Cover

Zum Buch

 

Neugierig, wie ein fahrender Sänger die Macht der Kriegsgöttin Yenaya hautnah zu spüren bekommt, eine Prinzessin kurz vor ihrer Vermählung einem verführerischen Fremden begegnet oder ein Sklave mehr zu sein scheint, als auf den ersten Blick zu erkennen ist? Dann lassen Sie sich von diesen drei Kurzgeschichten in die abenteuerliche Low Fantasy-Welt von Dschanor entführen – eine von Kriegsgöttern beherrschte, archaische Welt, die Bianca M. Riescher für ihre beiden Romane, die im Wiener Verlag ohneohren erschienen sind, ersonnen hat:

 

Mitternachtsrot – Eine Erzählung aus Dschanor (2015)

Yenayas Smaragd – Eine zweite Erzählung aus Dschanor (2017)

 

Eine Leseprobe aus »Mitternachtsrot« finden Sie am Ende dieses E-Books.

 

Prolog

 

»Die Ahnen rufen mich.« Der Husten schüttelte meinen ausgezehrten Körper und ich fühlte die Kälte des Todes nach mir greifen.

Besorgt legte mein Schüler seine eigene Decke als zusätzlichen Schutz um die Schultern. »Das darfst du nicht sagen, Meister. Du wirst noch lange leben und deine Lieder singen.«

Er hatte noch nie gut lügen können. In seinem ehrlichen Gesicht spiegelte sich die Besorgnis, aber das Alter ließ sich nun einmal nicht aufhalten. Bald würde er allein als fahrender Sänger für sich sorgen müssen. »Doch, doch. Es ist wahr. Ich merke, wie die Schatten um mich herum größer werden und nach meinem Herzen greifen.« Ich hoffte nur, dass ich ihn gut darauf vorbereitet hatte. Die Reise in das Land meiner Vorfahren wollte ich unbeschwert von Sorgen antreten.

»Ach was. Sieh doch, wie hell das Lagerfeuer brennt und die Schatten vertreibt.«

Der gute Junge. Ein wenig bedauerte ich, ihn allein zurücklassen zu müssen, aber die Väter meiner Väter riefen immer lauter nach mir. »Ich wollte, du hättest recht. Aber ich sehe schon in die Zwischenwelt und fühle, dass es Zeit wird, zu gehen.«

»Nein, Meister. Du darfst nicht gehen. Deine Lieder dürfen nicht verstummen.« Er wischte mit dem Ärmel über seine Augen.

Nein, weinen sollte er nicht, nicht um mich alten Mann. »Sie werden nicht schweigen. Ich werde nicht schweigen, denn du wirst meine Lieder singen, damit ich in ihnen weiterleben kann. Hilf mir auf.«

Mein treuer Schüler half mir auf die Beine und ich lehnte mich an den Stamm einer Buche. »Noch ist meine Stimme kräftig genug, dass ich dir drei Geschichten erzählen kann, die du nicht kennst.«

»Ich dachte, du hättest mich schon alle deine Lieder gelehrt.«

»Diese drei noch nicht. Deshalb hör jetzt gut zu und merk dir, was ich berichte. Denn diese Geschichten sind wirklich geschehen. Sie sind so wahr wie meine Kithara, die ich dir vermache, so, wie ich sie von meinem Vater bekommen habe, und er von seinem und dieser von unserem Vorvater Taro.« Ich streichelte über den Holzkörper meiner alten Kithara, meiner treuen Gefährtin.

»Erfahre nun im ersten Lied, wie mein Urgroßvater Taro die Macht der Kriegsgöttin des Waldlandes zu spüren bekam. Die zweite Geschichte erzählte mir ein trijanischer Poet, dessen Großvater selbst die Schönheit der Prinzessin am Hofe von Sha‘Nar besungen hat.« Schon wieder schüttelte mich der Husten.

»Und das dritte Lied?«

Die Erinnerung zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht und ließ mich die Schmerzen ver­gessen. »Ich war noch jung, als ich die Kriegerin kennenlernte, die mir diese Geschichte erzählt hat. Eine wunderbare Frau, stolz, schön und voller Leidenschaft. Leider konnte ich nie in Erfahrung bringen, ob sie den Sklaven aus ihrer Geschichte jemals wieder gesehen hat.« Leise schlug ich die Seiten der Kithara an.

Sobald mein treuer Schüler meine letzten drei Geschichten gehört haben würde, könnte ich beruhigt gehen. Dann hätte ich meine Bestim­mung erfüllt.

 

Ein Winterlied aus Dschanor

 

»Lass dich hier nie wieder blicken, solange du kein besseres Lied kennst!« Der Wirt lachte und mit einem Stoß landete Taro auf allen Vieren im kalten Matsch, den der Winterregen vor der lausigen Herberge hinterlassen hatte. »Schmarotzer!«, rief der Wirt ihm noch hinterher.

Taros Beutel landete mit einem verdächtigen Knacken in einer Pfütze. Ängstlich zog er den Sack an sich, streifte den Stoff von seinem Musikinstrument und sah die Katastrophe. Quer über den Holzkörper seiner Kithara zog sich ein Riss. Er schlug die Saiten an und zuckte bei den schrägen Tönen schmerzhaft zusammen.

Bei den Göttern, wie soll ich jetzt meine Lieder vortragen? Ich werde verhungern.

Sein Magen knurrte. Mit so viel Würde, wie Taro noch auf­bringen konnte – falls diese verfluchten Kreedan ihn durch das Fenster beobachteten –, rappelte er sich auf, steckte seine beschädigte Kithara zurück in den Beutel und schlang den Trageriemen um die Schulter. Er wischte den Schlamm von der Hose. Sein Magen knurrte noch einmal und wies ihn darauf hin, dass er in den letzten drei Tagen nur einen alten Kanten Brot bekommen hatte.

Sein halblanges, schwarzes Haar fiel ihm in die Augen. Taro strich es aus dem Gesicht, drückte den Rücken durch und wanderte los. Die Straße führte nach Westen. Egal, eine Richtung war so gut wie

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Bianca M. Riescher
Bildmaterialien: Coverfoto designed by welcomia / Freepik sonstige Graphiken designed by Freepik
Cover: Gestaltung ©Bianca M. Riescher
Tag der Veröffentlichung: 10.08.2018
ISBN: 978-3-7438-7750-4

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /