war konnte ich erkennen, dass am Kopfende meines OP-Tisches bereits Kühlboxen bereitstehen. Das Licht kam von Neonröhren an der Decke, genauso nackt und kalt wie ich. Nachher werden wohl die beiden OP-Lampen das Licht für die Operation spenden. Sie sehen allerdings nicht im Entferntesten nach den Lampen aus, wie sie heutzutage üblich sein sollten. Die Lampen passen zur restlichen Einrichtung des Operationssaals. Er ist alt, ein scheinbar unterirdisch liegender Raum, der komplett mit weißen Fliesen bedeckt ist, sogar die Decke mit den kalten Neonröhren. Dieser Raum wirkte als wäre er bereits Drehort für unzählige Horrorfilme gewesen. Früher hätte ich mich über solch einen Horrorfilm gefreut. Ich liebe, oder besser ich liebte Horrorfilme. Wir haben sogar mal einen zusammen angesehen. Er meinte dabei zu mir, dass er nicht verstehen könne, wie sich Menschen gegenseitig solch grausame Dinge antaten. Jetzt weis ich, dass er damals gelogen hat. Tut er mir das alles vielleicht nur an, weil er herausfinden möchte, wie es ist solch unvorstellbare Dinge einem anderen Menschen anzutun? Habe ich ihn auf diese Idee gebracht? Habe ich möglicherweise mein Schicksal selbst besiegelt? Ich weis es nicht. Um ehrlich zu sein, möchte ich es auch gar nicht so genau wissen.

Mein eigener, ganz persönlicher Horrorfilm hatte vor wenigen Wochen begonnen und sein Ende ist noch  nicht in Sicht. Ich weiß allerdings nicht, ob ich mir sein Ende wirklich schnell herbeisehnen soll oder nicht, denn sein Ende wird wohl auch mein Ende darstellen. Jetzt höre ich Schritte auf dem Gang. Nun kommt er also, das warten hat ein Ende. Die Tür öffnet sich und das Licht geht an. Er höre seine tiefe, schöne Stimme, und meine letzte Hoffnung auf Rettung schmilzt dahin wie Schnee im August, "Na Marie, wie geht es dir? Ich hoffe du hast dich in meiner Abwesenheit gut amüsiert? Ich kann dir schnell noch dabei helfen, dich ein letztes Mal zu amüsieren." Ich spüre wie seine große Hand ganz langsam zwischen meine Schenkel gleitet. Seine langen kräftigen Finger kennen den Weg ja schon, nur dass ich dieses Mal vesuche sie zu ignorieren, alles zu ignorieren. Er soll möglichst keine Reaktion mehr von mir spüren. Innerlich bin ich schon fast tot, das darf er ruhig merken. Ich versuche an nichts mehr zu denken. Meine Welt ist zerbrochen, sie liegt in Scherben da.

Kapitel 1

Es sollte ein wunderbarer Tag werden, aber er endete in einer mittelschweren Krise. Er begann wie jeder andere Tag der letzten Wochen. Ich stand so gegen zehn Uhr morgens auf und aß dann ganz in Ruhe mein Müsli, während im Radio Musik lief. Nebenbei knobelte ich an einem Kreuzworträtsel, das in der Mittwochszeitung abgedruckt war. Das Rätsel war deutlich schwerer als ich es erwartet hätte. Ich unterbrach die Knobelei, um bei meinem aktuellen Lieblingslied mitzusingen, das gerade in Radio begann. Noch während ich so sang, kam meine Mutter in die Küche. Sie war an diesem Tag deshlab noch zu Hause, weil sie Spätschicht hatte. << Schatz, hier ist ein Brief für dich gekommen. Sieht aus als wäre er von einer Universität.>>

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.03.2013

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