Gibt es etwas Traurigeres, als eine tolle Frau kennenzulernen, sich unsterblich in sie zu verlieben und abgöttisch von ihr geliebt zu werden – und dann auf sie verzichten zu müssen, weil sie schon verlobt ist? (Und weil man zu allem Überfluss selber schon verheiratet ist?)
Solches erlebte ich einmal in jungen Jahren. Ich fungierte als Lehrer und Erzieher in einem sogenannten rural centre, einem Ferienheim inmitten von Wiesen und Wäldern im südenglischen Dörfchen Ewhurst, wo Native Speakers englische und österreichische Schüler in ihren Kenntnissen der jeweils anderen Sprache festigen sollten.
Die Lehrerschaft zerfiel in sechs Männlein und sechs Weiblein. Fast hätte man auf die Idee kommen können, der Veranstalter habe darauf geachtet, dass bei einer eventuellen Paarbildung keiner übrig bleibt und in Depressionen verfällt.
Das war jetzt natürlich ein Scherz. Aber falls sich das tatsächlich jemand ausgedacht haben sollte, so hatte er es sich schlecht ausgedacht. Denn so sehr die Paarbildung selbst durch das enge Zusammenleben in einem solchen Heim gefördert wird, so schwierig wäre es für ein Pärchen, einen geeigneten Ort zu finden, wo sie ungestört das tun könnten, was Liebespaare so zu tun pflegen. Es gab nämlich keine Einzelzimmer. Wenigstens gab es einen Gemeinschaftsraum. In ihm hockten abends, nach getanem Tageswerk, alle zwölf bei einem Bierchen noch ein Weilchen zusammen, um zu plaudern. Nur, was mich betrifft, so hatte ich nicht die leiseste Absicht, mich an einer Paarbildung zu beteiligen. Schließlich hatte ich daheim schon eine Ehefrau, die ich heiß und innig liebte.
Ja, so dachte ich. Aber wie heißt es so schön? Der Mensch denkt, Gott Eros lenkt.
Womit ich nämlich nicht gerechnet hatte, das waren meine männlichen Kollegen. Die wussten nichts Besseres, als um eine verführerische Grazie mit extrem kurzem Minirock herumzuscharwenzeln. Das fing sogleich am ersten Abend an. Und da taten mir die anderen Kolleginnen einfach leid. Sie mussten sich ja wie Ausgestoßene fühlen. Ich hatte nicht übel Lust, mit denen ein wenig zu schäkern.
Und das versuchte ich dann auch. Nur, wie soll man mit fünf Hübschen gleichzeitig schäkern? Also beschränkte ich mich schließlich auf eine von ihnen, eine Engländerin namens Dorothy, und merkte zu meiner Überraschung, dass auch sie ein überaus charmantes und anmutiges Geschöpf war, nur eben mit einem knielangen Kleid. Wieso fiel das den anderen Mannsbildern nicht auf? Das verstehe, wer will. So angeregt unterhielt ich mich mit Dorothy, dass ich kaum merkte, wie die übrigen Kollegen und Kolleginnen der Reihe nach aufstanden und sich zurückzogen, sodass zuletzt wir zwei alleine übrigblieben.
Unterdessen waren wir uns merklich nähergekommen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, und vom englischen Stout light-hearted geworden. Zögernd tranken wir aus, zögernd standen wir auf, um ins Bett zu wandern, jeder in das seine, blickten uns mit großen Augen und geröteten Wangen an. Warum zögerten wir, den anderen zu folgen? Im nächsten Augenblick fielen wir übereinander her und begannen uns mit rasender Leidenschaft zu küssen; ich könnte nicht sagen, wer angefangen hat.
