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Titelbild

Das Bild zeigt den neugestalteten Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo mit dem erst kürzlich entdeckten Obelisken aus Tanis im Nildelta. Ihn umringen vier widderköpfige Sphingen aus dem Karnaktempel in Luxor. Die Laserstrahlen, welche die Monumente quasi einhüllen, sollen, obwohl kegelförmig gestaltet, offenbar eine Pyramide symbolisieren, so wie ja auch die pyramidenförmige Spitze eines Obelisks, das Pyramidion (griechisch für „Pyramidchen“), eine Pyramide symbolisiert.

Nieder mit dem Pharao!

O Isis und Osiris, welche Wonne, sich dem Zauber eures Landes hinzugeben!

O Amun und Sarapis, welches Glücksgefühl, den Nil entlang zu reisen!

O Ramses und Kleopatra, welche Genugtuung, euer Volk befreit zu wissen von Unterdrückung und Despotenwillkür!

Ägypten ist eine der Wiegen unserer abendländischen Kultur und bietet einzigartige Bedingungen für die Bewahrung von Werten der Vergangenheit. Es war vor 2000 Jahren das erste Touristenziel der Weltgeschichte. Es ist das führende, einflussreichste, bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt, mehr noch, das geistige Zentrum des Orients.

Im Oktober 2011 wurde mir wieder einmal die Ehre und die Wonne zuteil, mit einer ungewöhnlich kleinen, aber interessierten Reisegruppe Ägypten zu bereisen, natürlich in der Hoffnung, dort eine nicht nur nette (und attraktive), sondern auch versierte und verständliches Deutsch sprechende Fremdenführerin zugeteilt zu erhalten.

 

20. Oktober 2011.

Das libysche Volk jubelt: Gaddafi ist tot. Der achtzehntägige, offensichtlich vom tunesischen Vorbild angeregte Aufstand der Ägypter im Jänner und Februar hat in Libyen, Syrien und anderen arabischen Ländern Nachahmung gefunden. Und in Ägypten wurde der Tahrir-Platz in Kairo zur Ikone der Träume Hunderttausender von einer besseren Zukunft – einem demokratischen System, das Mitsprache verheißt, weniger Korruption und weniger Armut, mehr Würde im Alltag.

 

21. Oktober 2011.

Österreich ist frei, rief Außenminister Leopold Figl nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955. Ungeheurer Jubel im ganzen Land, Freudenfeiern allüberall.

Österreich ist frei, rufe ich heute, 56 Jahre später. Und siehe da, es stimmt noch immer. Nur, wo bleibt der Jubel, wo bleiben die Freudenfeiern?

Ja, so ist der Mensch. Wie sagt Harry Mulisch in seinem Romanepos Die Entdeckung des Himmels? Das Glück ist nicht die Freiheit von Ketten, sondern die Befreiung von Ketten. Und damit hat er leider recht. Kaum sind wir von unseren Ketten befreit, ist dieses Glück auch schon vergessen. Es ist uns allzu selbstverständlich geworden. Darum ist es wichtig, sich das Zerreißen, das Abschütteln der Ketten ab und zu in Erinnerung zu rufen. Anlass dazu bot das Jahr 2011 zur Genüge. Denn in der bisher unter den Ketten eines denkbar harten Winters stöhnenden arabischen Welt erwachte unverhofft der Frühling und machte dem Winter die Herrschaft streitig. Nur dachte dieser nicht im Traum daran, kampflos das Feld zu räumen. In Syrien kämpft er noch immer mit äußerster Verbissenheit. In Libyen hat sein Kampf soeben mit dem klassischen Tyrannenmord geendet. Also sprach der französische Revolutionär Bertrand Barère de Vieuzac im Prozess gegen König Ludwig XVI.: Der Baum der Freiheit wächst nur, wenn er mit dem Blut der Tyrannen gegossen wird. In der Tat, so wuchs schon der allererste Freiheitsbaum der Menschheitsgeschichte, gegossen 514 vor Christus in Athen mit dem Blut des Tyrannen Hipparchos, aber auch mit dem der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton selbst, der späteren Säulenheiligen der Athener Demokratie.

Dabei zeichnete sich der Arabische Frühling, zumindest anfangs, durch absolute Gewaltlosigkeit aus; Gandhi hätte an ihm seine Freude gehabt. In Libyen und Syrien verwandelten sich die friedlichen Demonstrationen zwar rasch in bewaffneten Widerstand. Die Tunesier und Ägypter hingegen hielten sich weiterhin an Gandhis Grundsatz, auch wenn ihre Tyrannen den Baum der Freiheit mit dem Blut der Bürger gossen. Und das Sensationelle daran: Nichts konnte diese daran hindern, ihre Ketten zu zerreißen, abzuschütteln.

Unter solchen Plaudereien vergeht die Anreise im Flugzeug. Zuletzt wird's spannend. Denn da beginnt der Landeanflug. Tief unter uns wird die afrikanische Küste sichtbar. Man erkennt das Grün des Nildeltas und das Graugelb der Libyschen oder westlichen Wüste. Der Moloch Kairo wird sichtbar. Jubel kommt auf: Wir überfliegen die Pyramiden von Gizeh. Wir überfliegen das schmaler gewordene Niltal, das Silberband des Nil, die Arabische oder östliche Wüste. Wir landen.

Erwartet uns eine attraktive Fremdenführerin? Leider nein. Zum Entzücken meiner Damen erwartet uns ein fescher, auf den ersten Blick sympathisch wirkender junger Mann. Er stellt sich vor als Salam und erzählt schon während des Transfers eine Menge über Land und Leute. Sobald das Hotel erreicht ist und alle untergebracht sind, setze ich mich mit ihm in der Lobby zusammen, um das Programm zu besprechen. Indes, weit mehr als das Programm scheint ihn etwas ganz anderes zu bewegen. Denn seine ersten Worte lauten: „Na, was sagst du? Gaddafi ist tot. Ist das nicht eine Freudenbotschaft?“

„O ja, finde ich auch, zumal ich mich nicht nur mit den Ägyptern, sondern auch mit den Libyern verbunden fühle, nachdem ich ein paarmal das Glück hatte, ihr Land zu bereisen. Na ja, da werden mir in Hinkunft wohl die Riesenplakate mit Gaddafi in Prophetenpose abgehen. Aber im Ernst, ich freue mich riesig, wieder einmal in Ägypten zu sein.“

„Und ich freue mich, dass ihr hier seid und dass ich euch führen darf.“

Zurzeit, fährt Salam mit betrübter Miene fort, gebe es ja kaum Arbeit für ihn und seinesgleichen. Die letzten Ersparnisse seien praktisch aufgebraucht. Aber er bedaure nichts. Er sei glücklich, dass die dreißigjährige Gewaltherrschaft Mubaraks, eines der schlimmsten Despoten überhaupt, endlich vorüber sei.

„Was hatte er uns denn zu bieten? Nichts als Polizeiwillkür, Korruption, Arbeitslosigkeit und ständig wachsende Armut. Aufgerüttelt durch das Beispiel Tunesiens, wollte unsere Jugend nicht mehr kuschen so wie die Generation der Eltern. Und weißt du, was ihre Waffe war? Das Internet. Genau wie die tunesische Jugend organisierten sie sich mithilfe von Blogs, Facebook und Twitter. Weißt du, Facebook hat in der arabischen Welt mehr Leser als die Tageszeitungen. Und so wurden der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz immer mehr. Und nicht nur dort. In jeder ägyptischen Stadt demonstrierten sie. „Nieder mit dem Pharao!“ So riefen sie, meinten aber weder Cheops noch Ramses II., sondern den Langzeitdiktator Mubarak. Und das Interessante, Neue, Noch-nie-da-Gewesene: Die Demonstranten verloren ihre Angst vor der Polizei. Die Polizei bekam Angst vor den Demonstranten. Die deckten sie nämlich mit einem Steinhagel ein und liefen am Ende hinter ihnen her. So wurden die Polizisten zum ersten Mal in der ägyptischen Geschichte selbst zu Gejagten.“

Und nun denke ich endlich daran, die Frage zu stellen, auf die Salam wahrscheinlich schon die ganze Zeit gewartet hat: Warst auch du auf dem Tahrir-Platz? Da schwellt sich seine Brust, seine Augen leuchten auf, und mit sichtlichem Enthusiasmus sagt er: „Na klar! Versteht sich doch von selbst. Obwohl, leider nicht von Anfang an. Da war ich noch ein völlig unpolitischer Mensch, fühlte mich als braver Patriot und plapperte gedankenlos die offizielle Propaganda nach. Und die lautete: Mubarak ist der Vater aller Ägypter. Er ist Sicherheitsgarant für das Land und der wahre Wächter über dessen Demokratie. Ägypten braucht seine Weisheit.“

„Aha. Und wie bist du dann ...“

„Das geschah an einem Montagabend mitten in der Revolutionszeit. Hör zu. Es war der 7. Februar. Ich saß vor dem Fernseher und schaute mir so wie wahrscheinlich Millionen weiterer Ägypter die Talkshow Zehn Uhr abends im Dream TV, einem Privatsender, an. Und da hatte ein Chirurg namens Tarek Hilmi einen denkwürdigen Auftritt. Er erzählte, wie zuerst seine Tochter und dann sein Sohn trotz größter elterlicher Bedenken auf den Tahrir-Platz gingen und dort blieben, das heißt, auf dem Platz sogar übernachteten. Die Tochter rief ihn an und sagte, der Platz ist ein irdisches Paradies. Hier fallen die Schranken zwischen den Menschen. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Mann und Frau, Christ und Muslim, dem einfachen Arbeiter und dem berühmten Intellektuellen. Wir sind alle ein Volk. Und das Allerparadiesischste: Es ist auch nichts mehr von den sexuellen Belästigungen zu spüren, die sonst integraler Bestandteil des Kairoer Alltags sind. Hier, mitten im Getümmel, ist für Frauen der sicherste Ort in ganz Ägypten. Und dann rief sie ihn erneut an und beschwor ihn, auch selber hinzukommen; es gebe massenhaft Verletzte, und man brauche dringend Ärzte. Er ließ sich überreden, ging hin und verließ den Platz tagelang nicht mehr. Unter anderem musste er einem Dreizehnjährigen eine tiefe Wunde vernähen, die ihm Mubaraks Schläger am Kopf zugefügt hatten. Als er sie aber verbinden wollte, rief der Bub: Ich habe keine Zeit, ich muss unseren Platz verteidigen, und lief einfach davon. An dieser Stelle verstummte der Arzt und brach in Tränen aus. Ich habe den Kleinen einmal noch gesehen, fuhr er mit bebender Stimme fort. Mit einem Loch im Kopf. Tot. Und wieder kamen ihm die Tränen. Dieser Bericht des Dr. Hilmi löschte augenblicklich meine Liebe zum weisen Vater aller Ägypter und entzündete in mir die Flamme der Empörung. Und wie sich herausstellte, nicht nur in mir. Tags darauf war ich auf dem Tahrir-Platz und mit mir weit über eine Million empörter Bürger – manche sagen, zwei Millionen. Und das ist jetzt der Erfolg unserer friedlichen Demonstrationen: Der Pharao ist gestürzt, und wir sind frei und haben unsere Menschenwürde wieder. Mit Tunesien und Libyen sind es jetzt schon drei Länder, in die der Arabische Frühling eingezogen ist. Weitere Länder werden folgen.“

Und nach kurzer Pause, mit plötzlich besorgter Miene: „Natürlich ist noch längst nicht alles so, wie man es sich wünschen würde.“

„Du meinst sicher diese Geschichte mit den Kopten vor ein, zwei Wochen, ja?“

„Ja, ja. Am 9. Oktober. Sehr traurig, das alles. Auf dem Tahrir-Platz waren wir alle einfach Ägypter, egal, ob Muslim oder Christ. Und jetzt auf einmal wieder dasselbe Lied wie immer.“

„Bist du Kopte?“

„Ich? Gott bewahre, nein. Ich bin Muslim wie fast 90 Prozent aller Ägypter. Aber ich bin dafür, dass die Kopten die gleichen Rechte haben sollen wie wir.“

„Was ist eigentlich passiert? Es hat ja Tote gegeben, hat man gehört.“

„Ja, mindestens 25. Mehr als 300 wurden verletzt. Es waren die schwersten Ausschreitungen seit Mubaraks Sturz. Die Sache ist reichlich undurchsichtig. Fest steht, dass zirka 2000 Kopten gegen das Niederbrennen einer Kirche in Assuan demonstrierten. Sie wurden von aufgehetzten Anwohnern und Jugendbanden mit Steinen beworfen und vom Militär mit scharfer Munition beschossen. Zuletzt fuhren die Sicherheitskräfte mit gepanzerten Fahrzeugen durch die Menge und zermalmten vorsätzlich christliche Demonstranten. Gleichzeitig spielte das staatliche Fernsehen eine mehr als ungute Rolle, indem es offen gegen die Kopten hetzte. Und da erhebt sich natürlich die Frage: Wer will den friedlichen Charakter unserer Revolution zerstören?“

„Wer denn?“

„Ja, wenn ich das wüsste. Vielleicht der Oberste Militärrat selbst, der im Moment die Staatsmacht repräsentiert und offenbar Angst vor deren Verlust hat. Schließlich sind das noch immer dieselben Leute wie unter Mubarak. Niemand weiß, welche Spiele die im Hintergrund treiben. Jedenfalls haben sie seit Beginn der Revolution schon Tausende Zivilisten in die Militärgefängnisse geworfen. Viele Menschen sind überzeugt, dass sie das Blutbad bewusst angezettelt haben, um einen Keil zwischen Kopten und Muslime zu treiben und Chaos zu stiften, sodass die Menschen sagen, nur das Militär kann für Ruhe und Ordnung sorgen. Außerdem lassen die echten Reformen noch immer auf sich warten. Ich glaube, wir müssen wieder auf den Tahrir-Platz gehen und diesmal gegen den Militärrat demonstrieren. Vielleicht schürt die alte Elite den Konflikt aus Angst um ihre Pfründe und versucht dem Volk einzureden, dass die Revolution sie vollends ins Elend treibt. Während nämlich die Libyer, wenn auch auf äußerst brutale Weise, Tabula rasa gemacht haben, sind bei uns und übrigens auch in Tunesien einige Köpfe weg, aber das Establishment ist im Großen und Ganzen an den Hebeln der Macht geblieben. Vielleicht wollen auch die Vertreter der finanzstarken Golfstaaten die Uhren zurückdrehen und den Erfolg unserer Revolution verhindern, allen voran Saudi-Arabien. Kenner der Politik sprechen schon lange davon, dass die Saudis als Drahtzieher der Gegenrevolution zum Arabischen Frühling fungieren. Natürlich haben sie Angst, die Nächsten zu sein, die vom Thron gestoßen werden. Und dann haben wir da noch die radikalen Islamisten, also die Muslimbrüder und dazu die von Saudi-Arabien gesteuerten Salafisten. Die sind noch radikaler als die Muslimbrüder. Sie predigen einen mittelalterlichen Islam, in dem die Christen keinen gleichberechtigten Platz haben. Unter Mubarak wurden sie niedergehalten, weil sie als Sicherheitsproblem galten. Jetzt haben sie freie Hand, sind stärker als je zuvor und nutzen das offensichtlich schamlos aus, um Chaos zu stiften. Übrigens gibt es starke Anzeichen dafür, dass sie vom Obersten Militärrat heimlich unterstützt werden. Aber wie eine Bloggerin im Sinn vieler Ägypter schreibt: Wir haben die Revolution nicht gemacht, damit irgendwelche radikalen Islamisten sie uns wieder wegnehmen. Aber vielleicht ist das eben der Preis der Freiheit: Dass sie von übelwollenden Menschen missbraucht werden kann. Jedenfalls sind wir jetzt frei, und das ist vorläufig die Hauptsache. Und wenn erst einmal die Touristen wieder zu uns kommen, werden sie Wohlstand mitbringen und dazu beitragen, dass unser Land den Weg zur Demokratie fortsetzt. Also hoffen wir, dass die Touristenströme bald wieder zu fließen beginnen. Schließlich ist Ägypten das ideale Urlaubsland für alle, für Kulturinteressierte und für Badegäste, für Abenteuerurlauber und für Wüstenfans, für Trekkingfreunde und für Mountainbiker, für Taucher und für Schnorchler, für Segler und für Surfer. Übrigens will der berühmte argentinisch-israelische Pianist und Dirigent Daniel Barenboim mit seinem West-Eastern Divan Orchestra demnächst auf dem Tahrir-Platz auftreten, um den Zeichen der Hoffnung ein musikalisches Accelerando hinzuzufügen.“

„Hm. Sag, Tahrir, ist das ein Eigenname, oder ...?“

Salam lacht herzlich. „Nein, Tahrir bedeutet Befreiung. Ursprünglich hieß der Platz Ismailîya-Platz, nach dem Vizekönig Ismail, der ihn im 19. Jahrhundert nach Pariser Vorbild anlegen ließ. Sein Wunsch war es nämlich, Kairo zu einem Paris am Nil zu machen. Befreiungsplatz hieß er seit der Revolution 1952, als König Faruk gestürzt und die Republik ausgerufen wurde. Inoffiziell nannte man ihn aber schon bald nach der Revolution gegen die britische Besatzungsmacht im Jahre 1919 so. Denn drei Jahre danach anerkannten die Engländer die Unabhängigkeit Ägyptens. Wäre Mubaraks Weisheit so groß, wie er immer zu behaupten beliebte, hätte er dem Platz längst seinen ursprünglichen Namen zurückgegeben. So aber musste Tahrir wie ein Fanal wirken. Ein Fanal der Befreiung.“

 

Zehn Jahre danach

Was ist aus dem Traum der Hunderttausende von Ägyptern von einer besseren Zukunft – einem demokratischen System, das Mitsprache verheißt, weniger Korruption und weniger Armut, mehr Würde im Alltag – was also ist aus ihrem Traum, was ist aus Salams Traum von einer besseren Zukunft geworden?

Nun, gut ein Jahr später, im Mai und im Juni 2012, wurde in der ersten wirklich freien Präsidentschaftswahl Ägyptens der Islamist Mursi zum Präsidenten gewählt. Dieser entmachtete die ägyptische Justiz, riss alle Machtbefugnisse an sich und regierte ebenso autoritär wie Mubarak. Aber er ersetzte die Militärdiktatur durch eine Religionsdiktatur. Wieder versammelten sich Tausende Demonstranten, vor allem Liberale und Linke, auf dem Tahrir-Platz und riefen: „Nieder mit dem Pharao!“ Und wieder wurden die Demonstrationen blutig niedergeschlagen. Die Lage spitzte sich zu, und am 3. Juli 2013 putschte sich das Militär an die Macht. Anhänger Mursis widersetzten sich der neuen Regierung und riefen zu Protesten auf. Wieder wurden die Demonstrationen blutig niedergeschlagen. Bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2014 siegte der General Abd al-Fattah al-Sisi (oder as-Sisi), der seither als neuer Pharao das Land mit eiserner Faust regiert. Natürlich fanden sich wieder Tausende Demonstranten auf dem Tahrir-Platz ein und riefen: „Nieder mit dem Pharao!“ Aber seit August 2013 wurden Hunderte von ihnen erschossen, Hunderte wurden hingerichtet oder zu Tode gefoltert, und Tausende wurden inhaftiert. Nach China und der Türkei hat Ägypten die meisten politischen Gefangenen weltweit. Heute leiden die Ägypter unter noch brutalerem, noch menschenverachtenderem Despotismus als zuvor.

Neuerdings hat man den riesigen Tahrir-Platz umgestaltet, um ihn zu einer Touristenattraktion zu machen – und, so vermuten viele, um seinen Bezug zum Volksaufstand 2011 zu verschleiern. In der Mitte des großen Kreisverkehrs, der das Zentrum des Platzes bildet, erhebt sich heute ein kreisrundes Monument, in dessen Mitte sich über einem hohen Sockel ein Obelisk aus der Regierungszeit des Königs Ramses II. erhebt, der im August 2019 in Tanis ausgegraben wurde. (Tanis ist der griechische Name der altägyptischen Stadt Djanet, heute San el-Hagar, im nordöstlichen Nildelta.) Ihn umringen vier widderköpfige Sphingen aus dem Karnaktempel in Luxor. Dass diese archäologischen Objekte überhaupt von ihren Fundorten entfernt wurden und sich nun auf einem der verkehrsreichsten und luftverschmutztesten Plätze der Welt befinden, entsetzt und empört die Fachleute aus aller Welt, und nicht nur sie. Wie es die Wiener Zeitung vom 24. Jänner 2021 so zutreffend formuliert: „Vom Ort des Triumphs zum Friedhof der Antike.“

Wenn Du mehr über Ägypten (und zugleich über uns Europäer) erfahren möchtest ...

 

 

 

 

 

 https://www.bookrix.de/_ebook-karl-plepelits-was-sie-schon-immer-ueber-aegypten-wissen-wollten/

 

 

 

 

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Impressum

Texte: Karl Plepelits
Cover: By Faris knight - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98561476
Tag der Veröffentlichung: 08.05.2021

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