„Du, Opa“, sagt mein halbwüchsiger Enkel zögernd und ohne mich anzuschauen, „darf ich dich was fragen? Aber bitte nicht Papa und Mama weitererzählen.“
„Aber mein lieber Toni, hab ich schon jemals etwas weitererzählt, was du mir anvertraut hast? Also heraus mit der Sprache.“
„Ja, also ... Du weißt doch, dass ich in Mathematik schwach bin und Nachhilfe kriegen muss.“
„Na ja, müssen tust du natürlich nicht. Du bräuchtest nur ein bisserl mehr lernen.“
„Ich weiß. Das sagen Papa und Mama auch ständig. Aber ...“
„Aber es ist halt so langweilig“, versuche ich schmunzelnd seinen abgebrochenen Vortrag zu ergänzen. „Richtig?“
Toni nickt und blickt verlegen zur Seite.
„Aber das ist ja eh nix Neues. Was du auf dem Herzen hast, ist, vermute ich jetzt, ganz was anderes. Ja?“
„Ja. Ja eben. Du weißt doch, dass meine Nachhilfelehrerin die Frau Hochholdinger ist. Und die ...“
„Ist furchtbar streng zu dir, weil du so wenig übst?“
„Aber nein. Im Gegenteil. Sie ist furchtbar lieb zu mir, weil ...“
„Weil du so brav bist und fleißig übst?“
Toni grinst mich verlegen an und bleibt stumm.
„Oder weil du so ein fescher Bursch bist?“
Toni wird schlagartig knallrot.
„Aha, mir scheint, ich hab ins Schwarze getroffen. Richtig?“
Toni nickt, bleibt aber stumm.
„Und sie ist eine fesche junge Frau?“
„Fesch? Ja, schon. Aber jung? Nein. Sie ist viel älter als ich.“
Ich kichere belustigt. „Du meinst: Viel zu alt für dich?“
Tonis Wangen glühen. „Aber sie ist doch verheiratet. Wie kann sie da ...“
Wieder bricht er ab, ohne seine schöne Rede zu Ende zu bringen.
„Und du willst jetzt von mir wissen, wie du dich verhalten sollst?“
„Du hast es erraten. Ob es sehr verwerflich ist, wenn ich ... wenn sie mich ...“
„Ich verstehe. Aber zuerst sagst du mir, ob es dir sehr unangenehm ist, wenn sie dich ... wenn sie furchtbar lieb zu dir ist.“
„Unangenehm? Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil ...“
„Aha. Und jetzt willst du sicher von mir wissen, was ich an deiner Stelle täte ... oder sagen wir besser, getan hätte. Du wirst mir’s vielleicht nicht glauben, aber ich war auch einmal jung. Also dann, hör zu.“
So plauderte ich mit Toni, meinem Enkel, einem, wie gesagt, feschen jungen Mann. Wir machten gerade einen gemütlichen Spaziergang zu zweit entlang der Salzachpromenade in Salzburg. Dort weilte ich zurzeit auf Besuch bei seinen Eltern, die von seiner Eroberung nichts wissen durften. Ich selber wohnte seit ewigen Zeiten in Leoben in der Steiermark. Mein eigenes Elternhaus stand allerdings in Graz, und meine Gymnasialzeit verbrachte ich in Feldkirch, der westlichsten Stadt Österreichs, und dort im Kolleg Stella Matutina, einer berühmten Bildungsanstalt der Schweizer Jesuiten, seit diese aus ihrer Heimat vertrieben worden waren und in Österreich Zuflucht gefunden hatten. (Unterdessen sind sie in der Schweiz wieder zugelassen. Die Stella Matutina hatten sie freilich nicht in ihr Land zurückgeholt, sondern kurzerhand geschlossen.)
Also hör zu, mein lieber Toni. Als ich ungefähr so alt war wie du jetzt, besuchte ich eine Vorarlberger Internatsschule und genoss ab der fünften Klasse Französischunterricht. Und wenn ich sage: ich genoss, so meine ich das nicht im Geringsten ironisch. Denn gerade im Vergleich zu anderen Fächern wie Mathematik – jawohl, mein lieber Toni, ich war auch kein großer Freund der Mathematik – also, im Vergleich zu anderen Fächern war der Unterricht in Französisch für mich ein echter Genuss. Aber nicht etwa, weil die französische Grammatik so genussvoll wäre. Nein, genussvoll war der Unterricht als solcher. Außerdem hatte ich im Zeugnis regelmäßig ein Sehrgut. Und das, obwohl ich es zugegebenermaßen nicht immer wirklich verdient habe. Wenn dich die Eltern wieder einmal wegen deiner Faulheit rügen, kannst du ruhig sagen: Das ist ein Erbteil von meinem Opa.