Nur, wohin jetzt? Allein waren wir zwar momentan. Nur wartete hier kein Bett, keine Couch, nicht einmal eine Bank auf Liebende. Aber darüber zerbrach ich mir nur äußerst kurz den Kopf. Denn meine vorwitzigen Finger waren nach kurzem Zwischenstopp auf Dorothys süßem Po in immer tiefere Regionen geraten und landeten schließlich am Saum des knielangen Kleides. Darunter ertasteten sie blanke, nackte, zarte Haut, die sich nach oben fortsetzte und immer blanker, nackter, zarter wurde. Und dann stießen sie auf ein überaus feuchtes Höschen und fanden darunter einen heißen See. Wie hätte ich da noch an die Frage denken sollen, ob der Gemeinschaftsraum ein geeigneter Ort ist oder nicht? Die Sinne waren mir, in Homers Worten, längst von süßem Verlangen umhüllt, und ich begann nur noch an eins zu denken: Wie könnte man’s anstellen, um die Finger (griechisch gesagt) durch meinen Phallus zu ersetzen? Schon längst spürte ich, wie beengt er sich in meiner Hose fühlte und wie sehr er nach einem Bad im heißen See lechzte. Dorothy tat nichts, um ihn aus seiner misslichen Lage zu erlösen, sondern klammerte sich krampfhaft an mich und stöhnte schauderhaft. Das Stöhnen sollte sie sich lieber verbeißen, dachte ich. Es könnte uns leicht verraten, und das wollen wir doch beide nicht. Aber auch diesen Gedanken hatte ich im nächsten Augenblick vergessen.
Also noch einmal: Wie könnte man’s anstellen? Doch ehe sich noch meine Frage geklärt hatte, beantwortete sie sich von selbst. Dorothy stöhnte nicht nur immer schauderhafter, sondern klammerte sich auch immer krampfhafter an mich. Und dann verlor sie irgendwie das Gleichgewicht, sank zu Boden, riss mich mit.
Nun handelte ich rasch und entschlossen. Ihr schob ich das Kleid hinauf und befreite sie vom Höschen, mir riss ich Hose und Unterhose herunter, und schon hinderte (englisch gesagt) meinen cock nichts mehr, lustvoll in den heißen See und weiter bis zu dessen tiefstem Grund zu tauchen und dort so lange auszuharren, bis sich Dorothys Stöhnen wohl zu einem wilden Gebrüll gesteigert hätte, hätte ich ihr nicht in weiser Voraussicht rechtzeitig den Mund zugehalten.
Dies alles lenkte mich so sehr von meinem eigenen süßen Verlangen ab, dass es (um es auch einmal auf Deutsch zu sagen) meinem Schwanz vergönnt war, ungewöhnlich lange auszuharren und Dorothy noch einen zweiten Orgasmus zu ermöglichen. Im selben Augenblick wurde ich selber von der Ekstase übermannt und konnte darum an nichts anderes mehr denken, nicht einmal daran, ihr den Mund zuzuhalten. Doch Gott Eros sei gelobt und gepriesen: Es war gar nicht nötig. Sie dachte jetzt von selbst daran, ihr Brüllen zu unterdrücken. Sie beschränkte sich darauf, heftig zu schnaufen und mich kräftig ins Ohr zu beißen, und brach hierauf in hemmungsloses Kichern aus. Und auch dieses war gebührend gedämpft. Danach küsste sie mich, dass es eine Freude war und mir beinah den Atem benahm, und bereicherte meinen englischen Wortschatz enorm, indem sie mir die tollsten Liebesschwüre in das zuvor gebissene Ohr flüsterte.
Nachdem wir hastig unsere Kleidung wieder in Ordnung gebracht hatten, verriet sie mir, dass sie sich unsterblich in mich verliebt habe. Aber leider sei sie schon verlobt. Nur könne sich ihr Verlobter erstens mit mir nicht messen, und zweitens sei er rasend eifersüchtig. Daher dürfe niemand von unserem bit of hanky-panky erfahren. Aus demselben Grund dürfe sich dieses unter keinen Umständen wiederholen, so sehr sie es auch bedaure.
Dies bedauerte ich selber über alle Maßen. Denn so sehr ich mir vorgenommen hatte, meiner Frau treu zu bleiben, „bis dass der Tod uns scheidet“, der heutige Abend hatte alle meine schönen Vorsätze über den Haufen geworfen.
