Herzlich Willkommen.
Willkommen zu einer... Geschichte.
Man es durchaus so beschreiben.
Geschichte.
Interessant.
Wie simpel.
Und doch...
Ich nehme meinen Stift.
Wollt ihr mitkommen?
Mitkommen nach...hm?
Ich zögere.
Warum überhaupt?
Für mich ist es doch nur ein...
WORT
Man stelle sich ein Haus vor.
Es ist klein und passt exakt in die Umgebung, die aus vielen Bäumen besteht. Sprich: Wald.
Kein Kind würde sich die Mühe machen, an Halloween an der dunklen Tür zu klopfen. Eine alte Frau wohnte in dem Haus. Sie war schon wirklich alt und hatte bereits ihre Urenkel überlebt.
Würde sie Wert darauf legen, könnte sie mühelos den Weltrekord für das älteste lebende Wesen erringen, doch eine rüstige Dame ist bescheiden und immer höflich.
Doch da sie kein Geld hat, kann sie keine Süßigkeiten kaufen. Das ist ein weiterer Grund, warum sie immer im Herbst versucht nicht aufzufallen.
Das Bisschen Gartenarbeit, das in einer solchen Jahreszeit anfällt, bewältigt sie gut ohne großes Aufregen. Sie ist schließlich nicht mehr die Jüngste und hat sehr viel Übung darin, ihre Geduld bis zu einem Punkt zu dehnen, an dem andere Menschen schon Morde begangen hätten.
Und diese Frau, diese alte Dame, dieses nette kleine Weiblein lebt ganz alleine in dem großen Wald und geht nur in die Stadt, wenn die Kräuter aus dem Garten verblühen und die Apfelernte im letzten Jahr misslungen ist.
Und diese gebeugte Frau geht Tag für Tag immer wieder das gleiche Ritual durch.
Kaum ist sie im Garten, steuert sie auch schon den großen Kirschbaum an, unter dem die weiß lackierte Holzbank steht. Vorsichtig setzt sie sich darauf und blickt in die Ferne. Doch obwohl ihr einige Bäume die Sicht verstellen, scheint es immer so, als ob sie nicht die hölzernen Giganten sieht, sondern das, was dahinter liegt, auf de anderen Seite des Jetzt. Vermutlich sieht sie das Bald. Doch sie ist inzwischen zu alt, um darauf zu reagieren.
Die Kirschbäume blühen heute.
Es ist Herbst. Da blühen sie immer.
Wenn die Sonne hinter den flüsternden Bäumen versinkt, dann erhebt sich die alte Frau schwerfällig, sie ächzt unter dem Gewicht des Gleich und sieht sich im Jetzt um: Goldene Blätter tanzen im Wind. Die letzten Vögel singen hoch oben am Himmel und es wird merklich kühler.
Aber die vom Alter verausgabte Dame geht nicht ins Haus. Nein. Sie schreitet langsam darum herum. Als sie auf der anderen Seite ihres unglaublich großen Gartens ankommt, ist es bereits Nacht.
Doch ihre Reise ist noch nicht zu Ende. Mühevoll erklimmt sie einen Hügel, der in ihrem Garten wie ein Wachhund auf der Lauer liegt.
Ganz oben auf der Erhebung steht eine Laube. Alter hat auch sie schon verwittern lassen, doch das Holz hält noch zusammen. Es wird gestützt von Ranken. Weinreben und Brombeeren wechseln sich ab in einem Wunderwerk der vollendeten Kunst.
In der Laube steht ein Stuhl. Auch er ist alt und knarrt, als sich die alte Dame darauf nieder lässt.
Von hunderten von Glühwürmchen umschwirrt schließt die Frau die Augen und denkt nach. Häufig ist sie dabei schon eingeschlafen.
Doch nicht so heute. Heute sitzt sie nur da.
In einer Ecke der Laube steht ein großer Stein aufrecht. Es ist ein Grabstein, der die letzte Ruhestätte der großen Liebe eines jungen Wirbelwindes bezeugt, der nun in einem alten Stuhl in einer grünen Laube sitzt und daran denkt, wie schön doch die Nacht ist.
Dann liegt Dunkelheit über dem Anwesen. Nur der helle Mond scheint wie ein gleißendes Loch in dem schwarzen Himmel, hinter dem vielleicht die Sonne auf den nächsten Tag wartet.
