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Jugenderinnerungen eines „alten“ Griechen

  

Dies ist die Geschichte meiner unvergesslichen Einweihung in die Mysterien des Eros. Sie traf mich wie der Blitz des Zeus, und danach war mir, als hätte mich ein Gott in ein anderes Lebewesen verwandelt. So ähnlich muss sich ein Schmetterling fühlen, wenn er gerade aus der Puppe geschlüpft ist und erkennt, dass ihm Flügel gewachsen sind. Und siehe da, er kann auf einmal fliegen.

 

Ich stand bereits im sechzehnten Lebensjahr und lebte noch immer wie ein Kind, verpuppt wie die Puppe eines Schmetterlings. Ktesias, mein bester Freund, hingegen war längst eingeweiht. Er hatte reiche Eltern, und die steckten ihm großzügig Geld zu, das er vor allem – wofür ausgab? Für die Liebe.

Es war ein wunderschöner Frühlingstag, die bisher im Winterschlaf ruhende Natur war erwacht, die Bäume wurden grün und standen in voller Blütenpracht, die Blumen dufteten, dass es eine Freude war, süß zwitscherten die Vögel um die Wette, und in den Bäumen sang der Chor der Zikaden. Ich begleitete Ktesias ein Stückchen auf dem Weg zu der von ihm so reich beschenkten Hetäre („Freundin“, im Original: ἑταίρα) Philomele. Ich weiß noch, wie er mich nervte, indem er mir in einem fort von ihren Vorzügen vorschwärmte, wie hübsch und wie nett sie doch sei und so weiter.

Um meinem Ärger Luft zu machen, sagte ich: „Wenn sie wirklich so hübsch und nett ist, wie du sagst, warum zeigst du sie mir dann nicht?“

Er lachte, als hätte ich einen köstlichen Witz gemacht. Aber dann packte er mich am Arm und schleppte mich schnurstracks in ihr Haus.

 

Philomele begrüßte ihn, indem sie ihn stürmisch umarmte und küsste. Mir schenkte sie das allersüßeste Lächeln und sagte zu Ktesias: „Oh, was für ein entzückendes Bürschchen hast du da mitgebracht? Ist er dein Freund (ἑταῖρος)?“

Ktesias wurde rot und nickte heftig.

„Aha. Und du hast ihn mitgebracht, damit er mit dir gemeinsam ...?“

„Nein, nein! Weißt du, Demetrios ...“

„Ah, Demetrios heißt du also?“

„… ist noch überhaupt nicht eingeweiht. Und da dachte ich, es sei meine Freundespflicht ...“

„… mir aufzutragen, ihn einzuweihen?“

„Aber nein. Sondern ... Na, kurz und gut: Würde es dich stören, Liebste, ihn zuschauen zu lassen, wenn wir ...“

„Ach nein, natürlich nicht. Solange es dir selber nichts ausmacht. Mich selber würde es überhaupt nicht stören.“

Und dazu schenkte sie mir neuerlich ein umwerfend süßes Lächeln.

„Von welcher Einweihung redet ihr denn da?“, warf ich ein. Ich hatte keine Ahnung, wovon die zwei da redeten.

Als Antwort begann mich Philomele am Arm zu tätscheln, was in mir ein Gefühl weckte, wie ich es bis dahin noch nie verspürt hatte. Und dazu flötete sie in den süßesten Tönen: „In die Mysterien des Eros, bester Demetrios.“

„Aha. So etwas Ähnliches wie die Mysterien der Göttin Isis?“

„O nein. Die Mysterien des Eros haben nichts mit Religion zu tun. Damit bezeichnet man das Liebesleben der Erwachsenen.“

Das Liebesleben der Erwachsenen? Davon hatte ich höchst unzureichende Vorstellungen. Und es war mir klar, dass ich nicht zu den Erwachsenen gehören konnte, solange sich das nicht änderte.

 

Philomeles Mädchen, alle umwerfend hübsch, zogen uns die Schuhe aus, wuschen uns Hände und Füße und bewirteten uns mit köstlichem Wein und noch köstlicheren Süßigkeiten. Philomele lobte und pries unterdessen Ktesias ob seiner Freundesliebe, ob seiner Treue, ob seiner Schönheit, ob seiner ungewöhnlichen Fähigkeiten in der Kunst, sie glücklich zu machen, und sogar – ich traute meinen Ohren nicht – ob der Schönheit und Größe seines Phallos. Und zu meiner Bestürzung machte sie sich an eben diesem Körperteil meines Freundes zu schaffen, indem sie ihm ungeniert unter die Tunika griff. Gleichzeitig begann sie ihn ungestüm zu küssen.

Schließlich veranlasste sie ihn, sich mit ihr zusammen auf eine Couch (κλίνη) zu setzen. Und da begann er mit auffallendem Eifer ihr Kleid glattzustreichen und murmelte dabei in einem fort, wie wunderbar ihr Körper doch sei und wie weich und wie glatt und wie zart und wie makellos und wie erotisch (ἐρωτικόν).

Da hob Philomele ihr rechtes Bein und legte es quer über Ktesias’ Beine; und ich sah, dass ihr Kleid auf der einen Seite einen langen Schlitz aufwies. Dadurch wurde ein beachtlicher Teil ihrer Schenkel entblößt, sodass es mir buchstäblich den Atem verschlug.

Ktesias griff, gleichfalls ungeniert, unter den Schlitz und legte seine Hand auf die Stelle, wo sich die beiden Schenkel vereinigen, und damit auf den geheimsten Teil ihres Körpers. Was er dort machte, konnte ich zwar nicht erkennen. Aber nur allzu bald begann sie schwer zu atmen und sogar zu stöhnen und gebärdete sich immer leidenschaftlicher.

Plötzlich verloren beide das Gleichgewicht und sanken sozusagen in einem Stück um. Philomele lag nun halb über Ktesias und küsste ihn mit unglaublicher Zärtlichkeit.

Dann ging plötzlich alles blitzschnell: Sie ließ von seinen Lippen ab, richtete sich auf und zog ihm die Tunika bis über die Lenden, so dass sein mächtig angeschwollener Phallos freigelegt wurde. Da geriet sie förmlich außer sich und machte sich erneut über ihn, den Phallos, her, nun aber nicht mit den Händen wie zuletzt, sondern – ich glaubte zu träumen – mit den Lippen. Er aber zog ihr kurzerhand das Kleid aus.

Nun hatte ich Philomele also splitternackt vor meinen Augen und glaubte die Göttin Aphrodite leibhaftig vor mir zu sehen. So fasziniert war ich von diesem Anblick, dass ich überhaupt nicht merkte, wie es dazu kam, dass nach einiger Zeit auch Ktesias splitternackt war.

Mit einem Mal begannen die beiden zu meiner Verblüffung miteinander zu ringen. Es war fast wie im Gymnasion, abgesehen davon, dass sie sehr viel zarter miteinander rangen als zwei männliche Gegner – so zart, dass sich in meiner Brust und in meinen Lenden eine merkwürdige Erregung bemerkbar machte.

Ja, aber trotz aller Zartheit endete der Ringkampf mit einem Sieg. Philomele rang Ktesias nieder und setzte sich, offenbar als Geste des Triumphes, auf ihn. Und als ich genauer hinsah, glaubte ich, mir bleibt das Herz stehen: Sie griff sich zwischen die Schenkel, umfaßte Ktesias’ Phallos und steckte sich diesen in ihren eigenen Körper, wohlgemerkt, in seiner vollen Länge.

Was den weiteren Verlauf der Dinge betrifft, lässt mich meine Erinnerung ziemlichim Stich. Sicher ist nur, dass Ktesias irgendwann anfing, herzergreifende Klagelaute auszustoßen. Und dann erlitt ich einen schlimmen Schock, als er unverhofft zu brüllen anfing. Er brüllte, wie ich ihn noch nie brüllen gehört hatte, mit einer Intensität, dass mir das Blut in den Adern gefror. Dazu kam, dass Philomele fast gleichzeitig spitze Schreie ausstieß.

Danach glich er der Marmorstatue eines im Krieg gefallenen Heros. Ebenso verstummte Philomele, ließ sich auf ihn fallen und glich der Marmorstatue einer im Krieg gefallenen Heroine. Tot waren sie aber nicht, denn sie gaben leise Schnarchgeräusche von sich. Nach einiger Zeit ertönte ein besonders lauter Schnarcher, und die beiden Marmorstatuen wurden, ähnlich der des Pygmalion im Mythos, lebendig. Mit glückseligem Lächeln sahen sie einander an und vereinigten hierauf ihre Münder zu einem erstaunlich langen Kuss.

Dann erst brach Ktesias das Schweigen und murmelte: „War ich wieder laut?“

Und Philomele, herzlich lachend: „Laut? Ha, ich fürchte, dein Freund hat sich ganz schön geschreckt.“ Und zu mir gewandt: „Na, junger Mann? Wie war die Einweihung?“

Sie sah mich mit einem Blick an, der meine Sinne in den denkbar schlimmsten Aufruhr versetzte.

Und Ktesias: „Ah, ich weiß schon, was du möchtest, Liebste. Du möchtest ihn richtig einweihen.“

Philomeles Gesicht nahm die Farbe tyrischen Purpurs an. „Ach, Liebling, meinst du nicht, dass wir ihn jetzt auch noch zum Mann machen sollten, damit wir, wie Hesiod sagt, das Haus, das wir bauen, nicht unvollendet stehen lassen?“

„Oho“, entfuhr es mir da, „die schöne Frau liest Hesiod?“

Und Philomele, zu Ktesias gewandt: „Schau, er ist doch wirklich süß.“

Zugleich deutete sie mir, näher zu kommen.

Zögernd führte ich ihren Auftrag aus, während sie mir mit geheimnisvollem Schmunzeln unverwandt ins Gesicht blickte.

„O Demetrios“, sagte sie in überraschend feierlichem Ton. „Dein Freund hat mich beauftragt, dich in die Mysterien des Eros einzuweihen. Richtig?“

„Ja, ja“, stammelte ich verblüfft.

„Nun, findest du, dass das Haus, das wir bauen, schon vollendet steht?“

„Ich weiß nicht ... Aber so, wie du fragst, meinst du sicher: Nein.“

„Genau. Es fehlt die Vollendung. Das meint übrigens auch Ktesias.“

Sie zwinkerte ihm zu, und er zwinkerte, belustigt grinsend, zurück.

„Und was ist die Vollendung?“

„Ich sagte es schon: Dass wir dich zum Mann machen.“

„Ihr ...?“ stieß ich halb belustigt, halb erschrocken hervor.

„Aber nein“, sagte Ktesias. „Philomele.“

Ich spürte, wie mein Herz wild zu klopfen begann und wie ich von einer unbeschreiblichen Erregung durchflutet wurde.

„Nun, wenn du lieber eines meiner Mädchen möchtest ...“, sagte sie lächelnd. Aber ich ließ sie nicht ausreden, sondern rief schnell dazwischen: „Nein, nein ... Nur, ich kann das ja nicht.“

„Oh, das kannst du nicht? Liebster Demetrios, da täuschst du dich“, flötete sie, hob ungeniert meine Tunika in die Höhe und fasste mir mit der Hand an den Phallos. Dieser aber war urplötzlich angeschwollen und in die Höhe geschossen, sodass sich in meiner Kleidung eine verräterische Wölbung gebildet hatte.

Sie löste mir den Gürtel, zog mir die Tunika aus. Und kaum stand ich mit wild pochendem Herzen und bedrohlich aufgerichtetem Phallos vor ihr, zog sie mich zu sich und begann mich zu küssen, wie mich noch nie zuvor ein Mensch geküsst hatte. Und ihre Lippen und ihre Arme und ihre Brüste und ihre Schenkel und schließlich ihre Zunge und dann noch ihre Zähne – all dies zusammen versetzte mich in einen nie gekannten Rausch der Sinne, und ich vergaß Ktesias und vergaß alles um mich herum und spürte nur noch ihren schönen, weichen, glatten, ambrosischen Körper und spürte ihren heißen Atem und spürte ihren erregenden Duft und ließ mich willenlos von ihr aufs Bett ziehen und kam auf ihrem Bauch zu liegen und spürte plötzlich die weiche Haut ihrer Schenkel an Hüften und Schenkeln und ihre weiche Hand am Phallos und glaubte schließlich in ihr förmlich zu versinken und versank in einem Ozean der Glückseligkeit und wurde zuletzt von einem geradezu göttlichen Glücksgefühl übermannt.

Aus dieser quasi-göttlichen Ekstase riss mich plötzliches Händeklatschen und gleich darauf Ktesias’ Stimme. Wie aus weiter Ferne drang sie an mein Ohr, und der Sinn seiner Worte blieb meinem Verstand verborgen. Betäubt, sprachlos, ungläubig staunend über das Wunder, das an mir geschehen war, fühlte ich mich unendlich beglückt. Und ich fühlte mich verwandelt, verwandelt wie ein Schmetterling, der soeben aus der Puppe geschlüpft ist und auf einmal fliegen kann.

Ja, Gott Eros hatte mich soeben mit Flügeln ausgestattet und in ein höheres Wesen verwandelt. Nun gehörte ich für alle Zeiten dem Geschlecht der glückseligen Götter an.

 

 

Siehe auch

 

 

 

 

 https://www.bookrix.de/_ebook-karl-plepelits-liebesidyll-zu-viert/

 

"ein Lesegenuss" (Maria)

"welch vergnügliche Lektüre ... "ein delikates Lesevergnügen" (Franck Sezelli)

 

Impressum

Texte: Karl Plepelits
Cover: Von Savitha sahadevan - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=126098576
Tag der Veröffentlichung: 30.04.2023

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