Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Vorwort

 

 

 

Jeder Mensch hat schon einmal davon geträumt, durch die Zeit reisen zu können. Der Schriftsteller H.G. Wells hat Zeitreisen in seinem Buch „The Time Machine“ schon am Ende des 19.Jahrhunderts beschrieben.

Doch bisher ist es der Menschheit aber immer noch nicht möglich, da die Technik noch nicht so weit entwickelt ist.

Albert Einstein hat sich recht früh theoretisch mit diesem Problem beschäftigt, bereits Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts, zusammen mit dem Physiker Nathan Rosen. Sie beschrieben die Möglichkeit durch die vierte Dimension, die Zeit zu reisen, also nur rein theoretisch, in dem sie den Raum beugten und die Punkte miteinander verbanden. Diese Theorien wurden erstmals im Jahre 1935 von Albert Einstein und Nathan Rosen beschrieben und veröffentlicht und deshalb ursprünglich als Einstein-Rosen-Brücke bezeichnet.

Jahrzehnte später wurden diese Punkte im Raum als Wurmlöcher bezeichnet.

Wurmlöcher sind bisher nur theoretische Gebilde, die sich möglicherweise aus speziellen Lösungen, sogenannte Kruskal-Lösungen der allgemeinen Relativitätstheorie ergeben. Der Begriff Wurmloch wurde 1957 von John Archibald Wheeler geprägt.

Der Name Wurmloch stammt von der Analogie mit einem Wurm, der sich durch einen Apfel hindurch frisst. Er verbindet damit zwei Seiten desselben Raumes, also der Oberfläche, durch einen Tunnel. Das beschreibt anschaulich die besondere Eigenschaft der Kruskal-Lösungen, diese zwei Orte im Universum miteinander zu verbinden.

Doch das alles ist noch ein Menschheitstraum und es wird noch viel Zeit vergehen, bevor dieser realisiert werden kann.

 

Die Geschichte zu diesem Buch ist frei erfunden, ebenso die Personen, die darin beschrieben werden.

Sollten sich zufällig Namensgleichheiten ergeben, bitte verzeiht.

Vielleicht könnte sich so eine, oder zumindest so eine ähnliche Geschichte in naher Zukunft ereignen, wer weiß?

Kapitel 1

 

 

 

Es war ein trüber Vormittag. Schwere Regenwolken hingen am Himmel wie festgenagelt und schienen einfach nicht weiterziehen zu wollen. Sie waren so dicht und schwer, dass keine Sonnenstrahlen hindurchkamen. Die Blätter der Bäume begannen sich bereits zu verfärben und der Herbst kündigte sich an.

Die Krankenbaracke der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen, nördlich von Berlin, hatte an diesem Tag wenige Besucher, möglicherweise war das Wetter daran schuld. Unter diesen wenigen Besuchern war eine Schulklasse.

Sie waren aus Berlin gekommen und lasen die Beschreibungen der Exponate und alberten herum.

Tom, wie er von seinen Schülern genannt wurde und eigentlich Thomas hieß, stand etwas abseits und betrachtete aufmerksam und kopfschüttelnd seine Schüler. Tom, ein schlanker, sportlicher Typ, mit etwas längeren Haaren und Dreitagebart, trug eine Jeansjacke, Jeans und Turnschuhe und unterschied sich damit nicht wesentlich von der Mehrzahl seiner Schüler.

Einige der wenigen anderen Besucher fühlten sich durch die Unruhe an diesem besinnlichen Ort gestört. Tom bemerkte das sofort.

„Bitte lest euch die Texte aufmerksam durch und macht euch Notizen und etwas leiser, wenn ich bitten darf!“ Tom sah von einem Schüler zum anderen.

Eines der Mädchen aus einer Gruppe drehte sich um.

„Mann, steht doch alles im Buch! Also wozu der ganze Stress?“ Die Mädchen kicherten verhalten und wandten sich wieder einer Vitrine zu.

„Vielleicht Klassenarbeit?“, antwortete Tom vielsagend und zuckte grinsend mit den Schultern.

„Och nee! Das ist doch Kacke“, antwortete die Schülerin gedehnt.

„Hätte ich mir denken können“, kam aus einer Gruppe Jungen, die in der Nähe standen.

„Leute wir sind nicht umsonst hier“, rief Tom und klatschte ermunternd in die Hände.

Die Schüler liefen langsam weiter, zu anderen Schaukästen. Einer der Jungen blieb an einem Schaukasten stehen.

„Matze, komm mal! Das kann doch wohl nicht stimmen. Das muss ein Irrtum sein.“

Matthias, der Angesprochene, ein großer Junge mit gegeelten Haaren trat neben ihn und schüttelte den Kopf.

„Das kann nicht stimmen“, bemerkte der erste Schüler leiser, also ob er selbst mit sich spräche.

Vor ihnen in der Vitrine lag ein stark beschädigtes Smartphone, mit stark zerkratztem Display. Darunter war ein Schild zu lesen, „Fund vom 14.Oktober 1939“ und darunter in einer zweiten Zeile, „Hinter dem Krematorium“.

Chris, der Entdecker, schüttelte den Kopf.

„Das ist wohl ein Witz, so’n Ding hat mein Bruder. Ist das hier Versteckte Kamera, oder so?“ Er drehte sich um und tat als suchte er die Kameras.

„Aber das Datum?“, meinte Matze und statt eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und rief laut in den Raum, „Tom komm mal!“

Tom, der sich gerade in einem Gespräch mit einer Schülerin befand, wandte sich abrupt um.

„Mann Leute! Soll ich euch nun auch noch die Schilder vorlesen? Lest allein. Das solltet ihr doch schon in der Grundschule gelernt haben“, antwortete er leicht genervt.

Chris zuckte mit den Schultern und wandte sich einem anderen Exponat zu. In der Vitrine nebenan lag eine vergilbte, mit Schreibmaschine geschriebene Liste von Verstorbenen. Chris folgte mit einem Finger die gesamte Liste abwärts und las leise.

„Bartel, Bartsch, Becker, Behaim, Bertram……alles arme Schweine.“ Er schüttelte den Kopf und biss sich auf die Lippen, ehe er leise weiter las. Am Ende seufzte er leise, „Gott sei Dank, niemand den ich kenne.“

Kapitel 2

 

 

 

Leise Geräusche waren in dem fast dunklen Tunnel zu hören, verwaschene, weit entfernte Stimmen. Lichtflecke huschten über den Betonboden, in den Gleise einer Bahn eingebettet waren. Starkes gebündeltes Licht strahlte aus einem Vertikal-Schacht an der Decke des Tunnels, der ein halbrundes Profil aufwies. Runde Lichtflecken tanzten über die Wände. Zwei schwarze Kletterseilenden fielen zu Boden, gefolgt von vielen kleinen Betonbrocken, die auf den Tunnelboden prasselten. Die Seile warfen während des Falls Schatten auf die Betonwände. Die Geräusche wurden stärker und die Stimmen deutlicher.

„So ein Scheiß“, hörte man eine Stimme. Die Lichtflecke auf dem Boden begannen wieder zu tanzen und die Seilenden bewegten sich. Zuerst waren nur zwei Füße in der Deckenöffnung zu sehen, dann glitt ein Mann das Seil herab. Er trug einen roten Helm mit einer Lampe. Als er auf dem Boden stand bewegte er langsam den Kopf, wobei der Lichtkegel seiner Lampe am Helm seinem Blick folgte und er besah sich die Umgebung. Sein Blick blieb auf einem Schild auf der anderen Tunnelseite hängen. „Luftschutzkeller“, stand da in deutlicher Schrift, schwarz auf weißem Grund.

„Was ist, wo bleibst du?“, fragte er und der Lichkegel beleuchtete das Loch in der Decke, in dem zwei Füße zu sehen waren. Der Mann hielt die Seile straff.

„Keine Panik, ich bin gleich durch“, antwortete die Stimme aus dem Loch.

„Mann ist das eine Quälerei“, ertönte die Stimme erneut.

„Tja, du wirst halt alt“, rief der Mann mit dem roten Helm in Richtung Loch.

Ein helles Surren des Seils ertönte und der Mann, zu dem die Stimme aus dem Loch und die heraushängenden Beine gehörten, glitt geschmeidig an dem Seil zu Boden.

„Alles in Ordnung Tom?“, fragte der Mann, der unten das Seil hielt.

„Alles roger Philipp!“ Er löste den Knoten an seinem Klettergurt.

Philipp, ein junger, schlanker Mann, um die Dreißig, leuchtete mit seiner Helmlampe auf das Schild an der Wand.

„Ist ganz schön tief für einen Luftschutzkeller und was sind das für Gleise, S-Bahn oder U-Bahn?“ Tom leuchtete auf den Boden.