So weit also die Ereignisse des ersten Abends im rural centre. Und? Schafften wir’s, Dorothy und ich, unser hanky-panky geheim zu halten? In der Tat, das schafften wir. Und weiter: Schafften wir’s, eine Wiederholung zu vermeiden? Nein, das schafften wir nicht.
Am nächsten Abend war Dorothy ungewöhnlich schweigsam, warf mir wehmütige Blicke zu und zog sich, gemeinsam mit ihrer Zimmerkollegin, recht bald zurück. Wehmütig war mir selbst ums Herz. Ich trauerte. Ich litt. Ja, ich litt an Liebeskummer. Dorothy hatte, in den Worten Sapphos, das Herz mir aufgewühlt, so wie ein Sturm, der vom Berge herab in die Eichen sich stürzt. (Nur dass Sappho hier von einem Mädchen spricht, das ihr das Herz aufgewühlt hat.) Aber: Es darf keine Wiederholung unseres hanky-panky geben.
Tags darauf stand ein Ausflug mit unseren Schützlingen in die nahegelegene Stadt Guildford auf dem Programm. Und dabei ergab sich endlich die heißersehnte Gelegenheit, mit Dorothy zu plaudern, ohne dass uns jemand belauschen konnte. Bitter beklagte sie sich über die Ungerechtigkeit des Schicksals. Zuletzt ließ sie mich mit einer höchst unerwarteten Bemerkung aufhorchen.
„Ich glaube, ich bin nicht stark genug. Wie soll ich meinen Vorsatz durchhalten? Wenn ich daran denke, dass wir noch mehr als zwei Wochen miteinander ... Ich bin jetzt schon völlig fertig. Was rätst du mir, Liebster?“
Ich fühlte mich hin- und hergerissen zwischen Mitleid und Begehren. „Ich weiß nicht recht, was ich raten soll. Vielleicht dies eine: Wir könnten doch einen Kompromiss finden. Ich meine, einen Mittelweg. Wer sagt denn, dass wir nur die Wahl haben: Alles oder nichts? Wie wär’s, wenn wir zum Beispiel nachts im Wald spazieren gehen und plaudern und uns umarmen und küssen und sonst nichts? Was meinst du?“
Dorothy nickte, machte ein feierliches Gesicht. „Hm, ja, wäre eine Idee. Aber du? Wärst du damit überhaupt zufrieden, liebster Benedikt?“
„Aber natürlich, liebste Dorothy. Ich leide ja nicht weniger als du unter dem Entzug deiner Liebe. In welcher Form ich sie genießen darf, ist doch höchst zweitrangig. Wenn ich nur mit dir zusammen sein darf.“
Dorothy wirkte sehr beeindruckt. „Das klingt ja genauso, wie wenn du süchtig wärst.“
„Bin ich ja. Süchtig nach dir. Süchtig nach deiner Liebe.“
„Errätst du, Liebster, was ich jetzt am liebsten täte?“
„Ich glaube schon. Ich dich auch.“
„Und? Können wir gleich heute Abend anfangen? Er verspricht mild zu werden.“
„Abgemacht. Sobald sich die anderen zurückgezogen haben. Oder nein. Viel früher. Ich stehe einfach auf und gehe hinaus und warte auf dich, sagen wir, beim Swimmingpool. Ja?“
„Liebster Benedikt“, hauchte sie, sichtlich beeindruckt, „ich liebe dich.“ Und nun strahlte sie wieder.
Der Abend war sogar ungewöhnlich mild und dazu mondhell. Den gemeinsamen Umtrunk ertrug ich fast nicht mehr. Schließlich trank ich aus, wünschte allen eine gute Nacht, warf Dorothy einen glühenden Blick zu und trollte mich, wanderte hinaus ins Dunkel der Nacht, nein, in den hellen Mondschein, zum Swimmingpool. Und o Jubel, o Freud, schon bald kam Dorothy auf mich zugestürmt und warf sich mir atemlos in die Arme. Wortlos ergriff sie meine Hand und stürmte mit mir weiter in das nächste Waldstück. Dort erst hielt sie in ihrem Sturmlauf inne, umarmte und küsste mich mit einer Heftigkeit, dass mir ganz anders wurde, und flüsterte mir Liebesschwüre ins Ohr, die mich regelrecht verzauberten. Und ehe ich sie erwidern konnte, küsste sie mich neuerlich und klammerte sich so leidenschaftlich an mich, dass es nicht lange dauerte, bis wir, quasi in einem Stück, auf den Waldboden niedersanken.
Im Gegensatz zu unserem hanky-panky im Gemeinschaftsraum blieben wir nicht liegen, um uns zu entkleiden (und so weiter). Zwar waren wir weich gefallen. Der Boden war anscheinend mit Moos oder weichem Gras bedeckt, und keine spitzen Zweiglein stachen uns, und keine Ameisen bissen uns. Aber Dorothy geriet in Panik. Sie stieß mich von sich und rappelte sich hektisch auf, und ich desgleichen.
„Verzeih, liebster Benedikt“, murmelte sie, noch immer atemlos. „Aber du weißt ja ...“
Mit großer Gründlichkeit begann sie meine Kleidung abzuklopfen, offenbar um sie von Tannennadeln oder sonstigen verräterischen Spuren zu reinigen. Sehen konnte man fast nichts. Zwar war es zum Glück nicht völlig finster. Der Mond erhellte die Nacht für alle Liebenden auf dieser Welt oder zumindest in Südengland und streckte seine gespenstischen Finger durch das Blätterdach, soweit es ihnen eben Durchlass gewährte.
Dorothy klopfte mich ab nicht wie eine gestresste Mutter ihr zappelndes Kind, sondern wie ein verliebtes Mädchen ihren Verehrer. Als sie zu meiner Körpermitte gelangte, hielt sie überrascht inne und umfasste beinahe feierlich, was sich dahinter verbarg, ehe die Beine drankamen.
Sobald sie ihr Werk beendet hatte, machte ich mich, angeregt durch diese Aktivität, über ihre eigene Kleidung her und begann diese mit der gleichen Gründlichkeit zu säubern und hatte, gestehe ich gern, viel Freude mit dieser Arbeit, vor allem als ich bei der Brust anlangte und feststellte, dass darunter kein BH zu spüren war, und überdies merkte, dass auch Dorothy mit meiner Säuberungsaktion viel Freude hatte. Dies wieder veranlasste mich, ihre Bluse aufzuknöpfen und nachzuforschen, ob sich Tannennadeln vielleicht unter sie verirrt hatten, zuerst mit den Fingern und dann, der Vollständigkeit halber, mit Lippen und Zunge. Und auch mit dieser Aktion hatte Dorothy viel Freude. Sie begann lustvoll zu stöhnen und küsste mich noch leidenschaftlicher als zuvor.
Unter ihrem knielangen Kleid entdeckten meine Finger Sensationelles: Wenn man der blanken, nackten, zarten Haut auf der Innenseite der Schenkel nach oben folgte, gelangte man zuletzt an eine Stelle, an der wie vorgestern der Saum eines Höschens den weiteren Zugang hätte versperren müssen. Aber diese Stelle fand ich nicht, so sehr ich auch danach suchte. Sondern, und das war eben die Sensation, es gab kein Höschen, und meine Fingerspitzen steckten unverhofft in einem heißen See. Dorothy begann zu zittern, klammerte sich krampfhaft an mich, stöhnte vernehmlich, sodass ich erschrocken meine freie Hand über ihren Mund legte, ohne in der Aktivität meiner anderen Hand nachzulassen. Ich sagte mir: Ihr tut’s gut, und vielleicht kann ich ihr wenigstens so, mit den Fingern, einen Orgasmus ermöglichen, wenn uns schon das Vögeln selbst verwehrt ist. Dann dachte ich, sie müsste sich wenigstens an einen Baum lehnen, wenn sie sich schon nicht niederlegen will. Jetzt steht sie ja stramm wie ein Zinnsoldat, und da wird sie sich schwertun. Doch ehe ich noch etwas sagen konnte, verloren wir das Gleichgewicht und lagen im nächsten Augenblick erneut auf dem weichen Waldboden.
Nur, so geht’s natürlich auch nicht. Sie braucht doch wenigstens eine Unterlage für den Kopf. Also machte ich mich behutsam von ihrer Umklammerung frei, zog meine Hände von ihrem Körper ab, riss mir meine Jacke herunter und legte sie Dorothy unter den Kopf. Sie registrierte es mit sichtlicher Begeisterung. Und um diese noch zu erhöhen, zog ich mir nach kurzem Zögern auch meine Hose aus, knüllte sie bedenkenlos zusammen und stopfte das Knäuel ebenfalls unter Dorothys Kopf, küsste sie liebevoll und ließ meine Hände ihr Werk von vorhin wieder aufnehmen. Und jawohl, das mit dem Niedersinken war eine weise Entscheidung des Liebesgottes. Denn nun erwies es sich als noch wichtiger, Dorothys Mund zu verschließen. Denn ihr Orgasmus kam immer näher. Aber es war wie im Traum: Man sucht verzweifelt ein Ziel zu erreichen und rennt und rennt und erreicht es nie. Ebenso kam Dorothys Orgasmus näher und näher. Aber er erreichte sie nicht, oder sie erreichte ihn nicht, auch nicht, nachdem ich meine Finger durch Lippen und Zunge ersetzt hatte.
Schließlich machte Dorothy dem Trauerspiel selbst ein Ende. Sie entzog mir ihr Geschlecht, rappelte sich auf, küsste mich heftig, befreite mich, nicht ohne Mühe, von meiner Unterhose, legte sich wieder hin, streckte ihre Hand verlangend nach mir aus und flüsterte: „Ach, komm! Komm zu mir! Ich halt’s nicht mehr aus ohne dich. Bitte vergiss, was ich gesagt habe! Ich will dich spüren. I love you madly.“
Das überzeugte mich. Ich beugte mich über sie, und sie küsste mich mit unglaublicher Leidenschaft und zog mich zwischen ihre weichen Schenkel und griff nach meinem Zinnsoldaten und führte ihn an ihr Geschlecht und umklammerte mein Hinterteil und drückte es mit erstaunlicher Kraft zu sich und zugleich den Zinnsoldaten in ihr Geschlecht und bewegte ihr eigenes Hinterteil wie eine Tänzerin in Trance und schmeichelte damit dem Zinnsoldaten und beglückte ihn und trieb seine Lust in immer größere Höhen, bis er schließlich unter Donner und Blitz in ihr explodierte und ich mich sehr zurückhalten musste, um nicht meine Lust hinauszuschreien und die schlummernden Vöglein des Waldes aufzuscheuchen. Und dann zuckte Dorothy so heftig, dass der Zinnsoldat um ein Haar aus seinem heißen Versteck herausgesprungen wäre, und biss mir kräftig ins Ohr, diesmal ins andere, und bohrte ihre Fingernägel in mein Hinterteil und stieß einen gellenden Schrei aus und war danach still und lag lange Zeit wie gelähmt unter mir. Danach begann sie hemmungslos zu kichern und flüsterte mir aufs Neue heiße Liebesschwüre ins gebissene Ohr.
Leider ist auch eine milde Sommernacht in Südengland nicht unbedingt dafür geeignet, längere Zeit halbnackt auf moosigem Waldboden zu liegen, zumal nachdem das innere Feuer mehr oder weniger erloschen ist. Also rappelten wir uns auf, klopften uns, diesmal unter gewaltigem Gekicher, gegenseitig ab, und ich kleidete mich wieder an; Dorothy brauchte ja nur ihr Kleid hinabzustreifen und ihre Bluse zuzuknöpfen. Und so setzten wir uns, eng umschlungen, in Bewegung, durchstreiften das ausgedehnte Landgut des Heims nach allen Richtungen und genossen die Ruhe nach dem Sturm, genauer, frei nach Beethoven, die frohen und dankbaren Gefühle nach dem Sturm und zugleich die süße Zweisamkeit, und Dorothy drängte es, ihr ganzes Leben und vor allem ihren Kummer mit ihrem Verlobten vor mir auszubreiten. Und diese epischen Schilderungen gipfelten in einer hymnischen Beschwörung einer glückseligen Zukunft an meiner Seite, gefolgt von krampfhafter Umarmung, einer wahren Kussorgie und schließlich einer Neuauflage unserer stürmischen Liebesszene auf moosigem Waldboden. Erst danach fanden wir, wiederum durchdrungen von frohen und dankbaren Gefühlen nach dem Sturm, den Weg zurück dorthin, wo wir von Rechts wegen schon längst hingehörten, nahmen zärtlich Abschied voneinander und schlichen uns möglichst geräuschlos, und ohne Licht zu machen, in unser jeweiliges Gemach.
Zu unserem Bedauern konnten wir unser nächtliches Schäferstündchen im Wald nur ein einziges Mal wiederholen. In den übrigen Nächten war unser moosiges Liebesnest entweder zu kalt oder zu feucht (oder beides zugleich). Nachdem wir also mehrere Nächte keusch geblieben waren und uns mehr an süßen Plaudereien berauscht hatten, rückte Dorothy mit einer genialen Idee heraus: Ihre Zimmerkollegin kommt neuerdings immer erst weit nach Mitternacht zurück. Das könnten wir doch ausnützen.
„Und uns in deinem Zimmer ...?“
„Und uns in meinem Zimmer lieben. Was meinst du, Liebster?“
Und was meinte ihr Liebster? Er jubelte (gebührend leise) auf, schleppte Dorothy (heimlich) in ihr Zimmer, vertauschte den weichen Waldboden mit ihrem noch viel weicheren und vor allem wärmeren Bett und machte sie zur glücklichsten Frau der Welt; so versicherte sie mir immer wieder mit verzückter Stimme. Eins war mir freilich trotzdem nicht vergönnt: ihren aphrodisischen Körper zu betrachten. Dass er aphrodisisch war, sagten mir meine Hände, sagte mir mein cock. Aber meine Augen konnten es mir nicht sagen. Sie kamen nicht in den Genuss von seiner Schönheit. Wir wagten es ja nicht, das Licht einzuschalten. Ein nächtlicher Spaziergänger hätte uns bei unserem lustvollen Treiben durchs Fenster zuschauen können. Es gab weder Vorhänge noch Jalousien.
Schlimm war nur, dass uns ständig die Angst im Nacken saß, ihre Zimmerkollegin könnte unversehens hereinplatzen. Dann wäre Dorothy bloßgestellt und müsste befürchten, dass die Sache ihrem Verlobten zu Ohren kommt.
Weit schlimmer war freilich etwas anderes: Je näher der Abschied rückte, umso lockerer saßen ihr die Tränen. Sie fürchtete, so etwas wie ein Kainsmal auf der Stirn zu tragen, und wenn schon nicht auf der Stirn, so doch in ihrem Verhalten. Mir würde sie ja ewig nachtrauern. Und die Aussicht, sich in Kürze von mir trennen zu müssen, schien ihr einen unerträglichen Schmerz zu bereiten. Am liebsten wäre sie mir nach Österreich gefolgt, ohne an ihre Verlobung denken. Es half auch nichts, wenn ich sie darauf hinwies, dass ich verheiratet sei. Sonst wusste ich nicht viel zu sagen, um ihr die unvermeidliche Trennung leichter zu machen. Schließlich hatte ich mich selber schwerstens verknallt.
Und dann war der Tag des Abschiednehmens da. Dorothy hielt sich sichtlich im Zaum, war zwar auffallend ernst, hütete sich aber, ihrem Drang zum Weinen nachzugeben. Doch es gibt ein Abschiedsfoto. Alle, ausgenommen Dorothy, schauen brav in die Kamera. Dorothy hat Augen nur für mich. Und das Gesicht, das sie dabei macht – als ob von Kummer, von Sehnsucht, von Schmerz zerfressen.
Heute noch, nach so vielen Jahren, kommen mir die Tränen, wenn ich das Bild betrachte.
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Texte: Karl Plepelits
Cover: Bild von cocoparisienne auf Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2021
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