Das Quirlen des Milchozeans
Vorwort
Ich befinde mich gerade in Indien auf Reise und bin total überwältigt von der indischen Kultur. Nachdem ich mich in Europa auf den Spuren der Christen gemacht habe und zu Beginn Asiens, dem Islam begegnet bin, entdecke ich hier in Indien den Hinduismus. Eine aufregende und bunte Religion. In Tiruvannamalei, der heiligen Stadt im Hinduismus, ziehen die hinduistischen Feiern, mehrere Millionen Menschen an. Meist geht es bei den Feiern darum Essen oder den Nachwuchs segnen zu lassen. Aber auch die Gemeinschaft und der Zusammenhalt, stehen im Mittelpunkt. Der Hinduismus soll hauptsächlich das Leben erleichtern und dazu dienen riesige, sowie auch kleine, Hindutempel an jeder Ecke.
Die Geschichten die den Hinduismus umgeben sind so umfassend und von ungeheurer Komplexität sodass es fast schon ein Studium braucht, um die Religion in seinem Ganzen zu verstehen. Der Hinduismus hat sich aus den Veden entwickelt. Eine uralte Niederschrift die Lieder und Geschichten beinhaltet. Sie sind niedergeschrieben in Sanskrit. Einer der ältesten Schriften der Welt. Viele Geschichten haben sich im Laufe der Zeit geändert oder wurden ergänzt und geben der Geschichte einen neuen Blickwinkel. So auch die Geschichte um das Quirlen des Milchozeans. Auf meiner Recherche bin ich auf verschiedene Enden und Namen gekommen, die im Nachhinein aber die selbe Bedeutung haben. In meiner Nacherzählung bin ich den Fakten meiner Quellen gefolgt, doch möchte darauf hinweisen dass nicht jedes Wort dem Originaltext entsprechen muss. Nichtsdestotrotz bleibt es eine treue Erzählung der hinduistischen Geschichte. Das Studium des Hinduismus kann großen Spaß machen und bringt, nach jedem Text, neue Fragen auf. Aber der Hinduismus ist auch das Bindeglied, um die große Wahrheit zu verstehen. Ein Teil der Welt und die Antwort auf die Frage: Wer sind wir? Das Quirlen des Milchozeans, ist nicht nur eine Geschichte, sie ist Sinnbild für unseren Körper, für unseren Geist und für vorsichtige Leser sogar ein Wegweiser zu sich selber. Viel Spaß beim Lesen und im Anhang sind die Quellen verzeichnet.
Der Sadhu
Das Feuer knistert und tanzt und zeigt ein beeindruckendes Schauspiel an Bewegungen, weit außerhalb des menschlichen Schaffens. Wie kann es der Mensch nur wagen, die mächtigen Flammen bändigen zu wollen und einzusperren, sie zu foltern und zum Untertan zu machen. Eine Kreation die so mächtig ist, kann nur ein Geschenk der Götter sein oder deren Inkarnation.
> Es ist Agni leibhaftig, der dich warm hält und dich vor deinen Feinden schützt. <
Arun betritt den Feuerkreis. Neun wissensdurstige Kinder sitzen um das Lagerfeuer herum dass den Ort dieser Begebenheiten erleuchtet und Wärme spendet. Aruns grauer Bart ist gespickt mit bunten Verzierungen und sein Körper ist umhüllt mit Safranfarbenden Stoffen, die sein Leib bedecken. Arun ist ein Sadhu. Die Männer, welche sich Sadhu nennen, haben allen weltlichen Besitz aufgegeben und geben sich der Meditation hin. Auf der Suche nach der Erkenntnis der - Einen Wahrheit - verschreiben sie sich ihrem Glauben, dem Hinduismus. Ein weiter Sternenhimmel erstreckt sich über ihren Köpfen und Arun setzt sich ans knisternde Feuer und schaut in die Runde voller Augen. Sie starren ihn an und warten, im Zuge tiefsten Respektes, auf die Worte des Sadhu.
Weltennacht
Der Milchozean umgibt unsere Welt und spendet ihr Leben. Noch lange vor unserer Zeit, ist der Milchozean der Schauplatz eines Ereigniss gewesen. Es geschah in einer Weltennacht. Dies ist der Zeitraum zwischen zwei Schöpfungen. Vishnu der Erhalter liegt als Narayana auf Shesha, der Weltenschlange. Shesha trägt die kosmische Energie der Schöpfung in sich. Narayana ist in tiefster Medition versunken als aus seinem Bauchnabel ein Blumenstengen entspringt. Aus diesem Stengel heraus entsteht eine Lotusblume. Die Lotusblume entfaltet sich und Brahma erscheint. Er thront im Schneidersitz in der Mitte der Blüte. Brahma ist der Gott der Schöpfung. Die Macht des Lebens wohnt ihm inne und er teilt Narayana den Auftrag zu einer neuen Schöpfung mit.
Der Milchozean
Die Götter, Devas und die Dämonen, Asuras, kämpften seit Anbeginn der Zeit gegeneinander. Das Licht dass die Devas umgab zeugte von Energie und Macht. Die Devas dienten Prajapatis, das erste aller Wesen. Der Herr aller Geschöpfe. Prajapatis hauchte auch den Asuras das Leben ein. Er gab ihnen die Wahrheit und die Lüge. Die Asuras legten die Gabe der Wahrheit ab und entwickelten im Zuge ihrer dämonischen Natur, die Zerstörung. Die Devas und die Asuras, stritten fortan miteinander. Eines Tages baten die Devas den Gott Vishnu um Rat, um die Streitigkeiten zu beenden. In seiner unendlichen Weisheit schlug Vishnu vor, zusammen mit den Asuras, nach Amrita zu suchen. Amrita ist ein Lebenverlängerndes Elixier, dessen Beschaffung ein hohes Maß an Anstrengung bedarf. Die Asuras willigten, nicht ganz ohne Selbstnutz, ein. Die Götter sponnen einen Plan. Sie wandten sich dem Berg Meru zu. Ein Berg von unermesslicher Höhe. Kein menschliches Wesen mag auch nur zu vermuten, welch gewaltige Ausmaße der Berg hat. Der Berg erhebt sich in der Mitte des Universums. Alle Sonnen, alle Monde und auch alle Planeten kreisen um den Meru. Brahma und Veshnu befahlen der Weltenschlange Shesha, sich um den Berg zu wickeln. Zusammen mit der Weltenschlange, wurde der Berg zum Quirl. De Milchozean und Shesha gaben ihr Einverständnis und das Quirlen konnte beginnen. Die Asuras packten den Kopf der Schlange und die Devas nahmen den Schwanz. Abwechselnd zogen die Asuras und die Devas an der Schlange und zum Schrecken aller Beteiligten, drohte der Berg im Ozean zu versinken. Wieder wurde Vishnu zur Hilfe gebeten. Vishnu verwandelte sich in seine dritte Inkarnation als die Schildkröte Kurma und schwamm unter den Berg. Er stützte den Berg auf seinem Rücken und das Quirlen konnte fortgesetzt werden.
Mehrere tausend Götterjahre, brauchte es damit sich ein Ergebnis abzeichnete. Die Devas sowie die Asuras waren hinter dem Elixier Amrita her, als die Weltenschlange Shesha, bedingt durch das Quirlen, plötzlich das tödliche Gift Halahala ausspeite. Lord Shiva erschien erneut und trank das Gift, welches die gesamte Welt zerstört hätte, bis zum letzten Tropfen aus. Sein Hals färbte sich blau und er bekam den Namen Nilakanta, der mit dem blauen Hals. Das Quirlen konnte nach dem Vorfall wieder weiter gehen und der Milchozean schäumte sich auf und verklumpte allmählich zu Butter. Während dieser Umwandlung entsprangen dem Milchozean verschiedene Wesen, wie zum Beispiel Uchhaishravas, das göttliche Pferd oder auch Kamadhenu, die erste Kuh und Mutter aller folgenden Kühe. Auch die wunderschöne Göttin Lakshmi entsprang, gebettet in einer Lotusblute, dem Milchozean. Alle Anwesenden verliebten sich in die schöne Göttin und die vier Himmelselefanten gossen Wasser, aus goldenen Krügen, über ihr Haupt. Lakshmi wählte Vishnu zu ihrem Gatten. Die Göttin Varuni entsprang dem Milchozean. Die Göttin des Weines wurde von den Asuras einbehalten. Eine junge, dunkle Gestalt kam aus dem Ozean. Reich geschmückt mit Juwelen und einer Blumenkette, war es Dhanvantari, der himmlische Medizinmann, der Ursprung aller Heilkünste, der Arzt der Götter. In seinen Händen trug er einen Krug. Die Devas und die Asuras wandten ihren Blick zu dem Krug, der das Elixier beinhaltete. Die Suche nach dem Elexier Amrita, machte aus ehemaligen Feinden, Verbündete. Das Erreichen des Ziels, ließ sie jedoch wieder in zwei Parteien aufspalten und jede Seite beanspruchte das Elixier für sich. Die Einigung, das Elixier zu teilen, geriet in Vergessenheit und so bahnte sich ein erneuter Kampf an. Vishnu, der den Konflikt kommen sah, verwandelte sich nun in die begehrenswert Frau, Mohini. Sie umschmeichelte die Asuras und gelobte das Elixier gleichermaßen zu verteilen. Dank einem Trick, gab sie jedoch nur den Göttern von dem Elixier zu trinken und abgelenkt durch den Bann Mohinis Schönheit, erhielten die Asuras keinen Tropfen des Trankes.
Doch Rahu, einer der Asuras, bemerkte wie Mohini die Dämonen täuschte und er mischte sich unter die Götter, um wenigstens einen Tropfen abzubekommen. Doch die Sonne und der Mond sahen Rahu und verrieten seine Anwesenheit. Noch bevor der Tropfen des Elixiers seinen Körper erreichte, schlug Mohini, mit einer Wurfscheibe, Rahus Kopf ab. Der Körper fiel leblos zu Boden, doch Rahus Kopf wurde unsterblich. Während die Götter, gestärkt durch das Elixier Amrita, zum Himmel zurückkehrten, versucht der nach rache geplagte Rahu, seither Sonne und Mond zu verschlucken.
Die Lehre
Aruns Erzählung endet noch bevor das letzte Holz dem Feuer gegeben wird. Agni lauscht der Erzählung bedächtig und tanzt und singt und wirft seine glutfarbenden Arme hoch. Arun schaut in die Runde, die noch mehr Augenzahlen hervorbrachte als noch vor der Erzählung. Erstarrt und voller Ehrfurcht, vor dem Ursprung der Welt und der Götter. Welch unvorstellbare Macht, der Kampf um das Leben hervorbringt. Doch Arun hebt den Zeigefinger. Eine Warnung die nicht nur an die kindlichen Zuhörer dieser Geschichte gerichtet ist.
> Wer glaubt dass er die göttliche Energie der Devas inne trägt und sich nichts und niemandem zu unterwerfen hat, dem wird es nicht gelingen, zu der einen Wahrheit zu gelangen. Schaut in euch. Verinnerlicht die Geschichte um das Quirlen des Milchozeans und lernt ihre wahre Bedeutung. Wer würde sich nicht von Mohini verführen lassen oder dem ewigen Leben hingeben. Begeht euch in tiefster Meditation und lasst die Geschichte einwirken. <
Der weise Sadhu senkt seinen Zeigefinger und zieht sichzurück. Er hinterlässt ein staunendes Publikum und Spuren der Neugier. Er lächelt, als er sich in sein Zelt zurückzieht, denn er weiss um die Kraft der Geschichte. Er weiss, welche Saat er gesät hat und welch wunderbare Frucht sic entfalten wird. Geschichten sind nicht nur gesprochene Worte oder eine Anreihung von Buchstaben. Geschichten können die Welt verändern und wir Menschen können mit unserem Handeln die Welt mitgestalten in der wir leben. Dies gibt uns die Möglichkeit, Teil einer Geschichte zu werden, um unseren Nachfahren zu lehren. Genauso, wie die Geschichte um das Quirlen des Milchozeans.
Ende
Quellen Geschichte:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Milchozean
https://www.yogabasics.de/11/samudra-manthan-das-quirlen-des-milchozeans/
http://rapunzelturm.blogspot.com/2013/07/wie-in-den-veden-die-milchstrae.html
Quelle Bild: https://collections.vam.ac.uk/item/O68648/painting-kurma-the-tortoise-incarnation-of/
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2019
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