„Kann ich mir nicht vorstellen, das hier ist Schmalspur.“ Philipp wackelte unentschieden mit dem Kopf. „Doch das muss Schmalspur sein, aber ohne Stromversorgung, keine Oberleitung, keine Stromschiene.“

„Die werden doch hier nicht mit Dampflokomotiven gefahren sein“, entgegnete Tom verwundert. Auf jeden Fall sind wir hier vierzig oder fünfzig Meter unter der U-Bahn-Sohle.“

„Und alles trocken“, ergänzte Philipp und leuchtete den Boden und die Wände ab, „naja ein wenig Flugrost auf den Schienen, aber nach der langen Zeit.“

Tom betrachtete das Luftschutzkellerschild. Er trat näher heran und las halblaut, „Bitte bewahren sie Ruhe!“ und darunter stand, noch kleiner „Der Bunkerkommandant“.

Philipp richtete seine Lampe, die er aus dem Rucksack gezogen hatte, auf die Tunnelwände. In einiger Entfernung waren Nischen zu sehen und sie liefen langsam darauf zu. Sie entdeckten Doppelstockbetten und Bänke und Tische. Hinter der Nische war ein Bild auf die Wand gezeichnet, das Ähnlichkeit mit einer Glocke hatte. Ein Pfeil zeigte in die Richtung des Tunnels. Tom klappte seinen Block auf und zeichnete das Bild ab. Währenddessen leuchtet Philipp den Boden ab und entdeckte einen kleinen Gegenstand, der im Lichtkegel einen winzigen Schatten warf. Er lief darauf zu, bückte sich und hob ihn auf. Im Licht der Helmlampe leuchtete in seiner schmutzigen Handfläche ein Parteiabzeichen der NSDAP, etwa so groß, wie ein 2 Eurostück. Ein schwarzes Hakenkreuz auf weißem Feld mit dunkelrotem Rand. Er wische mit dem Finger das Abzeichen ab und las den Schriftzug, der sich in dem roten Feld um das Parteiabzeichen wand und in Großbuchstaben geschrieben war „NATIONAL-SOZIALISTISCHE-D.A.P.-“

„Der Träger hatte es offenbar sehr eilig gehabt, das Ding loszuwerden.“ Er reicht Tom das Abzeichen. „Hier sieh mal!“

Tom betrachtete das Abzeichen interessiert im Lampenlicht.

„Und hier war niemand mehr, seitdem der Träger das Ding verloren hat.“

Tom sah Philipp prüfend an und kniff ein Auge zu, als er es nach eingehender Betrachtung Philipp zurückgab. Philipp verstaute das Fundstück in seinem Rucksack und zog einen Kompass heraus und eine Mappe mit einem Stadtplan, auf dem ein Bogen Transparentpapier geheftet war.

„Dann wollen wir mal den Tunnel vermessen. Schade, dass wir hier unten kein GPS-Signal haben. Würde vieles leichter machen.“

Tom nickte zustimmend.

 

Philipp und Tom liefen langsam den Tunnel entlang, die Wände und den Boden ableuchtend.

„Mich würde mal interessieren, was das für Gleise sind. Philipp leuchtete mit der Taschenlampe die Gleise ab. An die Wand warf das zitternde Taschenlampenlicht einen neuen Schatten. Tom bückte sich und hob den Gegenstand auf und betrachtete ihn im Lampenlicht. Es war eine Zigarettenschachtel von Josetti Juno. Tom legte zwei Finger unter die Nase und imitierte Hitlers kratzige Stimme.

„Und wieder ist es unserer siegreichen deutschen Armee gelungen, einen Lastwagen voll Knäckebrot an die Front zu bringen.“

Philipp schüttelte den Kopf. „Komm, lass den Quatsch!“

Tom nahm die Finger herunter. „Ich möchte nur wissen, wo wir hier sind und wozu das Ganze gebaut wurde?“

„Ich schätze mal unter dem ehemaligen Regierungsviertel, vielleicht unter dem ehemaligen Reichsluftfahrtministerium“, entgegnete Philipp.

„Aber so tief.“ Tom sah Philipp an.

„Du hast ja gesehen die Seillänge hat gerade so gereicht und über uns der alte S-Bahntunnel.“

„Das ist aber enorm unter dem U-Bahn Niveau. Möchte nur wissen, was die Nazis hier getrieben haben“, brummte Tom und steckte vorsichtig die Zigarettenschachtel wie ein wertvolles, historisches Artefakt in eine Tüte, ehe er sie in seinem Rucksack verstaute.

„Vielleicht haben die hier Flugzeuge gebaut oder ihre V-Waffen. Die Betten sind vielleicht für Zwangsarbeiter gewesen“, nahm Philipp nach einer kurzen Pause das Gespräch wieder auf.

Sie erreichten einen abzweigenden Tunnel. Eine Weiche teilte den Schienenstrang.

„Was mich nur wundert, der Tunnel ist absolut trocken, muss gut isoliert sein. Wo mag der hingehen?“ Tom deutete auf den Abzweig.

„Keine Ahnung, aber lass uns geradeaus gehen. Den Abzweig sehen wir uns ein anderes Mal an.“

Sie liefen schweigend weiter. Es war fast still, nur ihre Schritte waren zu hören. Der Tunnel machte eine leichte Krümmung und nach einer Weile standen sie an einer gemauerten Kalksandsteinwand, die quer durch den Tunnel lief. Er endete scheinbar hier.

„Lass uns zurückgegen und morgen weitersuchen. Auf dem Rückweg zählen wir aber die Schritte“, schlug Philipp vor.

Sie drehten sich um und liefen zurück. Jeder zählte leise. Am Einstiegsschacht, aus dem die Seile hingen, blieben sie stehen.

„Zweitausendachthundertachtundfünfzig“, sagte Tom

„Ich habe zweitausendachthundertachtzehn“, verkündete Philipp. „Das liegt vermutlich daran, das ich längere Schritte mache.“

„Und?, fragte Tom neugierig

„Nehmen wir zweitausendachthundertachtunddreißig“, schlug Philipp vor, „das ist die Hälfte der Differenz.“

„Wie du das so schnell ausrechnen konntest“, bewunderte Tom seinen Freund, „aber du warst ja immer schon besser in Mathe als ich.“

Tom klickte seine Steighilfe ans Seil und begann seinen Aufstieg.

„Ich bin durch, du kannst“, ertönte es hohl aus dem Loch.

Philipp sah sich noch einmal um, ehe er seine Steighilfe am Seil befestigte und sie abwechselnd an beiden Seilenden hochschob, ehe er ebenfalls in dem Schacht verschwand.

Kapitel 3

 

 

 

Tom und Philipp saßen am Küchentisch und aßen. Auf der Spüle lagen zwei aufgeklappte Pizzakartons mit Teilen von Pizzas. Zwei halb volle Bierflaschen standen vor ihnen. Ein kleiner Fernseher auf dem Kühlschrank lief und sie sahen sich nicht sonderlich interessiert die Sendung an. Es war die Berliner Abendschau. Philipp hatten einen Laptop auf den Knien und gab Daten in einen Stadtplan ein. Hin und wieder blickte er hoch und widmete sich dann gleich wieder seinen Notizen.

Der Schulsenator fordert zusätzliche Stellen für Lehrer“, hieß es in einem Bericht.

„Wird ja auch Zeit“, brummte Tom, „diese ewigen Vertretungen.“

Und hier eine Sondermeldung aus aktuellem Anlass. Am späten Nachmittag wurde eine helle Lichterscheinung am Himmel über Berlin gesehen, die sich rasend schnell von Ost nach West bewegte.“

Beide sahen auf und unterbrachen ihre Tätigkeit.

Unser Reporter Uli Feller sprach mit einigen Passanten, die diese Erscheinung über dem Stadtgebiet gesehen haben.“

Der Reporter hielt einer jungen Frau das Mikrofon hin.

Und sie haben diese Erscheinung gesehen?“

Die junge Frau nickte leicht verunsichert.

Halten sie die Erscheinung für ein Ufo?“, forderte der Reporter die junge Frau auf, zu berichten.

Die Frau zog unentschlossen die Schultern hoch.

Das kann ich nicht sagen, es flog erst ganz langsam und sah aus wie….“

Sie zögerte erneut.

Es sah aus wie eine Glocke, hier so wie das.“

Sie hielt eine Zeichnung ins Bild.

Und ist es schnell geflogen?“ fragte der Reporter einen anderen Passanten.

Nein, erst ganz langsam, sonst hätte man es ja nicht erkennen können.“

Aber dann gab es so etwas wie einen Lichtblitz“, mischte sich eine andere Frau in das Interview ein.

„Hast du die Zeichnung gesehen? Die sieht doch genauso aus, wie die im Tunnel“, stellte Philipp fest und begann in seinem Rucksack zu kramen. Er zog seine Skizze, die er von der Wand abgezeichnet hatte, hervor.