Eine warme Nacht.
Die goldfarbenen Glühwürmchen tanzen einen irrsinnigen Reigen, der wie Funken anmutet, die aus einem Feuer stieben.
Von tausenden kleiner Sterne umtanzt steht die Alte wieder auf und geht ins Haus.
In der Finsternis kramt sie in einigen Schubladen, von denen sie den Inhalt eigentlich schon auswendig kennen müsste, bis sie auf eine Kerze stößt.
Nach einigen verzweifelten Minuten, verbracht mit der Suche nach den passenden Streichhölzern, geht die alte Dame in die Stube und stellt die Kerze auf den Tisch.
Ratsch...
Zisch...
Schon bald erfüllt warmer Schein den Raum. Düster flackern die Schatten in den Ecken.
Es ist, als wüssten sie, dass ihre Zeit bald kommt.
Die Großmutter klettert auf einen Stuhl und nimmt eine von zwei Tassen von dem Regal.
Die andere Tasse lässt sie im verschlossenen Schrank, wo sie sicher ist. Die alte Frau könnte es nicht ertragen, wenn sie kaputt ginge.
Schon wenig später pfeift der Wasserkessel und der Tee wird aufgebrüht.
Ein wundervolles Bild, hm?
Weiter, was hätte passieren können?
Was wäre, wenn ich etwas ändere, wie zum Beispiel...
Eine alte Frau geht über eine weite Wiese. Es ist Nacht und der Mond spiegelt sich in ihrem Gesicht.
Am Rande der Wiese ragen schwarze Bäume in den Himmel, einige Nebelschwaden umkreisen die Lichtung, auf der eine alte Dame steht.
Sie ist von Glühwürmchen umschwirrt und sieht hinauf.
Zum Mond.
Langsam öffnen sich die Kelche von tausenden Lilien. Sie alle sind tiefschwarz. Doch in ihrem Inneren, in den Tiefen einer pechschwarzen Blüte, dort glüht ein herrliches Licht.
Hunderte von Sternen steigen aus den Abgründen der seltsamen Pflanzen auf und vereinen sich mit den Glühwürmchen zu einem flirrenden Kreis aus Licht.
Waren es überhaupt Glühwürmchen?
Oder...
Nein, Tanzende Sterne.
Doch nun eine andere Szene.
Wir weichen zurück.
Immer weiter.
Bis die alte Frau ein Fleck in einem Meer aus schwarzen Lilien ist, bis die Sterne auf der Wiese den Sternen dort oben Platz machen.
Immer weiter zurück, immer weiter, bis Planeten an uns vorbei rauschen, immer kleiner werden, bis.
..
Eine Gestalt.
Sie sitzt mit verschränkten Beinen auf einem Felsen.
Mitten in einem kleinen See.
Der Felsen schwimmt nicht. Er liegt auf der Wasseroberfläche auf.
Die Gestalt hat die Augen geschlossen.
Sie sieht nicht die wundervollen Dinge um sich herum.
Nicht die glitzernden, leuchtenden Blumen, die langsam atmend ihre Kelche öffnen und schließen.
Nicht die seltsamen Wesen, die mit schillernden Flügeln ihren Kopf umkreisen.
Nicht die Bäume, in deren Ästen die Götter wohnen.
Nicht die Nacht, die vor ihr steht. Und nicht den Tag, hinter ihr.
Die Gestalt ist eine junge Frau. Und sie sitzt alleine auf einem nicht schwimmenden Fels in einem kleinen Teich.
Der Ort ist eingehüllt von einer Kuppel aus leisen Geräuschen. Dem Surren einiger Insekten, dem Zirpen diverser Grillen, dem leisen Singsang der kleinen Wesen mit den schillernden Flügeln, dem stillen Plätschern des Wasserfalls.
Und überall sind Lichter. Wundervolle, schimmernde Lichter. In allen Farben.
Und am Himmel türmen sich die Lichter.
Polarlichter, Sonneneruptionen, man sieht Galaxien wachsen, leben, und...sterben.
Man beobachtet Planeten. Schaut in die Sterne.
Man sieht eine einsame junge Frau in der Mitte eines Teiches. Glühende Fische flitzen unter dem Stein hindurch. Schmuckvolle Libellen kreisen um die Gestalt und leisten den Planeten Gesellschaft, die ihre Bahnen um sie ziehen.
Nur wenige Millimeter vor ihrem Augenlid zischt ein mikroskopisch kleiner Meteorit vorbei und zieht einen langen Schweif aus gefrorenem Feuer hinter sich her, kosmisches Feuer, aus einer anderen Welt?
Die Frau blinzelt nicht einmal. Diese Gestalt wird sich niemals erheben.
Sie wird bis in alle Zeiten auf dem Felsen sitzen und sich selbst suchen.
Sie sieht nicht ihre Umgebung, nein, sie sieht das, was dahinter liegt.
Sie sieht die unendlichen Weiten des Universums, der Welt und all ihrer Bewohner.
Sie beobachtet kritisch jede Welt.
Auch...
Die Erde, mit den klaren Flüssen, den grünen Bergen, dem glitzernden Meer. Die Kinder, die auf einer saftigen Wiese spielen, die Erwachsenen, die sie lächelnd beobachten, die Könige, die gutmütig über ihre Länder herrschen und sie gerecht verwalten.
So sitzt sie da und schaut die Welten an.
Sie urteilt, sie richtet, sie wiegt ab.
Und so sitzt sie mitten in einem See. Einem schillernden Stück Wasser mitten in einer fremden Welt.
Tausende Lichter umkreisen sie. Vielleicht sind es doch nur Sterne, vielleicht auch wirklich Planeten oder etwa ganze Galaxien.
Eine schöne Szene, findet ihr nicht?
Nun, lasst uns eine Welt näher erkunden.
Für mich ist es nur ein Schwung mit dem Stift, ein kleiner Umweg auf dem Pfad der Geschichte, die ich eigentlich erzählen wollte.
Aber es könnte so viel mehr sein.
Für euch, für jeden, der mag, ist es ein Portal in eine andere Welt.
Wir befinden uns in einer fremden Welt. Eine Welt, die so vollkommen anders ist als die unsere. Eine Welt, die mir gehört
.
Es ist meine Welt, die ihr dort vor euch seht.
Eine flache Scheibe, als hätte jemand eine silberne Kugel zerquetscht.
Wundervoll schimmern die Meere, deren Wasser sich über die Ränder der Welt ergießen, sanft wiegen sich die saftig grünen Wiesen und die goldenen Felder im Wind, endlos schön schimmert das blau-grüne Eis dort im Licht des runden Mondes und unerschütterlich stehen die Berge in der Welt, wie mächtige Wächter einer vergessenen Zeit in den Königreichen, seit Äonen dort verankert...
oder erst seit zwei Minuten?
Wir bewegen uns auf die Mitte der Welt zu.
Dort steht ein Baum.
Es ist ein großer Baum, in dessen Zweige die Sterne hängen, der Mond sich dreht und die Sonne ihre Runden zieht, als wären es nur Laternen bei einem Fest der Götter.
Ein Baum, um dessen Wurzeln sich Zivilisationen entwickelten, nie voneinander erfuhren, weil die Entfernung zu groß war und schließlich vergingen, als der Baum weiter wuchs und aus Meilen beinahe galaktische Ausmaße wurden.
Und in der Krone dieses wundersamen Baumes sitzen zwei Gestalten.
Von unten sind sie nicht zu sehen, so wie der Baum selbst, doch sie haben eine wirklich großartige Aussicht.
Denn von dem Baum aus kann man die gesamte Welt beobachten. Und dort sitzen sie, zwei Schemen in einem Baum.
Sie lehnen gegeneinander, Schulter an Schulter.
Sie schauen in den Mond, beobachten die Sterne, die hier seltsame Muster bilden über einer Welt, in der andere Regeln gelten.
Und hunderte von kleinen Irrlichtern erhellen winzige Abschnitte in der Dunkelheit.
Und auch diese beiden lassen wir zurück.
Ein weiterer Strich auf dem Pfad der Geschichte wird zu einer Brücke nach...
Finsternis wabert um das Schloss.
Ein tosender Fluss wird von den Wänden einer tiefen Schlucht hin und her geworfen.
Eine kalte, graue Nebelwand umgibt die Mauern der Festung.
Kommt mit...
Wir stürzen durch schwefelgelbe Wolken, rasen durch das Schlosstor, eine hohe Pforte mit unheimlichen Verzierungen. Sie zeigen Totenschädel, Skelette, Dämonen, Teufel, die Abgründe der Hölle.
Im Hof begegnen uns wandelnde Leichen, halb verwest und schrill kichernd. Wahnsinnige Tote im Rausche des Lebens, nicht erreicht vom schwarzen Tod, dem Schnitter, dem schwarz gewandeten Knochenmann, der sie...
Er kam nie.
Und nun harren diese armen Seelen in vergammelnden Körpern aus, nicht in dieser Welt, noch in jener, können nicht hinüber, noch zurück, doch sind der Zeit unterworfen. Stimmbänder geschmolzen in heißen Tiegeln der Hölle, schreien sie ihre Qualen in den bewölkten Himmel, in den unheimlichen, fahlen Nachthimmel.
Vergessen. Verlassen.
Verflucht.
Wir rasen weiter. Durch das Schloss.
An den Wänden hängen funkelnde Kerzenleuchter, sie verstrahlen eine unheimliche Aura von Tod und Verderben. Die nackten Felsen sind befleckt mit Blut, tiefroter Schmiere, die ursprünglich dutzende von Herzen am Laufen hielt.
Gammelige Teppiche hängen von der hohen Decke, Fahnen einer vergessenen Ära, in der der König noch nicht...
Schließt die Augen!
Es könnte unangenehm werden.
Wir schlagen uns durch jede Tür, jedes Tor fliegt auf, jedes Schloss wird gebrochen, jede Verriegelung gesprengt.
Ein Wort von mir und dies alles würde zusammenbrechen.
Wir enden mit unserer Reise durch das sterbende Schloss im letzten Raum.
Es ist ein großer Saal.
Früher mag er einmal ein prächtiger Ballsaal gewesen sein, doch nun schaukeln die letzten Spinnen im Todeskampf in ihren zerfetzten Netzen.
Knochen liegen auf dem Boden.
Knochen... von was?
Ein Geräusch lässt euch herumfahren. Mich nicht. Ich bin der Autor
.
Es ist eine Frau.
Sie sitzt auf einem Thron.
Eher einem Sitz.
Er besteht aus etwas weißem...
Es sind Schädel. Menschliche Schädel.
Sie grinsen jeden an, versteinert in einer immerwährenden Mimik des todernsten Spaßes.
Die Frau trägt ein graues Gewand.
Aschegrau.
Oder Knochenbleich.
Vielleicht auch Blutrot?
Ihre leeren Augenhöhlen starren euch an. Sehen euch tief in die Seele, durchschauen eure Taten, eure Gedanken, euer Bewusstsein.
Ein schrilles Kichern treibt die Gänsehaut über den Körper, jagt kalte Schauer über den Rücken und verscheucht jedes Gefühl von Sicherheit.
Sie benutzt eure Augen. Eure Augen. Und ihr könnt nichts dagegen tun. Rein gar nichts.
Aber was sieht sie damit?
Einen Planeten. Verfallen, vergammelt, verdreckt.
Ölige Meere, verpestete Luft, vergiftete Flüsse. Müll stapelt sich in jeder Ecke, seltsame Wesen, entstanden aus Mutationen und radioaktiver Strahlung, rennen über die schwarze, verbrannte Erde.
Die letzten Menschen sind in dem Feuer umgekommen, das den Planeten einhüllte, als hunderte von Königen, Präsidenten und Anführer auf den roten Knopf drückten, weil sie sich bedroht fühlten... von Ihresgleichen.
Andere starben schon vorher, durch neue Waffen, die eigentlich zur Verteidigung benutzt werden sollten...gegen Ihresgleichen.
Die Frau lacht erneut, als sie sieht, wie sehr ihr an dem Planeten hängt, den ihr Heimat nennt.
Sie versteht euch nicht.
Überlegt euch, was ihr mit ihr anfangt.
Ich gehe zurück zu meinem Garten.
Zu meinem Baum in der Nacht...
Zu meinem Teich zwischen den Welten...
In meinen Garten in die Laube...
Ich glaube, werde ein wenig Tee trinken.
Texte: Meine Welt, meine Gesetze, mein Buch.Alle Rechte liegen bei mir.
Bildmaterialien: Alle Rechte bei mir, das Cover habe ich auch selbst gemalt.
Tag der Veröffentlichung: 06.06.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch allen, die gerne jemand anderes wären, in einer anderen Welt, in einer anderen Zeit.