Französisch unterrichtete eine charmante junge Französin. Na gut, so sage ich heute. Damals empfand ich sie genauso alt wie du deine Nachhilfelehrerin. Ihr Charme allerdings war unverkennbar, sogar für uns Jungspunde.
Nur war das mit dem Charme leider ein zweischneidiges Schwert. Mademoiselle Guillemin verteilte ihn nämlich nicht gleichmäßig über alle. Weder ihren Charme noch ihre Gunst oder ihr Wohlwollen, oder wie ich’s nennen soll. Und falls du wissen möchtest, wem sie die meiste Gunst schenkte, so lautet die Antwort: Ausgerechnet mir. Frag mich nicht, warum. Ich wüsste es nicht. Na ja, natürlich war ich damals so ein fescher Bursch wie du heute. Aber das waren viele andere auch. Faktum ist: Ich war ihr Liebling – ich meine, ihr Lieblingsschüler. Nur erregte ich dadurch leider den Neid der anderen, die sich verständlicherweise benachteiligt fühlten. Klar ist aber auch, dass ich dafür büßen musste. Raufhansl war ich keiner, wurde aber oft genug Opfer von Raufhansln, sprich, musste mich verprügeln lassen. Das blieb Mademoiselle Guillemin auf die Dauer nicht verborgen. Und da glaubte sie mich trösten zu müssen.
Ihr Trost war unerwartet süß.
Und das kam so. Ich war ein begeisterter Radlfahrer und hatte mir darum mein Radl – auf „Stella-Dütsch“ hieß es übrigens Velo – mein Velo hatte ich also von daheim nach Feldkirch mitgenommen. Und da kam es wiederholt vor, dass ich auf der Straße Mademoiselle Guillemin begegnete und mich verpflichtet fühlte, anzuhalten und sie zu grüßen. Sie grüßte jedes Mal freundlich zurück und lud mich ein, sie bis zu ihrem Domizil zu begleiten.
Dort angekommen, fragte sie mich eines schönen Tages, ob ich nicht auf einen Sprung mit hineinkommen möchte. Kann man eine solche Einladung, noch dazu von der eigenen Lehrerin, ausschlagen? Nein, kann man nicht.
Es gab eine köstliche Jause mit Kakao und selbstgebackener Sachertorte. Und da sprach sie die geflügelten Worte: „Sagen Sie, Gérard“ (So nannte sie mich auf Französisch statt Gerhard. Und: In Frankreich sprechen die Lehrer ihre Schüler schon ab zehn, elf Jahren mit Sie an.) Also noch einmal: „Sagen Sie Gérard, möchten Sie mich nicht öfter einmal besuchen kommen? Das würde mich sehr freuen. Und dann könnten wir gemeinsam französische Konversation betreiben. Wäre das nicht eine tolle Gelegenheit für Sie, Ihre Kenntnisse zu verbessern?“
Und während sie das sagte, lächelte sie mich freundlich an und legte ihre Hand auf meinen Arm. Diese nette Geste machte mich, wie du dir vorstellen kannst, ganz kribbelig und rief in mir nie gekannte Gefühle hervor.
Wahrscheinlich, so sagte ich mir nachher, fühlt sie sich hier in der Fremde, noch dazu unter lauter hochwürdigen Herren, einsam und verlassen und freut sich, wenn wenigstens Schüler sie besuchen, um mit ihr Konversation zu betreiben und und sich von ihr bewirten zu lassen.
Nur wenige Tage später stand ich daher erneut vor ihrer Tür und wurde mit sichtlicher Begeisterung empfangen. Wieder wurde ich mit Kakao und Sachertorte bewirtet. Und wieder legte sie ihre Hand auf meinen Arm, natürlich mit demselben Effekt wie zuletzt, und lächelte mich unverwandt an, sodass mir vor Verlegenheit das Blut ins Gesicht schoss. Schließlich – und das war nun neu – nahm sie meine Hand und lotste mich, aufmunternd lächelnd, zur Couch. Dabei kam ihr Kopf dem meinen nahe, und ich roch den lieblichen Duft ihrer Haare. Ich staunte auch über die unglaubliche Weichheit ihrer Hand, und mich durchflutete ein wunderbares Wärmegefühl.
Sie ließ mich auf der Couch Platz nehmen und setzte sich neben mich. Nun aber war das so eine Couch, in die man sich, wie damals üblich, förmlich fallen lassen musste, weil sie so niedrig war. Die Folge war, dass der Saum ihres Kleides weit über die Knie hinaufrutschte – eine kleine Katastrophe, denn weibliche Knie hatten damals unbedingt bedeckt zu sein. Und wann immer das Missgeschick passierte, dass sie sichtbar wurden, legten die Frauen größten Wert darauf, das Kleid oder den Rock augenblicklich wieder über die Knie zu ziehen, egal, ob diese nackt oder bestrumpft waren. Mademoiselles Knie waren nackt. Verständlich, denn es war ein ungewöhnlich warmer Herbsttag.
Sie begann auch sofort, aber mit wenig Erfolg am Saum ihres Kleides herumzuzupfen, während ich selbst von diesem Anblick total fasziniert war. Es war, als sende er eine geheime Botschaft an einen Bereich in mir, der mir bisher verschlossen gewesen war und sich soeben einen winzigen Spalt weit geöffnet hatte.
Mademoiselle merkte das natürlich. „Oh, entschuldigen Sie, lieber Gérard. Aber was soll man machen, wenn die Couch so verdammt niedrig ist? Versuchen Sie halt meinen Fauxpas zu übersehen.“
Normalerweise hätte ich vor Verlegenheit geschwiegen und wahrscheinlich sogar weggeschaut. Doch die vorhin erwähnte geheime Botschaft muss irgendetwas in mir aufgewühlt haben. Anders kann ich mir meine Antwort nicht erklären.
„Wieso?“, murmelte ich. „Das ist doch kein Fauxpas. Sie können ja nichts dafür. Und im Übrigen finde ich den Anblick irrsinnig schön.“
„Schön? Ist das Ihr Ernst?“
Jetzt wurde ich mit einem Mal übermütig. „Na freilich“, erwiderte ich eifrig. „So was Schönes sieht man nicht alle Tage. Speziell in der Stella Matutina.“
Da bekam Mademoiselle einen richtigen Lachanfall, offenbar wegen meiner Erwähnung der Stella Matutina, eines reinen Männervereins, und gab die aussichtslosen Versuche auf, ihre Knie wieder zu bedecken. Sie zog ihre Hand von dort ab und schlang sie – jetzt staunte ich aber wirklich – schlang ihren Arm um meine Schulter, drückte mich an ihre Schulter und küsste mich auf die Wange. Verblüfft blickte ich sie an und musste aus unerfindlichen Gründen kichern. Und da küsste sie mich noch einmal, diesmal aber auf die Lippen. Worauf meiner Kehle ein genießerisches „Mmm“ entkam. Einen solchen Kuss hatte ich mein Lebtag nicht erlebt. Unbeschreiblich süß fühlte er sich an, süßer als die Sachertorte – so süß, dass mich unverhofft der Hafer stach und ich sie kurzerhand meinerseits auf die Lippen küsste.
Für eine solche Respektlosigkeit bat ich sie zwar sofort kleinlaut um Verzeihung. Sie aber schüttelte nur wortlos den Kopf und küsste mich ein weiteres Mal. Und dieser Kuss war noch süßer als der erste. Vor stummem Entzücken glaubte ich zu vergehen, zumal mir gleichzeitig bewusst wurde, dass inzwischen, Absicht oder nicht, Zufall oder nicht, ihr nacktes Knie mein nacktes Knie berührte. (Ich hatte, wie stets an warmen Tagen, meine Lederhose an.)
An Konversation oder dergleichen war nicht mehr zu denken. Auch Mademoiselle blieb stumm, blickte mich mit großen Augen an wie eine übernatürliche Erscheinung, und ich blickte sie an wie eine übernatürliche Erscheinung.
„O Gérard“, flüsterte sie schließlich, „was hast du nur mit mir gemacht?“
Antworten konnte ich ihr nicht. Meine Zunge war gelähmt.
„Gérard, nenn mich doch einfach Lucile. Und wir wollen Du zueinander sagen wie zwei Liebende, ja? Aber nur hier. Nicht in der Öffentlichkeit. Hörst du?“
Ich konnte nur nicken.
„Und komm, küss mich noch einmal“, fuhr sie fort und wartete zum Glück nicht, bis ich ihrer Aufforderung nachkam, sondern küsste mich ihrerseits in einer Weise, die ich bisher nur aus amerikanischen Filmen kannte. Denn es war nicht nur ein leidenschaftlicher, nicht enden wollender Kuss, sondern auch, was man in den Filmen nicht sehen kann, ein Zungenkuss. Ich hatte gar nicht gewusst, dass es so was überhaupt gibt. Ich hatte es mir nicht einmal vorstellen können. Ihr Heutigen seid darüber bestimmt weit besser aufgeklärt, gell?
„Gérard, je t’aime“, hauchte sie mit atemloser Stimme. „Gérard, ich liebe dich.“
„Mademoiselle, ich Sie auch“, stammelte ich, um mich sogleich zu korrigieren: „Ah – Lucile, ich liebe dich auch.“
„Das ist schön zu hören. Ich liebe dich schon lange“, hauchte sie, schlang ihre andere Hand um meine andere Schulter und zog mich so stürmisch an ihre Brust, dass ich um mein Gleichgewicht fürchten musste und dringend eine Stütze brauchte, um nicht unversehens auf den Fußboden zu purzeln. Und wo landete meine Hand? Ausgerechnet auf ihrem Knie – nein, auf ihrem Schenkel. Der Saum ihres Kleides war mittlerweile wie von Zauberhand noch weiter hinaufgerutscht. Normalerweise hätte ich meine vorwitzige Hand natürlich auf der Stelle weggezogen wie von einer heißen Herdplatte oder einem hochheiligen Gegenstand, den nur Eingeweihte berühren dürfen. Aber das tat ich nicht. Dabei war, was meine Hand da jetzt berührte, ganz offenkundig ein hochheiliger Gegenstand. Genau so fühlte er sich an: hochheilig, himmlisch, weich, glatt, unbeschreiblich zart, und seine Berührung bereitete mir höchstes Entzücken, versetzte mich beinah in einen Rauschzustand.
Doch der unglaublichen Überraschungen war kein Ende. Mademoiselle – ach nein, jetzt war sie ja für mich Lucile – also, Lucile griff nach meiner Hand auf ihrem Schenkel und schob sie zuerst nach innen, zwischen beide Schenkel, wo die nackte Haut noch hochheiliger war, und dann nach oben – so weit nach oben, dass die Hand den höchsten Punkt erreichte; in der Kunstgeschichte würde man hier von einem Zwickel sprechen. Mit anderen Worten, meine Finger landeten unversehens an der geheimsten und hochheiligsten Stelle von Luciles Körper, die ich von Rechts wegen nie und nimmer hätte sehen, geschweige denn berühren dürfen. Jetzt roch ich auch ihren eigenartigen Geruch und fand ihn äußerst erregend. Umgekehrt versetzte mich der Umstand in Panik, dass sie, diese hochheiligste Stelle, überraschend feucht war. Natürlich versuchte ich nach der ersten Schrecksekunde, während der ich zu keiner Reaktion fähig war, meine Hand sofort zurückzuziehen. Das ging aber nicht. Luciles Hand hielt sie fest, veranlasste sie sogar, die feuchte Stelle zu streicheln, als würde ihr das einen Genuss bereiten. Dabei begann sie zu seufzen und zu stöhnen. Hieß das, es tat ihr weh? War sie eine Masochistin?
Nein, anscheinend doch nicht. Denn sie ließ meine Hand wieder los und flüsterte mir ins Ohr: „Bitte nicht aufhören! Das tut so wohl.“
Das tut wohl? Kaum zu glauben.
„Nur nicht so grob, bitte! Ja, so. Mmm!“
Die Stelle, die ich streicheln sollte, erwies sich als längliche Furche. Sie erinnerte mich an einen Mund. Ich entdeckte sogar so eine Art von Lippen und hinten zwischen diesen eine Art Rachen oder Schlund, der in die Tiefe zu führen schien. Und zuletzt entdeckte ich ganz vorn so was wie ein Knöpfchen, dessen Berührung Lucile, aus ihren Reaktionen zu schließen, besonders wohl tat.
Und: Neue, ganz und gar unglaubliche Überraschung. Lucile hob ihren Po an und schob sich das Kleid so weit hinauf, dass besagter Po plötzlich frei vor meinen Augen dalag. Unterhose, oder wie das bei den Frauen heißt, war keine zu erkennen. Danach knöpfte sie ungeniert mein Hosentürl auf, schob die Hose, zusammen mit der Unterhose, hinunter und zog mir kurzerhand beides aus. Das empfand ich zwar im ersten Moment als große Erleichterung. Denn mein Glied, also mein Penis, war inzwischen groß und steif geworden (das Wort erigiert war mir noch unbekannt) und dadurch eingezwängt gewesen. Nun war er freigelegt und konnte sich ungehemmt aufrichten wie ein Kanonenrohr. Doch nun glaubte ich vor Scham zu vergehen. So was hat es doch noch nie gegeben: mein groß gewordener Penis vor den Augen einer Frau, noch dazu meiner eigenen Lehrerin. Wie peinlich!
„Bitte nicht aufhören!“, flüsterte mir Lucile ins Ohr.
Vor Scham, Verwirrung und Entsetzen hatte ich anscheinend unwillkürlich aufgehört, die hochheiligste Stelle ihres Körpers zu liebkosen. Nur schaffte ich‘s nicht gleich, die Liebkosung wiederaufzunehmen. Denn Lucile fing jetzt an, mit ihren Fingern meinen Penis zu bearbeiten. Und der reagierte darauf sofort, indem er womöglich noch größer wurde und mir süße, unbekannte Gefühle vermittelte. Nein, unbekannt stimmt nicht. Mit solchen oder ähnlichen Gefühlen wachte ich nachts neuerdings häufig auf, während mein ähnlich angeschwollener Penis irgendeine klebrige Flüssigkeit ausspritzte und mein Nachthemd besudelte – eine überaus peinliche Geschichte. Und sowieso wurden die süßen Gefühle jedes Mal sofort von Ärger, Scham und Verwirrung abgelöst. Ob es anderen Buben oder Männern auch so geht? Niemand hatte mir erklärt, wie diese nächtlichen Katastrophen zu verhindern wären.
Nun aber zurück zu Lucile. Sie hatte also meinen steifen Penis freigelegt und liebkoste ihn. Ach was, nennen wir ihn doch endlich so, wie ihn auch Goethe nennt: Schwanz. Bald jedoch spreizte sie ihre Beine, schob mich zwischen sie, lenkte meinen Schwanz in genau jene Furche und begann diese mit ihm zu streicheln. Und das tat nicht nur ihr sichtlich ungemein wohl, sondern auch mir. Nur, wohin jetzt mit meinen Fingern? Nach einigem Überlegen beschränkte ich mich halt auf jenes Knöpfchen, dessen Berührung Lucile besonders wohl zu tun schien. Und jetzt schämte ich mich auch nicht mehr, konnte an gar nichts anderes mehr denken. Ich schwebte in himmlischen Sphären. Mir kochte das Blut. Noch mehr als mir schien ihr das Blut zu kochen. Sie gebärdete sich immer wilder, immer leidenschaftlicher, immer ekstatischer. Ihr Seufzen und Stöhnen wurde immer intensiver, immer erregter, immer mitleiderregender. Aber ich merkte schon, dass da kein Mitleid angebracht war. Und immer wieder flüsterte sie: „Ich liebe dich, Gérard. O Gérard, ich liebe dich. Oh, wie ich dich liebe!“
Zuletzt geriet sie vollends in Ekstase. Sie bohrte ihre Fingernägel in mein Hinterteil und biss mir ins Ohr. Ihr Seufzen und Stöhnen wurde zusehends zu einem Keuchen, ja fast zu einem Röcheln, als läge sie in den letzten Zügen. Und nun wurde mir tatsächlich angst und bang. Einigermaßen getröstet fühlte ich mich andererseits angesichts ihrer glückseligen Miene. Mit einem Mal verstummte sie und lag wie eine süß Träumende, jedoch mit offenen Augen schweigend da, ohne meinen Schwanz loszulassen, aber auch, ohne ihn zu liebkosen. Währenddessen beruhigten sich ihre Atemzüge langsam wieder.
Lange lag sie so unter mir. Dann erwachte sie aus ihrer Verzückung, küsste mich mit ungeheurer Leidenschaft, bugsierte mit der einen Hand meinen Schwanz über den Eingang zu jenem heißen Schlund, der in die Tiefe führte, und – jetzt kommt’s – und drückte mit der anderen Hand so fest auf mein Hinterteil, dass er langsam in dem Schlund versank. Er versank darin bis zum Anschlag, wenn ich so sagen darf. Abermals begann mir das Blut zu kochen, abermals schwebte ich in himmlischen Sphären; nur war das Schweben jetzt unvergleichlich lustvoller als vorhin, als sich mein Schwanz noch außerhalb des heißen Schlunds befunden hatte. Trotz allem entging mir nicht, dass auch Lucile erneut von wilder Lust gepackt wurde und erneut in ekstatisches Seufzen und Stöhnen ausbrach. Und dieses wurde immer schlimmer – na, sagen wir, immer leidenschaftlicher. Und dann überkam mich unverhofft eine Art von ekstatischer Verzückung, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich hätte schreien, jauchzen, jubeln, triumphieren mögen. Aber ich tat es nicht. Wahrscheinlich hatte mich die pure Überraschung stumm gemacht. Oder vielleicht entkamen mir auch irgendwelche tierischen Laute, ohne dass ich es bemerkte – ich weiß es nicht.
Der Himmel besteht, so haben wir’s gelernt, aus sieben Sphären. Wenn ich zuvor zweimal in himmlischen Sphären geschwebt war, so waren das sicher nur die erste oder zweite Sphäre, höchstens noch die dritte. Nun aber schwebte ich wohl in der höchsten, der siebenten Sphäre, das heißt, im siebenten Himmel. Anders kann ich meine Ekstase nicht beschreiben. Übrigens spürte ich gleichzeitig, wie mein aufs Höchste angespannter Schwanz, ähnlich wie bei meinen nächtlichen Katastrophen, auf einmal jene merkwürdige klebrige Flüssigkeit ausspritzte, nun aber nicht in mein Nachthemd, sondern in Luciles Körper. Sie muss es gespürt haben, denn sofort übermannte sie dieselbe Ekstase, von der sie schon vorhin übermannt worden war. Und wieder seufzte und stöhnte und keuchte und röchelte sie, als läge sie in den letzten Zügen. Nur, dass mir nun nicht mehr angst und bange wurde. Sie biss mir auch wieder ins Ohr, diesmal zum Glück ins andere, und bohrte ihre Fingernägel in mein Hinterteil, ehe sie abermals verstummte und lange Zeit vor sich hinzuträumen schien.
Eine solche Traumphase erlebte ich nach meiner Ekstase auch, nur dauerte sie um vieles kürzer als die von Lucile. Außerdem lenkte mich mein Schwanz ab. Der begann nämlich ziemlich bald zu schrumpfen und schlüpfte zu meinem Bedauern ganz von selbst aus ihrer heißen und freudespendenden Höhle. Irgendwann erwachte auch Lucile aus ihrer Träumerei, schenkte mir ein unbeschreiblich süßes Lächeln und küsste mich so wild – fast hätte ich gesagt: wie eine Furie. Und überhäufte mich mit den allerschönsten französischen Liebesschwüren.
Aber schließlich mussten wir auch wieder an profanere Dinge denken. Wir stiegen von der Couch und übersiedelten ins Badezimmer, um uns in einer Waschschüssel zu reinigen. Hier gab es für meine Augen ein großes zusätzliches Vergnügen: Lucile entkleidete sich vollständig und stand zu meinem Entzücken nun in ihrer ganzen Schönheit vor mir wie eine griechische Liebesgöttin. Und wer sagt, dass bloß meine Augen ein solches Vergnügen genießen dürfen? Nach einigem Zögern gewährte ich es auch meinen Händen und konnte feststellen, dass nicht nur Luciles Schenkel hochheilige Gegenstände waren. Als hochheilig, himmlisch, weich und glatt und unbeschreiblich zart erwies sich Luciles nackte Haut von Kopf bis Fuß, und ihre Berührung bereitete mir und meinen Händen höchstes Entzücken, versetzte mich beinah in einen Rauschzustand. Und verzauberte mein kleines, eben erst geschrumpftes Schwänzlein im Nu in ein drohend emporgerichtetes Kanonenrohr.
Dieser unerwartete Anblick verzauberte seinerseits Lucile, die Liebesgöttin. Sie riss die Augen auf, stürzte sich auf mich, riss mir die restliche Kleidung vom Leib und setzte mich auf den daneben stehenden Badhocker. Sie selber setzte sich rittlings auf meinen Schoß, küsste mich, griff nach meinem „Kanonenrohr“ und verbarg es erneut in ihrer heißen und jetzt besonders feuchten Höhle. Sie blieb aber nicht ruhig darauf sitzen wie an einem Schreibtisch, sondern machte durch immer leidenschaftlichere Bewegungen mir und meinem Schwanz denkbar große Freude. So leidenschaftlich wurden sie, dass er einmal sogar heraussprang und von Luciles Fingern zurückgeholt werden musste. Doch ehe er ein zweites Mal herausspringen konnte, passierte das, was sich Lucile zweifellos erhofft hatte: Er explodierte erneut und bewirkte all die für mich so neuartigen, faszinierenden Vorgänge, die wir vorhin schon auf der Wohnzimmercouch erlebt hatten.
Und erst danach war Zeit und Gelegenheit für eine spartanische Waschung in der Waschschüssel.
Ja, mein lieber Toni, so hat mich eine erfahrene Frau in die Geheimnisse der Liebe eingeweiht. Und dafür bin ich ihr mein ganzes Leben lang dankbar gewesen. Denn ich kann mir vorstellen, dass es kein reines Vergnügen sein kann, wenn, wie es ja die katholische Kirche empfiehlt, nein, vorschreibt, wenn also zwei junge Leute die Hochzeitsnacht begehen wollen, und beide haben null Erfahrung. Das kann auch für das spätere Zusammenleben kein rechter Segen sein.
Nun darfst du aber nicht glauben, dass ich schon nach diesem einen Schäferstündchen ein Meister in der Kunst des Liebens gewesen bin. Du weißt ja: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Im Übrigen waren unsere gegenseitigen Liebesbeteuerungen keine Heuchelei, kein Bluff, keine Vortäuschung falscher Tatsachen, auch die meiner lieben Lucile nicht. Sonst hätte sie mich nicht monatelang, ja jahrelang immer wieder eingeladen, nein, gebeten, nein, angefleht, sie zu besuchen, und mit mir wundervolle Schäferstündchen zelebriert, wohl wissend, dass sie sich damit auf dünnes Eis begibt. Was sie mit mir machte, nennt die kalte Juristensprache Unzucht mit Abhängigen und ist bekanntlich strafbar. Also mussten wir beide allergrößte Vorsicht walten lassen, und ich konnte sie höchstens einmal im Monat besuchen, oft auch nur einmal in zwei Monaten. Und in den Ferien trennten uns sowieso über tausend Kilometer: ich daheim in Graz, und sie daheim in Nantes, im Westen Frankreichs. Heikel waren auch die Unterrichtsstunden mit ihr. Da durfte ich sie natürlich auf keinen Fall Lucile nennen, sondern nur Mademoiselle la Professeur, und auch sonst keine Vertraulichkeiten erkennen lassen. Und sie bemühte sich sichtlich, meine Bevorzugung als Lieblingsschüler nicht allzu offensichtlich werden zu lassen (und den Neid meiner Mitschüler zu dämpfen).
Und ob du’s glaubst oder nicht: Wir verrieten uns nicht. Unser Geheimnis blieb unentdeckt. Dabei währte unsere Beziehung fast zwei Jahre. Leider nicht länger. Denn das Geheimnis, das uns verband, hätte sich um ein Haar selbst verraten.
Es geschah während der zweiten Sommerferien. Da erhielt ich einen langen Brief aus Frankreich, und darin teilte mir Lucile mit, der Heilige Geist sei über sie gekommen, und aus diesem Grund könne sie zu ihrem großen Bedauern nicht mehr an die Stella Matutina zurück. Mich habe sie sehr geliebt, und sie werde mir ihr Leben lang nachtrauern. Aber ich möge mich zu nichts verpflichtet fühlen. Und möge nie versuchen, sie zu finden. (Ein Verlangen, das ich, wenn auch ungern, immer respektiert habe.)
Ja, das, mein lieber Toni, wollte ich dir erzählen. Wenn du willst, kannst du daraus die richtigen Schlüsse ziehen.
Ach ja, eines wollte ich noch sagen: Auch ich habe Lucile mein Leben lang nachgetrauert. Sie war meine erste Liebe und ist es noch und wird es immer bleiben.
Texte: Karl Plepelits
Cover: Von David Monniaux - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=131829
Tag der Veröffentlichung: 28.08.2021
Alle Rechte vorbehalten