Ist es nicht ein wenig weit hergeholt von einem Ufo zu reden? Wir bleiben jedenfalls dran“, schloss der Reporter seinen Bericht. „Ich gebe zurück zu Cathrin Schöne und Nadya Leiser.“

„Hier, sieht doch genauso aus, wie aus dem Tunnel.“ Philipp schob die Zeichnung zu Tom herüber, der gerade einen Schluck aus der Flasche nahm, als es an der Tür klingelte. Philipp stand auf und ging zur Wohnungstür. Draußen im Hausflur stand ein alter Mann in Hausschuhen und einem blau gestreiften Bademantel, der an einigen Stellen schon sehr abgegriffen war.

„Was kann ich für sie tun?“

„Mein Name ist Reichel“, sagte der Mann mit einer unangenehm harten Stimme, „ich wohne in der Wohnung unter ihnen und möchte sie bitten, ihren Fernseher etwas leiser zu stellen.“

Tom rief aus der Küche, „wer ist da?“

„Ein Nachbar, stell mal den Fernseher etwas leiser.“

Das Telefon klingelte und Tom lief in den Flur.

„Ok mach ich gleich.“ Er betrachtete die Nummer auf dem Display, ehe er auf die Taste klickte und sich meldete. „Beerdigungsinstitut Ruhesanft. Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an.“

Dann wechselte er den Hörer auf das andere Ohr.

„Ach, du bist es Carsten!“, platzte es aus Tom überrascht heraus. „Was gibt’s, dass du noch so spät zum Hörer greifst?“

Philipp hatte den Ton des Fernsehers inzwischen etwas leiser gestellt und betrachtete das Fernsehbild.

„Wir waren den ganzen Nachmittag zu Hause, warum?“

Philipp drehte sich um und sah Tom belustigt zu, wie dieser Grimassen schnitt.

„Nein, wir haben keine Heimlichkeiten und wir haben uns auch nicht versteckt. Wie kommst du darauf?“

Die Abendschau war zu Ende und Philipp schaltete den Fernseher aus. Er sah zu Tom herüber, der immer noch mit Carsten diskutierte und nahm sich ein Stück kalte Pizza.

„Was will er denn?“, fragte er kauend. Tom zuckte mit den Achseln.

„Blödsinn, wir haben keine Geheimnisse. Wir sind nicht so wie du. Ich erinnere nur an den Humboldbunker, als wir den Gang entdeckt haben und du dich mit fremden Federn geschmückt hast. Hallo Carsten?.....Carsten!“

Er legte das Telefon auf den Tisch.

„Hat einfach aufgelegt der Penner.“

„Was sagst du zu diesem Bericht?“, fragte Philipp immer noch kauend. Er deutete mit dem Pizzastück auf die Zeichnung.

„Ist schon irgendwie komisch“, bemerkte Tom

„Übrigens, kein Wort zu Carsten!“ Philipp hörte auf zu kauen und sah ihn streng an.

„Also wofür hältst du mich denn?“, fragte Tom und ein wenig schwang so etwas, wie Empörung in seiner Stimme, das Philipp so etwas überhaupt äußern konnte.

„Morgen sehen wir weiter. So, ich geh ins Bett, Nacht!“ Philipp schob den letzten Bissen Pizza in den Mund und klappte seinen Laptop zu.

„Schlaf gut“, sagte Tom, immer noch zweifelnd, ob er sauer sein sollte.

Kapitel 4

 

 

 

Am nächsten Morgen saß Philipp in seinem Büro, einem großen Raum mit mehreren Schreibtischen auf denen große Monitore standen. Drei seiner Kollegen diskutierten über statische Probleme eines Projektes. Einer saß auf der Schreibtischecke und der andere stand mit einem Kaffeebecher in der Hand hinter dem Bürostuhl des Planenden und sah ihm über die Schulter. Es ging bei dem Gespräch über Spannweiten von Fertigdecken und der auf der Ecke saß, war der Meinung die Decke in einen Träger springen zu lassen, der andere Auflagepunkte bekommen sollte.

Philipp hielt sich aus der Diskussion heraus. Er wandte sich wieder seinem Problem zu. Auf den beiden großen Monitoren, die vor ihm auf dem Schreibtisch standen, lief ein CAD Programm, mit einer Zeichnung eines Gebäudedetails. Sein Blick schweifte über seinen Arbeitsplatz und fiel auf sein Notizbuch. Er klappte es auf und betrachtete die Zeichnung der Glocke und er dachte an die Zeichnung auf der Tunnelwand. Was hatte sie zu bedeuten?

Er stand langsam auf und lief zum Kaffeeautomaten, der sich in einer kleinen Kaffeeküche, in einer Nische befand. Auf dem Display wählte er einen großen Cappuccino, stellte einen Becher darunter und schon erwachte der Automat zum Leben. Es gurgelte und blubberte und bald war seine Tasse voll, oben auf mit einer leichten Schaumkrone. Mit einem Blick auf seine immer noch diskutierenden Kollegen schlurfte er zu seinem Arbeitsplatz zurück, als sein Blick auf die Überschrift einer Tageszeitung fiel, die aufgeklappt auf dem Schreibtisch eines der Kollegen lag. Er griff sich die Zeitung und lief in Richtung seines Schreibtisches, immer noch sein architektonisches Problem auf den Bildschirmen vor Augen.

Unbekanntes Flugobjekt über Berlin“, lautete die Überschrift und darunter, „Sind Aliens gelandet?“ Philipp lehnte sich in seinem Sessel zurück, nahm einen Schluck Cappuccino und überflog den Artikel. Es wurden darin Mutmaßungen angestellt, was die hellen Lichterscheinungen über dem Berliner Stadtgebiet zu bedeuten hätten. Er nahm einen neuen Schluck und schlug die Wirtschaftsseite auf, mit einem Artikel über Apples neue Produkte und dem enormen Kursanstieg der Aktie, nur weil Neuerungen erwähnt wurden. Philipp faltete die Zeitung zusammen und sah auf seine Bildschirme. Das Problem hatte sich noch nicht von selbst gelöst und nun musste er sich selber um eine Lösung bemühen.

Kapitel 5

 

 

 

Zur gleichen Zeit betrat Tom schwungvoll das Klassenzimmer. Die Privatgespräche erstarben, bis auf zwei Schülerinnen, die entweder kein Ende fanden, oder Toms Kommen nicht bemerkt hatten.

Tom knallte seine Mappe auf das Lehrerpult und klatschte in die Hände.

„So, alles hinsetzen!“ Widerstrebend und betont langsam nahmen die Schüler ihre Plätze ein und die beiden Schülerinnen drehten sich um und schwiegen.

„Wie angedroht schreiben wir heute die Klausur“, nahm Tom das Gespräch auf. Eine Unruhe machte sich breit.

„Muss das sein?“, fragte eine Schülerin in den vorderen Reihen.

„Ja, das muss sein!“ antwortete Tom und zog einen Stapel leerer Blätter aus der Mappe.

„Ausgerechnet heute“, ertönte es aus einer Ecke, „ich habe meine Tage“, aus einer anderen.

„So eine Scheiße“, kommentierte ein Schüler in der Mitte, „hat mir gerade noch gefehlt.“

„Mir gefällt das auch nicht“, antwortete Tom, während er die Blätter verteilte, „ich muss euern Scheiß hinterher korrigieren und bewerten. Wir schreiben bis zu den Zeugnissen noch ein paar Arbeiten, da könnt ihr euch darauf einstellen.“ Tom sah sich um und entschied, „so, alles vom Tisch, keine Gespräche mit dem Nachbarn. Betrugsversuche, wie etwas Abschreiben werden mit einer 6 geahndet. Sollte übrigens bekannt sein.“ Dann ging er zur Tafel und schrieb das Thema an, wobei hin und wieder die Kreide quietschte.

Welche Funktion hatten Konzentrationslager im Nationalsozialismus und wie waren sie organisiert?“

„Wenn ihr schön aufgepasst habt, bei unserem Besuch in Sachsenhausen ist das Thema easy!“

Tom sah sich in der Klasse um. „So ihr habt 45 Minuten Zeit – topp die Wette gilt!“

Er lief zum Pult und setzte sich darauf. Aus der Tasche kramte er eine Zeitung hervor.

„Wollen wir nicht tauschen?“, fragte eine Schülerin, die vor ihm saß.

Tom ließ die Zeitung sinken und grinste.

„Habe ich alles hinter mir. Streng dich an, dann kannst du in 6 Jahren auch hier sitzen und Schüler quälen. Hört also auf zu quatschen, das geht von eurer Zeit ab!“ Er nahm wieder die Zeitung auf und vertiefte sich in den Leitartikel, in dem es um Ufos über Berlin ging.

Kapitel 6

 

 

 

Am Nachmittag trafen sich Tom und Philipp in der Wohnung. Tom war schon etwas früher da und hatte angefangen, seinen Rucksack zu packen. Er hatte eine starke Lampe mit einem Ersatzakku in der Hand. Als Philipp kam, stellte er die Kunststoffbox eines Messgerätes und ein Aluminiumstativ hinzu. Auf der Box stand „Theodolit und „Handle with care“. Er hatte sich dieses Gerät aus seiner Firma geliehen, wie er es schon oft getan hatte, um Tunnel zu vermessen.

„Fertig?“, fragte Tom und zog die Verschlüsse seines Rucksacks zu.

Tom nickte nur, griff sich sein Gepäck und lief ins Treppenhaus. Tom folgte ihm und schloss die Wohnungstür ab.

Sie nahmen ihre Fahrräder und fuhren in den Tiergarten, einem großen Park, wo sich der Einstieg zu dem Tunnelsystem in einem Gebüsch verborgen, befand. Es war durch eine schwere metallene Klappe gesichert. Sobald diese geöffnet war, konnte man Stufen sehen, die in die Unterwelt führten und von da aus in das weit verzweigte unterirdische Tunnelsystem.

Sie schlossen ihre Fahrräder an einer Laterne an, nahmen ihr Gepäck auf, ehe sie in das Gebüsch krochen und in der Öffnung verschwanden.

Sie schalteten die Lampen ein und liefen den Tunnel entlang, ohne Orientierungsprobleme. Es dauerte eine Weile, bis sie zu dem Vertikalschacht kamen, der in einer Nische versteckt lag und durch den sie in den unteren Tunnel gelangten. Philipp befestigte die Seile an einem Ring, der in der Seitenwand einbetoniert war. Tom befestigte an einem Seilende, die Taschen mit den Geräten und dem Stativ, ehe er auch dieses in die Tiefe gleiten ließ. Danach befestigte er an seinem Klettergurt einen Karabinerhaken mit einer Seilbremse, die er aufklappte und an das Kletterseil anschloss. Er setzte sich an den Rand des Loches, ehe er sich hineinzwängte. Langsam rutschte er tiefer, bis er nicht mich zu sehen war.

„Du kannst kommen“, rief er Philipp zu, der ihm nachsah.

„In Ordnung“, antwortete dieser und rutschte ihm nach.

Als Philipp unten ankam, war Tom bereits damit beschäftigt, den Theodoliten mit dem Kompass und einem Laserentfernungsmesser auf eine Schiene auf das Stativ zu schrauben.

„Ich denke das Metall in den Wänden gibt zu viel Ablenkung für den Kompass“, erklärte er, während sich Philipp von dem Seil befreite.

„Ich würde gern Carstens Gesicht sehen, wenn er davon erfährt.“

„Also von mir erfährt er nichts“, antwortete Tom und schaltete den Laser ein. Ein dünner roter Lichtstrahl leuchtete auf und endete irgendwo im Dunkel des Tunnels, für die Augen nicht sichtbar.

„So wir können“, sagte Tom, schob sich eine dunkle Brille, wegen des Lasers auf die Stirn, nahm die Messlatte und lief in die Dunkelheit, nur begleitet von den Lichtpunkten seiner Taschenlampe.

„Du kannst stehen bleiben“, rief Tom und sah durch das Okular. „Ich schalte jetzt den Laser an.“

Für Tom das Signal die dunkle Brille aufzusetzen.

Er stand in der Mitte des Tunnels und hielt die Messlatte aufrecht.

„In Ordnung hab ich“, rief Philipp und begann die Daten in eine Liste einzutragen.

Sie vermassen Strecke für Strecke, bis sie an die Mauer kamen.

„Hier ist Schluss“, sagte Philipp.

„Ist hier wirklich Schluss?“, fragte Tom und kramte seinen kleinen und sehr spitzen Steinhammer, wie ihn Archäologen verwenden, aus dem Rucksack.

„Mach keinen Quatsch“, warnte Philipp, was, wenn der andere Tunnel unter Wasser steht?“

„Dann wären vermutlich die unteren Steine feucht. Ist Kalksandstein.“ Philipp nickte und Tom begann in Brusthöhe an einer Seite, nah der Tunnelwand einen Stein herauszulösen. Polternd fiel der Stein zu Boden, was ein lautes Echo erzeugte. Rasch löste er noch einen Stein und einen Dritten und Vierten.

Er trat an das Loch, steckte den Kopf hinein und leuchtete mit der Taschenlampe.

„Hier geht’s weiter!“

Hastig vergrößerte er das Loch und stieg durch. Philipp schob das Stativ mit den Geräten durch, ehe er selbst durchkletterte.

„Ich verstehe nicht, warum die das zugemauert haben?“, fragte Philipp und betrachtete die Tunnelröhre, die genau so aussah, wie die vor der Mauer. Tom war inzwischen wieder damit beschäftigt, das Stativ aufzustellen und auszurichten. Er leuchtete mit der Stirnlampe auf die Libellen, kleine Wasserwagen und drehte an verschiedenen Stellschrauben, ehe das Stativ richtig stand, um exakte Messungen durchführen zu können.

„Ich möchte wissen wo wir hier sind?“, sagte Philipp und betrachtet seinen Straßenplan, der aber nur oberirdisch helfen konnte, eine Antwort auf seine Frage zu finden.

„Ich schätze, wir laufen in Richtung ehemaliges Regierungsviertel“, meinte Tom und zuckte mit den Achseln.

„Dann verstehe ich nicht, warum Adolf seinen Bunker nicht unbemerkt verlassen konnte, als die Russen kamen.“ Philipp sah Tom an, der ihm aber die Antwort nicht schuldig blieb.

„Hat er auch vielleicht, wer kann das schon sagen, ob er nicht in Paraguay, Syrien oder Argentinien untergetaucht ist, wie viele der anderen auch und dort seinen Lebensabend verbracht hat. Das Rote Kreuz und der Vatikan waren ja sehr hilfsbereit neue Identitäten auszustellen.“

Tom und Philipp ließen das Stativ stehen und liefen langsam den Tunnel entlang. Überall lag Schutt und auf einem Haufen eine Zeitung, „Der Völkische Beobachter“. Tom hob sie auf und leuchtete auf das Titelblatt vom 5. Februar 1943 mit der Goebbels Rede zu Stalingrad.

Philipp sah Tom über die Schulter und leuchtete die Zeitung ab.

„Dieser miese Drecksack!“, entfuhr es ihm und er leuchtete mit dem Lichtkegel auf ein Bild Goebbels. Tom schüttelte den Kopf, faltete die Zeitung zusammen und verstaute sie in einer der Taschen.

Sie liefen langsam weiter den Tunnel entlang. Überall lagen Steine und Schutt herum. In einer der Nischen, an denen sie vorbeikamen, befanden sich zwei Abgänge. Über einem stand „Männer“ und über dem anderen „Frauen“.

„Sieh mal, die haben hier auch Klos gehabt“, sagte Tom und leuchtete die Schilder an, die über den Türen hingen. „Klos in der Unterwelt, was für ein Irrsinn!“

„Dann müssen die hier auch Hebeanlagen gehabt haben, um die Abwässer in die Kanalisation zu pumpen“, bemerkte Philipp nachdenklich.

„Aus dir spricht wieder der Architekt.“ Tom verzog das Gesicht und lief auf den Eingang, über dem Frauen stand zu.

„Philipp, komm mal! Die haben hier sogar Wickeltische für Babys!“

Philipp folgte der Aufforderung und betrat die Toilettenräume.

„Hier ist aber lange nicht sauber gemacht worden. Man sollte sich mal bei der Reinigungsfirma beschweren.“

„Hier war wirklich seit Jahrzehnten niemand mehr“, stellte Tom fest.

„Sieht so aus“, bekräftigte Philipp.

Sie gingen wieder nach draußen. Auf der anderen Seite waren noch mehr Nischen im Lampenlicht zu sehen, alle mit Doppelstockbetten, dreistöckig.

Plötzlich stolperte Philipp und rempelte Tom an. Die Taschenlampen fielen zu Boden und es war auf einmal stockfinster.

„So eine Scheiße, ich sehe überhaupt nichts“, fluchte Tom laut und tastete über den Boden.

„Sieh mal, da leuchtet eine Lampe.“ Philipp krabbelte darauf zu und stieß sich mehrfach das Knie an herumliegenden Steinen.

„Wo, ich sehe nichts“, brummte Tom. Eine ganze Weile hörte sie nur Steine scharren und hin und wieder unterdrückte Flüche, wenn einer der beiden sich gestoßen hatte.

„Hier ist Licht! Unter den Steinen leuchtet es und hier ist meine Lampe.“ Tom schaltete seine Lampe ein und leuchtete auf den Steinhaufen. Ein Stück weiter links lag auch die von Philipp.

„Hier sieh mal“, sagte Tom und knipste seine Lampe aus

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Peter Kaul
Bildmaterialien: Peter Kaul
Lektorat: P.Kaul
Tag der Veröffentlichung: 14.05.2014
ISBN: 978-3-7368-1163-8

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /